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Full text of "Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte"

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JAHRESBERICHTE 


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NEUERE 


DEUTSCHE  LITTERATÜRGESCHICHTE 


UNTER  STÄNDIGER  MITWIRKUNG  VON 


J.  ßOLTE,  W.  CREIZENACH,  G.  ELLINGER,  E.  ELSTER,  L.  GEIGER,  W.  GOLTHEE. 
0.  HARNACK,  A.  HEUSLER,  G.  KAWERAU,  K.  KEHRBACH,  K.  KOCHENDOERFFER, 
A,  KOESTER,  RUD.  LEHMANN,  R.  M.  MEYER,  V.  MICHELS,  F.  MüNCKER. 
R.  MUTHER,  E.  NAUMANN,  0.  PNIOWER,  A.  REIFFERSCHEID,  G.  ROETHE.  A.  SAUER, 
P.  SCHLENTHER,  ERICH  SCHMIDT,  G.  STEINHAUSEN,  PH.  STRAUCH,  V.  VALENTIN, 
M.  VON  WALDBERG,  0.  F.  WALZEL,  A.  VON  WEILEN,  H.  WELTI,  R.  M.  WERNER, 

G.  WITKOWSKI,  H.  WUNDERLICH 


HEBAUS6E0EBEN 


VON 


JULIUS  ELIAS,  MAX  HERRMANN,  SIEGFRIED  SZAMATOLSKI. 


ZWEITER  BAND  (JAHR  1891). 


STUTTGART. 

G.  J.  GÖSCHEN'SCHE  VERLAGSHANDLUNG. 

1893. 


2^31 
'73.5' 
Bd.  2. 


JLJank  dem  rüstigen  Zusammenwirken  des  an  unseren  Jahreslierichten  ver- 
einigten Gelehrtenkreises  haben  wir  den  Abgrund,  der  den  ersten  und  zweiten  Jahr- 
gang solcher  Werke  zu  trennen  pflegt,  glücklich  und  rechtzeitig  überschreiten  können. 
Freilich  haben  wir  zu  unserem  eigenen  Leidwesen  die  Enden  der  beiden  Halbbände  im 
letzten  Augenblick  der  Not  abhaüeu  müssen.  Um  den  ganzen  Band  vor  Jalu'esschluss 
hinauszubringen,  mussten  wir  die  fertigen  Kapitel  „Humanismus"  und  „Grillparzer*'  im  Re- 
daktionspult zurückbehalten.  Ebenfalls  aus  diesen  äusseren  Gh-ünden  ist  der  Schluas 
des  allgemeinen  Teiles  des  18./19,  Jahrhunderts  ausgefallen,  wie  denn  Professor  Roethe 
andererseits  wegen  des  ungeheueren  Anwaclisens  dieses  Abschnittes  sein  zweites  Kapitel 
auf  den  nächsten  Jahrgang  zu  verschieben  genötigt  war.  Im  gleichen  Falle  ist  Professor 
Werner,  der  neben  dem  grossen  Kapitel  „Poetik"  den  anderen  umfänglichen  Abschnitt 
„Lyrik"  des  18./19.  Jahrhundei-ts  nicht  mehr  fertig  stellen  konnte. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  beiden  Mitarbeitern,  die  durch  ihre  abgedruckten  Bei- 
träge vollauf  gerechtfertigt  erscheinen,  hat  Herr  Professor  Edward  Schröder,  der  schon  im 
vorigen  Jahrgang  mit  seinem  ganzen  Beitrag  im  Rückstand  geblieben  war,  auch  diesmal  ein 
Verhalten  beobachtet,  das  von  einem  älteren  und  grösseren  Unternehmen  als  das  unsere 
öifentlich  gebührend  gekennzeichnet  worden  ist  (vgl.  z.  B.  Mitteilungen  des  Instituts  ftir 
östeiTeichische  Geschichtsforschung  13,  S.  657).  Nicht  genug  dass  wir  infolge  seiner 
steten  Hinhaltungen  erst  in  später  Stunde  einen  Bearbeiter  ftlr  den  laufenden  Jahrgang 
gewinnen  konnten,  ist  es  uns  durch  die  Einbehaltung  des  von  uns  gesammelten  und 
gelieferten  Materials,  bei  der  Herr  Professor  Schröder  trotz  aller  in  Greifen  persön- 
licher Massnahmen  gehaltenen  Versuche  beharrt,  unmöglicli  gemacht,  den  Bericht  ftkr 
1890  jetzt  oder  später  nachzuliefern.  Diese  offene  Darlegung  wird  uns  vor  unseren 
Lesern,  den  Autoren  und  Verlegern  rechtfertigen. 

Der  Ausfall  der  Kapitel  „Klopstock"  und  ,, Wieland"  bedeutet  keine  Lücke  des 
Jahrgangs,  da  sie  als  selbständige  Abschnitte  nur  verschwunden  sind,  um  in  grösserem 
Zusammenhang  im  wesentlichen  vom  früheren  Bearbeiter  behandelt  zu  werden.  Aehn- 
liches  gilt  von  Goethes  Didaktik,  dem  Kapitel  Dr.  Otto  Hamacks,  dessen  Mitarbeit  uns 
hoffentlich  im  nächsten  Bande  an  anderer  Stelle  zu  gute  kommt.  Weitere  Verände- 
rungen betreffen  einen  Wechsel  der  Mitarbeiter.  Dr.  Richard  M.  Meyer,  der,  wie  wir 
an  dieser  Stelle  nochmals  hervorheben  möchten,  im  vorigen  Jahre  trotz  lückenhaften 
Materials  und  drängender  Zeit  mii  freundschaftlicher  Gesinnung  in  die  Bresche  sprang, 
gab  seinen  Bericht  an  Dr.  Georg  Steinhausen,  um  selbst  den  Abschnitt  des  Dr.  Eugen 
Kühnemann  zu  übernehmen. 

Wir  können  den  Band  nicht  hinausgehen  lassen,  ohne  unseren  Dank  für  die 
überaus   erfreuliche  Aufnahme  auszusprechen,    die    unser   erster  Jahrgang  nicht  nur  bei 


IV 

den  Litterarhistorikern  der  verschiedensten  Richtungen,  sondern  auch  bei  anderen  Ge- 
lehrten und  in  Laienkreisen  gefunden  hat.  Ohne  im  einzelnen  diese  Kundgebungen 
verzeichnen  zu  wollen,  wie  man  es  wohl  gerade  von  unserem  Unternehmen  erwarten 
mag,  können  wir  unseren  Gönnern  versichern,  dass  Lob  und  Ratschlag  uns  in  gleicher 
Weise  fördern  wird.  In  Anbetracht  dessen,  dass  wir  die  redaktionelle  systematische 
Sammelarbeit  bereits  durchgeführt  haben,  bei  der  uns  die  am  Schluss  des  Bandes  ge- 
nannten Herren  für  eine  Reihe  von  Tagesblättern  und  Gelegenheitsschriften  sowie  für  einen 
Teil  der  ausländischen  Litteratur  freundlich  unterstützten,  und  dank  der  Bemühungen 
unserer  Mitarbeiter,  die  sich  Beispiel  nnd  Erfahrungen  des  ersten  Bandes  zu  nutze 
machten,  dürfen  wir  wohl  der  Hoffnung  Ausdruck  geben,  mit  dem  vorliegenden  Jahr- 
gang unserem  Ziel  näher  als  zuvor  gekommen  zu  sein. 

Berlin  W.,  im  November  1893. 

Matthaikirchstr.  4,  II. 


JÜLroS  ELIAS.      MAX  HERRMANN.      SIEGFRIED  SZAMATOLSKL 


Inhaltsverzeichnis. 

Erster  Ualbband. 

I.  Allgemeiner  Teil. 


1.  Litteraturgeschichte.     Von  Dr.  Siegfried  Szainatolski  in  Berlin 

und  Dr.  Max  Herrmann,    Privatdocent  an   der  Universität  Berlin     S.     1 — 19 

Methode:  Litteraturgeschichte:  Französisches  N.  2.  —  Englisches  N.  15.  —  DeataekM  N.  19.  — 
Geschichte:  Allgemeines  N.  27.  ^  Kritik  N.  32.  —  Philosophie  N.  33.  —  U eiamtdarsteUangaB  N.  8<S.  —  Ver- 
schiedenes N.  49.  — 

2.  Geschichte    der    deutschen    Philologie.       Von    Dr.    Wolfgang 

Golther,  Privatdocent  an  der  Universität  München S.  19 — 23 

Vorläufer  N.  1.  —  BrUder  Grimm:  Briefwechsel  N.  6;  Jacob  Grimm  N.  12;  Deutaebe  Sagen  N.  13.  —  Laeh- 
mann,  Schmeller  N.  14.  —  Einzelne  Gelehrte  bis  auf  die  Gegenwart  N.  16.  —  Allgemeine  Sprachwüsantehaft  N.  2tt.  — 
Neltrologe  N.  35.  — 

3.  Poetik  und  ihre  Geschichte.     Von  Dr.  Richard  Maria  Werner, 

Professor  an  der  Universität  Lemberg S.  24 — 65 

Geschichte  der  Poetik  und  der  Aesthetik:    Die  drei  Einheiten  N.  2.    —    Frisch  N.  4.   —   Sehwabe  B.  5. 

—  Winckelmann  N.  7.  —  Lessing  N.  10.  —  Herbart  N.  12.  —  Schopenhauer  N.  20.  -  v.  Hartmann  N.  25.  —  Richard  Wagner 
N.  27.  —  Ziel  und  Methode  der  Forschung:  Normative  Aesthetik  N.  32.  —  Schulmlssige  Zusammenatellung en- 
Poetik  N.  39.  -  Rhetorik  N.  47.  -  Subjektive  Versuche:  HoU  N.  52.  —  v.  Kralik  N.  53.  —  Kratz  N.  67.  -  Induk- 
tive Aesthetik:  Kunstphysiologie  N.  <'>2.  —  Phantasie  N.  67.  —  Schön  und  gut  N.  71.  —  KOnstler  und  Mensch  N.  74.  — 
Floiss  N.  75.  —  Genie  N.  80.  —  Induktive  Poetik:  Evolution  N.  85).  —  Urform  N.  94.  -  Seh  erer  N.  96.  —  Werner  V.\V» 

—  Poesie  und  Malerei  N.  103.  —  Anthropomorphismus  N.  108.  —  Dichterisches  Schäften  N.  109.  —  Popnlaritlt  N.  111.  — 
Einzelne  Fragen:  Wahrheit  N.  112.  —  Tendenz  N.  120.  —  Natur  N.  123.  —  Allegorie  N.  127.  —  Humor  N.  130a.  — 
Poetik  der  einzelnen  Dichtungsgattungen.  Lyrik:  Lied  N.  131;  Ballade  N.  132.  —  Koaan  N.  137.  — 
Drama:  Tragödie  N.  142;  Komödie  N.  151;  Drama  und  Bühne  N.  153;  Moderne  Technik  N.  174.  —  Der  Nat  nraliiMni: 
Sein  Endo  N.  179.  —  Historisches  N.  184.  —  Nietzsches  Einfluss  N.  197.  —  Einzelne  Persönlichkeiten  und  der  NatoralissBa 
N.  208  —  Naturalismus  und  Socialismus  N.  214.  —  Kunst  nnd  Zeit  N.  225.  —  SchOnh«it  und  Sittlichkeit  N.  227.  —  Nene 
Schönheit  N.  240.  —  Milieu  N.  248.  -  Suggestion  N.  255.  —  Französischer  Naturalismus  N.  260.  —  Deutscher  N.  263.  —  Baasiecher 
N.  277.  —  Nordischer  N.  278.  — 

4.  Schrift-  und  Buchwesen.     Von  Dr.  Karl  Kochendörffer,  Kustos 

an  der  Universitätsbibliothek  Marburg S.  66 — 79 

Schriftweson:  Handschriftenkataloge  N.  1.  —  Autographen  N.  4.  —  Bachwesen:  Erflnduug  der  Drucker- 
kunst  N.  6.  —  Einzelne  Drucker  N.  10.  —  Bibliographie  N.  33:  BlotkbUcher  N.  36;  Inkunabeln  N.  88;  lOOj.  Kalender  N.  48; 
Zeitungen  N.  49;  BUcherverzeiihnisse  N.  51;  Zeitschriftenrogister  N.  60.  —  Bibliotheken:  Allgemeines  N.  65;  einzelne  Blbliotheke« 
N.  70;  Schulbibliothoken  N.  89;  Bibliophilen  und  Bibliothekare  N.  99.  -  Buchhandel:  Allgemeines  N.  104;  Bnchhindler 
N.   117;  Censur  N.  132;  Nachdruck  N.  135;  Pflichteieraplare  N.  138;  heutiger  Betrieb  N.  144.  —  Bucheinband  N.  153.  — 

5.  Kulturgeschichte.     Von  Dr.   Georg  Steinhausen,   Kustos  an  der 

Universitätsblibiothek  Jena S.  79 — 102 

Allgemeines:  Begriff  der  Kulturgeschichte  N.  1.  —  Allgemeine  Darstellungen  N.  6.  —  DarsUllnngen  grosserer 
Gebiete  N.  13.  —  Sammelwerke  N.  14.  —  Kulturen  twioklung  im  eintelnen:  Darsiellnsgen  einzelner  Epoche«  «»4 
Zeitbilder  N.  16.  —  Familienleben,  hSusliches  Leben,  Frauen  N.  28.  -  Oeselliges  l/eben,  Spiele.  Feste  N.  4.1.  —  OeisÜrs  «ad 
gemütliche  Entwicklung  N.  62.  —  Nationale  Entwicklung  N.  96.  —  Aeussere  Kultur:  Wirtschaft,  Wohahaui.  Tracht,  Kahnag. 
Gesundheitswesen,  Verkehrswesen,  Reisen  N.  103.  —  Sittengeschichtliches  N.  162.  —  Volkskunde  und  Mythologie  N.  180.  — 
Tiere  und  Pflanzen  N.  286.  —  Einzelne  Materien  N.  296.  —  Lokalstudian  N.  .SOi.  -  Einzelne  Stande  ued  MeaecheakUsSH 
N.  382.    —    Einzelne  Personen  N.  400.  —  Kultnrstrebungen  der  Gegenwart  N.  434.  — 


VI  Inhaltsverzeichnis. 

6.  Geschichte   des  Unterrichtswesens.     Von  Dr.   Karl  Kehrbach 

in  Berlin S.  103—125 

Geschichte  der  Pädagogik:  Gesamtdarstellungen  N.  1.  —  Häusliche  Erziehung,  Prinzenerziehung  N.  9.  — 
Methodik  einzelner  Fächer  N.  10a.  —  Einzelne  Persönlichkeiten:  Theoretiker:  ältere  Zeit  N.  17;  Philanthropinisten 
N.  21;  katholische  Pädagogen  N.  24;  Pestalozzis  Zeitgenossen  N.  26;  Herbart  N.  32;  Diesterweg  N.  38.  —  Schulmänner: 
Sachsen  (Königreich  und  Provinz)  N.  65;  Thüringen  N.  71;  Hessen  N.  80;  Rheingegenden,  Württemberg,  Bayern  N.  88 
Schlesien  N.  94;  Posen,  Preussen,  Pommern,  Mecklenburg  N.  99;  Berlin  N.  103;  Braunschweig,  Westfalen  N.  106;  Hansestädte 
N.  109;  Ausland  N.  113.  —  Freunde  dos  Schulwesens  N.  118.  —  Unterrichtsanstalten:  Urkunden:  Universitäten  und 
Akademien  N.  122.  —  Schulen  N.  128.  —  Darstellungen:  Universitäten  und  Akademien:  Allgemeines  N.  152;  einzelne  An- 
stalten N.  155.  —  Schulen:  grössere  Bezirke  N.  168;  einzelne  Anstalten  N.  182.  —Verschiedenes:  Schulkomödie  N.  221.  — 
Spiele  und  Feste  N.  227.  —  Schulmünzen  N.  231.  —  Fraternitas  seholarium  N.  232.  — 

7.  Die    Litteratur    in    der   Schule.      Von    Dr.   Rudolf  Lehmann, 

Oberlehrer  am  Luisenstädtischen  Gymnasium  zu  Berlin   .     .     .     .     S.  126 — 135 

Allgemeines  und  Methodologisches:  Amtliche  Veröffentlichungen  N.  1.  —  Methodik  N.  6.  —  Methodische 
Erläuterungschriften  N.  19.  —  Hilfsmittel  für  den  Unterricht:  Schulausgaben  N.  25.  —  Lesebücher  und  Anthologien 
N.  68.  —  Leitfäden  für  Litteraturgeschichte  und  Poetik  N.  93.  _ 

8.  Geschichte     der      neuhochdeutschen     Schriftsprache.       Von 

Dr.    Hermann     Wunderlich,     Professor     an     der    Universität 

Heidelberg S.  136—143 

Einleitung  N.  1.  —  Konstitutive  Faktoren:  Kanzlei  und  Buchdruck  N.  2;  Mundarten  N.  6;  indi- 
viduelle Einflüsse:  theoretische  (Schottel,  Schupp,  Sprachgesellschaften  u.  a.)  N.  16,  praktische  (Hütten,  Haller,  Herder,  Goethe, 
Hebel,  Heine)  N.  24.  —  Erscheinungsform:  Historisches:  Allgemeines  N.  29,  Laut-  und  Formenlehre  N.  30,  Syntax 
N.  34,  Stil  N.  38,  Wortschatz  (Wörterbücher  u.  a.)  N.  48;  Polemisches:  Allgemeines  (,Papiemer  Stil",  „Sprachdummheiten") 
N.  56,  Fremdvirörter  N.  60.  — 

9.  Geschichte    der    Metrik.     Von   Dr.  Andreas  Heusler,    Privat- 

docent  an  der  Universität  Berlin S.  143 — 144 

Gesamtdarstellungen  der  neudeutschen  Verskunst  N.  1.  —  Allgemeines  über  Versbau  N.  5.  —  Reim  N.  10.  — 
Rhythmus  N.  13.  —  Einzelne  Versarten  N.  17.  — 


IL  Von  der  Mitte  des  15.  bis  zum  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts. 


1.  Allgemeines.     Von    Dr.    Siegfried   Szamatolski  in  Berlin    und 

Dr.  Max  Herrmann,  Privatdocent  an  der  Universität  Berlin.     .     S.  145 — 152 

Litteratur  N.  1.  —  Geschichte:  Allgemeines  N.  4;  katholische  Polemik  N.  13.  —  Kunst  N.  16.  —  Wissenschaft  N.  20.  — 

2.  Lyrik.     Von  Dr.  Georg  Ellinger,  Oberlehrer  an  der  6.  Städtischen 

Realschule  zu  Berlin. S.  152 — 158 

Geistliche  Lyrik:  Gesamtcharakteristik  N.  1.  —  Lokale  Gesichtspunkte  N.  3.  —  Neue  Mitteilungen  N.  6.  — 
Biographien:  Katholiken  N.  7;  Protestanten  N.  9;  Sektirer  N.  16.  —  Verfasserfrageu  N.  19.  —  Meistergesang  N.  22.  — 
Volksgesang  N.  26.  -  Musik  N.  39.  — 

3.  Epos.    Von  Dr.  Philipp  Strauch,  Professor  an  der  Universität  Halle     S.  158 — 168 

Erzählung:  Hans  Schneeperger  N.  1 ;  Wittenweiler  N.  2.  —  Ältere  Volksb  ücher:  Euienspiegel  N.  4.  — 
Tierepos:  Reinke  de  Vos  N.  7.  —  SchwankbUcher:  V.  Schumann,  Kirchhof  N.  17;  Niederländisches  Schwankbuch 
N.  20.  —  Fischart  N.  21.  —  Jüngere  Volksbücher:  Schildbürger  N.  24;  Faust  N.  31;  Ewiger  Jude  N.  39.  —  Legende: 
hl.  Meinrad  N.  40.  —  Prosaroman:  Morgant  der  Riese  N.  41.  —  Historische  Litteratur:  J.  Oldeoop  N.  43;  Hans 
V.  Schweinichen  N.  44.  — 

4.  Drama.    Von  Dr.  Johannes  Bolte,  Oberlehrer  am  Königstädtischen 

Gymnasium  zu  Berlin S.  168 — 173 

Geistliche  Schauspiele  des  Mittelalters  N.  1.  —  Fastnachtspiele  N.  9.  —  Schulkomödien  N.  11.  —  Einzelne  Dra- 
matiker des  16.  Jh.:  Schweiz  N.  13;  Sachsen  N.  15;  Hessen  N.  20;  Franken  (Hans  Sachs)  N.  21;  Bayern  N.  31;  Württemberg 
N.  82;  Elsass  N.  33;  Oesterreich,  Böhmen,  Schlesien  N.  37;  Niederdeutschland  N.  40.  — 

5.  Didaktik.     Von  Dr.  Gustav  Roethe,  Professor  an  der  Universität 

Göttingen. 

Vgl.  Bd.  3  der  JBL. 

6.  Luther.     Von  Dr.  Gustav  Kawerau,  Professor  an  der  Universität 

Breslau S.  173—187 

Werke:  Ausgaben  N.  1.  —  Neue  Funde  N.  6.  —  Einzelne  Schriften  N.  13:  Bibelübersetzung  N.  20;  Katechismus 
N.  26;  Sprachliches  N.  32.  —  Biographie:  Gesamtdarstellungen  N.  35;  neue  Quellen,  Untersuchungen  Ton  Einzelheiten 
N.  43.  -   Freunde  und  Feinde  N.  64;  Forscher  N.  75.  —  Theologie  und  Weltanschauung  N.  77.  —  Festspiele  N.  95.  — 


Inhaltsverzoichnis.  VII 

7.  Reformationslitteratur.      Von    Dr.    Victor    Michels,     Privat- 

docent  an  der  Universität  Göttingen S.  188 — lOf? 

AliKKiiieinerns  N.  1.  —  Kinteliie  I.an<lHchart«-n  und  KUdU :  Bayern  N.  12;  Hrbwab«n  N.  in,  Waldihat,  Joiebim«- 
tlml  u.  a.  N.  17.  —  DarHtellunKeii  uiitxr  litUrariHrben  0«siuhtHpuiikti-ii :  IUHkiOha  Volkitlittoratur  N.  :M);  KatechiKmus'itUratur 
N.  31 :  l'oleinisuLe  LiUoratur  N.  34;  l<ilditri>olemik  N.  38;  Neudruck«  N.  40.  —  Einzeln«  Worinibrer:  Katholiken :  iSUupiU 
N.  43;  EinHnr  N.  4.'>;  Municr  u.  a.  N.  47.  -  ProtxMUiiUn  N.  57 :  Helene hthon  N.  60;  Iiu|{eobagen  N.  05;  Iiac«rN.  (W;  ZwiBKUi>.ft. 
N.  83;  Paul  SperatuH  u.  a.  N.  89;  Hektiror  u.  a.  N.  06.  — 

8.  Humanisten  und  Neulateiner.    Von  Dr.  Siegfried  Szamatölski 

in    Berlin     luid    Dr.     Max    Herrmann,     Privatdocent     an     der 
Universität  Berlin. 

\g\.  Bd.  3  der  JBL. 


Zweiter  Halbband. 

III.  Vom  Anfang  des  17.  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts. 

1.  Allgemeines.     Von   Dr.  Alexander  Reifferscheid,    Proiessor    an 

der  Universität  Greifs wald 8.  1 — 6 

Pülitische  und  wirtschaftliche  VorhUltnisse  N.  1.  —  OeistcBlebon  N.  14.  —  aefBbl8leb«>n  N  21.  —  lloneben  and 
gesellscbaftliche  Zustnnde  N.  '^4.  — 

2.  Lyrik.     Von    Dr.    Max    Freiherrn    von    Waldberg,    Professor    an 

der  Universität  Heidelberg S.  7  —  IG 

Weltliche  Lyrik:  Allgemeines  N.  1.  —  Neue  Mitteilungen  N.  2.  —  Biographleclies:  Weckberlin  N.  IS;  Zink- 
gref  u.  a.  N.  14;  Dnch  N.  19;  Kist  u.  a.  N.  -'i;  Uofmannswuldau  N.  25;  Kayser  u.  a.  N.  29.  —  Qeistliebe  Lyrik:  Suim- 
luugun  N.  'M.  —  Biographisches:  Schnurr  u.  a.  N.  45;  Schmolck  u.  a.  N.  51;  Subotteliu«  n.  a.  N.  54.  —  Komponittea: 
Seile  u.  a.  N.  66;  H.  Schütz  N.  70    — 

3.  Epos.     Von  Dr.  Julius  Elias  in  Berlin S.  17—19 

Otto  Gryphius  N.  1.  —  Grimtnelshausen  N.  2.  —  Christian  Reuter  N.  4.  —  Faust  N.  5.  —  Robinson  N.  6.  — 

4.  Drama.    Von  Dr.  Wilhelm  Creizenach,  Professor  an  der  Universität 

Krakau S.  20—24 

AUgemeiues  N.  1.  —  Dramatiker  der  Uebergangszeit  N.  3.  —  Das  Drama  an  den  deutseben  FQrstenbOfen  N.  9.  — 
Dramatische  Dichtung  von  Schulmännern  und  Jesuiten  N.  13.  —  Wandertruppen  N.  16.  —  Tbeatergescbicbte  einzelner  Stsdte 
(^Hamburg,  Berlin)  N.  18.  —  Yolksschauspiel:  Allgemeines  N.  27;  Doktor  Faust  N.  30;  Don  Juan  N.  32;  Braut  der  Holle  N.  35. 

—  Oberammergauer  Passionsspiel  N.  36.  — 

5.  Didaktik.     Von  Dr.  Julius  Elias  in  Berlin S.  24—33 

Religiöses  Leben:  Hermann  v.  d.  Hardt  N.  1.  —  Zinzendorf  N.  2.  —  Scbrautenbacb  N.  3  —  Tennhardt  N.  4. — 
Pbysiologus  N.  5.  —  Prediger  N.  ti.  —  Wortheimer  Bibel  N.  7.  —  Satiriker:  Moscberosch  N  10.  —  Schupp  N.  12.  —  Hage- 
dorn N.  17.  —  Die  Schweizer:  Discourse  N.  18.  —  Bodmer  N.  Ht.  —  Haller  N.  21.  —  Vere  iniel  tes:  Ouarinonins  N.  23b  — 
Zeseu  N.  24.  —  Schmid  v.  Schwarzenhom  N,  26.  —  SprUcbe  und  Zeilverse  N.  27.  —  Reisejonrnale  N.  29.  — 


IV.  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zur  Gegenwart 

1.  Allgemeines.    Von  Dr.  Gustav  Roethe,  Professor  an  der  Universität 

Göttingen S.  34— 80k 

Litteraturgeschichte  N.  1.  —  Anthologien  N.  9.  —  Almanache  N.  21.  —  SUmmbOeber  N.  28.  —  Modem* 
Litteratur  N.  33.  —  Geschichte  geistiger  Strömungen  des  Jahrhundert.s :  Allgemeines  N.  42.  —  Tbeoloipe  N.  47.  — 
NationalgefUhl  N.  48.  —  Politische  Geschichte  des  18.  und  19.  Jahrhunderts  N.  51;  einzelner  Epochen  N.  57.  —  Smbb- 
lungen  von  Biographien  N.  64.  —  Preussische  Könige  N.  67;  Friedrieb  der  Grosse  N.  68;  Friedrieb  Wilhelm  II.  N.  92;  Friedrieb 
Wilhelm  III.  N.  93;  Friedrich  Wilhelm  IV.  N.  95;  Wilhelm  I.  N.  96;  Wilhelm  II.  N.  98.  —  Bismank  N.  101.  -  MolUe  und 
Roon  N.  118.  —  Selbstbiographien  und  Tagebücher:  von  Fürsten  N.  159;  von  Diplomaten  und  PoHUkern  N.  162; 
von  Dichtern  und  Schriftstellern  N.  188;  von  Historikern  N.  209;  von  Theologen  N.  218;  von  Schauspielern  N.  228.  —  Brief- 
sammlungeu  N.  232.  — 

2.  Lyrik.      Von    Dr.    Richard    Maria    Werner,     Professor    an     der 

Universität  Lemberg. 

Vgl.  Bd.  3  der  JBL. 

3.  Epos.     Von    Dr.    Franz  Muncker,    Professor    an    der   Universität 

München S.    81 — 100 

Allgemeine  Theorie  und  Gesuhiehte  des  Romans  N.  I.  —  Fabeln  and  poetische  Erxthlaagen  N.  13.  —  Komistk« 
Heldengedichte  N.  18.  —  Ernstes  Epos  N.  19.  —  Klopstock  N.  20.  -  Wieland  N.  29.  -  AelUre  Roman«  N.  33.  —  KUngar 
N.  38.  —  Borger  und  Voss  N.  41.  —  Tiedge   und  andere  Zeitgenossen   der  klassisches  Periode  N.  45.  —  Hebel  mad  Zscbokka 


VIII      •  Inhaltsverzeichnis. 

N.  50.  —  Christoph  v.  Schmid  N.  B6.  —  Jean  Paul  N.  73.  —  E.  T.  A.  HofTmann  N.  81.  —  Chamisso  N.  83.  —  Gleichzeitige 
und  wenig  spätere  Novellen-  und  Romandichter:  Hauff,  Immermann,  üerstäcker,  Moson  u.  a.  N.  84.  —  Fritz  Benter  N.  114.  — 
AnerbHCh  und  süddeutsche  DorfgeschicLtendichter  N.  122.  —  Gottfried  Keller  N.  139.  —  K.  F.  Meyer  N.  157.  —  Kedwitz 
N.  161.  —  F.  W.  Weber  N.  170.  —  Hamerling  N.  173.  —  Scheffel  N.  182.  —  Ferd.  Qleichauf,  Titns  Ullrich,  Aug.  Becker 
N.  189.  —  Baabe  N.  192.  —  Schweichel  N.  202.  —  Rodenberg  N.  204.  —  Geschichte  des  Erstlingswerks  N.  207.  —  MUnchener 
Dichter  N.  217.  -  J.  B.  Mnschi  N.  221.  —  Wiener  Romanautoren  N.  222.  —  Fontane  N.  226.  —  Frenzel  N.  230.  —  A.  Glaser 
N.  234.  -  .Die  Moderne"  N.  236.  — 

4.  Drama.     Von  Dr.  Alexander  von  Weilen,    Privatdocent  an   der 

Universität  V^ien S.  100—111 

Aeltere  Zeit  N.  1.  —  Sturm  und  Drang  N.  8.  —   Dialektdichtnng  N.  23.    —    Zeit  der  klassischen  Litteratur  N.  25. 

—  Körner  N.  38.  —  H.  v.  Kleist  N.  108.  —  Holtei,  Gutzkow,  Dingelstedt,  Giseke  N.  119.  —  Otto  Ludwig  N.  128.  —  Lassall©, 
Herrig  u.  a.  N.  133.  —  Oesterreichische  Dramatiker:  Schröckinger  u.  a.  N.  151;  Halm  N.  156;  Hebbel  N.  156;  Nestroy  und 
Baimnnd  N.  164;  Bauernfeld  N.  169;  Anzengruber  N.  171.  —  Volksschauspiel  N.  183.  —  Oper  N.  190.  — 

5.  Theatergeschichte.     Von  Dr.  Paul  Schienther,    Redakteur  der 

Vossischen  Zeitung  in  Berlin,  und  Dr.  Heinrich  Welti  in  Berlin     S.   111 — 118 

Dramatische  HillskUnste  N.  1.  —    Geschaftlirhe  Einriclitungen  N.  2.    —    Theatergebäude  und  äussere  Scene   N.  4. 

—  Repertoir  und  Publikum  N.  14.  —  Praktische  Reformversuche  N.  23.  —  Laienbühnen  N.  26.  —  Schauspielkunst  N.  30.  — 
Einzelne  Schauspieler  N.  36.  —  Theatergßschichte  einzelner  Städte:  Wien  N.  62;  Weimar  N.  63;  Frankfurt  N.  71;  Berlin 
N.  72.  —  Theaterkritik  N.  73.  — 

Lokalgeschichte  der  OpernauffUhrungen  N.  74.  —  Biyreuther  Buhnenfestspiele;  ^Lohengrin"  in  Paris  N.  82.  — 
Sänger  und  .Sängerinnen  N.  89.  — 

6.  Didaktik.      Von    Dr.    Richard    M.    Meyer,    Privatdocent    an    der 

Universität  Berlin S.  119—135 

Einleitung,  Disposition,  Allgemeines  N.  1.  —  Didaktische  Litteratur:  Haller  N.  la;  Geliert 
N.  2;  Rabener  N.  7;  Pfeffel  u.  a.  N.  8;  Sophie  Schwarz  N.  15;  Hebbel  N.  16;  Hieron.  Lorm  N.  18;  Marie  v.  Ebner-Eschenbach 
N.  27.  —  Populärphilosphie:  Wieland,  Lichtenberg,  Forster,  Hippel,  ZschokkeN.  28.  —  Philo  sophie:  Allgemeines  N.  35; 
Erste  Anhänger  und  Gegner  Kants  N.  38  f;  Fichte  N.  45;  Schelling  N.  48;  Schopenhauer  N.  51;  Herbart  N.  83;  Feuerbach  N.  87; 
NietzscheN.  96.— Theologie  N.  100:  Lavater  N.  101a;  Schleiermacher  N.  107;  K.  Hase  N.  113;  Martensen  N.  117;  Döllinger 
N.  121.  —  Geschichte:  Joh.  v.  Müller  N.  126;  Ranke  N.  132;  Duncker,  Sybel  N.  134;  Biehl,  Gregorovius  N.  137.  —  Philo- 
logie: Klassische  Philologie  N.  138;  Uebersetzer  N.  142;  V.  Hehn  N.  145.  —  Kunstlehre:  Kunsthistoriker  N.  147;  Maler 
N.  151.  —  Kritik  N.  157.  —  Andere  Disciplinen  N.  IßS.  —  Journalisten  N.  175.  —  Politiker:  Aufklärung,  Re- 
volution, Reaktion  N.  178;  Vormärz  N.  187;  Achtundvierziger  N.  189;  Staatsmänner  der  neuesten .  Zeit  N.  199;  Bismarck 
N.  200;  Lassalle  N.  203.  —  Universitäten  N.  207.  —  Schulmänner  und  Pädagogen  N.  211.  —  V  ol  kserziehnn  g 
und  Zeitkritik  N.  223.  — 

7.  Lessing.     1890,  1891.     Von  Dr.  Erich  Schmidt,  Professor  an  der 

Universität  Berlin S.  135—143 

Ausgaben  N.  1.  —  Briefe  N.  10.  —  Leben  N.  13.  —  Bilder  N.  25.  —  Werke:  Allgeraeines:  „Lessings 
Plagiate"  (Kleinigkeiten  —  Sara)  N.  27.  —  Theater  N.  28.  —  Einzelnes:  Sinngedichte,  Tarantula  N.  SU.  —  Henzi,  Sara 
N.  35.  —  Thomson,  Shakespeare  N.  38.  —  Fabel  N.  40.  —  Minna  v.  Barnhelm  N.  44.  —  Faust  N.  50.  —  Laokoon,  Archaeologie 
N.  51.  —  Hamburgische  Dramaturgie  N.  58.  —  Emilia  Galotti  N.  62.  —  WolfonbUtteler  Beiträge  N.  68.  —  Nathan  N.  73.  — 
Philosophie  N.  76.  — 

8.  Herder.      Von    Dr.    Ernst    Naumann,    Oberlehrer    am    Priedrich- 

Wilhelms-Gymnasium  zu  Berlin S.  144 — 146 

Allgemeines  N.  1.  —  Briefe  N.  4.  —  Leben  N.  7.  —  Nationale  Bedeutung  N.  8.  —  Sprache  N.  9.  —  Werke:  Philo- 
sophische Gedichte  N.  10;  Schulreden  N.  11;  Gesamtausgabe  N.  12;  Hebräische  Poesie  N.  13;  Viä  N.  14.  — 

9.  Goethe. 

a.  Allgemeines.     Von  Professor  Dr.  Veit  Valentin  in  Frank- 

furt a.  M S.  146—163 

Bilder  N.  1.  —  Denkmäler  N.  4.  —  Erinnerungsstätten  N.  11.  —  Vereine  N.  22.  —  Feiern  N.  28.  —  Einwirkung 
auf  Zeitgenossen  N.  34.  —  Aeusserungen  und  Urteile  über  Goethe  N.  60.  —  Briefe  N.  66.  —  Theater  N.  73.  —  Bildende  Kunst 
N.  79.  —  Musik  N.  93.  —  Religion  N.  100.  —  Philosophie  N.  104.  —  Naturwissenschaft  N.  107.  —  Sprache  N.  115.  —  Werke: 
Ausgaben  N.  119;  Darstellungen  N.  122.  —  Stellung  zur  Weltlitteratur  N.  126.  —  Goethe  als  Uebersetzer  N.  136.  —  Goethe- 
forscher  N.  138.  — 

b.  Leben.       Von    Dr.    Ludwig    Geiger,     Professor     an     der 

Universität  Berlin S.  163—174 

Quellen:  Tagebücher  N.  1.  —  Briefe  von  Goethe  N.  2.  —  Gespräche  N.  21.  —  Briefe  an  Goethe  N.  23.  — 
Dichtung  und  Wahrheit  N.  28.  —  Darstellungen:  Allgemeines  N.  33.  —  Einzelheiten  N.  40.  —  Vorfahren  und  Nachkommen 
N.  50.  —  Beiiehungen  zu  anderen  Personen:  Napoleon  N.  72;  Herder  N.  86;  Klinger  N.  88;  Lenz  N.  90;  Wagner  N.  97; 
sonstige  Beziehungen  N.  98.  — 

c.  Lyrik.     Von  Dr.  Otto  Pniower  in  Berlin S.  174—181 

Funde  N.  1.  —  Ausgaben  N.  7.  —  Allgemeine  Charakteristik  N.  13.  —  Einzelne  Schöpfungen 
Strassburger  Zeit:  Friederikenlieder  N.  19;  Heidenröslein  N.  22.  —  Frankfurter  Zeit:  An  Schwager  Kronos  N.  24;  Herbst- 
gefUhl  N.  26.  —  Weimarer  Zeit:  Hans  Sachsens  poetische  Sendung  N.  27;  Grenzen  der  Menschheit  N.  28;  Wer  nie  sein  Brod 
mit  Thränen  ast  N.  29;  Venetianische  Epigramme  N.  30;  Sonette  N.  31;  Verschiedenes  N.  82.  — 


Inhaltsverzeichnis,  IX 

d.  Epos.   Von  Dr.  Ludwig  Geiger,  Professor  an  der  Universität 

Berlin 8.  181—188 

Epen  in  Versen:  Hermann  und  Dorothea:  AuHgtben  and  UebeniettunKen  N.  1;  EinxelaDUraaebungan  S.  9.  — 
Acliilleis  N.  12.  -  Ewige  Jude  N.  13.  —  Prosaerxlh  luDReD:  Wertber  N.  14.  -  Wilhelm  Meiiter  N.  la  -  NovelU  R.  tL 

—  Unterhaltungen  deutscher  Auigowanderter  N.  33.  —  Wthlrerwandtaehaflan  N.  26.  — 

e.  Drama.    Von  Dr.  Georg  Witkowski,  Privatdocent  an  der 

Universität  Leipzig S.  184 — 202 

GosnmtdnrHtollunKon  und  AuHguben  N.  1.  —  Die  Laune  de«  Verliebten  und  Die  Mitaehuldlgen  R.  II.  —  COtt 
N.  lö.  —  Satyros  N.  25.  —  Cluvigo  N.  26.  -  Stella  N.  28.  -  Die  Gcnchwialer  N.  81.  -  Der  Triumph  d»r  Emplindaamkeit 
N.  32.  —  SingHpiele  N.  34.  —  Eli>«nor  N.  88  —  EKinont  N.  40.  —  Iphigonie  N.  46.  —  Taaao  N.  60h  —  Der  b«rroit«  Pro- 
motheus  N.  60.  —  Muhoinot,  Tankred  N.  70.  —  Die  natürliche  Tochter  N.  72.  —  Koneo  und  Julia  N.  73.  —  Di«  Weit«  N.  74. 

-  Kaust:  Allgemeines  N.  75;  Quellen  N.  107;  Urfaust  N.  100;  Erster  Teil  N.  ll.s,  Zweitor  Teil  N.  12-2.  — 

10.  Schiller.     Von   Dr.  Albert  Köster,   Professor  an   der  Universität 

Marburg 8.  208—210 

ISiographischos:  Vollständige  Biographien  N.  I.  —  Einzelbeitrtge  N.  8;  Frllbxeit  N.  9;  Dre*4«l 
und  Rudolstadt  N.  14;  Totoufeicr  N.  18;  Verkehr  mit  Zeitgenossen  N.  19.  -  Uriorweehiel  N.  28.  —  Werke  S.  32: 
Prosascliriften  N.  33.  —  Gedichte:  Allgomoines  N.  41;  Einzelnes:  Glocke,  Kampf  mit  d^m  Drarhen,  Ritter  de«  Spital«  t« 
Jonisiilom,  Stammbuchvers  N.  49.  —  Dramen:  Allgeiiieinos  N.  58;  Käuber  N.  65;  Kabalo  und  Lintte  N.  70;  Don  Carlo«  N.  72; 
WallcDstein  N.  78;  Maria  Stuart  N.  00;  Jungfrau  von  Orleans  N.  05;  Braut  von  Messina  N.  109;  Teil  N.  110:  U«bers«Uiia(M 
und  BUhnonboarboilungen  N.  116;  Nachlass  N.  123.  —  Verschiedenes  N.  130.  — 

11.  Romantik.     Von  Dr.  Oscar  E.  Waizel  in  Wien S.  217—233 

Allgemeines  N.  1.  —  Schlegelscher.  Kreis:  August  Wilhelm  Schlegel  N.  3;  Friedrich  Hchlegel  H.  19;  CarollM 
Schlegel  N.  26;  Philipp  Veit  N.  20a:  Ticck  und  Wackonrodor  N.  29.  —  Novalis,  W.  t.  Schatz,  Grle».  L,  r.  Svrkendorf. 
F.  W.  V.  Sciuuidt  N.  33.  —  Hölderlin  N.  38.  —  Heidelberger  Romantik:  Arnim  und  Brentano  N.  64;  Bettina  N.  69.  — 
Schwabische  Romantik:   Allgemeines  N.  60:  Uhland  N.  71;  Waiblinger  N.  82.  —  Ernst  Schulze  N.  84.  —  Eichrndorff  N.  87.  - 

Kunst  und  Künstler  N.  80.  — 

12.  Das  junge  Deutschland.     Von  Dr.  Ernst  Elster,  Professor    an 

der  Universität  Leipzig S.  233 — 23ß 

Heine:  Qosamtcharakleristik  N.  2.  -  Leben  N.  8.  —  Werke:  Ausgaben  N.  18;  l'ebersetzungen  N.  23.  —  Unter- 
suchungen: Geburtsjahr,  Theroso  N.  27;  Memoiren  N.  ,28;  Buch  der  Lieder  N.  31;  Balladen  N.  32;  Lorelei  N.  33.  —  Diagel- 
stedt  N.  43.  - 

13.  Grillpar/er.    Von  Dr.  August  Sauer,  Professor  au  der  Universität  Prag. 

Vgl.  Bd.  :i  der  JBL. 

Autorenregister     . S.  237 — 246 

Sachregister S.  247 — 268 

Verlegerregister S.  2<)H — 271 

Siglenregistor S.  272 — 274 

Bemerkungen  für  den  Gebrauch. S.  274 — 275 


I.  Allgeineiner  Teil. 

1,1 

Litteraturgeschichte. 

Siegfried  SzaiiKit(')lHki  mid  Max  Herrmaün. 

Methode:  Litteraturgesukichte :  FranzUaiiicboB  N.  2.  —  EoglischM  N.  15.  —  DenUebM  N.  19.  — 
Geschichte:  AllKenieiiies  N.  27.  —  Kritik  N.  32.  —  Philosophie  N.  33.  —  Oesamtdaratellungen  N.  3«.  —  V«r- 
BchiedonesN.  49.  — 

Die  von  Wetz  im  vorigen  Berichtsjahr  entwickelte  Methode  der  vergleichenden 
Litteraturforschung  liat  ein  englisclier  Forscher,  der  sich  anf  diesem  Gebiet  selbst  aus- 
gezeichnet hat,  Herford  '),  charakterisiert,  indem  er  ihren  Urheber  aus  seinem  Strasa- 
burger  Milieii  erklärt:  "Wetz  übt  das  ilim  natürliche  Mittleramt  zwischen  deutscher  und 
französisclier  Wissenschaft  aus,  wenn  er  seiner  deutschen  Methode  die  Verfolgung  der 
psychologischen  Analyse,  welche  die  französische  Litteratur  und  Kritik  beherrscht,  zum 
Inhalt  giebt.  —  Diese  französische  Kritik,  die  von  der  deutschen  Wissenschaft  wenig 
beachtet  wird  und  auch  den  Jahresberichten  wie  alle  ausländische  Litteratur  schwer 
zugänglich  ist,  behandelt  nicht  nur  Fragen  im  engeren  deutschen  Sinne  des  Wortes, 
sondern  die  von  uns  so  genannte  Methode  der  Litteraturgeschichte.  Ein  Buch  wie  das 
von  Henne  quin  2)  über  die  wissenschaftliche  Kritik  will  ein  System  der  Litteratur- 
forschung auf  psychologischer  Unterlage  gründen,  wofiir  er  das  bezeichnende  aber  unbe- 
holfene Wort  Aesthopsychologie  erfindet,  vun  sie  von  der  vuieilenden  Kritik  als  rein 
wissenschaftliche  Analyse  zu  trennen.  Nach  einem  kurzen  Abriss  der  Entwicklung  der 
neueren  französischen  Kritik,  deren  bedeutendsten  Aufschwung  er  Taine  zuschreibt, 
stellt  er  sein  eigenes  Programm  auf.  Die  Aesthopsychologie  überlässt  es  der  reinen 
Aesthetik  und  der  sogenannten  litterarischen  Kritik,  den  Wert  der  Kunstwerke  und  ihrer 
allgemeinen  Darstellungsmittel  zu  bestimmen;  sie  betrachtet  das  Kunstwerk  nicht  an 
und  für  sich,  in  seinem  Zweck  und  seiner  Entwicklung,  sondern  als  Seelenkünderin 
einzig  und  allein  auf  die  Beziehungen  zwischen  seinen  Eigenheiten  und  gewissen  psycho- 
logischen und  socialen  Eigenheiten:  „l'esthopsychologie  est  la  science  de  l'oeuvre  d'art 
en  tant  que  signe".  Nach  den  Hilfswissenschaften,  auf  die  sie  sich  vorläufig  stützen 
muss,  zerfällt  der  erste  grosse  Teil  der  Untersuchung  in  drei  Abschnitte:  den  ästheti- 
schen, den  psychologischen,  den  sociologischen.  H.s  Theorie  der  ästhetischen  Analyse 
geht  mit  Spencer  von  der  Definition  des  litterarischen  Kunstwerkes  als  einer  Gesamtheit 
von  Phrasen  aus,  die  bestimmt  sind,  ästhetische  Emotionen,  d.  h.  solche  hervorzubringen, 
die  sich  nicht  in  Thaten  umsetzen.  Der  Kritiker  hat  nun  zu  fragen:  welches  sind  die 
Emotionen,  die  die  Gesamtheit  der  Werke  eines  Autors  erregt,  und  durch  welche  Mittel 
ruft  er  sie  hervor?  Die  Mittel  zur  Erkenntnis  des  Charakteristischen  \\nrd  ihm  eine 
ausgebreitete  Belesenheit  gewähren,  wodurch  er  sich  einen  Durchschnittstypus  der  zu 
untersuchenden  Gattung  gebildet  hat.  Aus  einer  längeren  Untersuchung  über  die  Unter- 
schiede der  ästhetischen  Emotionen  von  den  gewöhnlichen  gewinnt  H.  ftir  die  Praxis 
der  ästhetischen  Analyse  den  Satz,  dass  sie  nur  ein  schwaches  Zeichen  von  Freude  und 
Leid  besitzen  und  dass  man  sie  daher  mit  Exaktheit  nicht  nach  diesen  Koefficienten, 
sondern  nur  nach  der  Idee,  der  sie  im  Kunstwerk  assoeiiert  sind,  bezeichnen  kann. 
Weimgleich  die  Methode  ziu*  Bestimmung  der  Intensität  von  Emotionen  erst  im  Ent- 
stehen ist  und  auch  stets  subjektiv  bleiben  muss,  so  erhofft  H.  doch  von  einer  gewissen- 
haften Fixierung  und  Anwendung  gradbezeichnender  Prädikate  einige  Hülfe    und  meint, 

I)  Ch.  H.Herford,  Wetz,  tihakespeare:  Ac.40,  S.  151/2.—  2)E.Hennequiii,  I^  critiqn»  scientifiqu«.  D«azi»aM  MitioB. 
Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgesebicbte  II  (ii.  ' 


I  1:  2  Szamatolski  und  Herrmann,  Litteraturgeschichte.  2 

dass  man  jedenfalls  auch  heute  schon  mit  Citaten  und  Umschreibungen  die  drei  oder  vier 
Hauptemotionen  eines  Werkes  klar    entwickeln    kann.      Als    Erregungsmittel    der  Emo- 
tionen hat  man  bei  einem  litterarischen  Werk  Aeusseres :  Wortschatz,  Syntax,  Rhetorik, 
Komposition,  und    Inneres:    Personen,    Orte,    Intrigue,    Leidenschaften,    Gegenstand    zu 
untersuchen,    wie  H.  es  für  den  Roman  geschickt    an    einem  Beispiel    durchführt    und 
auch  für  die  didaktische  Gattung,    insbesondere    die  litterarische  Kritik  andeutet.      Eür 
die  Nachbarwissenschaften  verspricht    sich  H.    von  der  ästhetischen  Analyse:    wertvolle 
Materialien    für     die    Verallgemeinerungen    der    Experimentalästhetik,    Aufklärung    über 
Morphologie  und  Dynamik    des  Kunstwerks,    Eörderung    der    allgemeinen  Kenntnis    der 
Emotionen  für  die  Psychologie.    Die  Subjektivität  in  der  Wertung  der  Kunstwerke,    die 
man  aus  dem  verschiedenen,    persönlichen  Charakter  der  Emotionen    einwenden  könnte, 
betrifft  nach  H.  zum  grösseren  Teil,  zumal  bei  dem  allseitigen  und  unparteiischen  Aestho- 
psychologen,  den  Grad  aber  nicht  die  Natur,    die  Quantität    aber  nicht  die  Quahtät  der 
Empfindungen.     Wenn  H.  in  diesem  Teü  das  Kunstwerk  betrachtet,  insofern  es  auf  den 
Geniessenden  wirkt,    so    in    der    psychologischen  Analyse,    insofern    es  ein  Zeichen  des 
Pro  du  Gierenden  ist.     Hierbei  will  H.  zwei  Fehler  vermieden  wissen,    von  denen  er  auch 
Taine  nicht  freispricht:    die    psychologischen  Bezeichnungen    sind    meist    zu    allgemein 
und    ungenau,    um    wissenschaftlich    zu    sein,    und  mit  der  psychologischen  wird  meist 
die  sociologische  Analyse  vermischt.      Die  Aufgabe    besteht    darin,    wenn    ein  Werk  in 
seinen  ästhetischen,  äusseren  wie  inneren,    Eigenheiten  zusammengefasst  ist,    in  wissen- 
schaftlichen, d.  h.  exakten  Bezeichnungen  die   seelische  Organisation  des  Autors  zu  be- 
stimmen.    Seine  ästhetischen  Eigenheiten  werden  von  seinen  natürlichen  und  erworbenen 
Fähigkeiten,    von    seinen  Neigungen    und  Idealen,    also  von  Eigenheiten    seines  Geistes 
bestimmt;    durch  Beobachtung    und  Folgerung  kann    man    aus    bestimmten  ästhetischen 
Erscheinungen    auf   das  Vorhandensein    einer    bestimmten  psychologischen  Organisation 
schliessen.     Auch  wenn  der  Künstler  nicht  nach  seinen  Fähigkeiten  allein,  sondern  nach 
einem  Ideal  produciert,    wird  dasselbe  Verhältnis  bestehen:    denn    mit  Spencer  sieht  H. 
in  dem  Ideal    den  durch  ein  Bild    bewusst    wiedergegebenen  Abdruck    der  Fähigkeiten, 
welche  die  Grundlage  der  Seele    des  Künstlers    bilden.      Wie    ferner    die    ästhetischen 
Eigenheiten  eines  Werkes    sich    aus    einer    gewissen  Anzahl    von    Emotionen,    Bildern, 
Ideen  usw.  zusammensetzen,  so  nach  Ribot  der  Geist,    das  Ich  des  Menschen  aus  einer 
Folge  von  gleichen  geistigen  Phänomenen:  also  kann  man  mit  Recht  aus  dem  Kunstwerk  das 
Bild  des  Geistes  ziehen,    dessen  Zeichen    oder    gar  Teil    es  ist.      Da  nun  die  psycholo- 
gischen Eigenheiten  um  so  zahlreicher    und    wichtiger  sein  werden,   je    zahlreicher    die 
ästhetischen  Eigenheiten  sind,    so  ist  die  ästhopsychologische  Methode    um    so    frucht- 
barer, je  höher  und  schöner  die  Werke  sind.     Die  Praxis  der    psychologischen  Analyse 
erläutert  H.  durch  eine  Reihe  von  Beispielen,  in  denen  er  feinsinnig  ästhetische  Zeichen 
auf  ihre  psychologische  Bedeutung  zurückführt.     H.  zeigt  auch  den  Weg,   auf  dem  man 
selbst  Autoren,  die  die  angestrebten  Emotionen  verheimlichen  wollen,    wie    auch  Nach- 
ahmern und  Geschäftsschriftstellern  in  der  psychologischen  Analyse    beikommen  könne. 
Wie  die  ästhetische  Analyse  die  von  den  gewöhnlichen  abweichenden  Eigenheiten  fest- 
stellt, so  charakterisiert  die  psychologische  den  Künstler  durch  die  Eigenheiten,    die  er 
vor  dem  Durchsclmittsmechanismus  der  menschlichen  Seele  voraus  hat.     Axif  Grund  der 
systematischen  Psychologie  von    Spencer,    Wundt,   Taine  usw.    ist  die  Aufgabe  "wässen- 
schaftlich  zu  lösen:  gewisse  geistige  Fakten,    abgeleitet  aus  ästhetischen  Fakten,  setzen 
eine  unbekannte  Intelligenz  voraus,    die    zu    bestimmen    ist.      Von   einer  weiteren  Ent- 
wicklung der  Wissenschaft    erwartet    H.  den  Fortschritt  bis   zur  physiologischen  Hypo- 
these.    Durch    eine  so  betriebene    psj^chologische  Analyse    erhält    auch    die    allgemeine 
Psychologie  zumal  für  die  Erkenntnis  des  genialen  Menschen  wertvolle  Materialien,   wie 
die  Medizin  von  der  praktischen  Anatomie.     Was  H.   nach  seinem    sorgsamen  Schema- 
tismus Theorie  der  sociologischen  Analyse  nennt,  ist  eine  Polemik  gegen  Taine,  den  er 
als    Schöpfer    dieser    ganzen  Betrachtungsweise    zu  Ungunsten    der    französischen    und 
deutschen  Vorgänger  (vgl.  z.  B.  K.  Hillebrand,  Profile:    Taine  S.  221  ff'.)    ebenso    über- 
schätzt, wie  er  sein  System,  das  er  lieber  mit  Taine  selbst  (vgl.  Essais  de  critique :  pre- 
face)  als  Methode  hätte  würdigen  sollen,  einseitig  auffasst.     H.  greift  die  drei  Prinzipien 
von  der  Rasse,  vom  Milieu  und  vom  Einfluss  des  Wohnorts  heraus.      Die  Wirkung  der 
geistigen  Vererbung  erscheint  ihm  unbestreitbar,  aber  so  individuell  zufällig  und  so  ver- 
wickelt,   dass    man  nicht  die  Fähigkeiten  eines  Menschen  aus   denen    seiner  Rasse    und 
noch   weniger  umgekehrt    schliessen  könne.      Der  Einfluss    des  zeitlichen    und    socialen 
Milieu  wechselt  ebenfalls  und  zwar  nach  der  Kraft  der  Seele  und  den  despotischen  oder 
liberalen,  primitiven  oder  fortgeschrittenen  Kulturverhältnissen,    so  dass  man  ohne    eine 
Untersuchung  über  diese  nicht  vom  Milieu  auf  das  Werk  und  noch  weniger  umgekelut 
schliessen  könne:  der  Künstler  kann  sich  ihm  so  oft  entziehen,    wie  er    ihm  unterliegt, 
und  auf  Grund  biologischer  Untersuchung  wiU  H.  beweisen,   dass  im  Gegensatz  zu  den 
anderen  Lebewesen  der  Mensch  sich  nicht  der  Umgebung  anpasst,  sondern  sich  von  ilu* 


3  SzamattMflki  und  Herrmnnn.  Littnraturgeschichte.  I   i: 

trennt  und  befreit  und  dana,  je  weiter  die  Kultm  loi  (siim-itet,  desto  grösser  die  indi- 
viduelle Unabhilngigkeit  vom  Milieu  wird.  Der  EinflusH  de«  VVoluuu-tH  könne  in  der 
(itlniologischen  Forschung  keine  Rechtfertigung  tinden;  und  wenn  er  auch  wahrschein- 
lich sei,  so  sei  er  doch  sehr  schwach  und  schwer  zu  beobachten.  Weinigieicli  Taiiu-s 
MeisterHchaft  diese  Prinzipien  zur  (teltung  gebracht  hat,  so  genügen  sie  do<h  so  wenig 
zu  (^ineni  Schluss  vom  Kunstwerk  auf  eine  Menschengruppe,  dass  man  auf  alle  hocio- 
l()gis(!he  Aesthopsychologie  verzichten  müssto:  in  einer  langen  Doppelliste  stellt  H. 
Scluiftsteller  aller  Zeiten  und  Länder  gegenüber,  die  sich  unter  denselben  Bedingungen 
der  Rasse,  des  Milieu  und  des  Orts  doch  zu  Gegensätzen  entwickelt  hätten.  Kine  Kritik 
der  Liste  wie  der  ganzen  Lehre  kann  mit  Rücksicht  auf  die  unten  besprochenen 
Arbeiten  erspart  werden.  H.  erwartet  von  der  Aesthetik  sociologische  Ergebnisse  nur, 
wenn  man  sich  nicht  an  den  Künstler,  sondern  an  sein  Werk,  nicht  an  seine  Umgebung, 
sondern  an  die  Bewunderer  seiner  Werke  hält.  An  einer  Reihe  von  Beispielen  ent- 
wickelt H.  mit  geschickter  Verteidig\nig  gegen  Widersprüche  da«  Gesetz:  ein  Werk 
wird  eine  ästlietische  Wirkung  nur  auf  die  Personen  haben,  die  sich  im  Besitz  eiiuT 
geistigen  Organisation  befinden,  die  analog  aber  untergeordnet  derjenigen  ist,  die  zur 
Hervorbringung  des  Werkes  gedient  hat  und  aus  ihm  abgeleitet  werden  kann.  Die 
Wirkinig  eines  Kunstwerks  in  räumliche  und  zeitliche  Ferne  und  die  Nachahmung  voji 
iiUeren  und  ausländischen  Mustern  lässt  sich  so  wenig  aus  der  Theorie  von  Rasse  und 
Milieu  erklären,  wie  dass  Kunstwerke  und  Künstler  entgegengesetzter  Richtung  in  der- 
selben Rasse  und  demselben  Milieu  Beifall  finden.  Nicht  das  Milieu,  das  nach  H.  vor- 
her übei'haupt  keine  bestimmte  Existenz  hatte,  bildet  die  Künstler,  sondern  diese  um- 
gekehrt jenes:  das  Kraftcentrum  liegt  im  Künstler  inid  nicht  in  der  Ma.sse  oder  viel- 
mehr in  der  abstrakten  Aehnlichkeit,  die  zwischen  einem  Künstler  und  seinen  Zeitge- 
nossen bestehen  kann.  lieber  Natur  und  Entstehung  des  Genies  wissen  wir  nichts, 
aber  es  übt,  weini  es  einmal  da  ist,  ein  erkennbares  Spiel  der  Anziehung  luid  Abstossung: 
HO  können  wir  zwar  nicht  die  Genies  aus  den  Nationen,  wohl  aber  diese  aus  jenen  ent- 
wickeln, die  Völker  aus  ihren  Künstlern,  das  Publikum  aus  seinen  Idolen,  die  Ma.sse 
aus  ihren  Führern.  So  schliesst  H.  mit  dem  im  vorigen  Bande  citierten  Satz:  eine 
Litteratur  drückt  ein  Volk  aus,  nicht  weil  es  sie  hervorgebracht,  sondern  weil  es  sie 
bewundert  hat.  Man  wird  also  Kritiken,  Absatz,  Honorar  usw.  studieren  müssen;  als 
Ergebnis  erhofft  H.  einen  Beitrag  zur  Völkerpsychologie  und  zur  Erkenntnis  der  Heroen 
vnid  Heroenverehrung.  Diesen  grösseren  analytischen  Teil  ergänzt  H.  durch  einen  ge- 
drängten synthetischen.  Nachdem  das  Kunstwerk  durch  die  ästhetische  Analyse  wissen- 
s(;haftlich  zerlegt  ist,  soll  es  durch  die  Synthese  künstlerisch  dargestellt  werden,  nach- 
dem die  Maschine  in  den  einzelnen  Teilen  betrachtet  ist,  muss  sie  im  Gang  gezeigt 
werden;  H.  weist  darauf  hin,  wie  hierfür  die  alte  „litterarische"  Kritik,  falls  nur  die 
wissenschaftliche  Analj^se  nicht  unterlassen  wird,  vorbildlich  wirken  kann.  Ebenso  ver- 
langt H.  für  die  psychologische  Analyse  eine  Ergänzung  durch  die  Synthese,  die  ein 
Lebewesen  in  seiner  Entwicklung  darstellen  soU.  Unter  den  zahlreichen  Gesichispinikten, 
die  dabei  zu  beachten  sind,  führt  H.  auch  Rasse  und  Milieu  ein,  wie  hier  überhaupt  die 
biographische  Methode  von  St.  Beuve  und  Taine  zu  ihrem  Recht  kommen:  wenn  die 
Analyse  die  Menschen  in  ihren  einzelnen  Teilen  in  Ruhe  gezeigt  hat,  so  die  biographische 
Synthese,  nützlich  allein  nach  dieser  Arbeit,  den  gesamten  Mechanismus  in  Beweginig. 
Entsprechend  ist  die  sociologische  Analyse  durch  eine  Synthese  zu  ergänzen  für  da*« 
Publikum,  dessen  Seelenstand  aus  dem  von  ihm  bewunderten  Werk  abgeleitet  ist. 
Wiederum  überschüttet  uns  H.  mit  einer  Fülle  von  Mitteln,  und  zwar  wiederum  \u\ter 
ausdrücklichem  Hinweis  auf  die  historische  und  sociologische  Methode  Taines,  wodurch 
aus  dem  psychologischen  Skelett,  das  die  Analyse  ergeben  hat,  ein  l)lühender  leben- 
diger Körper  zu  gestalten  ist.  Um  das  Verhältnis  einer  solchen  Kritik  zur  allgemeinen 
Geschichte  zu  beleuchten,  entwickelt  er  zunächst  in  einer  gegenseitige  Erhellung 
si)endenden  Parallele  zwischen  dem  Künstler  und  dem  Heros  in  ihrer  Stellung  zur  Ma.sse 
seine  eigene  Geschichtsauffassung,  die  über  die  demokratische  und  statistische  Betrach- 
tung, flu'  die  Thierry  und  Buckle  namentlich  angeführt  werden,  auf  die  ältere  Heroen- 
verehrung, allerdings  in  einer  biologisch  und  allgemein  pliilosopliisch  vertieften  Fonn, 
zurückgeht:  das  Bild  aller  tierischen,  menscldichen  und  socialen  Entwicklung  ist  di«^ 
Vibration  und  die  Konsonanz;  die  eine  entsteht,  die  andere  wiederholt,  pflanzt  fort. 
Gelegentlich  der  weiteren  Parallele  zwischen  aktiver  Bewunderung,  des  Heros,  und 
passiver,  des  Kunstwerks,  kommt  H.  doch  zur  Erkenntnis,  dass  im  späteren  Verlauf 
auch  das  Kimstwerk  einen  schädlichen  oder  nützlichen  Einfluss  auf  die  Wirklichkeit 
haben  kann,  und  modifiziert,  indem  er  ihr  Verhältnis  zur  Moral  mit  Fechner  betrachtet, 
darnach  die  am  Eingang  aufgestellte  Definition  des  Kunstwerks.  Sodann  legt  H.  dar, 
wie  eine  solche  Kritik,  eine  so  beti'iebene  Aesthopsychologie  der  Litteratur  und  bio- 
gi'aphische  Psychologie  der  Heroen,  der  höchste  und  schäi^fste  Ausdruck  einer  gewaltigen 
Anthropologie  ist.    Aber  die  Geschichte  der  Heroen  müsse  noch  hinsichtlich  der  Sicherheit 


I  1:  3-7.  Szamatölski  und  Herrmann,  Litteraturgeschiflhte.  4 

und  Wichtigkeit  hinter  der  Aesthopsychologie  zurückstehen,  weil  deren  Grundlage,  die 
Kunstwerke  im  Gegensatz  zu  Geschichtszeugnissen  notwendig  und  gewissermassen 
automatisch  walirheitsgemäss  sind.  Da  ferner  moderne  Heroen  wie  Friedrich,  Napoleon, 
Bismarck  nur  einen  kleinen  Teil  ihrer  Energie  in  Thaten  umsetzen,  so  muss  der  Hinter- 
grund von  Gedanken  und  Emotionen  ebenfalls  durch  litterarische  Erzeugnisse  auf  dem 
Wege  der  Aesthopsychologie  erschlossen  werden.  Eine  solche  Untersuchung  von  hundert 
bedeutenden  Menschen  wird  daiui  auch  wohl  Sicherheit  über  die  Wirkung  von  Rasse 
und  Milieu  bringen.  Nachdem  H.  seine  Lehre  kxirz  zusammengefasst  hat,  giebt  er  end- 
lich in  einem  Anhang  am  Beispiel  Victor  Hugo  den  Plan  einer  vollständigen  ästho- 
psychologischen  Studie.  ^-^)  —  Gegen  diesen  Versuch  hat  sich  ein  von  Hennequin  selbst 
als  solcher  namhaft  gemachter  Vertreter  der  „litterarischen"  Kritik,  Brunetiere^)  er- 
hoben und  gegenüber  den  enthusiastischen  Darlegungen  Hennequins  seinen  Standpunkt 
mit  dem  ihm  eigenen  Sarkasmus  zur  Geltung  gebracht.  Als  stimmenden  Einleitungs- 
akkord giebt  B.  den  Nachweis,  dass  Hennequin  bei  einem  jugendlichen  Eeuereifer  für 
Verallgemeinerungen  einen  gewissen  Mangel  an  Kenntnissen,  so  in  der  erwähnten  Liste, 
an  Belesenheit  und  Ueberlegung  zeige.  Aber  trotz  alledem  und  trotz  der  von  englischer 
Psychologie  und  Anthropologie,  nach  seinem  echt  französischen  Stilgefühl,  zu  selir  be- 
einflussten  und  daher  verdunkelten  Ausdrucksweise  erkennt  B.  die  Wichtigkeit  des  von 
Hennequin  aufgestellten  Problems  einer  Entwicklung  des  Menschen,  des  Künstlers 
und  seiner  Bewunderer  aus  den  Kunstwerken  und  einer  so  begründeten  Menschheits- 
geschichte an,  aber  mit  ironischem  Lächeln  betont  er  überall  die  Schwierigkeiten,  wie 
besonders,  dass  Hennequin,  verleitet  durch  die  neuere  subjektive,  „lyrische"  Litteratur, 
die  Lösbarkeit  des  Problems  zu  leicht  genommen  habe,  und  führt  an  einer  Reihe  von 
Beispielen  aus,  dass  der  Künstler  sich  oft  nur  sehr  versteckt  oder  gar  nicht  zeige:  wir 
sind  komplexer,  weniger  homogen  und  überhaupt  mehr  Herr  über  uns,  als  Hennequin 
mit  den  Parteigängern  des  Determinismus  annimmt.  Die  Methode  der  ästhetischen  Ana- 
lyse samt  dem  idealen  Massstab  eines  mittleren  Typus  sei  schon  von  der  ältesten  „lit- 
terarischen" Kritik  gehandhabt  worden.  Dem  sociologischen  Programm  stimmt  B.  jedoch 
nicht  nur  in  seinem  Vorstoss  gegen  Taine  bei,  über  den  er  eine  tiefe  Befriedigung  em- 
pfindet, sondern  auch  in  allen  Folgerungen  der  Lehre  vom  Publikum.  Gegen  Henne- 
quins auf  Fechner  bauende  Betrachtung,  dass  es  in  der  Kunst  keinen  Wertunterschied 
gebe,  ausser  durch  eine  Schätzung,  die  sich  nicht  auf  die  Schönheit,  sondern  die  Güte, 
nicht  den  Geschmack,  sondern  die  Hygiene  gründe,  macht  B.  geltend,  dass  die  Natur- 
geschichte in  ihren  Klassifikationen  nicht  nach  moralischen  oder  hygienischen,  sondern 
nach  genealogischen  Merkmalen  verfahre.  Dass  Hennequin  sich  nicht  auf  den  Stand- 
punkt der  natürlichen  Entwicklungsgeschichte  gestellt  habe,  leitet  B.  davon  ab,  dass  er 
über  Taines  „Rasse"  und  „Milieu"  den  „Zeitpunkt"  ganz  vergessen  habe.  Die  Kritik 
lässt  sich  nicht  von  der  Zeit  ablösen  wie  Chemie  und  Physik:  wenn  man  das  Werk  auf 
den  Künstler  und  dessen  Streben  auf  einen  allgemeinen  Seelenstand  zurückgeführt  hat, 
so  bleibt  noch  immer  zu  betrachten,  welche  Werke  derselben  Art  vorausgingen  und 
Einfluss  übten  oder  das  ganze  Werk  bestimmten.  Aber  auch  ganz  grundsätzlich  be- 
kämpft B.  Hennequins  Streben,  die  Kritik  zu  einer  Wissenschaft  zu  machen,  wie  die 
gleichen  Bestrebungen  der  allgemeinen  Geschichte:  wenn  wissenschaftlich  im  strengen 
Sinn  des  Wortes  nur  dasjenige  ist,  was  auf  jede  Weise  bedingt  ist,  in  seiner  Ursache, 
seinem  Verlauf  und  seiner  Wirkung,  so  ist  im  Gegenteil  nur  dasjenige  menschlich,  was 
frei  ist  oder  dafür  gilt;  der  wahre  Fortschritt  besteht  also  darin,  nicht  mehr  für  eine 
Wissenschaft  zu  nehmen,  was  im  wesentlichen  eine  Kunst  bleiben  muss.  Von  der 
Wissenschaft  besitze  die  wissenschaftliche  Kritik  selbst  nicht  einmal  die  Unparteilich- 
keit, da  sie  das  abgelehnte  Geschäft  des  Urteilens  im  höchsten  Grade  betreibe;  ob  die 
Kritik  in  der  niederen  Region  einer  morbiden  Psychologie  oder  den  Wolken  eines  trans- 
scendentalen  Idealismus  wandle,  sie  endet  doch  immer  notwendigerweise  beim  Urteilen, 
und  dies  ist  begründet  im  Interesse  der  Künstler  und  des  Publikums,  hauptsächlich 
aber  darin,  dass  ein  Kunstwerk,  bevor  es  ein  „Zeichen"  ist,  ein  Kunstwerk  ist,  das  in 
sich  und  für  sich  besteht  und  schon  deshalb  nicht  im  Vergleich  mit  Werken  der  Natur, 
sondern  im  Zusammenhang  der  Kunstgeschichte  betrachtet  werden  muss.  Die  Kunst 
hat  in  sich  ihre  eigenen  Gesetze,  nach  welchen  ihre  Erzeugnisse  zu  beurteilen  und  zu 
betrachten  sind.  Hennequin  will  aus  der  Kritik  einen  Zweig  der  Psychologie,  eine 
Art  Pathologie  der  Seele  machen.  —  In  die  Diskussion  über  Hennequin  greift  auch 
E.  Tissot '')  mit  seiner  Geschichte  der  neueren  französischen  Kritik  ein,  worin  er  die 
Hauptmethoden  zu  definieren  und  ihre  Bildung,  Entwicklung,  Geschichte,  ihre  gegen- 
wärtige Wichtigkeit  und  endlich  ihren  ganzen  Wert  in  den  modernsten  und  berühmtesten 
Beispielen  darzustellen  sucht.      Seiner  Würdigung   der    französischen  Kritiker,    die    den 


Paris,  Libr.  acad.  Didier  (Perriu).  1890.  24G  S.  Fr.  3/>0.  -  3)  (1  3:201).  -  4)  (I  3  :  74).  -  5)  (I  3  :  224,  248-50).  -  6)  F.  Bruue- 
tiÄre,   La  critique  scientiflque.    =  Questiona  de  critique.      Paris,  C.  L6vjr.      1889.      324  S.     S.  297— 324.     —    7)  E.  Tissot, 


5  Sramatölski  und  Herrmann,  Litt«raturgeKchichte.  11:8. 

gröRsten  Raum  des  Buches  einnimmt,  hier  nachzugehen,  würde  zu  weit  führen,  wenn- 
gleich aus  der  Geschichte  jeder  Kritik,  der  nuslandischen  sogut  wie  der  deuUchen, 
für  unseren  Gegenstand  etwas  lieransspringen  könnte.  Wohl  aher  uuiss  neben  dem  Ab- 
schnitt über  irennequin  seine  allgemeine  Rinteilung  der  Kritik  in  drei  Art^n  erwähnt 
werden,  für  deren  jede  er  zwei  Beispiele  bespricht.  Die  litterarische  Kritik  (Bru- 
iietiere  und  Lemaitre)  studiert  das  Kunstwerk  unter  dem  ästhetisclien  GosichtKptuikt 
und  beurteilt  es  nach  einem  bostinnnten  Schönhoitscodex.  Das  Kunstwerk  erMcheint 
ihm  als  unabhängig  entstanden  und  nicht  als  notwendig  in  «ler  lang«Mi  Folge  von  Ursachen 
inid  Wirkungen.  Die  moralistische  Kritik  (Fiarbey  d'Aurevilly  und  Kdniond  Kcherer) 
studiert  das  Kunstwerk  unter  dem  sociologischcn  (iesicht«pinikt  und  b<;urteilt  en  nach 
.Keinen  Wirkungen,  die  sie  für  gesund  oder  ungi^sinul  nach  einem  Moralcodex,  sei  er 
von  Jesus,  Kant  oder  Spencer,  beurteilt.  Die  aiuilytische  Kritik  fBonrget  und  Henne- 
quin)  studiert  das  Kunstwerk  als  Zeichen.  Ohne  die  ästhetische  oder  sociologische 
TTntersuchung  zu  vernachlässigen,  unterscheidet  sie  Wirkung  einer  schftj>feriHchen  Intel- 
ligenz, deren  Milieu  und  Rasse.  Durch  eindringende  Analyse  des  Werkes,  der  Biogra|>hie 
inid  Genealogie  enthüllt  sie  gewisse  Arten  des  Denkens,  Fühlen«,  Lebens,  die  nach 
Taine  von  einander  abhängig  .sind  wie  die  einzehuni  Organe  eines  Lebewesens.  Der 
analytische  Kritiker,  der  sich  nicht  nur  um  die  Durchführung  einer  ästhetischen  Formel 
oder  einer  religiösen  Doktrin  zu  künnnern  hat,  vertolgt  eine  bogeistenide  Aufgabe:  die 
Erforschung  der  Menschenseole.  Weil  er  Sympathie  für  alle  Seelen,  d.  h.  Kunstformen 
hat,  ist  mit  Taine  sein  Verfahren  der  Botanik  zu  vergleichen,  die  nicht  urteilt,  sondern 
feststellt  und  entwickelt;  niemals  jedoch  wird  die  psychologische  Analyse  der  chemischen 
gleichzusetzen  sein,  weil  das  Geschmacksurteil  stets  subjektiv  bleibt.  In  der  Geschiclite 
der  analytischen  Methode  zeigt  T.,  wie  sie  unter  dem  Einfluss  des  AufldühenK  der 
Naturwissenschaften  erwuchs  und  wie  insbesondere  Taine  trotz  aller  eigenen  Sul)jek- 
tivität  der  Kritik  die  Aufgabe  einer  Wissenschaft  stellte  und  trotz  seinen  künstlerischen 
und  ])hilosophischen  Neigungen  die  Methode  der  Naturwissenschaft  in  die  Kun.stbe- 
trachtung  einführte.  Der  Uel)erblick  über  ihre  gegenwärtige  W^irkung  zeigt,  dass  die 
analytische  Kritik  nur  von  einem  auserwählten  Kreise  ausgeübt  und  gewürdigt  wird. 
Indem  M'ir  den  ersten  speciellen  Teil  übergehen,  der  zu  den  unzälüigen  Essais,  deren 
sich  Bourget  in  Frankreich  erfreut,  einen  neuen  fügt,  gelangen  wir  zu  T.s  Kritik  von 
Hennequins  Lelu*e,  über  dessen  bedeutende  Persönlichkeit  er  auch  einige  interessante 
Daten  beigiebt.  T.  lässt  Hennequins  Behauptung,  dass  ästhetische  Urteile  über  die 
Emotionen  nicht  qualitativ,  sondern  quantitativ  auseinandergingen,  nicht  gelten.  Mit 
Brunetiere  nennt  er  die  Massnahme  an  einem  idealen  Typus  alt  und  sogar  veraltet,  da 
man  auf  einen  Fortschritt  der  Wissenschaft  hoffen  müsse.  Mit  Brunetiere  lehnt  T.  für 
die  psychologische  Analyse  die  absolute  Entspreclumg  zwischen  Menschen  und  Werken 
ab:  zur  Grundlage  fordert  er  hier  nicht  allein  das  Studium  des  Werkes,  sondern  auch 
die  von  Hennequin  in  die  Synthese  verwiesene  biographische  Untersuchung  des 
Menschen.  Im  Gegensatz  zu  Brunetiere  bekämpft  T.  mit  Entschiedenheit  Hennequins 
Polemik  gegen  Taines  sociologische  Theorie,  wie  ihm  andrerseits  Hennequins  eigene  Praxis 
unmöglich  scheint.  Der  Behauptung,  dass  es  bei  den  stets  zusammengesetzten  Völkern 
keine  allgemeinen  und  festen  Züge  gäbe,  stellt  T.  einfach  die  Charakteristik  einiger 
moderner  Völkertypen  gegenüber.  Die  Verschiedenheit  zwischen  bedeutenden  Reprä- 
sentanten gleicher  Race  sind  eben  durch  verschiedene  Lebensumstände,  die,  wie  z.  B. 
das  wichtige  Moment  der  Erziehung,  das  Milieu  ausmachen.  Gegen  die  Annahme,  da« 
Milieu  sei  nicht  von  grosser  Bedeutung,  weil  die  Menschen  sich  ihm  so  oft  entziehen 
wie  sie  ihm  unterliegen,  citiert  T.  Renans  Satz,  man  gehöre  auch  zu  seiner  Zeit  und 
Rasse,  wenn  man  gegen  sie  reagiert.  Wie  Hennequin  alle  feineren  Unterschiede  Ober- 
sieht, zeigt  T.  an  der  Hand  der  erwähnten  Liste  dadiu-ch,  dass  er  mit  kurzen  Be- 
merkungen hervorhebt,  wie  diese  scheinbar  unter  gleichen  Bedingungen  zu  Gegensätzen 
entwickelten  Menschen  zu  verschiedenen  Zeiten  oder  in  verscliiedenen  Gegenden  oder 
in  anderen  Umgebungen  usw.  lebten.  Auch  die  Bedeutiuig  des  Jugendwohnorts  will 
T.  nicht  fallen  lassen.  Wenn.  Hennequin  schliesslich  meint,  dass  all  diese  Einflüsse 
zwar  walu'scheinlich,  aber  schwach  seien  und  daher  gefälirlich  zu  benutzen,  so  hält  ihm 
T.  entgegen,  wie  gefährlich  es  sei,  aus  der  Masse  der  verlogenen  gleichzeitigen  Zeug- 
nisse den  wirklichen  Einfluss  eines  Künstlers  zu  erschliessen.  Ueberhaupt  findet  T.  eine 
Naivetät  darin,  die  sociologische  Kritik  auf  die  psychologische,  weiter  auf  die  ästhetische, 
d.  h.  die  ganze  wissenschaftliche  Kritik  auf  etwas  Subjektives  gründen  zu  wollen,  wie 
Hennequin  denn  thatsächlich  urteilte,  ohne  zu  beweisen.  T.  sieht  in  Hennequin  als 
praktischem  Kritiker  weniger  einen  Psychologen  als  einen  feinsimiigen  Aesthetiker. 
Zum  Schluss  des  Bandes  ergreift  T.  nochmals  das  Wort  t\ir  die  analytische  Kritik  als 
die  einzige  Methode,  mehrere  Arten  der  Schönheit  zu  begreifen.  —  Wer  den  oben  be- 
sprochenen Aufsatz  von  Brunetiere  ^)  recht  beachtet  hat,  wird  sich  nicht,  wie  Anatole 

Les  6volutions  de  la  critique  franjaise.    Paris,  Libr.  acad.  Didier  (Perrin).     1890.    373  S.   —   8)  F.  Brnneti^r«,    L'^Tolatioa 
des  genres  dans  Thistoire  de  la  littörature.    Le9ons  professöes  i  l'teole  normal«  sup^rieare.    Bd.  I.    (=  iBtrodactiom.  L'AtoIh- 


I  I,  SzamatoUki  and  Herrmann,  liUentwrgeeehkhte.  « 

France  ^vgl.  n,}  gerade  über  die  neoesle  Evoliitüm  dieses  scinrer  gdelirten  and  doch 
v-ielgewandten  LitterarfaistoriJcer»  and  Kritikerg  gar  so  sehr  wandon.  Im  Kampf  ^egen 
Vertreter  der  naturwissenschaftliclien  Blchtong  in  der  Kritik  hat  B,  ihre  Warfen  schätzen 
gelernt  und  sich  non  selbst  aas  ihran  Arsenal  renalen.  In  dem  aosgespiociieaen  Be- 
ifttisstHein,  eine  Idee  anfennehm<gi,  nur  w«H  er  sie  zar  Zeit  in  ßdtong  and  Wirkang 
meht,  aber  nicht  weil  er  selbst  darüber  irgend  CTie  Meanang  besitadt,  baat  er  seinoi 
weif  angelegten  Cyclos  von  Yoriesan^en  aof  äea  Grondgedanken  der  nat&rlichCT  Ent- 
wirk] ungKge«chichte.  Dem  ersten  "^il  dieses  Werkes  sdiickt  er  eine  Einleitang  aber 
allgemeine  Idee,  Programm  und  Einteilang  des  Gvszen  Toraos,  worin  er  zeigt^  wie  er 
die  EntwicklungsÜieorie  für  die  Litteratorgeschichte  and  Kritik  za  verwoiden  gedenkt. 
An  Beispielen  der  Mal^-ei  and  IHchtong  zeigt  B.,  wie  jede  neae  Kanstart  bei  ihrem 
Ursprung  al»  Abzweigung  and  in  ihm*  Eotwickfanig  ab  Eirweitarung  der  Torfaagphen- 
den  erscheint  und  wie  sich  nun  die  Angabe  einstrilt,  die  Beaädini^iiea  der  Tersdiiedencn 
Tonnen  untereinander  zu  bestimmen  und  die  Ursadien  ihr«r  Idrtwicklang  za  benennai. 
Nach  diesen  genealogischen  Fragm  kommen  die  ästhetischen,  ob  and  warum  eine  Fem 
der  anderen  fiberi^en  ist^  enähsh.  die  wissoiscliafilidie,  ob  es  ein  der  fisrtschrNtenden 
Differenzierung  der  natfirlichen  Arten  analoges  Gesetz  fbr  die  Kitwicklung  der  Dichtongj»- 
artcTi  giebt.  Als  Einleitung  in  eine  so  resstaiidcaie  Entwiddungsgeschidite  der  Dichtangs- 
arten  will  B,  im  ersten  Bande  die  Gesdiidite  der  Kritik  düzzaezen,  wie  diese  von  einer 
einfachen  Meinungsäasserung  zu  einer  der  Katoi^gesdiidite  anadogai  WisBcmsdiaft  wurde. 
Die  allgemeine  Frage  der  Entwicklung  beqgreift  für  die  Kunst  Ibnf  Fragen  in  sich.  Die 
Existenz  der  Arten:  haben  sie  ein  wirkliches  ebenes  Leben  odo*  nur  von  der  Kritik 
Gnaden?  Sodann  die  Differenzierung  d«-  Artoi:  wie  entwi^eln  sie  sich?  Ueber  die 
Fixierung  der  Arten:  wie  konunen  sie  zu  einer  historischen,  d.  h.  nidit  nur  theoretischen 
Existenz,  also  zu  einem  zeitlich  umgrenzten  Bestehen?  Ueber  die  Modifikations- 
Iredingiingen  der  Arten:  wodurch  verändern  sie  sich?  Ueber  die  Umbfldung  der  Arten: 
wie  entsteht  eine  Art,  wächst,  erreicht  ihre  Höhe,  neigt  sich  und  vngeht,  od«-  wie  bfldet 
»ie  sich  in  eine  andöe  um?  Da  B.  nun  diese  Frage  an  der  Hand  der  nenet^en  Ent- 
wicklungstheorie beantworten  will,  so  wird  er  diese  Ldire  zunächst  in  ihren  finkh- 
sophischen  Grundlagen  beleuchten,  sodann  in  dem  bescmdo^n  Anteil  Darwins,  Spencms 
und  besonders  Häckels  und  endlich  in  ihroi  letetoi  F(ni»chrittai,  Sodann  wird  er  die 
Fragen  nach  folgenden  Gesichtspunkten  beantworten:  die  erste  ist  zu  bejahen  aitqitechend 
der  Verschiedenheit  der  Mittel  jeder  Kunst,  der  Verschiedoiheit  der  G^^ienstände  jeder 
Kunst,  der  Verschiedenheit  der  Geisti»£unilien;  die  zweite  ist  zu  eile^gera  nach  d«n 
Gesetz  der  Divergenz  der  Charaktere :  die  dritte  hängt  zusammen  mit  der  Frage  der 
ßeife  einer  Art;  bei  der  vierten  dringen  mit  dem  neuoi  System  Erblichkeit  odo*  Bnfi«r 
und  Milieu,  zu  welch  letzterem  gec^raphische  und  kümatisdie,  sodude  und  histoiische 
Bedingungen  gehören,  in  Bjb  litterariiistorische  Theorie  ein,  dabei  aber  aach  die  Indivi- 
dualität, in  der  er,  ohne  in  Carfyles  Herooiverehrang  ver&Den  zu  wollen,  ein  Hanpt- 
moment  der  EntT»'icklung  sieht;  die  letzte  Frage  beantwortet  B.  nach  der  ,.natärlichen  Aus- 
wahl'^, wobei  er,  hier  wie  überaU,  die  litterarisdoirai  Beispiele  aus  dem  Vollen  schöpft 
Zum  Schluss  der  Einleitung  gewährt  B.  einen  Ausblicke  auf  die  vaö^ehea  Ergebnmse 
seiner  Untersuchungen,  zuvörderst  über  die  Bestimmung  der  Kunst,  besoodos  aber  ober 
das  Verhältnis  der  Kritik  zur  VTissenschaft.  Wenn  die  Kritik  auch  keine  Wissenschaft 
ist  und  ihren  Namen  nicht  verdient,  so  hat  sie  doch  ihre  Methoden,  und  auf  diese  und 
nicht  auf  Caprice  und  Phantasie  gründet  sich  das  Urteil  derjenigrai  Kritik,  die  nicht  vcwi 
selfist  Produzierenden  geschrieben  wird,  sondern  von  Leuten,  die  nur  Aesthetik  und 
Geschichte  treiben  und  auf  eine  feste  Grundlage  die  Hierarchie  der  Produktionen  gründen. 
Trotz  allem  Spott  bleibt  die  Klassifizierung  eine  ernste  Au%abe  in  Verbindung  mit  der 
ebenso  zu  Unrecht  veriiöhnten  Vergleichung  der  Kunstwerke.  So  gut  wie  vergleichende 
Anatomie,  vergleichende  Physiologie  und  vergleichende  Phflologie  giebt  es  auch  v«-- 
gleichende  Kritik  und  Litteraturgeschichte.  Die  Klassifikation  ist  das  Ziel  aller  Wissoi- 
schaft,  wie  die  Naturwissenschaften  zeigen;  und  jeder  Fortschritt  der  Wiss^ischaA 
besteht  in  einem  Fortschritt  der  Klassifikation;  wie  die  Naturwissenschaften  vom  Unge- 
ordneten zum  Systematischen,  dann  zum  Natürlichen  und  endlich  zum  Crenealogischen 
fortgegangen  seien,  so  habe  auch  die  Kritik  diesen  letzten  Schritt  zu  thun.  Indem  B. 
ihr  hierzu  verhelfen  ndll,  ist  er  sich  bewusst,  die  Geschichte  der  Kritik,  die  er  schreiben 
will,  selbsthätig  fortzuffeluren  von  dem  Punkte  an,  wo  sie  mit  Taine  stehen  blieb:  hat 
Taine,  der  die  naturwissenschaftliche  Methode  in  die  Kritik  brachte,  sich  besonders  auf 
Saint-Hilaire  und  Cuvier  gestützt,  so  will  B.  an  Darwin  und  Häckel  anknüpfen.  B.S 
historische  Skizze  der  neueren  firanzösischen  Kritik  muss  daher,  wenngleich  natürlich 
überall  Streiflichter  auf  B.8  Methodenlehre  fidlen,  so  z.  B.  bei  VOlemain  auf  die  von 
B.  gern  behandelte  Frage  über  Dilettantismus  und  Individualismus  in  der  Kritik,  be- 
sonders doch  in  dem  Abschnitt  über  Taine  interessieren.  Im  ganzen  zoUt  B.  hier  Taine 
eine  unvergleichliche  Anerkennung    und    stellt    ihn  hinsichtlich    seiner   historischen  Be- 


7  Szamatolski  und  Htrriii«Tin.  lätteratui^gesrhichte.  1  1:  •-"■ 

dfutunjz  uelten  Hegel:  im  einzelnen  brin^  er  freilidi  Qkerall  seine  Bedenken  an.  So 
B  die  Bedeutung  der  g^enseitigen  Abhängi^eit  kultureller  und  litiervischer 
einungen  zu,  die  Taine  nach  dem  Vofijang  der  Naturgeschichte  in  der  Kanstge- 
,te  beobachtet,    aber  er  bestreitel  ihre  Not  '    it    und  damit  ihre  Geltung  al« 

z,    weil    sie    von  der  gesetsmäflmg  nicht  b.  Erscheinung    einer    bestimmten 

dualität  abhänge.  So  erscheint  ihm  die  voj*  Taine  angewandte  Bestimmung  des 
fliehen  oder  vorbMTSchenden  Charakten«  for  die  Litteraturgeschichte  von  geringerem 
Werte  al«  fer  die  Naturgeschichte,  weil  man  damit  gerade  die  Individualitat  nicht  trifl^. 
Aurh  die  Bedeutung  von  Bawe  und  Milieu  erscheint  ihm,  und  zwar  gerade  durch  die 
!ieue«te  Entwicklungstheorie,  sehr  vermindert:  durch  den  .,moment-  allein  ist  B.  bereit 
alle«  zu  erklärea,  wa»  in  einem  litterarischen  Kunstweik  durch  allgemeine  Gründe 
wirk  lieh  erklärbar  ist.  Auch  studierten  wir  die  Werke  nicht,  nur  um  den  Menschen  im 
KuiiHtler  kennen  zu  lernen,  sondern  um  die  Werke  selbst  durch  Urteil  zu  vergleichen, 
'lurch  Verirl^ichung  zu  klassifizieren.  Der  einzige  Unterschied  von  der  alten  Aesthetik 
<x\eT  Kritik  l>e«teht  darin,  dass  diese  zum  Ausgang  nahm,  was  erst  das  Ziel  sein  sollte: 
«lie  Definition  des  Schönen.  B.  sucht  darzulegen,  wie  auch  Taine  zur  Verwendung  von 
\Wrtmes»em,  so  dem  wesentlichen  Charakter,  dem  moralischen  Wert,  dem  Zusammen- 
fr«-rfen  der  Effekte,  auf  seinem  Wege  gelangte,  sind  zeigt,  wie  in  diesen  Punkten  teils 
lie  alte  Aesthetik  sich  mit  Recht  behauptet,  teils  seine  eigene  Befriedigendere«  zu  leisten 
}iabe.  Nachdem  so  lange  die  Kunstwerke  als  Dokumente  b«^trachtet  worden  seien,  mfisse 
man  einmal  an  Stelle  der  Relativität  das  Absolute  setzen:  die  Kunst  sei  zwar  der  Aus- 
druck der  Gesellßchafr,  aber  ihre  Aufgabe  bestände  nicht  hierin,  sondern  in  der  Ver- 
wirklichung der  Schönheit.  Man  beschäftige  sich  also  mit  den  eigensten  und  innersten 
Tendenzen  der  Kunst,  wenn  man  sie  in  dieser  Hinsicht  beurteile  und  klassifiziere.^  und 
man  beachte  einseitig  nur  die  Hälfte  von  Taines  Werk,  wenn  man  über  seiner  Unter- 
suchung der  Kunst  ^  Zeichen  seine  Schätzung  ihres  Schönheitswertes  übersehe.  Indem 
B.  nochmals  betont,  dass  die  so  verstandene  kritische  Methode  sich  mehr  als  eine  andere 
den  NatiuTvissenschaften  nähere  und  deren  vorbildliche  Wirkung  erst  recht  fruchtbar 
mache,  giebt  er  zvun  Schluss  einen  imposanten  Umriss  von  der  gewaltigen  Aufgabe,  die 
seit  Taine  dem  Kritiker  beschieden  ist.  Der  Abschnitt  Ober  Taine  ist  dadurch  besonders 
interessant, 'dass  hier  deutlicher  noch  als  in  der  allgemeinen  Einleitung  unter  dem  Löwen- 
fell der  evolutionistischen  Theorie,  das  B.  sich  der  Mode  zuliebe  überwarf,  der  ästhe- 
tische oder  litterarische  Kritiker  zu  erkennen  ist,  wie  ihn  Hennequin  und  Tissot 
zeichneten.  »)  —  Die  öffentliche  Feuertaufe  empfing  Brunetieres  Methode  in  der  neuen 
Gestalt  durch  eine  Polemik  mit  dem  liebenswürdigsten  und  geistreichsten  Vertreter  der 
Pariser  Tage^kritik,  Anatole  France.  Der  Streit  ist  höchst  ergötzlich  anzuschauen,  denn 
er  verläuft  elegant  und  nicht  verletzend  wie  ein  echt  französisches  Duell.  France") 
hatte  in  einer  Studie  über  den  ihm  litterarisch  nahverwandten  Jules  Lemaitre  seine  all- 
gemeinen Ansichten  über  Kritik  aus  der  koketten  Vorrede  zum  ersten  Bande  seiner 
gesammelten  Aufeätze  wiederiiolt  und  demgemäss  sich  gegen  die  Möglichkeit  einer 
objektiven  Kritik  ausgesprochen.  Ein  guter  Kritiker  ist  ihm  derjenige,  der  einfach  die 
Erlebnisse  seiner  Seele  beim  Genüsse  eines  Kunstwerkes  erzählt:  er  muss  sich  bewusst 
bleiben,  überall  von  sich  selbst  zu  sprechen,  gelegentlich  Shakespeares,  Racines  oder 
fToethes.  So  wenig  wie  eine  objektive  Kunst  giebt  es  eine  objektive  Kritik:  denn  wir 
sind  in  unsere  Persönlichkeit  wie  in  einen  ewigen  Kerker  eingwchlossen,  aus  dem  wir 
uns  so  wenig  befreien  können,  als  wir  jemals  die  Welt  mit  den  Facettenaugen  der 
Fhcfif  oder  dem  einfachen  Gehirn  des  Orang-Utangs  betrachten  werden.  —  Gregen  diese 
^^j/f-  richtet  Brunetiere")  seinen  Angriff,  um  mit  ihnen  nicht  nur  France,  sondern 
zugleich  Lemaitre  und  Desjardins,  die  gesamte  impressionistische  Kritik  zu  widerlegen. 
Mit  höflicher  Verbeugung  vor  den  Fälligkeiten  seiner  Gegner  erkennt  B.  die  Bequem- 
lichkeiten der  impressionistischen  Kritik  an,  da  sie  alle  Widersprüche  beschönigt  und 
auch  das  eigentliche  Studium  der  Bücher  und  ihrer  Gegenstände  erspart.  Aber  darum 
sei  sie  noch  nicht  berechtigt,  alle  objektive  Kritik  zu  leugnen.  Wenn  wir  auch  keine 
Fliegen  und  Orang-Utangs  sind,  so  sind  wir  doch  Menschen  und  dies  hauptsächlich 
durch  die  Macht,  aus  uns  herauszugehen,  um  uns  zu  suchen  und  wiederzufinden  und 
uns  zu  erkennen  in  anderen.  Trotz  aller  Relativität  und  Subjektivität  der  Empfindungen 
ist  doch  die  Fähigkeit,  sie  zu  empfinden,  überall  ähnlich  oder  fast  gleich,  von  derselben 
.\rt,  wenn  nicht  vom  selben  Grade:  das  ist  eine  Haupteigen tümlichkeit,  wenn  nicht  ein 
Teil  der  Definition  des  Menschen.  Mit  Lemaitre  selbst  kann  B.  den  Satz  verteidigen, 
dass  die  Meinungen  unter  „wirklich  gebildeten  Mandarinen-  gar  nicht  so  sehr  verschieden 
seien.     Mit  einem  grossen  Aufwand  litterarischer  Beispiele  und  geschickter  Verwertung 

tiom  4a  b  ccitiq««  «efw  b  wiiwiBCe  ]«•«■'»  ■«•  jovm.)  Pwi«,  HaAsitU.  1800.  28S  8.  -  •)  XX  i-  >■  StierBet. 
L'«T«tatiM  4»  U  critifM:  ÜBatea  10,  8.  122-38.  —  M)  A.  Frame« .  L»  vi«  UtUnin.  DanUiM  mn».  Paria,  C.  LAvy. 
ISn.  xm,  374  S.  imer  kovMB  S.  176  7  ia  Betneht)  —  H)  F.  Braaeti«ra.  Saaaia  av  la  WMutmn  iiia«aw|iiniai 
Paria,  C.  Ürj.    1892.    3(7  S.    (Hier  kummi  ta  Batraekt:    L*  eritäfaa  itaaaaioaiata,  S.  1-30.  AMi;  au  K&  1  Jaa.  IML)  — 


I  1:  12-19,  Szamatölski  und  Herrmann,  Litteraturgeschichte.  8 

der  Schriften  der  Gegner  seihst  entwirft  er  in  schnellen  Umrissen  Grundlagen  und  Auf- 
bau der  objektiven  Kritik,    d.  h.    seiner    eigenen  Methode    des  Urteilens,    Vergleichens, 
Klassifizierens,  deren  naturwissenschaftliclvein  Geiste  gegenüber  ihm  der  Impressionismus 
in  der  Kritik  veraltet  und  überlebt  erscheint.     B.  erkennt    ihm  überliaupt  keine  eigent- 
liche Begründung  zu,  sondern  erklärt  ihn  durch  den  Umstand,     dass    alle  diese  impres- 
sionistischen Kritiker  im  Grunde  des  Herzens  dichterische  Ambitionen  nähren  und  nun 
vorläufig  auf  diesem  Wege  von  sich  geben,    was    sie    einst    in    anderer,     persönlicherer 
Form  einem  Gedicht,    Drama  oder  Roman    als   Seele    einhauclien  werden.      Die    Gefahr 
liege  darin,    dass  nach  ihnen,  die  als  „gebildete  Mandarinen"  in    all    ihren  persönlichen 
Anschauungen    noch    ein  gut    Stück   lieilsamen  Dogmatismus    aussprechen.    Ungebildete 
kommen  werden,  oder  schon  gekommen  sind,  die  mit  der  Litteraturgeschichte  und  Tra- 
dition zugleich  die  eigentliche  und  schönste  Aufgabe  der  Kritik,  wie  sie  sich  auch  dem 
Franzosen  vor    allem    in  Lessing  verkörpert,  vergessen  werden:  der  Kunst  die  Wege  zix 
weisen.     Nicht  für  die  Schaustellung    seines  eigenen  Geschmacks    habe    der  Kritiker  zu 
sorgen,  sondern,  um  mit  Renan  zu  sprechen,  dafür,    dass  die  Welt    nicht    vom    Charla- 
tauismus  verschlungen  werde.    —  Die  Erwiderung    von  Franceia)    ist    ein  Meisterstück 
seines  Stils  und  der  Polemik.     Seinem  Charakter  getreu  giebt  er  statt  einer  theoretischen 
Darlegung  wie  Brunetiere  eine  Verteidigung    seiner  Persönlichkeit.      Sätze    allgemeinen 
Inhalte,  die  seine  Gesamtaufifassung  verraten,    sind   nur   spärlich.      F.    räumt  Brunetiere 
ein,  dass  in  der  Theorie  die  Kritik,  als  aiif  den  allgemeinen  philosophischen  Grundlagen 
der  Wissenschaft  beruhend,  mit  dieser  auch  die  Gewissheit  teilt.     Aber  in  Wirklichkeit 
seien  die  Ringe  der  sie  verbindenden  Kette  stellenweise  so  verwirrt,  dass  sie  selbst  der 
Teufel  nicht  auseinander  bekäme.      So  solle  man  lieber    ohne  Gewissheit    von    schönen 
Gedanken  und  schönen  Formen  sprechen,    als  schliesslich  ganz  schweigen.     Nur  wenige 
Gegenstände  der  Welt  sind  der  Wissenschaft  so  unterworfen,    dass    sie    sich  durcli    sie 
darstellen  oder  voraussagen  lassen:  die  Dichtung  wird  niemals  dazu  gehören.      F.  wird 
hier  freilich  Brunetiere  nicht    ganz  gerecht,    der   ja    mehrfach    die    Lieberschätzung    der 
objektiven  Kritik  als  Wissenschaft  selbst  bekämpft  hat.    —    Das  oberflächliche  Bild  der 
])sychologischen  Kritik  in  Frankreich,  das  Rells  ^^)  an  der  Hand  von  St.  Beuve,  Taine, 
Hennequin  und  Bourget  entwirft,  wird  durch  die  schnellfertigen  Einwände  und  schiefen 
Zusammenfassungen  des  Vf.   nicht  interessanter    und  wertvoller.    —    Ueber    Hennequin, 
Tissot  und  Brunetiere  gab  R.  M.  Meyer  i*)  einen  anregenden  Bericht,  der  sie  glücklich, 
wenn  auch  etwas   rasch  charakterisiert  und  von    ihnen  hofft,    dass    sie    eine  „Evolution 
der  Kritik"  auch  in  der  litterarischen  Anarchie  Deutschlands  zur  Reife  bringen  werden. 
M.    hat    auch    auf  die  Verdienste    der    deutschen  Litterarhistoriker    um  die  Geschichte 
der  Kritik  und  vor  allem   auf  Scherers  eigenen  praktischen  Versuch    auf  diesem  Gebiet 
hingewiesen.      Endlich    bespricht  M.   die   an  Hennequin    anknüpfenden  Untersuchungen 
des  Engländers  Robertson,  wie  er  denn  neben  A.  France    auch  den  englischen  Kritiker 
Andrew  Lang  erwähnt.  — 

Auch  ein  Vertreter  der  englischen  Kritik  hat  sich  im  Berichtsjahre  vernehmen 
lassen:  Saintsbury  i^)  giebt  einer  Sammlung  von  Essays  über  dreizelm  Männer  aus 
der  englischen  Litteraturgeschichte  einen  einleitenden  Abschnitt  bei,  der  über  Methode 
handelt.  Er  wendet  sich  vornehmlich  gegen  Hennequin  und  seinen  AnsprucJi,  den  Weg 
zu  einer  wissenschaftlichen  Kritik  i^)  zu  weisen:  dieser  Weg  kann  nur  zufällig  einmal 
richtig  zum  Ziele  führen,  das  gerade  so  gut  auch  von  der  subjektiven  Kritik  erreicht 
werden  kaim;  S.  hat  auch  in  Brunetiere  den  verkappten  Anliänger  der  bisherigen  Praxis 
erkannt.  Jeder  Versuch,  grundsätzlich  über  das  unwissenschaftliclxe  Verfahren  des 
blossen  Geschmacksurteils  objektiv  hinauszukommen,  wird  an  dem  neckenden  Dämon 
des  Individuellen,  an  dem  grossen  und  glänzenden  Geheimnis  der  Idiosynkrasie  des 
Künstlers  scheitern,  niemals  zu  der  Unterscheidung  des  echten  Dichters  vom  unecliten 
füliren,  niemals  den  Grund  der  künstlerischen  Wirkung  darlegen.  So  bleibt  der  Kritik, 
wie  es  scheint,  nur  die  gewöhnlich  von  ihr  erfüllte  Aufgabe^'^-^'*),  nicht  das  Können  des 
Dichters  zu  erklären,  sondern  das  Können  des  Kritikers  zu  zeigen,  seinen  Stil,  seinen 
Witz,  seine  Gelehrsamkeit,  seine  tiefen  ästhetischen  Theorien  oder  endlich  wenigstens 
seine  Fähigkeit,  eigene  Wohlgefallens-  oder  Missfallensausdrücke  aufzuzeichnen.  S. 
meint  nun  aber,  dass  die  Kritik  darüber  hinaus  auch  zu  einem  Urteil  verhelfen  köinie, 
indem  sie  sich  nämlich  zu  einer  vergleichenden  Kritik  ausbildet,  die  das  vorliegende 
Produkt  zur  Abmessung  seiner  Bedeutung  neben  ähnliche  Werke  hält.  So  wird  sie  es 
zu  gewissen  Generalisationen  bringen  und  dem  Leser  allmälüich  als  eine  Art  Litteratur- 


12)  A.  Franco,  La  vie  littüraire.  Troisiöine  söric.  Piiris,  C.  L6vy.  XIX,  406  S.  (Hier  kommt  dio  Vorredp  in  Betracht.)  — 
18)  W.  Beils,  ]).  psychologische  Kritik  in  Frankreich:  VossZgS.  N.  21.  —  14)  R.  M.  Meyer,  E.  Hennequin  (vgl.  o.  N.  2): 
John  M.  Robertson,  essays  toward  a  critical  Method.  London,  Fisher  Union  1889;  F.  Bruiietit'sre  (vgl.  o.  N.  •").) ;  E-  Tissot  (vgl.  o.  N.4.): 
DLZ.  13,  S.  365/«.  -  I5)G.  8»intsl)ury,  Essays  in  english  litteratire  1780-18G0.  London,  Porcival  &  Co.  ISiHl.  XXIX,  451  S. 
(Hier  kommt  in  Betracht:  Introduotion,  the  kinds  of  triticism.)  —  16)  X  (^egen  die  wissenschaftliche  Kritik:  AZgR.  N.  82.  (Aus- 
»UjT  »US  der  Einl.  v.  N.  15.)  —  17)  (1  3  :  109).   —  \B)  (1  3  :  70).    —    19)  Ernst  Groth,    D,  Aufgabe  d.  Litt,-Gosch.:  GrenÄb. 


9  Szamatölski  und  Hfirrinaiin,  Literaturgeschichte.  I  1:  20. 

atlaK  {liüiieii,  aus  dein  er  die  La^c»  einiger  J*iiiikt(!  foHthaU«ii  und  damit  dan  Mittel  lernt, 
die  Lage  der  neu  gebotenen  einigerinaHsen  siclier  /u  beHtiinmen.  „Coinpare,  alwayn 
corapare",  ist  S.h  Waldspruch ;  diese«  Vergleichen  freilich  läuft  naturgemäsH  wieder  auf 
die  Vorbringung  fertiger  subjektiver  Urteile  hinaus.  — 

Eine  passende,  wenn  auch  niclit  sehr  erfreuliche  Ueberl<^it)Mig  zu  den  deutschen 
Beiträgen  zur  Methodeidc^ine  bietet  E.  Groth'*)  mit  seinem  umfänglichen  Aufsatz  über 
die  Aufgabe  der  Litteratnrgescjiichte.     Weini   man  gerade  von  den  französischen  Arbeiten 
lierkoirunt,  merkt  manjbald,  dass  G.  diese  nicht  nur  an  den  wenigen  St(dlen,  wo  er  Namen 
iicinit,     sondern    überall    gi-ündlich    ausg»Mmt/t    hat.       So    ist    gleich    die  Einteilung  der 
Litteraturgeschichte  nadi  den  verschiedcMicn  Metiioden  eine  nur  wenig  durch  G.s  eigene, 
im    vorigen  Bande    besprochene,    Ansiclif    veränderte  Wiedergabe    der  Aufstellung    von 
'^1  issot  (s.  o.  N.  7),  dessen   Name  seltsanu^rweise   nirgiMids  genannt  ist.     Di(i   Anwendung 
auf  deutsche  Verliältnisse  ist  teilweise  recht  unglücklich.     Kulturgeschichtlich-analytisch 
heisst  bei  G.  di(5  Richtung,    die  ihm  neben  Taine    unser  Gervinus    repräsentieren  muss. 
Passendei"  tritt  für  die    christlich-moralisierende  Richtung    in    Deutschland    Vilmar    auf. 
Als    ästhetisch-dogmatisch  nennt  G.    die    Hegelsclie  Schule.       Dazu     kommt    die,    sclion 
früher    (JBL.     1H90.)    von     G.    als    Deutschland    eigentündich      genannte,      philologisch- 
antiquarische Richtvnig,  in  deren  Reihen  G.  neben  Elze  denjenigen  Eührer  der  deutlichen 
Litterarhistoriker  schieben  will,   der  doch  vor  allen  die    analytische  Richtung    vertreten 
liat:  Scherer.      Einen  schweren  Fehler  begeht  G.  durch    die    Vermengung    französischer 
luid  deutscher  Bestrebungen,  die  nur  erlaubt  wäre,  wenn  er  ein  allgemeines  dogmatisches 
Programm  gäbe,  während  er  docli  eine  Art  kritischer  Uebersicht  miternimmt.      Freilich 
ist    auch    diese    in    sich    wenig    gelungen,     zumal  in  den  ersten     beiden  Teilen,     die  die 
grössere  Hälfte  des  ganzen  Aufsatzes  ausmachen.     Den  ersten  Abschnitt    füllt    eine   ge- 
waltige Diatril)e  gegen  die  Philologen,  die  man  in  all  ihren  UeV)ertreibungen  wohl  dem 
m-spi-ünglichen  Vf.,    der  bei    einem  längeren  Citat    auch  genannt  ist,    Wetz,     nachsehen 
kann,  nicht  aber  dem  kritischen  Betrachter,  dem  abwägende  Gereclitigkeit  geziemt,     lieber 
diesen  Teil  braucht  mit  Rücksicht  auf  JBL.  1890  nichts  weiter  bemerkt  zu  werden,  als 
etwa  dass  das  Wort  voi\  unseren  Litteraturgeschichten  als  Wörterbüchern  nach  chrono- 
logischer Folge  aus  Brunetieres  Vorrede  (s.   o.   N.  8)    stammt.      Auf  Brunetiere,  dessen 
Name  allerdings  nur  ganz  gelegentlich  für  ein  bestimmtes  Citat  genannt  wird,  geht  auch 
fast  der  ganze  grosse  zweite  Teil  zurück,  der  in  einer  Polemik  gegen  Taine  besteht,  wie 
sie  freilich  in  dieser  sich  überstürzenden  radikalen  Form  von  Brunetiere  nicht  gebilligt 
werden  würde.     Voraus  geht  der  Form  halber  eine  Bemerkung  tiber  oder  vielmehr  aus 
Gervinus    (s.   o.)    und    über    den    Streit     zwischen    Geschichte    und    Kulturgeschichte,- 
deren  deutsche  Vorkämpfer  Schäfer  und  Gothein,  im  Gegensatz  zu  der  auffallenden  Be- 
handlung französischer  Quellen,    sorglich   genannt  sind.      Deutschen    Ursprungs    in    der 
Polemik    gegen  Taine    ist    mir    die    schon    von  Wetz,    gegen  die  Philologen,    erwähnt« 
falsche  AiifFassung  von  Herders  „Cid" :  gegenüber  diesen  beiden  Streitern  wider  die  philo- 
logische Richtung   in  der  Litteraturgeschichte    ist    die  Bemerkmig    am  Platze,    dass  die 
Aufdeckung  dieses  Irrtums  gerade  dem  Bravsten  unter  den  braven  Philologen,  Reinhold 
Köhler,  zu  danken  ist.     Li  dem  dritten  Teil,  über  die  christlich-moralisierende  Richtung, 
hat  G.  sich  wieder  an  Tissot  gehalten,  jedoch  auch  selbständig  einige  Bemerkungen  über 
Vilmar  und  Lessing  hinzugethan.      Der   nächste  Teil,    über    die    ästhetisch-dogmatische 
Richtung,    besteht  fast  ausschliesslich  in  einer  Aufzählung  ihrer  französischen  Vertreter 
nach  Tissot  (jedoch  Theurief  statt  Theuriet  und  Jaquet  statt  Faguet),  und  hierbei  wird 
aucli  einfach  Brunetiere  genannt,  der  doch  auf  Grund  seines  oben  dargestellten  und  G. 
wohlbekannten  W^erkes,    das    allerdings    erst    nach  Tissot  erschien,    zu  charakterisieren 
gewesen  wäre.     An  diese  vier  Richtungen  schliesst  G.  eine  fünfte,  die  er  unter  engstem 
Anschluss  an  Wetz  als  vergleichende  Litteraturgeschichte  darstellt:    sie    sei  jedoch   erst 
möglich,    wenn  die    beschreibende  Litteraturgeschichte    ihre  Aufgabe   erfüllt  habe.      Ihr 
Ziel  kann    aber  diese    nur  dadurch  erreichen,    dass  sich  die  vier  Richtungen  vereinigen 
und  gemeinsam  von    einem  einheitlichen  Gesichtspunkt    aus  eine    wirklich  pragmatische 
Geschichte    und  keine  blosse  Chronik  zu  Stande  bringen.      Diesen    Gedanken,    der    bei 
G.,  nachdem  er  jede  Richtung  für  sich  in  Grund  und  Boden  geschossen  hat,  nicht  recht 
eiiüeuchtet,  sieht  er  in  ten  Brinks  Rede  vei-wirklicht,  deren  Analyse  den  versöhnenden  Ab- 
schluss  des  zersplitterten  Aufsatzes  bildet.  —  Den  Ausftihrimgen  ten  Brinks  20)  selbst 
gerecht  zu  werden,   ist  nicht  ganz  leicht,   zumal  in  der  liier  verlangten  Inhaltsangabe: 
diese  mnss,  um  einigermassen  innerlich  zu  sein,   Stellung  zu  der  Frage  nehmen,  ob  M-ir 
bei  dem  durch  die  Notwendigkeit,   ganz  kurz  vor  Nichtfachmännem  |zu  reden,   durchaus 
erkläi'ten  sprunghaften  Vorgehen  des  Vf.  in  dem  Ganzen  nur  einzelne  Bemerkungen  zur 
Litteraturgescliichte  oder  aber  eine  Gesamttheorie  der  Wissenschaft  zu  erblicken  haben. 


50,  S.  260—76.  —  20)  B.  ten  Brink,  Ueber  d.  Aufgabe  d.  Litt.-Üesch.    Rpotormtsreden  d.  UhIt.  SbfMsbnrg  1890.   StrMsburg, 
Heitz.    28  S.    M.  0,60.    (Kede,  geb.  »m  1.  Mai  1890,  d.  StiftgsUge  d.  Kaiser-Wilholms-Univereittt  Strassbnrg.)  |[K.  Bnrdach: 


I  1:  21-22.  Szamatolski  und  Herrmann,  Literaturgeschichte.  10 

Die  erste  Aiiffassung,  von  Wetz  in  seiner  eingehenden  Kritik  (s.  u.  N.  24^  vertreten, 
liat  die  Praxis  des  ausgezeichneten  Litterarhistorikers  ten  Brink  für  sich,  die  durchaus 
nicht  auf  die  Anwendung  jener  knappen  Tlieorie  beschränkt  ist;  trotzdem  müssen  wir 
wohl  die  zweite,  die  Burdach  in  einer  Anzeige  voll  warmer  Anerkennung  für  B.,  voll 
heftiger  Angriffe  gegen  Andersdenkende  andeutet,  für  massgebend  halten,  weil  dieser 
Kritiker  sich  auf  persönliche  Mitteilungen  B.s  berufen  darf.  Nachdem  B.  einleitend  die 
Litteraturgescliichte  als  eine  Wissenschaftsform  bezeichnet  hat,  welche  mitten  in  dem 
Streit  über  den  Vorrang  des  Alten  oder  des  Neueren  die  lebendigste  Gegenwart  mit  der 
entlegensten  Vergangenheit  verknüpft,  welche  aber,  um  leben  zu  können,  weiteren  Kreisen 
der  Nation  innigere  Teilnahme  ablocken  muss,  geht  er  in  seiner  Betrachtung  des  Begriffes 
Litteratur  nicht  wie  die  Franzosen  von  der  Frage  nach  der  Art  der  Beurteilung  aus, 
sondern  von  dem  Problem:  wie  scheidet  man  das  seit  dem  Zurücktreten  jener  Kultur- 
zustände, in  denen  Poesie,  Wissenschaft  und  religiöser  Glaube  im  Mythus  ungesondert 
bei  einander  lagen,  für  sich  selbst  bestehende  wissenschaftliche  Schrifttum  von  der 
eigentlich  allein  für  die  Litteraturgescliichte  in  Betracht  kommenden  Produktion,  zu  der 
B.  ausser  der  Dichtung  auch  die  Geschichtsschreibung  und  die  populäre  Wissenschafts- 
darstellung rechnet?  Für  das  wichtigste  Kriterium  hält  er  die  Darstellungsweise,  pro- 
testiert aber  zugleich  gegen  die  öfters  beliebte  Auffassung  der  Litterarhistorik  als  der 
Wissenschaft,  welche  die  Entwicklung  der  Kunst  sprachlicher  Darstellung  aufzeigt. 
Immerhin  jedoch  steht  ihm  diese  im  Vordergrund  des  litterarhistorischen  Interesses, 
und  hier  schiebt  B.  in  einem  kurzen  Satz  namentlich  die  impressionistische  Kritik  als 
minder  wichtig  bei  Seite.  In  solchem  Sinn  ist  ihm  Ijitteraturgeschichte,  angewandte 
Poetik  und  Rhetorik,  und  auf  den  nächsten  Seiten  erhalten  wir  nun  eine  Art  ten  Brink- 
scher  Poetik,  freilich  ohne  einen  Hinweis  auf  die  Methode,  die  die  Litteraturgeschichte 
bei  der  praktischen  Anwendung  zu  befolgen  habe.  Feinsinnige  Andeutungen  gelten 
zunächst  der  äusseren  Redeform,  sie  verweisen  die  Metrik  auf  die  Rhythmik  der  Sprache, 
auch  der  nicht  gebundenen,  und  das  Ethos  der  Metren,  die  unlösliche  Verbindung  von 
Metrum  und  Gehalt  in  echten  Dichtungen,  die  äusserliche  Zusammenfügung  bei  den 
Nachahmern:  sie  betonen  die  Wichtigkeit  der  Lautsymbolik  für  die  Erregung  und  Dar- 
stellung von  Stimmungen  und  Gefühlen.  Daneben  stellt  B.  auch  noch  die  Wortwahl, 
für  die  stets  neben  dem  Vorstellungswert  des  Wortes  ein  gewisser  Gefühlswert  in  Be- 
tracht komme.  Daran  schliesst  sich  die  Betrachtung  der  inneren  Redeform:  mit  welchen 
Mitteln  wird  die  Aufmerksamkeit  auf  eine  bestimmte  Seite  des  zu  veranschaulichenden 
Gegenstandes  gelenkt?  So  hat  die  rhetorische  oder  stilistische  Syntax  zu  zeigen,  wie 
die  Auswahl  der  Vorstelkuigen,  ihre  Abfolge,  die  Art  ihrer  Verknüpfung  sprachlichen 
Ausdruck  gefunden  haben.  Diese  Sphäre  und  die  des  geistigen  Inhalts  eines  Kunst- 
werkes verbindend  und  in  beide  hineinragend  folgt  das  Gebiet  der  Komposition,  das 
z.  B.  die  Art  der  Vergegenwärtigung  eines  Vorgangs,  die  Mittel,  mit  denen  die  Ent- 
wicklung eines  Charakters  gezeigt  wird,  und  die  Wahl  der  Kunstform,  der  Stilgattung 
umschliesst.  Stets  ist  eine  Doppelfrage  zu  beantworten :  nach  der  Art  der  Darstellungs- 
mittel und  nach  der  Anordnung  der  Darstellungsmomente.  Die  nun  noch  bleibende 
Analyse  des  geistigen  Inhalts  aber  spielt  B.  auf  das  psychologische  Gebiet  hinüber:  er 
betrachtet  die  Conception.  Ihr  normaler  Vorgang  ist  dieser:  in  einer  überlieferten 
„Fabel"  erkennt  der  Dichter  eine  „Idee"  oder  er  legt  sie  hinein;  diese  Idee  aber  ist  ein 
notwendiges  Ergebnis  des  Verhältnisses,  in  das  seine  ganze  ästhetisch-moralische  Per- 
sönlichkeit, zu  dem  bestimmten  Stoffe  tritt.  Neben  der  Darstellungsform  sind  nun  die 
Ideen  Hauptgegenstand  der  litterarhistorischen  Betrachtung ^i);  als  drittes  Element  gesellt 
sich,  wie  sich  alsbald  ergiebt,  das  vorher  rasch  übergangene  Gebiet  der  Rohstoffe,  der 
„Fabeln",  der  Motive  hinzu.  Denn  in  dem  nun  folgenden  Abschnitt,  der  nach  dem 
Begriff  „Litteratur"  den  Begriff  „Geschichte"  behandelt,  betont  B.  die  Schwierigkeit, 
diesen  drei  Teilen  der  Aufgabe,  deren  jeder  seine  besondere  Geschichte  habe,  gerecht 
zu  werden.  Lange  Epigonenperioden  werden  gerade  dadurch  als  solche  bezeichnet,  dass 
jedes  der  drei  Momente  auf  einer  anderen  Entwicklungsstufe  sich  befindet,  und  selbst 
in  die  höchsten  Leistungen,  die  jene  drei  Bestandteile  zu  einem  einheitlichen  Stil  leben- 
diger Gegenwart  vereinen,  ragt  doch  hier  und  da  beängstigend  und  verwirrend  ein  Stück 
Vergangenheit  hinein.  Die  Aufgabe  des  sich  entwickelnden  Menschengeschlechts  und 
besonders  der  sich  entwickelnden  Litteratur  ist  Lernen  und  Vergessen :  die  Ueberlieferung 
bedarf  fortwährender  Korrektur,  die  ihr  oft  wieder  mit  Hülfe  der  Ueberlieferung  zu  teil 
wird.  Wirksam  bei  dieser  Korrektur  sind  die  führenden  Geister:  einerseits  die  Kritiker 
und  die  receptiven  Genies,  andrerseits  die  produktiven  Meister,  die  grossen  Dichter  und 
Schriftsteller.  Solche  Wirkung  aber  erzielen  sie  nicht  nur  durch  Studium  und  Denken, 
sondern  ebenso  durch  Lieben  und  Hassen,  mit  einem  Wort  durch  Leben.  Um  ihr  Leben 
also    hat    sich  die  Litteraturgeschichte  zu  kümmern,    hierher  setzt  B.  die  biographische 


ULZ.  18,  S.  1860/6.JI    -    21)  (1  3  :  224/6).    -    22)  X  A.  Biese,  Ueber  d.  Aufgabe  d,  Litt.-Gesch.:    NatZg.  N.  587,  589.    - 


11  Szamatölsk  i    iiiid    1 1  fniii;i  n  n.    LittcM'siturgescliirlitp.  I    I:  2a-24. 

Foischun^:  si(!  luit  die  Aufgaho,  uiik  den  JtildungHgang  derjenigen  Individuen  zu  er- 
läutern, die  korrigierend  auf  die  tloberlieferung  (hingewirkt  haben.  Diesen  Bildungsgang 
zu  untersuchen,  henut/e  num  erstlicli  die  Völkerpsychologie:  man  betrachte  den  Einzehien 
als  Kind  seiner  Zeit  und  seines  Landes;  ferner  die  eigentliche  Psychologie,  das  geistige 
Sonderleben  jedes  Individuums  und  dabei  besonders  die  individuelle  litterarische  Er- 
ziehung beachtend;  endlich  studiere  man  die  Sondertradition,  der  jede  Kunstgattinig 
unterworfen  ist  und  deren  Gesetze  unbedingt  auch  den  individuellsten  Geist  beein- 
flussen.-2-23)  —  Die  Gegenschrift  von  Wetz  S'»)  krankt  in  ihrem  kritischen  Teil  an  einem 
Grundübel:  W.  hat  nicht  erkannt,  dass  ten  Bnnks  Theorie  von  ganz  anderen  Grund- 
aiischauungen  ausgeht  als  die,  die  W.  für  die  richtige  hält,  er  meint  durch  kritische 
Besserung  und  Ergänzung  ein  seinem  eigenen  Ideal  entsprechendes  Ganzes  erzielen  zu 
können,  während  hier  doch  thatsächlich  zwei  ganz  verscliiedene  Betrachtungsweisen  ein- 
ander gegenüberstehen.  Ungerecht  ist  demnach  vor  allem  die  Behauptung,  dass  ten 
Brink  dem  Dichter  eine  mechanische  Ai'beitsart  zusclireibe,  während  es  doch  gewiss  sei, 
dass  die  wichtigsten  Voigänge  sich  ohne  Beteiligung  der  Aufmerksamkeit  vollziehen. 
Daneben  greift  W.  mit  Vorliebe  einzelne  Au.sdrücke  ton  Brinks  heraus,  um  gegen 
sie  zu  jH^lemisieron.  Nicht  selten  Hndet  er  dabei  wirklich  eine  bei  dem  Streben  nach 
Prägiuinz  unklar  gewordene  Bezeichinmg,  und  z.  B.  in  der  Darstellung  des  Verhältnisses 
zwischen  Herder  und  Goethe  wird  man  gewiss  auf  Seiten  W.s  sein;  öfters  aber  über- 
sieht er,  dass  ten  Brink  wenigstens  an  anderen  Stellen  der  Schrift  die  verlangte  un- 
zweideutige Ausdrucksweise  anwendet.  Schon  in  diesem  kritischen  Abschnitt  giebt  W. 
sich  gelegentlich  als  Schüler  Taines  und  Hennequins  zu  erkennen:  die  französische 
Schule  verleugnet  sich  auch  nicht  in  der  chevaleresken  Art,  in  der  W.  bei  .seinem  unter 
den  gegebenen  V^erhältnissen  besonders  anzuerkennenden  Freimut  den  Streit  z»i  führen 
weiss.  Unmittelbar  aber  als  Ausfluss  der  Lehren  jener  beiden  Kritiker  giebt  sich  der 
zweite  Teil,  in  dem  W.  po.sitiv  seine  Ansicht  über  das  Wesen  der  Litteraturgeschichte 
aiiseinandersetzt;  klarer,  aber  auch  breiter  als  in  der  früher  von  ihm  aufgestellten  Theorie 
(vgl.  JBL.  1890),  deren  Bezeichniing  „Vergleichende  Litteraturgeschichte"  er  liier  übrigens 
in  einer  Anmerkung  zögernd  zurückzieht.  Die  Litteraturgeschichte  bietet  zuerst  psycho- 
logische und  daini  historische  Probleme.  Zur  Lösung  der  ersteren  führt  zunächst  die 
kritische  Analyse,  die  die  Eigentümlichkeit  der  Werke  eines  Autors  feststellt  und  dann 
ihre  Ursachen  in  dem  Geiste  ihres  Vf.,  seinem  Intellekt  und  seiner  Phantasie,  aufsucht: 
seitie  Weltanschauung  beeinfiusst  besonders  die  von  ihm  geschaffenen  Charaktere, 
Situationen,  Handlungen;  sein  Charakter  den  Ton  seinar  Darstellung,  zumal  in  der 
Polemik,  seine  Sympatliien  und  Antipathien.  Neben  den  Werken,  deren  Analyse  in 
erster  Reihe  uns  über  die  geistig-moralische  Persönlichkeit  des  Autors  unten'ichtet,  kann 
dann  auch  seine  Biographie  Aufschlüsse  geben,  die  aber  niemals  Notizen  aufspeichern 
soll,  welche  ohne  Bezug  auf  des  Dichters  Innenleben  sind:  seine  Entwicklung,  die  Ent- 
faltung seiner  Individualität  muss  sie  w^esentlich  im  Auge  haben.  Acht  haben  soll  man 
auf  die  Ereignisse,  die  auf  die  Entwicklung  dieser  Seele  wirken  konnten,  sie  aber  nicht 
nach  ilu'er  äusseren  Wichtigkeit  bemessen,  sondern  nach  ihrer  Bedeutung  für  die  be- 
trachtete Individualität,  die  oft  durch  an  sich  winzige  Vorkommnisse  am  stärk.sten  und 
nachhaltigsten  bewegt  wird;  hier  ergiebt  sich  die  I Unzulänglichkeit  des  gewöhnlichen 
litterarhistorischen  Quellejistudiuras,  das  nur  die  unmitt-elbaren  Anregungen  in  Betracht 
zieht.  Mit  Hennequin  protestiert  W.  gegen  '  eine  systematische  Feststellung  des 
Milieus  im  Taineschen  Sinne  sowohl  für  die  gesamte  Lebensfiihrung  eines 
hervon-agenden  Autors  wie  im  besondern  für  die  litterarische  Beeinflussung  und  will  in 
dieser  Hinsicht  nui'  den  Rückscliluss  vom  Produkt  auf  die  Ursachen  zulassen;  wichtig 
dagegen  ist  ihm  die  Ermittlung  des  Milieus  für  die  Entwicklungsgeschicht«  der  Durch- 
schnittstalente und  für  die  Erkenntnis  der  Gesamtlitteratur  einer  Epoche.  So  gehört  denji 
—  ein  Piinkt,  in  dem  W.  zufällig  mit  ten  Brink  zusammentrifft  —  die  Behandlung  des 
Milieus  nicht  in  den  ersten,  sondern  in  den  zweiten  Teil  der  litterarhistorischen  Auf- 
gabe, zu  der  Erledigung  der  historischen  Probleme.  Ueber  diesen  Teil  hat  W.  weiter 
nichts  zu  sagen ;  statt  dessen  bietet  er  eine  Geschichte  der  Litteraturforschung  in  Deut>!ch- 
land,  wie  sie  ähnlich  schon  sein  früherer  Versuch  geliefert  hatte.  Auf  die  ästhetische 
und  die  kultvu-historische  Periode  ist  die  Hen-schaft  der  Philologie  gefolgt,  die,  zweifel- 
los um  die  Vorarbeiten  für  die  litterarhistorischen  Geschäfte  wohlverdient,  doch  für  die 
bevormundete  Wissenschaft  todbringend  zu  werden  droht,  weil  ihre  Methoden  auf  die 
innere  Entstehungsgeschichte  eines  Werkes  nicht  anzuwenden  sind.  Gegentiber  dem 
gegenwäi-tigen  Betrieb,   den  W.  in  krasser  Uebertreibung    so  schildert,    als    ob    die  Be- 


23)  X  A.  Sohröer,  Ueber  d.  Auf(,'8be  d.  Litt-Gesch.:  DWBl.  4,  S.  118-20.  -  24)  \V.  Wetz,  Ueber  Litt.-Gdscb.  E.  Kritik 
V.  tpn  Hrinks  Rede  ,Ueber  d.  Aufgabe  d.  Litt.-Qesch."  Worms,  Keiss.  82  S.  M.  1,40.  |(Burd»ch:  DI.Z.  13,  S.  1360  5;  in- 
sannpen  mit  Kritiken  über  ten  Brink  (s.  o.  N.  20),  Jacobowski  (s.  u.  1  3  :  94)  u.  Eugen  Wolff  (1890  I  1  :  1  u,  I  3  :  60).  Di» 
sicli  anschliessenden  Auseinandersetzungen  zwischen  Wolff  u.  Burdaih  (DLZ.  13,  S.  1455/8;  LCBl.  1893,  S.  63;4,  97j8.)  gehOrui 


I  1:  26-28.  Szamatölski  und  Herrmann,  Litteraturgeschichte.  12 

trachhing  der  Werke  selbnt  nur  noch  als  ein  wohl  zu  entbehrender  Zierrat  gelte,  und 
trotz  der  glücklichen  Praxis,  die  W.  in  den  Htterar historischen  Werken  Herders,  Schillers, 
Goethes  und  einiger  moderner  Forscher  findet,  empfiehlt  er  eine  grundsätzliche  Befolgung 
der  Theorie  Taines,  den  man  in  Deutschland  einseitig  nur  als  Stilisten  schätze,  und 
verspricht,  dass  diese  Befolgung  auch  der  Psychologie  und  der  Poetik  zu  Gute  kommen 
werde,  während  gegenwärtig  Poetik  und  Litteraturgeschichte  getrennt  marschieren. 
Auch  die  Möglichkeit  eines  Werturteils  giebt  diese  Methode  an  die  Hand:  man  kann, 
nachdem  man  die  geistigen  Anlagen  eines  Autors  erkannt  hat,  wohl  auch  bestimmen, 
wie  weit  diese  Anlagen  geeignet  sind,  die  dem  Autor  zugemuteten  Aufgaben  zu  lösen. 
Anzuwenden  aber  ist  sie  vornehmlich  auf  grosse  Werke  und  ihre  Verfasser:  hier  steht 
das  reichste  und  zugleich  wichtigste  Material  zur  Verfügung,  und  zugleich  wird  der  Littera- 
turgeschichte die  Bevorzugung  der  Meisterwerke  die  von  ten  Brink  geforderten  Freunde 
aus  weiten  Kreisen  des  Volkes  zuführen.  Der  Hinweis  auf  die  von  der  deutschen  Wissen- 
schaft so  wenig  beachtete  französische  Kritik  ist  das  eigentliche  Verdienst  der  Schrift,  die 
wenig  Eigenes  und  Tiefes  bietet,  aber  jenen  Mittlerdienst,  zur  Genüge  erfüllt;  die  völlig 
absprechende  Beurteilung,  die  W.  sich  zum  Schlüsse  selbst  prophezeit,  hat  er  von  Seiteij 
Burdachs  gefunden.  25-26)  — 

Ebenso  wie  die  Litteraturgeschichte  vorhin  von  der  litterarischen  Kritik  lernen 
konnte,  die  doch  nur  als  ein  Hülfsmittel  oder  ein  Teil  von  ihr  erscheint,  so  hat  sie 
auch  auf  die  Fortschritte  der  allgemeinen  Geschichtswissenschaft  zu  achten,  der 
sie  sich  ihrerseits  als  ein  Teil  imterordnet.  In  einem  ungemein  anregenden  Buch  be- 
schäftigt sich  0.  Lorenz27-28)  zunächst  mit  Ranke,  dem  er  beinahe  eine  besondere  Ranke- 
philologie als  Seitenstück  zur  Goethephilologie  gewidmet  wissen  möchte,  und  bringt  hier 
neben  allerlei  Andeutungen,  die  speciell  dem  Litterarhistoriker  interessant  sind,  weil 
sie  auf  Rankes  Verhältnis  zu  Herder,  Goethe,  Schiller,  W^.  von  Humboldt  und  den 
Romantikern,  ausserdem  auf  das  Verhältnis  der  Geschichtsschreibung  zur  Journalistik 
und  zum  Roman  eingehen,  manche  allen  Historikern  wichtige  Hinweise.  Freilich  ist  es 
nicht  der  ganze  Ranke,  der  hier  charakterisiert  wird:  die  von  L.  beliebte  Behandlung 
des  Meisters  als  des  eigentlichen  Vertreters  der  von  L.  hochgehaltenen  exklusiv  politi- 
schen Geschichtsschreibung  ist  kaum  minder  einseitig  als  Gotheins  kürzlich  vorgetragene 
Erklärung,  dass  Rankes  Arbeitsweise  wesentlich  kulturhistorisch-psychologisch  sei;  wenn 
L.Rankes  Forschungsmethode  dadurch  bestimmt,  dieser  habe  aus  der  Fülle  des  Materials 
nur  das  herausgesucht,  was  er  finden  wollte,  so  kennzeichnet  er  damit  zugleich  seine  eigene 
Art  der  Betrachtung  des  Meisters.  Einige  Sätze  sind  aber  auch  von  principiellem  Wert 
für  den  Litterarhistoriker.  Rankes  vielberufene  Objektivität  in  der  Ermittlung  des 
Thatbestandes  ist  in  der  Stellungnahme  zu,r  Subjektivität  des  Gewährsmanns,  in  einer 
Verständigung  über  die  Art  begründet,  in  der  sich  die  Ueberlieferung  im  Geist  eines 
Erzählers  darstellt;  darüber  hinaus  aber  ist  auch  seine  Darstelhmg  des  Thatbestandes 
durchaus  subjektiv.  Fem  von  jeder  Fortschrittstheorie  versteht  er  unter  den  ,, Ideen" 
die  herrschenden  Tendenzen  in  jedem  Jahrhundert,  die  wie  die  Blumen  des  Feldes 
wachsen  und  verwelken.  Vor  allem  ist  es,  zumal  wenn  man  die  Erörterungen  vom  Ethischen 
ins  Aesthetische  überträgt,  für  uns  interessant,  wie  L.  die  immer  wiederkehrenden  Be- 
hau])tungen  von  Rankes  objektiver  Wertbeurteilung  in  jedem  Fall  als  eine  Beleidigung 
zurückweist;  das  Princip  der  Rankeschen  Beurteilung  der  Menschen  liegt  vielmehr  „in 
der  Weigerung,  sie  im  ganzen  zu  nehmen  und  sie  als  eine  Einheit,  als  etwas  ein-  für 
allemal  bestehendes  zu  Ijetrachten.  Weil  er  sie  von  bestimmten  Ideen  ergriffen  sieht, 
so  meint  er  auch  ihre  Individualitäten  in  verschiedene  Elemente  auflösen  zu  können. 
Auf  diese  Weise  setzt  er  eine  Art  von  Motivenbeurteilung  an  die  Stelle  des  Urteils 
über  die  Menschen."  Weil  wir  eben  die  Motive  der  Menschen  dem  Quellenstand  ent- 
sprechend erst  in  nevierer  Zeit  zu  erkennen  vermögen,  neigt  denn  Ranke  auch,  wie  L. 
an  anderer  Stelle  hervorhebt,  zu  der  Ansicht,  dass  eigentliche  Geschichte  vor  dem 
15.  Jh.  nicht  möglich  sei.  L.s  eigener  Verstoss  gegen  die  herrschende  Geschichts- 
wissenschaft erfolgt,  soweit  er  uns  hier  angeht,  auf  zwei  Gebieten:  in  der  historischen 
Kritik  und  in  der  Lehre  voiv  der  Gruppierung  des  mit  Hülfe  der  Kritik  ermittelten 
Tliatbestandes.  L.  behandelt  freilich  die  Forschungslehre  erst  nach  der  Generationeiilehre, 
wold  weil  nach  dem  sehr  negativen  Ergebnis  der  Betrachtung  über  die  Kritik  das  sehr 
Hichere  Operieren  mit  ihren  Ermittlungen  zu  befremdlich  erschiene;  wir  aber  folgen  hier 
der  Reihenfolge,  in  der  der  Historiker  arbeitet.  Schon  der  einleitende  Abschnitt  „Zur 
Abwelir  und  Verständigung"  enthält  viel  Beachtenswertes:    Erörterungen    über  wissen- 

nitht  in  den  Rahmen  d.  JHL.)]  -  25)  XX  Bugen  Wolff,  Litt-Gesch.  rUckwärts:  HiimbCorr.  N.  913  u.  916.  —  26)  XX  H. 
Falkenhoim,  Kuno  FUoher  als  Litterarhist. :  Nation».  9,  S.  37-40,  55/7.  —  27)  0.  Lorenz,  Leopold  v.  Eanke,  d.  Gene- 
raUoncnlehro  n.  d.  Geschichtsunterricht.  (=  D.  Geschichtswissenschaft  in  Hauptriohtungen  u.  Aufgaben).  2.  Teil.  Berlin. 
Hert».  XII.  41«  8.  M.  8,00.  |[E.  Klebs:  DLZ.  14,  S.  118/9;  F.  Meinecke:  DWBl.  4,  S.  502/4;  G.  E[llingor]:  NatZg.v.  15. 
4.;  DR.  16,3,  H.  255/6;  J.  Franck:  ZRealschulw.  16,  S.  485/8;  K.  Br.:  LCBl.  1892,  S.  680/1;  Nation«.  8,  S.  497,  512,  530.ff.]| 
—  W)  X  H.  Simonsfeld,  Z.  Methodologie  d.  Gesch.:  ZGymn.  NF.  25,  S.  705/6.    (Vortrag «her  Lorenz'  Buch  (N.27);  Referat 


13  Rzamat()lski  und  Herrmann,  Litteraturgeschichte.  I  1:  27. 

schaftUchcn  „Sclml"bet,rieb  im  allgemeinen,  wobei  auch  über  Karl  Lachmann  gesprochen 
wird,  und  den  friK^lithanMi  Hiiiwois,  daM.s  über  der  Scheidung  des  Thatsäclilichen  vom 
NichttliatHüchlichen  die  kamn  minder  bedeutsame  des  Wichtigen  vom  Unwichtigen  heute 
fast  grundsätzlich  seitens  der  historisclien  Kritik  ausser  Acht  gelassen  werde.  Ein  Ueber- 
blick  über  ihre  (leschichte  soll  /-eigen,  dass  man  sich  heute  ganz  mit  Unrecht  ül)er  das 
historisclie  Denken  von  Miinnern  wie  Valla,  Macchiavell,  Hütten  und  Luther  methodisch 
erhaben  dlinke:  die  Besserung  liegt  nur  in  der  grösseren  Zugänglichkeit  der  Bibliotheken 
und  der  teclmischen  Vervollkounniunig  einiger  Hülf'swissenschaften;  die  von  den  Modernen 
berufsmiissig  reicher  aufgewendete  Verstandesthätigkeit  bedeutet  nur  eine  Vennehrung 
der  Subj<^ktivitiit,  keinen  Fortschritt  in  der  methodischen  Fähigkeit  objektiver  Erkenntnis. 
Nichts  ist  HO  kurzlebig  wie  eine  „kritisch"  gefundene  historische  „Walirheit";  als  Beispiel 
dient  die  Geschichte,  der  Nibelungentlieorie.  Das  Hauptziel  echter  Kritik  ist  die  rein- 
liche Scheidung  von  Naturwissenschaft  und  Cleisteswissenschaft,  die  doch  methodisch 
zuerst  ein  gutes  Stück  gemeinsam  geiien.  Zur  Exaktheit  der  Naturforschung  können 
wir  nie  gelangen:  denn  „dort  ist  es  die  Sache,  die  untersucht  wird,  hier  bloss  ein  in 
den  Menschen  entstandenes  Bild  von  ihr.  Die  Natiu^wissenschaft  wendet  ihre  Methode 
auf  den  Naturgegenstand  an,  die  Geschichte  bloss  auf  die  Ueberlieferung  de.sselben." 
Hier  denkt  L.  freilich  nur  an  seine  ])olitische  Geschichte,  in  der  die  subjektiv  nicht  ver- 
fälschten Ueberreste  verhältnismä.ssig  unwesentlich  sind;  die  Litteraturgeschichte  da- 
gegen z.  B.  hat  in  dem  Litteraturwerk  einen  Ueberrest  des  Thatbestandes  selbst,  der 
wichtiger  ist  als  alle  Ueberlieferung.  Da  aber  der  Litterarhistoriker  sich,  zumal  als 
Biograph,  daneben  aucli  mit  der  Ueberlieferung  auseinandersetzen  muss,  sind  auch  ihm 
L.s  weitere  Erörtennigen  anregend.  Kritik  der  Ueberlieferungen  nennt  L.  ihre  Ein- 
teilung, Klassifikation,  Ordnung  und  Beurteilung.  Im  Grunde  läuft  unsere  ganze  kritische 
Kunst  auf  die  Stellung  der  jesuitischen  Doppelfrage  hinaus:  a)  konnte  der  Bericht- 
erstatter die  Wahrheit  sagen?  b)  wollte  er  sie  sagen?  Die  unfehlbare  Methode  zur 
Lösung  von  a)  glauben  die  Modernen  durch  die  Entdeckung  des  Wortes  „gleichzeitiger" 
Zeugnisse  zu  haben;  aber  Gleichzeitigkeit  bedeutet  gar  nichts:  ein  gleichzeitiger  Bericht 
stellt  so  wenig  eine  Photograi)hie  des  Thatbestandes  dar  wie  ein  „realistisches"  Kunst- 
werk, ja  gerade  er  ist  durch  die  subjektive  Anteilnahme  des  Berichterstatters  am  be- 
denklichsten entstellt,  ob  es  sicli  nun  um  blossen  Bericht  oder  um  die  meist  zu  scharf 
von  diesem  geschiedeiie  Beurkinidung  handelt.  Eigentlich  giebt  es,  abgesehen  vielleicht 
von  den  gröbsten  Verstössen  gegen  Raum-  und  Zeitgesetze,  in  der  Erzählung  selbst 
kein  Zeichen  der  Thatsächlichkeit  oder  Nichtthatsächlichkeit  (hier  ist  wieder  vom  Ver- 
hältnis der  Geschichte  zum  Roman  die  Rede)  und  somit  auch  keine  besondere  historisch- 
kritische  Methode,  sondern  nur  das  Grundgesetz:  ,, der  Historiker  darf  kein  grüner  Junge 
sein",  er  muss  zur  Feststellung  und  Lösung  der  Widersprüche  eines  Berichts  Kenntnisse 
auf  allen  Lebensgebieten  besitzen.  Der  nächste  Abschnitt:  „Der  Kritiker  und  der  Er- 
zähler", führt  daini  besonders  gegen  Droysen  weiter  aus,  dass  alle  ,, Kritik"  auf  das 
Verhältnis  des  Kritikers  zum  Berichterstatter  hinausläuft  und  dass  dies  schliesslich  stets 
Vertrauenssache  bleibt;  mittelalterliche  und  neuere  Geschichte  unterscheiden  sich 
stark  dadurch,  dass  man  es  in  jener  meist  mit  anonymen  Berichterstattern  zu  thun  hat, 
wo  von  Vertrauen  kaum  die  Rede  sein  kann  und  dass  daher  hier  der  kritische  Skepti- 
cismus  sich  mit  besonderem  Behagem  und  einem  Schein  von  Berechtigung  tmnmelt. 
Der  letzte  Abschnitt  dieses  Hauptteiles,  „Handelnde  Menschen  und  historische  Motive", 
geht  nun  nicht  mehr  eiidieitlich,  sondern  sehr  sprungweise  vor,  vielfach  gesti\tzt  auf 
den  Unterschied  zwischen  historischem  und  naturwissenschaftlichem  „Gesetz",  den 
P.  Himieberg  HZ.  63,  S.  18 — 55  formuliert  hat.  Aufgabe  der  Kritik  ist  die  Rankesche 
Motivenforschung  in  erweitertem  Sinne,  ihre  künftige  systematische  Grundlage  Diltheys 
noch  unvollendete  „Einleitung  in  die  Geisteswissenschaften";  sie  ist  „historische  Kunst", 
Kunst  aber  nicht  in  dem  von  L.  energisch  verworfenen  Sinn,  in  dem  man  sie  heute 
„neben  der  Kritik"  gepflegt  wissen  will.  Vorher  verlangt  L.  als  Endziel  der  Kritik  nur 
Stellungnahme  zur  Ueberlieferinig  und  zu  ihrem  Träger,  hier  jedoch  eine  Transformation 
dieser  Ueberlieferung,  das  Verständnis  der  Kausalität  der  Ereignisse,  die  lediglich  in 
den  Lnienvorgängen  der  handelnden  Menschen  liegt.  Die  menschliche  Lidividualität  ist 
das  einzig  Reale,  Zusammenstellungen  wie  Kirchengeschichte,  Kunstgeschichte  usw.  sind 
nur  im  Geist  des  Forschers  vorgenommen.  Den  Menschen  zu  erkennen,  soll  man  auch 
sein  Aeusseres  heranziehen,  Grösse,  Gestalt,  Farbe,  Gesichtsbildung  historischer  Personen 
systematisch  studieren  und  förmliche  Regestenwerke  dafür  anlegen;  diese  Forderung  ist 
nicht  so  unerhört,  wie  die  absprechenden  Beurteiler  L.s  meinen,  vgl.  z.  B.  Julius  Mosen 
im  ,,Congress  von  Verona"  (Werke,  Leipzig  1880,  4,  S.  31).  Vor  allem  aber  ist  statt 
aller  Versuche,  die  Entwicklung  der  geschichtlichen  Dinge  auf  einen  blossen  Zusammen- 
hang von  Gedanken  zu  gründen,  die  innere  Individualität  der  handelnden  Menschen  zu 
erforschen,  um  ihre  Motive,  d.  h.  die  historischen  Motive  zu  erkennen.  Dazu  aber  braucht 
man  nicht  nur  liistorische  Kenntnisse,  sondern  allgemeine  „Menschen "kenntnis;  das  Wort 


II:  27.  Szamatolski  und  Herrmanii,  Litteraturgeschichte.  14 

„Psychologie"  wird  von  L.  nicht  gesprochen.  In  jedem  Falle  ist  zu  bestimmen:  was 
hat  die  Persönliclikeit  vom  Vorhandenen  aufgenommen?  was  hat  sie  abgelehnt?  was  hat 
sie  hinzugetlian?  Nicht  den  Grund  für  die  Neuschöpfungen  liat  der  Historiker  aufzu- 
zeigen, sondern  nur  die  Entstellungsstellen;  freilich  giebt  es  auch  hier  eine  Erkenntnis- 
grenze: sie  setzt  luis  das  nimmer  analysierbare  Genie,  und  ihm  zu  huldigen  gehört  zu 
den  höchsten  Zielen  der  Gescliichte.  Das  Genie  führt  die  Unregelmässigkeiten  herauf,  welche 
die  sonst  so  gleichmässigen  Kurven  des  geschichtlichen  Verlaufes  stören;  ob  die  Unter- 
suchung der  sich  ablösenden  Geschlechter  trotzdem  „auf  gewisse  Regelmässigkeit  kommen 
müsse,  —  wer  wagte  es  mit  Sicherheit  zu  behaupten?"  Dieser  Wer  nun  ist  L.  im 
zweiten  Hauptabschnitte  des  Buches.  L.  setzt  hier  den  in  seinem  ersten  Bande  begonnenen 
Kampf  gegen  den  uns  durch  untergeordnete  Historiker  des  17.  Jh.  aufgedrungenen  Be- 
griff „Mittelalter"  unter  Berufung  auf  Rankes  Weltgeschichte  fort,  der  die  geläufige 
Dreiteilung  „Altertum,  Mittelalter,  Neuzeit"  aufgegeben  und  im  8.  Bande  erklärt  hat: 
„  .  .  .  Die  Vorstellung  einer  lOOOj.  Unterbrechung  der  allgemeinen  Kultur,  die  man 
ehedem  mit  dieser  Benennung  verbunden,  hat,  aus  humanistischen  Anschauungen  ent- 
sprungen, auf  litterargeschichtlichem  Gebiet  einen  Schein  von  Berechtigung:  für  die 
universalhistorische  Betrachtung  kommt  ihr  keinerlei  Wahrheit  zu."  L.s  Zusatz  „Seit 
Scherer  auch  nicht  einmal  mehr  avif  litterargeschichtlicliem  Gebiet"  scheint  uns  zunächst 
für  die  Weltlitteraturgeschichte  nicht  richtig:  über  sie  hat  Scherer  sich  unseres 
Wissens  nicht  geäussert,  und  thatsächlich  verwendet  man  hier  heute  noch  so  gut  den 
Begriff  „Mittelalter"  zur  Einteilung,  wie  es  einst  Eriedricli  Schlegel  gethan;  aber  auch 
für  die  deutsche  Litteraturgeschichte  ist  L.s  Behauptung  nicht  recht  zutreffend:  Scherers 
Werk  führt  die  bekannte  Theorie  des  Vf.  praktisch  nicht  ganz  durch  („Aclites  Kapitel. 
Das  ausgehende  Mittelalter"),  und  ferner  iiaben  schon  Scherers  Vorgänger,  Gerviuus, 
Vilmar,  Wackernagel,  Goedeke,  sich  der  gerügten  Disposition  nicht  bedient.  Auch 
weiterhin  verteidigt  L.  seine  früheren  Sätze:  das  kleinste  Normalmass  gescliichtlicher 
Prozesse  ist  die  Generation,  die  eigentliche  Einheit  das  Jh.  als  Summe  dreier  Generationen, 
die  nächst  höhere,  ähnlich  wie  bei  Scherer,  die  Periode  von  300  und  600  Jahren.  Klarer 
wenn  auch  ohne  ausdrückliches  Zugeständnis  ergiebt  sich  jetzt,  dass  L.  gar  nicht  die 
Generation,  d.  h.  das  durchschnittliche  Lebensalter,  wie  es  Rümelin  für  sociale  Gesetze 
verwertet,  im  Auge  hat,  sondern  die  Lebenswirksamkeit,  d.  h.  die  Zeit  vom  30.  bis 
zwischen  das  60.  und  70.  Jahr;  die  Identität  der  Dauer  ist  Zufall.  Deutlicher  hebt  L. 
jetzt  ferner  aus  den  fortwährend  neben-  und  durcheinander  bestehenden  Generationen 
die  massgebenden  heraus :  es  sind  die,  welchen  die  als  führende  Geister  ermittelten  Indi- 
vidualitäten angehören.  Die  neuen  Gesetze  gelten  nicht  nur  für  die  politische  Geschichte, 
sondern  auch  für  Kunst  und  Wissenschaft.  Goethes  Zeit  oder  Generation  sind  nicht 
die  82  Jahre  seines  Lebens,  sondern  die  Jahre  seiner  eigentlichen  Lebenswirksamkeit, 
die  hier  vom  Sturm  und  Drang,  dort  von  der  Romantik  begrenzt,  ohne  dass  die  kleinen 
Abweichungen  der  Geburtsjahre  stören,  Herder,  Wieland,  Schiller  einschliessen  (S.  180£). 
Streng  bei  der  Theorie  bleibt  L.  hier  freilich  nicht,  sonst  geliörte  Goethes  Generation 
etwa  in  die  Jalore  1780—1813;  er  giebt  auch  zu,  dass  es  die  politische  Geschichte  weit- 
aus am  leichtesten  habe,  weil  die  führenden  Gestalten  hier  entschieden  lieraustreten 
und  die  Genealogie  bequem  anwendbar  sei;  feste  Zahlen  liefert  freilich  auch  in  ihr  erst 
das  Jahrhundert.  Dies  wird  im  Kapitel  „Lebensdauer  nach  Genealogien"  weiter  ausge- 
führt durch  genealogische  Beobachtung  privater  und  fürstliclier  Stammbäume,  die  leid- 
lich sichere  Zahlen  ergiebt.  „Lebensläufe!  Personenkenntnis!  kein  dürres  Thatsachen- 
schema!"  ist  auch  hier  die  Losung.  Soll  nun  die  Litteraturgeschichte,  von  der  ein- 
schneidenden Bedeutung  der  Goetheschen  Lebenswirksamkeit  ausgehend,  der  vorauf- 
gehenden und  folgenden  Litteraturentwicklung  den  Goetlieschen  Stammbaum  disponierend 
zu  Grunde  legen,  an  dem  sich  ganz  wohl  L.sche  Regelmässigkeitsbeobaclitungen  machen 
lassen?  Oder  soll  man  auf  genealogisches  Vorgehen  verzichtend  etwa  von  jenem  Jalire 
1780  aus  hl  Abschnitten  von  33^3  Jaliren  rückwärts  und  vorwärts  rechnen  und  unge- 
fähr im  12.,  47.  und  80.  Jalir  jedes  Jli.  Wendepunkte  litterarisclior  Entwicklung  suchen? 
Solche  Fragen  stellt  L.  nicht  einmal  auf;  aber  weiui  man  von  seiner  Grundanscliauung 
aus  die  politischen  „Generationen"  als  massgebend  auch  für  die  litterarischen  erklärt, 
wird  man  in  dem  Kapitel  „Thatsächliche  Generationsreihen"  viel  Nützliches  finden,  wo 
L.  eine  Reihe  von  ihm  abgegrenzter  „Generationen"  der  deutschen  Gescliiclite  aucli 
innerlich  zu  sclieiden  sucht.  Er  geht  aus  von  dem  Jahr  1515,  das  Ranke  epochemachend 
nennt:  hier  lösen  zwei  Generationen  einander  ab,  eine  vorsiclitige,  erlialtende  und  eine 
zerstörende,  unternehmungslustige,  hüben  Luther  und  Melanchthon,  drüben  Erasmus 
und  Reuchlin.  Aus  dem  älteren  Generationencyklus  geht  uns  liier  nur  die  liebevoll  aus- 
geführte Schilderung  der  Mittelgeneration  des  15.  Jh.,  der  Albrecht  Achilles ,  Enea 
Silvio,  Cusan,  Heimburg  an,  der  Träger  einer  „ehrenwerten  Gesinnung  innerer  und  häus- 
licher Restauration".  Etwas  summarisch  findet  L.  sich  mit  der  neueren  Zeit  ab,  in  der 
er  nur  das  16.  Jh.  genauer  betrachtet.     Die  Scheidung  vom  15.  und  17.  ist  leicht,    viel 


I 


15  Szamatölflki  und  Herrmann,  Litteraturgeschichte.  I  l:  29.32. 

schwerer  bei  der  Fülle  der  Gesichte  die  innere  Dreiteilung  des  16.  Jh.,  fast  uninöglicli 
iVir  dio  Kunstgescliiohte;  in  wiMH(Mi.s(rhaftlicht!r  Hinsiciit  recimet  L.  die  erste  Generation, 
die  hunianiHtische,  hin  1540,  die  zweite,  die  die  schidhuchmäsHigen  Hülfsmittel  ausbildet, 
betrachtet  er  vor  allem  in  den  Jesuiten,  die  dritte  nennt  er  konfessionell  und  zank- 
süchtig. Das  letzte  Kapitel  endlich  „Genealogie  und  Vererbung''  ist  dem  Scidusskapitel 
des  Abschnittes  Cibei  die  Kritik  nahe  verwandt,  es  erhofft  eine  Neubelebung  des  Ge- 
schichtsbetriebes davon,  dass  statt  der  unpersönlichen  Institution  das  Individuum  Grund- 
lage der  Forschung  wird.  Wälu^end  er  aber  dort  das  von  jedem  Individuum  neu  Bei- 
gebrachte in  den  Vordergrund  stellt,  predigt  er  hier  das  Studium  der  ihm  eingeborenen 
Eigenschaften  und  als  Hilfsmittel  wieder  die  Genealogie:  ausdrücklich  wird  auch  die 
genaue  Betrachtung  der  Ahnentafel  des  Künstlers  angeraten.  Mit  der  Empfehlung  des 
von  den  Historikern  nicht  beachteten  Buches  „L'heredite"  von  Th,  Ribot  führt  inis  L. 
auch  hier  an  die  Psychologie  heran.  Des  Werkes  letzter  Hauptteil,  der  den  Geschichts- 
unterricht behandelt,  ausgehend  von  einer  Auseinandersetzung  mit  P.  Güssfeld  über 
Goethes  Wort  vom  Enthusiasmus,  der  das  beste  ist,  was  wir  von  der  Gesciiichte  haben, 
kommt,  trotzdem  er  mannigfach  anregt,  für  uns  wenig  in  Betraciit.  Unter  L.s  Kritikern, 
deren  einige  ilu'e  Entrüstung  recht  energisch  zum  Ausdruck  bringen,  sei  E.  Klebs  her- 
vorgehoben, der  neben  aller  Anerkennung  auch  viele  Schwächen  des  merkwürdigen 
Buches  aufzeigt  und  mit  Recht  namentlich  auf  die  Schwierigkeiten  liindeutet,  die  sicii 
L.s  Zusammenfassung  dreier  Generationen  zu  einer  Einheit  entgegenstellen.  —  In 
Lorenzschen  Gedankengängen  wandelt  Stieve^o);  er  empfielilt  gegenüber  den  beiden 
herrschenden  Arten  der  Geschichtsschreibung,  der  quellenmässig-statistischen,  die  sicli 
auf  die  quellenkritisch  festgestellten  Nachrichten  verlässt,  als  wären  es  die  Thatsachen 
selber,  und  der  konstruierenden,  die  willkürlich  verfährt  und  die  Persönlichkeiten  sich 
und  uns  automatenhaft  vorstellt,  die  rein  empirische  Methode,  erst  auf  Grund  möglichst 
zahlreicher,  durch  prüfende  Beobachtung,  durch  Einleben  in  die  historischen  Individuali- 
täten gewonnenen  Thatsachen  Schlüsse  zu  ziehen.  —  Bern  heim  ^Oj  findet  nicht  mit 
Uiu-echt,  dass  dieser  Methode,  der  wir  ja  alle  mehr  oder  minder  zustreben,  der  Name 
der  naturwissenschaftlichen,  den  ihr  Stieve  beilegt,  nicht  wohl  zugestanden  werden 
kann.  —  Viel  schroffer  als  Lorenz  vertritt  D.  Schäfer'^^)  den  Satz,  dass  Geschichts- 
wissenschaft mit  politischer  Geschichte  identisch  ist,  dass  alle  anderen  geschichtlichen 
Betrachtungen,  so  auch  die  Litteraturgeschichte,  nur  als  wertvolle  Einführung  in  den 
gegenwärtigen  Zustand  der  betreffenden  Einzelfächer  aufgefasst  werden  müssen  und  dass 
es  keine  übergeordnete  allgemeine  Geschichtswissenschaft  giebt,  zu  deren  Aufbau  alle 
Teilgeschichten,  darunter  aiich  die  politische,  beizutragen  hätten.  Diesen  1888  zuerst 
vertretenen  Standpunkt  hält  er  jetzt  in  einer  neuen  Scln*ift  fest,  die  sich  gegen  Bernheim 
und  Jodl,  besonders  aber  gegen  Gothein  richtet,  der  1889  die  Rechte  der  „Kultur- 
geschichte" gegenüber  der  politischen  Geschichte  verfochten  und  sogar  gelegentlich  als 
die  Führerin  der  ersteren  die  Litteratui'geschichte  bezeichnet  hatte.  In  manchen  Punkten 
ist  er  milder  geworden,  in  manchem  hat  er  unzweifelhaft  Recht,  so  vor  allem  in  den 
Angriffen  auf  das  unglückselige  Wort  „Kulturgeschichte",  das  nicht  nur  von  den  ver- 
schiedenen Forschern  verschieden,  sondern  auch  ganz  nach  Bedürfnis  von  einem  und 
demselben  Autor  in  den  mannigfachsten  Bedeutungen  gebraucht  wird,  in  manchem  ist 
er  mit  Gothein  einig,  vor  allem  darin,  dass  die  Geschichte  nicht  nur  eine  Wissenschaft, 
sondern  auch  eine  Kunst  sei  und  dass  dem  Historiker  das  Recht  der  individuellen  Auf- 
fassung zustehe.  Aber  in  der  Hauptsache  bestreitet  er  auch  hier  wieder,  dass  es  die 
Aufgabe  der  Geschichte  sei,  die  Entwicklung  des  gesamten  mensclüichen  Geisteslebens 
darzulegen,  schon  weil  man  die  erforderlichen  Sonderkenntnisse  von  niemandem  er- 
warten kann :  es  kommt  nur  darauf  an,  den  Fortschritt  der  ethischen  Anschauungen  zu 
beobachten,  und  dieser  bezeugt  sich  wesentlich  in  der  Entwicklung  des  Staatslebens. 
Zu  überzeugen  vermögen  uns  freilich  auch  diesmal  S.s  Ausfülirungen  nicht,  weder  der 
historische  Ueberblick,.  der  in  allen  Perioden  der  Weltgeschichte  das  politische  Moment 
als  das  massgebende  erweisen  soll,  noch  die  erneute  Uebersicht  über  die  Gescliiclite 
der  Historiogi'aphie,  die  stets  das  Politische  betont  hat;  im  einzelneu  fehlt  es  nicht  an 
feinen  Bemerkungen,  die  auch  den  Litterarhistoriker  fördern:  über  Schillers  „Deutsche 
Muse"  und  „Jungfrau  von  Oi'leans",  über  das  Verhältnis  unserer  klassischen  Litteratur 
zum  Staat,  besonders  zu  Friedrich  dem  Grossen  (S.  36/9)  und  endlich  über  Schiller 
und  Justus  Moser  als  Historiker  (S.  45/8).  — 

Kolde^^)  handelt  eigentlich  nicht  über  das  von  ihm  angekündigte  Thema,  aber 
er  giebt  dafür  eine  Reihe  auch  hier  beachtenswerter  Anregungen  auf  dem  Gebiete  der 
historischen    Kritik.     Die  Voraussetzung    aller    kritischen   Arbeit    ist    die  Ainiahme, 


V.  C.  Hammer.)  —  29)  F.  Stieve,  Herzog  Maximiliau  v.  Baiern  u.  d.  Kaiserkrone:  DZG.  6,2,  S.  40/7.  —  30)  E.  B[erDkeim] 

II.  F.  Stieve,  „NaturwissenscLaftliehe"  Geschichtsforschung?:  ÜZO.  6,1!,  S.  :156,8.  —  31)  D.  Schäfer,  Geschichte  u.  Kaltur- 
Keschiohte.  E.  Erwiderung.  .Tena,  Fischer.  70  S.  M.  1.60.  —  32)  Th.  Kolde,  Ueber  d.  Grenzen  d.  hist  Erkennens  u.  d. 
Objektivität  d.  Geschichtsschreibers.     E.  Rede.  2.  Abdruck.     Erlangen  &  Leipzig,  Deichert.      4«.      22  S.      M.  0,80.      (Zuerst  1890 


I  1:  33-38.  Szamat61ski  und  Herrmann,  Litteraturgeschichte.  16 

dass  unter  gleichen  oder  analogen  Verhältnissen  die  Dinge  in  der  Vergangenheit  sich 
ebenso  oder  analog  vollzogen  haben,  wie  wir  sie  in  der  Gegenwart  sich  vollziehen  sehen. 
Diese  Annalime  erklärt  er  für  durchaus  richtig,  fordert  aber,  dass  man  auch  bewusst 
die  nötigen  Folgerungen  zielien  und  als  Historiker  sich  mit  der  wissenschaftlichen 
Beobachtung  von  Gegenwartsvorgäiigen  beschäftigen  solle.  Man  dürfe  z.  B.  gelegentlich 
in  der  Entscheidung  von  Fragen  nach  der  Echtheit  oder  Uiieclitheit  eines  Schriftwerkes 
nicht  mechanisch  beim  Vorkommen  von  Abweichungen  gegeiiüber  der  an  zweifellos 
echten  Schriften  eines  Autors  beobachteten  Denk-  und  Schreibweise  sofort  das  Prädikat 
„Unecht"  ausstellen,  als  ob  Denk-  und  Schreibart  etwas  durchaus  Starres  wären,  man 
solle  sich  vielmehr  am  lebendigen  Objekt  und  womöglich  an  den  eigenen  Schriften  klar 
machen,  wie  leicht  auch  in  einem  solchen  für  fest  gehaltenen  Ausdruck  einer  Persön- 
lichkeit lebhaft  wechselnde  Bewegung  vorkommen  könne.  Eine  Reihe  interessanter 
weiterer  Beispiele  nimmt  K.  aus  seinem  kirchengeschichtlichen  Arbeitsgebiet;  es  ist  in 
mehreren  Fällen  nicht  schwer,  zutreffende  litterarhistorische  Analoga  zu  finden.  Ferner 
aber  soll  der  Forscher  auch  künstlerisch  zu  arbeiten  verstehen:  einmal,  indem  er  aus 
der  Ueberfülle  des  Materials  mit  künstlerischem  Takte  das  auswählt,  was  historisch, 
d.  h.  was  zum  Verständnis  eines  Gegenstandes  oder  einer  Person  erforderlich  ist,  andrer- 
seits, indem  er  gerade  wie  der  Künstler  die  Trümmer  eines  alten  Kunstwerkes  selbst- 
thätig  erst  zu  einem  erkennbaren  Ganzen  erzeugt,  die  von  der  Kritik  ermittelten  Einzel- 
thatsachen  durch  Kombination,  dnrch  Akte  des  logischen  Denkens  erst  in  den  richtigen 
Zusammenhang  bringt.  Dass  man  hier  wenigstens  für  die  zweite  Aufgabe  statt  der 
historischen  „Kunst",  d.  h.  also  der  subjektiven  Willkür  des  Historikers  durch  psycho- 
logische Forschung  eine  gewisse  objektive  Exaktlieit  zu  erreichen  oder  wenigstens  anzu- 
streben vermag,  lässt  K.  ganz  ausser  Acht:  Psycliologie  liegt  ihm,  seiner  eigenen  Angabe 
zufolge,  recht  fern.  — 

Unter  fleissiger,  allzufleissiger  Benutzung  der  Fachlitteratur  stellt  Dippe^») 
geschichtsphilosophische  Betrachtungen  zusammen;  die  Wahl  des  Haupttitels,  „Das 
Geschichtsstudium"  erscheint  um  so  unbegreiflicher,  als  D.  die  Geschichtsphilosophie 
ausdrücklich  für  eine  philosophische,  nicht  für  eine  historische  Disciplin  erklärt.  D.  giebt 
zunächst  einen  historischen  Ueberblick  über  ältere  Erscheinungen,  leider  ohne  die  Klarheit 
Rocholls,  an  den  er  sich  anschliesst,  vmd  charakterisiert  dann,  wiederum  wesentlich  durch 
Darbietung  von  Lesefrüchten,  seinen  eigenen  Standpunkt:  er  will  zu  philosophischen 
Zwecken  die  allgemeinen,  in  der  Geschichte  wirksamen  Ideen  verfolgen,  nachdem  ihm 
von  den  Historikern  das  empirische  Material  möglichst  zuverlässig  dargereiclit  ist.  Die 
Grundlage  für  seine  eigene  Uebersicht,  die  auch  schüchterne  Prophezeihungen  über  den 
Kulturgang  der  Zukunft  wagt,  ist  Rankes  Weltgeschichte.  Aber  weder  in  diesem  zweiten 
Hauptteil  noch  im  dritten,  in  dem  er  über  „die  historisch-psychologischen  Probleme" 
handelt,  kann  man  sonderlich  Eigenartiges  von  dem  V£  lernen,  am  allerwenigsten  kann 
es  die  Litteraturgeschichte;  denn  obwohl  er  auch  von  dieser  ausdrücklich  Beobachtungs- 
material einfordert,  beschränken  sich  doch  seine  Ausführungen  ausschliesslich  auf  das 
socialpolitische  und  religiöse  Gebiet  und  bieten  für  eine  Philosophie  der  Litteratur- 
geschichte nicht  die  geringsten  Anhaltspunkte.  —  B.  KneiseP*)  lässt  sich  in  seiner 
Geschichtsphilosophie  von  religiösen  Ideen  leiten  und  stellt  daher  in  einem  Ueberblick 
über  die  zweckmässige  und  harmonische  Entwicklung  des  gesamten  Geschichtsverlaufs 
hauptsächlich  die  Geschichte  der  religiösen  Verhältnisse  dar,  die  für  ihn  statt  der 
politischen  das  eigentliche  Lebenselement  aller  Kultur  bedeuten;  gelegentlich  vor- 
gebrachte Andeutungen  aus  dem  Gebiet  der  Poetik  (S.  27  £)  zeigen,  dass  seiner  Ansicht 
nach  auch  echte  Litteratur  ohne  Glauben  nicht  bestehen  kann.  In  den  allgemeinen 
Eingangskapiteln  versucht  auch  er  eine  Erklärung  der  Individualität:  er  erhebt  Einspruch 
dagegen,  dass  man  in  der,  von  ihm  freilich  nicht  angeführten,  Formel  A  =  a  +  x  das  x 
so  sehr  wie  möglich  zu  eliminieren  suche,  trennt  dagegen  von  a  noch  einen  wichtigen 
Summanden  ab:  die  göttlichen  Eingriffe,  denen  jedes  Menschenschicksal  unterworfen  ist.  — 
Eine  geschichtsphilosophische  Betrachtung  über  die  Ironie  in  der  Geschichte,  „die  gott- 
geschriebene Fibel  für  die  dummen  Jungen  auf  der  Weltschulbank,  die  an  das  Bibel- 
lesen nicht  heranwollen"  und  denen  nun  der  Superintendent  F.  Lüdecke^S)  diese  neue 
Buchstabiermethode  vorlegt,  zieht  glücklicherweise  die  Litteraturgeschichte  nicht  in 
Betracht.  — 

Neue  Gesamtdarstellungen  der  deutschen  Litteraturgeschichte  liegen  nur 
von  französischer  Seite  vor.     Das  Buch  von  Bossert^ß)  wird  von  Geiger •'^^)    als  eine 

als  Erlanger  Rektoratsrede  gedruckt.)  |[E.  Klebs:  DLZ.  12,  S.  1838.]|  —  33)  A.  Di  p  p  e,  D.  Goschiclitsstudium  in.  seinen 
Zielen  ii.  Kräften.  E.  Heitr.  z.  Pliilos.  d.  Gesch.  Berlin,  Wiegand  &  Grieben.  132  S.  M.  1,00.  |[l)rasfike:  ZWTh.  34, 
S.  495/9.11  -  34)  B.  K  n  ei  s  el,  D.  Weltgeschichte  ein  Zufall.  Berlin,  Weidmann.  (IV,)  104  S.  M.  2,00.  —  35)  F.  Llldecko, 
U.  Ironie  in  d.  Geschichte.  Gotha,  Schloessmann.  47  S.  M.  0,7,5.  -  36)  OX  A.  Bessert.  Histoiro  iihrögö  de  la  litt6rature 
allemande  depuis  loa  origines  jusyu'en  1870  avec  uu  choix  de  uiorcoaux  traduits,  des  notioes  et  dos  analyaes.  Paris,  Hachett«. 
-    37)  L,  Geiger,   Wie  e.  Franzose  deutsche  Litt,  lehrt:    BerlinTBbl.  v.  27.  Okt.  (Abendausg.)    -    38)  U.  Tivier,    llistoire 


17  SzamatAlBki  und  Herrmann,  Litt^ratnrgeschichte.  I  i:  :jfl-48. 

ganz  hervorragende  Leistung  charakterisiert,  die  die  Geschichte  der  gesamten  geistigen 
EntwickliHig  der  Litteraturgeschiclite    zu  Grunde    legt,    also    aucli  PhiloKophen,    Natur- 
forsrljer,  GesctliichtSHchreiber  berCukBichtigt,  die  femer  nicht  daH  biugraplusolie  Moment 
iiiigehiihrlicli    bevorzugt,    Hondeni     neben    der  Charakteristik    der  Autoren    wirklich   die 
Litteiiitur  als  Hauptgegenstand    bebandelt,    die  Betraclitung    wenigstens    bis  zum  Jahre 
1H7Ü  iülirt  und  endlich  es  auch  im  einzelnen    besonders  für  das  18.  Jh.    an  feinen  und 
Helbständigen  Urteilen  nicht  fehlen  lässt.    —    Minder    hoch    steht    die  Darstellung    von 
Tivier-'^),  der  neben  der  italienischen,  spanischen,  englischen,  nordischen  und  slavischen 
auch  die  deutsche  Litteraturgeschichte  ziemlich  eingehend  betrachtet.     Es  mangelt  dem 
Vf.  zu  sehr  an  selbständig  gewonnenen  Kenntnissen,  und  so  bietet  er  bei  dem  Versuche, 
die  vorklasaische  Zeit  in  kurzen  Ueberblicken  vorzuführen,  sonderbare,  ganz  unorganische 
Zusammenstellungen  als  „Kapitel"  dar,  in  denen  namentlich  die  „Sclmlen"  eine  \'iel  zu 
grosse  Rolle  spielen.     Was  über  die  Werke  gesagt   wird,    sind    meist    nxu:    ausfülu'Iiche 
Inhaltsangaben;    au  Elementarachnitzern,    an  Namenentstellungen    ist    kein  Mangel;    die 
eingestreuten  Prosaübertragungen    einzelner  Stellen    aus    deutschen  Dichtungen   können 
fast  nie  den  Charakter  der  Originale  treffen.      Anerkennung    aber    verdient  es,    daws  T. 
wenigstens  all  den  Zielen  zustrebt,    die  Bossert   nach    dem    oben    (N.  36)    angezogenen 
Bericht  erreicht  hat,  und  dass  das  Ganze  von  entschiedener  Unparteilichkeit  zeugt,    die 
z.  B.  auf  dem  Gebiete    der  Wissenschaft   und    des  Volksliedes  Deutschland    den    aller- 
ersten Rang  einräumt. '*''^~*^)  —  H.  Meyer  **)  bietet  kurze  biographische  Notizen  über  eine 
Reilie  deutscher  Dichter,  offenbar  derjenigen,  die  gewöhnlicli    in  Volksschullesebüchern 
vertreten  sind:    weltliche  von  Geliert  bis  Geibel,  geistliche    von  Luther    bis  Zinzendorf, 
nebst  zwei  kurzen  Anhängen  tiber  die  Formen  und    die  Arten  der  Poesie.      Aber   auch 
einem  anspruchslosen  Publikum  sollte  man  nicht  Goethes  Leben   in  18  Zeilen  erzählen, 
um  über  seine  Werke  dann  in  zwei  Zeilen    nur    zu    berichten:    „Goethe   ist    einer   der 
grössten  deutschen  Dichter.      Von    seinen  Balladen    sind  der  Erlkönig    und    der  Sänger 
wohl  am  bekanntesten".    —    Wieweit  R.  Königs  ^^j    Neuauflage    seines    Abrisses    und 
Prauzems^^)  Bearbeitung  des  Dammschen  Leitfadens  Verbesserungen  bedeuten,  können 
wir     nicht     feststellen,     da     uns     die     früheren    Passungen     unzugänglich     sind.'*^)     — 
Scherers  ^5-40)  Litteraturgeschichte,    dessen  Neuausgaben    von  Edw.  Schröder  in  der 
Weise  besorgt  werden,  dass  die  Aenderungen  des  stereotypierten  Textes  zunächst  noch 
auf  das  kleinste  Mass   sich  beschränken,    dass    dagegen    die  Litteraturangaben    des  An- 
hangs   ne\i    gesetzt    werden,    liegt   jetzt  in  der  sechsten  Auflage  vor.      Wenngleich  auf 
diese  Art  natürlich  nicht    alle  Forschungsergebnisse    der    letzten    Jahre    sich   verwerten 
Hessen,  so  zeigen  doch  namentlich  die  Abschnitte  über  das  15/6.  Jh.  (die  vorangehenden 
Kapitel  kommen  für  die  JBL.  nicht  in  Betracht)  einige  vorsichtige  sacliliche  Aenderungen ; 
die  Besserungen  in  dem  die  moderne  Litteratur  betreffenden  Teile  sind  meistens  stihstischer 
Art.     Einmal  (S.  661)  scheint  durch  eine  Korrektur  der  von  Scherer  (S.  750)  ausdrück- 
lich hervorgehobene  Grundsatz  verletzt,   das  Erscheinungsjahr  eines  Werkes,    nicht  das 
Entstehungsjahr  anzugeben.     Ueber    die  Notwendigkeit,    die  Litteratiirangaben    auf  das 
Wichtigste  zu  beschränken,  wird  man  mit  dem  Herausgeber  gewiss  einer  Meinung  sein, 
in  der  Praxis  aber  könnte    man  manchmal    eine    andere  Entscheidung    wünschen:    z.  B. 
misst  man  ungeni    neben  der  minderwertigen  Celtislitteratur    S.  746    den    Hinweis    auf 
Bezolds  schöne  Aufsätze  (HZ.  49,   S.  1—45;    133—228).      Künftigen  Ausgaben    werden 
wohl  die  JBL.  wesentlich  zu  Gute  kommen.      In     einem    Nachtrag    -wird    der  Hinweis 
geboten,  dass  Hagelgans'  „Arminius"  schon  1640  erschien:  vgl.    aber  bereits  ASNS.  63, 
S.  241.    —   R.  M.  Meyer*')  versucht  sich  einen  raschen  Ueberblick  über  die  Geschichte 
der  deutschen  Litteratur  zu  schaffen,    indem    er    einmal  die  Kelu^eite    betrachtet:    statt 
der  fülirenden  Geister  die  bestgehassten  Gegenbilder.     Dabei  stellt    er    als  den  Wende- 
punkt in  der  Methode,  dem  litterarischen  Hass  Luft  zu  machen,  die  Zeit  des  Opitzianis- 
mus  hin:  vorherhatte  wolil  jeder  Hauptpolemiker  seinen  Lieblingsfeind,  seitdem  herrscht 
die  Tendenz,  allgemein  verwendbare  Sündenböcke    ausfindig    zu    machen.      Der    älteste 
dieser  Art   ist  Hans  Sachs.  —  Einen  Gesamtüberblick    über  den  litterarischen  Entwick- 
lungsgang Deutschlands  giebt  auch  Oehlke*^),    der    die  Oppositionsbewegungen  gegen 


des  littöratures  6trangeres.  Paris,  Uelagrave.  120.  662  S.  —  39)  O  X  J.  K.  Ho8m*r,  A  short  history  of  G«nnaa  litoratara. 
New-York,  Scribner.    M.  8,00.    (Neue  Ausgabe,  erste  1879.)  |[New-York  Critio,  16,  S.  230.  LUerary  World  (Boston)  22,  S.  M2/S.]| 

—  40)  O  X  P.  M.  Ponoelis  S.  J.,  Historia  de  la  Literatur».  Baenos-Ayres,  L«oii  Miran.  ![0.  Strehly:  BCr  S2, 
S.  327/8  (schroff  ablehnend).]!  —  41)  H.  Meyer,  Litteraturkunde.    HannoTer,  Buchdnickerei  d.  Stepl»an8t«ft«s.    20  S.    M.  0,40. 

—  42)  R.  Koenig,  Abriss  d.  deutschen  Litt -Gesch.  B.  Hilfsbuch  f.  Schule  n.  Haus.  2.  rerb.  Aufl.  Bielefeld,  Trlhag«a  ä 
Klasiujj.     IX,  202  S.  m.  10  Hoill.  u.  50  Abb.    M.  2,50.    |[L.  Frey  tag:  COIRW.  19,  S.303  4  (gflnstig  m.  kleinen  AnsstollnnfW.)! 

—  43)  A.  Frauzem,  Damms  Leitfaden  z.  deutschen  Litt-Oesoh.  f.  kath.  Schulen  bearbeitet.  Berlin,  O.  W.  F.  Mttller.  M  S. 
M.  0,50.  —  44)  O  X  f-  Schultz,  Herktafel  zu  d.  Gesch.  d.  deuUchen  Litt.  Dessau,  Baamann.  14  8.  M.  0,80.  :[R.  Leh- 
mann: ASNS.  87,  S.  82.]|  (Erweiterter  Abdruck  aus  des  Vf.  Gesch.  d.  deutschen  Litt.  1889.)  —  45)  W.  Seherer,  0««eh.  d. 
deutschen  Litt.  6.  Aufl.  Berlin,  Weidmann.  XII,  824  S.  Geb.  M.  10.00.  (S.  822/4  Nachwort  t.  Edw.  Schröder.)  — 
46)  X  W.  Scherer,  llistory  of  Oerman  Litt>ratnrp.  Translated  by  Mrs.  F.  Conybearo.  Oxford,  ClarendAn  Prcn. 
M.  5,00.    (Zuerst  1880.)  —  47)  K.  M.  Heyer,  Litterariscbe  PrUgelknab^n:  AZg».  N.  82.  -  48)  A.  Uelilke,  Litt.  Oppositiou- 

.Tabroäberichtp  fllr  iiouere  ddutsche  Litteraturgeschichte  II  (i,,  2 


1  1 :  49-59.  S z  a m  a  1 6 1  s k i  i\ lul  He r r m  a n  n ,  Litteräturgeschichte.  18 

Konvention  und  handwerksmässiges  Treiben  heraushebt.  Er  gelit  aus  von  Neidhart 
und  Tannliäuser,  lässt  das  14. — IG.  Jh.  bei  Seite,  weil  in  ihm  litterarisch-ästhetisclie 
Kämpfe  nicht  ausgefochten  seien,  schildert  das  Wirken  Opitzens  uud  der  wiederum 
gegen  diesen  auftretenden  Opposition,  der  er  Leute  wie  Simler  und  Grob  wohl  nm-  zu- 
gesellt, weil  sie  in  Goedelces  Grundriss  den  Antiopitzianern  angegliedert  sind,  charak- 
terisiert Gottsched  wie  seine  Gegner  und  schliesst  mit  dem  Auftreten  des  jungen 
Goethe.  — 

Verschiedenes,  was  an  anderer  Stelle  der  JBL.  nicht  unterzubringen  war, 
sei  hier  zusammengestellt;  viel  Erfreuliches  ist  nicht  dabei.  Kuwert*^)  bietet  nicht 
den  dem  Titel  nach  erwarteten  Beitrag  zur  vergleichenden  Litteraturgeschichte,  sondern 
eine  trockene  Aneinanderreihung  ziemlich  wertloser  Betrachtungen  über  die  auf  Arminius 
bezüglichen  Werke  Huttens,  Spalatins,  Frischlins,  Ayrers,  Lohensteins,  J.  E.  Schlegels, 
Schönaichs,  Wielands,  Klopstocks  und  Kleists;  seine  Materialzusammenstellungen  gehen 
offenbar  wesentlich  auf  eine  alte  Skizze  Creizenachs  (PrJbb.  36,  S.  332 — 40)  zurück. 
Hätte  er  die  Arbeiten  Riffarts  und  Hofmann-Wellenhofs  gekannt,  so  wären  ihm  wenigstens 
die  Arminius  behandelnden  Dichtungen  Kuchlins,  Schredins,  Rists,  Hofmannswaldaus, 
Peynfelders,  Bodmers,  Ayrenhoifs  u.  a.  nicht  entgangen;  Mosers  Arminiusdi'ama  hätte 
K.  auch  bei  Creizenach  nicht  übersehen  sollen.  —  Eine  andere  mythische  Heldengestalt, 
Roland,  verfolgt  Eicke  ^o)  durch  die  neuere  Litteratur.  In  Deutschland  ist  ihr  Erscheinen 
abgesehen  von  einigen  Chronisten  des  16.  Jh.  zunächst  direkt  oder  indirekt  durch  die  Italiener 
zumal  Ariosto  und  Bojardo,  vermittelt,  auf  deren  deutsche  Uebersetzungen  E.  S.  13  Anm.  1 
zu  sprechen  kommt;  hierher  gehört  neben  anderen  Opern  das  Hamburgische  Singespiel 
„Der  grossmüthige  Roland"  und  eine  zuerst  1626  gespielte  Komödie  von  Orlando  furioso, 
die  nicht,  wie  C.  Heine  glaubte,  auf  H.  Scamaccio,  sondern  auf  R.  Greene  zurückgeht. 
Durch  die  germanistischen  Veröffentlichungen  des  17.  Jh.  wurde  der  schönen  Litteratur 
der  Stoif  nicht  näher  gebracht;  erst  die  Romantik  nahm  sich  seiner  an:  Eouque  ver- 
arbeitete den  Stricker,  A.  W.  v.  Schlegel  den  Turpin;  dazu  kommen  Uhlands  Balladen 
und  andere,  in  Ereiligraths  Rolandalbum  gesammelte,  kleine  Dichtungen  sowie  die  Ueber- 
setzungen Uhlands,  Hertz',  Simrocks.  Viel  Nutzen  stiftet  die  auch  stofflich  nicht  ganz 
vollständige  Arbeit  kaum:  fast  nur  lose  aufgereihte  Analysen  und  äusserliche  Quellen- 
betrachtung, nirgends  eigentlich  ein  Versuch  vergleichender  Charakteristik  51-52).  —  Qb 
Hinrichsens  53)  in  zweiter  Auflage  vorliegendes  Schriftstellerlexikon  gegen  die  erste 
Auflage  eine  Verbesserung  bedeutet,  können  wir  nicht  sagen,  da  uns  diese  noch  nicht  zu- 
gänglich war.  —  Offenbar  ebenfalls  das  Ergebnis  beantworteter  und  unbeantworteter 
Bittgesuche  um  autobiographische  Mitteilungen  ist  das  französisch-italienische  Dictionnaire 
von  Gubernatis54)|  wie  stets  in  solchen  Fällen  erhält  man  über  die  kleineren  Leute 
die  beste  Auskunft.  Die  Wissenschaft  ist  reicher  vertreten  als  die  Dichtung:  über  die 
Stammautoren  einiger  Berliner  Vorstadtbühnen  wird  Auskunft  erteilt,  und  Namen  wie 
Spielhagen  und  Wildenbruch  fehlen  ganz.  Aber  auch  auf  die  in  wissenschaftlichen 
Dingen  gegebenen  Mitteilungen  kann  man  sich  kaum  verlassen:  die  VLG.  z.  B.  wird 
nach  G.  herausgegeben  von  „Schmidt,  Schiherl  und  Stephan".  —  Im  Berichtsjahr  gelangte 
auch  Wurzbachs  55)  österreichisches  Lexikon  zum  Abscliluss:  „Lexikonmüde  ruh'n  nun 
aus  die  Hände.  Ich  ganz  allein  schrieb  diese  sechszig  Bände."  56)  —  Als  „Geschichtsei" 
bezeichnet  S.  Widmann^'^)  die  in  die  Geschichte  gedrungenen  und  noch  dringenden 
Fabeln,  die  auf  unrichtiger  Herleitung  eines  Wortes  beruhenden  Erdichtungen,  die  an 
geschichthche  Begriffe  und  Namen  sich  knüpfenden  Missverständnisse  und  Verwechs- 
lungen. Solche  Zusammenstellungen  sind  wohl  geeignet,  als  Stoff  für  Erörterungen 
historisch-kritischer  Art  zu  dienen;  in  der  Form,  in  der  W.  sie  bietet,  bezwecken  sie 
wohl  nur,  dilettantischen  Freunden  des  Sprachlebens  anziehende  Belehrung  zu  gewähren.  — 
Nur  eine  Spielerei  ist  es,  an  die  Heydtweiller  58)  erinnert:  er  teilt  die  Namen  deutscher 
Dichter  nach  dem  berühmten  Muster  der  krebslosen  und  der  krebseliefernden  Monate 
und  hält  die  Träger  der  Namen  mit  r  für  die  rauhen,  kräftigen,  männlichen  im  Gegen- 
satz zu  den  hellen,  milden  klaren  ohne  r.  —  Ueber  Dichternamen,  aber  niir  über  unge- 
nannte und  verwandelte,  plaudert  auch  F.  Gross  5'-')  mid  macht    dabei  auf   ein  kürzlich 


bewegungcn:  VossZgs.  N.  48,  46,  49.  —  49)  M.  Kuweit,  Anninius  als  dichterischer  Held:  ib.  N.  16/8.  —  50)  Th.  E  icke, 
Z.  neueren  Litt.-Gesch.  d.  Rolandssage  in  Deutschland  u.  Frankreich.  E.  litt.-hist.  Studio.  Leipzig,  Fock.  56  S.  M.  2,00 
|[H.  Varnhagen:  DLZ.  18,  S.  1618/9;  AI.  'r[ille?l:  LCBl.  1892,  S.  882.]|  _  51)  O  X  H-  Eckart,  D.  deutschen  Ströme  in 
ausgewählten  Schilderungen  deutscher  Dichter.  Gera,  Bauch.  Gr.  16.  188  S.  M.  2,00.  —  52)  OX  Emma  Laddey,  Frauen- 
hilder  im  Spiegel  d.  Dichtung.  München,  Huttier.  IV,  301  S.  m.  4  Lichtdr.-Bildd.  M.  8,00.  -  53)  XX  A.  H  inri  ehs  en  ,  D.  litt. 
Deutschland.  M.  e.  Einleitung  v.  C.  Beyer.  2.  Auflage.  Berlin,  Norddeutscher  Verlag.  1471  S.  M.  18,00.  -  54)  A.  de 
Uubernatis,  Dictionnaire  international  des  6crivains  du  jour.  Bd.  2.  Florenz,  Niccolai.  4».  8,  1009-2088  S.  —  55)  C.  von 
■Wurzbach,  Biograph.  Lexikon  d.  Kaisertums  Oesterreich.  Bd.  60.  Wien,  Hof-  u.  Staatsdruckerei.  XXXIX,  383  S. 
|[V088Zg.  N.  316;  Schwicker:  AZgn.  N.  179.]|  -56)  O  XX  B-  Eckardt,  Lexikon  d.  niederdächsischen  Schriftsteller  v.  d. 
ältesten  Zeiten  bis  z.  Gegenwart.  Osterwieck,  Zickfeldt.  VU,  181  S.  M.  4,00.  -  57)  S.  Widmann,  Geschichtsei.  Missver- 
standenes u.  Miss  verständliches  aus  d.  Gesch.  Paderborn,  SchOningh.  XXIV,  298  S.  M.  2,80.  ![K.  Sallmann:  BLÜ.  N.  12.]| 
—    58)  G.  Heydtweiller,    Nomen  et  omeu.     E.  Spiel  m.  Dichternamou :  Didaskalia  N.  257.    —    59)  F.  Gros.s,  Anonyme  u. 


10  Szainat6lRki  und  Herrmanii,  Litteraturgeschichte.        I  l:«o-«ö.I2:  i-i. 

in  PariB  erschienenes  „Dictionnaire  des  Pseudonymes"  aufmerksam,  das  eine  systematischi^ 
Einteilung  versucht  luid  sechzehn  Arten  von  Pseudonymen  ennittelt.  Einige  der  Bei- 
spiele C+.s  beruhen  auf  längHt  abgetiianen  Hypothesen, *'ö)  —  In  einer  (relegenheitsrede 
betont  Max  Koch^'),  dass  die  Bedeutung  einer  Nationallitteratur  für  die  Entfaltung 
nationaler  Politik  nicht  zu  unterschätzen  sei:  einmal  wird  eine  der  wichtigsten  Waffen 
im  Kampf  gegen  fremde  Nationalität,  die  Sprache,  nur  dann  siegesfkhig,  wenn  sie  eine 
mächtig  ausgebildete  nationale  Litteratur  hinter  sich  habe,  andrerseits  zeigen  die  That- 
sachen,  dasH  gerade  unsere  klassische  Nationalliteratur,  die  z.  B.  Gervinus  für  die  Ursache 
unserer  politischen  Unbildung  erklärt,  das  früher  unbekannte  deutsch-nationale  Gefühl 
waoligerufen  und  uns  in  den  Jahren  der  Fremdherrschaft  recht  eigentlich  unsere  Volks- 
kraft erhalten  habe,  ganz  abgesehen  von  der  luimittelbar  wirksamen  Lyrik  der  Freiheits- 
sänger. K.  zieht  daraus  die  Folgerungen  für  unser  modernes  Leben:  er  fordert  grössere 
Teilnahme  für  die  nationale  Poesie,  aber  freilich  nicht  ftir  die  „Modemachwerke"  Wilden- 
bruchs, als  ein  äusseres  Zeichen  Denkmäler  für  unsere  grossen  nationalen  Dichter,  aber 
freilich  nicht  für  „Henri  Heine",  und  die  ganze  Schrift  gipfelt  in  einer  Apotheose 
Richard  Wagners. **2J  —  K.  Pranke'*^)  wünscht,  dass  man  auch  ausserhalb  des  Kcjllegs 
und  der  Studierstulte  „Germanistik"  studiere,  indem  man  z.  B.  in  Frankfurt  nicht  ver- 
säumt, das  Goethehaus  und  den  Sachsenhäuser  Goethehügel  zu  besuchen.  —  Sehr 
hübscli  setzt  Fulda 64j  in  einer  Musterung  der  verschiedenen  Berufsarten,  deren  Ver- 
treter sich  Schriftsteller  nennen,  auseinander,  dass  es  keinen  eigenen  Schriftstellerstand 
giebt:  sonst  müsste  man  folgerichtig  auch  einen  Rednerstand  anerkennen,  und  das  wini 
niemand  thun  wollen:  „hier  wie  dort  Leute  der  allerverschiedensten  Lebensstellung, 
hier  wie  dort  die  Unmöglichkeit  einer  Grenzbestimmung  und  die  Zusammenfassung 
durch  ein  ganz  äusseres,  ganz  nebensächliches  Merkmal:  hier  das  Reden,  dort  da« 
Schreiben."  —  Dagegen  hält  Keiter^^)  offenbar  das  Schreiben*'*)  und  das  Drucken- 
lassen für  das  Charakteristikum  des  Schriftstellers  und  bringt  eine  Reihe  von  Rat- 
schlägen tiber  die  Einrichtung  des  Manuskripts,  über  Büchertitel  und  Inlialtsverzeichnis, 
über  den  Verkehr  mit  Druckern,  Redakteuren,  Verlegern,  Agenten  zusammen:  alles  sehr 
elementarer  Art  und  doch  selbst  von  altgedienten  Schriftstellern  nicht  immer  einge- 
halten.ö''-^^)  —  Spitteler^^)  handelt  im  Scherrton  von  den  Ursachen  unseres  litterari- 
sclien  Epigonentiims,  das  er  nicht  diurch  ein  Nachlassen  der  schöpferischen  Kraft  des 
Volkes  erklären  mag.  Während  er,  so  wie  wir  es  auch  oben  mehrfach  hörten, 
dagegen  ist,  dass  man  den  grossen  Dichter  aus  seinem  Milieu  heraus  zu  verstehen  suche, 
meint  er  die  verpfuschten  Dichter  durchaus  aus  den  Eigenschaften  ihrer  Umgebung 
begreifen  zu  können,  und  macht  für  das  Epigonenhafte  unsrer  modernen  Dichtung  die 
stets  rückwärts  blickende  Klassikervergötterung,  den  „Gottschedismus",  das  Alexandriner- 
und  Byzantinertum  und  die  scholastische  Art  unserer  Bildung  verantwortlich,  gegen 
die  er  in  oft  recht  glücklich  gewählten  Worten  zu  Felde  zieht.  — 


1,2 

Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

Wolfgang  Golther. 

Vorläufer  N.  1.  —  Brüder  Grimm:  Briefwechsel  N.  6;  Jacob  Grimm  N.  12;  Deatache  Sagen  N.  13.  —  Lachmann, 
Sohmeller  N.  14.  —  Einzelne  Gelehrte  bis  auf  die  Gegenwart  N.  16.  —  Allgemeine  Sprachwissenschaft  N.29.  —  Nekrologe  N.  3.5.  — 

Unter  den  Vorläufern  der  grossen  deutschen  Philologen  wird  zunächst  Schot- 
telius,  der  „Jacob  Grimm  des  17.  Jh.",  durch  von  Waldberg  ')  in  einem  übersicht- 
lichen Artikel  geschildert,  der  gleichmässig  die  wissenschaftliche,  sprachliche  mid 
metrische  wie  die  poetische  Thätigkeit  Schotteis  berücksichtigt.     Ihn  erftillte  eine  warme 

Pseudonyme:  FrZg.  N.  43.  —  60)  Titel-  u.  Namenfragen  in  d.  Litt.:  HambCorr.  N.  666.  (Aastag  ans  •.  Artikel  t.  ILLanda« 
in  d.  NFPr.)  -  61)  Max  Koch,  Nationalität  n.  Nationallitt.  E.  Vortrag  fttr  d.  .Allgemeinen  DeuUohen  Verband».  Berlin, 
Walther.  22  S.  M.  0,50.  (Vgl.  DWBl.  4,  S.  296-307.)  —  62)  QXK.  Walcker,  Arbeiteriesebuch.  KarUruhe,  Macklot. 
IV,  35  S.  M.  1,00.  —  63)  K.  Franke,  Wo  u.  wie  studiert  man  ausserhalb  d.  Kollegs  a.  d.  Studierstobe  Germanistik:  ZDÜ.  6, 
S.  537-45.  —  64)  L.  Fulda,  Giebt  es  e.  Schriftstellorstand:  FrZg.  286  7.  —  65)  H.  Keiter,  Praktische  Winke  fUr  Schrift- 
steller u.  solche,  die  es  werden  wollen.  Dritte,  rerb.  Aufl.  Regensburg,  Selbstverlag.  48  S.  M.  0,60.  —  66)  OX  Por«o 
(Adolf  Agas),  V.  Schreiben.  E.  Blick  Ober  d.  SchnlUr  d.  Schriftstellers:  FZg.  N.  207.  —  67)  OX  Schardt,  Ana  d.  Welt 
d.  .lournalistik:  ib.  N.  67.  —  68)  O  X  A.  Schröer,  Ueber  Studium  n.  Bildung.  3.  Litt.  Prodaktion  n.  Ueberprodnküon : 
ib.  N.  142.  -  69)  C.  Spittelor,  D.  Epigonentum:  NZUrchZg.  N.  21;4.  - 

I)  M.  von  Waldberg,  J.  G.  Sehottelias.     (S.  a.  13:3,  1112:64.)    —    2)  W.  Wiegand,   J.  D.  SchUpflin  :  ADB. 

2* 


I  2:  3-6.  W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie.  20 

Begeisterung  fiir  den  Gegenstand  seiner  Forschung,  für  die  deutsche  Sprache,  m  seinen 
Schriften  speicherte  er  die  Summe  der  damaligen  deutschen  Sprachwissenschaft  auf  und 
verstand  sie  selbständig  auch  vom  geschichtlichen  Standpunkte  aus  zu  verarbeiten.  — 
Von  Schöpfhn,  dem  Geschichtschreiber  des  Elsasses,  entwirft  Wiegands)  ein  an- 
sprechendes und  lebendiges  Bild.  —  Mit  dem  Aufleben  des  deutschen  Minnesangs  be- 
schäftigt sich  eine  von  Sokolowski^)  in  Angriff  genommene  Arbeit,  deren  erstes 
Kapitel  als  Dissertation  erschien.  Das  Wiedererwachen  des  altdeutschen  Minnesangs 
ist  an  die  Auffindung  der  grossen  sog.  Manesseschen  Liederhandschrift  geknüpft.  Im 
Anfang  des  17.  Jh.  schrieb  Goldast  einen  Teil  der  Hs.  ab  und  veröffentlichte  in  ver- 
schiedenen Schriften  Stücke  daraus.  Im  17.  Jh.  blieb  man  wesentUch  auf  Goldasts 
Darbietungen  angewiesen.  Um  die  Wende  des  17./18.  Jh.  aber  begann  man  auf  die 
Hs.  Goldasts,  die  mehr  enthielt  als  seine  gedruckten  Bücher,  und  auf  das  Original  zu- 
rückzugreifen. Bald  nahmen  Bodmer  und  Breitinger  die  Arbeit  auf:  1748  erschienen 
die  „Proben",  1758/9  die  „Sammlung  von  Minnesingern  aus  dem  schwäbischen  Zeit- 
punkt". S.  erörtert  den  Wert  dieser  Veröffentlichung  und  ihr  Verhältnis  zum  Original. 
Im  Zusammenhang  und  für  sich  allein  ist  eine  solche  Untersuchung  bisher  noch  nicht 
angestellt  worden;  Neues  z.  B.  über  August  Buchner  und  Karl  Ortlob  bringt  S.  in  der 
Behandlvmg  der  zwischen  Goldast  und  Bodmer  liegenden  Zeit  vor.  —  Im  vorigen  Jh. 
trug  sich,  wie  L.  H.  Fischer  4)  nachweist,  der  Berliner  Gymnasial-Rektor  J.  L.  Frisch  mit 
dem  Gedanken  eines  märkischen  Wörterbuchs  und  hatte  dazu  viel  gesammelt.  Von 
seiner  Arbeit  kam  jedoch  nichts  an  die  Oeffentlichkeit.  —  Die  erste  für  die  deutsche 
Litteratur  bestimmte  Nominalprofessur,  die  allerdings  keine  Bedeutung  erlangte,  wurde, 
wie  Ernst  Müller  5)  ausfuhrt,  im  Anfang  unseres  Jh.  zu  Münster  errichtet.  Der  „Frei- 
mütige" erwähnt  in  N.  132  des  Jahrgangs  1805,  es  gebe  noch  keine  Universität  mit 
einer  eigentlichen  Nominalprofessur  für  deutsche  Sprache  und  Litteratxu-,  aber  Heidel- 
berg beabsichtige  eine  solche  zu  begründen.  In  N.  162  folgt  eine  Berichtigung  dieser 
Aeusserung  mit  dem  Hinweis  auf  Münster.  „Schon  vor  4 — 5  Jahren  ist  hier  Schlüter 
(bekannt  durch  seine  Bearbeitung  der  Sallustischen  Geschichte  sowie  diu-ch  mehrere 
philologische  Arbeiten)  als  öffentlicher  Lehrer  des  deutschen  Stils  und  der  deutschen 
Litteratiir  angestellt  worden.  Gewiss  verdient  dieses,  als  etwas,  das  dem  Geiste  des 
bisherigen  Curatoriums  der  Münsterschen  Universität  ungemein  viel  Ehre  macht,  öffent- 
lich bemerkt  zu  werden."  — 

Das  Verhältnis  der  Brüder  Grimm  zu  dem  Göttinger  Theologen  Friedrich 
Lücke  war  im  allgemeinen  bekannt,  besonders  aus  dem  von  Ippel  veröffentlichten  Brief- 
wechsel der  Brüder  mit  Dahlmann  und  Gervinus.  Durch  den  von  Sander  6)  heraus- 
gegebenen Briefwechsel  der  Brüder  mit  Lücke  selbst  treten  uns  nunmehr  diese 
Beziehungen  mit  grösserer  Klarheit  entgegen.  In  den  Göttinger  Briefen  (1830 — 1837) 
werden  zunächst  wissenschaftliche  Fragen  erörtert,  Jacob  erteilt  Lücke  Auskunft  über 
ein  schwieriges  Wort  der  Sprache  Luthers  und  empfängt  von  Lücke  Nachweisungen 
aus  der  älteren  kirchlichen  Litteratur.  1837  erfolgte  bekanntlich  die  Aufhebung  der 
hannoveranischen  Verfassung  vom  Jahre  1833,  und  die  Erklärung  der  Göttinger  Sieben 
über  die  fortdauernde  Giltigkeit  des  beschworenen  Staatsgrundgesetzes  von  1833  führte 
zur  Entlassung  der  Brüder.  Lücke,  dessen  offene  Teilnahme  die  Freunde  erhofft  hatten, 
hielt  sich  zurück.  Das  wirkte  entfremdend  auf  die  freundschaftlichen  Beziehungen,  aber 
es  kam  zu  einer  offenen  brieflichen  Auseinandersetzung  zwischen  Lücke  und  Jacob, 
der  1838 — 41  in  Kassel  weilte.  Zu  Jacobs  machtvoller  Sclirift  „Meine  Entlassung"  bildet 
der  zehnte  Brief  eine  schöne  Ergänzung.  Lückes  Hinweis  auf  sein  Promemoria,  mit  dem 
er  sich  an  das  Curatorium  der  Universität  gewandt  hatte,  beantwortet  Jacob  mit  den 
Worten:  „Was  hätte  es  gefrommt,  wenn  Luther,  was  er  gegen  Rom  im  Herzen  trug, 
an  einen  Cardinal  oder  an  den  Pabst  selbst  sub  sigillo  entsandt  hätte?  Bloss  was 
er  zu  Wittenberg  offen  that,  konnte  wirken  und  die  Wahrheit  an  den  Tag  bringen." 
Die  persönlichen  Beziehungen  wurden  aber  nicht  gestört  und  bald  blühte  der  frühere 
gelelirte  und  persönhche  Verkehr  wieder  auf  Als  1840  Otfried  Müller  auf  einer  Forschungs- 
reise in  Griechenland  gestorben  war,  richteten  die  Brüder  wunderschöne  Briefe  an  Lücke, 
der  ihnen  eine  Denkschrift  über  den  Verstorbenen  zugeschickt  hatte.  Besonders  aus 
Wilhelms  Brief  spricht  sein  echt  deutsches  Gemüt.  Er  redet  von  Müllers  Begeisterung 
für  das  griechische  Wesen;  er  betrachtete  auch  die  Gegenwart  nvu*  mit  dem  Auge  des 
Griechen.  Wir  waren  für  ihn  den  Griechen  gegenüber  Barbaren,  „zwar  in  diesem  Sinne 
lobenswert,  aber  uns  blieb  doch  nichts  übrig,  als  uns  leidlich  über  dem  Wasser  zu  er- 
halten,  oder  wie  Goethe  sagt,  auf  der  Anhöhe  barbarischer  Vorurteile".      Es  wäre  ihm 

32,  8.  »59-308.  —  8)  B.  SoVolowski,  1).  Aufleben  d.  altdeutschen  Minnesangs  in  d.  neuen  deutschen  Litt.  I.  Kap.:  il.  Auf- 
leben d.  Hinneaangg  in  d.  Wissenschaft  bis  1759.  Phil.  Diss.  Jena.  Frouunaunsohe  Buchdruekorei.  S«.  44  S.  (Vgl.  u. 
III  2:  1.)  —  4)  L.  H.  Fischer,  J.  L.  Frisch:  .IbVNioderdSpr.  Iß,  S.  109—10.  —  5)  Ernst  MUller,  D.  erste  Universitäts- 
professur  d.  deuUchen  Litt.:  ADA.  17,  S.  842/8.  —  6)  Briefwechsel  Friedrich  Lückes  mit  d.  Brüdern  Jacob  u.  Wilhelm  Grimm. 
Her.  V.  K.  .><aniler.    Hannover-Linden,  Man«  *  Lange.    VI,  134  S.    M.  5,00.    |[R.  Steig:  NatZgM.  19  Sept.]|    (Mit  erläuternden 


21  W.  Goltlior,  Ge8chi('ht(f  der  deutHclien  Philol<»^i<».  I  2:   7-fl. 

schwer  ^ewoidoii,  an  den  DeutHcheu  VorzCi^e  anzuerkeniHüi,  die  den  (iriechen  feliU<3n 
und  ihnen  /ugleidi  wünschenswert  gewesen  wären.  Müller  suclite  mit  Vorliebe  das, 
was  mit  dem  Sinn  der  Griechen  in  Uebereinstimmung  zu  setzen  war;  Wilhelm  aber 
Huchto  die  Eigentümlichkeit  des  deutschen  Geistes,  auch  wo  er  dem  griechischen  wider- 
sprach, zur  Blüte  zu  bringen.  „Der  Gedanke,  dass  die  Griechen  schon  alles  erreicht 
haben,  und  wir,  wenn  wir  unser  Bestes  thun,  nur  hoffen  dürfen,  ihnen  nahe  zu  kommen, 
hat  mir  immer  etwas  Niederdrückendes  gehabt;  Goethe,  der  in  spät^^rer  Zeit  auch  daliin 
neigte,  erhielt  davon  etwas  Kaltes  und  Marmorartiges".  Trotzdem  war  Müller  damals 
einer  der  wenigen  klassischen  Philologen,  die  gegen  die  Erforschung  des  heimischen 
Alterturas  nicht  vorsätzlich  die  Augen  verschlossen;  aber  er  trug  doch  immer  zur 
Schau,  dass  von  seinem  griecliischen  Standpunkt  aus  ein  solches  Zugeständnis  eine 
Herablassung  bedeutete.  „War  es  über  Müller  verhängt,  im  Auslande  zu  sterben,  so 
hat  er  eine  schöne  Grabstätte  gefunden.  Deutsche  Landsleute  wollen  eine  Cjr^resse 
darauf  pflanzen.  Aber  ich  wünsche  doch  jedem  Deutschen  einen  Hügel  in  heimischer 
Erde."  Jacob  schildert  in  seinem  Brief  den  Eindruck,  den  Müllers  Persönlichkeit  auf 
ihn  machte.  Seit  1841  datieren  dann  die  Briefe  der  Brüder  von  Berlin.  1851  starb 
Lachmann;  Wilhelm  berichtet  Lücke  über  den  Verlauf  seiner  Krankheit  und  über  seinen 
Tod.  Für  die  Zusendung  der  Besprechung,  die  Lücke  in  den  Göttingischen  Gelehrt^en 
An/eigen  der  Laclvmannbiograpliie  von  Martin  Hertz  gewidmet  hatte,  dankt  Jacob 
am  Jahresschluss  1851.  Er  spricht  von  seiner  eigenen  Gedächtnisrede  auf  Lachmann. 
„Viel  genauer  luiterrichtet  gewesen  wäre  Haupt,  allein  er  hätte  Lachmann  vergöttert,  nicht 
als  Menschen  dargestellt."  „Mir  schien  mit  meiner  Stellung  es  verträglich,  dass  über 
einen  Befreundeten,  dem  ich  dem  natürlichen  Laufe  nach  im  Tode  hätte  vorausgehen 
sollen,  ich  ein  wirkliches  Urteil  auszusprechen  versuchte,  woran  der  Nachwelt  seinet- 
und  auch  meinetwegeii  mehr  gelegen  ist  als  an  blosser  Aufzählung  seiner  Verdienste, 
die  unverschwiegen  bleiben."  „Es  ist  wahr,  dass  meine  Natur  oder  Art  und  Weise  abwich 
von  der  Ijachmanns;  als  wir  zuerst  bekannt  wurden,  hatte  sich  schon  alles  in  uns  fest- 
gesetzt, und  die  vorher  geschriebenen  Briefe  waren  fast  vertrauter  als  das  spätere  Bei- 
sammenleben, so  ungetrübt  äusserlich  unser  Vernehmen  immer  blieb.  Auf  manches  mich 
ergreifende  ging  er  wenig  oder  gar  nicht  ein  und  hielt  sich  zurück,  da,  wo  mir  Teilnahme 
wohlgethan  hätte  oder  nötig  gewesen  wäre.  Während  ich  strebte,  mich  aus  manchen 
Formen  loszureissen,  sagte  ihm  zu,  sich  fester  in  sie  zu  verstricken."  Li  demselben 
Brief  schreibt  Jacob,  er  sei  jetzt  in  die  unabsehbare,  wahrhaft  grundlose  Arbeit  des 
Wörterbuchs  versenkt  und  müsse  alle  Pläne  zurückstellen.  Die  letzten  Briefe  sind  1853, 
zwei  Jahre  vor  Lückes  Tode,  geschrieben;  sie  vermitteln  den  Austausch  von  Gedanken 
über  die  Frage,  wie  göttliche  Oifenbarung  sich  in  menschliche  Formen  kleiden  könne.  — 
Unsere  Kenntnis  von  den  Briefen  der  Brüder  wird  durch  Sanders  ''-^)  Biographie  Lückes 
erfreulich  bereichert.  Zugleich  hat  der  Herausgeber  durch  umfangreiche  Zugaben,  die 
namentlich  die  Krisis  vom  Jahre  1837  und  den  gemeinsamen  Göttinger  Freundeskreis 
der  Brüder  und  Lückes  betreifen,  alles  gethan,  um  den  Leser  in  die  Verhältnisse  ein- 
zuführen, aus  denen  die  Briefe  entstammen.  Ein  Verzeichnis  der  Personennamen  er- 
möglicht einen  raschen  Ueberblick  und  eine  bequeme  Benutzung  des  reichen  Inhaltes, 
den  das  Buch  uns  darbietet.  —  Der  Briefwechsel  Emil  Brauns  des  Archäologen 
(1809 — 1856)  mit  den  Brüdern  Grimm  und  Joseph  von  Lassberg,  enthält  2  Briefe  von 
Wilhelm,  3  von  Jacob,  5  von  Lassberg.  Die  übrigen  sind  von  Braun  selber  an  die 
genannten  drei  Männer  gerichtet,  die  meisten  und  wichtigsten  an  Lassberg.  Der  Heraus- 
geber Ehwald^)  glaubt,  mit  der  Veröffentlichung  der  Geschichte  der  deutschen  Philo- 
logie zu  dienen.  Es  werden  allerdings  vielfach  wissenschaftliche  Fragen  berührt  und 
einige  Bemerkungen  über  Gelehrte  wie  Lachmann,  Schmeller,  Cleasby,  aus  dessen  Nach- 
lass  Gudbrand  Vigfusson  sein  isländisches  Wörterbuch  schuf,  und  Füglistaller  einge- 
streut; letzterem  wird  in  der  Einleitung  fälsclüich  eine  HeliandübersetÄung  zuge- 
schrieben, während  in  den  Briefen  doch  Otfried  genannt  ist.  Aber  nur  rasch  und 
flüchtig  ist  von  solchen  Männern  die  Rede.  Braun  war  in  der  Zeit,  aus  der  die  Briefe 
stammen  (1829 — 1832),  ein  junger,  noch  durchaus  in  der  Entwicklung  begriffener  Student, 
der  allerdings  an  der  germanistischen  Wissenschaft  lebhaften  Anteü  nahm,  besonders 
dadurch,  dass  er  fleissig  und  opferwillig  f(\r  andere  Handschriften  absclirieb.  Li  den 
Briefen  werden  a\ich  namentlich  Handschriften  und  alte  Bücher  erwähnt,  aber  nichts, 
was  für  uns  jetzt  von  Belang  wäre.  Vom  „Meister  Seppi  auf  Eppishusen",  dem  gast- 
freien Schlossherrn,  von  seiner  jugendfrischen  Freude  an  den  Studien  des  deutschen 
Mittelalters  hört  man  am  liebsten  im  launigen  Briefton  erzählen ;  Lassbergs  liebenswertes 


Zusätzen  u.  Zugaben  ans  d.  gemeinsamen  Freundeskreise  besonders  ttber  d.  akademischen  Krisis  d.  J.  1837.)  —  7)  \  ¥. 
Sander,  Friedrich  Lücke,  Abt  zu  Bnrsfelde  u.  Prof.  d.  Theol.  «u  Göttingen  (1791  —  1855).  Hannorer-Linden,  Karl  Manr. 
V1II,240S.  M.  6,00.  —  8)  X  id.,  Friedrich  Lttcke  u.  seine  Freunde:  AZgB.  N.  196.  —  9)  Emil  Brauns  Briefwechsel  mit  d.  Brfldern 
Grimm  u,  Joseph  Ton  Lassberg,   her.  v.  B.  Ehwald.     Gotha,  Perthes.    VII,  169  S.     M.  3,0a     1[E.  Steinmeyer:  ADA.  17, 


1  2:  iü-L'2.  W.  Goltlier,  Gescliichtc  der  deutschen  riiilolo<iie. 


22 


Bild  tritt  auch  hier  wieder  lebendig  mis  entgegen.  Dem  Büchlein  zum  fechmixck  dient 
das  gefällige  Aeussere  und  das  Bildnis  Brauns;  zum  bequemen  Gebrauch  wid  ziir  Ji.r- 
läuterung  sind  Anmerkungen  und  ein  Namensverzeichnis  angefägt.  -  Drei  Briete 
J.  Grimms  an  den  Freiherrn  A.  von  Fürth  aus  den  Jahren  1835-39  veröffentlicht 
Fromm  10)-  hier  werden  Beiträge  Fürths  zu  den  Weistümern  ans  dem  Jvohier  Gebiet 
erwähnt.  —  Der  Briefwechsel  der  Brüder  mit  Benecke  JBL.  1890  ist  von  Roethe  n)  ge- 
würdigt —  Eine  längere,  gehaltvolle  und  sehr  schön  geschriebene  Abhandlung  über 
Jacob  Grimm  knüpft  M.  Bernaysis)  an  den  Briefwechsel  Jacobs  mit  Hirzel  und  an 
den  8.  Band  der  kleineren  Schriften  (vgl.  JBL.  1890).  Eine  kurze  Geschichte  des 
Wörterbuchs  dient  zur  Einleitung,  dann  folgen  feine  Bemerkungen  zur  Charakteristik 
Jacobs,  Wilhelms  und  Hirzels.  Besonders  schön  ist  Jacobs  Verhältnis  zu  Goethe  ge- 
schildert: aus  Goethes  Sprachfülle  wusste  aber  auch  Hirzel  manches  zu  schöpfen  als 
Beisteuer  für  das  Wörterbuch.  Das  briefliche  Gespräch  der  beiden  Männer  bewegt  sich 
natürlich  um  dieses  Wörterbuch,  um  dessen  innere  und  äussere  Geschicke.  Aber  auch 
vieles  andere  Merkenswerte  taucht  auf,  das  in  nähere  und  fernere  Gebiete  der  Wissen- 
schaft, der  Kunst  und  des  Lebens  hinausdeutet.  Gerade  diese  Seiten  weiss  B.  sehr  an- 
schaulich zur  Darstellung  zu  bringen;  hier  hat  die  zweite  Hälfte  des  8.  Bandes,  „Zeit- 
geschichtliches und  Persönliches",  ebenfalls  reiche  Beiträge  geliefert.  Was  die  yeröflPent- 
lichungen  in  zerstreuten  und  vereinzelten  Zügen  darbieten,  verstand  B.  mit  feinem  Ver- 
ständnis zu  einem  abgerundeten,  anziehenden  Gesamtbilde  zu  vereinigen.  —  Das  köst- 
liche Werk  der  Brüder,  die  deutschen  Sagen,  gab  He rm an  Grimmig)  in  dritter 
Auflage  heraus.  Bisher  erlangte  das  Buch,  obschon  es  von  reinster  Poesie  durchleuchtet 
und  in  meisterhafter  Form  abgefasst  ist,  nicht  entfernt  dieselbe  breite  und  tiefe  volks- 
tiimliche  Wirkung  wie  die  Märchen.  Der  jetzt  erscheinende  Abdruck  ist  mehr  auf  ein 
Volkslesebuch  berechnet,  Druck  und  Format  sind  sehr  vorteilhaft  im  Vergleich  zu  den 
älteren  Ausgaben  vergrössert,  ein  schönes  Vorwort  G.s  kam  neu  hinzu.  Möge  das  herr- 
liche Werk,  dem  ein  unvergänglicher  Jugendreiz  eignet,  mit  gutem  Glück  seine  neue 
Wanderung  vollenden.  Keines  ist  mehr  geeignet,  deutsche  Sitte  und  deutsches  Dichten 
zu  wahren  und  zu  fördern.  — 

In  einer  Besprechung  der  Liedertheorie  F.  A.  Wolfs  und  Karl  Lachmaiins 
stellt  Ilg  14)  nur  die  Anschauungen  hervorragender  Forscher  über  die  homerische  Frage 
zusammen  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  weder  die  wirklichen  und  gesuchten 
Widersprüche  der  Gedichte,  noch  auch  die  Untersuchungen  über  die  sprachlichen  Ver- 
schiedenheiten zur  Annahme  von  Einzelliedern  berechtigen.  Mit  einem  Ausblick  auf 
die  „vermittelnde"  Richtung,  welche  die  ursprüngliche  Einheit,  aber  spätere  mehr  oder 
weniger  ändernde  Ueberarbeitung  behauptet,  bricht  das  Referat  ab.  —  Am  20.  Juli  wurde 
zu  Tirschenreuth  das  Denkmal  Schmellers  enthüllt,  eine  schöne  lebensgrosse  Büste. 
Die  Akademie,  die  Staatsbibliothek  und  die  Universität  München  hatte  zu  der  Feier 
Vertreter  entsandt;  verschiedene  Zeugnisse  über  ihren  Verlauf  liegen  vori^).  So  ist  nun 
J.  Grimms  Wunsch  erfüllt,  wenn  auch  nicht  in  der  Hauptstadt  des  Bayerlandes,  so  doch 
in  Schmellers  Geburtsstadt.  —  Eine  Anzahl  kleinerer  Arbeiten  befasst  sich  mit  einzelnen 
Gelehrten  und  führt  bis  in  die  Gegenwart.  So  charakterisiert  zunächst  die  ADB. 
eine  Reihe  von  Männern,  die  zwar  keine  hervorragende  Stellung  in  der  deutschen  Pliilo- 
logie  und  Litteraturgeschichte  einnehmen,  die  aber  doch  am  Ausbau  dieser  Fächer  nach 
Kräften  mitgearbeitet  haben.  Das  Leben  und  Wirken  K.  E.  Schubarths,  seine 
Beziehungen  zu  Goethe ,  seine  philosophischen ,  ästhetischen  und  philologischen 
Forschungen,  worunter  namentlich  die  ablehnende  Haltung  gegen  Wolfs  Homer- 
kritik bemerkenswert  ist,  bringt  D.  Jacoby^^)  mit  liebevoller  Ausführlichkeit  und 
Gründlichkeit  zur  Darstellung.  —  G.  A.  Schölls  vielseitige  Wirksamkeit  auf  dem 
Gebiete  der  klassischen  Philologie  und  deutschen  Litteraturgeschichte  führt  uns 
treiflich  R.  Scholl  i'')  vor,  der  hiermit  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  F.  Schölls 
Nekrolog  (Bursians  JbAltertK.  1883)  bietet.  —  Weniger  selbständig,  nur  ältere  Werke 
excei-j)ierend  und  zusammenfassend  ist  von  Waldbergs  i^)  Artikel  über  Valentin 
Schmidt,  der  von  der  Romantik  angeregt  vergleichende  Litteraturgeschichte  pflegte, 
Carstens'!»)  Arbeit  über  Hans  Schröder,  den  Begründer  des  Hamburger  Schriftsteller- 
lexikons  und  Biographen  J.  G.  Müllers,  die  von  H.  FischerSO)  gelieferte  Biographie  des 
schwäbischen  Dichters  und  Gelehrten  Gustav  Schwab,  Teutschs2i)  Artikel  über  J.  K. 

8.  328;  A.  y.  Weilen:  ZOG.  42,  S.  1004.]|  (Mit  Porträt  Brauns.)  —  10)  E.  Fromm,  Ungedruckte  Briefe  v.  Jacob  Grimm: 
ADA.  17,  S.  170—81.  —  II)  Roethe,  Briefe  d.  Brüder  J.  u.  W.  Grimm  an  Benecke,  her.  v.  W.  Müller:  DLZ.  12,  N.  11.  — 
2)  M.  licrnays,  Z.  Kenntnis  J.  Grimms:  AZgß.  N.  46/9.  —  13)  Deutsche  Sagen,  her.  v.  d.  Bfüdern  Grimm.  ;i.  Aufl.  besorgt 
V.H.Grimm.  2  Bde.  Berlin,  Nicolai.  XX,  208,  215  S.  M.  6,00.  —  14)  11g,  Ueber  die  homerische  Kritik  seit  F.  A.  Wolf. 
I.  Teil:  D.  Wolf-Lachmann«che  Richtung.  Progr.  d.  Kgl.  Gymnasiums  in  Ravensburg,  1890/91.  4«.  28  S.  —  15)  D.  Kgl.  Hof- 
u.  StiiBtshibliothek  bat  unter  d.  Signatur  Bavar.  1637 'i.  40.  einige  auf  d.  Feier  bezügliche  gedruckte  Urkunden  (Beden,  Trink- 
sprOche  u.  dergl.)  zusammcngostellt.  -  16)  D.  Jacoby,  K.  E.  Schubarth:  ADB.  32,  606-12.  —  17)  E.  Scholl,  G.  A.  Scholl: 
ib.  H.  218-24.  —  18)  M.  y.  Waldberg,  Valentin  Schmidt:  ib.  S.  14/6.  -  19)  Carstens,  Hans  Schröder:  ib.  S.  513/5.  - 
rO)  H.  Fincher,  Gustav  Schwab:    ib.  33,  S.  153/5.    —   21)  TeutFCh,    J,  K.  Schuller:  ib,  82,  F.  682/6.    —  22)  H.  Holland, 


Scliiillei",  dei)  vorditMitt'ii  Kifui-scli(!r  dvs  Sprache,  uml  (lt;.s  \ Olksf iiiiis  in  SiflxMilfürgcii, 
iiihI  die,  voti  H.  Hollaiirl-2)  ^o^oIkmk^  Clmraktoristik  Schönwerths,  de«  SaKf^nforsoherH 
der  ObRi-pfalz.  lliihedoutend  sind  dio  von  R.  Jung^:»^,  SrhloKsar^^)  und  E.  Schneider^*) 
«^ehrarliten  Notizen  über  den  IMiilologen  und  Litteraturlustoriker  K.  Soliwenk,  über 
Scliottky,  dv.u  Mniidai'tforsclier  und  Herausgeber  niederösterreirhischer  VolkKÜeder,  und 
ü\)rv  den  VielselinMber  Schönluith,  den  HeranKffe>)er  altdent«elier  Texte.  —  Die  .TBL.  18JX) 
erwähnte  Schrift  von  Bascli  (il)er  Seljerer  wird  von  Burdach^«)  jrewürdij^t;  B.  hobt  die 
Eigenart  des  französischen  Biograjdien  hervor,  welclie  in  der  Darstellung  und  Auffassung 
zur  CTeltun^  kommt.  —  Wurzbachs27-2Hj  biographisches  Lexikon  bringt  eine  kurze 
Lebensbeschreibung  J.  v.  Zingerles  und  J.  Zupitzas.  Wertvoll  sind  die  Artikel  nament- 
lich durch  das  sorgfaltige,  fast  erschöpfende  Verzeichnis  aller  Arbeiten  der  beiden 
Gelehrten.  — 

r.  J.  Schmitthenner  gehört  durch  seine  sprachlichen  Arbeiten  („Ursprachlehre" 
lH2n)  zu  den  Vertretern  der  indogermanischen,  „indisch-teutschen"  Sprachwissen- 
schaft. Seine  Leistungen  auf  diesem  Gebiete  wurden  rasch  vergessen,  als  Bopps  und 
Potts  IIauj)twerke  erschienen.  Sein  deutsches  Wörterbuch  blieb  in  der  Neugestaltung 
seines  Schillers  Weigand  erhalten.  Schmitthenners  sprachwissenschaftliche  Richtung 
hält  die  Mitte  zwischen  dem  ])hilo8ophischen  und  dem  historisch- empirischen  Stand- 
j>uid\t,  aber  neigt  doch  mehr  zum  ersteren,  wie  sein  Biograph  Edw.  Schröder^^)  her- 
vorhebt. —  Zum  lOOj.  Geburtstag  Franz  Bop])s  brachten  Tagesblätter  und  Zeitschriften 
gehaltvolle  Aufsätze.  Von  besonderem,  bleibendem  Wert  ist  die  schöne  Biographie 
Lefmanns^o),  deren  erste  Hälfte  bis  zum  Jahre  1833,  bis  kurz  vor  das  Erscheinen  der 
vergleichendeTi  Grammatik  führt.  L.s  Buch,  in  dem  nur  des  Vf.  manierierter  Stil  stört, 
ist  ausgezeichnet  durch  Gründlichkeit  und  Klarheit.  Die  Darstellung  beniht  auf  zuver- 
lässigem Materiale,  auf  Bopps  Briefwechsel  mit  seinen  Gönnern,  Freunden  und  Schülern; 
im  Anliange  ist  auf  168  Seiten  alles  Wichtige  mitgeteilt,  so  dass  jeder  selber  die 
Urkunden  dxircliselierv  kann,  auf  welche  die  Lebensbeschreibung  aufgebaut  ist.  Der 
bisher  veröffentlichte  Teil  schildert  des  jungen  Gelehrten  Laufbahn,  seinen  bewunderns- 
werten Fleiss  bei  der  Erlernung  des  Sanskrit  unmittelbar  aus  den  Hss.  der  Pariser 
Bibliothek,  seine  Reisen,  seine  Leiden  und  Freuden  bis  zur  Erlangung  einer  gesicherten 
Lebensstellung,  der  Berliner  Professur  (1821).  Das  Konjugationssystem  (1816)  und  die 
Akademieabhandhnigen  in  Berlin  geben  Veranlassung,  Bopps  Leistungen  auf  dem  Gebiete 
der  vergleichenden  Grammatik  schon  hier  hervorzuheben;  aber  vorwiegend  wird  sehie 
Thätigkeit  in  der  Wissenscluift  des  Sanskrit  betrachtet.  Ein  treffliches  Bild  Bopps  aus 
seinen  späteren  Jahren  ziert  den  Band.  Die  ungemein  sympathischen  Züge  voll  milden 
Ernstes  bestätigen  und  vervollkommnen  den  Eindruck,  den  der  Leser  von  Bopps  edlem 
Wesen,  von  seiner  segensreichen  Arbeit  empfindet. -'i"^)  — 

Endlich  hat  das  Berichtsjahr  auch  Veranlassung  zur  Abfassung  einer  Reihe 
von  Nekrologen  gegeben.  Dem  vortrefflichen  Kenner  des  nordischen  Altertums, 
Theodor  Möbius  (geb.  22.  Juni  1821,  gest.  27.  April  1890),  widmet  K.  Maurer^S)  mit 
der  ihm  eigenen  schliciiten  und  zugleich  überaus  gründlichen  Art  einen  warm  empfundenen 
Nachruf.  Ausser  durch  zaiilreiche  kleinere  Schriften,  welche  H.  Gering  hinter  M.s 
Nekrolog  sämtlich  verzeichnet,  förderte  Möbius  die  nordische  Philologie  besonders  durch 
mehrere  'sorgfaltige  Textausgaben,  durch  ein  vorzügliches  Wörterbuch  und  durch  zwei 
bibliographische  Werke  (1856  u.  1880),  die  eine  erschöpfende  Uebersicht  über  die  gesamte 
wissenschaftliche  Thätigkeit  auf  dem  Felde  der  nordischen  Altertumskunde  dem  Forscher 
in  bequemster  Weise  darbieten.  —  Am  15.  Oktober  1891  starb  Friedrich  Zamcke.  Die 
Naclirufe 38-^0)  heben  die  grosse  Bedeutung  des  Mannes,  dessen  Forschungen  die  deutsche 
Litteraturgeschichte  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  Goethe  umfassten,  gebührend  hervor. 
Obwohl  er  selber  keine  Schule  machte,  war  doch  seine  Stellung  in  der  Nibelungenfehde 
gegen  Lachmanns  Lehren  für  die  Entwicklung  der  altdeutschen  Studien  von  nachhaltiger 
Wirkung.  —  Andere  Nekrologe 41-43^  gelten  Anton  Birlinger  (f  15.  Juni  1891),  dem 
Kenner  \xnd  Förderer  schwäbisch-alemannischer  Volkskunde,  und  dem  am  14.  Dezember 
uns  entrissenen  liebenswürdigen  Goetheforscher  Gustav  von  Loeper.  — 

F.  X.  SchOnwerth:  ib.  8.  821/4.  —  23)  R.  .Jung,  K.  Schwenok:  ib.  3A,  S.  377.  -  24)  Sehlossar,  J.  M.  Sehottky:  ib.  32, 
S.  418'9.  —  25)  E.  Schneider,  0.  Scbünhuth:  ib.  S.  307/8.  —  26)  Burdaoh,  Hasch,  W.  Scherer  et  la  philoIogie  allemande: 
DLZ.  12,  N.  1.  -  27)  C.  Wurzbach,  J.  V.  Zingerle;  BiogrLeiikon  60,  S.  146  9.  -  28)  id.,  J.  Zopitxa:  ib.  S.  815  7.  - 
29)  E.  Schröder,  F.  J.  Schmitthenner:  ADB.  32,  S.  48 — 50.  —  30)  S.  Lefmann,  Franz  Bopp,  sein  Leben  a.  seine  Wisaen- 
schaft.  1.  Hälfte.  Mit  d.  Bildnis  F.  Bopps.  Berlin,  G.  Reimer.  IV,  176,  168  S.  M.  8.00.  |[L.  Schermann:  AZgB.  N.  29».]| 
—  31)  X  K.  Brugmann  u.  W.  Streitberg,  Franz  Bopp:  IndogermF.  1,  S.  V— X.  —  32)  X  H.  Hirt,  Franz  Bopp:  N»8.  59. 
S.  37-42.  -  33)  X  L.  Schermann,  Franz  Bopp:  MünchenNN.  N.  422.  -  34)  X  H.  Steinthal,  Franz  Bopp:  ML.  60, 
S.  593.').  —  35)  K.  Maurer  u.  H.  Gering,  August  Theodor  Möbius:  ZDPh.  23,  S.  457—70.  —  36)  E.  Zarncke,  Friedrich 
Zamcke:  LCBl.  N.  44.  -  37}  0.  Lyon,  Friedrich  Zarncke:  ZDU.  8,  S.  721—30.  —  38)  V.  Michels,  Friedrich  Zamcke:  Voss. 
Zgs.  N.  45.  -  39)  R.  Bechstein,  Friedrich  Zamcke:  RostockZg.  N.  498,  500,  502.  —  40)  L.  F  rJnkel,  Friedrich  Zamcke: 
FZg.  N.  297.  -  41)  A.  Holder,  Anton  BirUnger:  Alemannia  19,  S.  V-VIIl.  —  42)  Anton  Birlinger:  KölnZg.  N.  500.  — 
43)  0.  Harnaok,  G.  t.  Lo«per:  AZg».  N.  801.  - 


1  3:  Ma.  R,  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschiclite.  24 

1,3 

Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Richard  Maria  Werner. 

Gescliiclite  der  Poetik  und  der  Aesthetik:    Die  drei  Einheiten  N.  2.    —    Friscli  N.  4.    —    Sehwabe  N.  5. 

—  Winckolmann  N.  7.  —  Lessing  N.  10.  —  Herbart  N.  12.  —  Schopenhauer  N.  20.  —  v.  Hartraann  N.  25.  —  Richard  Wagner 
N.  27.  —  Ziel  und  Methode  der  Forschung:  Normative  Aesthetik  N.  32.  —  Schul  massige  Zusammenstellungen: 
Poetik  N.  39.  —  Rhetorik  N.  47.  —  Subjektive  Versuche:  Holz  N.  52.  —  v.  Kralik  N.  53.  —  Kratz  N.  57.  —  Induk- 
tive Aesthetik:  Kunstphysiologie  N.  62.  —  Phantasie  N.  67.  —  Schön  und  gut  N.  71.  —  Künstler  und  Mensch  N.  74.  — 
Fleiss  N.  75.  —  Genie  N.  80.  —  Induktive  Poetik:  Evolution  N.  89.  —  Urform  N.  94.  —  Scherer  N.  96    —  Werner  N.  99. 

—  Poesie  und  Malerei  N.  103.  —  Anthroiiomorphismus  N.  108.  —  Dichterisches  SchaiFen  N.  109.  —  Popularität  \.  111.  — 
Einzelne  Fragen:  Wahrheit  N.  112.  —  Tendenz  N.  120.  —  Natur  N.  123.  —  Allegorie  N.  127.  —  Humor  N.  130a.  — 
Poetik  der  einzelnen  Dichtungsgattungen.  Lyrik:  Lied  N.  131;  Ballade  N.  132.  —  Roman  N.  137.  — 
Drama:  Tragödie  N.  142;  Komödie  N.  151;  Drama  und  BUhue  N.  153;  Moderne  Technik  N.  174.  —  Der  Naturalis - 
mus:  Sein  Ende  N.  179.  —  Historisches  N.  184.  —  Nietzsches  Einfluss  N.  197.  —  Einzelne  Persönlichkeiten  und  der 
Naturalismus  N.  208.  —  Naturalismus  und  Socialismus  N.  214.  —  Kunst  und  Zeit  N.  225.  —  Schönheit  und  Sittlichkeit  N.  227. 

—  Neue  Schönheit  N.  246.  —  Milieu  N.  248.  —  Suggestion  N.  255.  —  Französischer  Naturalismus  N.  260.  —  Deutscher  N.  263. 
Russischer  N.  277.  —  Nordischer  N.  278.  — 

Grössere  Darstellungen  der  Geschichte  der  Poetik  und  Aesthetik  sind 
während  des  Berichtsjahres  nicht  erschienen,  es  wurde  aber  das  Werk  Braitmaiers  von 
Walzel  1)  sehr  eingehend  besprochen.  An  die  Spitze  stellt  W.  einen  fruchtbaren  metho- 
dischen Gedanken:  ausgehend  von  der  Beobachtung,  dass  der  Aesthetiker  von  einem 
ganz  anderen  Standpunkte  die  Geschichte  der  Aesthetik  betrachte  als  der  Litterar- 
historiker,  macht  er  auf  die  Gefahr  aufmerksam,  die  in  einem  Anwenden  der  philologisch- 
historischen Methode  der  modernen  Litteraturgeschichte  auf  die  Geschichte  der  Aesthetik 
verborgen  ist :  nur  mit  genauer  Kenntnis  der  Philosophie  und  mit  eigener  philosophischer 
Schulung  wird  es  möglich  sein,  den  Einfluss  ästhetischer  Lehren  auf  die  poetische 
Praxis  aufzudecken,  und  das  gerade  dürfen  wir  von  einer  Geschichte  der  Aesthetik 
verlangen.  Sehr  richtig  betont  er,  dass  Gottscheds  Theorie  darum  zu  verurteilen  sei, 
weil  aus  ihr  der  „Sterbende  Cato"  hervorwächst,  und  dass  Lessings  Lehren  dort  die 
Grenzen  ihrer  Richtigkeit  haben,  wo  sie  Ifflands  und  Kotzebues  Rührseligkeit  die 
theoretische  Grundlage  gewähren.  Er  verlangt  also  von  einer  Geschichte  der  Theorie 
Hilfe  für  die  Litteraturgeschichte,  aber  natürlich  nur  so  weit,  als  es  sich  nur  um  eine 
Diclitung  handelt,  die  in  der  Abstraktion  wurzelt.  Nach  einem  kurzen  Ausblick  auf  die 
neueren  Werke  i«)  von  Borinski,  v.  Stein,  Servaes  und  v.  Antoniewicz  charakterisiert  er 
Braitmeiers  Buch  treffend  als  eine  Sammlung  von  vier  fast  selbständigen  Monographien, 
Gottsched  und  die  Schweizer,  A.  G.  Baumgarten,  J.  G,  Sulzer  und  Moses  Mendelssohn, 
und  sucht  an  einem  lehrreichen  Beispiele  zu  zeigen,  dass  Braitmaiers  Darstellung  ge- 
wonnen hätte,  wenn  er  sie  mit  einer  Untersuchung  der  nichtdeutschen  Theorien  hätte 
eröffnen  wollen.  Dieser  Teil  der  Anzeige,  der  sich  mit  Pietro  de'  Conti  di  Calepio  aus 
Bergamo  beschäftigt,  verdient  besondere  Beachtung.  Sein  Werk  „Paragone  della  poesia 
tragica  d'Italia  con  quella  di  Francia"  erschien  1732,  vermehrt  1738,  und  hat  stark  nach- 
gewirkt. Conti  bekämpft  Corneilles  drei  „Discours  sur  le  poeme  dramatique",  indem  er 
sicli  deduktiv  an  Aristoteles  anschliesst  und  seine  Schrift  w^esentlich  nach  dessen  Poetik 
gliedert.  W.  giebt  den  Inhalt  klar  an  und  weist  nach,  dass  Braitmaier  manches  falsch 
dargestellt  habe,  so  Contis  Verhältnis  zur  antiken  Tragödie,  zum  italienischen  Drama, 
seine  Meinung  über  den  Zweck  der  Tragödie  (nicht  moralische  Besserung,  sondern  Er- 
götzen!) seine  Ansicht  über  hvayvwQiaig.  Dann  macht  W.  seine  Zw^eifel  an  Braitmaiers 
Beliauptung  geltend,  Contis  „Paragone"  habe  auf  den  Lessing -Mendelssohnschen  Brief- 
wechsel Einfluss  geübt,  indem  er  vielmehr  wahj-scheinlich  macht,  die  Ueberein- 
stimmung  zwischen  Lessing  und  seinem  italienischen  Vorgänger  stamme  aus  Bodmers 
und  Contis  „Briefwechsel  von  der  Natur  des  poetischen  Geschmackes"  (Zürich  1726); 
erst  in  der  Hambiirgischen  Dramaturgie  sei  Lessing,  wie  sich  aus  vielen  Aehnlich- 
keiten^  entnehmen  lasse,  von  jenem  Briefwechsel  zum  „Paragone"  zurückgegangen. 
Wichtig  ist  dann  die  Korrektur,  die  W.  an  Braitmaiers  Urt,eil  über  Gottsched  vornimmt; 
er  sagt  richtig,  dass  Gottsched  „der  geschicktere  Faiseur"  gewesen  sei  und  „die  ent- 
scheidende Leistung,  nicht  die  Conception,  sondern  die  Abfassung  einer  neuen  Poetik, 
eines  ästhetischen  Kanons  mehr  als  ein  Decennium  vor  den  Schweizern  geliefert  und 
sich  die  intensivere  Wirkung  dadurch  gesichert  habe".  Ueberhaupt  trifft  alles  zu,  was 
W.  im  Gegensatze  zu  Braitmaier  über  Gottsched  und  seine  Bedeutung  sagt.      Schliess- 

•'  0.  F.Wal  zel,  Braitmaier,  Qesch,  d.  poei  Theorie  u.  Kritik,  1890:  ADA.  17,  S.  55-74.  —  la)  X  Eugen  Wolf f, 
üeb«r  neuere  B^itrr.   z.  Gesih,  d.  Poetik:    AGPhilos.  4,   S.  251/9  (Breitmaier,    Hervaes,    Netoliczka,    Bystron,   G.  Zimmermann, 


25  R-  M.  Wem (31-,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  2-4. 

lifli  hriiigt  W.  noch  ein  methodisches  Bodenken  gegen  die  Vereinigung  von  Geschichte 
der  Theorie  und  der  Kritik  vor:  nur  jenes  Thema  gehöre  zur  Geschichte  der  Aesthetik. 
dieses  zur  Litteratur-  oder  Kulturgeschichte.  — 

Eine  Frage,  die  einst  im  Mittelpunkte  der  Diskussion  stand,  die  Frage  nach 
den  drei  Einheiten,  hat  im  Anschlüsse  an  R.  Ottos  Einleitung  zu  seinem  Neudrucke 
von  Jean  de  Mairets  Pastoraldrama  „Silvanire"  (Bamberg,  Buchner,  1890,  S.  VI — CI) 
Mahrenholtz  2)  tibersichtlich  vom  historischen  Standpunkte  behandelt.  Aristoteles  sah 
in  der  Einheit  eines  Sonnenumlaiifs  nur  ein  Herkommen,  ebenso  wird  er  wohl  aucli  die 
Einheit  des  Ortes  beurteilt  haben.  Die  italienischen  Uebersetzer  und  Kommentatoren 
seiner  Poetik  gingen  weiter  und  wollten  die  Schuldefinitionen  durch  seine  Autorität 
decken.  Besonders  ist  Castelvetro  für  die  Folge  massgebend;  er  hat  1570  zu  "Wien  den 
griechischen  Text  mit  italienischer  Ilebersetzung  und  ausführlicher  Erläuterung  ver- 
ötfentlicht,  1576  und  1582  wurde  die  Ausgabe  in  Basel  neu  aufgelegt  und  noch  18.S1  in 
Mailand  neu  gedruckt.  Er  verlangt  die  zwölf  Stunden  für  das  Drama,  die  Unveränder- 
lichkeit  der  Scene  und  will  alles  Episodische  von  der  Handlung  ausscheiden.  In  Frank- 
reich herrschte  ursprünglich  eine  gesündere  Praxis,  und  so  stiess  Castelvetros  strenge 
Gesetzgebung  anfangs  auf  Widerspruch.  Auch  in  Italien  verwarfen  die  indotti  Poeti 
seine  Theorie,  während  die  schulgerechten  Dichter  und  Theoretiker  sich  an  sein  Schema 
hielten.  In  Frankreich  wird  dann  Scaliger  massgebend,  der  an  einer  Zeitdauer  von 
()  bis  8  Stunden  festhält,  aber  nur  Beschränkung  des  Scenenwechsels,  nicht  Unveränder- 
lichkeit  des  Ortes  verlangt.  Jodelle  schärft  1552  in  seiner  Tragödie  „Clöopätre"  die  zwölf- 
sttindige  Dauer  ein,  während  Ronsard  24  Stunden  zugestand.  Ein  Schüler  Ronsards, 
Jean  de  la  Taille,  verlangte  wieder  das  Zwölfstundenstück  und  die  strenge  Ortseinheit; 
aber  das  Gesetz,  für  das  auch  Andre  de  Ribaudeau  15(!5  eingetreten  war,  freilich  mit 
der  Bemerkung,  dass  in  Terenz'  „Heautontimoinimenos"  die  Handlung  zwei  Tage  währe, 
drang  in  Frankreich  noch  immer  nicht  ganz  dvu-ch.  Ei'st  mit  der  Wende  des  Jli.  en-ang 
es  initer  Einfluss  der  italienischen  Pastoraldichtung  den  Sieg,  und  nun  verdrängte  die 
Zeit-  und  Ortseinheit  die  Erinnerung  an  die  mittelalterlichen  Passionsspiele  mit  ihrer 
freieren  Teclmik.  Daniel  Heinsius  kam  mit  seiner  Theorie  zu  Hilfe,  die  er  1611  in  der 
Uebersetzung  der  Aristotelischen  Poetik  und  in  seiner  Schrift  „De  tragica  constitutione 
liber"  entwickelte.  An  Widerspruch  gegen  diese  Theorie  und  Praxis  fehlte  es  in  Frank- 
reich nicht;  so  verwarfen  sie  der  Komödiendichter  Pierre  Larivey  1611,  der  Geistliche 
Fran9ois  Ogier  theoretisch,  Alexandre  Hardy  praktisch.  Jean  de  Mairet  trat  in  seiner 
dramaturgischen  Vorrede  zum  „Silvanire"  (1631)  für  Orts-  und  Zeiteinheit  ein.  Pierre 
Corneille  hat  in  der  Vorrede  zur  Comödie  „La  Veuve"  (1634)  nur  für  jeden  der  5  Akte 
die  Dauer  eines  Tages,  als  Ortseinheit  die  ganze  Stadt  (Paris)  verlangt;  aber  nach  den 
Angi'iifen  beim  Erscheinen  des  „Cid"  (1636)  muss  er  sich  der  Theorie  anbequemen,  liint«r 
der  Richelieu  und  die  neue  französische  Akademie  stand.  Praktisch  behandelt 
P.  Corneille  diese  Forderungen  spitzfindig.  Sein  Gegner  Georges  de  Scudery 
machte  sich  sogar  über  das  Gesetz  in  den  Jahren  1(534  und  1635  lustig;  erst  durch 
Comeilles  Unterwerfung  kam  die  Theorie  der  drei  Einheiten  zur  Bedeutung  eines  unver- 
brüchlichen Gesetzes,  das  nun  Dichten  wie  Mairet,  Chapelaine,  Abbe  d'Aiibignac  konse- 
quent hielten.  Racine  wählte  so  einfache  Stoffe,  dass  sie  sich  ohne  psychologische  ITn- 
mögliclikeit  wirklich  innerhalb  der  24  Stunden  entfalten  konnten  und  eine  Veränderung 
der  Scene  nicht  nötig  machten.  In  der  Komödie  blieb  man  freier,  so  besonders  Moliere. 
Lessing  hat  also  Recht,  wenn  er  Corneille  für  den  Zwang  in  der  dramatischen  Technik 
verantwortlich  macht,  obwohl  er  dabei  die  Zeitumstände  nicht  berücksichtigt.  — 

Die  fxbrigen  Schriften,  die  in  diesem  Zusammenhange  zu  nennen  sind,  behandeln 
entweder  einzelne  Aesthetiker  mehr  biographisch  oder  einzelne  Systeme  in  übereichtlicher 
Kritik.  So  hat  von  Waldberg  3)  in  seiner  Chartikteristik  des  bekannten  Sprach- 
forschers Schottelius  auch  die  „Teutsche  Vers-  oder  Reim-Kunst"  (Wolfenbüttel  1645) 
besprochen  und  ihren  Zusammenhang  mit  dem  Marinismus  der  Pegnitzschäfer  dargestellt.  — 
Interessant  ist  das  Schulspiel  von  J.  L.  Frisch,  das  1890  L.  H.  Fischer  *)  neu  heraus- 
gab; mir  wurde  diese  Publikation  erst  jetzt  zugäi\glich,  und  trotz  Creizenachs  Bericht 
(JBL.  1890)  muss  ich  ihrer  gedenken,  weil  Fischer  in  den  Anmerkungen  manches  für 
die  Geschichte  der  Poetik  zusammengestellt  hat.  Frisch  giebt  eine  Kritik  von  poetischen 
Fehlern,  indem  er  eine  Figur  seines  Spiels  ein  fehlerhaftes  Gedicht  vortragen,  die  anderen 
es  dann  beiu-teilen  lässt.  Frisch  verwirft  die  unreinen  Reime,  lässt  sie  aber  in  den 
alten  Kirchenliedern  unangetastet,  weil  sie  dort  durch  das  Alter  geheiligt  sind,  er  ver- 
bietet das  starke  Enjambement  nicht  bloss  am  Versende,  sondern  auch  in  der  Caesur, 
weil  er  nur  den  deutschen  Sprachgebrauch,  nicht  das  Beispiel  des  Lateinischen  gelten 
lässt;  er  bekämpft  die  Sprachmengerei  und  den  übermässigen  Gebrauch  mythologischen 


Oneisse).  —    2)  R.  Mahrenholti,  D.  drei  Einheiten  d.  franiösischon  Tragödie:  BLU.  1,  S.  17/9.  —  3)  M.  ron  Waldberg 
J.  G.  Schottelias:  ADB.  32,  S.  407  — 12.  —  4)  J.  L.  Frisch,  Schulspiel  v,  d  Unsauberlceit  d  falschen  Dicht-  u.  Reimkunst,  h»r, 


I  3:  5-8.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  26 

Schmucks,  aber  ebenso  die  Trivialität  der  Gesellschaftslieder,  für  die  er  in  einem 
Soldaten-,  einem  Zeitungs-  und  einem  derben  Volkslied  abschreckende  Beispiele  vorführt; 
ihm  sind  sie  hauptsächlich  zuwider,  weil  sie  der  echten  Poesie  im  Wege  stehen  und 
der  Keuschheit  nicht  entsprechen.  Dann  verspottet  Frisch  die  Leberreime  des  Georg 
Gretflinger;  in  der  Anmerkung  zu  dieser  Stelle  führt  Y.  mehrere  unbekannte  Ausgaben 
des  Komplimentier-Büchleins  an  und  handelt  über  die  Sitte  der  Leberreime  wie  über 
die  einschlägige  Litteratur  in  sehr  willkommener  Weise.  Nicht  einverstanden  ist  Frisch 
mit  den  volkstümlichen  Rätseln;  in  der  Anmerkung  orientiert  F.  dankenswert  über  die 
Rätsellitteratur  des  16.  und  17.  Jh.  Dann  wendet  sich  Frisch  gegen  die  Bildergedichte, 
für  die  er  einige  Beispiele  giebt;  sie  wurden  jedesfalls  (vgl.  v.  31,  8)  aufgehängt,  wodurch 
sich  Creizenachs  Frage  beantwortet.  Frisch  streift  in  seiner  Kritik  das  Verhältnis  von 
Malerei  und  Poesie  und  verweist  auf  die  Malerei,  die  ein  rechter  Dichter  können  muss, 
während  eine  „Versfigur  von  einer  Schreiber- Hand  gemacht  wird".  In  seiner  Anmerkung 
entwirft  F.  eine  kurze  Geschichte  der  Bildergedichte,  die  schon  im  Altertume  begegnen. 
Die  nächste  Gattung,  über  die  sich  Frisch  lustig  macht,  ist  ein  Cento  aus  den  Dichtern 
des  17.  Jh.;  damit  wird  zugleich  die  Frage  nach  der  „Imitation"  berührt;  nur  gestreift 
hat  Frisch  andere  Künsteleien:  Akrostichon,  Sinnbild,  Anagramm  und  dergleichen. 
Auch  für  die  Centones  giebt  F.  die  wichtigste  Litteratur.  Frisch  nimmt  also  in  seinem 
Schulspiele  hauptsächlich  gegen  die  Künsteleien  der  Pegnitzschäfer  Stellung.  Auch  in 
seiner  satirischen  lateinischen  Einladungsschrift,  die  mit  abgedruckt  ist,  behandelt  Frisch 
die  Poesie  und  stimmt  in  einzelnen  Ansichten,  worauf  F.  hinweist,  mit  dem  Freiherrn 
von  Canitz  überein.  — 

Die  erste  eingehendere  Betrachtung  J.  J.  Schwabes  hat  Waniek  5)  geliefert 
und  dabei  vor  allem  den  wichtigen  Nachweis  gegeben,  dass  die  bisher  Schwabe 
zugeschriebenen  Streitschriften,  der  „Taschenalmanach"  und  das  „Tintenfässl",  nicht  von 
ihm  herrühren  dürften.  Bodmer  liielt  den  Vergilübersetzer  Christoph  Schwarz  aus 
Regensburg  für  den  Vf.,  und  ein  im  Gottschedschen  Nachlasse  erhaltener  Brief  vom 
27.  Nov.  1744  zeigt,  dass  das  3.  Stück  des  Tintenfässls,  „Standrede  up  T.  P.  Herrn 
Emanuel  Pyra,  Kanzler  von  Germanien''  usw.,  von  Denso  aus  Stargard,  „der  früher  Mit- 
glied der  deutschen  Gesellschaft  war",  herrühre.  Durch  diesen  Nachweis  rückt  Schwabe 
freüich  aus  der  Stellung,  die  er  bisher  in  dem  Streit  zwischen  den  Leipzigern  und  den 
Schweizern  einzunehmen  schien,  und  W.  zeigt,  dass  Schwabe  durchaus  nicht  immer  und 
überall  den  Standpunkt  Gottscheds  eingenommen  habe,  so  treu  er  persönlich  stets  zu 
seinem  Meister  hielt.  Das  Verdienst  Schwabes  sieht  W.  einmal  in  dem  Versuch,  die 
„Belustigungen"  als  ein  Organ  für  das  erste  Aufstreben  „der  entbundenen  Kräfte  aus 
dem  Banne  platter  Nüchternheit,  für  den  beginnenden  Kampf  der  Phantasie  um  die  ihr 
vorenthaltene  bevorzugte  Stellung  in  der  Dichtung"  zu  schaffen,  wobei  Schwabe  nun 
allerdings  nicht  energisch  und  konsequent  vorging.  Ein  weiteres  Verdienst  war  sein 
redliches  Bemühen,  „dem  deutschen  Volke  auf  den  verschiedensten  Bildungsstufen 
Kenntnisse  des  praktischen  Lebens  und  Ergebnisse  der  Wissenschaften  in  deutscher 
Sprache  zugänglich  zu  machen  und  auf  diese  Weise  zur  geistigen  Befreiung  der  Nation 
von  dem  Auslande  beizutragen":  dabei  hat  Schwabe  „in  der  Reinheit  und  der  formalen 
Handhabung  der  Sprache  für  seine  Zeit  Achtungswertes  geleistet".  Er  war  einer  der 
Eifrigsten  und  Ausdauerndsten  von  jenen  Männern  aus  Gottscheds  Gefolgschaft  *'),  die, 
durchdrungen  von  der  Idee  einer  geistigen  Erhebung  des  deutschen  Volkes,  mit  dem 
vollen  Einsätze  ihrer  beschränkten  Mittel  dem  Aufschwünge  der  deutschen  Litteratur 
vorarbeiteten.  Freilich  fehlt  auch  ihm  jede  Selbständigkeit  und  so  verengern  sich  die 
natürlichen  Schranken  seines  geistigen  Lebens  immer  mehr.  Bei  seinem  Tode  hinter- 
liess  er  der  Leipziger  deutschen  Gesellschaft  achthundert  Thal  er,  recht  zum  Zeichen, 
dass  er  seine  Zeit  nicht  mehr  verstand.   — 

Ein  älterer  Vortrag  A.  Baiers''^^)  über  Winckelmanns  Kunstlehre  wurde  neu 
gedruckt,  was  er  wegen  seines,  von  Th.  Ziegler  gerühmten,  bleibenden  Werts  verdiente, 
obwohl  H.  Cohen  das  Thema  weiter  und  tiefer  ausführte.  B.  sieht  das  zwiefache  Ver- 
dienst Winckelmanns  in  der  Schaffung  der  Kunstgeschichte  und  in  seiner  Theorie  über 
das  Wesen  und  die  Hauptformen  des  Schönen;  Win ckelmann  zeigte  noch  die  Vereinigung 
von  Archäologie  und  Aesthetik.  Aber  B.  entwirft  nur  die  Grundzüge  seiner  Lehre  vom 
Schönen  und  von  der  Kunst.  Für  Winckelmann  habe  es  sich  nicht  sowohl  darum  gehandelt, 
was  das  Schöne  sei,  sondern  um  die  Frage,  aus  welchem  Grunde  die  Schöpfungen  der 
griechischen  Kunst  schön  seien,  also  darum,  was  das  gegenständliche  Wesen  der  Schön- 
heit ausmache,  femer  um  den  Sinn  und  das  Geftihl  dafür  und  endlich  um  den  Ausdruck 
sowie  um  die  Bildung  zur  Schönheit.  Winckelmann  giebt  schon  die  Bestimmung,  die 
dann  bei  Kant  wiederbegegnet,  dass  der  Schönheitssinn  in  einem  allen  Menschen  inne- 

T.  L.H.FIicher,  1890.  -5)  Q.  Waniek,  Joh.  Joach.  Schwabe:  ADB.  33,  S  1(12—71.  -  6)  X  Jen t seh.  Chr.  0.  Frhr.  v.  Schön- 
»ich:  ib.  82,  S.  253/4.  —  7-8)  Alwlll  Baier,  Winckelmanns  Lehre  v.  Schönen  u.  v.  d.  Knnst.  E.  Vortrag  z.  Winckelmann- 
F^Ier    am  9.  De«.  1862.   =   Aus   d.  Vergangenheit.     Akad.   Reden   u.   Vortrr.   Berlin,   Wiegandt   &    Grieben.    222   S,  M.  8.00. 


27  R.  M.  Werner,  Pnefik  uml   iluo  ftoscliifliti'.  I    .:   ^  u 

woliii('inl(Mi  V(irmöfi;(Mi  dos  iiif<M"üSKeloHeii  W'olil^eiHlIeiis  lujHtelie,  das  als  Fidii/^k^it, 
nichf  als  Fertigkeit,  als  allgoineiiie  Anlage  bei  allen  gesitteten  Völkern  sich  finde.  Be- 
dingt ist  die  Fähigkeit,  das  Schöne  zu  empfinden,  durch  das  entsprechende  hannonische 
Verhältnis  zwischen  dem  inneren  inid  dem  üusseren  Sinn.  Vom  Schönen  unterscheidet 
Winckelmann  das  Sinnlich-Wohlgefällige,  das  Liebliche  und  Gefallige  und  sucht  datui 
positiv  das  Wesen  der  Schönheit  zu  bestimmen,  das  ihm  „in  der  Mannigfaltigkeit  im 
Einfachen"  besteht,  und  weiter:  das  Schöne  ist  Abbild  des  ewigen  Urbilds  der  Kreatur 
in  Gott.  Da  Winckelmann  von  der  antiken  Plastik  ausgeht,  vergleicht  er  die  höchste 
Schönheit  dem  Charakter-  und  geschmacklosen  reinen  Wasser.  Das  ergiebt  sich  nach 
B.  daraus,  dass  eben  die  Bildsäule  des  Gottes  gelöst  sein  muss  von  den  zufälligen 
wecliselnden  Beschränkungen  der  Erscheinung,  abgeschlossen  in  unendlicher  Ruhe  und 
Selbstgenügsamkeit,  ja  in  erhabener  Gleichgültigkeit.  Da  aber  Winckelmann  als  Gegen- 
stand der  Plastik  doch  den  Menschen  in  seiner  Individualität,  den  schönen  Menschen 
erkeinit,  so  ergeben  sich  Folgennigen,  die  seine  Theorie  als  ungenügend  erscheinen 
lassen.  Winckelmann  sah  neben  der  Schönheit  den  Ausdruck,  ohne  den  Schönheit  un- 
bedeutend, wie  Ausdruck  ohne  Schönheit  iinangenehm  wäre.  Weil  aber  der  Ausdnirk 
die  Schönheitsformen  verändert  und,  je  grösser  diese  Veränderung,  desto  nachteiliger 
der  Schönheit  ist,  beobachteten  die  Griechen  die  Stille,  die  Grazie.  Winckelmann  erkennt 
in  der  Entwicklung  der  griechischen  Kunst  vier  Stilarten,  die  er  zu  den  historischen 
Verhältnissen  in  Beziehung  setzt.  Seiner  Theorie  fehlt  vielfach  noch  die  scharf  begriff- 
liche Abrundung  \ind  folgerichtige  Durchführung,  aber  sie  war  von  anregender,  bahn- 
bi-echender  Bedeutung,  was  B.  durch  ihren  Einfluss  auf  Goethe  wie  Schiller  hübsch 
aufzeigt.  Winckelmanns  Theorie  enthält  allerdings  einige  Elemente  der  Aesthetik  seiner 
Zeit,  die  das  Schöne  aus  dem  Vollkommenen  abzuleiten  suchte,  aber  beeinflusst  ist  sie 
durch  die  ästhetisch-sittliche  Anschauung  des  Altertums,  „es  fehlt  noch  an  der  begriff- 
lichen Vermittlung  zwischen  der  Form  und  dem  geistig-sittlichen  Gehalt  des  Kunst- 
werkes, deren  lebendige  Wechselwirkung  und  Harmonie  die  Schönheit  bedingt".  Auf 
engem  Raum  hat  B.  das  Wesentliche  sicher  und  anregend  darzustellen  verstanden.  — 
Die  merkwürdige  Uebereinstimmung  von  Carl  Philipp  Moritz  und  Kant  ^)  im  Begriffe 
des  Schönen  und  in  der  Auffassung  des  Geschmacks  hat  Walzel  ^)  aufgedeckt,  indem 
er  die  Einleitung  Auerbachs  zu  seinem  Neudruck  weiterführte  und  berichtigte.  — 

Edler '0)  legt  tibersichtlich  dar,  auf  welchem  Wege  Lessing  zu  seiner  Ansicht 
über  das  Wesen  der  Fabel  gelangte;  unbedeutend  ist  dagegen  die  Kritik  dieser  Ansicht 
im  zweiten  Teile  des  Schriftchens,  weil  sich  E.  unselbständig  fi-emden  Urteilen  überlässt. 
Er  bringt  nur  einen  Vergleich  für  das  Verhältnis  von  Tierepos  und  äsopischer  Fabel 
bei,  der  neu  ist,  nämlich  das  Verhältnis  von  Geschichte  und  Anekdote;  Vergleiche  sind 
aber  nicht  überzeugend.  Sehr  bedenklich  erscheint  die  Meinung,  dass  die  erste  Poesie 
„natürlich  didaktisch"  sein  musste,  weil  es  ein  Bedürfnis  war,  „die  Lehren  weiser 
Männer  zu  fixieren  und  auch  für  die  Nachwelt  zu  erhalten":  das  habe  zur  Poesie 
geführt:  als  Beweis  dient  die  didaktische  Poesie  der  Bibel.  „Man  (?)  fing  damit  an, 
erst  diese  Lehren  selbst  in  einer  bestimmten  Form  festzustellen,  woraus  die  Sprich- 
wörter entstanden.  Dann  ging  man  einen  Schritt  weiter,  man  wandte  die  allgemeine 
Lehre  auf  einen  bestimmten  Fall  an,  um  sie  anschaulicher  zu  machen:  so  entstand  die 
Fabel".  Dann  wnirden  diese  erweitert,  künstJerisch  ausgeschmückt  und  unter  einer  ein- 
heitlichen Idee  vereinigt,  hieraus  entstand  das  Epos.  Ursprünglich  berühren  sich  in  der 
Fabel  Geschichte  und  Poesie:  als  aber  „in  der  letzteren  die  Kunst  zu  sehr  in  den 
Vordergrund  trat",  empfand  man  das  Bedüi-fhis  nach  einer  nüchternen,  verstandesmässigen 
Darstellung  der  Ereignisse:  so  entstand  die  kritische  Geschichtsschreibung.  Da  E.  die 
Fabel  für  die  einfachste  und  ursprünglichste  „Dichtgattung"  hält,  erscheint  es  ihm  als 
der  beste  Weg  „zur  Ergründung  des  Wesens  der  Poesie",  dass  Lessing  von  der  Fabel 
ausging.  Die  Erklärung,  die  Danzel  für  die  Liebe  Lessings  zur  Fabel  gab,  reicht  E. 
nicht  aus,  darum  sucht  er  nach  einer  neuen,  aber  kaum  ebenso  begründeten.  Viel 
Förderliches  enthält  die  Arbeit  nicht.  —  Der  abenteuerliche  Eulogius  Schneider,  der 
sich  1790  auch  mit  einer  ästhetischen  Schrift  auf  Eschenburgscher  Grundlage  einstellte, 
wturde  von  Wegele'^)  behandelt.  — 

Mit  Herbarts  Aesthetik  hat  sich  eingehend  und  fördernd  Hostinsky  12)  be- 
schäftigt; er  weist  nach,  dass  Herbart  im  Jahre  1803  den  ersten  Grundstein  zu  seiner 
Aestlietik  gelegt  und  1804  in  seiner  Abhandlung  „Ueber  die  ästhetische  Darstellung 
der  Welt"  die  wichtigsten  Sätze  der  Aesthetik  gedrängt,  aber  wesentlich  schon  so,  wie 
er  sie  später  1808,    1813    und  1831  weiter    ausführte,   vorgetragen  habe.      Anfangs    der 


S.  131—68.  |[Th.  Z.:  DLZ.  12,  S.  1666/7.]1  —  9)  0.  F.  Waliel,  üeber  d.  bildende  Nachahman^  d.  SehOnen  v.  K.  Ph  Morit« 
her.  V.  S.  Auerbach,  Deutsche  Litteraturdenkmale  31  (1888):  ADA.  17,  S.  260/2.  (Vgl.  noch  F.  Speyer:  ASNS.  06. 
S.  320,11;  WIDM.  %.  S.  292;  ZOG.  42,  S.  234.)  —  10)  0.  Edler,  Darstellung  u.  Kritik  d.  Ansicht  Lessings  aber  d.  Weson  d. 
Fabel.  Herford,  Heidemann.  1890.  23  S.  —  II)  F.  X.  Wegele,  Eologin*  Sehneider:  ADB.  32.  S.  103/8.  —  O)  0. 
Hostinsky,    Herbarts  Aesthetik  in  ihren  grundlegenden  Teilen  qnelleumSssig  dargestellt  u.  erltutert,      Hamburg  u.  Leipiig, 


X  3:  13-25.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  28 

Aesthetik  fremd,  wurde  er  indirekt  durch  Fichte  zu  seinen  ästhetischen  Studien  ange- 
regt, denn  bei  diesem  lernte  er  den  Mangel  seiner  „prosaischen  Natur"  fühlen;  dann 
machten  Schillers  Lehren  den  nachhaltigsten  Eindruck  auf  Herbart,  der  Goethe,  Schiller, 
W.  Scott,  Shakespeare,  Homer  und  Sophokles  mit  Vorliebe  anfährt,  Drama  und  Epos 
auffallend  bevorzugt.,  aber  von  der  Lyrik  am  wenigsten  angesprochen  wurde,  „da  er  den 
Wechsel  der  Gedanken  und  Empfindungen  unter  keine  Regel  bringen  konnte".  Der 
bildenden  Kunst  stand  er  fern,  dafür  war  er  ein  tüchtiger  Musiker.  H.  verfolgt  nun 
mit  seiner  Schrift  den  Zweck,  die  zerstreuten  Aeusserungen  Herbarts  über  Aesthetik  so 
zusammenzustellen,  dass  sie  einen  Ersatz  für  eine  selbständige  Aesthetik  von  Herbarts 
eigener  Hand  bieten  können.  Darum  hat  er  Herbarts  Text  nicht  geändert,  höchstens 
im  Anfange  der  einzelnen  Fragmente  stilistisch  retouchiert,  und  eine  Zusammenfassung 
sämtlicher  Stellen  mit  sorgfältigen  Quellennachweisen  gegeben.  Dem  Texte  folgen  dann 
kürzere  und  längere  Anmerkungen,  in  welchen  Herbarts  Lehren  mit  denen  seiner  Vor- 
gänger verglichen,  einzelne  Ansichten  vor  Missdeutungen  geschützt,  erläutert  oder  kritisch 
untersucht  werden.  Doch  war  dies  nur  ein  Nebenzweck  der  Arbeit,  ebenso  wie  die 
Scheidung  der  eigenen  Ansichten  Herbarts  und  ihrer  Weiterbildung  durch  seine  Schule. 
Die  Hauptsache  war  für  H.,  aus  der  Fülle  der  Werke  den  Text  klar  und  übersichtlich 
herauszulösen,  und  das  muss  als  ein  sehr  nützliches  Unternehmen  bezeichnet  werden. 
Auch  einzelne  der  Anmerkungen  verdienen  besondere  Beachtung  wegen  ihres  selbst- 
ständigen Werts,  so  die  1.  über  gut  und  schön,  die  6.  über  das  Verhältnis  von  Psycho- 
logie und  Aesthetik,  die  9.  über  die  Methode  der  Aesthetik,  worin  die  prinzipielle 
Uebereinstimmung  Herbarts  und  Fechners  aufgezeigt  wird,  die  15.  über  die  „Zusammen- 
gesetztheit des  Kunstiu-teils",  die  2L  über  die  Bedeutung  der  Nachahmung  für  die 
Schönheit.  Uns  besonders  geht  noch  die  20.  Anmerkung  an,  die  von  den  Elementen 
des  Poetisch-Schönen  nach  Herbart  handelt,  vor  allen  aber  die  14.,  weil  sie  eingehend 
(S.  89 — 107)  und  klar  den  ,, Formalismus"  Herbarts  bespricht,  verteidigt  und  geschicht- 
lich einreiht.  Die  Darstellung  H.s  ist  würdig  und  zutreffend,  auch  in  der  Polemik  voll 
vornehmer  Bescheidenheit  und  überzeugender  Kraft.  Die  Schrift  verdient  gelesen  zu 
werden.  —  Zeigt  uns  Herbart  den  Einfluss  der  Schillerschen  Aesthetiki^),  so  hat  auch 
Goethe  weitergewirkt,  was  für  den  „Wilhelm  Meister"  Prodniggi*)  darstellte.  —  Ein 
Goetheaner  war  Karl  Ernst  Schubarth,  dem  D.  Jacoby^^)  nicht  nach  der  Art 
mancher  Mitarbeiter  der  ADB.  16-18^  ^^j.  gii^g  biographische,  sondern  auch  eine  kritische 
Studie  gewidmet  hat,  in  der  besonders  der  Einfluss  Goethes  mit  feinem  Sinn  aufgezeigt 
wird.  19)  — 

Von  Schopenhauers  Werken  erscheinen  nach  dem  Aufhören  des  Privilegs 
billige  Ausgaben,  von  denen  besonders  die  durch  E.  Grisebach^o)  besorgte  grössere 
Wichtigkeit  zu  erlangen  verspricht.  —  Die  auf  die  Kunst  sich  beziehenden  Abschnitte 
der  Schriften  hat  Gwinner^i)  in  zwei  Bändchen  bequem  zusammengestellt.  Obwohl 
man  Zweifel  an  der  Richtigkeit  eines  solchen  Unternehmens  geäussert  hat,  scheinen 
solche  Separatausgaben  doch  vielen  erwünscht  zu  sein,  wie  bei  einer  anderen 22).  aus- 
drücklich betont  wurde. 23)  — Seine  Erinnerungen  an  Schopenhauer  hat  W.  Jordan 2*) 
kokett  erzälilt,  sein  Bekanntwerden  mit  dem  Philosophen,  seine  Differenz  über  die 
Farbenlehre,  vor  allem  seinen  einzigen  Besuch  bei  Schopenhauer  in  Gemeinschaft  mit 
Friedrich  Hebbel,  den  er  aber  ausführlicher  und  charakteristischer  für  Kuhs  Hebbel- 
Biographie  (2,  S.  586  f.)  geschildert  hatte.  — 

Eine  umfangreiche  Studie  des  Schweden  E.  Wrangel25)  über  die  Aesthetik 
von  Hartmanns  folgt  dem  Hauptwerke  Schritt  für  Schritt.  W.  gliedert  seinen 
Stoff  in  fünf  Abschnitte:  der  erste  behandelt  v.  Hartmanns  Entwicklung  und 
seine  Werke,  besonders  die  ästhetischen,  der  zweite  wendet  sich  den  grundlegenden 
Begriffen  seiner  Aesthetik  zu,  vor  allem  dem  ästhetischen  Schein,  der  ja  das  Fun- 
dament seiner  Lehre  bildet,  dem  Verhältnis  der  Schönheit  zu  den  anderen  Gebieten, 
endlich  der  Stellung  des  Schönen  innerhalb  des  Universums;  daran  schliesst  sich 
eine  kiu-ze  Kritik  des  Hartmannschen  metaphysischen  Schönheitsbegriffs.  Der  dritte 
Abschnitt  ist  den  Konkretionsstufen  des  Schönen  gewidmet,  der  vierte  den  Gegensätzen 

Vom.  XXV,  186  S.  M.  2,40.  —  13)  X  Deicke,  Schillers  Ansichten  über  d.  tragische  Kunst  vgl.  mit  denen  d.  Aristoteles 
(Vgl.  u.IV.lO.)  —  14)  X  H.  Prodnigg,  Goethes  W.  Meister  u.  d.  ästhetische  Doctrin  d.  alteren  Romantik.  (Vgl.  u.  IV.ll  )  — 
15)  D.  Jacoby,  K.  E.  Schubarth:  ADB.  32,  S.  606—12.  —  16)  X  F-  BrUmmer,  G.  A.  Frhr.  v.  Seckendorf:  ib.  33,  S.  517/8. 
(AU  Geburtstag  wird  der  20.  (nicht  26.)  Nov.  1775  angegeben.)  —  17)  X  L-  Fränkel,  K.  L.  Seidel:  ib.  S.  621/3.  -  18)  X 
H.  Pröhle,  J.  St.  Schutze:  ib.  S.  146/7.  (Weist  nur  nach,  dass  Schütze  zuerst  am  12.  Nov.  1806  bei  der  Schopenhauer  mit 
Goethe  Jusammentraf,  aber  sein  Haus  nioht  besuchte.)  —  19)  X  F.  BrUramer.  T.  G.  Scliröer:  ib.  32,  S.  561/3.  (Als  Chr. 
Oeser  Vf.  d.  verbreiteten  Aesthetik  fllr  Damen.)  —  20)  A.  Schopenhauer,  SSmtl.  Werke  in  6  Bdd.  Her.  v.  E.  Grise- 
baoh.  Bd.  1-2:  ÜB.  2761/5,  2781/6.  Leipzig,  Reclam.  lö«.  667,762  S.  M.  3,00.  |[Eh.:  LCBl.  1036/7;  Rud.  Lehmann:  DLZ. 
12,  8.  843.]|  -  21)  id  ,  Philosophie  d.  Kunst.  2  Bdchen.  Leipzig,  Brockhaus.  VH.  16  S.;  111,  253  S.  M.  4,00.  [D.:  LCBI.  S.  1035/6.]| 
—  22)  X  id.,  üeber  Genie,  grosse  Geister  u.  ihre  Zeitgenossen.  E.  Samml.  v.  Stollen  aus  s.  Werken.  Leipzig,  Brockhaus. 
VII,  IBl  8.  M.  2,00.  |[B.  MUnz:  BLÜ.  S.  668.]|  —  23)  X  >d.,  SämmtL  Werke.  6  Bde.  Leipzig,  Brookhans.  M.  18,00. 
[BLÜ.  8.  383.  718.]|  —  24)  W.  Jordan,  Begegnungen  mit  A.  Schopenhauer  =  Episteln  u.  Vortrr.  Frankfurt  a.  M.,  Jordans 
Selbstyexlag.     VI,  4«0  S.    M.  4,00.   S.  1— 25.  —  25)  Ewort  Wrangel,  E.  v,  Hartmanns  Estetiska  System  i  kritisk  belysning: 


29  R-  M.  Werner,  Poetik  und  ilire  Geschichte.  I  3:  M-88. 

des  Schonen  und  seinen  Modifikationen,  der  fünfte  endlich  dem  Dasein  des  Schönen  in 
Natur  und  Geschichte,  der  klnistleriscihen  Thätigkeit,  den  schönen  Künsten;  eine  kurze 
Kritik  der  Hartmannsclien  Kunstlohre,  seiner  Methode  und  Darstellungsweise  bilden  den 
ScliluHS  der  Arbeit,  welche  genaue  Vertrautheit  mit  den  deutschen  Untersuchinigen 
überall  verrät.  —  Einen  prinzipiellen  pjinwand  gegen  den  „ästhetischen  Schein"  erhebt 
R.  Steiner-")  in  seiner  überaus  anerkeinienden  Charakteristik  v.  Hartmanns.  Er  verlangt, 
dass  die  Aesthetik  sage,  „was  denn  eigentlich  im  ästhetischen  Schein  dasjenige  ist,  das 
auf  uns  wirkt".  Nicht  nur  die  realen  Wirkungen  des  Kunstproduktes  verhindern  eine 
iisthotische  Wirkung,  auch  „die  reine  Betrachtung  des  Scheins"  lässt  ästhetisch  un- 
berührt, wenn  wir  keine  Empfindung  dafür  haben,  „was  gerade  durch  den  ästhetischen 
Schein  zu  uns  spricht";  nicht  „der  ('harakter  der  Scheinhaftigkeit,  sondern  der  Inhalt 
im  Schein,  das  was  der  Künstler  im  Schein  verkörpert,  macht  die  Natur  des  Kunst- 
werkes aus".  Der  Schein  ist  ein  notwendiger  Behelf  der  Kunst,  eine  Folge  des  künst- 
lerischen Schaffens,  macht  aber  das  künstlerische  Schaffen  nicht  aus.  ,.Wer  nur  für 
den  Schein  Sinn  hat  und  keinen  für  das  im  Scheine  Ausgesi)rochene,  der  bleibt  der 
Kunst  gegenüber  doch  unempfindlich."  Trotzdem  rühmt  S.  fiai-tmanns  Aesthetik  wegen 
der  grlindlichen  Kenntnis  der  Technik  in  den  einzelnen  Künsten,  wegen  der  Ausblicke 
auf  das  Leben  und  wegen  des  feinen  Geschmacks  in  allen  Kunsturteilen. — 

Ein  Schüler  H.  von  Steins,  Dessoir27)j  widmete  der  Aesthetik  Richard 
Wagners  eine  Studie,  die  vom  Herausgeber  Hans  von  Wolzogen  nur  mit  einer  ge- 
wundenen Verklausulierung  in  das  Bayreuther  Parteiorgan  aufgenommen  wurde.  D. 
unterscheidet  „drei  Wege"  fi'u-  jeden,  der  sich  zum  Zwecke  eigener  Gedankenbildung 
mit  der  Aesthetik  beschäftigen  will:  1.  den  metaphysischen,  der  von  der  Idee  des  Seins 
auf  die  Idee  des  Schönen  leitet  und  alle  Kreise  der  ästhetischen  Phänomenologie  „um- 
fasst" ;  2.  den  historischen,  der  von  der  Pülle  der  seit  Jahrtausenden  bestehenden  Kunst- 
werke durch  Abstraktion  auf  die  ihnen  zu  Gi-unde  liegenden  Gesetze  führt;  3.  den 
psychologischen,  der  in  das  Innenleben  des  Genies  einzudringen  und  aus  ihm  das  Ver- 
ständnis für  die  Kunst  zu  erschliessen  sucht.  Ein  vierter  „Weg",  „die  Summe"  der 
drei,  „würde  von  der  inneren  Erfahrung  des  recipierenden  Menschen  ausgehen  und  erst 
idlmälilich  zum  producierendeu  gelangen,  dabei  aber  die  Hilfe  der  Geschichte  in  Anspruch 
nehmen  und  seine  Induktion  durch  bewusste  apriorische  Deduktion  leiten  lassen  müssen". 
Wagner  habe  den  dritten  Weg  eingeschlagen,  „im  Wesentlichen  also  die  Erforschung 
seiner  selbst"  zur  Enträtselung  der  Kennzeichen  des  echten  Kunstschönen  benutzt.  Die 
von  ihm  gegebene  Charakteristik  des  Genies  ist  „durchaus  n\ir  eine  Abbildung  und  Er- 
weiterung der  eigenen  inneren  Erfahrung  und  zeigt  uns  dieselben  Züge  wie  das  Wesen 
des  Maimes  überhaupt:  eine  unverkennbare  Hinneigung  zur  Sinneswelt,  einen  unbe- 
zwinglichen  Schaffensdrang,  ein  glühendes  Mitgefühl  flir  die  Leiden  der  Menschheit", 
dazu  „eine  tiefwurzelnde  Ueberzeugung  von  dem  unverletzbaren  Rechte  der  Persönlich- 
keit und  die  rückhaltlose  Offenheit  im  Aussprechen  von  Gefühlen  und  Gedanken",  ü. 
findet  nun  den  Begriff  des  elementaren  Triebes  zum  Schaffen  in  einer  ganz  eigentümlichen 
Färbung  vmd  entwickelte  dies  in  überaus  anregender  Art.  Indem  der  Künstler,  aus 
seinem  Volk  hervorgegangen,  die  Schmach  der  Verhältnisse  als  ein  unerträgliches  Elend 
empfindet  und  sein  geprsstes  Herz  nur  durch  freiwilliges  Kunstschaffen  erleichtern 
kann,  bringt  er  gleichsam  die  allgemeine  Not  seines  Volkes  zum  Ausdruck,  lässt  er  die 
Uünstlerischen  Bedürfnisse,  die  im  Volke  schlummern,  leibhaftig  werden.  So  kommt 
Wagner  zu  seinem  Satze  ,, Nicht  der  Dichter  schafft,  sondern  das  Volk",  zu  dem  alle 
diejenigen  gehören,  „welche  Not  empfinden  und  ihre  eigene  Not  als  die  gemeinsame 
Not  erkennen  oder  sie  in  ihr  begreifen".  Alle  Genialität  ist  also  nur  die  höchste  Steige- 
rung der  in  dem  menschlichen  Geiste  liegenden  Kräfte ;  sie  schafft  nichts  Neues,  sondern 
bemächtigt  sich  der  Erfindung,  Wagner  imterecheidet  darum  im  Genius  zwischen  dem 
Seher,  welcher  das  über  alle  Wirklichkeit  erhabene  Wahrhaftige  sieht,  und  dem  Dichter, 
„der  dies  den  aufhorchenden  Menschen  so  getreu  wiedererzählen"  kann;  Künstler  ist 
derjenige,  der  Stoff  und  Gehalt  durch  die  Form  zu  bewältigen  weiss.  D.  deutet  an,  dass 
bei  Wagner  zmt  Erklärung  noch  ein  Moment  fehle:  das  Genie  finde  zwar  keine  neue 
Idee,  aber  eine  noch  unausgesprochene  Potenz  der  Idee.  Der  Künstler  überlässt  sich 
rückhaltlos  den  Sinneseindrücken,  die  sein  Empfindungswesen  sympathisch  berühren, 
und  wird  von  einem  solchen  Uebennass  von  Eindr{\cken  erft'iUt,  dass  er  „die  über- 
wuchernde Empfängnis  in  der  Mitteilung  wieder  von  sich  geben  muss".  Indem  der 
Mensch  durch  die  Sinne  wahrnimmt,  löst  er  die  Erscheinungen  von  ihrer  Naturv^-irklich- 
keit  los  und  hat  das  doppelte  Bemühen,  sie  zu  sichten  oder  im  Zusammenhange  sich 
vorzufiihren ;  diese  zweite  sich  unwillkürlich  vollziehende  Thätigkeit  des  Gehirns  nennt 
Wagner  Phantasie.     Er  verlangt  vom  künstlerischen  Phantasiebilde,  es  solle  sich  in  eben 

Aftryuk  ur  Lunds  Universitets  Arsskrilt  Tom.  20.  Luud,  Uerlingska  Boktryckeri-  och  Stilgjoteri  -  AktiabolagaL  1890. 
4«.IV,  127S.  (Vgl.  1890, 13:21.)-  26)  R.Steiner,  E.  v.  Hartmaiin.  S.  Lehre  ii.  s.  Bedeutung:  DeuUehe  Worte  XI, 1.  S.  22-32. 
-  27)  M.  Deasoir,  R.  Wagner  als  Aestthetiker :  BayreuthBll.  H,  S.  »7-H0,  132-41,  165-72.  —  28)  P.   Scheerbart,    M. 


I  3:  yo..'j|.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  BO 

dem  Masse  wieder  den  Sinnen  mitteilen,  in  welchem  diesen  die  Erscheinungen  sich 
ursprünglich  kundthaten.  Zwischenträger  ist  das  Gefühl,  das  sich  an  das  Herzensgefühl 
des  Hörers  wendet.  Der  hellsichtige  Künstler  erkennt  die  Natur,  wie  sie  ist,  nicht  die 
durch  die  Mode  entstellte  sinnliche  Gegenwart,  und  darum  setzt  er  sich  in  bewussten 
Geo-ensatz  zu  seiner  Umgebung.  Er  ist  von  dem  un vertilgbaren  Sehnen  durchdrungen, 
die  Möglichkeit  eines  besseren  Daseins  in  Wirklichkeit  zu  verwandeln  und  der  Idee  der 
reinen  Menschlichkeit,  die  ihn  beherrscht,  zum  Siege  zu  verhelfen.  Darum  begnügt  er 
sich  nicht  in  aller  Stille  zu  schaffen,  sondern  „drängt  mit  Gewalt  den  stumpfen  Menschen 
ein  unsägliches  Glück  auf".  Mit  Ereiheit  wählt  der  Künstler  aus  dem  Stoffe  nur  das, 
wozu  er  seiner  innersten  Empfänglichkeit  nach  gebildet  werden  kann,  so  dass  also  das 
Notwendige  entsteht.  Dazu  gehört,  dass  ein  Objekt  in  schönen  Formen  dargestellt 
werde,  nicht  schöne  Eormen  an  einem  Objekte.  Dies  führt  Wagner  dazu,  das  Wesen 
des  Gehaltes"  näher  zu  bestimmen;  als  höchsten  und  mitteilungswertesten  Gegenstand 
erkennt  er  den  Menschen  selbst,  insofern  er  über  alle  Verschiedenheiten  der  Jahrhun- 
derte hinaus  das  Eeinmenschliche  verkörpert.  Das  Reinmenschliche  hat  Wagner  allerdings 
nicht  begrifflich  definiert,  sondern  positiv  daran  zwei  Eigenschaften  hervorgehoben,  die 
Innigkeit  des  Gemüts  und  die  in  ihm  liegende  Ahnung  des  harmonischen  Weltganzen, 
negativ  aber  das  Freisein  von  der  Konvention,  vom  Widerstreit  zwischen  Trieb  und 
Pflicht,  nicht  die  Ueberwindung  dieses  Konflikts,  in  dem  Schiller  das  Erfordernis  sitt- 
licher Schönheit  erblickte.  An  einem  Stoffe  bringt  dann  der  Künstler  seine  Stimmung 
zum  treffendsten  Ausdruck,  entweder  wie  der  Maler  und  der  Musiker  angeregt  dxn'ch 
künstlerische  Eindrücke  oder  wie  der  Dichter  durch  Aufnahme  von  Lebenswirklich- 
keiten. Dabei  fragt  es  sich  freilich,  ob  der  Künstler  als  solcher  durch  rein  künstlerische 
Eindrücke  bestimmt  wird.  Wagner  unterscheidet  also  zwei  Kunstarten,  eine  weibliche, 
empfangende,  und  eine  männliche,  zeugende.  Von  den  verschiedenen  Eigenschaften  des 
künstlerischen  Menschen,  äusseren  und  inneren,  Gefühl  und  Verstand,  ferner  von  dem 
Bedürfnis  ausgehend,  in  den  Künsten  die  ihn  umgebende  Natur  wiederzufinden,  hebt 
Wagner  sechs  Einzelkünste  heraus:  Tanzmusik  (Mimik),  Musik,  Dichtkunst;  Bau- 
kunst, Skulptur  und  Malerei.  Sie  alle  sollen  in  das  höchste  gemeinsame  Kunstwerk,  das 
musikalische  Drama  aufgehen.  D.  geht  näher  auf  diese  Einteilung  ein,  obwohl  er  Kunst- 
lehre und  Aesthetik  scharf  von  einander  treinit,  er  bespricht  auch  das  Gesamtkunstwerk, 
in  dem  Wagner  die  vollkommenste  Form  sah.  Darauf  einzugehen  liegt  ausser  dem 
Rahmen  dieses  Berichtes;  nur  so  viel  sei  hervorgehoben,  dass  für  Wagner  die  „innere 
Form"  ein  geläutertes  Stoffliches  war.  Es  erübrigt  noch  ein  Wort  über  den  Zweck 
oder,  besser  gesagt,  die  Wirkung  der  Kunst;  im  Einklang  mit  Schopenhauer  sah  sie 
Wagner  in  dem  willensfreien  Anschauen  der  Ideen,  wie  es  in  der  Künstlerseele  voran- 
gegangen ist.  Das  ist  nichts  ihr  Fremdes,  Beabsichtigtes,  sondern  etwas  rein  Thatsäch- 
liches,  es  erfordert  einen  echten  Künstler  und  die  Empfänglichkeit  der  recipierenden 
Menschen.  Wagner  wirft  wie  Schiller  in  den  „Briefen  über  ästhetische  Erziehung"  einen 
Blick  in  die  Zukunft  auf  den  idealen  künstlerischen  Menschen,  welcher  „der  zum  Wesen 
der  Gattung  erweiterte  Mensch  nach  der  höchsten  Fülle  seines  eigenen,  besonderen 
Wesens"  wäre.  Damit  greift  er  über  die  Grenzen  der  Aesthetik  hinüber,  die  es  mit 
den  wirklichen  Menschen  und  der  Wirkung  des  Kunstwerks  auf  diese  zu  thun  hat. 
Darauf  geht  Wagner  nicht  ein,  und  D.  sucht  seine  Ansichten  andeutend  zu  ergänzen, 
indem  er  so  gleichsam  die  Probe  der  Wagnerschen  Kunsttheorie  macht.  Schliesslich 
hebt  D.  die  induktive  Methode  von  Wagners  Kunstforschung,  zugleich  aber  ihre  Sub- 
jektivität hervor  und  charakterisiert  den  pädagogischen  Wert  einer  solchen  Erscheinung. 
Man  freut  sich  seiner  Auseinandersetzungen,  seiner  Gabe,  die  fragmentarischen,  durchaus 
nicht  systematischen  Aeusserungen  Wagners  im  inneren  Zusammenhang  darzustellen  und 
durch  gelegentliche  Winke  den  äusseren  Zusammenhang  mit  den  ästhetischen  Lehren 
anderer  anzudeuten.  — Anders  hat  Scheerbart  28)  Max  Klingers 29)  Aesthetik  behandelt; 
da  dieser  von  der  Griffelkunst  speciell  die  „Skizze"  fordert,  erweitert  dies  S.  und 
verlangt  es  von  der  gegenwärtigen  Kunst  überhaupt.  Höchstens  der  Lyrik  sei  es  augen- 
blicklich möglich,  „zu  völlig  neuen,  stilfertig  organischen  Erzeiignissen  zu  gelangen",  weil 
ihre  aUereigentlichste  Aufgabe  der  Ausdruck  individuellen  Ringens  mit  der  Stimmung 
sei.  Alle  anderen  Künste  könnten  nur  durch  die  experimentelle  Skizze  die  grosse  Kunst- 
epoche vorbereiten.  S.  sieht  in  KHngers  Aesthetik  die  individuelle  Rechtfertigung  von 
Kliiigers  Kunst,  und  gerade  das  erscheint  ihm  wertvoll.  30)  — 

Ziel  und  Methode  der  Forschung.  Wie  weit  wir  gegenwärtig  noch  von 
einem  sicheren  Ausbau  der  Poetik  und  Aesthetik  entfernt  sind,  das  lässt  sich  am  besten 
aus  den  widerstreitenden  Ansichten  über  den  bei  solchen  Untersuchungen  einzuschlagen- 
den Weg  entnehmen,  ja  es  steht  nicht  einmal  das  Ziel  fest,  zu  dem  wir  gelangen  sollen 


Klingor   als    Aesthetiker:    FrB    2,   S.  1009—12.    —   29)  X    M.  Klinger,    Malerei    u.    Zeichnung.    München,    Fritsch.    l[Kw.  5, 
8.  17-20.JI  -  30)  X  M.  K  ronenberg,  Lotze  als  Dichter:  AZgaN.  188/9.  -  31)  Th.  Lipps,  Zweiter  ästhetischer  Litteratur- 


31  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  ^i-^n. 

oder  wollen.      Lipps'^')    führt  z.  B.  in   seiner  Besprechung  von  Werners  Werk  „Lyrik 
und  Lyriker"  aus:  „Das  Endziel  soll  sein  Verständnis  des  Schönen,  nicht  dieses  Allge- 

meinhegrilfes,  sondern  der  mannigfachen  Arten  seiner  Verwirklichung  in  der  Welt 

Normative  Bestimmungen  ergeben  sich  daraus  insofern,  aber  auch  nur  insofern,  als  der- 
jenige, der  weiss,  welche  Mittel  zu  einem  Zwecke  geeignet  sind  und  welche  nicht,  ohne 
weiteres  auch  zu  sagen  vermag,  wie  derjenige  verfahren  müsse,    dem  an  der  Erreichung 
des  Zweckes  gelegen  ist."  —  Aehnlicher  Ansicht  ist  Xanthippus  ■'2)^  der  in  dem  Aus- 
spruche eines  Aesthetikers:    „Die  Kunst  soll",    nichts   anderes  als  die  wissenschaftliche 
Aussage  sieht:    „Die  Kunst,   die   das  Ziel  A  hat,  wird  der  Mittel    B,  C,  D    nicht    wohl 
entraten  können,  B,  E,  D  würde  sie  trüben,  E,  D,  E  verzerren,  E,  E,  Gr  in  ihr  Gegen- 
teil verwandeln".    Das  „kann"  und  „soll"  der  Aesthetiker  „wissen".  —  Im  Wesen,  wenn 
auch  nicht  im  Ausdruck,  stimmt  auch  Avenarius  33->4)  überein,  welcher  „Zweck  der  Kunst" 
als  ,, Zweckmässigkeit  des  Könnens"  erklärt.   — H.  Fleischer  •'*^)    verficht  nun    in    einem 
eigenen  Hefte  die  Möglichkeit  einer  normativen  Aesthetik.    Er  geht  vom  Widerspruch 
gegen  Scherers  Programm  für  die  Poetik  aus,  sie  solle  die  dichterische  Hervorbringung, 
die  wirkliche  und  die  mögliche,  vollständig  beschreiben,  in  ihrem  Hergang,  in  ihren  Er- 
gebnissen, in  ihren  Wirkungen.     Er  vergleicht  damit  eine  Aeusserung  Gustav  Kirchhoffs, 
der  187G  als  Aufgabe  der  Mechaiiik  bezeichnete:    „die  in  der  Natur  vor  sich  gehenden 
Bewegungen  zu  beschreiben  und  zwar  vollständig  und  auf  die  einfachste  Weise  zu  be- 
schreiben".    Während  E.  dieses  Progi-amm  als  berechtigt  zugiebt,   meint  er,    die  Poetik 
sei  „die  Lehre  von  der  Dichtkunst,   also  die  Lehre    von    einem  Können,    das    nur    mit 
Rücksicht  auf  einen  bestimmten  Zweck  diesen  Namen  führen  kann,  also  die  Lehre  von 
diesem  Zweck  und  von  den  Mii-teln,  durch  die  er  erreicht  wird.      Also    hat    die  Poetik 
allgemein  giltige  Sätze  für  die  dichterische  Hervorbringung  aufzustellen''.     Damit  glaubt 
er  Scherer  widerlegt  zu  haben,    ohne  zu  sehen,    dass    er    eigentlich    mit  Worten    spielt 
und  eine  petitio  principii  sich  zu  schulden  kommen  lässt;    denn    er  spricht  ganz    allge- 
mein von  einem  Z\\-eck,  ohne  zu  sagen,  von  welchem  Zweck.    Dadurch  scheint  ihm  erwiesen 
zu  sein,  dass  eine  normative  Aesthetik  „eine  nicht  abzuweisende  Forderung"  sei,  und  er 
wendet  sich  nun  der  Frage  zu:  ist  sie  möglich?     Zuerst  thut  er  „einen  wirklich  klaren 
Blick  in  die  Natur  des  Schönen";    er    legt  dar,    dass  das  Schöne    nicht  ausser  uns  ist, 
sondern  nur  in  uns  gebildet    werden    kann    durch  Association,    die    er    gegen  Vischers 
„Einfühlung"  und  Bieses  Anthropomorphismus  als  das  Ursprüngliche   festhält.     Im  An- 
schluss  an  einen  älteren  Aufsatz    von  Lipps    „Ueber  Formschönheit,    insbesondere    des 
menschlichen     Körpers"     (N&S.  1888,    Mai)     entwickelt    er,    worin    die    Schönheit    die 
menschlichen  Gestalt,  ,, worin  also  (!)  Schönheit  überhaupt  laesteht";    ihr  Eindruck  „be- 
ruht auf  dem  Ausdruck  wertvollen  seelischen  Lebens".      Der  Endzweck    der  Kunst  ist 
die  Erzeugung  des  Schönen,  sie  hat  also,  wofern  sie  diesem  Zwecke  nicht  untreu  werden 
will,  „wertvolles  Leben,  menschliches  oder  menschenähnliches,  zum  Ausdruck  zu  bringen". 
Und  eine  solche  Tautologie  soll  uns  nun  fördern!     Was  sagt  F.  anderes,  als  die  Kunst 
müsse,  weil  sie  die  Schönheit  darstellen  wolle,  die  Schönheit,  weil  sie  wertvolles  Leben 
darstellen  wolle,  wertvolles  Leben  darstellen.     Nun  beschäftigt  sich  F.  mit  dem  Begriffe 
„wertvolles  Leben"  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  es  sei  ein  „in  ganz  bestimmter  Rich- 
tung Chai^akterisiertes" ;    darum    foi-muliert    er    die    Aufgabe    der    Kunst  (S.  33):     „Die 
Kunst  hat  nach  irgendwelcher  Seite  hin  charakterisiertes,  wertvolles,   menschliches  oder 
menschenähnliches  Leben  zum  Ausdruck  zu  bringen    und  darf  dabei  weder  unsere  sitt- 
lichen noch  unsere  intellektuellen  Gefühle  verletzen,  sondern  muss  möglichst  darauf  aus- 
gehen, sie  zu  kräftigen."   Je  stärker  sie  es  thut,  um  desto  höheren  Eindruck  des  Schönen 
wird  sie  hervorrufen,    nur    niemals    den  Eindruck    eines  ,, Absolut-Schönen",    denn    ein 
solches  existiert  nicht  und  kann  nicht  existieren,    da    das  Schöne    auf   dem    Ausdrucke 
wertvollen  Lebens  beruht,    das    stets  in  irgend  einer  Weise    charakterisiert    ist.      Nach 
alledem  glaubt  nun  F.:  eine  normative  Aesthetik  ist  möglich,    weil  man   angeben  kann, 
was  zu  geschehen  hat,  damit  ein  ganz  bestimmt  charakterisiertes  Leben   zum  Ausdruck 
gelangt.    Der  Zukunft  überlässt  er  es,  zu  untersuchen,  v.-ie  ein  bestimmt  charakterisiertes 
Leben  zum  Ausdruck  gebracht  wird,  er  skizziert  nur,    dass    wirklich    alles    Schöne    auf 
einem  solchen  Leben  beruht,  und  giebt  Winke,  was  er  nun  für  die  Aufgabe  der  norma- 
tiven Aesthetik  hält.     Ich  greife  das  Beispiel  heraus,  das  er  für  das  Kunstgewerbe  bei- 
bringt.    Er  bespricht  die  ästhetische  Form  eines  Kruges,    wobei  freiHch  ästhetisch  und 
praktisch  identifiziert  werden,  und  meint,  dass  die  Ausweitung,  um  der  im  Krug  befind- 
lichen Flüssigkeit  nachzugeben,  nicht  ins  Unbegrenzte  gehen  diu-fe,  weil  „die  Elasticität 
des  Kruges  ihr  entgegensteht  und  mit  ihr  im  Gleichgewicht  sich  befindet".      Das  lasse 
sich  zeigen,    indem  man  rings  um  den  Krug  etwa  einen  aufstrebenden  Blätterkranz  an- 
bringt und  so  für  diese,  wie  jjede  Funktion  des  im  Kruge  wirksamen  Lebens,   ein  be- 


beiicLtll.  (Schlnss):  PhilosMh.  27,  S.  546—72.    (Speciell  S.  565.)—  32)  Xanlhippus,  Imp«r»tiTe  Aesthetik ? :  Kw.  4,  S.  218/9. 
—  33)  (F.  Avenarius,)  D.  Redensart  v.  „Zwecke"  d.  Kunst:  ib.   S.  161/3.  -  34)  F.  A(Tenarin8):    ib.    S.   219.    -    35)  H. 


j  3;  36-45  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  32 

stimmtes,  unmittelbar  verständliches  Zeichen  findet".  Aufgabe  der  normativen  Aesthetik 
wäre  es  nun,  „solche  Zeichen  zu  finden,  anzugeben,  in  ihrer  besonderen  Bedeutung  zu 
bestimmen".  Dann  scheint  aber  die  Aesthetik  ein  Gebiet  zu  betreten,  das  eigentlich 
schon  der  Kunst  gehört:  die  Kunstbetrachtung  wird  zur  Kunstproduktion.  Aber  hat 
denn  Scherer,  auf  dessen  „Poetik"  F.  so  schlecht  zu  sprechen  ist,  nicht  gerade  auch 
darauf  geachtet,  wenn  er  in  seinem  Programm  (S.  65)  ausser  der  wirklichen  noch  die 
,mögliche"  dichterische  Hervorbringung  erwähnt  und  seine  Gedanken  über  diese 
Seite  klar  andeutet?  Jedenfalls  klarer,  als  F.,  der  S.  45  als  „Gesichtspunkte",  von 
denen  man  zu  einer  normativen  Poetik  gelangen  solle,  angiebt,  die  Grenze  nach  dem 
Didaktischen  hin,  die  vorzuführenden  Charaktere,  die  allgemeine  Anordnung  und  Vor- 
tragsweise, die  Ausdrucksmittel  zu  bestimmen.  Er  bekennt  schliesslich,  dass  die  Auf- 
gabe der  normativen  Aesthetik  ,,etwa  ebenso  vielseitig  wie  das  Leben"  wäre,  nur  be- 
schränkt durch  den  Stoff,  an  den  jede  Kunst  gebunden  ist.  ,, Diesen  Stoff  auf  seine 
Eigenschaften,  auf  seine  Ausdrucksfähigkeit  hin  zu  untersuchen,  davon  hängt  alles  ab." 
Ja,  ist  denn  das  die  Aufgabe  des  Aesthetikers  und  nicht  vielmehr  des  Künstlers? 
Würde  sich  die  Aesthetik  nicht  etwas  anmassen,  was  ihr  nicht  zukommt,  weil  sie  es 
nicht  leisten  kann!  Müsste  nicht  eine  solche  Aesthetik  in  jenen  Fehler  verfallen,  den 
man  etwa  Gottsched  vorwarf:  die  Kunst  lehren  zu  wollen?  F.s  Heft  vermag  nicht  zu 
überzeugen,  dass  eine  solche  normative  Aesthetik  möglich  sei,  ja  er  überzeugt  sogar, 
dass  sie  nicht  wünschenswert  wäre,  weil  sie  verwirren  müsste.  Mit  Recht  hat  Scherer 
(S.  GG)  gesagt,  wir  hätten  an  den  wirklichen  Produkten  Genüge,  wenn  wir  nur  erst 
so  weit  wären,  hier  die  von  F.  geforderten  Beobachtungen  sorgfältig  auf  Typen  zurück- 
geführt zu  haben.  —  Aehnlicher  Ansicht  wie  Scherer  ist  Bruno  Willeme),  der  vier 
Methoden  der  normativen  Aesthetik  aufzeigt;  er  verwirft  die  postulierende,  die  zu  sagen 
pflegt:  „Ich  verlange  von  der  Kunst  .  .  .  .",  ferner  die  metaphysische,  welche  die  Kunst- 
gesetze aus  einer  vorgefassten  Metaphysik  folgert,  endlich  die  autoritäre,  welche  das 
Gesetz  aus  den  Werken  Eines  Künstlers  ableitet;  dagegen  billigt  er  die  psychologische 
Methode,  die  aus  den  Wirkungen  der  Kunstwerke  auf  die  Menschen  die  E-egelmässig- 
keiten  (Gesetze)  löst,  Störungen,  Beeinträchtigungen  des  ästhetischen  Eindruckes  auf- 
deckt und  verurteilt  und  so  auch  eine  Norm  bietet.  —  Handelt  es  sich  in  dem  Gegen- 
satze zwischen  Scherer  und  Fleischer  hauptsächlich  um  das  Ziel  der  Aesthetik,  die 
freilich  auch  die  Methode  betrifft,  so  gehen  auch  im  besonderen  die  Ansichten  über 
die  Arbeitsweise  stark  auseinander.  Während  z.  B.  Minor 3'?)  in  seiner  scharfen  Ver- 
urteilung von  Werners  Buch  „Lyrik  und  Lyriker"  die  Zusammenstellung  und  Betrach- 
tung der  „Schneegedichte"  besonders  instruktiv  findet,  sieht  Carriere^s)  darin  nur  einen 
Beweis,  „wie  der  Vf.  sich  allzu  sehr  ins  Breite  ergeht  und  dem  Leser  gar  zu  wenig 
überlässt".  Ein  solcher  Widerspruch  zeigt  nur,  wie  wenig  gefestigt  die  Ansichten  über 
die  Methode  noch  sind.  Und  so  gehen  denn  auch  die  Darstellungen  nach  wie  vor  weit 
auseinander,  was  sich  im  Einzelnen  ergeben  wird.  — 

Schulmässige  Zusammenstellungen.  Wer  für  Schüler,  kleine  wie  grosse, 
Poetiken  zu  verfassen  hat,  wird  freilich  nicht  umhin  können,  das  Feststehende  darzu- 
legen und  im  Zweifelhaften  eine  Entscheidung  zu  treffen.  Es  wird  sich  dabei  immer 
nur  um  den  Takt  des  Bearbeiters  handeln.  Den  Vorzug  von  Methners  Darstellung  in 
dieser  Hinsicht  rühmt  nun  auch  Minor 39).  —  Populäre  Zwecke  40-44^  mit  wissenschaft- 
licliem  Geiste  zu  vereinigen,  haben  sich  Heinze  und  Goette*^)  vorgenommen,  ohne 
jedoch  über  einen  eklektischen  Dilettantismus  hinausziikommen.  Sie  wollen  zwar  haupt- 
sächlich im  Sinne  Comtes  und  Taines  vorgehen,  geben  aber  mehr  Phrasen  als  Erkennt- 
nisse. Nach  einem  kurzen  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  neueren  Aesthetik  be- 
stimmen sie  das  Wesen  der  Kunst  als  die  naturgetreue  Wiedergabe  von  Erscheinungen 
des  Lebens  in  einheitlicher  Begrenzung  dergestalt,  dass  sich  die  Gesetze  des  Seins  an 
ihnen  widerspiegeln.  Sie  betrachten  dann  das  künstlerische  Schaffen,  bei  dem  sie  jedoch 
des  Unbewussten  garnicht  gedenken;  nach  ihnen  ist  alles  beim  Künstler  bewusstes  Be- 
obachten. Es  fehlt  ihren  Auseinandersetzungen  hier  und  im  übrigen  an  der  nötigen 
Vorsicht  im  Ausdruck,  an  Kritik  und  gesundem  Blick.  Das  tritt  besonders  störend  im 
Kapitel  über  die  dichterische  Sprache  hervor,  nach  welchem,  falls  man  sich  an  den 
AVortlaut  hielte,  der  Schwulst  als  Ideal  der  poetischen  Rede  erschiene.  Bei  der  spiele- 
rischen Darstellung  des  Wertes,    der  nach  H.  und  G.    den    einzelnen  Lauten    zukommt, 


Fleischer,  üeber  d.  Möglichlteit  e.  normativen  Aesthetilc.  Phil.  Diss.  Breslau,  Koebner.  III,  50  S.  —  36)  B.  Wille,  Tendenz 
ind.  Poe8ie:FrB.  2,  8.  467.  (Vgl.  u.  13:  120.)  -  37)  J.Minor,  Werner,  Lyrik  u.  Lyriker:  GGA.  1892.  -  38)  M.  Carriöro 
Werner,  Lyrik  u.  Lyriker:  AZg«N,  183ll5!t.|  -  39)  J.  Methner,  Poesie  u.  Prosa,  ihre  Arten  n.  Formen  Halle  a./S  ,  Waisen- 
haus. 188«.  X,  838  S.  M.  2,80.  |[Minor:  DLZ.  12,  S.  916.]|  —  40-42)  X  R.  v.  Zeynek,  Lehrbuch  d.  deutschen  Stilistik  u. 
Poetik.  6.  Aufl.  Grax,  Lousohner  &  Lubensky.  VII,  336  S.  M.  2,60.  —  43)  OX  A.  Reichen  sp  erger,  D.  Kunst 
Jedermanns  Sache.  2.  Aufl.  Wegberg,  J.  Floitgraf.  XX,  41  S.  M  1,00.  _  44)  X  F.  Bachmann,  Schusters  Lehrbuch  d. 
Poetik  fUr  h(lh«rH  Uhranstulten.  3.  Aufl.  Halle,  MUlilmann,  WM).  XVI,  «7  S.:  AHNS.  86,  H.  306/9.  —  45)  P.  Heinze  u 
U.  Goutte,    Deiits.he  l'i.clik.      Imriss  il.  Lehre  v.  Wesen  u.  v.  (1.  Formen  d.  Uichtkunsl.      iMit  e.  Einführung  in  <1.  Gebiet  d- 


3.^  Tl.  M.  Wornor,  Poetik  und  iliro  Geschichte.  |  B:  4fi- r.r« 

werden  sie  unwillkürlicli  koiiiisci»,  gelien  übrigens  von  der  falschen  Meinung  aus,  dass 
e  und  o  „abgeleitete"  Vokale  seien,  was  zu  falschen  Folgerungen  führt.  Und  so  ver- 
raten die  Vfi".  noch  oft  ihre  geringe  Vertrautheit  mit  dem  wissenschaftlichen  Rüstzeug, 
und  besonders  die  Metrik  beweist,  dass  sie  von  den  neueren  Untersuchungen  keine 
Koinifnis  haben  und  die  älteren  nicht  vollständig  verstehen.  Auch  in  ihren  neuen  Auf- 
stellungen sind  sie  nicht  glücklich,  die  Lyrik  z.  B.  teilen  sie  ein  in  Liederdichtung, 
Stiiumungslyiik  und  Gedankenlyrik;  wälu'cnd  in  der  ersten  Gruppe  bekannte  Gattungen 
vereinigt  sind,  wird  die  Stinimungslyrik  in  historische  Lyrik,  Lebens-  und  Landschafts- 
bihl,  Sittcngcniid(hi,  die  Gedankenlyrik  in  Woltsynibolik,  Poesie  (l)  der  Lebenserkenntnis 
und  prophetische  Dichtung  (!)  gegliedert.  Die  Epik  zerfällt  in  Epos  oder  Heldengedicht, 
erzählendes  Gedicht  (Idyll,  poetische  Erzählung),  Balladen-  und  Märchendichtung 
(Ballade,  Romanze,  Märchen),  epische  Dichtung  mit  besonderer  Zuspitzung  (Fabel,  Pa- 
rabel, Allegorie,  Rätsel,  Satire)  und  erzählende  Prosadichtung  (Roman,  Novelle).  Die 
Dramatik  wird  eingeteilt  in  das  Drama  höheren  Stiles  und  in  das  Lustspiel.  Man  sieht 
schon  aiis  diesen  wenigen  Proben,  dass  H.  und  G.  den  Durchschnitt  populärer  Dar- 
stellungen nicht  eri'eichen,**')  —  Auch  die  Neubearbeitung  von  Calmbergs  Rhetorik 
durch  Utzinger '*'')  kann  wegen  der  vielen  schiefen  Ausdrücke  und  verwiiTenden  Be- 
stimmungen keineswegs  gerühmt  werden '*8-5i).  — 

Subjektive  Versuche.  Unzufrieden  mit  der  bisherigen  Kunstbetrachtung 
sucht  ein  „Moderner",  Arno  Holz^-),  seine  eigenen  Wege  zu  wandeln  xnid  dabei  für 
seine  Darstellungsart  von  den  Franzosen  zu  lernen.  Er  kleidet  das  Ganze  novellistisch 
ein,  entwirft  Stimmungsbilder  und  lässt  ,, Dokumente"  für  die  ein::elnen  Stufen  seiner 
Erkenntnisentwicklung  reden.  Wir  folgen  den  breiten  Auseinandersetzungen  mit  Inter- 
esse, freilich  aber  nur  mit  halber  Billigung.  Der  Inhalt  lässt  sich  kurz  durch  einige 
Sätze  wiedergeben:  (S.  34)  ,,Er  pfeift  auf  das  schulstaubtrockne  Dogma  klassischer 
Autorität",  klammert  sich  nicht  (S.  41)  „an  die  Schürze  einer  längst  verlotterten,  abge- 
takelten Aesthetik".  Nun  erscheint  ihm  Zolas  Satz  „Une  oeuvre  d'art  est  un  coin  de 
la  nature  vu  ä  travers  tm  temperament"  zeitweilig  als  Lösung  seiner  Zweifel,  aber  er 
führt  ihn  hübsch  auf  seine  Quellen  zurück  und  beweist,  wie  wenig  Zola  als  Theoretiker 
originell  ist.  H.  greift  zu  Taine  und  bezeichnet  als  Grundlage  seiner  „Philosophie  de 
l'art"  das  Gesetz:  „Jedes  Kunstwerk  resultiert  aus  seinem  Milieu"  und  das  falsche 
Dogma:  ,,In  der  exakten  Reproduktion  der  Natur  besteht  das  Wesen  der  Kunst  nicht." 
Durch  Induktion  aus  Einem  Falle  gelangt  nun  H.  zu  seiner  Ansicht:  „Die  Kunst  hat 
die  Tendenz,  wieder  Natur  zu  sein.  Sie  wird  sie  nach  Massgabe  ihrer  jedweiligen  Re- 
produktionsbedingungen und  deren  Handhabung"  (S.  117);  das  führt  er  dann  in  einem 
französischen  Brief  an  Zola  im  Gegensatze  zu  dessen  Ansichten  durch  luid  giebt  als 
Resultat:  „Papa  Hamlet"  und  die  ,, Familie  Selicke".  Ob  ein  anderer  Arno  Holz  mit 
dieser  theoretischen  Begründung  der  gemeinsamen  Dichterarbeit  von  Arno  Holz  und 
Johamies  Schlaf  zufrieden  wäre,  das  soll  hier  nicht  untersucht  werden.  Der  Vei'such 
einer  solchen  Aesthetik  ist  ganz  subjektiv,  hat  aber  Wichtigkeit  für  die  später  noch  zu 
betrachtende  Frage  nach  der  Ueberwindung  des  Natui*alismus.  — 

Einen  anderen  Weg  schlägt  von  Kralik^-^)  ein;  schon  das  Motto,  „Die  rechte 
Kunst  ist  Gottes  Bote",  drückt  seine  Ansicht  aus.  Die  Fortsetzung  dieses  Satzes  von 
Friedrich  von  Sonnenburg  (v.  177):  „und  ist  darzuo  sin  kneht"  lässt  er  freilich  fort 
aber  folgende  Punkte  stehen  für  ihn  fest.  Ohne  eine  klare  Weltanschauung  ist  künst- 
lerisches Schäften  nicht  denkbar;  die  Weltanschaiunig  muss  religiös  sein,  d.  h.  über  den 
Zusammenhang  des  Unendlichen  mit  dem  Endlichen,  dos  l'^nbedingten  mit  dem  Bedingten 
Aufschluss  geben,  sie  muss  positiv,  bejahend  sein,  vereinigend,  nicht  kritisch  scheidend. 
Sie  muss  eben  die  wahre  Weltanschauung  sein,  deren  Kern  dieser  ist,  dass  wir  uns 
hier  auf  der  Erde  in  einem  Zustande  vorübergehenden  Kampfes  gegen  alles  Uebel  be- 
finden, dass  dieser  Zustand  aber  nicht  unser  wesentlicher  sei,  dass  höhere  Mächte  auf 
diesen  Kampf  Einfluss  haben.  Die  Kunst  ist  etwas  so  Positives  und  Gegebenes  wie 
die  Religion ;  wie  diese  kann  sie  zeigen,  dass  alles  Uebel  des  Kampfes,  alles  Leid  vor- 
übergehend ist  und  unser  ewiges  Wesen  nicht  zu  versehren  vermag.  Nur  in  der 
Methode  miterscheidet  sich  die  Kunst  von  der  Religion,  indem  sie  uns  den  ganzen 
Hergang  des  Weltlaufs  im  Ganzen  oder  im  Kleinen  miterleben  lässt,  aber  so,  dass  dem 
Hörenden  der  wii'kliche  Zusammenhang,  der  ilrni  im  Welttreiben  zu  verschwunden  droht, 


Kunstlehro.  Dresdon-Striospn.Hcinzo.  V,  363  S.  M.  ,\00.  ;[nninl.Naclir«.  N.  41;  GreniK  1,  S.  477/8.];  -  43)  X  F- J-  O  «  n  tb  e  r 
Khotorik  u  Poetik.  Zweite  verb  Aufl.  bearb.  v.  C.  Scliroeter.  S.-A.  v.  GQntlicrs  100  Paragr  aus  d.  Rliet,  n.  Poetik  usw. 
Gera  [jctit  Leipzig!,  Keisewitz.  IV.  92  S.  M.  1,00.  —  47)  A.  Calmbcrjr.  I>.  Kunst  d.  IJcde  Lelirbucli  d.  Rhetorik,  St4li:itik, 
Poelik.  3.  Aufl.  Neu  bearb.  r.  H.  Utzinger.  ZUricli,  Orell  Ktissli  &  Co.  XII,  2:18  S.  M  3.00.  -  48-51)  A.  Brunner, 
Heycr,  dtnitstlio  Poetik:  BBG.  45,  S  .104-12.  (1890.1.3:42.)  —  52)  Arno  Holz,  1>.  Kunst,  ilir  Wesen  u.  ilire  (Jcsetze. 
Berlin,  Issleib  (Gustav  .'^clmlir).  V.  15«  S.  M.  3,50.  |[L.  Simons:  Do  Gids  (Mlrz);  FrB.  2,  S..S71;  K.  »t.  Mcjer:  Dl.Z.  12, 
S.  1089;  l'.LU.  S.  4G3 ;  K.  Erdinann:  AZg».  99;  Gcsellsckift  1.  S.  446];  —  53)  ß.  t.  Kralik.  Knnstbiiclilcin  ^erocliten 
erlliidMclien  Gebrauchs  aller  Freunde  der  Diclitku:is4  Wien,  Koncson.  VIII,  146  S.  M.  2  4».  [Cr.  nzb.  III.  S.  ISO'fil :  K.  M 
Jahresberichte  fllr  neuere  deutsche  Littoraturj^osrhichte  II  ■'>*•  3 


I  3:  54-57.  K  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  34 

mit  überzeugender  Kraft  entgegenleuchtet.  Dadurch  gelangt  K.  zu  einem  tieferen  Ver- 
ständnis der  Aristotelischen  Lehre  von  Furcht  und  Mitleid.  Die  Kunst  lässt  uns  das 
Furcht-  und  Mitleid-erregende  Leid  miterleben,  aber  so,  dass  wir  zugleich  das  wahre 
Verhältnis  der  Dinge  schauen  oder  ahnen  und  dadurch  von  Furcht  und  Mitleid  befreit 
werden.  Die  Kunst  hat  wieder  eine  doppelte  Methode  dieser  Befreiung:  sie  stellt  ent- 
weder das  Ewige,  Göttliche  der  menschlichen  Seele  oder  das  Unbedeutende  des  Leiderrs 
dar,  also  entweder  das  Erhabene  oder  das  Lächerliche;  nur  diese  Kategorien  erkennt 
K.  an,  alle  übrigen,  wie  das  Schöne,  das  Charakteristische,  der  Stil,  der  Geschmack, 
das  Naive  oder  Sentimentale,  das  Anmutige,  der  Humor,  die  Ironie  usw.  sind  entweder 
jenen  untergeordnet  oder  bloss  negativ  oder  nichts  der  Kunstlehre  allein  Angehörendes. 
Die  Schöpferkraft  erkennt  K.  darin,  das  Leben  auch  dort  zu  erblicken,  wo  es  nicht  in  die 
Sinne  fällt.  Die  Aufgabe  der  Kunst,  was  die  Charaktere,  eigentlich  den  (Charakter,  die 
Individualität,  die  Persönlichkeit  betrifft,  ist,  zu  zeigen,  wie  jeder  Mensch  durch  das 
Handeln  notwendig  in  eine  unfreie,  zur  Fessel  seines  Ichs  werdende  Richtung  gedrängt 
wird,  über  die  ihn  nur  das  tragische  oder  komische  Bewusstsein  dieser  Notwendigkeit 
erheben  kann.  Die  künstlerische  Phantasie  besteht  in  der  Fähigkeit  zu  charakterisieren, 
d.  h.  handelnde  Gestalten  so  zu  sehen  und  darzustellen,  als  ob  sie  gegenwärtig  wären. 
Die  Kunst  hat  Handlungen  zum  unmittelbaren  Gegenstand,  die  Charaktere  sind  aber 
nichts  als  Handlung,  Schein  von  Charakter;  es  giebt  nicht  verschiedene  Charaktere,  nur 
verschiedene  Handlungen.  Mit  dem  Handeln  ist  immer  ein  Bingen,  ein  Kampf  ver- 
bunden, jedem  Spruch  steht  ein  Widerspruch,  jeder  Lust  ein  Schmerz  gegenüber,  jedes 
Handeln  schafft  Leid,  also  giebt  es  wohl  verschiedene  Kombinationen,  aber  nur  Einen 
Kern,  wohl  verschiedene  leidenschaffende  Handlungen,  aber  nur  Eine  Leidenschaft. 
Die  Dichtkunst  kennt  nach  dem  Stoffe  der  Dichtung  nur  zwei  Dichtungsgebiete,  ein 
objektives  und  ein  subjektives,  sie  schöpft  entweder  aus  dem  Makro-  oder  dem  Mikro- 
kosmos, aus  dem  Weltgeschick  oder  aus  dem  Gemüte  des  Dichters.  Die  Grundformen 
der  Dichtung  sind  demnach  Epik  als  objektive,  Lyrik  als  subjektive  Form;  vom  Epos 
trennt  sich  durch  die  Form  das  Drama,  von  der  Lyrik  der  Roman,  der,  nur  insofern  er 
„lyrische  Selbstbiographie"  ist,  in  den  Bereich  der  hohen  Kunst  gehört.  Mit  Ent- 
schiedenheit wendet  sich  K.  gegen  die  Auffassung  des  Romans  als  des  modernen  Epos, 
weil  dieses  in  der  Sage,  nicht  in  der  Erfindung  einer  Erzählung  besteht;  unter  Sage 
versteht  K.  die  Gesamtheit  der  überlieferten  Nachrichten  von  göttlichen  oder  himm- 
lischen Dingen,  die  entweder  ausschliesslich  im  Jenseits  spielen  oder  in  die  endliche 
Welt  hereingreifen:  sie  ist  die  „Idee"  der  Welt.  So  stellt  der  Vf.  manches  Paradoxon 
auf,  das  zu  denken  giebt,  und  handelt  dann  von  den  Meistern  der  Weltlitteratur  fein- 
sinnig, wenn  auch  bewusst  subjektiv.  Zum  Schlüsse  bringt  er  Ratschläge,  nicht  Regeln 
für  die  Poesie  der  Zukunft  zusammen.  Sein  liebenswürdiges  Büchlein  ist  kein  System 
und  will  es  nicht  sein,  es  ist  das  Ergebnis  umfassender  Kenntnis,  eindringender  Reflexion 
und  starkausgeprägten  Subjektivismus.  Es  regt  an  und  reizt  zum  Widerspruche.  — 
Das  zeigte  sich  deutlich  in  einer  freundschaftlichen  Polemik  zwischen  A.  Bettelheim 
und  F.  Mauthner.  Wegen  der  lobenden,  warmen  Besprechung  Bettelheims  5*)  nimmt 
Mauthner^^)  Stellung  zu  dem  Büchlein,  in  dem  er  ,  jugendliche  Greisen  Weisheit"  sieht, 
eine  gewisse  Koketterie  der  Sprache,  philosophische  Unklarheit,  ja  Unwahrheit  un- 
angenehm empfindet;  Kralik  gebe  für  eigene  Weisheit  aus,  was  doch  aus  Schopenhauer 
geschöpft  sei,  baue  „seine  ganze  ästhetische  Ueberzeugung  auf  einem  zu  diesem  Zwecke 
rücksichtslos  zurech tgeschobenen  Schopenhauer  auf".  Besonders  klar  trete  dies  in  der 
Lehre  von  Furcht  und  Mitleid  hervor,  in  der  Kralik  ,,aus  einer  Theaterregel  des  Aristo- 
teles in  die  Lüge  einer  Kapuzinerpredigt  hinüberspringe".  M.  ,, pro  testiert"  nun  gegen 
die  dadurch  herbeigeführte  Verquickung  von  Glauben  und  Kunst,  weil  Kralik  „mit 
seiner  ästhetischen  Romantik  einer  kirchlichen  Reaktion  in  die  Hände  arbeite".  Dadurch 
kommt  aber  in  M.s  Besprechung  ein  fremder  Ton,  was  ihm  Bettelheim  °6)  mit  Recht 
vorgehalten  hat.  Auch  B.  stimmt  keineswegs  allen  Ansichten  Kraliks  zu,  verwirft  die 
Grundanschauung,  den  Begriff  der  Sage,  die  Theorie  des  Epos,  der  Cliaraktertragödie 
und  -komödie;  aber  das  ganze  Heft  imponiert  ihm  duich  die  Selbständigkeit  des  Denkens. 
Er  tritt  lebhaft  für  Duldung  auf  dem  Gebiete  der  Kunstschulen  und  Theorien,  für 
Toleranz  in  Geschmackssachen  ein.  Im  Grunde  genommen  besteht  gar  kein  Gegensatz 
zwischen  Mauthner  und  Bettelheim,  nur  bekämpfte  jener  das  Kunstbüchlein  als  einen 
Zeugen  für  die  von  ihm  gefürchtete  litterarische  Reaktion  und  verwechselte  dabei 
litterarische  und  politische  Reaktion.  Man  sieht  daraus,  mit  welchen  Gefahren  die 
Aesthetik  zu  ringen  hat.  — 

Unter  Aesthetik  versteht  Kratz  ^7)    clie  Lehre   von   den  Gefühlen,    während  er 
die  Lehre  vom  Schönen  einer  besonderen  Kunstlehre  zuweist.     Seine  „Grundzüge"  ver- 

Werner:  DLZ.  12,  S.  1779/80;  H.  Löbner:  BLU.  S.  640.]|  -  54)  X  A.  Bettolhoim,  E.  noue  Theorie  d,  Dichtkunst:  Nation». 
8.  S.  740/9.  —  56)  F.  Mauthner,  E.  Kunstbtlchlein:  ML.  60,  S.  596/8.  -  56)  A.  Bottelheim,  Offener  Brief  an  F.  Mauthner: 
ib.   S     047.    —   67)    H.   Kratz.   Aesthetik.    Cirundzilge   o.    Lehro    v.    d    Gefühlen.     Gütersloh,  Bertelsmann.    68  S.     M.  0,80. 


35  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  68-64. 

folgen  populai'o  Ziele,  suchen  nach  einer  nicJit  gerade  tiefen,  aber  einfachen  Ordnung 
der  Thatsachen  und  wollen  das  Ganze  mehr  andeuten,  als  ausführen.  „Gefühl"  ist  für 
den  Vf.  alles,  was  man  überhaupt  fühlt,  im  weitesten  Sinne  des  Wortes,  also  das  ganze 
Gebiet  unseres  bowussten  Innenlebens;  er  vermisst  eine  einheitliche  Bezeichnung  dafür, 
weil  das  Wort  Gefühl  mehr  eine  Einzelerscheinung  meint;  haben  wir  denn  nicht  den 
substantivierten  Infinitiv:  das  Fühlen?  Er  unterscheidet  drei  Gruppen  von  Gefühlen 
nach  den  Ui-sprungsgebieten:  1.  leibliche  (die  ihren  Ursprung  in  unsrcr  leiblichen  Natur 
haben),  2.  seelische  und  3.  geistige.  Die  leiblichen  gliedert  er  weiter  in  a)  innerleibliche 
inid  }))  leibliche  Verhältnis-  oder  Umstandsgefühlo  (z.  B.  Wärme,  Kälte,  Nässe,  Druck), 
die  seelischen  zerfallen  in  a)  bleibende  Stimmungsgofülde  (Temperamente,  Heiterkeit, 
Ruhe  usw.),  b)  wechselnde  Stimmungsgefühlo  (Aufregung,  Verdriesslichkeit  u.  dgl.),  die 
geistigen  Gefühle  sind:  a)  geistige  Beziehungsgefühle  (Liebe,  Eifersucht,  Verehrung  usw.), 
und  b)  innergeistige  Gefühle  (Schönheits-,  Rechts-,  Sittlichkeits-,  Selbst-,  Vaterlands- 
gefühl, religiöses  Gefühl  usw.);  diese  innergeistigen  wieder:  «)  Form-  ß)  Sachgofühle. 
Fonngofühle  sind  das  musikalische  und  das  malerische  Gefühl,  die  zusammen  das  Schön - 
heitsgefühl  bilden;  Sachgefühle,  durch  eine  ideelle  Sache  angeregt:  Wahrheits-,  Rechts-, 
Anstands-  und  sittliches  Gefühl,  durch  eine  reelle  Sache  wachgerufen:  Selbst-,  Verwandt- 
schafts-, Heimats-,  Vaterlands-,  Natur-,  religiöses  und  Sprachgefühl.  Er  stellt  weiter 
den  Zusammenhang  der  Gefühle  untereinander  \ind  mit  dem  Denken  luid  dem  Wollen 
dar,  schliesslich  aber  die  Aeussei-ung  der  Gefühle.  Hier,  wie  in  dem  ganzen  Hefte  wird 
der  Versuch  gemacht,  die  grosse  Mannigfaltigkeit  a\if  einfache  Typen  zurückzuführen, 
was  einen  gewissen  Wert  auch  für  die  Kinistbetrachtung  hat,  obwohl  die  Gliederung 
allzu  äusserlich  ist  inid  das  Wesentliche  dabei  unberücksichtigt  bleibt.  ^-^')  — 

Induktive  Aesthetik.  An  die  Spitze  muss  ein  Werk  gestellt  werden,  das 
zwar  mit  der  Dichtkunst  direkt  nichts  zu  thun  hat,  aber  in  konsequenter  Weise  die 
Physiologie  für  die  Aesthetik  auszunutzen  sucht.  G.  Hirth^^''^)  versteht  in  seinem 
vornehm  ausgestatteten  Buche,  das  kapitelweise,  so  wie  es  geschrieben  wurde,  in  die 
Druckerei  wanderte,  unter  Kunstphysiologie  „die  Erklärung  der  für  die  bildenden 
Künste  und  ihre  Kritik,  für  das  künstlerische  Schaffen  und  den  guten  Geschmack  in 
Beti'acht  kommenden  Regeln  —  soweit  thunlich  —  aus  der  Natur  der  menschlichen 
Sinne  und  Seelenkräfte".  Es  ist  in  erster  Linie  eine  Art  Streitschrift,  die  für  eine  bessisre 
Methode  des  Zeichenunterrichts  eintritt,  H.  verlangt  nämlich,  dass  nicht  nach  Vorlagen 
oder  Gipsmodellen,  sondern  von  Anfang  an  nach  der  Natur  gezeichnet  werde.  Um  die 
Richtigkeit  dieser  von  ihm  schon  melu'mals  vertretenen  Ansicht  darzuthun,  zieht  er  alle 
Momente  sorgfältig  in  Betracht,  die  bei  jeder  künstlerischen  Reproduktion  —  dieses 
Wort  im  weitesten  Sinne  genommen  —  thätig  sind.  Ist  es  ihm  so  vor  allem  um 
])raktische  Zwecke  zu  thun,  die  Vorbildung  in  der  Jugend  zu  verhindern,  zur  Selbst- 
beobachtung anzuleiten,  und  steht  auch  durchaus  die  bildende  Kunst  im  Vordergi'und, 
so  werden  doch  einzelne  Resultate  für  die  Kunst  überhaupt  wichtig.  Nur  ist  H.  leider 
ein  so  einseitiger  Betrachter  der  bildenden  Kunst,  dass  er  dadurch  zu  einer  gewiss  nicht 
ganz  berechtigten  Polemik  gegen  Wundt  verführt  wird.  Was  dieser  fiber  das  künstlerische 
Schaffen  sagt,  das  gilt  in  allererster  Reihe  für  die  Dichtkunst,  während  für  H.  in  diesem 
Werke  Kunst  und  i)ildende  Kunst,  Künstler  inid  Maler  identisch  sind.  Trotzdem  kann 
sein  Begriff  der  Kunst  mutatis  mutandis  allgemein  beachtet  werden;  er  findet  Kunst 
überall  da,  „wo  uns  eine  ungewöhnliche  Vertrautheit  mit  der  Natur,  mit  dem  Leben  und 
der  Waln'heit  in  sicherer,  zielbewiisster  Gestaltungskraft  —  wenn  auch  vereinfachend 
und  verklärend  —  entgegentritt".  Das  ist  ihm  das  „specifisch  Künstlerische".  Er  be- 
trachtet die  physiologischen  Grundlagen,  die  zur  Herbeiführung  dieses  specifisch  Künst- 
lerischen thätig  sind,  denn  ihm  ist  die  Phantasie  nur  die  Association  von  Bildern  aus 
der  Vorratskammer  imsres  Gedächtnisses;  das  Gedächtnis  aber  ist  ein  scheinbarer  Ab- 
schnitt der  einlveitlichen  Entwicklung,  die  mit  der  Apperception  begiinit  Entsprechend 
den  drei  Bedeiitungen,  in  denen  wir  das  Wort  „merken"  brauchen,  unterscheidet  H., 
abweichend  von  der  wissenschaftlichen  Erklärung,  drei  Grade  des  Merkens:  1)  die  zu- 
fällige Apperception,  das  unbeabsichtigte,  unwillkürliche  Einspringen  von  Sinneseindrücken 
in  unsre  Aufmerksamkeit  und  ins  Gedächtnis;  2)  die  vorbedachte  Apperception,  auf 
Grund  eifriger,  fortgesetzter  oder  wiederholter  Betrachtung  unter  Befolgung  eines  (wenn 
auch  unbcwussten)  logischen  Sj'stems;  endlich  3)  die  „Apperception  als  Selbstzweck", 
das  Bestreben,  die  charakteristischen  Merkmale  der  Erscheinungen  aufzufassen  und  fest- 
zuhalten in  der  bestimmten  Absicht  wirklicher  oder  phantastischer  Reproduktion:  das 


—  58)  OXX  Giovanni  Giuseppe  Gizzi,  n  fondamonto  del'»  ostolica.  Roma,  LOscher.  [[NAnt.  33,  S.  403.]'  — 
59l  XX  E.  Blömont,  EstUötique  de  la  Tradition.  Paris.  F.  Maison  nouve  VIII,  124  S.  Frc.  3  00.  |[M.  La  V ia-Bonelli: 
ASTP.  16,  S.  128/9 ]1  —  60)  OX  E.  Lodere q,  Piiilosophio  de  l'enseignement  des  beaiix-arts  Paris-Vcrviera.  Pont- 
S;iint-Laurent.     12".    208  S.     Fr.  1,20.    —    61)  OX  «lo  Chambrun,  Aelia.    Uno  ötude  d'esUiötique.    Paris,  Chamerot    183  S. 

—  62i  G.  Hirth,  Aufgaben  d.  Kunstpbysiologie.  2  Teile  mit  Abbildungen.  MDnclien,  G.  Hirtb.  VIII.  III  u.  611  S. 
m.  fi.no.  —    1[G.  Pcrtig:  BLU.  S.  571'2.1    —    63)  OX  Knnstplivsiologio:  (irenzb.  III,  .'^.  73'8.   -    64)  X  <".  Lombroso,   D. 

3* 


'l  3:  65-C7.  iR.  M,  Werner,  Poetik  und  ihre  Greschiclitö.  36 

ist  die  eigentlich  künstlerische  Betrachtung  der  realen  Dinge,  denn  sie  erhebt  die  ge- 
läuterte Erscheinung  über  den  gemeinen  Dunst  der  Realität  und  adelt,  was  dem  bloss 
praktischen  Verstand  gewöhnlich,  unbedeutend  oder  vielleicht  gar  hässlich  erschien. 
Die  künstlerische  Auffassung  sucht  nicht  die  „schönen"  Dinge  auf,  schön  wegen  ihres 
realen  Inhalts,  kann  aber  aus  einer  Pfütze  ein  Meisterwerk  machen.  Eingehend  be- 
schäftigt sich  H.  dann  mit  den  physiologischen  Thatsachen  des  Sehens,  immer  mit  Rück- 
siclit  aiif  die  bildende  -Kinist  und  die  Erziehung  des  bildenden  Künstlers.  So  anregend 
diese  Kapitel  des  ersten  Bandes  sind,  in  unsrem  Zusammenhange  müssen  sie  unbeaclitet 
bleiben.  Dafür  bietet  der  zweite  viel  Wichtiges  über  das  Gedächtnis :  niemand,  der  sich 
für  künstlerisches  Schaffen  interessiert,  darf  H.s  Ausführungen  ungelesen  lassen.  Auf 
Grund  von  Beobachtungen,  besonders  von  Selbstbeobachtungen,  aber  auch  mit  sorgfältiger 
Benutzung  der  einschlägigen  wissenschaftlichen  physiologischen  Untersuchungen  bemüht 
er  sich,  Klarheit  über  die  Rätsel  des  Gedächtnisses  zu  gewinnen.  Ueberzeugend  und 
für  die  Kunstbetrachtung  höchst  fruchtbar  sind  die  „Ünterströmungen  im  verborgenen 
Gemerk",  wie  H.  die  Veränderungen  des  Gedächtnisinhaltes  nennt,  die  sich  unter  der 
Schwelle  vollziehen.  Im  Gegensatze  zu  E.  v.  Hartmann  ist  er  nämlich  mit  Rücksicht 
auf  die  Thatsachen  zumal  des  Traumlebens  der  Ueberzeugung,  dass  das  Gedächtnis  auch 
ohne  neue  Wahrnehmungen  und  ohne  Zustände  der  Aufmerksamkeit  und  des  Bewusst- 
seins  in  fortwährender  Umbildung  begriffen  sei.  Mari  köinie  darin  in  erster  Linie  ein 
Attribut  der  angeborenen  Organisation  erblicken,  der  sich  die  individuellen  Erwerbungen 
mehr  oder  weniger  leicht  ankrystallisieren.  Auf  die  Existenz  dieser  ünterströmungen 
können  wir  immer  nur  nachträglich  sicher  schiiessen.  H.  geht  aber  weiter  und  nimmt 
folgerichtig  auch  eine  „verborgene  Aufmerksamkeit"  an,  die  entweder  bei  bewussten 
oder  verborgenen  Vorstellungen  thätig  ist.  Besonders  die  zweite  Möglichkeit,  die  bei 
kerngesunden  Prachtmenschen  eintritt,  hat  für  unsere  Zwecke  Wichtigkeit.  Er  weist 
darauf  hin,  dass  es  verschiedene  Temperamente  der  Grundgedächtnisse  wie  der  Merk- 
systeme gibt;  unter  Merksystemen  aber  versteht  er  die  erworbenen  Gedächtnisorgani- 
sationen zum  Unterschiede  von  den  angeborenen.  Diese  Merksysteme  können  sich  ent- 
weder der  natürlichen  Anlage  und  Entwicklung  der  Grundgedächtnisse  anpassen  oder 
nicht;  in  jenem  Ealle  sind  sie  gesunde,  in  diesem  ungesunde.  Eine  gesunde  Anpassung 
schliesst  gleichermassen  einseitiges  wie  diffuses  Merken  aus,  verlangt  immer  wdeder  er- 
neute Aufnahme  von  Sinneseindrücken,  ferner  nicht  bloss  bewusste  Aufmerksamkeit, 
sondern  auch  automatische  Geistesthätigkeit,  endlich  die  nicht  begriffliche  Substitution 
bei  Reproduktion  und  Kombination  der  Erinnerungsbilder.  Durch  seine  ganze  Ueber- 
zeugung ist  H.  natürlich  genötigt,  zu  LombrosoB'^-^-^'ö)  Werk  „Der  geniale  Mensch" 
Stellung  zu  nehmen,  und  er  thut  dies  mit  ebensoviel  Ruhe  wie  Klarheit.  Von  vorn 
herein  verwirft  er  für  diese  Frage  die  statistische  Methode,  was  ihm  hoch  anziu'echnen  ist, 
weil  ein  gewisser  Mut  dazu  gehört,  diese  Lieblingsmode  wegen  ihrer  unwissenschaft- 
lichen Trüglichkeit  zu  bekämpfen.  Dann  nimmt  er  die  einzelnen  Beweise  durch,  die  für 
die  Verwandtschaft  von  Genie  und  Wahnsinn  zu  sprechen  scheinen,  und  widerlegt  sie. 
Die  Nichtvererbung  des  Genies  vom  Vater  auf  den  Sohn  hält  er  für  ganz  natürlich,  da 
im  Gegenteil  die  Vererbung  so  viele  günstige  Umstände  voraussetzt,  dass  sie  überaus 
selten  eintreten:  gleichartige  Organisation  und  Temperatur  der  Grundgedächtnisse,  gleich- 
artige Erziehung  und  Ausbildving  des  rein  Handwerksmässigen  vor  der  geschlechtlichen 
Reife  usw.  Mit  Schärfe  wendet  er  sich  gegen  die  Behauptung,  dass  die  Psychose  des 
Genies  epileptoiden  Charakter  habe,  weil  bei  Genie  und  Epilepsie  ähnliche  Erscheinungen 
vorkämen;  er  sieht  in  diesem  Vergleicli  einen  wissenschaftlichen  Irrtum,  hauptsächlich 
hervorgerufen  durch  das  Verkennen  der  beim  Genie  wirksamen  Faktoren:  Aufmerksamkeit, 
Verknüpfung  und  Urteil.  Man  müsse  genau  unterscheiden  zwischen  der  Erkrankung  und 
der  Ursache  oder  doch  Begleiterscheinung;  das  Genie  könne  wie  einen  Lungen-,  Magen-, 
Herz-,  auch  einen  untergeordneten  Gehirndefekt  haben,  vielleicht  als  Folge  übertriebener 
Geistesthätigkeit:  das  beweise  jedoch  nichts  für  eine  Verwandtschaft  von  Genie  und 
Wahnsinn.  Skeptisch  verhält  sich  H.  auch  gegen  die  Erläuterung  angeblicher  Fälle 
von  Geisteskrankheit  bei  genialen  Künstlern,  wobei  er  einzelne  interessante  Thatsachen 
mitteilt;  die  stärksten  Zweifel  hegt  er  aber  an  der  Berechtigung,  künstlei'ische  An- 
wandlung bei  Irren  als  Beweis  anzuführen.  Mit  beherzigenswerten  Worten  über  die 
Hygiene  des  Genies  schliesst  der  Vf.  sein  grossgedachtes  Werk,  das  als  eine  Art  Pro- 
gramm, nicht  als  ein  abschliessendes  Lehrbuch  anzusehen  ist.  H.  zeigt  vielfach  nur 
den  Weg,  auf  den  er  die  Kunstbetrachtung  weisen  möchte,  aber  er  steht  der  bisherigen 
deduktiven  Aesthetik  fremd,  als  Gegner  gegenüber  und  verwirft  für  die  bildende  Kirnst 
ganz  so    wie  Scherer   für    die  Poesie    das    objektive  Kunsturteil:    schön    und    hässlich. 


geniale  Mensch,  übers,  von  M.  0.  Fränkol,  Uamburg,  Verl.-Anst.  u.  Dr.  AG.  1890.  483  S.  M.  10,00.  —  65)  i  d..  Genie  u.  Irrsinn  in 
ihren  Beziehungen  z.  Gesetz,  übers,  v.  A.  Courth.  (=  ÜB.  2313/ß),  Leipzig,  Reeliiin.  43Ü.  S.  M.  0,80.  |LRau:  AZg».  N.266.JJ  - 
66)  X  •'•  Berg,  I).  Krankheit  0.  modernen  Poesie.   Studio:  ML.  CO,  S.  538-40.  —  67)  F.  E.  GUntzel,  D.  Geheimnis  d.  Phantasie 


.57  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  ««<i>. 

Sein  Werk   wird   j^ewisM    noch  AidasH    zu    eingehenden   Untersuchungen  werden,    dein» 
Portigs  grobe  Ablehnung  nur  zeugt  von  Mangel  an  Verständnis.  — 

Wenn  man  sich  der  Vorzüge  Hirths  recht  bewusst  werden  will,  so  ziehe  man 
GüntzolsO')  höchst  konfuse  Schrift  über  die  Phantasie  in  Vergleich;  man  sehe 
ganz  davon  ab,  dass  der  Vf.  nicht  einmal  mit  den  Gmndrcgeln  der  deutschen  Gram- 
matik vertraut  ist  und  ein  Deutsch  schreibt,  wie  man  es  in  gleicher  Schlechtigkeit  kaum 
wieder  finden  dürfte,  und  halte  sich  nur  an  seine  Gedanken.  Er  behauptet  allerdings, 
sie  auf  Grund  der  Thatsachen  und  der  modernen  wissenschaftlichen  Untersuchungen 
gewonnen  zu  haben,  aber  chaotisch  quirlt  er  alles  durcheinander.  „Was  ist  Phantasie  .  .  . 
anders  als  ein  weitgehendes  Anpassen  von  Nobenoindrücken  an  die  grossen  Central- 
eindrücke  in  möglichst  harmonischer  Anordnung,  zur  Neuordnung  eines  gegebenen 
Cenlraleindrucks?"  (S.  54.)  Nach  G.s  Ausfülinuig  über  das  Vorwalten  der  Plmntasie 
beim  weiblichen  Geschlechto  muss  man  die  Unklarheit,  Unbestimmtheit  des  Kindrucks 
als  das  für  die  Phantasie  Massgebende  ansehen,  und  durch  seine  Definition  wird  wohl 
niemand  aufgeklärt;  sie  sei  wörtlich  citiert  (S.  57):  ,,Phantasie  ist  meiner  Ansicht  nach 
ein  durch  die  Seele  bewirkter  Austausch  der  Nebeneindrücke  von  Haupteindrücken,  und 
ziehen  erstere  selbst  die  letzteren  mit  heran  in  die  Gruppierung  — ;  wenn  die  Binde- 
glieder, die  Bewegungserscheinungen,  die  abstrakten  Begi-iffe,  eine  specielle  parallel 
laufende,  in  den  Gedankengang  eingreifende  Anregung  von  der  Aussenwelt  erhalten  und 
somit  mechanisch  in  der  Weise  wirken  wie  beim  Träumen,  d.  h.  durch  Verstärkung  des 
Reizes  für  den  speziellen  Bewegungseindruck."  Ebenso  deutlich  erfahren  wir,  was 
Genie  ist  (S.G2),  es  beruht  „auf  hervorragender  Wirksamkeit  der  mechanischen  Ein- 
drücke im  Gehirn  für  abstrakte  Begrifte,  indem  durch  sie  dem  Urteil  vermittelst  des 
Denkvermögens  —  speciell  der  Phantasie  —  und  aus  den  Schatzkammern  mehrerer 
besonderer  Dispositionen  zu  Geistesfähigkeiten  ein  grösserer  Reichtum  verschieden- 
artigster Eindrücke  konkreter  Dinge  bis  zu  den  kleinsten  Werten  herab,  aber  harmonisch 
geordnet  zugeführt  werden".  Der  beste  Freinid  des  Genies  aber  ist  der  Scharfsinn, 
„denn  er  fördert  in  ganz  besonderer  Weise  die  Vermehrung  der  Nebeneindrücke  im 
Geiste;  er  spürt  den  feinsten  Anklängen  letzterer  im  grossen  Gesamteindruck  nach  und 
verschafFt  ihnen  den  Wert  von  sekundären  Centraleindrücken,  wobei  er  in  ganz  specieller 
Weise  gerade  die  Bewegungseindrücke  bevorzugt".  Eingehende  Betrachtung  findet  das 
Spiel  und  —  der  Roman,  weil  in  ihnen  die  Phantasie  verschieden  produktiv  auftritt; 
aber  diese  Unterscheidung  ist  viel  zu  eng,  wenigstens  müsste  für  Roman  die  Dichtung, 
vielleicht  mit  Ausschluss  der  Lyrik,  gesetzt  werden.  Beim  Spiel  hält  der  Vf.  nämlich 
das  für  massgebend,  was  man  gewöhnlich  Personifikation  nennt,  beim  Roman  das  Erfinden 
der  Handlung.  Da  er  weitere  Bethätigungen  der  Phantasie  nicht  bespricht,  so  erkennt 
er  wohl  überhaupt  nur  diese  zwei  Grundtypen,  und  dann  zeigt  schon  dies  allein  die 
Einseitigkeit  seiner  Darstellung.  Auch  eine  Theorie  der  Langeweile  entwickelt  G.;  sie 
soll  in  erster  Linie  „wegen  momentan  physisch  verhinderter,  gestörter,  zweckmässiger 
Kraftentfaltung  in  der  Miiskidatur  der  körperlichen  Sinnesorgane  und  Gliedmassen, 
innen  \nid  aussen"  entstehen,  erst  in  zweiter  Linie  „wegen  Nichtbeschäftigung  der 
Geistesthätigkeit";  man  sieht  übrigens,  dass  G.  im  Grunde  nur  einen  etwas  anderen 
Ausdruck  wählt.  Diese  Ausführungen  erhalten  sonst  einiges  Anregende  und  Ansprechende. 
Ln  Ganzen  fi-eilich  überwiegt  bei  der  Lektüre  der  unangenehme  Eindruck,  und  das  Her- 
einziehen der  Physiologie  erregt  wiederholt  Bedenken.  ♦'")  ~  Noch  bedenklicher  ist  die 
Schrift  des  bekannten  Vielschreibers  Mantegazza*»»),  die  von  R.  Teuscher  ins  Deutsche 
übertragen  wurde.  M.  führt  ohne  Sj'stem  der  Auswahl  eine  Reihe  von  „metaphysischen" 
Definitionen  des  Schönen  durch,  um  sie  zu  vei-werfen,  betont  darauf  die  Unmöglichkeit, 
beim  gegenwärtigen  Zustande  der  positiven,  experimentellen  Psychologie  eine  Definition 
zu  finden,  und  hilft  sich  schliesslich  mit  der  Formel:  „Das  Schöne  ist  das  Wahre  -t-  x"; 
also  ganz  ähnlich  wie  Arno  Holz.  Der  Bestimmung  dieses  x  ist  M.s  Buch  geA\'idmet. 
Das  Schöne  an  sich  ist  weder  in  der  Natur  noch  in  der  Kunst  vorhanden,  wohl  aber 
giebt  es  schöne  Dinge;  das  Schöne  ist  also  eine  Abstraktion,  die  einen  Gegenstand  und 
ein  Nervencenirum  zur  Entstehung  verlangt.  Jener  ruft  eine  Empfindung  hervor,  in  dem 
dieses  einen  Charakter  erkennt;  das  Schöne  ist  also  ein  Charakter  einer  Empfindung 
ebenso  wie  Lust  und  Schmerz.  Nahe  verwandt,  aber  nicht  identisch  ist  das  Schöne  mit 
der  Lust;  alles  Schöne  erregt  in  uns  ein  Lustgefühl,  aber  nicht  alles^  ist  schön,  was  ein  Lust- 
gefühl hervorbringt.  Die  Frage  nach  dem  absohiten  Schönen  erscheint  M.  unnütz  und 
kindisch,  das  Schöne  existiert  nur  als  schöner  Gegenstand,  und  jeder  Gegenstand  besitzt 
seine  eigentümliche  Schönheit,  nämlich  das  Prototyp  des  Gegenstandes  selbst.  M.  nimmt 
nun  die  Quellen  ästhetischer  Erregung  durch  u.  z.  Symmetrie,  Gegensatz,  Farbe,  Grösse 


H.  d.  Gemüts.  KeJexionen  auf  pliysiologiseher  Basis  ttber  c.  psycliologisclie  Studie  in  gemeinvorstandl.  Weise  geschrieben.  I*eip- 
«ig,  Spohr.  o.fl  .  XI,  146  S.  M.  2,80.  HGronzb.  IV,  S.  196|7.]i  —  68)  OX  H.  v.  Wo  1  logen,  Phaut«sie:  BayreuthBU.  14, 
S.  53—63.  —  69)  P.  Mantegazza,    Epikur.  Physiologie  d.  SiliHuen.     Einzig  aotor.  deutsche  Ansg.     Aus  d.  Italienischen  t. 


I  3:  70-71.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  38 

und  Kleinheit,  Mannigfaltigkeit,  Bewegung;  aber  er  konstatiert  nur,  dass  aus  solche:^ 
Quellen  ästhetische  Erregung  fliessen  könne,  ohne  dies  zu  erklären  oder  in  seinem  Wesen 
darzustellen;  ja  wiederholt  fühlt  man  sich  versucht,  sogar  die  Richtigkeit  der  Beobach- 
tungen anzuzweifeln,  so  wenn  M.  z.  B.  die  Sprünge  des  Känguruhs  schön  findet.  In 
dem  Abschnitte  über  die  Farbe  bleibt  M.  weit  unter  dem,  was  von  der  Aesthetik  gewiss 
schon  richtig  festgestellt  wurde,  er  gedenkt  nicht  einmal  der  Einschränkung,  dass  uns 
eine  sonst  gefallende  Farbe  hässlich  erscheint,  wenn  sie  am  unrichtigen  Platze  stellt: 
rote  Nase,  blaue  Haare.  Seichte  Phrasen  werden  statt  der  Untersuchung  geboten. 
M.  hat  sich  noch  kaum  die  Grundprobleme  klar  gemacht,  da  er  sein  drittes  Kapitel  mit 
dem  Satze  beginnt,  es  müsse  schöne,  schönere  und  schönste  Dinge  geben,  weil  „das 
Schöne  immer  das  Resultat  einer  Vergleichung  und  einer  Wahl"  sei.  Es  ist  ein 
abstossendes  Spiel  mit  Worten,  wenn  es  unmittelbar  hintereinander  heisst:  „Das  Schöne 
in  der  Natur  scheint  fast  allen  höher  zu  stehen  als  das  Schöne  in  der  Kunst,  aber  die 
Aesthetik  der  Göttlichen  Komödie  oder  der  Oden  Pindars  wird  immer  höher  gestellt 
werden  als  die  Schönheit  einer  Blume."  M.  macht  es  sich  sehr  leicht,  wenn  er  als 
Bezeichnungen  für  Grade  der  Schönheit  bunt  durcheinander  erhaben,  erstaunlich,  unüber- 
trefflich, göttlich,  ausserordentlich,  unvergleichlich  usw.  anführt.  Als  einzigen  Mass- 
stab betrachtet  er  die  Zahl  der  Nervencentren,  „die  durch  die  Betrachtung  oder 
Bewunderung  eines  schönen  Gegenstandes  in  Mitwirkung  gezogen  werden".  M.  setzt 
folgende  acht  Formen  des  Schönen  an:  das  Grossartige,  Erhabene,  Anmutige,  Malerische, 
Verhüllte,  Schreckliche,  Groteske,  Komische;  aber  er  begnügt  sich  mit  diesen  Schlag- 
wörtern und  macht  nicht  einmal  den  Versuch,  diese  Begriffe  nun  zu  erläutern ;  oder  darf 
ein  ernst  zu  nehmender  Aesthetiker  vom  Erhabenen  sagen,  es  sei  „eine  sehr  hochstehende 
Schönheit,  ein  Superlativ  der  Superlative",  es  unterscheide  sich  vom  Grossartigen,  „weil 
es  weniger  auf  die  Grösse  des  Horizonts  und  mehr  auf  die  Erhabenheit  (!)  der  Gemüts- 
bewegung und  auf  den  hohen  Schwung  der  Empfindung  ankommt,  welche  an  der 
ästhetischen  Empfindung  teilnehmen  sollen"?  Darf  er  als  Erkenntnis  den  Witz  vor- 
bringen, das  Anmutige  sei  das  Muskatellerschöne?  Und  von  dieser  Art  oder  von  der 
überaus  belehrenden  Form  a  =  a  sind  alle  seine  Redereien;  er  sagt  gern,  das  und  jenes 
sei  schwer  zu  definieren,  werde  aber  von  jedem  verstanden,  „bei  dem  das  ästhetische 
Gefühl  auch  nur  massig  entwickelt  ist".  Wozu  es  dann  dieses  Aesthetikers  bedarf, 
das  sieht  man  freilich  nicht  ein.  Plaudereien,  weder  geistreich  noch  originell,  bringt  er 
über  den  Einfluss  der  Rassen,  über  Neuheit  luid  Gewohnheit,  über  zufällige  Stöi'ungen 
wie  Förderungen  des  ästhetischen  Eindruckes  vor.  M.  gerät  aber  auch  häufig  mit  sich 
selbst  in  Widerspruch,  woran  einerseits  die  Flüchtigkeit  seiner  Arbeit,  andrerseits  die 
Unklarheit  seiner  Fragestellung  Schuld  trägt.  So  konstruiert  er  die  acht  verschiedenen 
Formen  des  Schönen,  bringt  aber  dann  eine  heillose  Verwirrung  hervor,  indem  er  im 
Einzelnen  ihre  Wertschätzung  vornimmt;  so  sagt  er,  oft  werde  „der  schlechte  Geschmack 
epidemisch  und  eine  ganze  Generation  oder  eine  ganze  Geschichtsperiode  erkranke  an 
ästhetischer  Pica",  weil  sie  „das  Groteske  schön"  findet,  er  hat  aber  selbst  das  Groteske 
für  eine  Form  des  Schönen  erklärt.  Mir  liegt  leider  das  italienische  Original  nicht  vor, 
und  ich  bin  ganz  auf  Teuschers  flüchtige  Uebersetzung  angewiesen,  trotzdem  glaube  ich 
nach  den  vielen  Widersprüchen  M.  auch  diesen  zutrauen  zu  dürfen.  Wer  Burckhardts 
Urteil,  „Die  barocke  Kunst  spricht  dieselbe  Sprache  wie  die  Renaissance,  aber  einen 
verwilderten  Dialekt  derselben",  erstaunlich  findet,  der  steckt  noch  in  den  Anfängen  der 
Kunstbetrachtung.  Auch  bei  der  kurzen  Revue  der  einzelnen  Künste  werden  wir  nicht 
gefördert.  Was  speciell  die  Dichtkunst  betrifft,  so  weist  ihr  M.  zweierlei  Art  zu,  einen 
schönen  Gegenstand  „zu  beschreiben",  „entweder  durch  Vergleichung  mit  einem  anderen, 
der  mit  ihm  grössere  oder  geringere  Aehnlichkeit  hat,  oder  so,  dass  er  seine  Aufmerk- 
samkeit auf  dessen  Besonderheiten  richtet,  sodass  er  in  uns  auf  anderem  Wege  die 
Empfindung  erzeugt,  welche  in  uns  der  Anblick  des  Gegenstandes  selbst  hervor- 
gebracht hat(!)".  Braucht  man  noch  eine  Probe  für  das  Seichte  dieser  angeblich 
physiologischen,  im  Grunde  aber  durchaus  normativen  Aesthetik?  Mit  einer  Reihe  von 
„Dogmen"  beschliesst  M.  sein  Buch,  dessen  Wert  im  umgekehrten  Verhältnisse  zu  seinem 
Erfolge  steht.  Auffallend  ist,  dass  M.  Fechners  Forschungen  nicht  zu  kennen  scheint.  — 
Einzelne  Schriften  zur  Aesthetik'^o)  im  Allgemeinen  hat  wieder  Lipps'^i)  in  seiner 
fruchtbaren  Weise  besprochen''^)  und  dabei  zuerst  das  Verhältnis  des  Schönen  zum 
Guten  oder  sittlich  Wertvollen  behandelt.  Auch  hier  erscheint  ihm  die  Untersuchung 
im  Einzelnen  als  der  einzige  Weg  zum  Erfolge,  die  Betrachtung  der  einzelnen  Arten 
von  Vei-wirklichung  des  Schönen  in  Natur  und  Kunst  mit  Rücksicht  darauf,  wie  weit 
überall  an  dem  Eindruck  des  Schönen    ein    Gutes   oder  sittlich  Wertvolles  beteiligt  sei. 


Dr.  R.  Teuscher.  Jena,  CostenoWe.  VIII,  189  S.  M.  2,00.  |[C.  Grottowitz:  ML.  CO,  S.  29ü/8.]|  -  70)  X  Ernst  Grosse, 
D.  erste  Baustein  zu  e.  ctlinologiadicn  Aesthetik :  Gegenw.  40,  S.  70/2.  (Im  Hinblick  auf  Hein,  D.  bildenden  Künste  bei  d. 
Dayak»  auf  Borneo.    E.  Beitr.  z.  allg.  KunstgescL.     Wien,  Holder.)  —  71)  Tli.  Lipps,   Zweiter  ästhetischer  Litteraturhericht 


39  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ilire  Geschichte,  I  3:  72-74. 

Er  vorlangt  jedocli  klares  Bewiisstseiii  des  Unterschiedes  und  Gegensatzes  von  ästhetischer 
BcAirtoiluiig  und  prakÜHcli  sittlicher  WertschiitzunK-  Unter  Gut  aber  versteht  er,  „was 
irgendwie  zur  Vollkoninionheit  der  Persönlichkeit  hinzugeliört  oder  dazu  einen  positiven 
Beitrag  liofort".  In  Giacinto  Fontaiuvs  Work  „La  nioralo  e  l'estetica"  findet  er  statt 
Untersucliung  Begi-ifFwarbeit  und  sieht  den  Korn  in  dcui  Satze,  dass  das  Schöne  nicht 
notwendig  gut  und  walir,  das  Gute  und  Wahre  dagegen  an  sich  oder  seinem  eigentlichen 
Wesen  nach  jederzeit  schön  sei.  Dieser  Idealismus  erscheint  L.  sympathisch,  das  Werk 
aber  selbst  wenig  förderlich.  Lucien  Arr6ats  Buch  „La  morale  dans  le  drame,  l'epopee 
et  le  roman"  stellt  zwar  hauptsächhch  historisch  die  thatsächliche  Entwicklung  der 
Moral  dar,  wie  sie  uns  in  der  Geschichte  der  Poesie,  insbesondere  der  des  Dramas  ent- 
gegentritt, behandelt  aber  die  wichtige  ästhetische  Frage  auch  in  einem  eigenen  Kapitel 
„L'art  et  la  morale",  nur,  wie  L.  nachweist,  nicht  mit  konsequenter  Klarheit.  Zwar  billigt 
L,,  dass  Arreat  die  moralische  Nützlichkeit  der  Kunst  leugnet,  venv'irft  aber  andrerseits 
dessen  Behauptung,  die  Sittlichkeit  („la  moralit^")  sei  gar  nicht  Gegenstand  der 
Kunst,  sondern  nur  „uno  condition  du  plaisir  dramatique".  Das  könnte  nur  zugegeben 
werden,  wenn  man  auf  dem  Standpunkte  des  socialen  Utilitarismus  stände  und  unter 
sittlich  die  nützlichen,  nämlich  für  das  Gemeinwohl  nützlichen  menschlichen  „Emotionen" 
begrirte.  Dagegen  bestehe  der  Genuss  beim  Kunstwerke,  vor  allem  beim  Dranui, 
schliesslich  in  niclits  anderem  als  in  der  „Sympathie",  der  Kunstgenuss  sei  der  Genuss 
des  sittlich  oder  menschlich  Wertvollen,  und  die  Kunst  des  Künstlers  habe  die  Aufgabe, 
uns  diesen  Wert  fühlbar,  reiner  fühlbar  zu  machen,  als  er  irgend  sonst  werden  kann. 
Bei  Guy  aus  sociologischer  Aesthetik  (L'art  au  point  de  vue  sociologique)  vermisst  L. 
Klarheit  über  das,  was  Aesthetik  ist,  und  zeigt,  wie  die  folgerichtige  Durchftilirung 
seiner  Ansichten  zu  dem  Unsinn  gelangen  müsste,  das  wertloseste  Machwerk  aus  Sym- 
pathie für  den  Künstler  als  künstlerisch  wertvoll  anzusehen.  Er  betont  gegenüber 
Guyaus  Behauptung,  Elemente  des  Kunstgenusses  seien  1)  das  Vergnügen,  in  der  Nach- 
alnnmig  das  Nacligeahmte  wiederzuerkennen,  2)  die  Freude  am  Künstler  und  seiner 
Gescliicklichkeit,  damit  verbunden  am  Kiitisieren,  endlich  3)  die  Freude,  mit  den  vom 
Künstler  dargestellten  lebenden  Wesen  zu  sympathisieren,  scharf  aber  voll  berechtigt: 
der  Genuss  des  Kunstwerks  bestehe  nur  im  Genuss  des  Kunstwerks,  nicht  auch  im 
Genuss  des  Künstlers  und  seiner  Geschicklichkeit,  des  Kritisierens  oder  des  Wieder- 
crkennens.  Es  scheint  gerade  der  Schrift  eines  „eigenartig  selbständigen  Geistes"  gegen- 
über nicht  übei-flüssig,  diesen  selbstverständlichen  Satz  auszusprechen.  So  selir  L.  mit 
Paul  Souriau  (L'esthetique  de  mouvement)  in  dem  Grundsatz  übereinstimmt,  dass  gegen- 
wärtig die  „Aera  der  Monograpliien"  für  die  Aesthetik  angebrochen  sei,  d.  h.  die  Epoche 
für  Sammlung  einzelner  Beobachtungen,  muss  er  andrerseits  Souriaus  Sophistereien  zurück- 
weisen. Nicht  die  Anstrengung,  sondern  der  Erfolg  der  Anstrengimg  gewährt  uns  Freude; 
die  Anstrengung  ist  Bedingung  des  Erfolgs  und  insofern  der  Freude,  darum  aber  noch 
nicht  deren  Gegenstand.  Es  sei  nicht  richtig,  dass  wir  das  Unangenehme  der  Anstrengung, 
überhaupt  das  Unangenehme,  suchen,  um  davon  befreit  zu  werden;  die  erwartete  Be- 
freiung vermöge  unser  Widerstreben  zu  vemiindern,  aber  es  nie  in  positive  Lust  zu 
verwandeln.  Vollends  den  Genuss  des  Tragischen  aus  diesem  Prinzip  abzuleiten,  heisse 
nicht  methodisch  beobachten,  sondern  auf  Nachdenken  verzichten.  L.  lässt  für  die 
Psychologie  das  einzige  Gesetz  ,,du  moindre  effort"  gelten,  dass  die  psycliische  Thätigkeit 
in  dem  Masse  erfreut,  als  sie  positive,  von  Hemnumg  oder  Zwang  befreite  Thätigkeit 
ist.  Er  warnt  dann  vor-  scheinbar  physiologischer  Psychologie,  die  aus  annähernder 
Uebereinstimmung  zwischen  Pulsschlag  und  Rhythmus  unsre  Freude  an  diesem  erklären 
wolle.  Ueberall  veiTät  L.  seine  sichere,  nicht  durch  Vorurteile  beeinflusste  Erkenntnis.  — 
Die  Besprechung  von  Cherbuliez'''2)  Arbeit  spare  ich  auf,  bis  sie  in  der  Buchaus- 
gabc liier  zu  behandeln  ist.''^)  — 

Das  interessante  Thema,  wie  sich  im  Künstler  „schöpferische"  und  „mensch- 
liche" Seele  terhalten,  hat  R.  Falckenberg''*)  zum  Gegenstande  einer  populären  Dar- 
stelhxng  genommen.  Er  zerlegt  das  Problem  in  drei  Fragen:  1)  Wie  muss  ein  Mensch 
beschaffen  sein,  um  ein  Künstler  sein  zu  können?  Welche  Eigenschaften  machen  den 
Künstler?  Welche  Eigenschaften  sind  den  Künstlern  gemeinsam  im  Unterscliied  von 
ihren  nicht  produktiv  begabten  Mitmenschen?  2)  Welche  Rückwirkung  übt  das  Künstler- 
sein auf  den  Künstler?  3)  W^elche  Beziehungen  bestehen  zwischen  der  Eigenart  des 
Schaffens  inid  der  Eigenart  des  menschlichen  Wesens?  oder  anders  ausgedrückt:  erlaubt 
die  Ai-t  des  künstlerischen  Schaffens  Schlüsse  auf  die  Eigenschaften  des  Menschen?  F. 
meint  nun,  den  Künstler  zeichne  aus  erhöhte  Aufnahmefaliigkeit  der  Sinne,  schärferes  und 


II  (Scliluss):  8.  0.  N.  31.  —  72)  X  X  V.  Cherbuliez,  L'art  et  I»  naturc.  Ifre  partie.  L'oenvre  d'art  et 
le  plaisir  esth^tique.  Ili^me  partio:  L'imogination,  sea  lois,  scs  m^thode?,  ses  joies  dans  son  commerce  direct  »vec  la  natnre. 
H.  Los  rliiigriiis,  les  tourments  de  rimagination  et  sa  d61ivr.uice  par  los  arts.  4.  Les  doctriiies,  les  Cooles  et  1»  personnalitö  de 
Tartiste:  RDM.  106,  S.  5—42,  242-86,  481  ffi.  721  ff.  (1892  als  Buch  erschienen.)  —  73)  O  X  Rod.  Bettaszi,  Teoria  delle 
grandezze.      Pisa,  Hoepli.      4<'.    M.    6,00.    —    74)  B.    Falckenborg,    KUnstler    u.    Uensch:    N&S.  58,  S.  376— 91.    (Vgl.  Kw. 


I  3:   75-76.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  40 

genaueres  Gedäclitnis  für  Sinneseindrücke,  freieres  Sclmlten  mit  den  Erinnerungsbildorn, 
d.  h.  eine  muntere,  starke  und  reiche  Phantasie,  feinfühhger  Geschmack,  d.  h.  das 
sichtende,  wählende  Gefühlsurteil  über  die  Bilder  der  Phantasie,  endlich  eine 
gesteigerte  Gefühlsthätigkeit.  „Das  innige  Zusammen  von  Fühlen  _  und  Schauen,  das 
Ineinander  von  Bild  und  Stimmung  ist  es,  was  recht  eigentlich  den  Dichter,  den  Künstler 
macht."  Die  Beantwortung  der  beiden  andern  Prägen  ist  nur  in  flüchtiger  Andeutung 
gegeben  und  zeigt  mehr,  worauf  geachtet  werden  muss,  als  was  sich- schon  ermitteln 
Hess.  Diese  Teile  sind  weniger  fruchtbar  als  der  erste.  Der  Vergleich  zwischen  dem 
Wesen  des  Künstlers  und  dem  Wesen  der  Prau  ist  mehr  äusserlich  bestechend  als  innerlich 
überzeugend;  auch  merkt  man,  dass  F.  selbst  noch  nicht  zu  festen  Ueberzeugungen 
gelaugt  ist,  wenn  sich  überhaupt  die  Pülle  der  Erscheinungen  unter  ein  einheitliches 
Prinzip  bringen  lässt.  Ausdrücklich  schiebt  P.  die  Beantwortung  der  Präge,  wie  sich 
Künstler  und  Mensch  verhalten,  für  jeden  einzelnen  Pall  dem  Biographen  zu  und  sucht 
nur  einiges  Gemeinsame  zu  erfassen,  Pleiss  sieht  er  als  einen  steten  Begleiter  des 
grossen  Künstlers  an.  — 

Auch  Spitteler'^5)  {^t  dieser  Ansicht,  aber  er  hält  den  Pleiss  auch  für  den 
Vorarbeiter  und  Bahnbrecher  der  Inspiration,  die  Stimmung  und  Eingebung  könne  ertrotzt 
oder  angelockt  werden.  Natürlich  bildet  hervorragendes  Dichtertalent  die  unerlässliche 
Voraussetzung.  Auch  bezieht  sich  der  Pleiss  nicht  auf  den  IJrentwurf,  der  aus  Phantasie- 
zwang hervorgehen  muss,  wenn  aus  dem  Werk  etwas  werden  soll.  „Die  Ureingebung 
stammt  aus  Seelengegenden,  die  den  Kräften  des  Verstandes,  des  Willens  und  des 
Geistes  weit  überlegen  sind",  dafür  giebt  es  nur  Eine  Vorarbeit,  „vom  Leben  tüchtig 
geschüttelt  zu  werden".  Ja  die  erste  Eingebung  ist  unzulänglich:  ehe  ein  Plan  arbeits- 
reif wird,  sind  noch  ergänzende  Conceptionen  in  Menge  nötig.  Darum  das  langsame 
Reifen  von  Plänen,  „wer  zu  früh  beginnt,  beraubt  bei  aller  Kunst  den  Stoff  seiner 
schönsten  Erträgnisse".  Hat  die  Arbeit  aber  begonnen,  dann  soll  es  in  Einem  Zuge 
weitergehen,  hier  gebührt  dem  Pleisse  sein  wächtiger  Platz;  vom  imterbro dienen  Arbeiten, 
vom  behaglichen  Versuchen  und  längerem  Wählen  hält  S.  nicht  viel.  Ist  durch  Zufall, 
also  plötzlich  auftauchende  Schwierigkeit  im  Stoffe,  physische  und  psychische  Abspannung, 
äusseres  Leben  eine  Unterbrechung  eingetreten,  dann  ist  es  besser,  nicht  erst  auf  die 
Rückkehr  der  Lust  und  Stimmung  zu  warten.  Die  Dichter  gingen  da  anders  vor  als  die 
Musiker  oder  Maler;  aber  das  hält  S.  für  unrichtig,  auch  die  Dichter  sollten  durch 
Energie,  „sanitätswidrige  Anstrengung",  den  Grad  ihrer  Fruchtbarkeit  erhöhen.  Nach 
Beginn  der  Arbeit  gilt  es  die  Vollendung  kurzer  Hand  zu  erzwingen.  Es  sei  eine  That- 
sache,  die  schwerlich  ein  Künstler  bestreiten  werde,  dass  während  oder  unmittelbar 
nach  einer  kräftigen  Arbeit  die  schöpferische  Phantasie  in  grösserem  Masse  sich  gegen- 
wärtig und  willig  zeige  als  im  träumerischen  Ruhezustände;  ferner  lehre  die  Er- 
fahrung, dass  neue  Eingebungen  um  so  reicher  zuströmten,  je  kräftiger  ein  Künstler 
die  alten  erledige,  je  fleissiger  er  sein  Lebtag  arbeite:  zwischen  Arbeit  und  Eingebung 
walte  folglich  ehi  ursächlicher  Zusammenhang.  Für  die  Visionsphänomene  glaubt  S. 
folgenden  „Kalender"  aufstellen  zu  können:  „Niemals  taucht  eine  Vision  an  demjenigen 
Punkt  auf,  nach  welchem  der  Schaffende  die  Aufmerksamkeit  gerichtet  hat,  wohl  aber 
rückwärts  und  vorwärts  auf  der  Bahn  des  Werkes  und  zwar  in  einer  Menge,  welche  der 
Energie  der  Arbeit  proportional  ist" ;  er  nennt  das  für  seinen  Hausgebrauch  „das  Gesetz 
der  ricochetierenden  Phantasie".  Unbedenklich  unternimmt  er  bei  der  w^üstesten  Stim- 
mung die  Arbeit,  denn  die  Stimmung  ist  Nebensache,  die  künstlerische  Phantasie  aber 
nicht;  in  einem  guten  Stoff  liegt  die  Kunststimmung  stets  enthalten.  „Ausserhalb  des 
Bereichs  des  Bewussten"  liegen  Lösung  „der  scheinbar  unentwirrbaren  Verwicklungen" 
oder  Auswahl  zwischen  anscheinend  gleichwertigen  Motiven;  denn  die  Visionen  sind 
stets  einfach,  es  muss  durch  Gedanken-  und  Willensarbeit  das  kompositorische  Hindernis 
so  weit  überwunden  werden,  dass  die  allereinfachsten  räumlichen  und  zeitlichen  Ver- 
hältnisse vorliegen,  ehe  von  der  Eingebung  ein  poetisches  Bild  zu  erwarten  ist.  S.  teilt 
das  als  seine  eigenen  Erfahrungen  mit,  vermutet  aber,  dass  er  nicht  privaten  Naturgesetzen 
unterliege  und  darum  anderswo  dasselbe  voraussetzen  dürfe.  —  Das  wird  bestätigt  durch 
einen  interessanten  Aufsatz  Spielhagens'^^);  der  Genius  ist  nach  ihm  im  genialen  Pleiss 
ebenso  exceptionell  wie  in  jeder  anderen  virtus.  „Hat  je  ein  Genie  existiert,  so  ist  es 
der  Fleiss  selbst  gewesen".  „Der  Dilettant  kann  mir  arbeiten,  wenn  er  in  Stimmung 
ist;  der  Berufskünstler  holt'  sich  seine  Stimmung  aus  der  Arbeit".  Regelrechte  Schulung 
und  beständige  Uebung  machen  den  Künstler  und  den  Meister.  Auch  in  der  Schilderung 
der  stillen  Arbeit  im  Innern,  die  plötzlich,  oft  wo  es  am  wenigsten  geahnt  werde,  das 
Bild  scharf  umrissen  zeigt,    stimmt  S.  mit  Spitteler  überein.     Natürlich  vergisst  auch  S. 


6,  86|7.)  —  75)  C.  Spittfiler  (Felix  Tandem),  Fleiss  n.  Eingebung.  Z.  Paycliologio  d.  dichterischen  Scliaffcns:  Kw.  4,  S.  113/5. 
—  76)  F.  Spielhagen,  Produktion,  Kritik  u.  Publikum.  =  Aus  meiner  Studienmappe.  Ueitrr.  z.  litt.  Aesth.  u.  Kritik.  2.  Aufl. 
K.1-46.    Berlin,  Allg.  Vorein  f.  D.  Litt.  IX,361.  S.  M.  6,00.  |[A.  Schröter:  BLU.  I,  S.  311  (nicht  gerade  anerkennend) ;  Grenzb. 


41  R.  M.  Weriior,   l'ootik  uinl   ilirn  (icsrhiclito.  1  ;i:   77-s4. 

diu  ]3o<^al)Uii<j;  iiiclit.  Alier  er  berücksichtigt  noch  anderes,  vor  allem  die  Stellung  des 
Künstlers  zxnn  Publikum  iji  ihrer  Bedeutung  für  beide,  dann  des  Kritikers,  als  eines 
Vermittlers  zwischen  beiden.  Mit  Gescliick  führt  S.  die  Verhältnisse  zurück  auf  die 
(Jrundtypen  xnid  gCM'iinit  dadurch  manchen  Aufschluss  über  K<)nnen,  über  Kennerschaft^ 
über  Wirkinig  und  Kunstabsicht.  Auch  die  Ki-itik  wird  von  ihm  vollauf  gewürdigt^'-^''); 
er  sieht  in  ihr  freilich  nur  einen  P^rsatz  für  das  normale  Verhältnis  eines  direkten  Ver- 
kehrs zwischen  Künstler  und  Publikum,  aber  einen  Ersatz,  der  notwendig  ist,  weil  eben 
das  Publikum  ein  buntes,  in  Geschmack,  Bildung  und  Empfänglichkeit  verschiedenes 
Konglomerat  darstellt.  Darum  vermag  aber  auch  der  Künstler  nicht  mehr  direkt  die 
Wirkung  des  Kunstwerks  auf  das  Publikum  zu  beobachten  und  darnach  sein  Werk  zu 
gestalten  oder  umzugestalten,  hier  hätte  die  Kritik  dem  Künstler  als  Ersatz  zu  dienen. 
Man  sieht,  wie  das  mit  der  künstlerischen  Arbeit  zusammenhängt.  — 

Mit  dem  Wesen  des  Genies  hat  sich  eingehend  K.  Bleibtreu80-82)  beschäftigt, 
indem  er  seine  „Paradoxe  der  konventionellen  Lügen"  weiterführt.     In   der  ihm  eigenen 
Schäi-fe    zieht    er    allerlei  „moderne"  lleberzeugungen    in    Zweifel    und    spricht    inibeirrt 
durch    Schlagwörter  wie    durch    Rücksichten    offen    und    subjectiv  seine  Ansichten    aus. 
Vieles  hängt  allerdings  nur  sehr  lose  mit  seinem  eigentlichen  Thema  zusammen,  aber  die 
Einheit  wird  durch  seine   originelle  Denkungsweise    herbeigeführt.     Ihm    ist    das    Genie 
„die  originale  Eortentwickelungsfähigkeit"  des  Menschen,    „das  ]>otenzierte  Entwicklungs- 
ja-iiizip,    der    lebendige    Zeuge    des    unveräusserlichen    Selbstbewusstseins    der    Mensch- 
werdung,   die  höchste    erreichbare    Stufe    der    descendenten    Perfectibilität";    das    Genie 
bezeichnet    die    Grenze   der  Entwicklungsfähigkeit^^),  bietet  aber  zugleich  den  stärksten 
Beweis  gegen  die  Descendenztheorie,  die  B.  völlig  verwirft.     „Die  Entstehung  des  Genies 
und  sein  vererb luigsunfähiges  Aussterben  wirft  das  schärfste  Streiflicht  auf  die  Schranken 
der    Entwicklungs-  und  VererbuTigslehre",    so    sagt  er  ausdrücklich.     Er  betrachtet  das 
Genie  als  das  Ausserordentliche,  das  gleichsam  zerstört  werden  muss,  weil  das  Normale 
das  Feststehende  ist.     B.  hält  also  das  Genie  nicht  etwa  für  eine  krankhafte  Erscheinung, 
im  Gegenteil    wie  Alberti  (181)0  I  3  :  84)  für  höchste  Gesundheit,  aber  für  eine,  die  nicht 
fortsetzungsfähig  ist.     Von    den    einzelnen    Eigenschaften    des  Genies   handelt    der  erste 
Aufsatz  nur  im  allgemeinen,  aber  der  Gegensatz  zwischen  Genie  und  Talent,  besonders 
mit  Rücksicht  auf  die  Technik,  wird    herausgearbeitet,  wobei  B.  gut  auf  das  Genie  als 
scheinbaren    Plagiator    eingeht,    der    „deduktive   Idealismus"    des    Genies    wird    betont: 
„seinem  Wesen    nach    deduktiv,    analysiert    das    Genie    zugleich    blitzschnell  die  Dinge: 
Schneller    denken    wie    andre,    wie   Napoleon  von  sich  rühmte,    zugleich    aber  logischer 
denken,    fiber    die    enge  Logik  des    gesunden  Menschenverstandes    hinaus,    kennzeichnet 
Genialität.    Intuition  und  Induktion  mischen  sich  unmerklich".    B.  verwirft  die  Schopen- 
hauersche  Trennung    von  Wille  und  Intellekt,  die  ihm  viclmelu-  eins   und  dasselbe  sind. 
Näher  geht  der  zweite  Aufsatz  diesem  Gedanken  nach.     „Im  genialen  Menschen  wächst 
von  Anbeginn  ein  genialer  Wille  neben  einem  genialen  Intellekt  und    umgekehrt".     Die 
Genialität  ist  demnach  „die  höchste  und  im  Grunde  euizig  wertvolle  Stufe  des    mensch- 
lichen Geistes".     Das  Genie  ist  seiner  selbst  im  höchsten  Grade  bewusst    und   naiv  nur 
darin,  dass  es  in  seinem  ungestümen  Drange  niemals  die  Vorsichtsmassregeln    der  Welt 
berücksichtigt.     Das    hebt  B.  besonders    gegen  Carlyle    hervor.     Wie  Schopenhauer  und 
E.  V.  Hartmann  setzt  B.  das  W^esen  des  Genies  in  die  Anschauung  und  bezeichnet  daher 
als  Hauptbedingiuig  die    Phantasie,  während    Beobachtung    nur    eine    technische  Talent- 
ausbildung   bedingt.     Dem  Genie  ist  sein  Dichten  und  Denken  Selbstzweck,  es  arbeitet, 
sich  seiner  wogenden  Ideenwelt  zu  entledigen,    darum  ist  es  produktiv,    wiederholt  sich 
aber  nicht,    es  produziert  wahllos,    daher  „oft    eine    gewisse    Ungleichheit    im    äusseren 
Wert  der  verschiedenen  Leistungen".     Nachdem    schon    in   den  ersten  beiden  Aufsätzen 
manche  Widersprüche  auffielen,  traut  man  seinen  Augen    nicht,    wenn    man    den  dritten 
liest,  der  zu  Lombroso  Stellung  nimmt.     Nun  erfahren  wir  plötzlich,    „dass   Genie  ohne 
eine  gewisse  physische   Schwäche    und    ohne    anormales  Wesen,    zum    mindestens    tolle 
Reizbarkeit  der  Nerven,  undenkbar  scheint",  nun  wird    mit  der  gleichen  Sicherheit,  wie 
in  den  früheren  Aufsätzen  das  Gegenteil  ausgesprochen:    „Irrsiini  ist  unklare  Genialität, 
Genie  ein  klarer  logischer  Wahnsinn".     „Es  giebt  keine  Ausnahme,  sondern  alle  genialen 
Naturen  sind  mehr  oder  weniger  krankhaft  oder  veiTückt" ;  ,, Genialität  ist  ein  chronischer 
Zustand,  IiTsinn  nur  ein  temporärer".     Ja  B.  stellt  das  „Gesetz"  auf:  „Unter  ungünstigen 
Umständen  tritt  überall  der  Irrsinn  ein,  wo  unter  günstigen  Umständen  Genialität";  und 
doch  wird  wenige  Seiten  später  behauptet:    „Genie    und    Irrsimi    stehen    ausserhalb  des 


II,  S.  55/6.]!  —  77)  O  X  H.  Helferich,  Künstler  u.  Kunstkritiker:  KunstfAlle.  C,  S.  164/9,  ISO/S.  -  78)  X  0.  Nenmann- 
Hofer,  Kritik  ii.  EUsonnement:  Kw.  4,  S.  214/5.  (,A»8  LBll.)  —  79)  X  A.  Neugraf,  Kritik  u.  Baisounement :  DentschZg. 
N.  7096.  —  80)  K.  Bleibtreu,  D.  naturwissenschaftliche  Anschauung  u.  d.  Genie.  =:  Letzte  Wahrheiten.  S.  1—98.  Leipzig, 
Kriedricli.  o.  J.  IV,  204  S.  M.  3,00.  —  81)  id.,  D.  Genie  an  sich:  ib.  S.  99—142.  —  82)  id.,  Genie,  Wahnsinn  u.  Strafgesetz : 
ib.  S.  143—89.  —  83)  X  0-  Pan«  z  za,  Genie  u.  Wahnsinn.  Vortr.  geh.  in  d  «Gesellsch.  f.  mod.  Leben*.  (=  Münchener 
Flugschriften    I.  Ser.    N.  5—6.)    München,   Pocssl.    32  S.    M.  0,20.   —    84)    W.  H.  v.  K  i  e  h  1 ,    D.  Sage   t.    verkannten  Genie 


I  3:   85-92.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  42 

Milieu,  die  Entwicklungskette  reisst  hier  ab."  Früher  hörten  wir,  dass  sich  Genie  nicht 
vererben  könne  (d.  h.  nicht  direkt,  abgesehen  von  der  Seelenwanderung),  nun  hören  wir, 
,dass  sich  die  musikalische  Begabung  (!)  ebenso  leicht  wie  der  Wahnsinn  vererbt, 
d.  h.  also  diejenige  Genialität,  die  nachweissbar  am  meisten  ziim  positiven  Wahnsinn 
neigt."  Welches  ist  nun  die  „letzte  Wahrheit?'-  Freilich  sagt  B.,  man  dürfe  die  Sünden 
und  Ausschreitungen  dieser  morbid  Unnormalen  niemals  pharisäisch  verurteilen,  weil  die 
Genialen  gleichsam  einer  anderen  Rasse  angehörten;  wie  stimmt  das  aber  mit  dem  Satze, 
dass  die  Menschheit  ihr  Ende  erreicht,  „sobald  alle  Menschen  , Genies'  geworden",  und 
dass  dies  „die  einzig  mögliche  Entwicklung"  sei?  B.  sieht  das  Genie  ,,ganz  einfach" 
als  einen  Besessenen  an,  „der  seine  Gehirn-  und  Lebenskraft  übermenschlich  steigert, 
sich  infolge  dessen  meist  auch  früh  verzehrt".  Einen  Unterschied  erkennt  aber  B.  doch 
zwischen  den  Genies  und  den  mit  ihnen  sonst  am  meisten  verwandten  ,, Streitsüchtigen 
und  Graphomanen",  und  das  ist  ,,die  aggressive  Extase";  auf  diese  Bezeichnung  legt  er 
„Wert",  weil  er  in  iln-  „das  Gesetz  der  Genialität  gefunden"  glaubt:  die  Irren  sind 
aggressiv  „ohne  den  beflügelnden  Schwung  der  Extase,  oder  ihre  wirre  Extase  ermangelt 
der  Logik  imd  Kraft".  Es  ist  unmöglich,  dem  dritten  Aufsatze  B.s  irgend  welche  Berechtigung 
zuzuerkennen.  Auch  scheint  er  den  Ausdruck  „Extase"  etwas  anders  zu  fassen,  als  die 
Psychologie  jetzt  gewöhnlich  thut^*).  —  Ueber  Extase,  besonders  bei  Richard  Wagner, 
hat  Bonnier^s)  emphatisch  geredet.  —  Ansprechend  handelt  Stommel^^)  mit  An- 
führung charakteristischer  Beispiele  von  der  schaffenden  Phantasie,  der  Anschauung,  die 
von  der  Einbildungskraft  verschieden  ist.  Dadurch  wird  das  Unbewusste  im  genialen 
künstlerischen  Schaffen  hervorgehoben  und  gegen  Zolas  „Beobachtung"  protestiert. 
S.  geht  natürlich  auch  von  Traum  und  Rausch  aus,  es  stört  aber,  dass  er  flüchtig  über 
die  Sachen  hingleitet,  statt  sich  in  sie  zu  versenken,  das  Ganze  ist  eben  nur  eine  Skizze.  -  - 
Der  populäre  Vortrag  R.  von  Wicherts^'')  giebt  einen  guten  Ueberblick  über  die 
moderne  Stellung  zum  Schönheitsproblem  und  ist  geeignet,  ein  grösseres  Publikum  in 
die  Aesthetik  einzufüluren ;  selbständigen  Wert  beansprucht  er  nicht. s^)  — 

Induktive  Poetik.  Eugen  Wolfl^s  „Prolegomena"  (189013:60)  wurden  ein- 
gehend besprochen  von  R.  M.  Werner  ^9)  und  Roethe  ^0-91).  "W".  sieht  in  dem 
Schriftchen  nur  einen  bescheidenen  Versuch  zur  Lösung  der  Aufgaben,  welche  der 
Poetik  harren,  zweifelt  aber  daran,  ob  Wolff  Recht  that,  schon  jetzt  in  umfassender  Weise 
die  eventuellen  Resultate  einer  evolutionistischen  Poetik  auszumalen;  er  macht  ferner 
auf  einen  prinzipiellen  Mangel  dieses  Versuches  aufmerksam,  dass  nämlich  die  Wirkung 
poetischer  Werke  auf  ihre  Zeit  nicht  beachtet  wurde,  darnach  scheidet  er  kurz  andeutend 
die  Aufgabe  der  Litteraturgeschichte,  der  Kxilturgeschichte  und  der  Poetik  und  zeigt 
die  Berechtigung  für  die  Poetik  auf,  eine  Auswahl  unter  den  Werken  zu  treffen.  Gegen 
Wolff  vertritt  W.  weiter  die  Ansicht,  die  Urform  der  Poesie  sei,  so  weit  wir  bis  jetzt 
sehen  können,  die  Lyrik,  nicht  die  Epik;  schliesslich  tadelt  er,  dass  Wolff  die  Poetik 
nicht  als  einen  Zweig  der  Aesthetik  anzusehen  scheine.  Schärfer  als  Werner  verurteilt 
R.  das  Heft,  indem  er  das  Neue  nicht  richtig  und  das  Richtige  nicht  neu  findet.  Wie 
Werner  protestiert  er  gegen  Wolff's  Auffassung  der  „Entladung"  in  der  Tragödie  und 
den  andern  Dichtungsarten,  er  hebt  dann  hervor,  dass  die  Litteratiu'geschichte  die 
induktive  Methode  nicht  erst  von  Darwin  zu  lernen  brauchte  nach  alle  dem,  was  unser 
Jh.  dem  Aufschwung  der  historischen  Wissenschaften  verdankt;  schliesslich  betont  er 
scharf,  dass  er  nicht  recht  an  einen  Litterarhistoriker  glauben  könne,  der  nie  Philologe 
gewesen  sei.  —  Gegen  diese  Recension  hat  Wolff  ^2)  eingewendet,  sie  erfasse  den  Grund- 
gedanken seiner  Schrift  nicht  richtig:  es  komme  ihm  für  die  Poetik  nicht  auf  die 
„klassischen  Beispiele",  sondern  auf  das  litteraturgeschichtliche  Gesamtmaterial  ah,  das 
auch  von  der  Poetik  in  seiner  geschichtlichen  Ordnung,  nicht  in  zusammenhanglosen 
Einzelbeispielen  verwendet  werden  müsse;  er  verlange  ein  „Inbeziehungsetzen"  des 
litteraturgeschichtlichen  Gesamtmaterials  „unter  grundsätzlicher  Anerkennung  der  obwal- 
tenden Entwicklung  d.  h.  allmählichen  Aus-  und  Umbildung  der  poetischen  Gattungen". 
Er  geht  nicht  auf  das  blosse  Feststellen  des  Gemeinsamen  bei  Sophokles  und  Shakespeare 
aus,  sondern  auf  Darlegung  ihrer  notwendigen  Verschiedenheit,  wie  sie  nur  im  Zusammen- 
hang der  durch  stete  Wandlungen  bezeichneten  litterarischen  Entwickehing  hervortrete. 
Dabei  setzt  er  aber  voraus,  was  doch  erst  zu  zeigen  ist,  dass  nämlich  von  Sophokles  z\i 
Shakespeare  wirklich  eine  stete  Wandlung  der  bezeichneten  litterarischen  Entwdcklung 
stattgefunden  hat,  er  vergisst,  dass  die  Wirkung  der  klassischen  Beispiele  immer  von 
neuem  eintritt,  für  jeden  Dramatiker  Sophokles   dann  abermals  zu  leben  beginnt,   wenn 


(Nach  e.  Vortr.):  Didaskalia  N.  275.  —  85)  C.  Bon nier,  D.  Extase :  liayreutliBll.  14,  S.  222|9.  -  86)  K.  Stoinmel,D. 
Traumanschauung  in  d.  Kunst.  =  Aus  d.  Geistosleben  d.  Gegenwart.  S.  143-71.  Düsseldorf,  Bagel.  2.  Aufi.  o.  J.  VIII,  423  S.  M.  3,00. 
—  87)  B.  V.  Wichort,  l).  Sch(!no.  (=  D.  ewigen  Ratsei.  2.  Serie.  S.  21—41.)  (Vgl.  1890  13:72.)  -  88)  X  F-  Goeler  v. 
Kayonsburg,  Z.  Aesthetik:  LMorkur  11,  S.  1/3.  (Seiihte  Besprechung  d.  Dissertation  v<.n  (».  Mautnor-Markhof.  1890. 
13:82.)  —  89)  K.  M.  Werner,  Kouo  Schriften  z.  Poetik:  ADA.  17,  H.  154-61.  -  90)  G.  Rootho,  E.  W  olil',  Prologomena: 
ZDPh.  24,  S.  273/5.   —    91)  X  A.  Döring,  E.  Wolff,    Prolegomena:    ASNS.  86,  S.  <J0/1.    -    92)    Eug.   Wolff,    Erwiderung 


4.'^  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  »8-9K. 

er  «ich  in  ihn  lüiieinfindct,  hinuinstudiort,  hineinfühU,  dasH  die  Httorarischo  Entwick- 
hing der  Wehlitteratur  von  jedem  Dichter  nach  Massgahe  Heiner  perscinhchcn  Entwick- 
hnig  in  einer  keinenwega  mit  dem  hiHtorischen  Verlaufe  stimmenden  Reihenfolge  neuer- 
lich durchgemacht  wird.  W.  fordert  von  seiner  Poetik  daiier  nicht  mir  etwas  Unmögliches, 
sondern  sogar  etwas  Unsinniges;  er  sucht  nach  den  Gesetzen  der  Gattungsontwicklung, 
ohne  daran  zudenken,  dass  Menschen  die  Träger  dieser  Dichtungsgattungen  sind.  Durch 
seine  Erwiderung  hal)on  seine  Ansiriiten  keineswegs  an  Klarheit  gewonnen,  ja  es  ist 
unbegreiflich,  wie  er  hei  seiner  Parallelisierung  der  Wandlung  und  Entwickelung  in  der 
l'oesio  mit  derjenigen  der  natCirlichon  Arten  auf  historischem,  nicht  naturwissenschaft- 
lichem Boden  zu  stehen  glaubt.  —  Was  er  dann  Werners  und  Roethes  Einwand  gegen 
seine  Entladungstheorie  entgegnet,  das  hatRoethe^^^  in  seiner  „Antwort"  zurfick- 
gewiesen.  Der  8treit  über  die  Bedeutung  der  Philologie  aber  ist  unverständlich,  denn 
nach  Wolfls  Aeusserung,  seine  Methode  sei  systematisch-litteraturgeschichtlich  und 
philologisch,  stimmt  er  doch  R.s  Ansicht  uneingesclu-änkt  zu.  — 

Mit  der  Frage  nach  der  Urform  der  Poesie  beschäftigte  sich  Jacobowski '•'^j 
und  schlug  den  ontologischen  Weg  ein.  Er  entdeckt  als  ursprüngliche  Aeusserung  der 
Em})findungen  tiberall  Laute,  die  wir  lyrisch  nennen  müssen,  und  erkennt  zwei  Quellen: 
Lust  und  Unlust,  die  beide  lyrisches  Aussprechen  veranlassen;  wir  haben  also  von 
Anfang  an  eine  doppelte  Lyrik.  Zweierlei  kommt  für  sie  in  Betracht:  Gefühlsruhe, 
die  unproduktiv  bleibt,  und  plötzlich  oder  allmählich  eintretenile  Lust  oder  Unlust, 
welche  die  Seele  aus  dem  indifferenten  Zustand  aufrüttelt  und  zum  Laut,  also  zur  Urlyrik 
nörjgt.  Dabei  verhalten  sich  aber  Lust  und  Unlust  schon  verschieden :  die  Lust  drängt 
nur,  wenn  sie  stark  und  explosiv  in  den  Ruhestand  einbricht,  zur  lyrischen  Aeussei*ung, 
während  bei  der  Unlust  auch  allmähliches  und  schwaches  Einbrechen  so  wirken  kann. 
Die  Lust  nehmen  wir  ferner  einfach  auf,  ohne  zu  fragen,  woher  sie  kommt,  während  wir 
sehr  ei-finderisch  sind,  die  wirklichen  oder  vermeintlichen  Unlustquellen  auszuspüren. 
Dadurch  gewinnt  die  Unlustlyrik  quantitativ  und  qualitativ  das  Uebergewicht  über  die 
Lustlyrik.  Zudem  bleiben  von  Lustempfindungen  geringere  Erinnerungsreste  als  von 
Unlustempfindungen.  J.  glaubt  auf  diesem  Wege  die  Schwierigkeiten  hinweggeräumt 
zu  haben,  die  Scherer  in  seiner  Poetik  so  viel  zu  schaffen  machten,  da  er  die  Poe.^ie 
aus  der  Freude  ableitete  und  nun  herauszubringen  suchte,  wieso  trotzdem  das  Unan- 
genehme Gegenstand  der  Poesie  werden  könne;  auch  den  Versuch  Werners  (ADA.  13, 
278  ff.),  das  Bedürfnis  nach  Abwechslung,  Zerstreuung,  LTnterhaltung  zur  Erklärung  des 
Phänomens  herbeizuziehen,  vei'würft  J.,  indem  er  ihn  mit  Schillers  Spieltrieb  in  Zusammen- 
hang bringt.  Aber  Werner  macht  in  seiner  Besprechung  von  J.s  Schrift  auf  einen 
Grundirrtum  des  Vf.  aufmerksam,  dem  sich  die  Lyi'ik  aus  Lust  oder  Unlust  zu  einer 
Lyrik  von  Lust  oder  Unlust  verwandelt,  wälirend  W.  wie  Scherer  darin  .schon  eine 
weitere  Stufe  der  Entwicklung  sieht.  Er  weist  darauf  hin,  dass  alles,  was  J.  von  der 
Urlj'rik  sagt,  nur  so  lange  gilt,  als  sie  die  einzige  Urpoesie  ist,  nur  so  lange,  als  die 
Poesie  noch  die  unwillkürliche  Aeusserung  von  Lust-  und  Unlustgefühlen  genannt  werden 
kann.  In  dem  Augenblicke  jedoch,  da  der  primitive  Mensch  sich  mit  seiner  Aeusserung 
an  ein  anderes  Wesen  richtet,  ändert  sich  der  Charakter  der  Poesie;  sie  sucht  nun  Wir- 
kinigen  zu  erzielen,  das,  was  sie  selbst  fühlt,  auf  einen  anderen  zu  übertragen,  sie  setzt 
also  ein  Publikum  voraus  und  wird  zur  Urform  jener  Dichtungsgattung,  für  die  kein 
Name  allgemein  giltig  ist  (Schiller-Goethe  nennen  sie  die  pragmatische^  sie  teilt  sich 
in  die  epische  und  dramatische.  J.  verfolgt  die  Lyrik  mir  bis  zu  dem  Punkte,  wo  sie 
zur  Poesie  im  engeren  Sinne  des  Wortes  wird,  so  dass  die  scheinbar  einander 
diametral  entgegenstehenden  Ansichten  von  Wolff  und  J.  sich  vereinigen  lassen:  in  der 
Litteratur  tritt  die  Epik  früher  auf  als  die  Lyrik,  obwolil  diese  die  Urpoesie  ist.  Wolif 
fragt  nach  den  Anfängen  der  Litteratur,  J.  nach  denen  der  Poesie,  und  so  haben  beide 
Recht.  J.  betrachtet  dann  noch  den  Zusammenhang  von  Lyrik,  Bewegung  (Tanz)  und 
Rhythmus,  die  Form  und  den  Inhalt  der  Urpoesie,  endlich  ihre  Differenzierung.  J.s 
Behauptungen  shid  z.  T.  so  kühn,  dass  manche  Recensenten  daran  Anstoss  nahmen  und 
den  gesunden  Kern  des  Schriftchens  libersahen.^-"')  — 

Selir  bedeutsam  hat  Walzel  »6)  die  Vorträge  des  Frlirn.  v.  Berger  (1890  I  3  :  32) 
besprochen  und  dabei  die  tiefe  Uebereinstimraung  zwischen  Scherer  und  v.  Berger 
aufgedeckt.  Er  begründet  die  Notwendigkeit  des  historischen  Standpunkts  dem  Drama 
gegenüber,  behandelt  klug  das  Verhältniss  von  Poetik  und  Litteraturgeschichte,  Pliilo- 
logie  und  Technik,  weist  v.  Bergera  Polemik  gegen  die  Bucherzählung^^)  zurück  und 
betont  die  Wichtigkeit  des  Theatralischen  für  das  Drama.     W.  würdigt  dabei  die  Vor- 


ZDPh.  24,  S.  428/9.  -  93)  0.  Roethe,  Antwort  d.  Rezensenten:  ib.  S.  429—30.  -  94)  L.  Jacobowski,  D.  Aonnge  d. 
Poesie.  Grundlegung  zu  e.  realistischen  Entwickelungsgesch.  d.  Poesie.  Dresden  u.  Leipzig,  Pierson.  VIII,  141  S.  M.  2.50.  [B. 
JI.  Wem  er:  ADA.  17,  S.  164/7  ;BLÜ.  I,  S.  143;  A.  B— r:  LCBI.  S.  875/6;  Kruse:  KielZg.  N.  14212;  J.  Ettlinger:  AZg».  N.  145.]| 
—  95)  X  id.,  Poetik  d.  Lachens:  Zeitgenosse  1,  S.  180;4.  —  96)  0.  F.  Walzel,  A.  v.  Berger,  Dramaturgische  Vortir.:  AZg». 
N.  G2.    —    97)X6Manz,   Unser  Poesiegenuss.    E.  ernsthafte  Plauderei:    Zeitgenosse  1,   S.340/3.    —    98)    V.    Valentin, 


I  3:  98-105.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  iliro  Geschichte.  41- 

Züge  der  Schererschen  Poetik.  —  Ihr  hat  V.  Valentin  ^8)  vorgeworfen,  sie  entspreche 
dem  Titel  nicht,  weil  Scherer  die  scharfe  Abgrenzung  der  Begriffe,  mit  denen  gearbeitet 
wird,  nicht  getroffen  habe;  seine  Poetik  sei  die  Lehre  von  dem  Wesen  der  Poesie. 
V.  sieht  in  Scherers  Buch  eine  Gefahr  und  'nimmt  deshalb  Stellung  dagegen,  nicht  ohne 
mit  sich  selbst  in  Widerspruch  zu  geraten:  so  billigt  er  zwar  die  induktive  Methode, 
verwirft  aber  die  Behandlung  einer  ästhetischen  Präge  auf  einem  einzelnen  Kunstgebiete, 
es  müsse  die  ganze  Kunst  herangezogen  werden.  Damit  setzt  er  etwas  als  Ausgangs- 
punkt, was  doch  erst  Zielpunkt  sein  soll.  Erst  wenn  für  die  Einzelgebiete  die  Induktion 
dm-chgeführt  ist,  können  wir  zu  dem  allen  Künsten  Gemeinsamen  vordringen.  V.  wirft 
Scherer  Unklarheit  vor,  nennt  aber  dann  die  Sixtinische  Madonna  „ein  poetisches  Kunst- 
werk", was  er  vom  „dichterischen"  Kunstwerk  unterscheiden  will.  Das  ist  nichts  als 
Spielen  mit  den  Worten.  Gegen  Scherer  bestimmt  V.  die  Poetik  als  „die  Lehre  von 
den  dichterischen  Gattungen  und  Formen",  nur  sagt  er  leider  nicht,  was  „dichterisch" 
ist,  während  Scherer  eben  eine  Pormel  finden  wollte,  die  eine  Tautologie:  Poetik  ist  die 
Lehre  von  der  Poesie  vermeidet.  Man  wundert  sich,  dass  V.  so  wenig  Verständnis 
für  das  Werk  hat,  welches  gewiss  vielfach  zum  Widerspruche  reizt,  aber  eine  scharf 
umrissene  Phj^siognomie  zeigt.  — 

Valentin  99)  hat  im  Anschlüsse  daran  auch  Werners  Werk  „Lyrik  und  Lyriker" 
(1890  I  3  :  36)  beurteilt  und  „eine  merkwürdige  TJebereinstimmung"  in  beiden  Büchern 
entdeckt:  „das  einzelne  aus  der  Aesthetik  herausgegriffene  Gebiet  soll  einmal  historisch- 
philologisch, das  andere  Mal  naturwissenschaftlich  behandelt  werden,  und  beide  Male 
kommt  die  Behandlung  gegen  den  Willen  der  Vff.  auf  das  philosophische  und  speziell 
das  ästhetische  Gebiet";  er  findet  darin  ein  Zeichen,  dass  für  ästhetische  Fragen  die 
ästhetische  Behandlung  die  einzige  wäre.  Lipps^^o)  sieht  aber  gerade  in  dem  Inhalte 
des  Wernerschen  Werkes  „ästhetische"  Behandlung,  weil  für  ihn  das  „Endziel"  der 
Aesthetik  „Verständnis  des  Schönen,  nicht  dieses  Allgemeinbegriffs,  sondern  der  mannig- 
fachen Arten  seiner  Verwirklichung  in  der  Welt  ist".  Es  müsste  daher  vor  der  Er- 
füllung von  V.s  Begehren  erst  eine  Einigung  über  das  Wesen  der  ästhetischen  Behand- 
lung erzielt  werden.  V.  bestreitet,  dass  das  für  „einige  Lyriker"  Gefundene  für  die 
Lyi'ik  gelte;  er  weist  aber  nicht  einen  einzigen  Lyriker  auf,  für  den  es  nicht  gilt,  ja 
er  sagt,  die  Gesetze  müssen  für  den  Prozess  des  dichterischen  Schaffens  überhaupt 
gelten,  wenn  sie  richtig  wären;  das  hat  aber  Werner  S.  x.  ausdrücklich  selbst  hervor- 
gehoben. V.  meint,  die  Untersuchung  habe  auszugehen  von  den  beiden  Fragen:  „wie 
kommt  der  dichterische  Prozess  überhaiipt  zustande?"  und  dann:  „was  macht  im  ein- 
zelnen Falle  einen  besondereii  dichterischen  Prozess  zum  Hervorbringer  einer  lyrischen 
Dichtung?"  Eine  Vorfrage  betrifft  das  Wesen  der  Gattimgen.  V.  verwirft  die  Zwei- 
teilung der  Dichtung  in  Lyrik  und  Pragmatik  und  verheisst  eine  eigene  Darstellung  des 
Gegenstandes.  Auch  an  den  Tabellen  Werners  nimmt  V.  Anstoss,  worin  R.  M.  Meyer  ^oi) 
mit  V.  'übereinstimmt.  M.  tadelt  die  äusserlichen  Einteilungsgründe,  möchte  z.  B.  beim 
indirekten  Erlebnis  unterschieden  sehen,  ob  die  Anregung  durch  inhaltliche  oder  formelle 
Momente  gegeben  wurde ;  er  vermisst  beim  inneren  Wachstum  Rücksicht  auf  die  innere 
Ordnung  und  das  Entstehen  des  Gedichtes  im  einzelnen  von  Vers  zu  Vers,  von  Strophe 
zu  Strophe.  Bei  der  Geburt  unterscheidet  er  Improvisation,  Gelegenheits-,  Erinnerungs- 
und Bestellungsgedicht.  —  Am  schärfsten  ist  Minor  102)  dem  Werke  zu  Leib  gegangen, 
um  es  im  allgemeinen  und  im  besonderen  zu  verwerfen.  — 

Durch  Viehoffs  Poetik  angeregt,  an  die  auch  ein  Aufsatz  Kiys^oa)  über  Poesie 
und  Malerei  anknüpft,  hat  sicli  in  sehr  ansprechender  Weise  Roetteken 'Oi)  mit 
den  Kunstmitteln  beschäftigt,  durch  die  es  dem  Dichter  gelingt,  in  unserer  Phantasie 
Bilder  von  Dingen  der  physischen  Welt  zu  schaffen.  Besonders  deutlich  hat  er  die 
Gefahren  dargestellt,  denen  die  Beobachtung  auf  diesem  Gebiete  ausgesetzt  ist.  Er 
nimmt  einzelne  der  Mittel  durch,  prüft  sie  und  teilt  seine  Beobachtungen  iiber  die  von 
ihm  selbst  erlebten  Wii-kxmgen  mit;  dabei  ist  er  häufiger  veranlasst,  Viehoff  zu  wider- 
sprechen, als  ihm  zuzustimmen.  Er  geht  aber  nicht  nur  auf  Gesichts-  und  Gehörs- 
vorstellungen ein,  sondern  auch  auf  Geschmacks-,  Geruchs-  und  Tastvorstellungen  und 
bespricht  die  Verschiedenheiten  iniseres  Verhaltens  ihnen  gegenüber.  Seine  Resultate 
sind:  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ist  die  physische  Welt  darstellbar,  so  weit  sie  sich 
dem  Auge  und  dem  Ohr  enthüllt;  die  Objekte  der  anderen  Sinne  lassen  sich  dagegen 
für  die  meisten  Menschen  nicht  eigentlich  darstellen,  nur  die  Gefühle,  die  an  den  Sinnes- 
affektionen  hängen:  es  handelt  sich  also  dabei  mindestens  ebensosehr  um  Darstellung 
der  psychischen  wie  der  physischen  Welt.  Der  Aufsatz  verdient  allgemeine  Beach- 
tung. ^05)  —  ]y[j^  eij^  pj^g^j.  neuen  Beispielen,  sonst  aber  im  wesentlichen  unverändert  und 

W.  Schcror,  Poetik:  ZYLR.  NF.  4,  S.  478—85.  -  99)  id.,  R.  JI.  Wornor,  Lyrik  u.  Lyriker:  ib.  S.  485-94.  -  100)  (S.  o.  N.  31. 
Besonders  S.  565|7.)  -  101)  R.  M.Moyftr,  K.  M.  Wonior,  Lyrik  u.  Lyriker:  .\DA.  17,  8.  320/8.  —  102)  (S.  o.  N.  37.)  —  103)  X 
V.  Kiy,  D.  DicUtor  als  Maler.  Nach  H.  Vichofts  Auffassung:  llambCorr«.  N.  28/9.  —  104)  H.  Roottekon,  Z.  Leluo  v.  d. 
Darstellungmitteln  in  d.  Poesie:    ZVLK.  NF.   4,  S.  17—47.  -  105)  O  X  P-  v.  Schöuthan,  Litt.  Spezialitäten:   FromdenBl. 


45  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  loe-iis. 

ohne  neixe  Erfjebnisse  hat  W.  Jordan '^)  das  Thema  des  Laokoon  wieder  aufgenommen ; 
nur  die  Polomik  gegen  die  Illustrierwut 'ö^)  und  die  Meiningerei  unserer  Tage  kann 
man  liervorhebcn.  — 

Gegen  Biese  (1890  I  3:90)  wendet  sich  Valentin  ^08)^  indem  er  für  den 
Anthropomorphismua  unterscheidet  „zwischen  der  Thatsache  der  allgemeinen  Bo- 
lohung  des  Objekts  durch  das  Subjekt  und  der  besonderen  Vorstellung,  wie  diese  Be- 
lebung sich  Hussert:  die  orstoro  nimmt  das  Subjekt  aus  sich,  die  zweite  aus  seiner  Er- 
falu-uiigin  der  Welt,  zu  der  es  ja  auch  gehört".  Nur  jene  Form  könnte  man  „Einfühlung" 
nennen.     Das  Associationsprinzip  ersclieint  V.  fraglich.  — 

Eine  gedrängte  Uebersicht  über  das  dichterische  Schaffen  gibt  R.  Weit- 
brecht ^os)^^  obwohl  er  in  seinem  durch  Form  und  Gedanken  gleich  ausgezeichneten 
Aufsatze  nur  seine  Grundsätze  der  Kritik  erläutern  will.  —  Otto  Ernst***')  hebt  als 
charakteristisch  für  den  dichterischen  Prozess  das  Mitschwingen  grösserer  Vorstellungs- 
kom])lexe,  vor  allem  entfernterer  Vorstellungen  hervor,  durch  das  ein  Werk  den  Ein- 
druck des  Selbstverständlichen  erregt;  der  Dichter  braucht  darum  auch  reiche  Bildung, 
nicht  Gelehrsamkeit.  Der  überquellende  Reichtum  seines  Geistes  entrückt  ihn  den  Herzen 
der  Verständnislosen,  deshalb  werden  die  bedeutendsten  Dichter  nicht  immer  am  schnellsten 
anerkannt.  — 

Spielhagen*")  unterscheidet  verschiedene  Arten  der  Popularität,  denn  das 
Publikum  besteht  aus  drei  Gruppen :  den  mit  allen  Bildungsmitteln  ihrer  Zeit  Ausgerüsteten, 
den  Kultivierten,  den  Unkultivierten.  Der  erste  Eindruck  eines  Werkes  kann  sein,  dass 
es  von  den  beiden  ersten  Gruppen  acceptiert  wird;  das  tritt  dann  ein,  wenn  es  aus  den 
aktuellen  Interessen  der  betretenden  Zeit  hervorgeht,  zugleich  aber  das  stofflich  Wirk- 
same in  einer  Grösse  und  mit  einer  Grossheit  behandelt,  dass  es  über  die  momentanen 
Stimmungen  und  Tendenzen  hinweg  in  das  Ewige  der  Menschennatur  hinüberweist.  Das 
Werk  kann  aber  auch  von  der  mittleren  Schicht  acceptiert,  von  der  obersten  abgelehnt 
werden,  das  hat  dann  vorübergehende  Popularität  zur  Folge.  Der  Fall,  dass  ein  Werk 
von  der  obersten  Gruppe  acceptiert,  von  der  mittleren  dagegen  abgelehnt  wird,  macht 
es  für  immer  unpopulär  und  hat  seinen  Grund  in  einem  Zuwenig  oder  Zuviel:  entweder 
ist  der  GriiF  ins  volle  Menschenleben  nicht  geglückt,  oder  es  gelang  nicht,  das  Heraus- 
gegriffene mit  dem  Wohl  und  Wehe  der  Menschheit  in  einen  auch  minder  scharfen 
Augen  unverkennbaren  Zusammenhang  zu  bringen.  Die  höchste  Popularität  ist  die 
Klassizität,  die  Welttümlichkeit,  die  immer  nur  Werken  in  rhythmischer  Form  zu  Teil 
wird.     S.  spricht  gescheidt  und  klug  über  das  Wesentliche  dieses  Rhythmischen.  — 

Einzelne  Fragen.  Vielfach  behandelt  wurde  das  Verhältnis  von  Dichtung 
und  Wahrheit.  **2-ii4).  Spielhagen  i*^)  schränkt  den  Satz  ein,  den  Karl  Frenzel 
aufstellte,  „die  Dichtkunst  strebt  nicht  nach  Wahrheit,  sondern  nach  Wahrscheinlichkeit", 
indem  er  nachweist,  die  Dichtkunst  müsse  auch  zum  Unwahrscheinlichen  greifen,  das 
Unwahrscheinliche  despotisch  in  ihren  Dienst  zwingen;  nur  dann  erfiille  sie  ihre  Auf- 
gabe. —  B.  Münz  1*6)  protestiert  gegen  die  grundsätzliche  Scheidung  von  Kunst  und 
Wissenschaft,  nicht  wegen  der  einzelnen  „Dichterphilosophen",  sondern  weil  beide  den- 
selben Weg  nach  demselben  Ziel  gelien.  Alle  Dichtung  ist  realistisch,  sogar  mehr  als 
der  Naturalismus,  aber  sie  schöpft  wie  die  Wissenschaft  „aus  dem  Tage  die  Ewigkeit"; 
sie  begegnet  sich  mit  der  praktischen  Philosophie,  nur  legt  sie  die  Früchte  ihres  Nach- 
denkens in  anderer  Form  .vor.  Aber  auch  der  Denker  ist  ein  Dichter**'),  wenn  er  wirk- 
lich ein  Denker  ist.  —  Schell wien  **8)  will  gleichfalls  von  einer  Gebietsteilung,  die 
besonders  scharf  Macaulay  vornahm,  zwischen  Wissenschaft  imd  Kunst  nichts  wissen, 
weil  die  Wahx-heit  keiner  gehört,  die  Wissenschaft  durch  das  Denken  die  unveränder- 
liche Gesetzmässigkeit  alles  Geschehens,  die  Kunst  durch  das  Dichten  das  konkrete 
Leben  und  seiiie  geschichtliche  Fortbewegung  zu  interpretieren  sucht«  Die  beiden 
ergänzen  sich  demnach,  aber  „die  Wissenschaft  darf  nicht  dichten,  die  Dichtkunst  nicht 
demonstrieren".  Nach  zwei  Seiten  hin  muss  sich  jedoch  die  Dichtung  „als  Wahrheit 
erweisen":  1)  durch  Uebereinstimmung  mit  der  sinnlichen  Realität,  die  allein  ihr 
waliren  Stoff  verleihen  kann,  und  2)  durch  die  Wahrheit  des  inneren  Lebens,  mit  dem 
sie  diesen  Stoff'  in  der  freien  Reproduktion  erfüllt.  Leicht  hat  es  S.,  die  Ansicht  Zolas 
von  der  Möglichkeit  eines  roman  experimental  als  weder  der  Wissenschaft  noch  der 
Dichtung    entsprechend    ad    absurdum    zu  führen;    aber    seine    eigenen    Ansichten    sind 


I 


N,  42.  —  106)  W.  Jordan,  Bild  n.  Wort.  =  Epistoln  h.  Vortrr.  8.  76—156.  (S.  o.  N.  24.)  -  107)  X  G-  Oortel,  «Vor- 
illustrioren"  d.  Poeten:  Kw.  4,  S.  116/7.  (Aus  d. LZg.  vgl.  DtschWarte.  Giebt  einigt»  Beispiele  unsinniger  Gcdirlitilinstrat'onen.) 
108)  V.  Valputin,  A.  Kiese,  d.  Assoziationsprinzip  u.  d.  Anthropomorpliismus:  ZVLR.  NF.  4,  S.  2.56,'9.  —  109)  R.  Weit- 
breuht,  Kritiker  u.  Dichter:  BLU.  II,  S.  625/7.  —  110)  Otto  Ernst,  U.  Oedankenwerkstatt  d.  Üirhfers.  E.  zweite  Be- 
trachtung z.  Psychologie  d.  Dichtung:  ML.  60,  S.  56/9.  (l.  vgl.  1890  13:  114.)  —  III)  F.  Spielhagen,  Litt.  Popularit«. 
=  Aus  moiuer  Studienraappe.  S.  47—62.  (S.  o.  N.  76.)  —  112)  X  H.  Bahr,  Wahrheit,  Wahrheit;:  Nation".  8.  S.  ö90,3.  — 
113)  3  X  Wahrheit?:  Grenzb.  4,  8.559-65.  —  114)  Otto  Ernst,  (18<.K)  13  :  114):  Kw.  4.  S.  132,5.  —  115)  F.  Spielhagen, 
Wahrscheinlichkeit  in  d.  Dichtung.  (E.  offener  Brief  an  Karl  Frenzel.)  =  Aus  meiner  Studienmappe.  S.  W— 7S.  (S.  o. 
N.  76.)  -  116)  B.  MUn  z,  Dichtung  u.  Wahrheit:  BLU.  S.  620—31.  —  117)  id.,  Wahrheit  n.  Pichtii-g:  ib.  S.  545  7.    -    1:8)  U, 


I  3:  119-128.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  46 

durchaus  nicht  sicher  genug  ausgedrückt  und  sein  ganzes  Prinzip  ist  recht  anfechtbar, 
weil  er  durchaus  konstruktiv  feststellt:  das  soll  die  Dichtung,  das  soll  sie  nicht,  statt 
zu  sagen:  das  kann  sie,  das  nicht.  Mit  Recht  meint  die  Redaktion  in  einer  Pussnote 
zu  diesem  Aufsatze,  das  letzte  Wort  in  dieser  Präge  habe  der  grosse  Dichter  durch 
sein  Können  zu  sprechen.  Die  ästhetische  Forschung  kann  auch  weiter  kommen  als  bei 
S.,  aber  sie  muss  untersuchen,  nicht  deklamieren  und  remonstrieren,  nicht  von  Wahrheit 
und  Preilieit  sprechen,  ohne  dass  dabei  eigentlich  etwas  herauskommt.  Ein  weiteres 
Lieblingsschlagwort  des  Vf.  ist  „die  Allheit" :  auch  dieses  fördert  nicht  sonderlich. 
Auffallend  ist  die  ungerechte  Verteilung  von  Licht  und  Schatten,  an  Zola  wird  alles 
getadelt  und  verworfen,  weil  er  die  Preiheit  nicht  darstellt;  an  Ibsen  wird  vieles  gelobt, 
weil  er  die  Preiheit,  wenn  auch  nur  im  Gegensatze  zur  Natur  vorführt.  Das  Urteil, 
das  S.  fällt,  ist  übrigens  durchaus  kein  ästhetisches,  er  fasst  die  dichterischen  Gestalten 
nicht  ästhetisch,  sondern  ethisch  oder  moralisch  ins  Auge  und  polemisiert  nicht  gegen 
die  Kunst  oder  Afterkunst,  sondern  gegen  die  Weltanschauung  und  die  Ansichten  der 
Dichter.  Auch  die  Thatsachen  sind  nicht  immer  richtig  angegeben:  so  wundert  er  sich 
iiber  die  Subjektivität  des  experimentalen  Romans  und  vergisst  ganz,  dass  Zola  vom 
Roman  verlangt,  er  solle  Natur  sein  „aufgefasst  durch  ein  Temperament".  Der  Ästhetik 
ist  mit  Aufsätzen,  wie  dieser,  nicht  gedient,  Methode  steckt  auch  nicht  in  ihnen,  sie 
gehören  einer  verschwundenen  Periode  an  und  besonders  den  Ausführungen  S.s  ver- 
mag ich  nicht,  wie  Pranzos  in  der  erwähnten  Note,  das  Prädikat  „anregend"  zu.  geben. 
Am  besten  erscheint  mir  noch  das  über  die  Geschichtsschreibung  im  Verhältnis  zur  Dich- 
tung Gesagte;  leider  ist  dieser  Teil  der  kürzeste  des  Artikels. i^^)  — 

Bruno  Wille  120-122")  untersucht  die  Präge,  ob  Tendenz  in  der  Poesie  immer 
verwerflich  sei,  und  verneint  sie:  nicht  in  jeder  Bedeutung  des  Wortes  dürfe  Tendenz 
verworfen  werden;  er  macht  darauf  aufmerksam,  dass  jedesmal  dann  die  AVirkung  ver- 
sagt, wenn  der  Dichter  einen  Effekt  verlangt,  ohne  die  Voraussetzungen  dazu  zu  bieten. 
Verwerfliche  Tendenz  hat  nach  ihm  z.  B.  die  Schlagwortpoesie,  die  historische  oder 
mythologische  Anspielungspoesie,  das  Lehrgedicht.  Die  Agitationspoesie  kann  vielfach 
nur  zur  Rhetorik,  nicht  zur  Poesie  gerechnet  werden,  weil  sie  auf  unser  Wollen,  auf 
unser  motorisches  Gefühl  wirkt.  Er  giebt  schliesslich  für  die  verwerfliche  Tendenz 
folgende  Definition:  „Tendenz  in  der  Poesie  ist  die  Richtvnig  eines  poetischen  Werkes 
auf  eine  Richtimg,  welche  nicht  im  Bereiche  der  rein  künstlerischen,  ästhetisch-kontem- 
plativen Geistesverfassung  liegt."     Der  Aufsatz  enthält  manches  Beachtenswerte.  — 

Eine  mehr  litterarhistorische  als  ästhetische  Skizze  für  die  Entwicklung  des 
Naturgefühls  giebt  S.  Preyi23)^  indem  er  besonders  den  Einfluss  Rousseaus  darstellt; 
doch  deckt  er  auch  die  Gefahren  auf,  denen  das  romantische  Naturgefühl  ausgesetzt  ist. 
Die  Besonderheit  unseres  Naturgefühls  erklärt  er  daraus,  dass  wir  nichts  von  der  Ntitur 
und  die  Na:tur  nichts  von  uns  verlangt.  —  Das  Buch  von  Hallier  (1890  I  3  :  27)  hat 
B  öl  sc  he  124)  in  ruhig  sachlicher  und  fördernder  Weise  widerlegt;  es  sei  noch  nicht  an 
der  Zeit,  eine  Gesamtbetrachtung  anzustellen,  d-a  noch  die  Vorarbeiten  fehlen,  die  viel- 
leicht durch  Arbeitsteilung  geliefert  werden  könnten.  120-126)  — 

In  einem  sonst  hier  nicht  zu  berücksichtigenden  Aufsatz  handelt  W.  Jordan  12'?) 
u.  a.  auch  über  die  Allegorie  und  betont,  dass  die  Bilder  an  sich,  ohne  Rücksicht  auf 
ihre  tiefere  Bedeutung,  ja  im  Gegensatze  zu  einer  vollständig  durchgeführten  Identi- 
fizierung von  Bild  und  Bedeutung,  ausgeführt  werden,  sofern  sich  der  Poet  ihrer  bedient, 
dass  also  eine  ganz  bis  ins  Einzelne  gehende  Deutung  unmöglich  ist.  Der  Aufsatz 
handelt  ferner  in  dem  Teil  über  die  Terzine  von  der  Wechselwirkung  zwischen  Porm 
und  Inhalt.  J.  glaubt  als  allgemeine  Dichtererfahrung  sagen  zu  können,  dass  jedes 
Gedicht  gleichsam  aus  einem  Willen  im  Stoff  eine  bestimmte  Porm  annehme,  wenigstens 
hat  er  diese  Erfalirung  an  sich  selbst  gemacht.  —  Zu  allgemeinen  Sätzen  gelangt  K. 
M aas s  128)^  indem  er  von  Beobachtungen  am  Sprichwort  ausgeht;  es  mangelt  ihm  aber 
die  Gabe  verständlicher  Darstellung.  Nach  ihm  ist  die  Metapher  „eine  aiif  Grund  der 
Gleichung  von  Verhältnissen,  innerhalb  deren  zwei,  verschiedenen  Gebieten  angehörige, 
an  sich  einer  Uebertragung  nicht  widerstrebende  Begriffe  oder  Begriffsgruppen  die  ein- 
ander gemässe  Stelle  einnehmen,  mittels  Gleichung  bewirkte  namentliche  Uebertragung 
des  einen  Verhältnisgliedes  auf  das  entsprechende  andere".  Er  imterscheidet  erläuterte 
und  volle  Metaphern.      Geschlossene  Gedankenbilder    sind   ihm  Allegorien.      Die  Meto- 

Schellwion,  D.  Wahrheit  in  d.  Dichtung:  DDichtung  10,  S.  50/6.  73/8.  —  119)  X  J-  Mähly,  D.  Fluch  d.  Kunst:  Oogenw. 
89,  8.  89—90.  (Ahgöttorci,  d.  mit  d.  Künstlern  getrieben  wird,  ist  d  Fluch  d.  Kunst.)  —  120)  Bruno  Wille,  Tendenz  in  d. 
Poesie.  E.  Einleitung  z  Ergrtludung  e.  Zcitprohlems :  FrB.  2,  S.  465/8.  —  121)  id,  Tendenz  in  d.  Poesie.  Weitere  Gedanken 
%.  ErgrUndung  o.  Zeitproblems:  ib.  S.  495/8.  —  122)  id.,  Tendenz  in  d.  Poesie.  Schluss-Benierkk.  z.  ErgrUndung  e.  Zeit- 
problenig:  ib.  S.  51(>-21.  —  123)  Silvester  Frey,  Nur  —  fUr  Natur!  (Poet.  Auftassungsarten  d.  Natur):  FrUnkKur.  N.  422. 
—  124)  W.  B  öl  sehe,  E.  neue  Aesthetik  d.  Natur:  Gegonw.  39,  S.  150/2.  (Vgl.  Kw.  5,  S.  84.)  -  125)  X  A.  Biese,  D.  Natur- 
schöno  im  Spiegel  d.  Poosicrals  Gegenstand  d.  deutschen  Unterrichts:  ZDU.  6,  S.  173-93.  —  126)  X  id.,  D.  Naturlyrik  Lud- 
wig UhUndB  u  Eduard  MOrikes:  ib.  822—39.  —  127)  W.  Jordan ,  Dantes  Kunstgeheimnis.  =  Episteln  u  Vortrr.  S  157—243. 
(S.   0.    N.    24.)    —    128)    K.    Maass,    Ueber    Metapher    u.    Allegorie  im  dcutsclion  Sprichwort.      E.    Gang    v.    Bogriffsbild    z. 


47  TL  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  GeKßhinhfe.  13:  I2ü-I30». 

nyiiiie  „vertauscht  logisch  zusammenliänf^endc,  vorwiiiuhe  Jic^riti'e  deHselbeu  Gebietes 
mit  einander,  so  dass  die  Saclic  nicht  ganz  verscliwindet,  also  aucli  ihre  eigentliche 
Bedeutung  nicht  verliert";  die  Synekdoche  „vertauscht  auf  dem  Umfangsverhiiltnis 
fussend  logisch  zusammengehörige  Begriffe  desselben  Gebietes  mit  einander,  so  dass  die 
Sache  stets  in  dem  Bilde  nocli  mitverstanden  wird".  —  Einen  anderen  Standpunkt 
nimmt  J.  Schiepek^-")  bei  seiner  Betrachtung  der  plattdeutschen  Spnchwörter  von 
Göttingen  und  Grubenhagen  ein;  er  konstatiert-  nur  dort  Bildlichkeit,  wo  dies  durch  die 
Anwendung  unzweifelliaft  wird,  und  macht  dann  interessante  statistische  Beobachtungen 
über  die  Häufigkeit  der  bildlichen  Ausdrücke.  Er  verfolgt  zwar  nicht  die  Zwecke  der 
Poetik,  liefert  ihr  aber  trotzdem  branchbares  Material,  weil  er  nicht  die  Stotfwahl,  sondern 
die  Pormwahl  berücksichtigt.  Freilich  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  dergleichen 
Sammlungen  nur  Vorarbeiten  sind,  aber  sie  müssen  unbedingt  vorhergehen,  ehe 
Resultate  selbst  auf  kleineren  Gebieten  zu  erzielen  sind,  und  darum  ist  die  Zusammen- 
stellung dankenswert.  —  Ueber  den  poetischen  Stil  im  gegenwärtigen  Deutschland  sagt 
Bjltz  !•'"),  er  weise  auf  Verfall  und  Niedergang  hin.  Die  Schuld  sieht  er  in  unserer 
Gabe  der  „Anempfindung"  sowohl  den  fremden  Litteraturen,  als  der  eigenen  älteren 
Litteratur  gegenüber.  Den  Phich  dieses  Einflusses  zeigt  er  an  Wagners  Nibelungen- 
trilogie.  Als  Wendepunkt  des  Stils  betrachtet  B.  das  Revolutionsjahr  1848,  deini 
während  der  damit  begiimcnden  Epoche  historischer  Dichtung  sei  der  Wahn  aufge- 
kommen, die  Personen  in  einer  ihrer  Zeitperiode  angemessenen  Sprache  reden  zu  lassen. 
Das  schlage  der  Theorie  jeder  wahren  Dichtung  ins  Gesicht.  Der  Dichter  soll  seinen 
Personen  die  Sprache  der  Gegenwart,  freilich  in  künstlerischer  Veredlung  in  den  Mund 
legen.  Als  Gegensatz  dazu  kam  dann  das  naturalistische  Extrem  der  Sprache,  und  so 
entstand  jener  Wechsel  von  pathetischer  und  realistischer  Redeweise,  wie  sie  die  meisten 
lyrischen  und  epischen  Dichtungen  der  Gegenwart  durchzieht:  Beispiel  Wilden- 
bruclis  „Quitzows".  — 

Dem  Humor  hat  der  betriebsame  Biese  ^^Oa)  ein .  eigenes  Heft  gewidmet. 
Er  hält  den  Humor  nicht  für  einen  ästhetischen  Begriff,  sondern  für  Lebensstimmung, 
Weltanschauung,  ja  höchste  Weltweisheit.  Und  nun  werden  Bilder  für  den  Humor  an- 
geführt, um  endlicli  zu  der  „Definition"  zu  gelangen,  er  sei  ,.köstlichste  Blüte  des  Ge- 
müts oder  direkt  das  Gemüt".  B.  bezeichnet  es  als  Thorheit,  den  Romanen  Humor 
abzusprechen;  aber  erst  die  Germanen  haben  das  Wort  „zu  edlerer,  geistiger  Bedeutung" 
geprägt.  Und  so  geht  es  weiter  in  leichten,  seichten  Wendungen.  Hierauf  erhalten 
wir  eine  „Geschichte"  des  deutschen  Humors,  d.  h.  eine  Liste  der  angeblichen  deutschen 
Hinnoristen,  die  aiisser  Luther,  Goethe,  Erau  Aja  als  Humoristen  seit  dem  Ende  des 
18.  Jh.  anführt:  J.  H.  Voss,  Claudius,  Hebel  und  sich  dann  sogleich  den  drei  „grössten 
Humoristen"  Deutschlands:  Jean  Paul,  Eritz  Reuter  und  Heinrich  Seidel  zuwendet.  Bei 
dem  älteren  Dreigestini  erfahren  wir  nicht  viel  über  den  Humor:  bei  Voss  soll  wohl 
das  Malen  des  Lebens  im  deutschen  Pfarrhause  „mit  warmem  Emjjfinden  und  treuherzigem, 
wenn  auch  etwas  hausbackenem  Behagen"  der  Humor  sein;  da  nun  aber  kaum  das 
Pfarrhaus  den  Humor  beisteuert,  sondern  walu-scheinlich  das  warme  Empfinden  und 
treuherzige  Behagen  —  um  von  dem  falschen  Ausdruck  „malen"  ganz  abzusehen  — ,  so 
begreift  man  nicht,  warum  nur  Voss  herausgegriffen  wurde.  Bei  Claudius  und  Hebel 
begegnet  uns  die  ,, Naturbeseelung",  die  B.  schon  in  mehrfacher  Zubereitung  serviert 
l\at,  in  einer  neuen  Eigenschaft:  sie  ist  der  Humor.  Man  sieht,  B.  versteht  es  ausge- 
zeichnet, „sein  Thema"  zu  variieren.  Jean  Paul  stellt  uns  den  „sentimentalen,  ge- 
künstelten, grüblerischen"  Humor,  ja  die  ,, metaphysische  Formlosigkeit  und  Ueber- 
schwenglichkeit"  dar,  während  der  Humor  bei  Reuter  und  Seidel  „naiv  inid  gesund 
lind  volkstüiiilich"  ist.  Li  solchen  Extremen  bewegt  sich  B.,  um  immer  wieder  mit 
schillernden  Phrasen  zu  enden,  die  uns  nichts  über  das  Wesen  des  Humors  sagen. 
Die  „wichtigsten  Merkmale  des  Jean  Panischen  Humors"  sind  „schrankenlose  Subjek- 
tivität, grüblerisches  Zerfasern  der  eigenen  Empfindungen,  Mischung  des  Realen  und 
des  Idealen  in  buntem  Kontrast".  Bei  Reuter  dagegen  ist  nicht  „metaphysisches 
Grübeln  über  den  Kontrast  des  Endlichen  und  Unendlichen",  sondern  „sclilichte  Daseins- 
freude, reine,  ungebrochene  Sympathie  mit  den  Menschen"  die  Grundlage  der  humoristi- 
schen Weltanschauung.  B.  unteracheidet  drei  Elemente  in  Reuters  humoristischer 
Wirkung:  den  Dialekt,  das  Komische,  das  heiTliche  Gemüt,  und  mit  dem  Gemüt  ver- 
einigt „den  weltüberwandenden  Humor".  Indem  nun  aber  B.  die  modernen  Erzälilungen 
durchnimmt,  wobei  man  ihm  genie  folgt,  wenn  auch  die  vielen  Superlative  stören,  ringt 
er  sich  zur  Ueberzeugung  durch,    der  Grundzug    des    deutschen  Humors   sei    „ein  idyl- 


Qednnkenbild.  Prog.  Wettin.  Gymii.  i\x  Dresden.  Leipiig,  Fock.  4«.  23  S.  M.  1,00.  —  129)  J.  Sehiepek,  Ueber  d. 
iniiemoteclin.  Seite  d,  spriohwörtl.  Ausdruckes.  Progr.  Stiiats-Obergymn.  zu  Saatz.  24  S.  —  130)  K.  Bilti,  Ueber  d. 
Rej^enw.  poet.  Stil  in  Deutschland.  =:  Neue  Hoitrr.  z.  Gesch.  d.  deutschen  Sprache  n.  Litt.  S.  9—38  Iterlin,  .'^targardt. 
251  S.  M.  4,00.  —  130a)  A.  Biei<e,  Fritz  Beuter,  H.  Seidel  u.  d.  Humor  in  d.  neueren  deutschon  Dichtung.  Nebst  hielbst- 
biographie  v.  H.  Seidel.    (=  Deutsche  Schriften  f.  Litt.  u.  Kunst.    1,  5.)    Kiel  n   Leipzig.  Lipsius  &  Tischer.    55  8.  M.  1,00. 


I  3:  i30b-i33.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ilire  Geschichte.  48 

lischer";  nur  freilich  versucht  er  es  auch  jetzt  nicht,  das  Charakteristische  des  Humors 
gegenüber  dem  Komischen  zu  erfassen.  Er  bleibt  so  auf  halbem  Wege  stecken.  Der 
Anhang  bringt  eine  sclilichte  Selbstbiogi'aphie  Seidels,  den  B.  für  den  bedeutendsten 
Humoristen  neben  Reuter  hält.  Von  einer  wirklichen  ästhetischen  Erfassung  des  Humors 
und  des  Humoristen  ist  bei  B.  keine  Rede.  Die  Untersuchungen,  welche  Lipps  der 
, .Psychologie  der  Komik"  widmete,  scheinen  dem  Vf.  unbekannt  geblieben  zu  sein.  — 
Mehr  von  der  kulturhistorischen _  Seite  fasst  G.  Steinhausen  i^ot)  das  Thema  in  einer 
Aufsatzfolge  auf  \mä  nimmt  dabei  das  Wort  Humor  in  der  weiteren  Bedeutung,  die  uns 
z.  B.  geläufig  ist  in  dem  Ausdrucke  „Hunioristische  Vorträge".  Aber  dem  eigentlichen 
Kerne  nähert  er  sich,  wenn  er  als  wesentliches  Zeichen  des  Humors  „Selbstverlachung" 
darstellt.  S.  skizziert  die  verscliiedenen  Seiten  der  volkstümlichen  Komik  des  15.  und 
IG.  Jh.  und  giebt  einige  bezeichnende  Proben,  dann  zeigt  er  den  Verfall  während  des 
17.  Jh.,  die  Hinwendung  zur  Rohheit  einer-,  zur  Satire  andrerseits,  um  endlich  den 
modernen,  vornehmeren,  philosophisch  sentimentalen  Humor  des  18.  Jh.  zu  streifen, 
neben  dem  sich  der  volkstümliche  nicht  mehr  so  reich  entfaltet.  —  Eine  be- 
sondere Form  des  Witzigen,  das  Läppische,  charakterisiert  mit  Kant  ein  Aufsatz  von 
F.  Robert  i30c-d).  _ 

Poetik  der  einzelnen  Dichtungsgattungen.  Lyrik.  Eine  zusammen- 
fassende Betrachtung  des  deutschen  Liedes  durch  Honegger^si)  ergiebt  wenig,  sie 
hält  sich  zu  sehr  ans  Aeusserliche;  das  Wesen  des  Liedes  wird  mit  schönen  Phrasen  ge- 
schildert, nicht  untersucht,  die  Stoffe  werden  nur  im  allgemeinen  skizziert.  Dann  gliedert 
H.  die  Gruppen:  Naturlied,  Liebeshed,  geistliches  Lied,  politisches  und  soziales  Lied, 
humoristisches  Lied,  Spruch,  lyrisch-epische  Poesie.  Den  Schluss  bilden  die  Formen, 
woi-unter  aber  nur  die  metrischen  verstanden  werden.  Löbner  hat  das  Buch  viel  zu 
günstig  beurteilt,  es  ist  ein  seichtes  Machwerk  ohne  Bedeutung.  H.  will  diesem  Bänd- 
chen, das  etwa  die  Jahre  1830 — 1850  „ästhetisch"  umfasst,  ein  zweites  „ästhetisch- 
kritisches" über  die  Gegenwart  folgen  lassen.  Hoffentlich  gelingt  es  ilim  dann,  etwas 
Förderndes  zu  schaffen;  der  vorliegende  Teil  hat  so  gut  wie  gar  keinen  Wert,  besonders 
die  „Aesthetik"  hat  allen  Grund,  gegen  einen  Missbrauch  ihres  Namens,  wie  er  bei  H. 
getrieben  wird,  sich  mit  aller  Macht  zu  wehren.  H.  hat  gar  keinen  Begriff  von  den 
Aufgaben  der  Aesthetik,  zeigt  dabei  auch  weder  Vertrautheit  mit  ihrer  Litteratur,  nocli 
Sinn  für  Untersuchung.  — 

Zwei  umfangreiche  Monographien  wurden  der  Ballade  gewidmet.  Mit  erstaun- 
licher Belesenheit  hat  Chevalier  i32J  {^^  seiner  nur  zur  Hälfte  vorliegenden  Schrift  eine 
Uebersicht  über  die  Begriffsbestimmungen  der  Ballade,  wie  über  ihre  Geschichte  gegeben ; 
er  ergänzt  so  in  willkommener  Weise  die  Darstellungen  Holzhausens  und  Sauers  und 
bereitet  sich  zugleich  den  Boden  für  seine  weiteren  Untersuchungen,  die  nun  eine 
Prüfung  der  vorhandenen  Einteilungen  und  Begriffsbestimminigen  auf  ihre  Giltigkeit  und 
eine  neue  Unterscheidung  nach  dem  Inhalte  verspricht.  Die  Arbeit  darf  niemand  ausser 
Acht  lassen,  der  sich  für  dieses  schwierige  Grenzgebiet  interessiert;  schon  die  historischen 
Sammlungen  allein  haben  Wert,  es  ist  niu"  zu  bedauern,  dass  ein  Lihaltsverzeichnis  und 
ein  Register  fehlt.  C.  umfasst  das  ganze  Gebiet,  weil  noch  keine  Einigkeit  über  die 
Abgrenzung  besteht.  —  Viel  einseitiger  fasst  J.  Goldschmidt  i'^-^)  sein  Thema:  ergreift 
nur  Eine  Gi'uppe  heraus  und  stellt  ihren  Begriff  fest.  Er  kritisiert  die  Bestimmungen 
Echtermeyers,  Gottschalls,  „des  massgebendsten  Aesthetikers  unserer  Zeit",  und  Grubes. 
Er  verwirft  „die  episch-lyrische  oder  lyrisch-epische  Zwittergattung"  und  kommt  zu 
folgendem  Resultate:  „Die  Ballade  ist  ein  erzählendes  Gedicht  von  ernstem  Charakter 
und  massigem  Umfang,  das  den  Einfluss  der  überirdischen  Welt  auf  die  irdische  ver- 
anschaulicht". Indem  nun  G.  die  einzelnen  Dichter  durchnimmt,  sucht  er  seine  Begriffs- 
bestimmung klarer  zu  machen,  es  wird  aber  niu'  deutlich,  dass  er  den  Namen  Ballade 
eben  ganz  anders  fasst,  als  wir  alle  bisher.  So  wird  z.  B.  von  Bürger  nur  „Der  Kaiser 
und  der  Abt"  als  eine  wirkliche  (komische)  Ballade  bezeichnet,  wälu-end  am  ,, Wilden 
Jäger"  und  ,,Leonore"  mancherlei  ausgesetzt  ist.  Man  sieht,  dass  G.  gar  keinen  Sinn 
für  die  wirkliclien  Unterschiede  hat,  besonders,  wenn  man  nun  die  Reihe  der  Goetheschen 
Balladen  durchgemustert  bekommt  und  plötzlich  das  neue  Charakteristikum :  Folgerichtig- 
keit für  die  Ballade  als  kennzeichnend  erhält.  Wolil  am  auffallendsten  ist  aber  die  Be- 
zeichnung der  „ersten  Walpurgisnacht"  als  Ballade.  Bei  Schiller  wird  dann  „die  Er- 
klärung der  Ballade  durch  die  Einführung  der  Idee  als  übersinnlicher  Macht  erweitert", 
und  alle  möglichen  Gedichte  sind  nach  G.  Balladen,  sogar  der  „Handschuh".  Von  Uhland, 
um  aus  der  Gruppe    der  Nachfolger    nur  ihn  herauszugreifen,    sind    nach    G.    Balladen: 


—  130b)  G.  steinhausen,  Deutsili.  Humor:  MagdobZg».  N.  33|7  (vgl.  u.  I  5:35).  —  130c)  F.  Robert,  Uobcr  d.  Lappische: 
Nation».  9.  S.  190/8.  —  I30d]  X  K.  v.  H  einhar  dstöttnor,   D.  Kaufmann    in  d.  Dichtung.    E.  litt.-hist.  Skizze:  FZg.N.  233/4. 

—  181)  J.  J.  Honegger,  ü.  deutsche  Lied  d  Neuzeit,  s.  Geist  u.  Wesen.  Leipzig,  Friedrich  V,  299  S.  M.  3,00.  j[H.  Löbner: 
BLU.  ij.  473;G]j  —  132)  L.  Chevalier,  Z  Poetilc  d.  Ballade  I.  Prog.Staatsobergymn.  zu  Prag-Neu  tadt.  Ol  S.  —  133)  J. 
Qoldschmidt,    D.   deutsche    Ballade.     Progr.    Talmud    Tora.      Höhere   EUrgerschule.     Hamburg,    Nisscnsohu.     4".     44  S. 


49  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  iS4-i42, 

„Der  bliudo  König",  „Vom  treuen  Walter",  „Bortran  de  Born",  „Die  Rache",  „Des 
Sängers  Fluch",  „Harald",  „Das  Nothemd",  „Der  Graf  von  Greiers",  „Das  Glück  von 
Edonliall",  alle  anderen  nicht.  In  der  modernen  Dichtung  ist  die  Ballade  verloren  ge- 
gangen, „es  muss  durchaus  geleugnet  werden",  dass  Theodor  Fontane  ein  Balladen- 
dichter sei.  Chevalier  sagt:  „Einer  der  grössten  Meister  der  Ballade  ist  sicher  Th.  Fon- 
tane". G.s  Heft  ist  geeignet,  die  auf  unserem  Gebiete  bereits  herrschende  Konfusion 
noch  zu  vergroasern,  es  zeigt  weder  feines  Gefühl  noch  sichere  Grundanschauungeii 
und  kann  daher  nicht  empfohlen  werden.  —  Mehr  historisch  beschäftigt  sich  die  fjin- 
leituTig  von  Buehheims '3^)  schöner  Sammlung  mit  der  Ballade  und  Romanze,  doch 
kommt  er  auch  auf  das  Wesen  zu  sprechen;  B.  zeigt  sich  als  liebevoller  Betrachter  der 
deutschen  Dichtung,  wie  in  seiner  früher  erschienenen  Sammhnig  deutscher  Lyrik.  '■^)  — 
Eine  ganz  flüchtige  Skizze  widmete  ein  Anonymus  den  Gedichten  über  das  Meer'^), 
erst  durch  Heine  sei  diese  Gattung  wirklich  eingeführt  worden.  Merkwürdig  schief  ist 
die  Auffassung  von  Goethes  „Meeresstille"  xnid  „Glückliche  Fahrt".  — 

Es  ist  begreiflich,  dass  ein  so  fruchtbares  Gebiet,  wie  der  deutsche  Roman, 
Gegenstand  der  Forschung  geworden  ist^^^),  man  kann  aber  nicht  behaupten,  dass  die 
ästhetische  Auffassung  seines  Wesens  irgendwie  gesichert  sei. '38)  Hier  hat  jedenfalls 
die  Untersucliung  einzusetzen  1^9)^  clie  wahrscheinlich  nur  durch  die  Unmasse  von  zu 
bewältigendem  Lesestoffe  bisher  diesem  Gebiete  fernblieb.  L.  Gregorovius  *^)  hat 
mit  unzureichender  Bildung  den  historischen  Roman  herausgegriffen,  um  ihn  als  ver- 
werflich, ja  schädigend  und  verrohend  zu  erweisen.  Er  verlangt  vom  Roman  grössere 
Treue  als  von  den  „höheren  Dichtungsgattungen",  also  z.  B.  von  der  Tragödie,  und 
zeigt  an  Frey  tag,  dass  historische  Treue  niclit  möglich  sei;  aber  einerseits  hält  er  sich 
an  Kleinigkeiten,  die  nicht  stören,  andererseits  feldt  es  ihm  bei  aller  Detailkenntnis  doch 
an  wirklicher  Vertrautheit  mit  den  historischen  Zuständen.  Ihm  mangelt  die  Fähigkeit, 
die  richtige  Form  der  Fragestellung  zu  finden,  und  die  Gabe,  seine  Behauptungen  in 
ihren  Konsequenzen  durchzudenken,  ehe  er  sie  veröffentlicht.  Wenn  er  von  der  histori- 
schen Dichtung  sagt,  nicht  die  Darstellung  historischer  Personen  oder  thatsächlich 
erfolgter  Vorgänge  mache  sie  zu  einer  historischen,  sondern  die  Darstellung  einer 
historischeu  Idee,  so  steckt  darin  ein  Körnchen  Wahrheit ;  aber  sofort  müsste  nun  ge- 
zeigt werden,  worin  der  Unterschied  zwischen  der  Geschichtsschreibung  und  der 
historischen  Dichtung  bestehe.  Und  dies  umsomehr,  weil  nach  G.  der  Roman  gar  nicht 
einmal  Dichtung  ist,  sondern  —  ein  Kunstwerk,  so  nennen  wir  aber  auch  gewisse 
glänzende  Muster  der  Historiographie,  z.  B.  die  Geschichte  der  Stadt  Rom  seines 
berühmten  Namensvetters.  G.  wendet  sich  speziell  bei  Freytags  „Ahnen"  gegen  die  Ver- 
erbungstheorie und  rechnet  aus,  dass  Victor  König  nur  der  35„  184.  372,  088  832  ste  Teil 
Ingos  sei,  was  ich  auf  seine  Richtigkeit  nicht  geprüft  habe,  weil  ich  eine  bessere  Zeit- 
verwertung  kenne.  Die  Schrift  wurde  von  der  Kritik  mit  seltener  Uebereinstimmung 
zurückgewiesen,  wie  sie  es  verdient.  —  Einzelnes  über  den  naturalistischen  Roman  ^nrd 
in  anderem  Zusammenhange  zu  besprechen  sein. '*i)  — 

Unter  allen  Schriften  über  das  Drama  ragt  die  ruhige  Darstellung  von 
Lippsi*2)  hervor,  die,  eigentlich  durch  Polemik  hervorgerufen,  es  verstanden  hat,  in 
saclilicher  Weise  neue  Resultate  festzustellen.  Sie  will  „diejenigen  Betrachtungsweisen 
der  Tragödie  kennzeichnen  und  abweisen,  die  statt  aus  der  Tragödie  den  Sinn  der 
Tragödie  herauszulesen,  vielmehr  ihre  Weltanschauungen  in  sie  liineintragen  oder  durch 
einseitige  psychologische  Theorien  ihren  Inhalt  verkümmern",  sie  will  positiv  „den  Sinn 
der  Tragik  und  Ti-agödie  feststellen,  ohne  sich  dabei  von  etwas  Anderem  als  der  Sache 
beraten  zu  lassen".  L.  wird  von  der  Ueberzeugung  geleitet,  „das  darstellende  Kunst- 
werk wolle  durch  das  wirken,  was  es  darstellt:  durch  die  Gestalten,  die  es  uns  vor- 
führt, und  das,  was  diese  Gestalten  innerhalb  des  Kunstwerkes  —  nicht  irgend  jemand 
sonst,  am  wenigstens  wir  selbst,  ausserhalb  desselben,  —  sind  und  denken,  thun  und 
erläutern".  Er  ist  durchdrungen  von  dem  Gedanken,  das  Auszeichnende  des  Genusses 
am  dai-stellenden  Kunstwerke  sei  eben,  „dass  das  Schöne  in  ihm  zur  Geltung  kommt 
und  wirkt,  wie  es  an  sich  ist,  genossen  wird  in  dem  Werte,  den  es  an  sich  hat,  nur 
verflochten  in  die  Beziehungen,    in  die  es  im  Kunstwerke  verflochten    erscheint".     Eine 


—  134)  C.  A.  Rucliheim.  liiilhden  n.  Boinanien.  Selected  and  arranged  with  notes  and  literary  introduction  London. 
Maemillan  and  Co.  XXXVI,  318  S.  —  135)  O  X  Rud.  Eckart.  D.  didaktische  Poesie  Ihr  Wesen  n.  i  hre  Vertreter. 
Hannover,  Nörten.  |[Przowodnik  naukowy  i  literacki.  19,  S.  95»  f.;  HambNacbrg.  N.  37  ]  j  —  136)  J.  J.,  D.  Meer  u.  d.  Dichter: 
HiimlCorr.  N.  545.  —  137)  X  />■  (Tli.  Zolling),  Z.  Gesch.  d.  deutschen  Romans:  Oegenw.  39.  S.  183/5.  —  138)  Q  X  *'•  W. 
El.püng,  D.  dtsch.  Roman.  E.  Mene-Tekel.  Berlin,  Trautvettor.  103  S.  1,20  M.  i[K.  B.:  DDichtung  10.  S.  32;  A.  Sehroeter: 
ItLÜ.S.  579-80.];  —  139)  XE  Zola,  D.  auf  d.  Roman  angewandte  krit  Formel  (deuUch  v.L.  Berg):  ML.  60,  S.  819-21.  (Taines 
Methode  d.  Kritik  ist  d.  Älethodo  d.  naturalistischen  Romans)  —  MO)  L.  GregoroTJns,  D.  Verwendung  hist  Stoffe  in  d- 
cr/.nlilonden  Litt.  Mllnchen.nuehhoIzA.  Werner.  71  S.  M.  1,20  ;  [A.  Hermann:  BLU.  S.  500/1;  K.  B.:  DDiihtung  10,  S.  79;  B.  U. 
Werner:  DLZ.  13,  S.  1113  4.]  j  141)  X  D-  Roman  d.  Zukunft:  Kw.  5,  S.  52.  —  142)  Th.  Lipps.  D.  Streit  Ober  d.  TragOdi<». 
(=  Beitrr.  z.  Aesthetik  her  v.  Th.  Lipps  u.  K.  M.  Werner.  N.  2.)  Hamburg,  Voss.  VI,  79  S.  M.  1.50  ,  [Kummer:  BLU. 
S.363f.;  Jeep:  Nation«- 8,  S.  520;  HambCorr.  N.  343 ;  K.  Werner:  AZgB.N.209;  Lipps:  PhiJosMh.  27.  S.  567,9;  T  h.  Ziegler: 
Jahresl>erlchle  fUr  neuere  deutsche  Liltoraturgcschichto  II    iil.  4 


I  3:  143-144.  R  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  50 

Vermengung  mit  fremden  Interessen  ist  wie  die  Vermengung  von  Traum  und  Wirklicli- 
keit.  So  lehnt  L.  die  pessimistische  wie  die  optimistische  Auffassung  der  Tragödie  ab, 
den  Tod  des  Helden  als  Resignation  wie  den  Tod  des  Helden  als  „poetische  Gerechtig- 
keit", er  führt  mit  schlagenden  Beispielen  die  einzelnen  Ansichten  ad  absurdum,  die  er 
nicht  für  eine  Klärung,  sondern  für  eine  Verwirrung  in  den  theoretischen  Auseinander- 
setzungen ansieht,  und  gewinnt  so  freie  Bahn,  aber  auch  scharfes  Erfassen  der  einzelnen 
Theorien  von  Schuld  und  Sühne.  L.  ist  auch  mit  Valentins  Theorien  von  der  dvirch 
„vorübergehende  Schmerzempfindung"  (1890  I  3  :  111)  hervorgerufenen  Freude  nicht  ein- 
verstanden, weil  nicht  das  Aufhören  des  Leidens,  sondern  das  vorhandene  und  von  uns 
mitempfundene  Leiden  in  der  Tragödie,  wie  bei  jeder  Tragik,  der  Grund  unseres  Genusses 
ist.  Dieses  mitempfundene  Leiden  führt  zum  Mitleid;  darin  erkennt  aber  L.  das  Gefühl, 
„in  dem  sich  mit  dem  Weh,  das  die  Wahrnehmung  des  Schmerzes  bereitet,  das  erhöhte 
Bewusstsein  des  Wertes  verbindet,  den  das  geschädigte  Leben  besitzt".  Er  unterscheidet 
nun  zwei  verschiedene  Arten  des  Leidens,  indem  er  Antigene  und  Romeo  kontrastiert,  luid 
erkennt  darnach  zwei  verschiedene  Arten  der  Tragödie:  „in  der  einen  folgt  das  Leiden 
aus  der  Verwirklichung  eines  wertvollen  und  erhabenen  Wollens,  in  der  anderen  besteht 
es  in  der  Vereitlung  eines  solchen  Wollens".  „Bei  Antigone  behauptet  sich  das 
Schöne  und  Gute  trotz  des  Leidens  und  im  Leiden;  bei  Romeo  erweist  es  sich  erst  im 
Leiden".  Nun  nimmt  L.  noch  den  Macbeth  hinzu  und  zeigt,  dass  in  ihm  „erst  im 
Leiden  die  Macht  des  Guten  zur  Wirksamkeit  kommt".  So  stehen  sich  in  Antigone  und 
Romeo  einer-,  in  Macbeth  andererseits  zwei  Formen  der  Tragik  gegenüber:  in  jener  be- 
hauptet oder  erweist  sich  das  Gute  in  der  Persönlichkeit  gegen  das  Uebel,  in  dieser 
bethätigt  sich  die  Macht  des  Guten  gegenüber  dem  Bösen.  L.  glaubt  durch  die  Namen 
Schicksalstragödie  und  Charaktertragödie  die  beiden  Gattungen  am  besten  unterscheiden 
zu  können,  ohne  dadurch  aber  nun  scharf  geschiedene  Gegensätze  bezeichnet  zu  haben, 
denn  in  Gretche-O-  sind  beide  vereinigt,  und  es  kommt  nicht  blos  auf  den  „Helden", 
sondern  auch  auf  den  Gegenspieler  an.  In  der  Tragödie  findet  er  dann  subjektive,  im 
ernsten  Schauspiel  auch  objektive  Versöhnung.  Klar  handelt  er  über  die  poetische 
Motivierung  und  über  den  Untergang  des  Helden,  durch  den  jedes  Mal  anders  der  Kon- 
flikt beendet,  abgeschnitten  wird,  wobei  sich  aber  der  Blick  öffnet  für  das  Ganze  der 
Persönlichkeit,  so  dass  sich  eine  subjektive,  d.  h.  in  unserer  Betrachtung  reinigende 
Wirkung  einstellt.  Zweck  der  Tragödie  ist  eben,  „uns  die  Macht  des  Guten  in  einer 
Persönlichkeit  geniessen  zu  lassen,  wie  sie  im  Leiden  zu  Tage  tritt  und  gegen  Uebel 
und  Böses  sich  bethätigt,  uns  von  dem  Werte  dieses  Guten  den  denkbar  tiefsten  und 
reinsten  Eindruck  zu  geben,  einen  Eindruck,  der  nicht,  wie  so  oft  im  Leben,  getrübt  ist 
durch  den  Gedanken  an  uns  selbst,  an  äusseren  Erfolg,  an  Lohn  und  Strafe,  der  im 
Gegensatz  zu  allem  Haften  am  Einzelnen  und  an  der  Oberfläche  des  Geschehens  und 
Thuns  dem  Ganzen  der  Persönlichkeit  und  ihrem  innersten  Wesen  gerecht  wird.  Die 
Tragödie  fordert  dafür  nichts,  als  dass  wir  uns  ihr  ganz  hingeben  und  nichts  Fremdes 
einmischen,  dass  wir  vor  allem  nicht  in  unseren  Reflexionen  und  Theorien  statt  im 
Kunstwerk  unsere  Befriedigung  suchen".  L.  hat,  und  das  stimmt  mit  der  Absicht  der 
„Beiträge  zur  Aesthetik",  insofern  auch  „normative  Bestimmungen"  gegeben,  als  mit  den 
von  ihm  widerlegten  Theorien  alle  nur  in  Rücksicht  auf  diese  Theorien  geschaffenen 
Dramen  verworfen  sind,  ebenso  wie  alle  Dramen,  die  nur  in  dieser  Richtung  noch  ge- 
schaffen würden.  L.  hat  sich  von  der  bisherigen  Theorie  soweit  emanzipiert,  als  er  sie 
in  den  Dramen,  deren  tiefe  Wirkung  er  kennt,  nicht  bewährt  gefunden  hat;  er  geht 
nicht  von  Aristoteles  aus,  um  zu^m  Verständnis  von  seiner  Definition  der  Tragödie  zu 
gelangen,  sondern  hält  sich  an  die  Tragödien  und  giebt  so  Induktion.  —  Anders 
die  Schrift  von  Thomai**^);  sie  wiederholt  in  hausbackener  Weise  allbekanntes,  häuft 
eins  aufs  andere  und  wirkt  dadurch  fast  wie  eine  Parodie.  Unglücklich  ist  das  Bild, 
das  T.  für  das  Drama  braucht:  eine  Bergbesteigung  mit  obligatem  Absturz  unseres  Be- 
gleiters (des  Helden),  unseres  anderen  Ich,  um  das  wir  dann  Thränen  der  Wehmut 
weinen,  während  wir  doch  Gott  danken,  dass  nicht  auch  uns  der  Schwindel  ergriff  und 
uns  ins  Unglück  hinabriss.  Man  könnte  die  landläufigen  Theorien  kaum  besser  paro- 
dieren. Die  Einteilung  der  Dramen  trifft  T.  nach  dem  Verhältnis  der  Strafe  zur  Schuld, 
ob  sie  grösser,  kleiner  oder  entsprechend  ist,  und  darnach  spi-icht  er  sein  Urteil  über 
die  einzelnen  Dramen.  Die  Arbeit  ist  unreif  und  unbedeutend.  Kummer  hat  in  seiner 
Besprechung  hübsch  Freytags  „Technik  des  Dramas"  gewürdigt,  was  wieder  nötig  zu 
sein  sclieint.  —  Hat  Lipps  mit  Hettner  Schicksals-  und  Charaktertragödie  unterschieden, 
so  sucht  nun  A.  Dres  dner^*'*)  neben  jenen  beiden  Typen  ein  drittes,  das  moderne 
Drama.  Von  der  Charaktertragödie  wird  es  ausgehen,  ohne  jedoch  eine  Erneuerung 
(\eT  Shakespeareschen  Charaktertragödie  zu  bringen.     D.  findet  den  schärfsten  Unterschied 


DLZ.  12,  S.  1893/4.]|    —    143)  A.  Thoma,    D.  Drama.    E.  gemeinverständl.    üarstellung  s.  Wesens  u.  Baues.     Gotha,  Thiene- 
mann.  45  S.  M.  0,80.   |[A.  v.  Weilen:  ZOG.  42,  S.  1003  f.  (ganz  ablehnend);  F.  Kummer:  BLU.  S. 862/3.] j  -  144)  A.  Dresd- 


51  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  i:  lis-iso. 

der  Shakespeareschell  und  der  modernen  Welt  darin,  dass  jetzt  die  „Gesellschaft"  als 
oliarakterbildende  und  sohicksnlbestimmende  Macht  in  die  Litteratur  eingetreten  ist;  zwar 
hat  sie  immer  ilu-en  Einfiuss  ausgeübt,  aber  erst  in  der  neueren  Zeit  ist  dieser  Einfluss 
so  stark  in  iinser  Bewusstsein  getreten,  dass  wir  die  menschlichen  Dinge  nur  noch  unter 
seiner  Beleuchtung  zu  sehen  vennögen.  Auch  in  der  Wissenschaft  diese  Bewegung: 
es  löste  sich  von  der  alten  Staatswissenschaft  die  Gesellschaftswissenschaft  ab.  Die 
Gesellschaft,  die  sociale  Organisation  tritt  in  den  Vordergrund,  das  drückt  natürlich  die 
Bedeutung  des  Individuums  herab.  Dem  Drama  wuchst  in  der  Gewalt  der  Gesellschaft 
etwas  zu,  was  an  das  Schicksal  des  „antiken"  Dramas  erinnert.  Ja,  D.  sieht  in  den 
modernen  Dramen  sogar  eine  Annäherung  an  den  antiken  Bau,  da  wir  in  einer  grossen 
Zahl  dieser  Stücke  „thatsächlich  eine  Art  von  Chor,  zum  wenigsten  einen  Choragen 
ohne  Choreuten  hätten".  Das  äusserste  Ziel  dieser  Richtung  sei  geradezu  der  Gegen- 
pol des  , 'Shakespeare-Dramas":  die  Gesellschaftstragödie  als  die  ins  Moderne  übersetzte 
antike  Schicksalstragödie.  Neben  dieser  Richtung  können  wir  aber  eine  andere  bemerken, 
die  nun  das  Verhältnis  des  von  der  Gesellschaft  gebildeten  Charakters  zu  dieser  selben 
Gesellschaft  zeigt,  also  wieder  der  Charaktertragödie  sich  nähert;  diese  beiden  Richtungen 
zu  verehiigen  ist  die  Aiifgabe  der  Zukunft.  —  Auch  Dehlen^'^-i**)  betrachtet  die 
Tlieorie  der  Tragödie  vom  Standpunkt  der  neuen  Zeit;  er  geht  durchaus  von  Aristoteles 
aus,  sucht  aber  die  alten  Begriffe  der  Poetik  neu  zu  deuten.  Zur  Erklärung  von  Furcht 
und  Mitleid  werden  die  einschlägigen  Stellen  herbeigezogen,  das  Resultat  ist:  wir 
sollen  eine  doppelte  Stellung  einnehmen,  eine  entferntere,  in  der  wir  Mitleid,  eine 
nähere,  in  der  wir  Furcht  empfinden.  Indem  war  uns  einerseits  als  Zuschauer  fühlen, 
andererseits  in  den  Helden  versetzen,  empfinden  wir  Furcht  und  Mitleid.  Der  Dichter 
muss  also  zu  Personen"der  Tragödie  Wesen  nehmen,  die  Leiden  unterworfen  sind,  die 
der  Zuschavier  auch  für  sich  selbst  oder  einen  der  Seinen  möglich  sich  denken  kann, 
und  muss  von  den  verscliiedeneu  Möglichkeiten  von  Wesen  eine  Individualität  heraus- 
arbeiten, die  wir  lieb  gewinnen  müssen,  wie  einen  unserer  Nächsten,  für  die  wir  empfinden, 
wie  für  uns  selbst.  —  Hamartia  ist  der  durch  unverschuldete  Fehlerhaftigkeit  bewirkte 
Felller  des  Helden.  Für  die  moderne  Zeit  bewirkt  das  ein  der  Weltanschauung  des 
Zuschauers  entsprechendes  Schicksal.  Dieses  moderne  Schicksal  sind  „die  Faktoren  der 
Bildung".  Nicht  Menschen  mit  unseren  Anschauungen,  sondern  Menschen  nach  unserer 
Anschauung  verlangt  das  moderne  Schicksal.  Für  die  moderne  Tragödie  ist  nicht  der 
moderne  Stoff,  sondern  das  moderne  Schicksal  charakteristisch.  —  Auch  die  Katharsis 
muss  modern  werden.  In  der  Tragödie  werden  Leidenschaften  und  deren  Reinigung 
vorgeführt,  und  durch  Mitempfinden  und  Miterleben  bewirkt  die  Tragödie  die  Reinigung 
von  solchen  —  durch  Identifikation  erweckten  —  Leidenschaften  beim  Zuschauer. 
Setzen  wir  nun  überall  die  neuen  Werte  D.s.  Die  Tragödie  stellt  das  Leben  dar,  also 
den  Kampf  ums  Dasein.  Der  Held  fülirt  den  Kampf,  die  Faktoren  der  Bildung  sind 
das  moderne  Schicksal,  unter  dessen  Einfluss  der  moderne  Held  steht;  daraus  entspringt 
die  Hamartia,  die  ihm  Leiden  schafft,  Niederlagen  im  Kampf  ums  Dasein  bereitet.  Das 
Ziel  des  Kampfes  aber  ist  die  Vervollkommnung;  der  Held  wird  durch  die  Faktoren 
der  Bildung  gehindert,  dieses  Ziel  zu  eiTeichen,  muss  also  diese  Faktoren  zu  überwinden 
suchen;  das  gescliieht,  wenn  er  durch  die  Krafl  des  Anpassungsvermögens  die  schäd- 
lichen Einflüsse  paralysiert.  Dann  hat  also  die  modenie  Katharsis  in  der  Vervollkomm- 
nung zu  bestehen.  Der  Aufsatz  scheint  ernst  gemeint  zu  sein.  —  P.  Richter'*^)  sieht 
in  der  „})oetischen  Gerechtigkeit"  eine  der  möglichen  Kompensationen  für  den  allzu 
heftigen  Eindruck,  den  ohne  sie  das  Tragische  sonst  auf  uns  ausüben  würde;  er  streifl 
auch  noch  andere  Kompensationen.  Aber  der  Wert  seiner  Arbeit,  soweit  sie  bisher  vor- 
liegt, besteht  mehr  im  negativen  Teil,  in  der  ruhigen,  jedoch  scharfen  Verurteilung  der 
von  Günther  vorgetragenen  Ansicht  über  das  Tragische  als  eine  durch  die  Sittlichkeit 
geforderte  Lebensverneinung  im  Konflikt  mit  einer  an  sich  vollberechtigten  Lebens- 
bejahung; Wert,  hat  ferner  der  Nachweis,  dass  Günther  Unrecht  daran  that,  seine  Theorie 
gerade  in  den  Tragödien  des  Aischylos  verwirklicht  zu  sehen.  Diese  Darlegung  hat  aber 
R.  noch  nicht  vollendet,  da  bisher  nur  „Die  Sieben  gegen  Theben"  und  „Der  gefesselte 
Prometheus"  besprochen  wm-den.  Die  Fortsetzung  der  Arbeit  wird  jedesfalls  auch  auf 
Lipps  eingehen,  dessen  Heft  R.  nur  mehr  bei  der  Korrektur  benutzen  konnte.  -— 
RosikatiöO)  sucht  die  antike  Tragödie  gegen  die  Bezeichnung  als  Schicksalsti-agödie 
zu  verteidigen.  Er  weist  nach,  dass  der  Unterschied  zwischen  antiker  Schicksals-  luid 
moderner  Charaktertragödie  zuerst  von  Lenz  in  seinen  „Anmerkungen"  behauptet  -«-urde, 
während  sich  bei  Lessing  nur  ein  Ansatz  dazu,    bei    Herder   aber   das  gerade  Gegenteil 


ner.  D.  dritte  Drama:  Kw.  4,  S.  289— 91.  —  145)  A.  Dehlen,  Mitleid  n.  Furoht:  ML.  60,  S.  248/».  (N.  145/8  «hren  d. 
Siimmeltitel  „Neue  Werte  lllr  alte  Worte.  1—4".)  —  146)  id.,  D.  tragische  Schuld:  ib.  S.  361/3.  —  147)  id.,  D.  Schioksal:  ib. 
S.  582/4.  —  148)  id.,  Katharsis:  S.  807/8.  —  149)  P.  Richter,  D.  Tragödien  d.  Aeschylus  nach  Inhalt  u.  Wirkung  beleuchtet 
Zugl.  e.  Wort  d.  Kritik  Über  d.  Werk>.  Q.  QUnther:  GnindxUgo  d.  trag.  Kunst.  1.  Teil.  Progr.  d.  slJldt.  JohanuMgymn.  in 
Breslau.     40.~39    S.    -    ISO)    A.    Rosikat,    üeber    d.    Wesen    d.    Schicksalatrag.    I.    Teil.      PrOgr.    d    sttdt  B«alg7Bn.  in 

4» 


I  3:    151-156.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  52 

findet.  Den  Namen  „Schicksalstragödie"  braucht  übrigens  auch  Lenz  noch  nicht,  R.  ver- 
mutet, dieser  Name  sei  erst  im  19.  Jh.  aufgekommen.  Um  dann  aber  für  seine  Unter- 
suchung festen  Boden  zu  gewinnen,  hebt  R.  die  „allgemein  zugestandenen  Merkmale" 
des  Tragischen  und  der  Tragödie  hervor;  solche  sind  nach  ihm:  1)  das  Tragische  ist 
traurig,  leidvoll,  2)  es  stellt  sich  dar  als  Kontrast  zwischen  Erstrebtem  und  Erreichtem, 
3)  es  tritt  in  Erscheinung  als  Folge  des  Thuns  und  Lassens  der  handelnden  Person. 
Das  „generelle  Gepräge"  der  Tragödie  ist  das  Schicksalsvolle  der  Handlung;  ihr  „Gegen- 
stand" ist  ein  grosses  Leiden:  der  Held  stösst  in  seinem  Streben  und  Handeln  auf  feind- 
liche Mächte,  seine  Kraft  bricht,  und  nach  heissem  Ringen  unterliegt  er.  R.  kommt  zu 
Aristoteles'  Furcht  und  Mitleid  und  erblickt  in  ihnen  mit  Hermann  Baumgart  die 
„specifischen  Schicksalsempfindungen".  Es  giebt  eine  höhere  Macht  als  die  unsere; 
„dass  dieses  unserer  Empfindung  auf  das  eindringlichste  kund  wird,  ist  eine  von  den 
Wirkungen  der  Tragödie,  der  eigentlichen  Schicksalsfabel".  R.s  Auseinandersetzungen 
sind  rein  theoretisch,  obwohl  er  auf  einzelne  Dramen  gelegentlich  eingeht;  die  Fort- 
setzung wird  zeigen  müssen,  wie  weit  es  ihm  gelingt,  die  Tragödien  unter  seinen  einheit- 
lichen Begriff  zu  bringen.  — 

Nicht  zu  rühmen  ist  das  Heft  Bettingens^^^),  das  zwar  hauptsächlich  das 
komische  Drama,  im  Gegensatze  dazu  aber  auch  die  Tragödie  behandelt.  Wesen  und 
Wirkung  des  komischen  Dramas  besteht  nach  B.  darin,  „durch  Darstellung  von  Ver- 
hältnissen und  Charakteren,  die  von  der  im  Dichter  und  Publikum  lebenden  Norm 
so  abweichen,  dass  sie  in  ihnen  ein  Gefühl  der  Ueberlegenlieit  hervorbringen,  im 
Publikum  heitere  Daseinsfreude  und  Lust  bis  zum  höchsten  Grade  zu  erwecken".  Er 
nimmt  ohne  den  Sinn  für  zusammenfassende  Prinzipien  ordnungslos  komische  Figuren  und 
komischeVerhältnisse  durch,  neben Aristophanes  erscheintbesondersKotzebuealsZeuge.  Von 
einer  wirklichen  Erfassung  des  Problems,  ja  von  einer  richtigen  Fragestellung  ist  nicht  die 
Rede.  B.  hält  allerdings  den  Weg  der  Induktion  für  den  richtigen,  er  schlägt  ihn  aber 
nicht  ein.  —  Ein  Anonymusi52)  unterscheidet  im  Lustspiel  zwei  Richtungen  oder  Ent- 
wicklungsreihen: an  der  Spitze  der  einen,  die  das  realistische  Lustspiel  bedeutet,  stehen 
Werke  wie  „Minna  von  Barnhelm"  oder  „Die  Journalisten",  sie  erfüllen,  was  ihre  Kunst- 
form erheischt:  Leben  der  Wirklichkeit  vorzutäuschen;  tief  unten  stehen  die  Modelust- 
spiele, die  an  unsere  Phantasie  die  nämlichen  Anforderungen  stellen,  ohne  das  Ent- 
sprechende zu  bieten.  Die  zweite  Reihe  dagegen  verzichtet  von  vornherein  auf  die 
Täuschung,  dass  uns  Ereignisse  des  wirklichen  Lebens  vorgeführt  werden  (phantastisches 
Lustspiel),  oder  empfindet  das  Wirklichkeitsmässige  als  unwahrscheinliche  Störung  der 
Einheit  (idealistisches  Lustspiel).  Jenes  realistische  Lustspiel  und  dieses  (der  Vf.  nennt 
es  der  Kürze  halber  Posse)  sind  künstlerisch  ebenbürtig.  Von  der  zweiten  Gattung,  zu 
der  Aristophanes  gehört,  möchte  sich  der  Vf.,  selbstverständlich  bei  einer  Aenderung 
im  Sinne  der  neuen  Zeit,  eine  Zeitsatire  versprechen,  die  im  realistischen  Lustspiel  schwer 
denkbar  ist.  — 

Im  Gegensatze  zu  Johannes  Lepsius  weist  Stommel  i^^-^"*)  nach,  dass  man  das 
Drama  nicht  aus  dem  Wesen  der  Schauspielkunst  unter  Berücksichtigung  der  Bühnen- 
kunst, sondern  aus  der  Poesie  ableiten  müsse.  Die  drei  Dichtungsgattungen  scheiden 
sich  S.  so,  dass  er  sagen  kann:  „der  Lyriker  hat  Empfindungen,  der  Epiker  sieht 
Bilder,  der  Dramatiker  schaut  Gestalten  und  hört  sie  reden".  Das  Wiesen  des  Drama- 
tischen ist  „die  aus  dem  Charakter  entspringende  Handlung",  das  Wesen  des  Epischen 
„der  aus  der  Fülle  der  Begebenheiten  verständlich  gemachte  Charakter".  Er  betrachtet 
die  Anstrengung  vom  Auge  und  Ohr  beim  Drama  und  meint:  beide  Sinne  müssten  in 
harmonischer  Verbindung  arbeiten;  aber  nicht  etwa  so,  dass  damit  nun  alles  geleistet 
sei.  „Für  die  Sinne  ist  die  Darstellung  auf  der  Bühne  Wirklichkeit,  für  das  Bewusst- 
sein  ist  sie  Illusion ;  das  eigentliche  Kunstwerk  aber  ist  die  Vision,  welche  in  der  Phan- 
tasie bleibt,  unausspreclilich  und  undarstellbar."  Also  nicht  das,  was  den  Sinnen  von 
der  Bühne  geboten  wird,  nicht  das  Wirkliche,  sondern  zugleich  das,  was  dadurch  ange- 
deutet wird,  ruft  die  Wirkung  des  Dramas  hervor.  Von  diesem  Standpunkt  aus  betrachtet 
S.  einzelne  Grundfragen  und  einzelne  Dramen.  —  Den  Unterschied  von  antiker  und 
moderner  Tragödie  sucht  Stommel  l^ö^  aus  dem  Unterschied  der  Religionsanschauungen 
abzuleiten.  Der  Konflikt  mit  dem  „Scliicksal"  muss  in  beiden  anders  auftreten,  weil 
die  Antike  „den  geheimnisvollen  Zusammenhang",  welcher  in  der  Schuld  zwischen 
Sünde  und  Schicksal  besteht,  nur  ahnte,  ohne  ihn  zu  begi'eifen,  während  das  Christentum 
neben  der  äusseren,  objektiven  Verkettung  der  Umstände  einen  subjektiven  Widersti'eit 
in  der  Brust  des  Helden  sich  erheben  und  von  ihm  in  Freiheit  entscheiden  lässt.  Daraus 
folgt,  dass  in  der  modernen  Tragödie  der  Charakter,  nicht  das  Schicksal,  „in  den  Vorder- 


KOnigsberg  i.  Pr.  4".  26  8.  —  151)  F.  Bettingen,  Wesen  u.  Entwicklung  d.  komischon  Dramas.  Berlin,  Weidmann. 
99  S.  M.  2,00.  —  152)  Lust.-i.iel  u.  Posse:  Kw,  4,  S.  193/0.  —  I53/4-)  K.  Stommel,  Ueber  d.  Wesen  d.  dramat.  Kunst. 
=   Aus  d.  Geistesleben.    S.  240-G2.  (S.  N.  86.)    —  156)  id.,    Antike  u.  christl.  Tragik:  ib.  S.  41/8.  —  156)  id..  Unsere  dramat. 


53  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  l  :\:    1.7174. 

grund  tritt"  und  beide  sich  „aus  ihrer  gegenseitigen  Durchdringung  auch  gegenseitig 
erklären  und  verständlich  machen",  während  in  der  antiken  Tragödie  „diese  beiden 
hauptsächlichen  Faktoren  der  tragischen  Kunst  unvorhältnismässig  un<i  unvermittelt 
neben  einander  herlaufen".  Einen  zweiton  Differenzpunkt  bildet  die  Auffassung  des 
Todes,  einen  dritten  die  Unsterblichkeit  der  Seele.  Die  pessimistischen  Folgerungen, 
die  S.  daraus  zieht,  sind  wenig  überzeugend  und  die  Vermischung  oder  Identitizierung 
von  tragisch  und  Tragödie  wirkt  verwirrend.  —  Für  die  moderne  Produktion 
verwirft  Stommeli''*)  den  Anschluss  an  die  Antike  und  fordert  nationale  Stoffe 
der  Gegenwart.  —  W.  Jordan  1^'')  sieht  die  Unmöglichkeit  einer  modernen  Tragödie 
in  der  Uiunöglichkeit,  einen  Menschen  als  Helden  hinzustellen,  und  iti  unserer 
Abneigung  gegen  Greuel,  welche  die  Griechen,  selbst  Sophokles,  und  Shakespeare 
mit  einer  gewissen  Vorliebe  gaben.  Die  Zukunft  verheisst  J.  dem  „Schauspiel", 
insofern  es  den  Sieg  des  Menschen  über  das  „Schicksal"  darstellt.  Aber  J.  hat 
das  Problem  kaum  richtig  erkannt,  gewiss  aber  falsch  gelöst;  das  zeigt  sein  Verhalten 
gegent\ber  einem  „modernen  Schauspiel"  wie  Ibsens  „Sttitzen  der  Gesellschaft",  er  be- 
kämpft es,  obwohl  es  seiner  fr(\her  ausgesprochenen  Ansicht  entsprechen  sollte.  Nicht 
den  Ausgang  des  Stückes,  sondern  die  Wahl  des  singulären  Falles,  das  hat  er  verwerfen 
wollen,  wie  sich  aus  seiner  Stellungnahme  zum  jüngsten  Geschlecht  der  Dramatiker 
ergiebt,  aber  man  vermisst  die  Klarheit  einer  wirklichen  Erkenntnis. '^8)  —  j,^  einem 
andern  Aufsatze  führt  W.  Jordan  i^^)  mit  ein  paar  hül)schen  Gleichnissen  den  Gedanken 
aus,  dass  auf  der  Bühne  „alle  unmittelbare  Natürlichkeit  ewig  verpönt  bleibt",  dass  der 
Schein,  nicht  die  Wirklichkeit  gegeben  werden  müsse.  J.  berücksichtigt  dabei  melu* 
die  Schauspielkunst  als  das  Drama,  aber  mit  Behauptungen  wird  nichts  bewiesen. '**-•«•)  — 
Wie  weit  man  in  Amerika  von  der  Ansicht  entfernt  ist,  dass  auf  der  Bühne  nur  der 
Schein  der  Wirklichkeit  gegeben  werden  solle,  das  erfahren  wir  aus  dem  Feuilleton 
eines  Anonymus  ^^^);  er  führt  einige  Stücke  an,  welche  die  Wirkliclikeit  in  aller  Gräss- 
lichkeit  auf  die  Bühne  New-Yorks  brachten.  Man  glaubt  Berichte  über  Stücke  des 
17.  Jh.  zu  lesen,  nur  natttrlicli  mit  Steigerung  des  Raffinements:  was  ist  das  harmlose 
Ochseublut,  das  damals  auf  der  Bühne  vergossen  wurde,  gegen  die  haarscharf  geschliffene, 
wirklich  diu-ch  Dampf  getriebene  Kreissäge  in  dem  Schauspiele  Blue  Jeans,  welcher 
langsam  dem  Körper  eines  wirklichen  Darstellers  näher  rückt,  um  erst  in  einer  Entfer- 
nung von  einem  Zoll  seiner  Angstlage  entrissen  zu  werden.  Das  ist  freilich  Entartung, 
giebt  aber  doch  zu  denken.  Durch  so  konsequente  Uebertreibung  wird  die  Meiningerei 
wohl  am  besten  in  ihrer  Haltlosigkeit  dargestellt.  i63-i<>4)  —  Die  Gegenbewegung  in 
Deutschland  ging  bekanntlich  von  München  aus,  wo  der  Versuch  gemacht  "wnu-de,  zur 
Shakespearebühne  zm-ückzukehren.  Dieses  Streben  fand  allseitige  Beachtung  und  Er- 
wägiing  165-168^  —  DJQ  Schrecken  und  Gefahren  einer  ersten  Aufführung  schildert,  in  einem 
launigen  Dialog  Spiel hagen  i*»^).  —  Aus  praktischer  Bühnenkenntnis  heraus  hat 
Wehl  i'^O)  im  Anschluss  an  einzelne  Dramen  und  einzelne  Autführungen  die  Resultate 
seiner  Erfahrung  mitgeteilt.  Kilian  that  Recht  daran,  sie  dem  Nachlasse  des  Dramaturgeii 
zu  entnehmen.  Die  Aufsätze  bringen  einzelne  Winke  über  die  Bühneneinrichtung  klassischer 
Stücke  oder  über  die  Auffassung  einzelner  Rollen,  sei  es,  indem  ilu-e  Darstellung  durch 
anerkannte  Künstler  analysiert  oder  verglichen  wird,  sei  es,  indem  W.  seine  eigenen 
Ansichten  als  Dramatiu-g  entwickelt.  Immer  verrät  sich  seine  intime  Vertrautheit 
mit  Bühne  wie  Litteratur,  immer  spricht  zu  uns  der  feine  Sinn  eines  verständigen,  ge- 
schmackvollen Bühnenleiters  auch  dort,  wo  man  seinen  Ausfülirungen  nicht  zuzustimmen 
vermag.  I7i-172)  — 

Die  Veränderung  dramatischer  Technik  in  neuer  Zeit"')  führt  A.  Kemp- 
neri''*)  auf  zwei  Prinzipien  zurück;  das  eine  hängt  mit  dem  Realismus  zusammen, 
das  andere  nicht.  Jenes  siicht  die  Vorgänge  auf  der  Bühne  der  Art  des  wirklichen  Lebens 
anzugleichen,  darum  wird  vor  allem  der  Monolog  vermieden  luid  durch  Pantomime  ersetzt 
Der  Monolog    wird    nur  gestattet,    wo  er   im  Leben  auch  vorkommt,  also  bei  heftiger 


Produktion:  ib.  S.  37—41.  —  157)  W.  Jordan,  D.  Neige  d.  Tragödie.  =  Episteln  u.  Vortrtge.  S.  62—75.  (S.  •.  N.  24.1  — 
158)  O  X  Emil  Wolff,  D.  Neige  d.  Tragödie:  HambNachrS.  N.  10.  —  168)  W.  Jordan,  An  ©.  berllbint«  Srhanspielerin. 
=  Episteln  n.  Vortrr.  S.  36—51.  (S.  o.  N.  24.)  —  160)  O  X  L-  Li  er,  Drama  u.  Publikum:  Orenxb.  II,  S.  42ft— 83. 
(Vgl.  Kw.  4.  S.  278—81,  293/4.)  —  161)  O  X  L-  L[ier],  Theaterkritik  u.  Publikum:  ib.  III,  S.  2:H  6.  —  162)  ÄmerikaaiMlie 
Buhnenrealistik.  E.  Federzeichnung  t.  jenseits  d.  grossen  Wassers:  StrassbPost  N.  285.  —  163)  X  G.  Schwarikop  f, 
Wiener  Thoaterbrief  1890/1:  ML.  60,  S.  376/8.  (Vgl.  Kw.  4,  S.  325/6;  handelt  Ober  d.  Realismus  auf  d.  BBhne.)  —  164)  X  H. 
Bahr,  Z.  Entwicklung  d.  modernen  Schauspielkunst:  ib.  S.  151/3.  —  165)  W.  Bormann,  E.  Wort  i.  MBnrhener  Schaaspiel- 
Reform:  DBtthnenRs.  I,  S.  27/9.  —  166)  X  L.  Hartmann,  D.  MOnchener  «Shakespeare-Bahne« :  Kw.  4,  S.  228.  (Aas 
DresdZg.)  —  167)  X  E.  Drach:  ib.  S.  228/9.  —  168)  L.  Hartmann:  ib.  S.  229-31.  —  169)  F.  Spielhagen,  D. 
„Premiere".  =  Aus  meiner  Studienmappe.  S.  79—98.  (S.  o.  N.  76.)  —  170)  Feodor  Wehl,  Dramaturg.  Kansteine.  Ge- 
samm.  Aufsatze.  Aus  d.  Nachl.  hir.  v.  E.  Kilian.  Oldenburg,  Schulze,  o.  J.  VII,  174  S.  M.  2,40  i[  WaldmOll  er:  BLU. 
S.  759  f.;  Bulthanpt:  WcserZg.  N.  16183.]|  —  171)  X  L.  Hartmann,  ,D.  dumme  Kerl.  d.  Dichter  ....':  Kw.  4,  S.  97  9. 
(Betont  d.  Recht  d.  Dichters,  d.  Aufführung  zu  leiten.)  —  172)  X  H.  Bnlthanpt.  Dramaturgie  d.  Schauspiels.  2.  Aufl. 
(=:  Dramaturgie  d.  Classiker  3.  Bd.)  Oldenburg,  Schulze.  XV,  396  S.  M.  5,00.  |[W1DM.  6»,  8.  291;  Grenzb.  I,  S.  45/6;  Ad. 
Voigt:  Kw.  4.  &  220/l.]|  —  173)  Q  X  H.  A.  Kennedy,  The  Drama  of  the  moment:  19thCent  S.  174.—  174)  A.  Kempner, 


I  3:    175-180.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  54 

Aufregung,  die  abgerissene  Wörter  hervorstösst,  und  bei  Wahnsinn  oder  Trunkenheit. 
Vermieden  wird  ferner  aus  dem  gleichen  Grunde  das  ä  part-Sprechen  der  Personen, 
endlich  die  direkte  Charakteristik,  auch  die  Selbstcharakteristik,  wo  sie  nicht  als  Gegen- 
satz zur  indirekten  Charakterisierung  dient.  Während  K.  in  diesen  Zügen  Neuerungen 
der  modernen  Technik  sieht,  hält  er  andere  nur  für  konsequente  Weiterbildungen  früherer 
dramatischer  Gepflogenheit,  so  vor  allem  das  Bestreben,  die  Vorgeschichte  nur  beiläufig 
und  andeutend,  überdies  nicht  auf  einmal,  sondern  auf  weite  Scenen  verteilt,  zu  erwähnen: 
hier  soll  Lessing  der  grosse  Wegweiser  sein;  weiter  das  Streben,  die  sogenannten  merk- 
würdigen Zufälle  zu  vermeiden  und  deutlicheren  „Einblick  in  die  ursäcliliche  Verknüpfung 
der  einzelnen  Bestandteile  der  Handlung-'  zu  gewähren:  auch  das  bringt  K.  in  Verbin- 
dung mit  Lessings  Satz,  das  Drama  solle  den  „Durchschnitt  des  Lebens"  darstellen. 
Ein  letztes  ist  die  Sprache,  bei  der  man  nach  dem  Wesen  der  redenden  Gestalten  und 
der  vorgeführten  Situationen  strenge  differenziert;  damit  fällt  die  pathetische  und  die 
geistreiche  Rede  fort,  wo  sie  nicht  der  Charakteristik  dient.  Alle  diese  Mittel  stehen 
nach  K.  im  Zusammenhange  mit  dem  realistischen  Streben;  dagegen  entdeckt  er  drei, 
die  „allein  auf  ästhetische  Gründe  zurückzuführen  sind  und  zum  Teil  dem  Realismus 
ins  Gesicht  schlagen".  Das  erste,  das  sich  noch  sehr  gut  mit  ihm  verträgt,  ist  das  Be- 
mühen, innerhalb  des  Dramas  den  Kommentar  zu  vermeiden  und  das  Publikum  die 
nötigen  Schlüsse  ziehen  zu  lassen;  dies  gilt  für  das  ganze  Drama,  wie  für  einzelne 
Scenen.  Nicht  mit  dem  Realismus  zu  vereinigen  ist  das  Aneinanderreihen  wesentlicher 
Momente,  damit  verbunden  die  Scheu  vor  Episoden,  dann  die  zeitliche  Einheit.  Hier 
sieht  K.  die  Entwicklungsfähigkeit  des  modernen  Dramas. '''5)  —  Auch  Brahm^''^)  setzt 
als  Parteimann  auseinander,  dass  „das  moderne  Theater  naturalistisch  sein  werde 
—  oder  gar  nicht".  Er  geht  davon  aus,  dass  jede  vorwärtsstrebende  Litteratur  revo- 
lutionär, das  Theater  aber  konservativ  sei;  er  zeigt,  welche  Schwierigkeiten  Schiller, 
Goethe,  Kleist,  Grillparzer  fanden,  ehe  sie  auf  dem  Theater  durchdrangen,  und  meint, 
ebenso  werde  der  Naturalismus  siegen.  Von  Anzengruber  wird  eine  Stelle  über  den 
Realismus  angeführt  und  dann  dargestellt,  wie  notwendig  die  Wahrheit  gegenüber  der 
Konvention  sei.  Er  gedenkt  der  „Freien  Bühne"  und  ihrer  Erfolge:  die  Vorstellung 
der  „Gespenster"  habe  mehr  für  die  Verbreitung  Ibsens  gethan  als  alle  Aufsätze.  Die 
Verbindung  von  Theater  und  Naturalismus  wünscht  aber  B.  auch  im  Literesse  des 
Naturalismus,  denn  er  werde  in  der  Berührung  mit  der  konservativsten  aller  Künste  die 
Extreme  abthun,  Mässigung  lernen  und  gerechte  Beschränkung.  Er  erwartet  einen 
Naturalisten  der  Zukunft,  der  wie  Scliiller  die  Vorläufer  überbietend  den  Naturalismus 
auf  der  Bühne  vollenden  werde,  ^'^''-i''^)  —  Wir  sind  damit  schon  beim  Natura- 
lismus angelangt,  zu  dem  alle  modernen  Untersuchungen  mehr  oder  weniger  Stellung 
nehmen.  — 

Der  Naturalismus.  Nur  mit  Zagen  wagt  man  sich  in  das  Gestrüpp,  das  in 
vollster  Ueppigkeit  dieses  Thema  umwuchert.  Man  fühlt  sich  einem  Proteus  gegenüber, 
der  fortwährend  die  Gestalt  wechselt  und  doch  eigentlich  keine  Gestalt  hat.  Die  Be- 
trachtung wird  noch  dadurch  erschwert,  dass  die  meisten  Auseinandersetzungen  einzelnen 
Fällen  gelten  und  daraus  Schlüsse  ziehen.  Jede  neue  Erscheinung  der  Litteratur  ruft 
eine  neue  Formulierung  der  Hauptsätze  hervor,  jede  kleine  Nuance  führt  zu  einer  neuen 
Bezeichnung  der  ganzen  Richtung.  Wir  befinden  uns  eben  auf  einem  schwankenden 
Boden,  in  einer  ununterbrochenen  „Umwertung  der  Werte",  in  einem  Chaos,  das  nach 
einem  Gebilde  strebt,  ohne  es  bisher  erreicht  zu  haben.  Wohl  bietet  eine  solche  Periode 
reichen  Anlass  zum  Nachdenken,  aber  es  ist  fast  unmöglich,  in  dem  Wirrsal  sich  zurecht- 
zufinden. Immer  mehr  befestigt  sich  die  Ueberzeugung,  das  Ende  des  Naturalismus 
sei  herangekommen;  wer  sich  nicht  durch  die  stets  erneuerte  Versicherung  überreden 
lässt,  der  könnte  fast  drurch  die  Leidenschaftslosigkeit  bekehrt  werden,  mit  der  man  den 
Naturalismus  betrachtet.  So  gut  das  möglich  ist,  macht  sich  eine  mehr  historische,  sogar 
objektive  AufPassung  geltend;  man  streitet  nicht  mehr  für  und  wider,  man  sucht  viel- 
mehr ruhig  das  Richtige  vom  Falschen  zu  scheiden.  Am  lautesten  verkündet  Bahr' ''^■i^o), 
dass  es  mit  dem  Naturalismus  zu  Ende  gehe,  rund  heraus  sagt  er :  „Der  Buchnaturalismus, 
des  Romans  und  der  Novelle,  gehört  schon  wieder  der  Geschichte.  Sein  Kampf,  sein 
Sieg,  seine  Ueberwindung  liegen  hinter  uns."  Das  Neue  sieht  er  in  Frankreich  werden, 
,,die  neue  Psychologie,  die  neue  Romantik,  den  neuen  Idealismus",  die  Litteratur  der 
Nerven.  Diese  Litteratur  der  Zukunft  —  sie  ist  freilich  nach  B.  schon  zum  Teil  vor- 
handen —  wird  nicht  eine  Rückkehr  zum  Klassizismus  oder  zur  Romantik  sein,  obwohl 
auch  sie  „den  Ausdruck  des  Menschen"  will,  denn  der  Klassizismus  sagte  „Mensch"  und 


D.  Technik  d.  modernen  Dramas:  VZg8.  N.  27.  —  175)  X  E.  v.  Jagow,  D.  Technik  d.  modernen  Dramas:  DBUhnenG.  20, 
S.  265/7.  —  176)  0.  Brahm,  D.  Naturalismus  u.  d.  Theater:  WIDM.  70,  S.  489—99.  —  177/8)  X  !>•  Zukunft  d.  deutschen 
Dramas:  AZg".  N.  154.  —  179)  H.  Bahr,  D.  Uehorwindung  d.  Naturalismus.  Als  zweite  Reihe  v.  ,Z.  Kritik  d.  Moderne". 
Dresden  u.   Leipzig,   l'iorson.     VI,   323  S.    M.  4,50.    |[A.  Hermann:    BLU.    S.  583;    Gegenw.  40,  S.   207.]  |    —    180)  id.,   D. 


i 


55  R.  M.  "Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:    i8i-i»4. 

meinte  „Vernunft  und  Gefühl",  die  Romantik  meinte  „Leidenschaft  und  Sinne",  „die  Mo- 
derne" jedoch  meint  „Nerven".  Ueberwunden  wird  also  der  Naturalismus  „durch  eine 
nervöse  Romantik,  durch  eine  Mystik  181-182)  (Jer  Nerven".  Das  klingt  alles  recht  schön, 
weiui  es  nur  auch  wahr  wäre,  wenn  sich  nur  der  Vf.  auch  bei  seinen  „nervösen"  Worten 
etwas  denken  würde.  Freilich  giebt  uns  B.  in  dem  Aufsatze  ,,Die  neue  Psychologie" 
zwei  Beispiele  für  die  neue  Kunst  im  Verhältnis  zur  alten;  ich  glaube  aber  kaum,  dass 
damit  etwas  klarer  wird,  denn  „Protokolle"  von  Nervenschwingungen  müssen  uns  erst  vor- 
liegen, ehe  wir  ihre  Möglichkeit  zugeben;  auch  Bourget,  an  den  B.  natürlich  in  erster 
Linie  denkt,  kann  nicht  anders  vorgehen  als  die  alte  Kunst,  auch  er  muss  rückblickend 
die  einzelnen  Momente  zerlegen  und  analysieren.  Eine  Probe  der  nervösen  Kunst  liefert 
uns  B.  selbst;  das  ist  sein  Stil,  jenes  unruhige,  gesucht  unstilisierte,  möglichst  ungramma- 
tische Deutsch,  das  etwa  einen  Aufsatz  anfängt:  „Vom  Bühnennaturalismus  nämlich  will 
ich  reden,  nur  von  diesem",  Sätze  mit  ,, Sondern",  mit  „Also"  anhebt,  die  Präpositionen 
gegen  die  Grammatik  braucht  usw.  usw.  Das  ist  alles  Absicht,  „Pose",  wie  man  wohl 
gesagt  hat,  denn  B.  selbst  spricht  sehr  vernünftig  „Vom  Stile".  Man  fürchtet,  dass 
unsere  Nerven  die  „Mystik  der  Nerven"  nicht  werden  ertragen  können.  Nach  der 
Periode  des  „Waliren"  käme  nun  eine  des  Raffinements,  wenn  B.  die  Zukunft  vertritt. 
Raffiniert  ist  seine  Kunst,  mit  den  Gegenständen  zu  spielen,  sie  so  darzustellen,  dass 
man  nichts  von  ihnen  erfährt,  nur  vom  schreibenden  Autor;  dass  man  gereizt  wird,  un<l 
wenn  man  nun  hofft,  die  Mahlzeit  kommt,  dann  ist  alles  zu  Ende.  Die  Lektüre  des 
Buches  stellt  hohe  Anforderungen  an  die  Geduld,  denn  der  Vf.  handelt  meist  über  Fern- 
liegendes, Unbekanntes,  und  thut  so,  als  ob  es  jedem  Leser  bekannt,  vertraut  sein  müsste. 
Oder  richtiger  ausgedrückt,  B.  scheint  überhaupt  nicht  an  einen  l^eser  zu  denken,  sondern 
nvu"  die  „Protokolle"  seiner  eigenen  Nervenzustände  sorgfaltig  zu  schreiben.  Man  wird 
die  bunte  Sammlung  von  Feuilletons,  die  B.  unter  einem  nicht  tiberall  zutreffenden 
Titel  zusammengebracht  hat,  für  eine  ungewöhnliche  Erscheinung  erklären,  muss  aber 
sagen,  dass  sie  trotzdem  wenig  positiv  fördernd  ist,  vielleicht  nur  in  den  Augen  des  Bericht- 
erstatters, der  nun  einmal  an  wissenschaftliche  Arbeit  gewöhnt  ist  und  nicht  viel  von 
den  ,, gierigen  Horchern  nach  den  Trieben  der  gegenwärtigen  und  nach  den  Zeichen  der 
zukünftigen  Kultur"  hält,  wenn  sie  es  nicht  verstehen,  bei  der  Beobachtung  ruhig  und 
kritisch  zu  bleiben,  sich  die  Augen  auszuwischen  und  zwischen  Sonne  und  Lrlicht  zu 
unterscheiden.  —  Gerne  wird  man  mit  R.  Steiner  183)  übereinstimmen,  der  in  einem 
beachtenswerten  Aufsatze  Bahr  „den  bedeutendsten  Kopf  des  jüngsten  Deutschland 
genaimt  hat,  wird  aber  auch  zugeben,  dass  die  Bahrsclien  Paradoxen  in  gesundes  Deutsch 
übertragen,  nichts  anderes  heissen  als:  „Die  Kunstprodukte  sollen  nicht  Kunstprodukte, 
sondern  Naturerzeugnisse  sein",  wenn  sie  nämlich  unser  Nervensystem  genau  ebenso 
beeinflussen  sollen  wie  die  Wirklichkeit.  Uebrigens  vergass  Bahr,  das  ein  solches  Ver- 
langen zum  konsequentesten  Naturalismus  fülu*en  müsste.  — 

Li  einer  historischen  Betrachtung  hat  Valentin  ^^)  ausgeftihrt,  der  Naturalis- 
mus sei  „die  roheste  Art  der  Kunstschöpfung",  stehe  immer  am  Beginne  der  Entwick- 
lung als  Keim  oder  am  Schlüsse  als  Verfall.  Das  allgemeinste,  überall  giltige  Merk- 
mal der  Kunst  sei  die  Bildlichkeit  der  Kunstschöpfting,  sie  stelle  etwas  Fremdes  dar 
und  gebe  deutlich  zu  erkennen,  dass  sie  die  dargestellte  Sache  nicht  sei.  Der  NaturaUs- 
mus  aber  sei  „die  Richtung  in  der  Kunst,  die  eine  ihrem  Wesen  nach  bildliche  Dar- 
stellung so  gestaltet,  dass  diese  für  die  Sache  selbst  gehalten  werden  soU".  Das  Ziel 
des  Naturalismus  wäre  somit  Ersetzung  der  wirklichen  Natur  durch  eine  zweite  schein- 
bare, welche  die  Täuschung  hervorbringt,  als  ob  sie  die  wirkliche  wäre.  Dabei  kann 
entweder  die  Täuschung  als  solche  erkannt  werden,  und  dann  stellt  sich  eine  gewisse 
kindliche  Wirkung  der  Kunst  ein,  wie  etwa  im  Wachsfigurenkabinet,  in  vielen  Zweigen 
des  Gewerbes,  besonders  des  Kunstgewerbes  usw.,  „die  kindliche  Freude  daran,  dass 
etwas  wie  wirklich  aussieht,  ohne  wirklich  zu  sein";  oder  aber  die  Täuschung  soll  als 
solche  nicht  erkannt  werden.  Nun  bedient  sich  der  Mensch  von  fi-üh  an  des  Kunst- 
schaffens, „um  den  Ausdruck  für  eine  Empfindung  zu  gewinnen,  ftlr  die  die  ihn  um- 
gebende Natur  keine  Erscheinung  darbot,  die  fähig  gewesen  wäre,  als  Ausdruck  ftir 
seine  Empfindung  zu  dienen";  die  älteste  Kunst  sucht  durch  die  Natumachalimung  nicht 
die  Wirkung  der  Natur  selbst  zu  erreichen,  sondern  vielmehr  zu  vermeiden.  Diese  be- 
wusste  Bildlichkeit  anstreben,  heisst  Stilisieren.  V.  verfolgt  dieses  Prinzip  mit  über- 
treibender Einseitigkeit  in  der  Geschichte  der  Baukunst,  dann  in  der  Kunstgescliichte 
überhaupt.  Die  erste  und  ursprüngUche  Empfindung  aussergewöhnlicher  Art,  die  nach 
einem  Ausdruck  in  der  Kunst  ringt,  ist  die  von  einer  die  menschliche  Kraft  über- 
ragenden überirdischen  Macht;    ihre  Darstellung    verlangt    eine  Veränderung  der  Natur- 


Dekadenoe:  Nation».  8,  S.  619-21.  —  181)  X  L-  Berg,  Realismus  u.  Mystik:  Zeitgenosse  1,  S.  296/8.  —  182)  X  «d-i  Sjmhol 
u.  Realismus:  ib.  S.  642/6.  —  183)  Rud.  Steiner,  Auch  e.  Kapitel  z.  ,Kritik  d.  Moderne":  LMerkur  11,  S.  233/6.  —  W)  V. 
Valentin,    D.  Naturalismus  u.  s.  Stellung  in  d.  Kunstentwieklung.     (=  Deutsche  Schriften  f.  Litt  a.  Kunst  I,  4.)     Kiel  n. 


1  3:    18>189.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  56 

erscheinungen,  also  etwa  Zusammensetzung  von  Menschen-  und  Tiergestalt,  fratzenhafte 
Umbildung  der  menschlichen  Erscheinung,  Vervielfältigung  einzelner  Gliedmassen  usw.; 
das  sehen  wir  in  den  ägyptischen,  assyrischen  und  indischen  Götterbildern.  Geht  nun 
die  gröbere  Auffassung  zu  einer  feineren  über,  so  wird  auch  der  grobe,  derbe  Ausdruck 
nicht  mehr  entsprechen,  man  gelangt  zu  einer  eingehenderen  und  schärferen  Natur- 
beobachtung, die  Kunstschöpfung  wird  der  Naturwirklichkeit  genähert,  bis  der  Eindruck 
entsteht,  dass  eine  solche  Schöpfung  allen  Bedingungen  der  Naturwirklichkeit  entspricht, 
auch  wenn  sie  selbst  gerade  so  in  der  Natur  niemals  vorgekommen  ist  und  niemals  vor- 
kommen kann;  das  Kunstwerk  ist  „ein  potenziertes  Naturwerk",  in  dem  sich  die  Gesetze 
seines  Daseins  klarer  enthüllen  als  in  der  Naturerscheinung.  Nun  kann  aber  das  Be- 
dürfnis, „eine  das  Alltägliche  überschreitende  Empfindung  zu  hegen",  durch  die  Freude 
am  Alltäglichen  verdrängt  werden,  dann  braucht  es  keiner  besonderen  Ausdrucksmittel, 
es  genügt,  die  Natur  mit  allen  ihren  Zufälligkeiten  nachzuahmen.  Damit  stellt  sich  der 
Naturalismus  ein,  „ein  Widerspruch  gegen  das  Wesen  der  Kunst,  aber  immer  nur  eine 
vorübergehende  Erscheinung".  V.  führt  nun  eine  Reihe  von  Fällen  vor,  die  deutlich 
zeigen,  wie  Naturalismus  und  Kunst  im  Widerstreite  stehen,  so  dass  entweder  der 
Naturalismus  oder  die  Kunst  zurückweicht,  entweder  der  Naturalismus  wie  z.  B.  auf 
der  Bühne  durch  „Arrangement",  durch  Konzessionen  seinem  eigentlichen  Prinzip  untreu 
wird  oder  aber  die  Kunst  verloren  geht.  Aber  der  Naturalismus  kann  auch  ein  Mäntel- 
chen umhängen;  ein  solches  erblickt  V.  in  der  „Idee",  besser  hätte  vielleicht  „Tendenz" 
gesagt  werden  sollen:  die  Kunst  wird  missbraucht,  um  Ideen  auf  den  Markt  zu  bringen, 
dadurch  „kommt  in  erster  Linie  der  Inhalt  der  Darstellung  und  die  in  diesem  hervor- 
tretende Bestrebung  des  Künstlers,  nach  irgend  welcher  Seite  hin  auf  die  Erkenntnis 
oder  auf  das  praktische  Leben  selbst  wirken  zu  wollen,  in  Betracht".  Wenn  die  Kultur 
übertreibt,  ungesunde  Elemente  zur  Herrschaft  gelangen  lässt,  dann  gewinnt  die  Natur- 
kraft den  Charakter  des  Gesunden,  des  Erlösenden;  aber  sie  darf  nun  dabei  nicht  als 
Selbstzweck  stehen  bleiben,  sondern  soll  der  Anfang  einer  neuen  Kultur  sein.  Das  ver- 
misst  V.  am  Naturalismus,  dessen  Streben  „wahr"  zu  sein,  nur  ein  Streben  nach  Gemein- 
heit, nach  Schmutz  ist:  auch  das  Schöne  finden  wir  in  der  Natur,  daneben  das  Hässliche, 
der  Naturalismus  zeichnet  das  Hässliche,  um  ganz  wahr  zu  sein,  weil  ihm  wahr  und 
schön  identisch  werden,  also  je  gemeiner,  desto  wahrer,  desto  schöner;  dadurch  aber 
wird  er  zur  Lüge,  die  um  so  schlimmer  ist,  je  mehr  der  Naturalismus  auf  die  Wahrheit 
als  das  eigenste  Wesen  seines  Schaffens  pocht.  Er  gelangt  einerseits  zum  Grässlichen, 
andererseits  zum  Lüsternen,  zwei  Empfindungen,  die  nahe  verwandt  sind.  Aber  V. 
unterscheidet  scharf  zwischen  Naturalismus  und  Realismus ;  nicht  Realismus  und  Idealis- 
mus sind  Gegensätze,  sondern  diesen  beiden  verschiedenen  Stufen  einer  und  derselben 
künstlerischen  Auffassungsweise  der  Welt  steht  der  Naturalismus  als  die  unkünstlerische 
Auffassungsweise  gegenüber.  Der  Realismus  ^^^-i^*')  lässt  mehr  den  Charakter  der  Einzel- 
erscheinung hervortreten,  ohne  dass  dadurch  die  symbolische  Kraft  verloren  ginge,  der 
Idealismus  betont  mehr  „das  in  der  einen  Erscheinung  eine  Fülle  von  Erscheinungen 
erfassende  und  umschli essende  allgemeingiltige  Wesen,  ohne  der  als  Vertreterin  gewählten 
Einzelerscheinung  den  Charakter  der  Möglichkeit  wirklicher  Existenz  zu  entziehen";  in 
den  grossen  Künstlern  sind  beide  Auffassungsweisen  vereinigt,  was  im  besonderen  ge- 
zeigt wird.  Der  Gegensatz  zu  beiden  ist  der  Naturalismus,  armselig  und  langweilig, 
oder  genötigt,  Ziele  mit  hereinzuziehen,  die  ihn  zum  Missbrauch  der  Kiuist  füliren. 
V.s  Ausfuhrungen  folgt  man  mit  Interesse;  die  Beispiele,  die  er  wählt,  sind  belehi*end, 
er  verkennt  nur  vielleicht,  dass  der  Naturalismus  bloss  in  seltenen  Ausnahmen  wirklich 
dem  Bild  entspricht,  das  sich  prinzipiell  von  ihm  entwerfen  lassen  müsste ;  ofb  wird  von 
den  Vertretern  des  Naturalismus  nichts  anderes  als  stärkerer  Realismus  gegenüber  dem 
Konventionellen  verlangt.  —  Mit  Schärfe  hat  Eugen  Wolff'87)  den  Widerspruch  auf- 
gedeckt, in  dem  Zolas  Theorie  und  Zolas  Praxis  stehen,  und  damit  zugleich  gezeigt, 
dass  der  konsequente  Naturalismus  unmöglich  ist;  er  gelangt  zu  Thesen,  in  denen  aus 
Zola  die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  unzweifelhaft  erscheint,  und  fasst  alles  zusammen 
in  den  zwei  Sätzen:  ein  Werk  hört  auf  wissenschaftlich  zu  sein  und  wird  poetisch 
durch  freie  schöpferische  Bethätigung  des  Geistes,  es  hört  auf  poetisch  zu  sein  und 
wird  wissenschaftlich  durch  festes  Gebundensein  des  Geistes  an  den  Mechanismus  der 
Erscheinungen.  W.  sucht  also  darzuthun,  dass  Zola  trotz  seiner  eigenen  Absicht  ein 
Dichter  sei,  wenn  er  auch  d\irch  allerlei  störende  zufällige  Zuthaten  sich  den  Anschein 
des  Wissenschafllichen  geben  möchte. i^^-^^^)    —  Von  einer  anderen  Seite  sucht  Reiss- 


Leipzig,  Lipsius  u.  Tischer.  45  8.  M.  1,00.  —  185)  X  C.  Gurlitt,  Z.  Würdigung  d.  Realismus:  Gegenw.  40,  S.  228—31. 
(Im  Anschluss  an  Th.  Alt,  System  d.  Kllnste.)  —  186)  X  'd-.  Am  Grabe  d.  Idealismus:  ib.  S.  293/4.  —  187)  Eug.  Wolff, 
Zola  u.  d.  Grenzen  v.  Poesie  u.  Wissenschaft.  {—  Deutsche  Schriften  f.  Litt.  u.  Kunst  I,  6.)  Kiel  u.  Leipzic,  Lipsius  u. 
Tischer.  40  S.  M.  1,00.  —  188)  X  K.  Grotte  witz,  D.  wissenschaftliche  Methode  in  d.  modernen  Dichtung:  Kw.  4,  S.257/9. 
—    189)  X  Kossmann,  D.  Verhältnis  d.  künstlerischen  Naturalismus  z.  Naturwissenschaft:   ib.  S.  358/0,  372/4.      (Aus   FZg. 


67  R.  M.  Werner,  Poetik  uiifl  ihre  Geschichte,  I  3:   loo-m. 

manu  •'**')  dein  Thema  gerocht  zu  worden,  indem  or  itühn  eni  Bild  von  der  Entwickhuig 
der  Kunst  skizziert.  Ihm  offenbart  sich  die  erste  Aeusserung  der  Kunst  im  Tanz;  ja 
schon  im  Marsch,  der  Reglung  einer  gewöhnlichen  Verrichtung,  zeigt  sich  Ordnung, 
wodurcli  er  zum  Träger  künatlorisclior  Ideen,  zum  Verkünder  innerer  Stimmungen  wird. 
Und  dieses  Prinzip  ist  dann  überall  wirksam,  wo  der  Mensch  künstlerisch  thätig  ist, 
d,  h.  wo  er  mit  vollem  Bewusstsein  und  luiter  dem  Einfluss  bestimmter  Ideen  aus  sich 
heraus  gestaltet.  Ueberall,  a\xch  wenn  er  nur  Geschautes  nachahmt,  mischt  sich  seine 
Individualität,  seine  Art  zu  schauen  ein  und  verleiht  der  Ausführung  ihren  besonderen 
Charakter.  Dies  verfolgt  R.  in  der  Geschichte  der  Kunst  und  gelangt  zu  dem  Resultate, 
dass  nur,  indem  die  Nachbildung  dem  einfachen  Beschauer  mehr  offenbart  als  das 
Original,  nur  durch  alles  das,  was  den  schaffenden  Künstler  der  Genius  sehen  lehrte, 
die  Natjlibildung  zum  Kunstwerk  wird  und  ihren  eigensten  Zweck  erfüllt.  „Die  Kunst 
ist  somit  das  durch  die  Natur  angeregte  und  von  ihr  beeinflusste  Erzeugnis  des  Jahr- 
tausende andauernden  Ringens  der  Menschheit  nach  Veranschaulichung  der  die  Welt 
und  das  Leben  beherrschenden  Ideen."  Im  zweiten  Abschnitte  wendet  sich  R.  dem 
Naturalismus  und  der  Kunst  der  Gegenwart  zu,  indem  er  ihr  wieder  den  Spiegel  der 
Vergangenheit  vorhält  und  fortwährend  zwischen  Naturalismus  imd  Realismus  schwankt. 
Am  besten  ist  das  verschiedene  Verhältnis  von  Poesie  und  Musik  einer-,  der  übrigen 
Künste  andrerseits  zum  Naturalismus  durchgeführt.  Aber  sonst  entspricht  dieser  Teil 
nicht  dem  Aufwand  an  Worten.  Die  schwächste  Partie  ist  wolU  die  über  die  Lyrik 
in  ihrem  Verhalten  zur  Natur,  wobei  R.  Natur  fast  ausschliesslich  im  Sinne  der  Land- 
schaft nimmt.  Hervorzuheben  wäre  höchstens  noch  die  Ausführung  über  Prosa-  und 
Vorsform,  obwohl  auch  sie  nicht  ganz  klar  ist.  Die  historischen  Ueberblicke  leiden  an 
starken  Lücken  und  manchen  Schieflieiten. i''i-i''5)  —  Schreyeri^ö)  sucht  im  Anschluss 
an  die  Erfahi-ung  iind  die  praktische  Kunstübung  das  Wesen  der  Kunst  zu  erfassen. 
Der  Name  Kunst  bezeichnet  ein  Können,  ebenso  wie  der  Ausdruck  Schaffen,  es  muss 
aber  näher  erforscht  werden,  was  darunter  zu  verstehen  ist.  Die  Nachahmung  genügt 
noch  nicht,  es  fragt  sich,  was  und  wie  in  der  Kunst  nachgeahmt  wird.  S.  will  nun  zu- 
erst erweisen,  dass  die  Kunst  immer  und  überall  aufs  Nachahmen  ausgegangen  sei,  aber 
er  verschiebt  schon  hier  die  Grundlage  durch  einen  Zusatz:  „oder  sagen  wir  lieber 
Nachbilden  der  Natur",  und  bald  darauf  spricht  er  von  „nachbildender  Darstellung". 
Er  nimmt  nun  die  einzelnen  Künste  durch,  um  zu  zeigen,  dass  sie  eine  Auswahl  der 
nachzuahmenden  Dinge  treffen;  auch  die  freieste  Schöpfung  sei  keine  völlige  Neubildung. 
Die  Schilderung  der  einzelnen  Künste  in  ihrer  Nachahmungssphäre  ist  melir  poetisch 
als  wissenschaftlich  genau.  Aber  S.  ist  nun  nicht  der  Meinung,  dass  die  Freude  am 
Gelingen  der  Nachbildung  den  hohen  Genuss  des  Kunstwerks  erklärt.  „Böte  die  Kunst 
niclits  anderes  als  die  nachgeahmte,  die  abgespiegelte  Natur,  so  wäre  sie  entbehrlich"; 
auch  der  grösste  Künstler  bleibt  hinter  der  Natur  zurück.  Naturwalu-heit  wird  immer 
nur  annähernd  erreicht.  Der  Wert  des  Kunstwerks  liegt  also  darin,  dass  es  anderer- 
seits auch  mehr  bietet  als  die  Natur:  nicht  nur  das  Dargestellte,  das  Objekt,  sondern 
auch  den  Darstellenden,  das  Subjekt.  Das  verfolgt  nun  S.  weiter,  indem  er  die  Herr- 
schaft des  Künstlers  über  die  Natur  darstellt.  Das  Kunstwerk  ist  Natur,  aber^im  Geiste 
des  Künstlers  wiedergeborene  Natiu*,  vergeistigte  Natur.  Dadurch  ist  die  Kunst  eine 
andere,  höhere  Natur.  Die  Kunst  wird  der  sinnlich-anschauliche  Ausdruck  der  höchsten 
Gedanken  und  Empfindungen  des  Menschengeschlechts,  sie  kann  nicht  nur,  was  ist, 
sondern  was  sein  kann  und  sein  soll,  schildern.  Das  Kunstwerk  ist  real  und  doch 
ideal,  Natur  und  doch  Geist.  Aber  dieses  Idealisieren  ist  keineswegs  bloss  ein  Umbilden 
ins  Schöne,  Treffliche,  nur  ein  Herausarbeiten  des  Notwendigen  durch  Zurückdrängen 
des  Zufälligen.  Das  wird  im  einzelnen  dargelegt,  und  S.  kommt  zu  dem  Resultat,  dass 
die  einzelne  Kunstschöpfung  um  so  vollendeter  sei,  je  mehr  sie  einerseits  durch  ihre 
Naturwahrheit  den  Schein  der  Wirklichkeit  erweckt,  und  je  reifer,  gewaltiger  und  edler 
andererseits  die  PersönHckeit  des  Künstlers  ist,  die  sie  widerspiegelt.  Nennen  A^nr 
jene  Seite  der  Kunstthätigkeit  Realismus,  diese  Idealismus,  so  zeige  sich,  dass  beide  sich 
nicht  ausscliliessen,  sondern  zusammenwirken,  sich  gegenseitig  ergänzen  müssen.  Nur 
die  Mischung  beider  Elemente  wird  verschieden  sein,  je  nach  dem  Individuum  und  der 
Zeitrichtung.  — 

Den  Einfluss  Schopenhauers  auf  den  Natiiralismus  kann  wohl  niemand  leugnen, 
dafür  wird,  wie  schon  Steiner  erkannte,  Nietzsche  von  der  neuen  Dichtung  hoch- 
gehalten; darauf  geht  nun  auch  Hanssoniö?)  näher  ein;  er  sieht  in  Nietzsche  den  Riesen, 


N.  189.)  —  190)  A.  Reissmann,  D.  Naturalismus  in  d.  Kunst  (=  Deutache  Zöit-  u.  Streit-Fragen  NF. 6.  Jhg.,  Heft 88/9.)  Huaborg, 
Verlagsanstalt  u.  Druckerei  A.G.  (vorm.  Richter.)  74  S.  M.  1,60.  |[1IL.  60,  S.  736  ]|—  191)  X  »d-.  Vögel,  Dichter  u.  Musiker: 
NZMusik  87,  S.  381/3.  —  192)  X  A.  Lasson,  Naturalismus  in  d.  Kunst:  NatZg.  N.  199.  —  193)  X  Mar»  Cop-Marlet, 
Naturalismus:  FremdenBI.  N.  253.  —  194)  X  H-  Bulthaupt,  Naturalismus  u.  Kunst  (Bericht  Ober  e.  Vortr.):  FZg.  N.  56.  — 
195)  X  Margarethe  Halm,  Realistisches  Ober  Ideen  und  Ideale:  Gesellsch.  II,  S.  1314/9.  —  196)  H.  Schleyer,  Bealiamns 
u.  Idealismus  in  d.  Kunst:  BLÜ.  I,  8.  66/7,  81/4.—  197)  0.  Hansson,  F.  Nietische  u.  d.  Naturalismns:  Oeg«nw.  8».  S.  275/8. 


I  3:  198-204.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  5ö 

gegen  den  Zola,  Ibsen  und  Tolstoi  nur  Pygmäen  sind:  Zola  ein  wissenschaftlicher 
Dilettant,  Ibsen  ein  moralischer  Spiessbürger,  Tolstoi  ein  konfuser  Ignorant.  Nietzsche 
wird  als  der  Gegenpol  des  Naturalismus  bezeichnet,  aber  zugleich  als  „der  erste  Dol- 
metscher der  Subjektivität  in  der  modernen  Litteratur  und  in  dieser  seiner  Eigenschaft 
der  positive  Werteschaifer,  dessen  Werk  der  Zukunftsbrief  der  Menschheit  ist".  H.  giebt 
eine  dithyrambische  Schilderung  von  Nietzsches  Wesen  und  Werden,  behandelt  den 
Naturalismus  sehr  von  oben  und  stellt  sich  ganz  auf  den  Boden  der  Zukunftspoesie. 
Wichtig  ist  ein  Satz:  „Die  Forschungsresultate  und  die  Kulturideale,  die  Nietzsche  vor- 
führt, können  nicht  aus  dem  Grunde  seiner  Persönlichkeit  weggenommen  werden,  sie 
sind  eins  mit  jenem  entblössten  Punkt  seines  Ichs,  der  die  Sensibilitätsart  ist";  wichtig 
das  berühmte  Schlagwort  vom  „aristokratischen  Individualismus".  —  Kaum  zu  verwundern 
ist  es  nun,  dass  in  einer  Reihe  von  Aufsätzen^QS)  soviel  von  der  Individualität  des 
Künstlers  gesprochen  wird,  woran  vielleicht  auch  Langbehn  mit  seiner  Streitschrift 
,,Rembrandt  als  Erzieher"  sein  Teil  hat.  Wenigstens  geht  F.  Langei^^)  von  ihm  aus, 
indem  er  an  der  gegenwärtigen  Kunst  die  persönliche  Empfindung  vermisst,  besonders 
aber  in  der  Litteratur  die  Revolution  der  Persönlichkeit  gegen  das  Konventionelle,  gegen 
den  kalten  Verstandesbegriff  in  jeder  Form  sich  aufraffen  sieht.  Es  sind  nur  Anfänge, 
die  vielleicht  zu  etwas  Neuem  füln-en  können,  dazu  ist  aber  vor  allem  notwendig,  dass 
zuerst  das  Publikum  „die  Persönlichkeit  der  Andern  dulden  lerne".  Allerdings  sieht 
auch  L.  das  Ziel  der  Dichtung  in  breiter  volkstümlicher  oder  nationaler  Wirkung,  aber 
er  warnt  vor  der  Meinung,  dass  der  Dichter  national  schaffe,  „der  seiner  Zeit  photo- 
graphisch treue  Spiegelbilder  der  Menschen,  Zustände  und  Stimmungen  vorhält",  er 
glaubt  vielmehr,  das  thue  nur  der  geistige  Führer  und  Vorempfinder  seines  Volkes,  „der 
seines  Volkes  Persönlichkeit  in  ihren  Tiefen  und  Höhen  mit  seiner  eigenen,  dichterischen 
Persönlichkeit  verkörpert,  der  in  seinen  Schöpfungen  den  Volksgenossen  zu  fühlen  giebt, 
dass  alles,  was  sie  selbst  nach  ihrer  angeborenen  Art  empfinden,  in  dieser  Dichterseele 
wiederklingt,  aber  reiner,  edler,  höher  und  so  den  Leser  über  sich  selbst  emporhebend". 
Was  ist  das  aber  anders  als  „aristokratischer  Individualismus"?  —  Im  Anschluss  an  eine 
mir  nicht  bekannt  gewordene  Schrift  der  nordischen  „Modernen"  Öskar  Levertin  und 
Werner  von  Heidenstamm  ,,Pepitas  Hochzeit",  wie  mit  ausdrücklicher  Anlehnung  an 
Langbehn  und  Nietzsche  hat  auch  Lauenstein^oo)  die  Frage  vorgenommen,  was  ist 
Individualismus  in  der  Kunst?  Er  sieht  in  ihr  nur  einen  Rückschlag  gegen  die  Problem- 
dichtung unserer  Zeit,  aber  noch  kein  eigentliches  Programm,  denn  der  Individualismus 
ist  in  der  jüngsten  Schule  nur  zu  stark;  die  Forderung  erscheint  ihm  daher  nur  zu 
lieissen:  „Wir  brauchen  etwas,  das  ist  mir  klar.  Nur  weiss  ich  nicht,  was."  L.  dürfte 
jedoch  nicht  auf  den  Grund  gegangen  sein,  sonst  würde  der  Unterschied  zwischen  Indi- 
vidualität und  Individualität  schärfer  herausgearbeitet  und  die  Erkenntnis  fruchtbar  ge- 
worden sein,  dass  nur  jene  Probleme  der  Dichtung  anstehen,  die  auch  für  unsere  Zeit 
noch  Probleme  sind.  —  Auch  Zola^oi)  mischt  sich  in  den  Chorus,  aber  bespricht  nur 
den  Stil  als  den  Ausdruck  der  Persönlichkeit;  denn  „das  ganze  Wesen  der  Originalität 
besteht  in  diesem  persönlichen  Ausdruck  der  wirklichen  Welt,  welche  uns  umgiebt".  — 
Grottewitz202)  fragt,  wie  der  Nietzschesche  Zug  nach  aristokratischem  Individualismus 
mit  dem  nivellierenden  demokratischen  Zug  der  Zeit  zu  vereinigen  sei,  zeigt  aber  zugleich, 
dass  man  eigentlich  anders  fragen  müsse.  „Die  neue  Ethik  stellt  als  oberstes  Ziel  die 
vollpersönliche  (d.  i.  geistigphysische)  Höherentwicklung  der  Menschheit  auf",  im  Per- 
sönlichkeitskultus  steckt  „die  Anerkennung  der  menschlichen  Triebe  als  einer  bedeutinigs- 
vollen  Macht".  Die  Annahme,  dass  jeder  Mensch  schon  von  selbst  die  Normen  finden 
werde,  nach  denen  er  zu  leben  habe,  ist  ein  Irrtum,  es  bedarf  also  geistiger  Führex', 
daher  das  Streben  nach  Persönlichkeit,  nach  Individualismus.  Man  kann  dem  Aufsatze 
nicht  gerade  Tiefe  nachrühmen.  —  Bruno  Wille^os)  erforscht  die  Bedingungen,  welche 
Ausnahmen,  und  das  müssen  die  geistigen  Führer  sein,  hervorbringen,  und  erkennt  als 
solche  „individuelle  natürliche  Geistesanlagen,  neue  Lebensereignisse,  neue  Kom- 
binationen innerhalb  der  menschlichen  Gedankenwelt";  diese  treiben  neue  Ideen  hervor. 
An  ihnen  lassen  sich  aber  Vorstellungsgehalt  und  Gefühlsgehalt  unterscheiden,  und  gerade 
im  Gefühlsgehalt,  der  oft  sogar  das  primäre  sein  kann,  zeigt  sich  das  Genie.  Insbesondere 
der  originelle  Dichter  ist  Gemütsindividualist,  „er  prägt  neue  Worte,  gewinnt  den 
Objekten  neue  Seiten  ab  und  ist  somit  eine  Quelle  neuer  Beurteilungen,  ein  Spender 
jener  Triebkraft,  welche  die  geistige  Konvention  und  Satzung  durchbricht".  —  In  vier 
köstlichen  Parabeln  hat  Wille204)  dann  seine  Meinung  poetisch  eingekleidet.  —  Die 
Schwierigkeiten,    mit    denen  jetzt  ein  Dichter  zu  kämpfen  hat,  weil  die  Blicke  stets  auf 


9.  —  198)  O  X  E.  Eyangelium  d.  Naturalismus:  Grenzb.  III,  S.  34—44.  —  199)  Fried r.  Lange,  Ueber  d.  Persönlichkeit 
in  d.  Kunst  bes.  in  d.  Dichtung:  Kw.  4,  S.  196/8,  213/4.  (Aus  TglRs.  „Das  Persönliche  im  Nationalen".)  —  200)  A.  Lauen- 
stein, D.  Ruf  nach  Individualität:  ML.  60,  S.  407—10.  —  201)  E.  Zola,  D.  Ausdruck  d.  Persönlichen  (deutsch  v.  L.  Berg): 
ib.  8.  774/6.  -  202)  K.  Orottewitz,  D.  Kultus  d.  Persönlichkeit:  FrB.  2,  S.  233/6.  —  203)  Bruno  Wille,  GemUts-Indivi- 
dualismus.     E.  krit.  Studio  zu  e.  Zeiti'rage:    FrB.  2,  S.  305—10.    —    204)  id.,  Parabeln  v.  Individualismus :    ib.  S.  769-70.  — 


r 


59  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  3:  205-22S. 

die  Klassiker  gerichtet  sind,  scJiildert  mit  Lebhaftigkeit  Spitteler^«^);  daboi  winl  aucli 
mit  vernünftigen  Worten  der  Kritik  gedacht  2M),  deren  Loos  keineswegs  das  angenehmste 
ist.  Die  Polemik  der  Zeitungen  und  Zeitschriften  über  die  journalistische  Kritik  gehört 
nicht  in  den  Rahmen  dieses  Berichtes^O'').  — 

Verschiedene  Aufsätze  suchen  das  Verhältnis  einzelner  Persönlichkeiten 
zum  Naturalismus  zu  erfassen,  so  weist  Ehrenfels^oö)  nach,  dass  Richard  Wagner  trotz 
seiner  wiederholt  betonten  Abneigung  gegen  die  modernen  naturwissenschaftliclieii 
Theorien,  trotzdem  er  seinen  Idealmenschon  in  der  Vergangenheit  sucht,  vielfach  mif 
der  ,, Moderne"  übereinstimmt,  besonders  durch  seine  psychologische  Auffassung  des 
menschlichen  Lebensinhalts,  durch  seine  Refonngedanken,  durch  sein  Verwerten  der 
Stiimnungen,  psychischen  Regungen,  für  deren  Ausdruck  besonders  das  „Leitmotiv"  ge- 
schaft'eii  sein  soll.  —  Ehrenfels^oo)  sieht  in  Wagner  den  Dichter,  welcher  in  seinen 
Dramen  den  Inhalt  seiner  Zeit  festgehalten  und  in  allegorischer,  nicht  symbolischer 
Weise  dargestellt  hat,  wobei  E.  freilich  Allegorie  und  Symbol  in  einer  dem  Goetheschen 
Gebrauche  gerade  entgegengesetzten  Bedeutung  braucht.  Er  deckt  nicht  ohne  Gewalt- 
samkeit das  Typische  des  Konfliktes  auf,  der  im  Auflehnen  gegen  das  Alte,  ohne  dass 
schon  ein  Neues  an  dessen  Stelle  träte,  tragisch  wird.  —  Nachdem  dann  Ehrenfels2i0)  im 
Naturalismus  Wesentliches  und  Unwesentliches  geschieden  und  sich  besonders  gegen 
die  Naturnachahmung  als  ausreichende  Aufgabe  der  Kunst  mit  einleuchtenden  Beispielen 
ausgesprochen,  endlich  der  jetzigen  Periode  der  „Naturstudien"  eine  solche  der  „Kom- 
positionen" als  Zukunft  prognostiziert  hat,  wendet  er  sich  in  seinem  Schlussaufsatze^'i) 
der  Erage  über  das  Verhältnis  des  Musikdramas  zum  Naturalismus  zu.  Eine  Ueberein- 
stimmung  zwischen  Wagner  und  dem  naturalistischen  Drama  findet  er  „in  der  Ver- 
innerlichung  des  dramatisch  darzustellenden  Geschehnisses  und  in  der  Verwendung  der 
Sprache  mit  vorwiegender  Berücksichtigung  ihrer  Funktion  als  Ausdrucksmittels".  Die 
Ai"t  ist  verschieden:  das  Mtisikdrama  erzeugt  die  Stimmung  durch  den  Klang,  der 
Naturalismus  durch  die  associativen  Funktionen  der  Sprache;  deshalb  ist  die  dargestellte 
Innerlichkeit  beider  Stilgattungen  eine  verschiedene.  E.  glaubt  nicht  daran,  dass  hier 
einmal  eine  Vereinigung  möglich  sein  werde,  doch  meint  er,  dem  Musikdrama  werde  die 
historische  Vergangenheit  zufallen,  die  naturgetreu  darzustellen  unstatthaft  sei,  es  werde 
also  den  menschlichen  Schönheitsgehalt  der  schwindenden  Weltanschauung  zu  dramati- 
schen Geschehnissen  verkörpern  und  mit  den  Wogen  der  Musik  tragen  und  diu-chfluten, 
also  etwa  wie  Wagner  in  der  „Götterdämmerung".  —  So  wie  Ehrenfels  in  Wagner  einen 
Alten  sieht,  der  aber  zugleich  auf  ein  ganz  Neues  weist,  erblickt  Bölsche^iz)  in  Wil- 
helm Jordan  einen  Alten,  welcher  ,, krampfhaft"  versucht  hat  im  Neuen  mitzuthun,  aber 
,,ein  ungeheures  Fiasko"  erlitt,  weil  seine  „Unfähigkeit  eine  leider  vollkommene  war", 
und  welcher  sich  nun  „nicht  entblödet,  böse  Schimpfreden  denen  naclizurufeu,  die  er 
ziierst  so  recht  hatte  mit  Behagen  nachahmen  wollen".  Er  bestreitet  die  Behauptung 
Jordans,  dass  Schopenhauers  Pessimismus  auf  den  Naturalismus  Einfluss  habe,  woran 
aber  andere  nicht  zweifeln  213).  — 

Ein  mir  nicht  zugänglicher  Angriff  Liebknechts^i*)  hat  das  Thema  Natura- 
lismus und  Socialismus  in  den  Vordergrund  gerückt.  Brahm^'^')  betont,  dass  in 
den  Dramen  des  ,  jüngsten  Deutschlands"  der  Atem  der  Gegenwart,  die  socialen  Pro- 
bleme nicht  zu  vermissen  seien,  wenn  sie  auch  wohlweislich  nicht  vom  Parteistandpunkt 
aus  betrachtet  werden.  Auch  sei  allerdings^i«)  z.  B.  von  Hauptmann  der  socialistische 
Agitator  nicht  als  Idealgestalt  behandelt.  —  Nachdem  dann  R.  Schweichel  in  der 
„Neuen  Zeit"  Liebknechts  Ansicht  vertreten  hatte,  widerlegt  beide  J.  Hart^l^).  Ergeht 
aus  von  der  Spaltung  der  Socialdemokratie  in  „Alte"  und  „Junge"  und  vennisst  eben 
bei  den  „Alten"  ein  Verständiiiss  für  das  , jüngste  Deutschland";  dieses  ist  ihm  keines- 
wegs eine  einheitliche  Schule,  sondern  eine  sehr  bunte  Mischung  „verschiedenfachster 
Charaktere,  Stilrichtungen  und  Anschauungen".2i8)  Scharf  wendet  er  sich  gegen  die  Be- 
hauptung vom  Zusammenhange  des  ,  jüngsten  Deutschland"  und  des  Pessimismus.-'9-22-i)  — 
Das  Thema  Socialismus  und  Naturalismus  wird  auch  in  Aufsätzen  über  die  Berliner  „Freie 
Volksbühne"  gestreift  223).  —  Bei  seiner  Betrachttuig  des  Milieu,    dessen    Bedeutung  ftlr 


205)  C.  Spitteler,  Ueber  d.  Epigonentum:  Kw.  4,  S.  164/7,  180/8.  (Ans  NZOrichZg.)  —  206)  X  K.  Orottewits,  D.  uUk« 
Zopf:  ML.  60,  S.  «61/4.  —  207)  X  B-  v.  Soydlitz,  Vor-  u.  naohmarilicbo  Kunstkritik:  KunstfAUe  6,  S.  230/2.  —  208)  Ch. 
Ehrenfels,  R.  Wagner  u.  d.  Naturalismus:  FrB.  2,  S.  337-41,  372  6.  —  209)  id.,  B.  Wagner  als  Dichter:  ib.  S.  48»— 96.  — 
210)  id.,  Wahrheit  u.  Irrtum  im  Naturalismus:  ib.  S.  737  —  42.  —    211)  id.,  D.  mu.-iikalische  Drama  d.  Zukunft:    ib.  S.  867—62. 

-  212)  W.  Bölsche,  E.  Wörtchen  an  W.  Jordan:  ib.  S.  381,3.  —  213)  X  H.  Lorm,  W.  Jordan  u.  d.  Optimismus:  0«genw. 
39,  S.  180/2.  —  214)  O  X  W.  Liebknecht:  NZeit  —  215)  0.  Brahm,  Naturalismus  n.  Socialismus:  FrR"  2, 
S.  241/3.  —  216)  id.,  D.  Naturalismus  u.  Herr  Liebknecht  noch  einmal:  ib.  S.  625,6.  —  217)  J.  Hart,  E.  socialdemokratischer 
Angriff  auf  d.  ^Jüngste  Deutschland":  ib.  S.  913/6.  —  218)  X  W.  BOlsche,  E.  socialistischer  Kritiker  Zolas:  ib.  S.  1037—40. 
(Gegen  Paul  Lafargue  gerichtet,  betont  d.  unrichtige  tendenziöse  Betrachtung  d.  Kunst  durch  d.  socialistiscben  Kritiker.)  — 
219)  X  H.  Ströbel,  D.  geistige  Proletariat:  ib.  S.  37-41.  —  220)  X  H.  Mielke,  Proletariat  u.  Dichtung:  ML.  60,  S.  182;«. 

—  221)  O  X  M.  Q.  Conrad,  D.  Socialdemokratie  u.  d.  Moderne:  tiesellsch.  1,  S.  583-92,  719-41.  —  222)  Q  X  0.  J.  Bier- 
baura,  Z.  Kapitel:  ,D.  Socialdemokratie  u.  d.  Moderne":  ib.  S.  1246  S.—  223)  O  X  G.  A d  1  e r ,  D.  Socialreform  u.  d.  Ttae^r. 


I  3:    224-233.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  60 

den  Menschen  zuerst  von  Montesquieu  und  Herder,  dann  von  der  Anthropogeographie 
Ritters,  hierauf  in  unserem  Jh.  von  der  Naturwissenschaft  und  der  socialökonomischen 
Forschung  erkannt  wurde,  dessen  dichterische  Verwertung  schon  in  Goethes  „Werther", 
daim  aber  mit  voller  Konsequenz  in  Zolas  Theorie  und  Praxis  begegnet,  kommt  Röhr224) 
gleichfalls  auf  das  Verhältnis  von  Socialismus  und  Naturalismus  zu  sprechen,  ja  er  nennt 
den  Naturalismus  geradezu  „das  poetische  Pendant  des  Socialismus";  Zola  lässt  in  den 
speciell  der  socialen  Frage  gewidmeten  Romanen  fühlen,  dass  zur  Erklärung  der  Per- 
sonen die  Schilderung  des  Milieu  notwendig  sei.  ,,Zola  und  die  übrigen  Naturalisten 
seien",  so  meint  R.,  „bei  dieser  Darstellung  der  Wirkungen  des  Milieu  von  ganz  ähn- 
lichen Gedanken  geleitet  wie  etwa  Engels  und  Marx."  R.  verkennt  die  Gefahr  dieser 
Richtung  zur  deterministischen  Weltanschauung  nicht,  doch  wichtiger  erscheinen  ihm 
die  guten  Folgen  solcher  Romane:  „die  Ueberhebung  der  Glücklichen  zu  unterdrücken, 
zu  verhüten,  dass  sie  mit  Hochmut  auf  die  Unglücklichen  herabblicken,  als  ob  der 
beiderseitige  Platz  die  Folge  eigenen  Verdienstes  und  eigener  Verschuldung  sei  und 
nicht,  wie  es  in  neunzig  unter  hundert  Fällen  zu  sein  pflegt,  der  Macht  übermächtiger 
Umstände,  und  so  die  tiefe  Kluft  zu  überbrücken,  welche  heut  zwischen  Arm  und  Reich 
gähnt,  und  Milde  des  Urteils  zu  verbreiten".  — 

Die  Frage  nach  dem  Verhältnis  des  Naturalismus  zum  Socialismus  ist  aber  eine 
zu  enge,  denn  sie  betrifft  nur  die  Stellung  Einer  Kunstrichtung  zu  Einer  Zeitrichtung, 
umfassender  müsste  das  Thema  lauten:  wie  stellt  sich  die  Kunst  zu  ihrer  Zeit,  und 
auch  dieses  Thema  wurde  nach  verschiedenen  Seiten  hin  betrachtet,  hauptsächlich  mit 
Beschränkung  auf  die  Litteratur  als  Kunst.  Lauenstein  ^25)  hat  dies  besonders  erfolg- 
reich gethan.  Er  wirft  unserer  bisherigen  Litteraturgeschichte  vor,  sie  sei  sich  über 
ihre  Aufgabe  noch  nicht  klar,  sie  müsse  vor  allem  die  „Entwicklung  der  Weltanschauung" 
darstellen,  weil  die  Litteratur  der  jedesmal  schärfste  Ausdruck  der  Weltanschauung  ist. 
Von  der  Poesie  aber  verlangt  L.,  sie  solle  die  wirkliche  Führerin  im  Kampfe  der  Zeit 
sein  und  mahnend  vorwärts  in  die  Zukunft  weisen.  —  Was  er  unter  dieser  Forderung 
versteht,  hat  er  später  entwickelt 226).  Er  erkennt  in  jeder  Zeit  einen  Gegensatz  zwischen 
der  litterarischen  Ueberlieferung  und  dem  „Gegenwartsdenken",  zwischen  Alt  und  Neu 
oder,  wie  man  wohl  sagt,  zwischen  Idealismus  und  Realismus,  obwohl  richtiger  wäre: 
zwischen  Altidealismus  und  Neuidealismus.  Das  ist  so  zu  verstehen,  dass  der  Dichter 
in  einem  gewissen  Dilemma  steht:  die  Gedankenwelt  seiner  eigenen  Zeit  lockt  zu  sprach- 
lichem Ausdruck,  andererseits  hat  die  Ueberlieferung  alle  Gedanken  schon  klar  mid 
scharf  herausgearbeitet  zu  bequemer  Benutzung.  Je  begabter  der  Dichter  ist,  desto  mehr 
wird  er  sich  von  dieser  Ueberlieferung  befreien  und  eigene  Wege  wandeln.  Dadurch 
wird  er  die  Ideen  seiner  Zeit  weiterbilden  und  der  Entwicklung  der  Menschheit  dienen. 
Hier  sieht  nun  L.  die  wichtigere  ,, ethische  Bedeutung  der  Kunst".  Wenn  Lessing, 
seiner  Zeit  voraneilend,  den  „moralischen  Zweck"  der  Kunst  verwarf,  so  dachte  er  nur 
daran,  dass  die  Kunst  nicht  die  Aufgabe  habe,  die  Menschen  zu  bessern,  d.  h.  die 
Menschen  einer  bestimmten  Zeit  den  Idealen  eben  dieser  Zeit  zu  nähern,  also  nicht  den 
christlich  asketischen  Sittlichkeitsidealen.  Durch  diese  wichtige,  folgenreiche  Erkenntnis 
habe  Lessing,  dann  Herder  und  Schiller  nur  negativ  Platz  geschaffen  für  eine  neue  Ethik, 
zu  der  er  selbst  erst  am  Ende  seines  Lebens  vordrang.  L.  erblickt  in  der  neuen  deutschen 
Litteratur  andere,  aber  doch  Ideale,  er  sieht  in  ihr  eine  neue  Ethik,  freilich  nicht  die 
christlich  asketische  Moral  lebendig.  — 

SchliessHch  fasst  Lauenstein227)  diesen  Gegensatz  zwischen  „Schönheit"  und 
„Sittlichkeit"  theoretisch  und  historisch  auf,  indem  er  zeigt,  dass  man  mit  einem  Gegen- 
satz von  „ästhetisch"  und  „ethisch"  irre  gehe,  weil  beide  identisch  seien.  In  Schillers 
ästhetischer  Entwicklung  trete  dies  zu  Tage;  wenn  man  mit  Kuno  Fischer  drei  Phasen 
seiner  Ansichten  annehme:  der  ästhetische  Gesichtspunkt  unter,  neben  und  über  dem 
moralischen,  so  zeige  dies,  dass  Schiller  wohl  das  Richtige  fühlte,  es  aber  noch  nicht 
richtig  auszudrücken  vermochte.  Man  brauche  nur  statt  ästhetisch:  modern-ethisch  und 
statt  moralisch :  kirchlich-ethisch  zu  setzen,  und  man  entgehe  sofort  allen  Schwierigkeiten. 
L.  stellt  die  moderne  Ethik  über  die  Buchstabenmoral  der  Kirche,  die  nur  in- 
folge unserer  Erziehung  für  uns  noch  einen  Katechismus  bilde,  während  wir  und  nun 
besonders  die  Litteratur  als  Kunst  schon  darüber  hinausgekommen  seien.  228-232)  —  Ob 
dies  allgemeine  Meinung  ist,  fragt  Lauenstein  nicht.  Von  anderen  Seiten  wird  aber 
das  Thema  wesentlich  anders  aufgefasst.     K.  F.  Jordan  233)   hatte  mit  einer  Broschüre 


Berllü,  Walther  &  Apolant.  48  S.M.  0,80.  |[DWB1.  4,  S.  251 ;  Jul.  Hart:  FrB  2,  S.  243/5.]  |  —  224)  J.  Köhr,  D.  Milieu  in  Kunsi 
u.  Wissenschaft:  FrB.  2,  S.  341/5.  -  225)  A.  Lauenstein,  D.  Kulturmission  d.  Poesie:  ib.  S.  B67-70.  —  226)  id.,  Kunst 
u.  Leben:  ib.  S.  761/5.  -  227)  id.,  Schön  contra  Sittlich:  ib.  S.  958—63.  —  228)  O  X  J-  Schlaf,  Moral,  Kritik  u.  Kunst: 
Qcsellsch.  II,  S.  1168—72.  —  229)  O  X  M.  G.  Conrad,  D.  Recht  d.  Künstlers  u.  d.  Prüderie:  ModerneBll.  1,  N.  26,  S.  5  ff. 
-  230)  O  X  Ignotus,  1).  UnSittlichkeit  in  Wahrheit  u.  Dichtung:  ib.  N.  25,  S.  4.  —  231)  O  X  J-  V.  Widmann,  D. 
Erotische  in  d.  Eomanen  d.  jungen  Naturalisten  in  Deutschland:  Nation".  9,  S.  87/9.  —  232)  X  H.  Merlan,  Lumpe  als 
Helden.     B.  Beitr.  z.  med.  Aesthetik:   Gesellsch.  1,  S.  64-79.    —    233)  K.  F.  Jordan,    D.  moderne  Bühne  u.  d.  Sittlichkeit. 


61  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geachichte,  I  3:  234-241. 

LiberraBchendeu  Erfolg,  die  nicht  vom  künstlerischen  oder  ästhetischen,  sondern  vom  reli- 
giösen Standpunkt  das  Verhältnis  von  Sittlichkeit  und  Drama  darstellte.  Dem  Kunst- 
werk ist  kein  Zweck  bestimmt,  es  ist  eine  Art  Spiel,  speciell  das  Drama,  nicht  auf 
Nützlichkeit  und  Erkenntnis,  sondern  auf  Erholung  und  Erbauung  ausgehend.  Aber 
der  Dichter  muss  einen  bestimmten  Zweck  in  sein  Werk  hineinlegen,  und  zwar,  weil  er 
ein  Mensch  ist  und  sich  an  Menschen  wendet,  der  Mensch  aber  ein  sittliches  Wesen 
ist,  muss  sein  Zweck  die  Sittlicldceit  sein.  Entsittlichend  darf  ein  Drama  niemals  wirken, 
unanständig  oder  gesinnungsroh  darf  es  niemals  sein.  Das  Sclilechte  darf  nur  nach  der 
Abschrockungstheorie  verwertet  werden  und  ja  nicht  in  einen!  schönen  Gewand  er- 
scheinen, denn  in  diesem  Falle  würde  nicht  Nutzen  sondern  zehnmal  grösserer  Schaden 
gestiftet.  Nun  bespricht  J.  einzelne  moderne  Dramen,  um  zu  zeigen,  dass  sie  seinem, 
„dem  allgemeinmenschlichen"  Standpunkte  nicht  entsprechen  oder  wie  weit  sie  ent- 
sproclien.  J.  genügt  es  nicht,  wenn  ein  Dichter  wie  etwa  Ibsen  die  grausigen  Folgen 
der  Si'iudo  zeigt  und  sagt,  „so  ist  die  Welt",  er  verlangt  vom  Dichter  ein  „so  könnte 
sie  sein  oder  gar  ein:  so  kann  sie  werden",  der  Dichter  „sollte  es  zu  seiner  Aufgabe 
aus  rein  menschlich-sittlichen  Beweggründen  machen,  neben  und  gegenüber  dem  Niedrigen 
auch  das  Dasein  des  Vollkommeneren  der  Erkenntnis  der  Menschen  nahe  zu  bringen". 
J.  vermisst  das  erstrebenswerte  Ideal  in  den  Dramen,  z.  B.  in  „Nora",  aber  er  ist  so 
wenig  frei  in  seinen  Ansichten,  dass  er  Ibsens  Ideal  nicht  als  ein  Ideal  erkennt  —  die 
Pflichten  des  Individuums  gegen  sich  selbst  — ,  weil  er  auf  dem  Boden  des  positiven 
Christentums  steht.  Er  leugnet  die  Prinzipien,  von  denen  Ibsen  ausgeht,  da  ist  freilich 
weder  Verständigung  noch  selbst  Verständnis  möglich.  Was  der  Naturalismus  leugnet, 
davon  lässt  sich  J.  leiten:  das  Christentum  und  seine  Moral,  das  jener  als  etwas  Ver- 
gangenes behandelt  und  nun  durch  etwas  Neues  ersetzen  will,  gilt  diesem  als  die  Zu- 
kiinft,  die  allein  Heil  bringen  kann.  J.  will  nichts  wissen  von  dem  Humanismus  unserer 
Klassiker,  der  Antike,  „nein:  das  Christentum  und  der  Geist  des  Erlösers  muss  das 
Bewegende,  Leben  Gebende  in  der  neuen  klassischen  Kunst  sein,  weil  nur  in  diesem 
Geiste,  den  Cln-istus  einst  der  Welt  mitgeteilt  hat,  Weg  und  Mittel  zur  Eri'eichung  des 
höchsten  Zieles:  der  sittlichen  Vollkommenheit  gegeben  sind".  In  Lauenstein  und 
Jordan  sind  die  beiden  entgegengesetzten  Pole  gekennzeichnet,  innerhalb  derer  sich  die 
verschiedenen  Meinungen  bewegen;  aber  es  muss  hervorgehoben  werden,  dass  J. 
nichts  anderes  anstrebt,  als  eine  Besserung  der  seiner  Ansicht  nach  verwerflichen  Zu- 
stände durch  eine  christlich-moralische  Reaktion  des  Publikums  und  der  Dichter,  nicht 
etwa  durch  polizeiliche  Verbote.  Von  anderer  Seite  wurde  jedoch  geradezu  die  Hilfe 
der  Staatsbehörden  angerufen  23*)^  und  dagegen  protestierten  einzelne  Stimmen  mit  vollem 
Rechte  235-236^ _  —  Eine  weitere  Propaganda  gegen  die  „moderne  realistische  Litteratur"  geht 
von  der  „Allgemeinen  Konferenz  der  deutschen  SittHchkeitsvereine  in  Verbindung  mit 
der  Allgemeinen  Konservativen  Monatssclirift"  aus;  es  sind  „Litterarische  Denkscliriften", 
die  an  einzelnen  Schriftstellern  die  Unsittlichkeit  nachweisen,  um  die  Familien  vor  der 
Lektüre  solcher  Autoren  zu  warnen.  Die  Wald  trifft  keineswegs  die  eigentlichen 
Realisten  allein,  denn  noch  gefälarlicher  als  diese  schon  von  Haus  aus  verdächtigen 
Gesellen  erscheinen  jene  bereits  anerkannten  Dichter,  ,,die  die  Schlange  im  Blumen- 
körbchen bergen",  „die  geistvollen  Propheten  der  Fleischeslust,  die,  im  modernsten 
Gewände  und  mit  feinen  Manieren  auftreten,  längst  Lieblinge  der  Salons  geworden  sind, 
ehe  man  dahinter  kommt,  dass  sie  Gift  in  die  Seelen  unserer  Frauen  und  Kinder  träufeln 
wollen".  Die  beiden  älteren  Hefte  gegen  Spielhagen  und  Conrad,  Bebel  und  Bleibtreu 
lagen  mir  nicht  vor,  jetzt  kommen  Paul  Lindau  und  Paul  Heyse  an  die  Reihe.  Schrill  237) 
fasst  Lindau  als  den  geistvollsten  Feuilletonisten,  zeigt  die  „Schlange"  in  einzelnen  seiner 
kleinen  Novellen,  um  dann  über  seine  Romane  vollends  den  Stab  zu  breclien.  Lindau 
wird  beschuldigt,  „die  poetische  Verherrlichung  bezw.  versuchte  Verteidigung  von  (alles 
gesperrt  gedruckt)  Lüge  und  Notlüge,  Meineid  und  falscher  Zeugenaussage  vor  Gericht, 
Unzucht  und  Hurerei,  Ehebruch  und  Selbstmord"  gegeben  zu  haben.  —  0.  Krauses«)  be- 
handelt Heyse  als  einen  Ueberschätzten,  aber  doch  als  einen  Realisten  im  bösen  Sinne 
des  Wortes,  und  hält  ihm  seine  Sünden  gegen  die  zehn  Gebote  vor;  ganz  so  lang  wie 
bei  Lindau  ist  das  Register  nicht,  und  zum  Schlüsse  wird  uns  sogar  der  gebesserte 
Heyse  gezeigt.  Der  Titel  dieser  Flugschriften  ist  in  keiner  Hinsicht  gilt  gewälUt,  gewiss 
aber  am  wenigsten  zutreffend  ist  der  Zusatz  vom  „Liclite  der  Aesthetik":  mit  Aestlietik 
haben  diese  Predigten  nichts  zu  schaffen.  Auch  wird  das  Streben  ganz  verkannt,  für 
eine  Zeit,  die  eine  geoffenbai-te  Moral  nicht  annimmt,  eine  neue  Ethik  zu  bilden. 239-240)  — 
Servaes24i)  sagt  ausdrücklich:  „Die  Moral  hat  sicli  nach  den  Bedürfiiissen  der  Men.sch- 

■i.  Aufl.  Berlin,  Rehtwisili  &  Seeler.  63  S.  M.  1,00.  —  234)  I).  Roalismug  vor  Gericlit:  Leipzig,  Friedrich.  96  8.  M  1,00.— 
235)  X  Kunst  u.  SittliehVeit:  KZg  N.  955.  -  236)  X  !>•  Teufel  d.  Auifoulust:  NFPr.  N.9633.  -  237)  E.  Schrill  (.S.  Keller), 
P.  Lindau.  =:  Moderne  realistische  Litt,  im  Lichte  d.  Ethik  u.  Ae.-ithetik.  3.  Heft.  S.  1—15  Berlin,  Sittlichkeitavereine. 
o.  .1.  M.  0,40.  -  238)  0.  Kraus,  P.  Heyse:  ib.  S.  17—34.  —  239)  X  K.  Grottewit«,  D.  Qrund-Ideal  d  neuen  Ethik:  XL. 
60,  S.  314'5.    -    240)  O  X  Neue  Ideale:  Orenzb.  11,  S.  625.    —    241)  F.  Serraes,  Sexuelle  Probleme:  ML.  60,  S.  667/9.  — 


I  3:   242-249.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  62 

heit  einzurichten,  und  nicht  umgekehrt".  Er  fordert  eine  Gescliichte  der  Geschlechts- 
empfindungen von  ihrem  rohesten  Urzustand  bis  zur  Ausschweifung  und  Perversität, 
die  auch  dem  Christentum  und  seiner  Bekämpfung  oder  Abtötung  der  Pleischeskist  die 
richtige  Stelle  anwiese.  Dann  wiirden  sich  die  Probleme  unserer  und  der  folgenden 
Zeit  am  besten  verstehen  lassen.  Jedesfalls  würde  das  Weib  dabei  stärker  berücksichtigt 
werden  müssen  als  der  Mann,  weil  es  in  einem  viel  bedeutungsvolleren  Sinn  als  dieser 
Geschlecht  ist.  —  Noch  schärfer  fasst  dieses  Thema  Hans son  242)  an,  der  in  der 
modernen  Litteratur  Umschau  hält,  wie  das  Weib  geschildert  wird.  Er  sieht  drei  Seiten : 
die  hohe  Würdigung  des  Weibes  als  Intelligenz,  moralisches  Wesen,  Charakter,  Gesell- 
schaftsmitglied ,  Kulturamazone ;  tiefe  Verachtung  des  intelligenten  und  verfeinerten 
Mannes  für  das  Weib  in  jeder  dieser  Hinsichten;  und  unter  diesem  Gegensatze  die  ge- 
meinsame Basis  von  Evas  Würdigung  als  Geschlecht  und  von  Adams  und  Evas  Zu- 
sammenleben als  Geschlecht.  Die  neue  Litteratur  wird  von  einer  völHg  anderen  Erfassung 
des  Weibes  auszugehen  haben.  Dort,  wo  Milieu  und  Natur  ineinander  wirken,  muss  der 
Dichter  seine  Sonde  hinabsenken,  das  sei  kein  Bastard  zwischen  Wissenschaft  und  Kunst, 
sondern  das  Entdecken  einer  terra  inculta  für  die  Dichtung.  H.  denkt  an  Krafft-Ebings 
Werk  „Psychopathia  Sexualis",  das  anregen  werde,  aber  nicht  so,  dass  die  Erfahrungs- 
thatsachen  des  Psychiaters  novellisiert  würden,  sondern  so,  dass  der  Dichter  gleichsam 
durch  dieses  Werk  aus  seinem  Unbewusstseinszustande  gerissen  und  veranlasst  werde, 
Gestalten    zu    schaffen    zwischen    reiner    Normalität    und    reiner    Abnormität.  2*3-245')  — 

Ueberall  regt  sich  ein  Neues,  erst  der  Gestaltung  Harrendes:  wir  leben  „in 
einer  Zeit,  wo  eine  alte  Welt  zur  Neige  geht  und  eine  neue  beginnt",  grosse 
Probleme  tauchen  auf;  da  erfüllt  die  Gemüter  neues  Streben,  neue  Gedanken  brechen 
sich  Bahn,  und  alles  dies  Neue  will  sich  in  der  Schreibweise  Ausdruck  verschaffen. 
So  verkündet  Pfütze-Grottewitz  246)  ^{q  neue  Schönheit;  da  aber  alles  noch 
gährend,  verworren  ist,  will  es  sich  auch  äusserlich  „als  etwas  besonderes  doku- 
mentieren", und  so  ergiebt  sich  die  Menge  von  neuen  eigentümlichen  Stilarten.  Nun 
schildert  er  sie,  den  ehernen  Herrscherstil,  Blitzstil,  Experimentierstil  Nietzsches  mit 
seinem  „ungeheueren"  Einfluss  auf  die  junge  Dichtergeneration,  den  gewundenen  Stil 
Conradis  mit  den  unendlichen  Parenthesen,  Relativsätzen,  Appositionen,  den  „umständ- 
lichen Bandwiirmwörtern",  den  überladenen  Schwulst,  den  „Keulenstil"  Kaberlins,  der 
als  „Prügelstil"  bei  anderen  die  Ausartung  des  Urwüchsigen  ins  Rohe,  des  Klobigen 
ins  Gemeine,  des  Derben  ins  Strassenjungenhafte  zeigt;  das  sind  die  dem  Untergang 
geweihten  Unarten  einer  Uebergangszeit.  Dann  kommt  der  Barock-,  Brillantfeuerwerk- 
stil Bahrs,  auch  er  der  Ausgang  einer  alten  Richtung.  Der  Zukunftsstil  wird  einfach, 
klar  und  mannhaft  sein,  „durchsichtig  und  markig  wird  die  zukünftige  Entwicklungs- 
poesie die  grossen  Gedanken  und  Ideale  der  neuen  Aera  sprachlich  objektivieren". 
Die  neue  Poesie  wird  nämlich  die  Dinge  im  Lichte  der  Entwicklungsweltanschauung 
darstellen,  die  auf  der  neuen  naturwissenschaftlichen  Erkenntnis  beruhenden  Probleme, 
Ideale,  Motive,  Gedanken  wiederspiegeln  und  sich  dem  neuen  Inhalt  entsprechend  einen 
neuen  Stil  schaffen.  Sie  wird  jedesfalls  nicht  den  Weg  Hauptmanns  gehen,  der  aus  dem 
schlesischen  Dialekt  „seine"  Reden  zusammenstellt,  wie  Schiller  die  seinen  aus  seinem 
griechischen  Schönheitsideale.  Die  naturalistische  Aesthetik,  der  Hauptmann  folgt,  wird 
abgethan  sein,  sie  kennt  ja  nur  den  Tj^pus  des  Durchschnittsmenschlichen  und  den 
Untertypus  des  Pathologischen,  nicht  das  Uebertypische,  das  Zukunft- Vorbereitende 
oder  die  Schönheitsideale  der  neuen  Zeit.  Das  Kampfwort  Schönheit  oder  Wahrheit 
ist  eben  falsch,  es  muss  heissen:  alte  oder  neue  Schönheit,  alte  oder  neue  Ideale.  Das 
Ziel  der  neuen  Litteratur  ist,  neue  Schönheitsideale  auf  Grund  der  Darwinistischen  Welt- 
anschauung zu  finden.  Und  dann  erhalten  wir  das  Geständnis,  ein  Jahrzehnt  lang  sei 
der  Name  Schönheit  von  allen  jungen  stürmischen  Geistern  verlästert  worden,  jetzt 
sehnten  sie  sich  nach  Schönheit.  Nach  dem  Kranken  wird  nun  das  Gesunde  kommen 
und  damit  der  gesunde,  klare  und  künstlerisch  verklärte  Stil.  Die  beste  Parallele  ent- 
deckt P.  in  der  Sturm-  und  Drangperiode  des  ausgehenden  vorigen  Jh.  —  Es  ist  begreif- 
lich, dass  Carriere247)  dieses  Bekenntnis  mit  einem  gewissen  Triumphe  bespricht;  er 
verweist  übrigens  auf  die  vierziger  Jahre  unseres  Jh.,  in  denen  sich  auch  auf  allen 
Gebieten  ein  Umschwung  ankündigte,  in  denen  es  von  „überwundenen  Standpunkten" 
in  Berlin  „wimmelte".  Er  freut  sich,  dass  nun  nicht  mehr  bloss  auf  das  Gemachtwerden 
von  aussen,  auf  das  beliebte  Milieu,  sondern  auch  auf  das  Bilden  von  innen,  auf  die 
originale  Triebkraft  des  Menschen,  Rücksicht  genommen  werden  wird.  — 

Das  Milieu,  so  sagt  Carriere248)  in  einem  anderen  Aufsatze,  „macht  das 
Innerlichste  des  Menschen  zum  Ergebnis  von  lauter  Aeusserlichkeiten"    und  stimmt  da- 


242)  0.  Hanssoii,  D.  Weib  in  d.  Litt.:  ib.  S.  390/3.  —  243/5)  X  K.  Goldmaun,  Ma.qochismus  u.  Sadismus  in  d.  raod.  Litt. : 
ib.  S.  769/6L  -  246)  C.  PfUtze-Gro tte witz,  Neuer  Stil  u.  neue  Schönheit:  ib.  S.  86/7.  -  247)  M.  Carri^re,  E.  Be- 
kenntnis d.  ModoniPt  flegenw.  39,  S.  196/8.  —  248)  id.,  T).  Milieu:  ib.  S.  343/5.    —  249)  K.  Grottewitz,    D.  lleberwindung 


63  R.  M.Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  1  3:   250-285. 

durch  zu  den  In-lohren  dos  Materialismus.  Aber  das  Milieu  ist  nicht  die  Macht,  welche 
den  Dichter  bildet,  sondern  das  Mittel,  dessen  er  sich  bemächtigt,  um  sich  und  sein 
Werk  zu  bilden,  und  deswegen  sagt  auch  Zola,  die  Kunst  sei  ein  Stück  Wirklichkeit, 
aufgefasst  durch  ein  Temperament.  Nicht  als  Geschöpfe  so  sehr,  denn  als  Schöpfer 
ihres  Zeitgeistes  haben  die  grossen  Geister  zu  gelten.  —  Grotte  witz  2*9)  betrachtet  die 
Lehre  vom  Milieu  als  einen  heilsamen  Rückschlag,  eine  gesunde  und  fortschrittliche 
Reaktion  gegen  die  „Absolutheitsanschauung"  vom  Menschen,  die  nur  auf  die  Thatsachen, 
das  Sein,  nicht  auf  die  Ursachen,  das  Worden  sah.  Aber  wie  jede  neue  Lehre  wurde 
auch  die  vom  Milieu  übertrieben.  Jetzt  glaubt  niemand  mehr  an  die  „absolute  Abge- 
schlossenheit des  Menschen",  darum  braucht  auch  „die  Abhängigkeit  vom  Milieu  nicht 
als  eine  unbedingte  hingestellt  zu  werden".  ,,Die  bisherige  Lehre  vom  Milieu  war  für 
den  Durchschnittsmenschen  geschaffen,  der,  wenig  individualisiert,  geistig  inferior,  aller- 
dings den  Einflüssen  des  Milieus  blind  gehorcht",  während  die  Hervorragenderen,  „die 
geborenen  Aristokraten",  die  Umwelt  zu  ihrem  Dienste  beugen.  Je  entwickelter  ein 
Mensch  ist,  um  so  mehr  wird  er  Auswahl  unter  den  Eindrücken  halten,  alle  zuwider- 
laufenden Einflüsse  zurückweisen,  das  Milieu  tiberwinden.  Möge  das  Milieu  aus  den 
Grössen  a,  b,  c,  d,  e  bestehen,  so  ist  der  Mensch  keineswegs  die  Summe  a-f-b-fc  +  d-f-e, 
weil  vielleicht  der  Mensch  gar  nicht  zur  Reaktion  gegen  die  Grösse  e  disponiert  ist. 
Und  die  übrigbleibenden  Grössen  können  sich  gegenseitig  verändern,  so  dass  aus  ihnen 
etwas  Neues  herv'orgeht,  wie  aus  den  Tönen  die  Melodie,  a,  b  können  als  m,  einer 
ganz  neuen  Grösse,  ebenso  c,  d  als  n  wirken  und  m,  n  gar  als  o  vielleicht  eine  Grösse 
(Empfindung,  Idee,  Handlung  usw.)  ergeben.  —  Diese  Auseinandersetzungen  hält  ntui 
B  öl  sehe  250)  für  Konfusion,  denn  Grottewitz  stehe  bald  auf  dem  neuen  Standpunkt  des 
Determinismus,  bald  auf  dem  alten  der  metaphysischen  Weltanschauung.  Wenn  die 
Grösse  e  nicht  wirke,  dann  gehöre  sie  eben  nicht  zum  Milieu  des  betreffenden  Lidivi- 
duums.  Auch  leugnet  B.,  dass  von  Wissenschaft  oder  Kunst  wirklich  schon  der  Mensch 
als  Resiiltat  der  Verhältnisse  berechnet  worden  sei,  theoretisch  habe  dies  Zola  allerdings 
verlangt,  aber  praktisch  auch  noch  nicht  leisten  können.  Die  Konfusion  kommt  nach 
B.  daher,  dass  zwei  Momente  unklar  gesehen  werden,  die  man  freilich  kritisieren  könne: 
einmal  die  einseitige  Uebertreibung  der  sogenannten  „materialistischen  Geschichts- 
auffassung" in  der  modernen  Litteratiu',  und  dann  die  Neigung  einiger  Poeten  zu  „ufer- 
losen Beschreibungen  des  Hintergrundes,  endlosen  Landschaftspanoramen,  riesigen  Still- 
lebenmalereien in  Worten,  wobei  notwendig  das  Innenleben  des  Menschen  verloren  geht". 
Das  ist  aber  nicht  untrennbar  mit  dem  Milieu  verbunden.  Den  ganzen  Aufsatz  von  Grotte- 
witz betrachtet  B.  nur  als  eine  vollständige  Rückkehr  zu  einem  veralteten  Standpunkt.  — 
Aber  der  „Neuästhetiker"  Grottewitz  26i)  glaubt  eben,  dass  die  realistische  Aesthetik 
Unrecht  daran  that,  verschiedene  Begriffe  der  alten  Aesthetik  unter  falschen  Voraus- 
setzungen einfach  beseitigen  zu  wollen,  anstatt  ihre  Weiterent-wicklungsfähigkeit  in 
Rechnimg  zu  ziehen.  Das  zeigt  er  an  der  Phantasie,  die  von  der  realistischen  Aestlietik 
nur  darum  verworfen  wurde,  weil  man  ganz  unbewusst  nur  ,,die  mittelalterliche  Nebel- 
phantasie" darunter  verstand;  dass  die  Phantasie,  als  die  Fähigkeit,  ver.schiedene  Be- 
wusstseinsinhalte  mit  einander  z\i  neuen  zu  kombinieren,  \uu\  als  der  so  entstandene 
neue  Bewusstseinskomplex,  etwas  jedem  Menschen  Eigentümliches  sei,  das  bedachte 
man  dabei  nicht.  Was  uns  Not  thut,  ist  die  hohe  Phantasie,  die  Gabe,  aus  bekannten 
Grössen  das  unbekannte  gi'osse,  zukunftsbedeutsame  x  herauzulösen.  Die  Hauptaufgabe 
der  neuen  Aesthetik  wird  sein,  zu  untersuchen,  wie  die  Phantasie  sich  zu  den  beiden 
anderen  Eigenschaften  des  grossen  Dichters  verhält,  zu  seiner  Fähigkeit,  Gefühlswerte 
zu  schaffen  ^5-),  und  zum  Besitz  der  höchsten  Weltanschauung  der  Zeit.  Vennittelst  der 
Phantasie  kombiniert  und  kom])oniert  der  Künstler  eine  Fabel,  vermittelst  der  zweiten 
Fähigkeit  lässt  er  die  einzelnen  Momente  dieser  Fabel  als  Geftihlswerte  in  das  Gemüt 
seiner  Leser  einziehen;  um  aber  mit  diesen  Eigenschaften  etwas  Neues  xnid  Bedeut- 
sames zu  schaffen,  muss  er  die  höchste  Bildung  seiner  Zeit  besitzen,  „denn  nur  so  kann 
die  erwählte  Fabel  im  fortgeschrittensten  Lichte  aufgefasst  und  die  erzeugten  Gefühls- 
werte auf  moderne  Basis  gestellt  sein".  —  In  ihrer  gemeinsamen  Arbeit  haben  Lauen- 
stein und  Grottewitz  253)  ähnliche  Gedanken  ausgesprochen;  Brieger  in  seiner  Re- 
cension  verwii-ft  die  Weltanschauung  der  Vff.  als  unmodern,  die  neue  Aesthetik  sei  alles, 
nur  kein  Aestlietik.  ^54)  — 

Ein  wichtiges  Thema,  das  neben  dem  Einflüsse  des  Milieu  bestimmend  auf  die 
Dichtung  einwirken  kann,  stellte  Franzos255)  speciell  vor  das  Fonun  der  Physiologie, 
Nervenpathologie  und  P.sychiatrie,  die  Frage  nämlich,  wie  weit  durch  Suggestion  auf 


d.  Milieus:  ML.  60,  S.  455/7.  —  250)  W.  Bölscho,  Z.  AesUiotik  d.  Konfusion:  FrB.  2,  S.  771/:l.  -  251)  K.  Orottcwiti, 
D.  Wiedereinsetzung  d.  Pliantasio:  ML.  GO,  S.  150/1.  —  252)  X  Otto  Ernst,  D.  Schöpfting  d.  Genihle.  E.  d  ritt«  Betrachtung 
z.  Psjisbologie  d.  Dichtung:  ib.  S.  70'L'.  (Vgl.  1890  I  3  :  114  u.  s.  o.  N.  110,  114.)  —  263)  O  X  A.  Laucnstein  u.  K. 
Grottewitz,  Sonnenaufgang.  |[A.  Brieger:  BLU.  I,  S.26/7.]l  (Vgl.  1890  13  :  137.)  -  254)  X  K.  Grottewiti,  D.  xetm 
Artikel  d.  Neu-Idealismus :  Zeitgenosse  1,  S.  152/7.  —  255)  K.  E.  Franz  oa,  D.  Suggestion  u.  d.  Dichtung.    E.  offener  Brief: 


I  3:  255a-278.  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  64 

einen  fremden  Menschen  Gedanken,  Wünsche,  Gemütseigenschaften,  Hajidlungen  über- 
tragen werden  können.  Er  führte  drei  merkwürdige  Fälle  solcher  Suggestion  an  und 
stellte  die  Trage  ganz  bestimmt:  sind  solche  Fälle  möglich  und,  wenn  ja,  handelt  es  sich 
dabei  um  ganz  besondere  Ausnahmefälle  oder  um  Erscheinungen,  die  wir  oft  erkennen 
werden,  sobald  sich  unser  Blick  für  ihre  Beobachtung  geschärft  haben  wird?  Es  liefen 
sehr  interessante,  zum  Teil  umfangreiche  Gutachten  wissenschaftlicher  Autoritäten  ein, 
die  aber  keine  durchgängige  Ueberein Stimmung  zeigten;  die  einen  verhielten  sich  völlig 
ablehnend  gegen  solche  Erscheinungen,  welche  den  anderen  als  bewiesen  und  nicht  zu 
bezweifeln  gelten,  obwohl  sie  nun  im  einzelnen  meist  sehr  weit  auseinandergehen.  Von 
allen  aber  wird  die  sogenannte  Telepathie,  die  Willensübertragung  ohne  irgend  welche 
physische  Vermittlung  als  unmöglich,  undenkbar  behandelt.  Was  aber  natürlich  für 
die  Dichtung  das  wichtigste  ist,  alle  Stimmen  sprechen  dem  Naturalismus  beim  Ver- 
wenden der  Suggestion  als  eines  dichterischen  Motivs  jede  Berechtigung  ab,  sich  auf 
die  Wahrheit  zu  berufen.  Das  Aufsehen,  das  diese  Enquete  eri'egte,  hatte  den  Abdruck 
der  einzelnen  Gutachten  in  vielen  Tagesblättern  zur  Eolge,  was  zu  verzeichnen  völlig 
überflüssig  wäre,  auch  wenn  nun  Polemik  daran  geknüpft  wurde.  —  Hervorgehoben  sei 
nur,  dass  du  Prel^sß)  den  Standpunkt  einnimmt,  die  Suggestion  sei  zwar  im  Drama, 
welches  die  ganze  Handlungsweise  des  Helden  aus  dem  Charakter  herausspinnt,  nicht 
aber  im  Roman  ausgeschlossen,  hier  sei  das  Thema  für  den  Seelenmaler  ungemein  ver- 
lockend.^^''"^ös^  —  Du  Prel259)  hat  übrigens  seiner  Theorie  bald  die  dichterische  Praxis 
folgen  lassen  und  besonders  im  zweiten  Bande  seines  Romans  die  Suggestion  von  Ver- 
brechen, freilich  mit  ihrem  Gegensatz,  der  Entdeckung  durch  Suggestion,  dargestellt.  — 

Auch  diesmal  kann  wieder  nur  Einzelnes  über  die  vier  verschiedenen  Kreise 
des  Naturalismus  angedeutet  werden,  weil  sonst  der  Bericht  kein  Ende  nehmen  würde; 
fast  in  allen  Zss.  erscheinen  Recensionen  über  die  neiien  Werke  der  Naturalisten  ver- 
bunden mit  Auseinandersetzungen  über  die  Prinzipien;  manches  wurde  schon  gestreift. 
Ueber  die  französischen  Zustände  hat  sich  am  eingehendsten  Bahr^ßO)  verbreitet; 
er  muss  als  genauer  Kenner  bezeichnet  werden,  dem  keine  bedeutsame  Regung  der 
litterarischen  Wiedergeburt  entgeht.  —  Rells^^i)  betrachtet  und  kritisiert  die  französische 
zeitgenösische  Litteratur  als  Psychologe,  Lothar-*52^  hauptsächlich  als  pikanter  Plauderer. 
Zola263)  erzählt  von  einer  Zeitschrift  ,,Der  Realismus",  die  Edmond  Duranty  mit 
einigen  Ereuuden  1856  und  1857  herausgab,  um  die  Romantik  zu  bekämpfen.  — 
Den  wesentlichen  Unterschied  romanischen  und  germanischen  Kunstempfindens  führt 
Marsop264)  aus.  — 

Ueber  den  deutschen  Naturalismus  ist  oben  schon  vielfach  gehandelt.265-267^ 
In  anmutiger,  novellistisch  eingekleideter  Skizze  handelt  B.  EörsterSes)  von  der  allgemeinen 
Bildung  und  kommt  dann  auf  die  Hauptrichtungen  in  Kunst  und  Wissenschaft  zu 
sprechen;  seine  Ansicht  geht  aus  dem  Satze  hervor:  „Nicht  der  Anblick  des  ab- 
schreckenden Lasters,  nicht  die  Erkenntnis  des  überwuchernden  Elends  erhebt  den 
Menschen  zu  mannhafter  That,  zu  beglückendem  Dasein  .  .  .  Die  Freude  allein  ist's,  die 
den  Menschen  veredelt,  die  Freude  an  dem  Zauber  der  Natur  und  an  der  Empfänglich- 
keit der  eigenen  Seele  für  das  Höchste  und  Schönste. "269-271)  —  Innerhalb  des  deutschen 
Naturalismus  bilden  Berlin  und  Münclien  wieder  engere  Kreise,  die  nicht  immer  har- 
monieren.272-276)  — 

Ueber  den  russischen  Natiu-alismus  handelt  „als  trefflicher  Führer  auf  diesem 
Gebiete"  E.  Kraus277)^  doch  zog  er  auch  anderes  mit  herein.  — 

Am  zahlreichsten  sind  die  Schriften  über  den  nordischen  Kreis.  Hansson^'^s) 
schildert  den  Einfluss,  den  Georg  Brandes  auf  die  neue  Litteratur  übte,  und  gi-eift 
dann    als    die    „prägnantesten    Persönlichkeiten"    der    nordischen    Länder    den    Dänen 


ML.  60,  S.  8/9.  -  255a)  D.Suggestion  u.  d.  Diclitung:  DDichtung  9,8.71-80,1-25-30,  179—81,207/9,  251/3,  303/5;  10,8.25/7, 
71/3.  -  256)  C.  du  Prel,  Suggestion  u.  Diclitung:  Gegonw.  39,  8.  53/6.  -  257)  X  id.,  D.  Suggestion  v.  Gericht:  ib.  S.  86/9. 

—  258)  X  Ruff,  D.  Suggestion  als  dramatisclies  Moment:  FZg.  N.  56.     (I'lilirt  d  Wirkung  d.  Dramas  auf  Suggestion  zurücV.) 

-  259)  C.  du  Prel,  D.  Kreuz  am  Forner.  E.  Lypnotisch-spiritistischor  Roman.  2  Bde.  Stuttgart,  Cotta  Nachf.  IV,  312,  23«  S. 
M.  7,00.  |[Gegenw.40,  S.301/2.]j  —  260)  H.  Bahr,  Uehorwindung  d.  Naturalismus.  Qi.  o.  N.  179.)  -  261)  W.  Rolls,  Psycho- 
logie u.  Naturalismus  in  Frankreich:  Nations.  8,  S.  532/4.  —  262)  R.  Lothar,  Neue  Litteraturströmungen  in  Frankreich: 
NFPr.  N.  9741.  -  263)  E.  Zola,  D.  realistische  Beweguug  in  Frankreich  vor  30  Jahren  (deutsch  v  L.  Berg):  ML.  60, 
S.  052/4.  -  264)  P.  Marsop,  Deutsche  u.  französische  Kunst:  Gegenw.  39,  S.  260/2.  -  265/6)  X  Ca  jus  Möller,  Z.  Lehens- 
anschauung unserer  ,jUngsten''  Littcratursehule :  NatZg.  N.  118.  —  267)  X  1j-  Jacobowski,  Z.  Litt.  d.  Moderne.  Krit. 
StreifzUgo:  Zeitgenosse  1,  8.  373/6.  —  268)  Brix  Förster,  Auf  d.  Chiemsee:  BLU.  8.  417-20,  433/6.  —  269)  O  X  C. 
Albert i,  Natur  u.  Kunst.  Beitrr.  z.  Untersuchung  ihres  gegenseitigen  Yorhaltnisses.  Leipzig.  Friedrich.  320  S.  M.  4,00. 
|[  Eh:  LChl.  8.1108/9  (ablohnend);  Carriöre:  AZg«.  N.  191.]|  -  270)  X  H.  Eichfeld,  D.  Naturalismus  u.  d.  Kunstreeen- 
senton.  E.  Wort  z  Verteidigung:  Kw.  4,  S.  219—20.  -  271)  X  K.  Erdmann,  D.  konsequente  Knalismus  u.  s.  Absurditäten: 
AZgii.  N.  99.  —  272)  X  Erw.  Bauer,  D.  „Modernen"  in  Berlin  u.  MUntheu:  20Jh  I,  8.  768-81.  -  273)  X  0.  J.  Bier- 
baum, D.  Oesellscliaft  f.  modernes  Leben:  ML.  60,  8.  12/3.  —  274)  X  id.,  D.  Bestrebungen  d.  „Moderne"  in  München:  ib. 
8.  153/4.  —  275)  X  id.,  D.  Denkschrift  d.  MUnchener  „Moderne":  ib.  8.  022/3.  -  276)  X  Sodom  u.  Gomorrha  oder  d.  Unter- 
gang d.  guten  Güsclimacks  in  Kunst,  Litt.  u.  Presse  Rücksichtslose  Kritik,  Humor,  Satire.  In  zwanglosen  Heften.  MUnchon, 
Aokerraannn.  IV,  127,  04,  82,  71  S.  M.  2,00.  —  277)  O  X  Eberhard  Kraus,  Romantik  u.  Naturalismus.  Litt.  Kreuz-  u. 
QuersprUuge.     Mitau,  Hehre.    51  S.    M.  1.00.    |[BLU.  I,  8.  r:i9.]|  —  278)  0.  Hansson,  D.  junge  Skandinavien.    Vier  Essays. 


65  R.  M.  Woruor,  Poetik  und  ihre  Geschichte.        I    i:  -ti-^h-v  i  4:  i-5. 

J.  1',  Jakobson,  den  Srliw(><lon  An^u.sl,  .Strindl»^-;;  iiml  dnn  Norweger  Anio  Garborg  herauH; 
man  wird  h\c.\\  wundern,  nicht  Ihnon^''^)  und  JijjiniHon  nennen  zu  hören,  aber  auf  sie  ist 
Hansson-'^'*)  sohlocht  zu  Hpreohen.  —  In-  (eigenen  Krinnerungen  giobt  Laura 
Marliolin-**')  ein  sehr  anschaulicheH  Bild  der  «kandinaviscljen  Ijitt<M-atur.  Da  M.  die 
meiston  Sclu'i  ff  steiler  j)ers('>nlich  kennt,  stehen  sie  vor  ihr  als  Persöidichkeiten,  und  da 
sie  ihre  l^cizielmngeii  zu  ihnen  an(l(!utot,  den  Eindruck,  die  fjinwirkung,  die  sie  von 
ihnen  cifuhr,  so  ist  es  uns,  als  liätten  wir  selbst  Anteil  an  ihnen;  niemand  wird  die 
Schilderung  von  der  Art,  sich  als  McMischen  wie  als  Schriftsteller  zu  geben,  bei  (Jeorg 
Brandes,  Alexandcsr  L.  Kielland  je  wieder  vergessen.  Die  Macht  der  skandinavischen 
Litteratur  beruht  nach  M.  auf  ihrer  individuellen  Erfahrung,  dem  pereön liehen  Bekenntnis, 
dem  erlebten  Jjeben;  diese  Litteratur  ist  die  Schilderung  individualisierter  Körper  und 
individualisierter  Seelen.  Das  Neue  war  ihre  Frische,  ihre  Naivetät,  der  Enist  ihrer 
Ehrlichkeit.  Es  wäre  sehr  schade,  wenn  diese  köstlichen  Bilderbogen  nicht  in  be- 
sonderem Abdrucke  einem  grösseren  Publikum  zuganglich  gemacht  würden.'^  —  Der 
stets  originelle  Harden-*')  schilderte  Arne  Garborg  und  Knut  Hamsun,  die  trotz  dem 
aufreibenden  Kamj)f  um  die  Existenz  gelernt  haben  „de  penscr  noblement";  die  Be- 
trachtung ist  mehr  socialer  als  ästhetischer  Natur.  —  üla  Hansson  wird  durch  Servaes^**) 
als  eine  weiblich  empfängliche,  durchaus  lyrisch  subjektive  Natur  charakterisiert;  zugleich 
erkennt  S.  an  ihr,  was  L.  Marholm  von  der  ganzen  skandinavischen  Litteratur  gerühmt 
hat,  die  kindliche  Naivetät,  die  gar  nicht  weiss,  wie  schlimm  die  Dinge  sind,  die  sie 
nennt.  In  seinen  Novellen  sind  ihm  die  Situationen  gar  nichts,  die  vereinzelte  Lebens- 
äusserung  sehr  wenig,  er  will  nur  das  Persönlichkeitscentrum  und  seine  Leitungen  nach 
aussen  haben.  Darin  liegt  bei  aller  Lebensfeindlichkeit  und  Kälte  doch  Kraft  und 
Eigenart.  Hansson  ist  ein  Werdender,  kein  Fertiger,  aber  er  hat  beherzt  einige  Schritte 
iu  uuentdecktes  Land  gethan.  Der  Zusammenhang  mit  der  übrigen  nordischen  Litte- 
ratur^**^) ist  klar,  aber  auch  die  anderen  Litteraturen  nahmen  Einfluss  auf  den  Dichter.  — 


1,4 

Schrift-  und  Buchwesen. 

Karl  Kochendörffer. 

Scliri  ftwesfln :  Ilandschriftonkatalogo  N.  1.  —  Autograplion  N.  4.  —  Buchwesen:  Erfindung  d«r  Drucker- 
kunst N.  ß.  —  Einzelne  Drucker  N.  10.  —  Bibliographie  N.  3:1:  BlockbUoher  N.  36;  Inkunaboln  N.  38;  lOOj.  Kalender  N.  4«; 
Zeitungen  N.  49;  BUchflrvcr7.eichnis.'«e  N.  51 ;  ZeltschriTtenregister  N.GO.  —  Bibliotheken:  Allgemeinrs  N.  M;  einzelne  Bibliothekea 
N.  70;  Schulbibliotheken  N.  89;  Bibliophilen  unil  Bibliothekare  N.  99.  —  Buchhandel:  Allgeineinw  N.  104;  Buchbtodler 
N.  117;  Censur  N.  132;  Nachdruck  N.  135;  Pflichtt-xeinplare  N.  13K;  heutiger  Betiieb  N.  144.  —  Bucheinband  N.  153.— 

Auf  dem  Gebiete  des  Schriftwesens  ist  im  Berichtsjahr  nichts  von  Belang 
erschienen.  Mit  der  Veröffentlichung  von  Handschriftenkatalogen  beginnen  die 
Grossherzogliche  Hof-  und  Landesbibliothek  in  Karlsruhe  (s.  u.  N.  76)  und  die  könig- 
liche öffentliche  Bibliothek  in  Stuttgart  (s.  u.  N.  77).  —  Keuffer  •)  setzt  das  Verzeichnis 
der  Stadtbililiothek  zu  Trier  fort.  —  Einiges  aus  der  kleinen  Hand.schriften8ammlung 
der  Schneeberger  Lyceumsbibliothek  bringt  Heydenreich  2)  l)ei.  3)  — 

Ueber  die  Versteigerung  von  Autographen  durch  Liepmannsohn  in  Berlin, 
Briefen  von  Musikern  und  Dichtern,  liegt  ein  Bericht  <)  vor.  Darunter  sind  Briefe  von 
Goethe,  Schiller, Klopstock, Reuter, Heine;  von  letzterem  3  Jugendbriefe  aus  dem  Jahre  1822. 
—  A.  Colin  5)  hat  wiederum  einen  Katalog  von  Autograi>hen  herausgegeben,  hi  dem  u.  a. 
Auerbach,  Bodenstedt,  Chamisso,  Freiligi-ath,  Geibel,  Geliert,  Goethe,  Hebbel,  Heine, 
Hölderlin,  Immermann,  Leibniz,  Rückert,  Schefer,  Schiller,  Wieland,  Zimmennann  ver- 
treten sind.      Unter  den  Stammbüchern    erweckt  das  des  stud.  jur.  W.  L.  Rodow6    aus 


Dresden  u.  Leipzig,  Pierson.  184  S.  M.  2,00.  —  279)  X  W.  Bölsche,  Sechs  Kapitel  Psychologie  nach  Ibsen:  FrB.  2, 
S.  1272/4.  —  280)  X  0.  Hansson,  D.  Litteraturentwicklung  in  Skandinavien:  Kw.  4,  S.  177  9.  —  28h  Laura  Marholm, 
D.  skandinavische  Bowogui  g  I— III:  VZgg.  N.  13T>.  -  282)  X  id.,  D.  Bauer  in  d.  Litt :  Kw.  4,  S.  273  7.  —  283)11. 
Hardon,  AllUgspopsie :  Nationn.  8,  S.  467/8.  (Vgl.  Kw.  4,  S.  244/5.)  — 284)  F.  Servaes,  O.  Hanssons  neue  Sohrirten:  FrB- 
2,  S.  1245/8.  —  285)  X  Vald  Vedel,  D.  Lebenswert  d.  modernon  Litt  Nach  d.  Dänischen  bearb.  v.  Friedr.  t.  KlneKAesohi): 
Zeitgenosse  1,  S.  444/6.  — 

I)  M.  Keuffer,  D.  Kirchenvater.  Hss.  d.  Stodtbibliothek  in  Trier.  N.  113—214  d.  H8S.-Ratalogs.  (=  BMihreibeadM 
Verzeichnis  d.  Hss.  d.  Stadtbibl.  zu  Trier  v.  M.  Keuffer.  2.  Heft.)  Trier,  Lintt.  XIII,  149  S.  M.  3,00.  -  2)  E.  Herden - 
reich,  Mitteilungen  aus  d.  Hss.  d.  alten  Schneeberger  Lyceumsbibliothek  =  Festschrift  d.  Kgl.  Oymn.  mit  Bealklassen  xn 
d.  am  30.  Okt.  st:ittlind.  Einweihung  d.  neuen  Schnigeb.  Schneeberg,  Glrtner.  S.  40  8.  —  3)  O  X  Beck.  D.  hss.  Brief- 
schatze d.  Zwickauer  Ratsschulbibl.  aus  d.  17.  Jh.  Referat  Über  e.  Vortrag:  MAVZwickan.  3,  S.  XIIIIV.  —  4)  Autographen: 
NFPr.  N.  9500.  —  5)  Katalog  e.  wertvollen  SammL  v.  Antogmphen,  bist  Dokumenten,  Stammbüchern  n.  Urkunden  aas  d.  Be- 
sitze d.  verstorb.  Hrn.  F.  Roeth,  H  Reimer,  A.  Schloenbach,  K.  Elze,  Frl.  Fanny  Tamow  n.  A.  Berlin,  Alb.  Cohn.  102  8.  — 
Jahresberichte  fUr  neuere  deutKche  Lilteratorgcscbichte  U  cd.  i> 


1  4:  c-12.  K.  Kochen dörffer,  Schrift-  imd  Bnchweseti.  60 

Osnabrück  besonderes  Interesse  durch  die  Eintragungen  von  Lessing  und  Goethe,  denen 
die  Silhouetten  der  Dichter  beigezeichnet  sind.  — 

Viel  mehr  hat  man  sich  mit  dem  Buchwesen  beschäftigt.  Ueber  die  Er- 
findung der  Buchdruckerkunst  bringt  das  Berichtsjahr  eine  Monographie,  die  den 
Anspruch  erhebt,  wissenschaftlich  zu  sein.  Aber  anstatt  aus  den  scharfsinnigen  und 
gründlichen  Arbeiten  der  letzten  Jahre  von  v.  d.  Linde,  Dziatzko,  Wyss  zu  lernen,  bleibt 
ihr  Vf.,  Eaulmann  ß)  dabei,  die  Legende  von  den  hölzernen  Lettern  zu  verteidigen,  mit 
denen  er  die  Bögeilige  Bibel  gedruckt  sein  lässt.  Um  seine  Ansicht  zu  halten,  sieht  er 
sich  o-enötigt,  der  Reihe  nach  alle  iirkundlichen  Nachrichten,  die  wir  über  die  Erfindung 
noch  haben,  die  Strassburger  Prozessakten,  die  Helmaspergersche  Urktmde  usw.  für 
Fälschungen  zu  erklären,  ohne  doch  über  die  erforderlichen  palaeographischen  mul 
diplomatischen  Kenntnisse  zu  verfügen,  die  ihn  zu  diesem  Urteil  berechtigen  könnten. 
Natürlich  werden  auch  die  neuen  in  Avignon  aufgefundenen  Urkunden,  die  F.  mit  ihren 
metallenen  Typen  im  5.  Jahrzehnt  des  15.  Jh.  nicht  passen,  als  gefälscht  verworfen. 
Wyss  hat  in  seiner  Kritik  des  F.schen  Buches  dessen  völlige  Unbrauchbarkeit  über- 
zeugend nachgewiesen.  —  Anspruchsloser  als  Faulmanns  Darstellung  tritt  ein  Schriftchen 
des  Pfarrers  Ihme '')  auf,  das  der  Erfindung  des  Buchdrucks  im  Elsassund  den  s])äteren 
Druckern  dieses  Landes  gewidmet  ist.  Diese  Anspruchslosigkeit  ist  leider  auch  das 
einzige  Gute,  was  sich  von  dem  Buche  sagen  lässt.  Denn  der  beste  Wille,  der  gewiss 
hier  Antrieb  zur  Arbeit  war,  ist  keine  Entschuldigung  für  das  Unterfangen,  ohne  Kenntnis 
der  Litteratur  und  namentlich  der  Probleme,  um  die  es  sich  handelt,  andere,  „die  weniger 
wissen",  belehren  zu  wollen.  Nach  I.  hat  Schöffer  das  Giessen  der  Lettern  erfunden. 
„Dadurch  war  ein  neuer  wichtiger  Fortschritt  erzielt,  vind  das  ist  die  Mainz  eigens  zu- 
kommende Ehre,  dass,  nachdem  Gutenberg,  der  Mainzer,  in  Strassburg  die  bew^eglichen, 
geschnitzten  hölzernen  Buchstaben  samt  der  Druckerpresse  erfunden,  Peter  Schöifer  in 
Mainz  die  gegossenen  Buchstaben  erfunden  hat. "  Die  Nachrichten  über  die  Strass- 
burger Drucker  sind  Ch.  Schmidts  Buch  über  Strassburgs  Bibliotheken  und  Buchdrucker 
entnommen.  —  Der  Versuch  Fumagallis '''*),  seinem  Landsmann  Pamfilo  Castaldi  die 
Ehre  der  Erfindung  zuzuweisen,  muss  trotz  dem  Aufwand  von  Eifer  inid  Scharfsinn 
als  aussichtslos  bezeichnet  werden,  da  die  Zeugnisse  spät  und  belanglos  sind.  —  Dem 
Urkiindenfund  von  Avignon,  der  den  Procopius  Waldvogel  betrifft,  widmet  Requin  ^) 
eine  zweite  Schrift,  in  der  auch  die  Faksimiles  der  Urkunden  mitgeteilt  werden,  die 
jeden  Zweifel  an  der  Echtheit  zerstören  müssen.  Während  R.  seine  erste  Schrift  mit 
dem  Satze  schloss,  dass  Avignon  nunmehr  als  die  erste  Stadt  dastehe,  die  nach  Strass- 
burg eine  Druckerei  besessen  habe,  lässt  er  jetzt  freilich  bei  dem  Mangel  jeden  Druckes 
die  Existenz  einer  solchen  in  Zweifel,  wirft  aber  dafür  die  Frage  auf,  ob  Waldvogel 
selbst  Erfinder  gewesen  sei  oder  die  Kunst  in  Strassburg  gelernt  habe.  —  Dass  Wald- 
vogel nach  den  Urkunden  nicht  gerade  den  Eindruck  des  Erfinders  macht,  hat  schon 
Goebel^)  hervorgehoben.  — 

Die  Reihe  derer,  die  über  einzelne  Drucker  gehandelt  haben,  eröffnet  von 
der  Linde  10^:  er  beschäftigt  sich  mit  Peter  Schöffer.  Dieser  war  anfangs  Kleriker  und 
erscheint  zuerst  1451  als  Bücherabschreiber  zu  Paris.  Schon  dadurch  ist  es  ausge- 
schlossen, dass  er  an  der  Ei-findung  der  Buchdruckerkunst  irgendwie  beteiligt  war.  Am 
16.  Nov.  1455  ist  er  in  Mainz  Belastungszeuge  wider  Gutenberg  für  Johann  Fust,  dessen 
Töchter  er  heiratet  und  mit  dem  zusammen  er  ein  Verlagsgeschäft  gründet.  Von  da 
ging  das  erste  vollständig  datierte  typographisch  gedruckte  Buch  der  Welt,  das  „Brevi- 
arium  Mogimtinum"  aus.  —  Ueber  den  Schwiegersohn  des  grossen  Strassburger  Drucker- 
herrn Mentel,  Martin  Schott,  bericlitet  Steiff  ^^).  Als  ersten  datierten  Druck  von  ihm 
haben  wir  ein  deutsches  Plenar  v.  J.  1481,  als  letzten  Wimphelings  „Philippica"  Ende 
1498.  Doch  reicht  seine  Thätigkeit  sicher  über  beide  Grenzen  hinaus.  Seine  Drucke, 
meist  dexitsche  Werke,  sind  mit  künstlerischem  Schmuck  reich  ausgestattet.  —  Sein 
Sohn  Johannes  Schott,  ebenfalls  von  Steiff'^)  besprochen,  studierte  in  Freiburg,  Heidel- 
berg \\m\  Basel.  Der  erste  bekannte  Druck  von  ihm  stammt  aus  dem  Jahre  1500;  er 
druckte  bis  zur  Mitte  des  Jh.  Da  die  „Margarita  ])hilosophica"  des  Gregor  Reisch 
1503  Freiburg  als  Druckort  nennt,  die  Ausgabe  1504  in  Basel  korrigiert  iiud  die  dritte 
von  Michael  Fiu'ter  inid  Schott  gemeinsam  in  Basel  herausgegeben  wurde,  so  wird  wohl 
Schotts  Geschäft  auch  in  jenen  Städten  eine  Vertretung  gehabt  haben.  Von  seinen 
Drucken  sind  gegen  130  bekannt,  die  wirkliche  Zahl  beläuft    sich  aber  sicher  auf  mehr 


8)  K.  Fanlmann,  D.  Erfindung  d.  Buchdruckerkunnt  nach  d.  neuesten  Forschungen.  D.  dtsch.  Volke  dargestellt.  Wien, 
Pest,  Leipzig,  l{artl(iben.  VllI,  156  S.  ||Wyss:  CblUiblw.  8,  S.  551—60;  Du  Kiou:  NoderlaiiaseheSpfctator  S.  2-14;6.]|  — 
7)  F.  A.  Ihine,  Gutenhorg  n.  d.  lluchdruckorkunst  im  Elsass.  Strassburg,  (;.  F.  Schmidt.  52  S.  M.  0,80.  —  7a)  G.  Funia- 
galli,  La  quostiono  di  ramfilo  Castaldi.  Mailand,  Iloeiili.  127  S.  L.  3.  |[K.  Dziatzko:  DLZ.  12,  S.  1895/6.]]  —  8)  Requiu, 
Urigines  de  riniprimorie  en  France  (Avignon  1444).  (=  Erweit.  Abdr.  aus:  Clir.Ißliupr.  S.  51—60.)  Paris,  Cercle  de  la  librairie. 
40  S.  M.  1,60.  -  9)  Tb.  Goebel,  1).  Buchdruckeroi  zu  Avignon:  BOrslilDliuchhandel  57,3  (1890),  S.  4598-600.  —  IG)  A.  von 
der  Linde,  Peter  Schtiffer:  ADB.  32,  S.  213/4.  -  II)  K.  Steiff,  Martin  Schott:  ib.  S.  406/6.  —  12)  id.,  Johannes  Schott:  ib 


67  K.  K  oclKMiflör f  ft'i-.   Scliriff-  tiinl  Bnol»w«sen.  f  4:  13-2««. 

als  150.  Darunter  ist  die  Iniiiiaiiistisrlu«  J^itrcratur  /icinlich  stark  vertreten.  Auch  zei^t 
Schott  sicli  als  eifrif^dii  Aiihän^^nr  der  Reformation.  Eine  gi'osse  Zahl  auch  seiner  Drucke 
ist  mit  Holzschnitten  reich  geziert.  —  Den  beiden  Druck<!rn  Matthias  und  Lazarus 
Schürer  gelten  zwei  Artil<(^l  Knods'^-H).  Matthias,  ans  Schlettstadt  gehCirtig,  war  her- 
vorrngender  lunnaiiistischer  Drucker  in  Strassburg,  wo  er,  seit  ITKJO  in  der  Druckeroi 
soin(^s  Oheims  Martiu  Flach  als  Korrektor  thätig,  15{)H  eine  eigene  Druckerei  ««rrichtete, 
die  vorzugsweise  der  Verbreitung  der  Klassiker  und  der  Werke  humanistischer  Schrift- 
steller gewidmet  war.  Von  H.  Bebel  ist  das  meiste  bei  ihm  erschienen,  von  Erasmus 
15  Werke  in  etwa  70  Ausgaben  150*.) — 1519.  Des  Matthias  Neffe  ist  Lazarus  SchOrer, 
innnanisiischer  und  reformatorischer  Drucker  in  Schlettstadt,  als  Drucker  ausgebildet 
in  der  Offizin  seines  Strassburger  Oheims,  dessen  Teilhaber  er  wurde  und  von  dessen 
hinteriassener  Presse  er  1519  einen  Teil  nach  Schlettstadt  überführte.  Sein  erstes  hier 
entstandenes  Werk,  noch  1519  erschienen,  ist  von  Erasmus,  wenngleich  sich  die  1520 
erschienenen  „Epigranimata  Jo.  Sapidi"  als  „primitiae"  bezeichnen.  Aus  seiner  Presse 
ging  eine  nicht  geringe  Zahl  reformatorischer  Schriften  hervor,  während  er  selbst  schon 
1519  zur  alten  Kirche  zurückkehrte.  1522  gab  er  seine  Druckerei  auf.  —  Die  ersten 
Münchener  Drucker  bespricht  Ruepprecht '^).  Der  erste  bekannte  Druck  ist  Hans 
Schauers  Schrift  „Mirabilia  Romae"  1482.  Hans  Schauer  war  wandernder  Buchdrucker, 
bis  1494  in  München,  wo  aber  kein  weiterer  Druck  von  ihm  bezexigt  ist,  später  ina 
Augsburg.  Er  ist  nicht  identisch  mit  Froschauer,  wie  früher  angenommen  wurde,  dv 
für  einen  jeden  eine  eigene  Matrikel  in  Augsburg  besteht.  Der  zweite  Drucker  is 
Hans  Schobser,  der  bis  1498  in  Augsburg  thätig  gewesen  ist.  Von  ihm  keimen  wir  zwei 
Drucke.  Von  dem  dritten,  Benedikt  Puchpinnder,  sind  uns  drei  Drucke  erhalten.  — 
W.  Vogt'"!^)  giebt  Nachrichten  über  drei  Augsburger  Drucker,  Johann  Schftssler,  Hans 
Schönsperger  und  Hans  Schobser.  Schüssler  wird  in  den  Augsburger  Steuerbüchern 
zuerst  14G6  erwähnt.  Bekannt  sind  von  ihm  8  Drucke  aus  den  Jahren  1470 — 73.  Er 
soll  seine  Kunst  von  Günther  Zainer  erlernt  haben.  Des  Namens  Hans  Schönsperger 
sind  zwei  zu  unterscheiden,  „der  elter"  und  „der  junge".  Der  berühmtere  ist  der  ältere,  von 
dem  wir  als  ersten  Druck  ein  „Regimen  sanitatis"  von  1481  kennen.  Er  druckte  eine  Menge 
deutscher  Bücher,  darunter  „Sachsenspiegel",  „Buch  der  Natur",  „Buch  der  Wei.sheit", 
eine  deutsche  Bibel  1487  und  „Elucidarius"  1490.  1501  hört  seine  Thätigkeit  in  Augs- 
burg auf.  1510  erscheint  Hans  Schensperger  der  junge,  der  zugleich  Buchführer  war. 
1517  kommt  in  Nürnberg  des  altem  Schönspergers  prächtigstes  Werk,  der  „Theuerdank" 
mit  den  Schaufel  ins  chen  Holzschnitten  heraus,  die  zweite  Ausgabe  1519  in  Augsf)urg. 
Bis  1524  erscheinen  dann  noch  Drucke  ohne  Unterscheidung  der  beiden,  so  dass  ihre 
Vereinigung  zu  vermuten  ist.  —  Hans  Schobsers  erster  Augsburger  Druck  ist  „<ier 
teutsche  Kalender"  1488;  1489  folgte  die  Uebersetzung  der  „Gesta  Romanorum".  •')  — 
Ueber  clie  deutschen  Inkunabeldrucker  in  Italien,  Johann  Schurener  und  Scinzenzeler, 
berichtet  Steiff  20-21).  Schurener,  ein  Magister  aus  Boppard,  hatte  seine  Druckerpresse 
in  Rom  aufgeschlagen,  wo  von  ihm  zwischen  1474  und  1477,  z.  T.  in  Verbindung  mit 
Mag.  Nikolaus  Hanhe^'^mer  aus  Oppenheim,  Drucke  hergestellt  wurden.  Die  ihm  von 
Hain  ziigeschriebenen  Drucke  würden  seine  Thätigkeit  mindestens  bis  1485  führen  lassen. 
Die  Scinzenzeler  in  Mailand  stammen  aus  Bayern.  Der  hervorragendere,  Ulrich,  druckt 
seit  1478  zusammen  mit  seinem  Landsmann  Leonhard  Rachel.  Ihr  letzter  gemeinsamer 
Druck  stammt  aus  dem  Jahre  1489.  Von  1487  bis  1500  druckt  Ulrich  auch  allein. 
Bekannt  sind  uns  von  ihm  etw^a  210  Inkunabeln,  die  von  seinem  umfangreichen  Ge- 
schäfte zeugen.  Wahrscheinlich  ist  der  auf  fünf  Drucken  erscheinende  Heinrich  Scin- 
zenzeler identisch  mit  Ulrich.  Von  1500  an  druckt  in  Mailand  Johann  Angelus  Scin- 
zenzeler, jedenfalls  ein  Sohn  des  Ulrich,  mit  dem  er  sich  aber  weder  an  Zalü  noch 
an  Schönheit  der  Drucke  messen  kann.  —  Erwähnt  sei  noch  ein  Artikel  über  Hans 
Schweintzer -2)  in  Strassburg;  über  andere  neuere  Drucker,  Valentin  Schumann  in 
Leipzig,  Hieronymus  Schütz  in  Dresden,  SaJomon  Schnorr  in  Helmstedt,  handeln 
Wustmann  23)^  G.  Müller  24)  und  P.  Zimmermann  25).  —  Die  Bemühungen  und  Ver- 
dienste des  Verlages  von  Johann  Schoeffer  in  Mainz  (1503 — 1531)  um  die  Herausgabe 
lateinischer  Klassiker  und  Schulbücher  beleuchtet  F.  W.  E.  Roth  26)  durch  eine  Biblio- 
graphie dieser  zum  Teil  selten  gewordenen  Drucke.  —  Ein  für  die  Geschichte  des  Buch- 


S.  402/4.  —  13)  G.  Knod,  Matthias  SchUrer:  ib.  33,  S.  84  5.  —  14)  id.,  LataruB  SchBrer:  ib.  8.83/4.  —  IS)Ch.  Rneppreeht, 
D.  MOnchener  Inkunabeln:  AZg».  N.  101,  S.  4/6.  -  16)  W.  Vogt.  Johann  SchOssIer:  ADB.  3.3,  S.  09.  -  17)  id.,  Hans  Schöns- 
perger: ib.  32,  S.  320/1.  —  18)  id.,  Hans  Schobser:  ib.  S.  211.  —  19)  X  Th.  Drück,  Z.  Gesch.  d.  Beutliiiger  Bochdmcks 
BBSW.  N.  13/4.  (Besprechung  v.  SteifFs  Aufsatz  z.  Gesch.  d.  Reutlinger  Buchdrucks  im  1.  Jh.  d.  Buchdnii-kerkunst;  Tgl. 
JBL.  1890  I  4  :  33.)  —  20)  K.  Steiff.  Johanu  Schurener:  ADB.  33,  S.  82  3.  —  21)  id.,  Scinzenzeler:  ib.  S.  476  9.  -  22)  1.  n., 
Hans  Schweintzer:  ib.  S.  3tU  5.  -  23)  O.  Wu  s  tma  nn,  Valentin  Schumann :  ib.  S.  57  9.  —  24)  G.  MOller,  Hieronymox 
Schütz:  ib.  S.  1-26(7.  —  25)  P.  Z  liinnerm  an  n,  Salomon  Schnorr:  ib.  32,  S.  181.  —  26)  F.  W.  E.  Roth,  D.  Buchdrucker  u. 
Verleger  Johann  Schoeffer  zu  Mainz.  1503—31  als  Verleger  lat.  Klassiker  n.  Schulbücher:  BomanF.  6,  S.  4«2— 75.  —  26a)  F. 
Olthoff,  De  Boekdrukkers,  Boekverkoopers  en  Uitgeyers  in  Antwerpen  sedert  de  nitrinding  der  boekdnikkanst  tot  op  onie 
dagen,  alfabetisch  gerangschikt  en  van  geschiedkundige    aanteekening«n    voorzien,    opgeluisterd    door  een  a«nt«l  portretten  en 

5* 


I  4:  27-38.  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  68 

drucks  und  Buchhandels  in  Antwerpen  sehr  schätzbares  Werk  ist  Olthoffs^ßa)  alpha- 
betische Ziisammen Stellung  aller  Buchdrucker  und  Buchhändler  dieser  Stadt.  Der  Vf. 
bringt  unter  den  einzelnen  Namen  eine  Fülle  von  historischen  Nacliricliten,  verzeiclmet 
viele  der  selteneren  Drucke  und  teilt  eine  grosse  Anzahl  von  Druckennarken,  auch 
einige  Bildnisse  berühmter  Drucker  mit.  Ein  sorgfältiges  und  nützliches  Verzeichnis 
der  Hausnamen,  die  oft  allein  im  Impressum  angegeben  werden  und  deshalb  zur  Be- 
stimmung der  Drucke  von  Bedeutung  sind,  bescliliesst  den  Band  und  giebt  Anlass  zu 
dem  Wunsche  nach  einer  umfassenden  Sammlimg  solcher  Namen.  Wenn  0.  in  der 
Einleitung  den  Buchdruck  sclion  dem  Anfang  des  15.  Jh.  zuweist,  so  wird  er  das  wohl 
nicht  so  ernst  meinen.  —  In  die  Werkstatt  des  berühmten  Antwerpener  Druckers  Plantin, 
dessen  Geschäftshaus  mit  der  vollständigen  Einrichtung  noch  erhalten,  von  der  Stadt 
angekauft  und  zu  einem  Museum  umgewandelt  ist,  führt  uns  eine  auf  Degeorges  „Maison 
Plantin"  beruhende  Skizze  27)^  in  der  nach  Rooses,  dem  Biographen  Plantins,  einige 
Hauptdaten  der  Geschichte  des  Hauses  mitgeteilt  werden.  —  Von  dem  einzigen  dort 
erhaltenen  Einbände  Clir.  Plantins,  der  bekanntlich  zuerst  Buchbinder  war,  giebt 
Grueps)  eine  Abbildung.  —  Aus  den  Baseler  Gerichtsakten  bringt  StehlinSö)  zur 
Geschichte  des  Buchgewerbes  Regesten,  als  Fortsetzung  seiner  Sammlungen  in  früheren 
Bänden  des  AGDBuchhandel.  —  In  die  schweizerische  Stadt  Biel  hat  die  Buchdrucker- 
kunst erst  sehr  spät,  nämlich  im  Jahre  1734  Eingang  gefunden.  Einen  auf  den  Ratsakten 
beruhenden  Abriss  ihrer  Geschichte  liefert  Maag^o).  Der  erste  Drucker  war  Johann 
Christoph  Heilmann,  der  in  seiner  Heimat  Marburg  i.  H.  noch  nicht  selbständig  ge- 
druckt hat.  Wenn  M.  zum  Tröste  für  die  späte  Einführung  des  Buchdrucks  in  Biel 
mit  Stolz  darauf  hinweist,  dass  die  Genealogie  der  ersten  bielerischen  Druckerfamilie 
bis  auf  die  Wiege  der  Kunst  zurückgehe,  indem  er  an  die  beiden  Heilmanns  denkt,  die 
in  Strassburg  mit  Gutenberg  in  Verbindung  standen,  so  müsste  er  docli  erst  beweisen, 
dass  zwischen  den  Marburger  Heilmanns  und  jenen  ein  verwandtschaftliches  Verhältnis 
bestand,  was  mir  ausgeschlossen  erscheint.  3i-32j  — 

Der  landläufige  Begriff  der  Bibliographie  33-34)  igt  ein  sehr  vielseitiger  und 
umfasst  sowohl  die  wissenschaftliche  Buchbeschreibung  wie  die  einfache  Schriftenaufzäh- 
lung. Wir  beginnen  mit  jener,  die  allein  eigentlich  den  Namen  verdient.  Einen  wert- 
vollen Beitrag  zur  Geschichte  der  Blockbücher  hat  Hochegger  ^s)  geliefert  und  zu- 
gleich den  Nachweis,  dass  sie  nicht  sowohl  der  künstlerischen  Darstellung  als  vielmelu' 
dem  praktischen  Bedürfnis  nach  Unterrichtsmitteln  zu  verdanken  seien.  Für  den  Biblio- 
gi-aphen  ist  nicht  nur  seine  eingehende  Besprechung  des  „Liber  regum",  dessen  Text 
er  abdruckt,  von  Wert,  sondern  vor  allem  die  Bemerkungen  über  die  verschiedenen 
uns  erhaltenen  Blockbücher,  sowie  über  die  Bedeutung  der  Sammelbände  für  die  Auf- 
hellung ihrer  Bibliographie.  Hat  er  auch  die  Gleiclizeitigkeit  und  Zusammengehörigkeit 
der  zusammengebundenen  Blockbücher  nur  wahrscheinlich  gemacht,  keineswegs  be- 
wiesen, so  verwirft  er  die  leider  nur  zu  häufig  in  Bibliotheken  und  Antiquariaten 
geübte  Praxis,  die  alten  Sammelbände  zu  zerstören,  mit  Recht  als  unwissen- 
schaftlich. 36-37)  _ 

Ein  für  die  Erforschung  der  Inkunabeln  hervorragend  wichtiges  Werk  hat 
Burger  38)  mit  seinem  Index  zu  Hains  „Repertoriinn  bibliographicum"  geliefert.  Da 
dieses  nach  dem  Alphabet  der  Autoren  angelegt  ist,  so  musste  bei  einer  jeden  Unter- 
suchung über  einzelne  Drucker,  über  den  Anteil  einzelner  Städte  an  dem  Buclidruck, 
über  die  ersten  bekannten  Drucke  iisw.,  so  weit  sie  auf  Hain  gegründet  werden 
sollte,  bisher  immer  wieder  das  ganze  umfangreiche  Werk  durchgearbeitet  werden,  ohne 
dass  die  Sicherheit  gegeben  war,  dass  nichts  überselien  sei.  B.s  Veröffentlicluing,  die 
unser  ungeteiltes  Lob  verdient,  hat  nun  ein-  für  allemal  solclie  Vorarbeiten  überflüssig 
gemacht  und  die  reiche  Fundgrube  ganz  erschlossen.  —  Für  den  Laien  vielleicht  nicht 
uninteressante,    sonst    aber  doch  etwas  unzulängliche  Mitteilungen  über  das  Wesen  der 


drukkorsmorken.  Antwerpen,  Rnof,  40.  134  S.  —  27)  H.  Wnn.,  D.  Erzdrncker  v.  Antwerpen.  (Reisemomonte.)  NFPr. 
N.  »748.  —  28)  L.  Gruel,  Christophe  Plantin,  rölieur:  Clir.TGImpr.  80.  Annöo,  2.  S6rie,  Tome  35,  S.  213/6.  -  29)  K.  Stehlin, 
Regosten  z.  Gesch.  d.  Buchdrucks.  1501—20.  Aus  d.  Basler  Archiven:  AGDBuchhandel  14,  S.  10—98.  —  30)  A.  Maag,  D. 
ersten  Bnclidruckor  in  d.  Stadt  Biel:  BernerTh.  41,  S.  55-76.  —  31)  X  F.  Amhrosi,  I  tipograii  trentini  o  lo  loro  edizioni. 
—  Estr.  dair  Archivio  trentino.  Tronto,  Mariotti.  34  S.  —  32)  X  A.  Kirchhoff,  E.  Druekorei-Taxo  aus  d.  J.  1694: 
AODBuclihandcl  14,  S.  360/3.  -  33)  X  W.  T.  Rogers,  A  mamial  of  bibliography.  New  od.  London,  Grovol,  Sop.  Sh.  5.  — 
|[CBlBibl.  8,  S.  230/1.]]  —  34)  X  G.  Ottino,  Bibliografia.  2.  ediz.  rivoduta.  Milano,  Hoepli.  VI,  160  S.  L.  2.  -  35)  R. 
Hochogger,  Uebor  d.  Entstehung  u.  Bedeutung  d.  BlockbUcher  mit  besond.  Rllcksicht  auf  d.  Liber  Roguni  .sou  Historia 
DavidiH.  E.  bibliogr.-kunstgesch.  Studio.  Zugleich  e.  Boitr.  z.  Gesch.  d.  Untorriclitswosens.  M.  e.  Faksimilo-Tafel.  (=  Bei- 
hefte z.  CBlBibl.  VIT.)  Leipzig,  Harrassowitz.  VIII,  67  S.  M.  3,60  |[0.  Moyer:  DLZ.  12,  S.  1701/2;  H.  Janitschok:  LCBl. 
1892,  S.  655.]|  —  36)0  XR-Forrer  u.  P.  Gorschol,  6  Holztafeldrncko  u.  e.  Kupferstich-Inkunabel  d.  Sammlung  Forror.  7  photogr. 
Tafel-Fcsras.  in  Orig.-Gr.  nebst  erl.  Text.  In  Mappe.  Strassburg,  Gerschol.  4«.  7  S.  M.  15,00,  mit  llandkolorit  M.  24,00.  — 
37)  O  X  E.  Kol  ebner,  11.  Enndkrist  d.  Stadt-Bibl.  zu  Frankfurt  a.  M.  Fcsm.-Wiodergabe.  Her.  u.  bibliogr.  be.schr.  Frank- 
urt  a.M.,  Keller.  4".  IX,  40  S.  m.  Abbild.  M.  18,00.  —  38)  K.  Bürger,  Repertorium  bibliographicum  in  quo  libri  omnes 
ab  arte  typographioa  inventa  usque  ad  annum  Ml)  typis  expressi  .  .  .  recensentiir.  Opera  Ludovici  Hain.  Indices  uberrimi. 
(=  Ludwig  Hains  Repertorium  liibliographicum.  Register.  D.Drucker  d.  16.  Jh.  mit  chronolog.  Uobersicht  ihrer  Werke  zus.-gest. 
Beihefte  z.  CBlBibl.  VIII.)    Lipsiae,  Harrassowitz.    VI,  428  S.    M.  16,00    |[E.  Steffeuhagon:  LCBl.  1892,  S.  334/5;  K.  Kochen- 


69  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  4:'89-M. 

Iiikmiabohi  hiin^t  Ruepprocht^«).  Einige  veretändige  Betrachtungen  und  WünHche  am 
ScIjIukso  dv.H  Aufmit/os  hinsichtlich  dor  Behandlung  von  Inkunabeln  Hind  zum  Teil 
Hchoii  zur  Thatsacho  «^owordeii.  Dass  auch  K.  du«  Märchen  von  den  anfung«  auH  Holz, 
(lanu  aus  Metall  goKchnittonen,  «pätor  erat  gegossonon  Lottern  wio<lor  auftiHcht,  horahrt 
seltsam.  —  Von  oiiuir  zwar  nicht  sehr  umfangreichen,  aber  doch  an  Seltenheiten  nicht 
armen  Inkunabelsammlung  in  der  Stadtbibliothek  zu  Braunschweig  hat  Nentwig**') 
ein  Verzeichnis  erscheinen  la.ssen,  das  mit  grosser  Sorgfalt  imch  den  von  Milchsack  in 
Tetzholdts  Neuem  Anzeiger  1H82  aufgost(!lU(!n  llegtsln  gearbeitet  ist.  Wie  sehr  sich  die 
Arlxiit  lohnt,  ergicibt  sich  schon  aus  dem  Umstand,  dass  von  den  Braunschweiger  In- 
kunabeln allein  44  von  Hain  nur  aufgeführt,  nicht  boschrieben,  92  ihm  unbekannt  ge- 
blieben sind.  —  R.  Busch  ••')  behandelt  in  der  Fortsetzung  seines  Vt'rzeichnisses  der 
Kölner  Inkunabeln  die  Drucke  des  Heinrich  Quentell,  deren  die  Darmstädter  Hof- 
bibliolhek  7ü  besitzt,  aus  den  Jahren  1475)— 1481  und  14H0— ir>OÜ.  Benusrkenswert  ist, 
(lass  auch  unter  diesen  Drucken,  wie  in  Einjens  Verzeichnis  der  auf  d*!r  Kölner  Stjidt- 
biblii)thek  vorhandenen,  keiner  aus  den  Jahren  14H'2  bis  einschliesslich  14H<;  sich  b(!- 
Hndot  und  aus  den  Jahren  14H7  und  14H8  nur  je  eiiujr  und  zwar  ohm;  Nennung  des 
Druckers.  *2-«:»)  —  Von  der  Versteigerung  einer  wortvollen  BCichersannnlung  des  ver- 
storbenen Bierbrauers  W.  H.  Crawford  in  London,  die  zahlreiche  Inkunabeln,  darunter 
besonders  Editiones  principes  der  griechischen  und  lateinischen  Autoren  enthielt,  winl 
Nachricht*^)  gegeben,  wobei  zugleich  die  für  diese  Erstlingsausgaben  erzielten  Auktions- 
preiso  mitgeteilt  werden.  45-47^  — 

Die  Entwicklungsgeschichte  des  lOüj.  Kalenders  von  Mauritius  Kimuer,  Prä- 
laten des  Klosters  Langlieim,  hat  Borthold  <»)  zum  Gegenstände  seiner  Untersuchung 
gemacht  und  138  verschiedene  Drucke  aus  den  Jahren  1701 — 18<;8  festgestellt,  während 
or  die  Anzahl  der  erschienenen  auf  220  berechnet.  Von  den  Originaldrucken  Knauore, 
(leren  Existenz  B.  wahrscheinlich  macht,  ist  keiner  bekannt.  Die  erste  Au.sgabo  hat 
lliiUwig  nach  einem  anonymen  Knauerschcn  Ms.  bearbeitet  und  1701  in  Erfurt  erscheinen 
lassen,  während  die  Reihe  der  Ausgaben,  in  denen  Knauer  als  Vf.  gonainit  ist,  1704 
in  (Xilmbach  beginnt.  Von  der  Hellwigschen  Ausgabe  sind  bis  auf  die  Neuzeit  40,  von 
der  Knauerschen  90 — 100  Drucke  erschienen,  daneben  noch  eine  Menge  verschiedener 
Bearbeitungen,  die  B.  auf  5  Typen  zurückfülirt.  — 

Die  CTOi^chichto  der  älteren  Zeitungen  leidet  vor  allem  an  dem  Mangel  an  er- 
haltenen Exemplaren  dieser  ephemeren  Littoratur.  Eine  Sammlung  aus  der  Zeit  des 
30 j.  Krieges,  wie  sie  die  Stadtbibliothek  in  Zürich  besitzt,  ist  deshalb  von  hohem  Werte. 
Schon  Opel  hat  ihr  in  schien  Anfängen  der  deutschen  Zeitungspresse  eine  Untersuchung 
gewidmet.  Für  eine  von  ihnen,  die  „Zeitung  Post"  1()33  oder  „Wöchentliche  Ordinari- 
Zeitung"  seit  1034,  die  Opel  für  ein  Frankfurter  Journal  erklärt  hatte,  erbringt 
Bodmor-*'J)  den  Beweis,  dass  sie  hi  Zürich  aus  der  Bodmerschen  Druckerei  hervor- 
gegangen ist,  wobei  er  zugleich  über  die  Entwicklung  des  ältesten  Zeitungswosens 
neues  Licht  verbreitet.  Die  Anfänge  gehen  auf  das  Postwesen  zurück.  Zeitungen 
konnten  nur  da  entstehen,  wo  verschiedene  Postlinien  sich  kreuzten  und  ein  Zusannnen- 
tluss  der  maTniigfaltigsten  Nachrichten  statt  hatte.  Auch  die  Periodicität  hängt  mit  der 
Post  zusannnen:  die  ersten  Postverbindungen  waren  wöchentliche,  die  iütesten  Zeitungen 
daher  Wochenblätter.  Sie  versorgten  den  Ort,  wo  sie  erschienen,  mit  den  politischen 
Nachrichten  aus  dem  Ausland  und  hatten  deshalb  für  Lokalberichterstattung  noch  keinen 
Raum,  so  dass  vom  Druckorte  selbst  nichts  mitgeteilt  wurde.  Wenn  nun  die  Beiblätter 
der  „Ordinari-Zeitung",  von  denen  15  erhalten  sind,  unter  anderm  die  Aufschrift  tragen 
„Extra  Ordinari  Zeitungen  auss  Franckfurt  am  Mayn",  so  kann  damit  nicht,  wie  Opel 
glaubte,  eine  Frankfurter  Zeitung  gemeint  sein,  sondern  nur,  dass  die  Nachrichten  aus 
Frankfurt  stammen,  also  eine  Frankfurter  Korrespondenz,  was  bestätigt  wird  durch 
eine  andere  Beiblattaufschrift  „Extra  Ordinari  Zeitung  auss  vnderschiedenlichen  Landen 
vnd  Orten".  Die  Bestinnnung  der  Zeitung  als  Zürcherische  ergiebt  sich  aus  der, Her- 
kunft der  Berichte.  Sie  muss  an  einem  Orte  entstanden  sein,  aus  welchem  man  Nach- 
richten erwarten  darf,  aus  dem  sie  aber  ganz  felden,  während  die  Umgebung  des  Druck - 


dörflor:  DLZ  13,  S.  183/4.]|  —  39)  C  h.  Kuop  procht,  Uober  Inkumiboln.  S.-A.  aus  ,üouUche  Uuoliliandler-Ak»d«ww» 
M.  7,  Heft  10.  Weimar.  Weissbuch.  13  S.  M.  0.25.  -  40)  H.  NentwiR.  1).  Wiegondrucko  in  d.  StadlbiWiolhoV  tu  Bnuin- 
shwois.  Im  Auftr.  d.  sUdt.  Hohördon  bcarb.  WolfenbUttol,  Zwisslor.  IX.  24t?  S.  M.  7,.'iO.  |[0.  H[.rtwiKl:  CHblBlM.  S. 
S.  41tJl|  -  41)  B  Husch,  Vorz.  d.  KOlnor  Inkiinabolu  in  d.  Gros.shorzgl.  Hofbibl.  tu  DannsUdt.  IV.  Mit  d.  Typen  d.  Homneh 
Qucntellschen  Ofliziu  gedruckte  Werke:  ClilBibl.  8,  S.  30-48.  -  42)  O  X  M.  Pelloohet,  C.UIoguo  de«  incunablo^  et  do* 
livros  iinrrimfs  de  1500  ,\  1520  do  la  bibliotbdque  de  Versailles.  Pari»,  PicanL  -  43)  O  X  M-  Roura.  «j^""'»  *^  '»* 
iiicunables,  nue  posee  la  Hibliotoca  publica  do  Mahon.  Palma,  escuela  lipogr.  provinclal.  1890.  XXX.  1^4  8.  -  **>  ^»'»'^'-  "' 
S  400/2  -  45)  O  X  II.  Houchot,  Les  livres  i  vignetles  du  XV.  »u  XVllI.  sii^clo.  Paris.  Roureyre  »!^-  »«  ».  - 
46)  O  X  i<l,  Los  livres  -X  vignettos  du  XIX.  «iöclo.  Paris,  Kouvoyro.  18«.  104  S.  -  47)  X  A.  Ein  sie.  D.  P^Pk-  ^»"♦* 
alter  u.ueucr  Zeit.  Vortr.,  gob.  am  20.  Febr.  18«!  in  d.  Monats-Versan,ml.  d.  Allertums-y..re,ns  .n  W'-m  ^  .en.  KöhUr.  4«- 
lOS.-  48)  .1.  1! er t hold,  Bibliogr.  Beitrr.  z.  Frage  Über  d.  Entwicklung  d.  lOOj.  Kalender«:  CBWB.bl.  8  >.  89-1». 
iVgl.  JllL.    IS'.tü    U  5  :  35.)    -    49)  U.  Hodmcr,    1).  älteste  ZUrioher  Zeitung:      Zllrchorrb.  NF.  14,    .-    I..1     .!■  wi  J- 


I  4:  5i-52a.  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  70 

ortes  mit  besonders  häufigen  Berichten  vertreten  sein  wird.  Der  Druckort  wird  den- 
jenigen Plätzen  am  nächsten  liegen,  deren  Berichte  das  jüngste  Datum  tragen.  Dieses 
haben  nun  Korrespondenzen  vom  Oberrhein,  Bodensee  und  axis  der  Schweiz;  während 
aber  deutsche  Zeitungen  häufig  Nachrichten  „Auss  der  Schweitz"  bringen,  fehlen  solche 
Ueberschriften  in  unserer  Zeitung  ganz.  Die  Schweizer  Herkunft  ist  damit  wahr- 
scheinlich gemacht  und  wird  erwiesen  durch  die  Bemerkung  in  N.  XIII,  v.  J.  1635: 
„Diese  Wochen  sind  keine  Brieff  auss  Teutschland  eynkommen".  Unter  den  schweize- 
rischen Städten,  von  denen  nur  noch  Basel,  Bern  und  Schaffhausen  in  Betracht  kommen 
könnten,  wird  Zürich  als  Druckort  dadui-ch  festgelegt,  dass  die  vier  verschiedenen  Journale 
des  einen  Sammelbandes  sich  als  Redaktionsexemplare  enthüllen,  aus  denen  unsere 
Zeitung  zurechtgeschnitten  wurde,  und  die  zum  Teil,  wohl  als  Postadresse,  die  Auf- 
schrift „Zürch"  tragen.  Durch  Vergleichung  von  Typen,  Verzierungen  usw.  würd  endlich 
die  Bodmersche  Druckerei  als  die  Geburtsstätte  der  Zeitung  nachgewiesen.  Eine  will- 
kommene Bestätigung  für  die  Richtigkeit  der  Beweisführung  findet  sich,  w^eini  auch 
erst  aus  dem  Jahre  1666,  in  einem  Ratsbeschlusse  von  Zürich,  worin  dem  Michael 
Schaufelberger  die  Herausgabe  einer  Zeitung  untersagt  und  verfügt  wird,  es  möge  bei 
der  ,,Ordinari  Wochen  Zeitung,  welche  die  Zythen  vnnd  Jahr  hero"  in  der  Bodmerschen 
Druckerei  herauskomme,  sein  Bewenden  haben.  Ich  bin  bei  B.s  Aufsatz  etwas  ausführ- 
licher geworden,  weil  die  Beweisführung  mir  nicht  nur  vollkommen  gelungen  erscheint, 
sondern  auch  zugleich  als  Vorbild  für  methodische  Untersuchung  des  ältesten  Zeitungs- 
wesens gelten  darf.  —  Auf  eine  Apregung  hin,  die  von  der  Ausstellung  hessischer 
Zeitungen  im  Jahre  1890  in  Marburg  ausging,  verfolgt  Nebelthau^o)  die  Spuren  noch 
unbekannter  hessischer  Zeitungen  und  kann  20  feststellen,  von  denen  entweder  nur 
noch  einzelne  Nummern  oder  gar  nichts  mehr  als  der  Name  auf  iins  gekommen  ist. 
Die  älteste  von  ihnen,  die  zugleich  eine  der  ältesten  deutschen  Zeitungen  überhaupt  sein 
würde,  der  „Fuldaische  Postreuter"  (angeblich  1618 — 1629)  weist  N.  wohl  mit  Recht  ins 
Reich  der  Fabel.  — 

Eine  wichtige  Arbeit  liegt  auf  dem  Gebiete  der  Bücherverzeichnisse  vor. 
Keysser^i)  giebt  in  den  Veröffentlichungen  der  Kölner  Stadtbibliothek  Vorarbeiten  zu 
einer  rheinischen  Bibliographie,  die  ein  möglichst  vollständiger,  zuverlässiger  und 
praktisch  brauchbarer  Führer  durch  das  gesamte  Gebiet  der  rheinischen  Litteratur  werden 
soll  und,  wenn  sie  im  Sinne  K.s  zur  Vollendung  gelangt,  eine  Musterbibliographie  zu 
werden  verspricht.  Neben  einem  solchen  Plane  enthält  die  Schrift  ein  Verzeichnis  der 
älteren  rheinischen  Bibliographien  und  eine  Zusammenstellung  der  für  andere  deutsche 
Gebiete  in  neuerer  Zeit  herausgekommenen  Litteraturübersichten.  —  Erwähnt  möge  hier 
auch  eine  andere,  von  der  rühi'igen  Verwaltung  derselben  Bibliothek  ins  Leben  gerufene 
Veröffentlichung  werden,  die  Herausgabe  ihrer  Zugangsverzeichnisse  ^^^)^  die  allmonatlich 
die  Eingänge  in  bibliographischer  Genauigkeit  aufführen  und,  einseitig  gedruckt,  zum 
Einkleben  in  Kataloge  verwendet  werden  können.  —  Mit  dem  Betriebe  der  Bibliographie 
im  deutschen  Buchhandel  höchst  unzufrieden  äussert  sich  C.  Georg  ^~)^  dem  man  ein  sach- 
verständiges Urteil  nicht  absprechen  kann.  Der  Kernpunkt  der  Frage  für  die  wissen- 
schaftlichen Kreise  liegt  in  der  Enthüllung  der  schon  oft  von  jedem  mit  bibliographi- 
schen Feststellungen  beschäftigten  lebhaft  empfundenen  Lückenhaftigkeit  der  grund- 
legenden Buchhändlerbibliographie  von  Hinrichs.  Dass  aber  diese  Lückenhaftigkeit  so 
gross  ist,  dass  beispielsweise  Heinsius  über  einen  Zeitraum  von  4  Jahren  eine  Nachlese 
von  8000  Titeln  geben,  oder  dass  G.  selbst  aus  den  Buchhändlerrundschreiben  in  einem 
Jahre  allein  zum  Buchstaben  B  fast  100  Titel  nachtragen  konnte,  die  bei  Hinrichs 
fehlen,  hätte  man  doch  nicht  erwartet.  Zur  Vermeidung  solcher  Uebelstände  sclilägt 
G.  die  Einrichtung  eines  deutschen  Buchamtes  beim  Börsenverein  vor,  der  von  Amts- 
wegen eine  offizielle  Bibliographie  herausgeben  soU,  und  liefert  zugleich  durch  eigene 
Erfahrung  erprobte  praktische  Winke  für  die  Anlage  der  Verzeichnisse.  Ich  möchte 
jedoch,  um  den  Laien  vor  falschen  Schlüssen  zu  bewahren,  den  Hinweis  auf  diese 
Kritik  unserer  Bucliliändlerbibliographien  nicht  ohne  die  Erklärung  lassen,  dass,  was 
Vollständigkeit,  Vielseitigkeit  und  Pünktlichkeit  des  Erscheinens  sowie  Genauigkeit  im 
einzelnen  anlangt,  unsere  Bibliographien  noch  immer  den  ersten  Rang  behaupten.  Trotz 
den  von  G.  gerügten  Mängeln  ihrer  Anlage  kann  man  sich  in  keiner  anderen  Litteratur 
so  rascli  und  wohl  auch  zuverlässig  über  die  neuesten  Erscheinungen  unterrichten  wie 
in  der  inisrigen.  —  In  erster  Linie  kommen  dafür  in  Betracht  das  Buchhändlerbörsen- 
blatt 5-a)  mit  seinen  täglich  erscheinenden  Listen  und  dem  aus  ihnen  zusammengestellten 


Nubeltliau,  ilussiäcbe  Zeitungen:  Hessenland  5,  S.  228—80.  —  51)  A.  Keysser,  Z.  gesch.  u.  landeskundl.  Bibliogr.  d. 
Klii^iiiprovinz.  (=  Veröffentlichungen  d.  Stadtbibl.  in  Köln.  Heft  4.)  Köln ,  Du  Wont-Sehauberg.  VI,  46  S.  M.  1,60.  — 
51a)  .Stadtbibliotliek  in  Köln.  Zugaugsverzeicliuisso.  1.  Bd.  N.  1  —  6:  Okt.  18U0  bis  Milrz  1891.  Köln,  Du  Mout-Scbauborg. 
IV,  lOö  S.  (2.  lid  N  7-12:  Ai.ril-Seiit.  1891.  ebda.  1892.  76  S.)  —  52)  C.  Georg,  ü.  dtsch.  Buoharat.  Vorschläge  z. 
Neugestaltung  d.  dtscL  Bibliogr.  Her.  auf  Veranlassung  d.  Buchhändler-Verbandes  Hannover-Braunschweig.  Uannover, 
Cnise.      14  S.    M.ü.ao.    —    52a)    Lörsenblatt  fttr  d.    tltstU.    Buchhandel    u.    d.    verwandten   GoschUftszweige.    Jjlhrl  ch   4  Bde. 


71  K.  Kochendftrffer,  Schrift-  uiul  BuchwuMou.  I  4:  ssb-M. 

nioiiatlichoii  Vorztiicluiis^-'»),  sodaiui  tlio  wöcliüiitlichüii,  inoiiatlicheii,  viorteljäiirliclien, 
luill»jitln]i(li(!ii  und  fViiiCjäliri^on  IJihlio^rapliion  der  Buchluiiidlung  von  J.  C.  HinricIiH*^*^«), 
(Idiioii  sicli  'Mir  ei-l'rüuliclioii  Kontrollo  nnd  Ergünzung  anHclilicHKon  die  vier  Jahre  uinfattKonden 
HiUhor-Lüxica  von  HüinsiuHf'^)  und  Kay« or"^»).  —  Auch  für  die  nicht  in  diese  JJihlio- 
jXiapliicn  auff^oiiouiinonon  Universität«-  und  Schulschriften  Imhon  wir  nehon  den  von  der 
licrliiior  Kgl.  Jiihliotliok  offiziell  jährlich  horausgogobenon  Katalogen  (1890  1  4 :  7.'»  ♦>) 
durch  (Ion  Buclii»iiii(llor  Cr.  Fock'^)  eine  recht  gute  und  brauchharo  monatliciie 
ITohorsicht  die  nacii  dun  einzelnen  Fächern  geordnet  ist;  für  den  vollständigen  Jahrgang 
wird  ein  Autorenverzeichniss  und  eine  Statistik  der  aufgenouunenen  Schriften  g«- 
liofert.  —  Gemeinsam  mit  Ost  hat  C.  Georg  das  handliche  und  l)equeme  Vad«5inecuiii 
von  Otlniior'»")  in  4.  Auflage  hoarheitet.  Der  verstorbene  Vf.  sowohl  als  die  Heraus- 
<i:i\\)QV  vurdionon  dtsn  Dank  des  Litteraturfreundes  für  diesen  praktischen  Führer,  der 
auch  die  ausländische  scluinwissenschaftlicho  Litteratur  berücksichtigt,  soweit  sie  in 
deutscher  Uobersetzung  vorliegt.  Bei  der  Sorgfalt  der  Nachträge  lallt  es  auf,  dass  die 
Bibliothek  des  Stuttgarter  litterarischen  Vereins  nur  bis  1H77  fortgeführt  ist.  —  Den 
litterarischon  Bedürfnissen  eines  grösseren  Publikums  kommt  W.  Koch^*)  entgegen 
durcii  eine  Zusammenstellung  guter  Bücher,  die  er  mit  zurechtweisenden  Anmerkungen 
versehen  hat.  "«b-vj)  — 

Längere  Serien  von  Zeitschriften  durch  ein  Register  nutzbar  zu  machen,  ist 
gerade  kein  erfreuliches,  aber  ein  dankbar  anzuerkennendes  Geschäft,  Neben  dem  Oeneral- 
register  zum  GoethcJb.  (a.  ..u.  IV,  lOa)  darf  bei  der  Fülle  von  Aufsätzen  und  Be- 
sprcciiUMgen,  welche  die  ZOG.  zur  neuern  Litteratur  enthält,  lobend  des  Repertoriums 
von  Stcjskal  ^'<^)  gedacht  werden,  das  in  systematischer  Anordnung  sämmtlicho  Artikel 
und  Referate  der  ersten  40  Jahrgänge  dieser  Zeitschrift  musterhaft  verzeichnet.  —  Der 
Auti(piar  Aksel  Josephson  öi-u^)^  den  Bibliogra[)hen  bekainit  durch  sein  systematisches 
Verzeichnis  zu  den  „Acta  societatis  scientiarum  Upsaliensis"  und  durch  seine  anti- 
quarischen Mitteilungen,  beginnt  mit  einem  Index  der  in  schwedischen  Zeitschnfton, 
mit  Ausnahme  der  medizinischen  und  naturwissenschaftlichen,  erschienenen  Abhand- 
lungen. Die  Anordnung  ist  alphabetisch  nach  realen  Stichwörtern,  wie  in  unsenn 
Schlagwortkatalog.  *»■*)  — 

Dziatzko^ö)  giebt  eine  alles  Wesentliche  heraushebende  Ueberdicht  über 
Bibliotheken  im  allgemeinen,  ihre  Einteilung  nach  Besitzverhältnissen  und  Auf- 
gaben, über  den  gegenwärtigen  Stand  der  öffentlichen  Bibliotheken  in  Deutachland  und 
andern  Ländern  sowie  über  den  in  den  einzelnen  Staaten  bestehenden  PHichtexemplar- 
zwang.  —  Bedeutung  und  Aufgabe  der  Bibliotheken  bespricht  Ruepprecht '^j,  indem 
er  ein  Bild  von  dem  Umfang  einzelner  besonders  bekannter    Bibliotheken  entwirft    und 


Leipzig,  Dtsch.  liuchliilntllorliaus.  —  52b)  Mouatl.  Verzeichnis  d.  Neuigkoitcii  u.  Korlsi'tziiiif;uii  d.  dt.s<-li.  Üiiclihandcil.s. 
Beilage  z.  IWrseiiblatt  fllr  d.  dtscli.  «ticiiliaiulel.  18'J2.  Leipzig,  Dlscli.  ItucbhHiidlerhaus.  M4  S.  —  53a)  Allg.-iiioin.« 
Bihliiigrapliiu  lllr  Deutsclilaud.  Wücliontliclies  Vorzeiclinis  der  ([18U3:]  cräcliioiienen  u.  d.  vorbereiteten)  Neuigkeiten  d. 
dtscli.  Buchhandels.  Nach  Wissonschaftou  geordnet.  Jiihrlich  52  Niimnicrn  (je  *l-t  —  'i  Bogen).  Leipzig,  Hinriohs.  M.  7,j0. 
-  53b)  Jlonatlicbe  Uebersicht  d.  bedeutenderou  Erscb<-inuugen  d.  dUch.  Buchhundeis.  Nach  WisücnsclLifloD  geordnet. 
Jährlich  13  Nuininnni  vom  1(5  Seiten.  Leipzig,  Ilinridis.  M.  1,50.  —  53c)  Vierteljahrs-Katalog  d.  Neuigkeit<>n  d.  dlsrli. 
Buchhandels.  Nach  d.  Wissenschafton  geordnet.  Mit  1  alph.  Kegistcrn.  47.  Jahrg.  Leipzig,  llinrichs.  XL,  70:t  S.  M.  5,75. 
—  53d)  Verzeichnis  d.  im  dtsch.  Buchhandel  neu  erschieneneu  u.  neu  uuCgelegten  BUcher,  Landkarten,  Z»8.  etc.  Mit 
Augabo  d.  Formate,  Seitenzahlen,  Verleger,  Preise,  mit  litt.  Nachweisungen,  wissenschaftl.  Uebersicht  u.  Stichworl-R«<giiiter. 
(=  llalbjahrskalalog  188.,  189.  Forts.  18'.)2  Bd.  1,  2.)  Leipzig,  llinrichs.  207*,  62Ü  u.  23<J*,  772  S.  M.  ll.UO.  —  53e)  Hinrich« 
Fllnfjahriger  Katalog  d.  im  dtsch.  Buchhandel  orsch.  Blicher,  Zss.,  LandkarU<n  etc.  Bd.  8.  1880-9Ü.  Bearb.  v.  K.  lUupi 
u.  H.  Weise.     (1.  T.  Text  d.  Katalogs.     2.    T.    Sachregister.)     Leipzig,  Hinrieha.     18112.     40.     VII,  104«,  274  S.      M.  00,00.  - 

54)  \V.  Heinsius,  Allgeiu.  Bllcher-Lexikon  od.  vollst,  alphab.  Vorz.  aller  v.  1700  erschien.  BBcher,  welelio  in  I)eat«rli- 
laud  u.  in  d.  durch  Spniche  u.  Litt,  damit  verwandten  LUiidorn  gedruckt  worden  sind.  Bd.  LS.  1885—88.  Her.  r.  K.  Bol- 
hoevener.  Leipzig,  Brockhaus.  4"  Abt.  1.  mi  S.;  Abt.  2.1033  S.  M.  72.  80.  —  54«)  Ob.  IJ.  Kay  sor.  VolUtlndige«  Bacher- 
Lexikon  25.  2t!.    1887— '.tO.    Bearb.  v.  0.  Wetzel.    Leipzig,  VVeigels  Nachf.  (0.  H.  Tauchnit»).     1".    7«2,  8»j7  S.     M.  65.00.  — 

55)  Bihliogr.  Mouat.sbericlit  Über  neu  erschienene  Schul-  u.  l'niversitUt.sschrifteu  (Dissertationen.  —  Progrjmmabb.  —  llahilit. 
Schriften  etc.)  Unter  Klitwirkung  mehr.  Universitatübehörden  her.  v.  d.  Centralstrilo  f.  Disi^crtalionon  u.  rrogranimo  t.  (J. 
Fock.  2.  .Ig.  Ocl.  18".»0-Sept  91.  Leipzig,  Kock.  (IV.)  144  S.  M.  2,00.  —  56)  0.  Othmcr.  Vadomecum  d.  LilL-Kreundes. 
Zasammenslellung  d.  wissenswUrdig.Hten  Erscheinungen  auf  d.  Ciehiete  d.  schOnwissenscbaftlichen  Litt.  4.  Aull.  Bearb.  von 
C.  Georg  u.  L.  Ost.  Hannover  u.  Leipzig,  Ost.  003  S.  M.  10,00.  —  56a)  W.  Koch,  E.  Auswahl  guter,  mt-ist  gcbuudeni-r 
vornehmlich  zu  Geschenken  geeigneter  Bücher.  YervollatUndigt  dnrch  bewahrte,  für  d.  praktische  Leben  vorfassto  Schriften. 
Königsberg,  Koch.  104  S,  iLAItprMschr.  28,  S.  051. )i  —  S6b)  O  X  E.  B.  Sargant  and  Wbisbaw.  A  guidp 
to  books.  New-York,  Jlacmillan  &  Co.  344  S.  —  57)  Q  X  C.  F.  Kichardson,  Tho  choico  of  books.  Sew-York,  Unit««! 
States  Book  Co.  208  S.  —  58)  X  L.  Herold,  JugcudlektUre  u.  SchBler-Bibliothoken  unter  Berflcksichtigang  d.  Zeitrorhllt- 
nis.se.  Mit  Auswahl  u.  Inbaltsangabo  guter  Jugendschril'ton  u.  e.  Vorwort  r.  L.  Kellner.  KUnster,  Scböningk.  14C  S. 
M.  1.20.  —  59)  X  Verzeichnis  v.  Jugendschriften,  welche  fUr  Schiller-Bibliotheken  u.  Volks-  u.  BOrgerscbulen  ab  gMignet 
anerkannt  wurden.  Wien,  Sallmayer.  12  S.  M.  0,30.  —  60)  K.  Stejskal,  Kepertoriura  ttbcr  d.  er<it«a  40  Jahrgtage  a.  4. 
Supplementheft  d.  37.  Jahrgangs  d.  ZOG.  v.  18.'>0-89.  Wien,  Gerold.  XV,  538  3.  U.  8,00.  —  61)  AksolG.  S.  Josephsoa, 
Catalogue  mcthodii|ue  des  Acta  et  Nova  Acta  Rogiao  socictatis  scientiarum  Upsaliensis  1744  — I8S9.  Upsala,  Josephson.  1889. 
40.  33  S.  Kr.  1.  —  62)  id..  Meddelanden  frau  Josophsons  Antikvariat.  Tidskrift  i  UiMiot(rafi.  1890.  N.  1—5.  Upsala 
1890/1.  120  S.  —  63)  id.,  Bibliogralisk  Üfversikt  af  Svensk  periodi'sk  Literatur.  (=  Sirtryck  ar  .Svensk  Tidskrifl  19»l). 
1891  :  1.  Upsalii,  Alm^uist  k  Wiksell.  21  S.  —  64)  O  X  F.  N  iset.  Projet  d'un  Catalogue  ideologique  (Kealkatalog)  des 
P'^riodiques.  Brux»>lle>i.  Vanbuggenhoudt,  —  65)  K.  Dziattko,  Bibliotheken.  Abdruck  ans  d.  Handwörterbuch  d.  Staat-«- 
wi>seuschafteu.  Bd.  1.    Jena,  G.  Fischer.  S.    542/9.   —   66)  Oh.  Uuepprecht,  Bedeutung   o.  Aufgabe  d.  Uibliotbekeu :  AZg" 


I  4:  7-73.  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Biichwesen.  72 

daran  eine  Schilderung  der  bibliothekarischen  Thätigkeit  anschliesst.  — Ruepprecht  6'') 
belehrt  auch  über  den  Unterschied  zwischen  Central-  und  Fachbibliotheken  und  ihre 
dadurch  bedingte  Verschiedenheit  bei  Erwerbung,  Katalogisierung  und  Benutzung.  — 
Ueber  zwei  besonders  hervortretende  Missstände  unserer  Universitätsbibliotheken  klagt 
A.  SchröerßS)^  nämlich  über  die  Unzugänglichkeit  und  Erschwerung  der  Benutzung 
und  über  die  Unzulänglichkeit  ihrer  Mittel.  Während  man  ihm  letzteres  unbedenklich 
zugeben  wird,  da  auch  die  bestdotierte  Bibliothek  nicht  Schritt  halten  kann  mit  der 
Produktion  in  der  Wissenschaft,  muss  die  erste  Klage  in  ihrer  allgemeinen  Fassung 
als  unbegründet  zurückgewiesen  werden.  Denn  wohl  in  der  grossen  Mehrzahl  der 
Bibliotheken  stehen  die  Kataloge  auch  den  Studierenden  zur  Verfügung,  giebt  es  Lese- 
säle mit  Handbibliotlieken  zu  freier  Benutzung.  Das  grosse  Publikum  in  die  Bücherräume 
zu  lassen,  ist  unthunlich  und  am  allerwenigsten  im  British  Museum  gestattet,  das  als 
Musterbibliothek  aufgestellt  wird.  —  Einen  sonderbaren  Vorschlag  bringt  Gröpler^^) 
zur  Diskussion.  Von  der  Ansicht  ausgehend,  dass  unsere  deutschen  Bibliotheken  erst 
etwas  Grediegenes  leisten  könnten,  wenn  sie  von  Reichs  wegen  einheitlich  dotiert  und 
organisiert  würden,  stellt  er  das  Verlangen,  dass  ein  Reichsamt  für  Bibliotheks-  und 
Archivwesen  eingesetzt  werde,  das  die  Staatsanstalten  zu  überwachen  habe.  .  Diesen 
sei  ein  Parlament  zur  Seite  zu  stellen,  zusammengesetzt  aus  sämtlichen  Bibliotheks-  und 
Archivbeamten,  und  alljährlich  nach  Berlin  zu  berufen.  Es  soll  sich  von  den  Provinzial- 
chefs  statistische  Berichte  über  alle  Einzelheiten  vorlegen  lassen,  die  es  dann  veröffent- 
licht. Schon  der  Gedanke  an  ein  solches  Parlament  und  an  die  Häufung  und  Sank- 
tionierung der  statistischen  Erhebungen,  die  sclion  jetzt  den  Bibliotheken  allzureichlich 
blühen  und  meistens  völlig  unfruchtbar  sind,  lässt  uns  nach  Durchlesung  der  G.schen 
auf  drei  Seiten  entwickelten  Vorschläge,  die  der  Vf.  bescheiden  als  „vielleicht  zu  ein- 
gehend" bezeichnet,  aufatmen  in  dem  beruhigenden  Bewusstsein,  dass  es  noch  gute 
Wege  hat  bis  zu  diesem  Ziele  der  gediegenen  Leistungen  deutscher  Bibliotheken.  — 

Einzelnen  Bibliotheken  gelten  nicht  wenige  Arbeiten.  Von  einer  deutschen 
Büchersammlung,  die  im  17.  Jh.  in  die  Universitätsbibliothek  zu  Upsala  gekommen 
ist,  stellt  P.  Wittmann '0)  ein  Verzeichnis  zusammen,  das  508  Nummern  vnnfasst,  die 
aber  nicht,  wie  er  meint,  ebensovielen  Bänden  entsprechen  können,  da  recht  viele  Werke 
nach  seiner  Angabe  aus  mehreren  Buchbinderbänden  bestehen.  Die  Verzeichnung  der 
Bücher,  bei  der  W.  von  dem  Oberbibliothekar  Annerstedt  unterstützt  wurde,  mag  richtig 
und  vollständig  sein,  es  ist  aber  ein  Mangel,  dass  W.  in  der  eine  Seite  umfassenden 
Einleitung  nicht  den  geringsten  Versuch  macht,  die  Existenz  der  Bücher  in  Upsala  zu 
erklären.  Nicht  einmal  eine  Angabe  über  das  Aeussere  der  Bücher,  woran  ihre  gemein- 
same Würzburger  Herkunft  erkannt  werden  könnte,  ist  darin  enthalten  und  erst  auf  eine 
Besprechung  des  Wüi'zburger  Oberbibliothekars  Kerler''^)  liin  nachgeliefert  worden. ''2) 
Dass  in  Upsala  Bücher  aus  dem  Besitze  des  Fürstbischofs  Julius  Echter  sich  befinden, 
war  durch  Seuffert  (AHVUnterfranken  10,  S.  206 — 63)  bekannt.  Eine  Aufklärung  wäre 
nötig  gewesen,  wie  und  wann  sie  dahin  gekommen  und  avis  welcher  Bibliothek,  ob  aus 
der  Universitätsbibliothek  oder  aus  der  Privatsammlung  des  Fürstbischofs.  Gegen 
die  Behauptung,  dass  die  verzeichneten  Bücher  den  grössten  Teil  der  ehemaligen  Würz- 
burger Universitätsbibliothek  darstellen,  hatte  K.  mit  Recht  Einspruch  erhoben,  da  W. 
den  Beweis  dafür  schuldig  geblieben  war.  Nach  W.s  Erwiderung  steht  wenigstens 
fest,  dass  die  schwedischen  Bücher  alle  einer  Sammlung  des  Fürstbischofs  Echter,  des 
Gründers  der  UniversitätsbibKothek,  entstammen;  eins  ist  durch  Inschrift  als  zvu"  Uni- 
versitätsbibliothek gehörig  erwiesen.  Auffallend  ist,  dass  bei  dem  Streite  um  die  Her- 
kunft eine  Thatsache  nicht  in  Betracht  gezogen  ist,  die  geeignet  sein  dürfte,  entweder 
die  Zeit  der  Besitznahme  oder  ihre  Herkunft  näher  zu  bestimmen  Das  jüngste  Buch 
der  Sammlung  ist  nämlich  ein  Druck  aus  dem  Jahre  1591.  Daraus  ist  mit  Sicherheit 
zu  entnehmen,  das  die  Sammlung,  wie  sie  in  Upsala  ist,  im  Jalire  1591  oder  wenigstens 
kurz  darauf  in  sich  abgeschlossen  war.  Denn  es  ist  nicht  glaubhaft  und  findet  keinerlei 
Bestätigung  durch  andere  Fälle  von  Bibliotheksplünderungen,  dass  kein  einziges  Buch 
aus  den  vier  letzten  Decennien  ihres  Bestehens  in  Wüi'zburg  mit  nach  Upsala  gekommen 
sein  sollte,  wo  von  einer  Auswahl  der  Bücher  nach  ihrem  Werte  bei  der  Bedeutungs- 
losigkeit der  meisten  nicht  die  Rede  sein  kann.  Hat  also  die  Tradition,  wek-he  die 
Ueberführung  in  die  dreissiger  Jahre  des  17.  Jh.  verlegt.  Recht,  so  gewinnt  die  An- 
nahme an  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  Sammlung  der  Universitätsbibliothek  entnommen 
sei,  der  sie  Julius  Echter  1591,  im  Jahre  der  Einweihung  der  Universitätskirche,  wo- 
durch die  Universitätsgründung  ihren  Abschluss  erhielt,  überwiesen  haben    und  wo  sie. 


N.  263,  S.  1-6.    —    67)    id.,  Central-  u.  SpecialHViliotLeken:    LZgu.  N.  89.  —  68)  A.  Scliröer,  Unsere  Bibliotheken:    FZg. 

—  69)  üröplor,  liUclieroien  mittelbarer  Fürston  u.  Grafen  Deutschlands  u.  Oestorreichs  sowie  ehemaliger  freien 
dtseh.  Reichsstildto.  2.  Aufl.  Deseau,  Leipzig,  Kahle.  42  S.  M.  1,00.  (JBL.  18',I0  I  4  :  55.)  —  70)  P.  Wittiuann, 
Würzburger  Bücher  in  d.  k.  schwed.  Univ.-Bibl.  zu  Upsala.    (Stp.-Abdr.  aus  d.  AHVUnterfranken  34.)    WUrzburg,  Stürtz.    51  S. 

-  71)  NWttrzburgZg.  N.  Dö.    —    72)  ib.  N.  lüü.    -    73)    P.  Dahlmiuiu,    1>.  ohom.  Dombibl.  zu  Münster  i.  \V.:    KBIWZ.  10 


73  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  4:  74-79. 

durch  einheitlichen  Einband  von  den  spftteren  Erwri  l»im;4t-ii  f^iisrliimlmi,  «nne  hoHondere 
Aufstellung  bekonitnrüi  haben  ktinnte.  Ob  die  andere  M()KlJchkeit,  das«  nämlich  die 
Bücher,  entfijo^on  der  '^Fradition,  srhon  im  hitzten  .lahr/.fihnt  doH  IG.  Jh.,  und  «lanu  wohl 
nicht  aus  der  Universitätsbiiiliotlujk,  nach  l'psala  j^okonnnen  seien,  etwa  im  Zusammen- 
hang mit  der  versuchten  Katholisicrun^  Schwed«;ns  durch  Kfini^  Si^ismund,  einige 
Aussicht  auf  Wahrscheinlichkeit  hat,  muss  der  Historiki'r  t«n*HCJu<iden.  —  Ueber  die 
ehemalige  D()iiil)ibH()tlu!k  z»i  Münster  btirichtiit  Jiahlmann '■*),  Standers  Notizen  in  seimim 
,,Catali)fjus  chirogiiiphorum"  S.  VIII  f.  «irweitornd  und  ergänzend.  DaHs  die  itibliothek 
schon  frühzeitig  einen  bedeutenden  Umfang  gehabt  lmf»e,  v<Tmutet  IJ.  wohl  mit  Recht. 
Ob  aber  (hifür  auch  die  im  Jahre  13(52  erfolgt«)  Ueber\^'eiHung  einer  Pfrüntio  an  den 
Custos  bibliüthecao  angeführt  werden  kann,  ist  doch  zweifelhaft,  da  rebertragung  und 
Grösse  einer  Pfründe  noch  nicht  eine  gesttiigerte  Thatigkeit  zur  Voraussetzung  zu  halxm 
pflegt.  Die  ganze  Bibliothek  ging  im  Anfang  des  1(5.  Jh.  zu  (4nuide,  teils  durch 
eine- Feuersbrunst  im  Jahre  1527,  teils  durch  den  Fanatismus  der  Wiedertäufer  1534. 
Den  Grundstock  der  neuen  Dond)ibliothek,  die  mit  der  l'niversität.s-  und  Gymnsisial- 
bibliothek  im  Jahre  1HÜ2  zu  der  heutigen  Paulinischen  Bibliothek  vereinigt  wurde, 
bildete  die  bedeutende  Schenkung  des  Dechanten  CM)(tfried  von  RaesfeM  158(5,  dtTen 
Verzeichnis  in  der  Paulina  aufbewahrt  ist.  —  Zur  Vorg(!Schichte  der  Ueberfühnnig  der 
Palatina  nach  Rom  gehört  ein  Bi'ief,  den  Erdmannsdörffer '■♦)  veröti'entlicht.  Der 
Herzog  von  Bouillon,  Henri  de  la  Tour  d'Auvergne,  ein  Hugenotte  und  Freun<l  des 
Kurfürsten  von  der  Pfalz,  der  an  seinem  Hofe  mehrere  .lahre  seiner  .lugend  verlebt 
hatte,  erbietet  sich  in  einem  Schreiben  an  Kanzler  und  Räte  in  Hei«lelberg  vom 
11.  Februar  1622,  die  kostbarsten  Hss.  der  Palatina  während  der  Zeit  tier  Kriegswirren 
in  seiner  Festung  Sedan  sicher  unterzubringen.  Wäre,  der  Kanzler  auf  diesen  Vorschlag 
eingegangen,  so  würde  vermutlich  die  kostbare  Sammhnig  der  Pfalz  erhalten  gi;blieben 
sein.  —  Einen  Brief  des  Kardinals  Leo  AUatius  vom  8.  Febr.  1(523  an  den  Nuntius  in 
Brüssel  und  Erzbischof  i.  p.  von  Patras,  wo  von  der  beabsichtigten  Fortschaffung 
der  Heidelberger  Schätze  gesprochen  wird,  teilt  Omont^-'')  mit.  —  Brambach'*^ 
berichtet  über  die  Entstehung  und  Vermehrung  der  Handschriftensammhuig  der  Hof- 
und  Laiidesbibliothek  in  Karlsruhe.  Sie  besteht  aus  zwei  Abteilungen.  Die  erste  ent- 
hält die  Hss.,  welche  die  IMarkgrafen  und  Grossherzoge  von  Baden  uimiittelbar  für  ihre 
Bibliotlieken  in-  Pforzheim,  Durlach,  Basel,  Rastatt  und  Karlsruhe  erworben  haben.  Die 
früheste  Nachricht  einer  markgräHich  badischen  Bibliothek  findet  sich  in  des  Johannes 
Oecolampadius  Ausgabe  des  Cyrillus  vom  Jahre  152H,  wo  der  testamentarischevi  Schenkiujg 
der  Bibliothek  Reuchlins  gedacht  ist.  Sie  befand  sich  in  der  Michaidskirche  in  Pforz- 
heim, von  wo  sie  später  nach  Durlach,  Basel  und  Karlsruhe  kam.  Die  mainiigfaltigen 
Zeugnisse  über  die  Schicksale  des  Reuchlinschen  Büchei'schatzes  stellt  B.  übereichtlich 
nach  der  Zeitfolge  zusammen.  Die  zweite  Abteilung  ist  aus  22  verschiedenen  Sanun- 
lungeu  geistlicher  und  weltlicher  Herrschaften  zusannuengeflossen,  die  von  B.  nnt 
der  Zahl  ihrer  Hss.  aufgezählt  werden.  Den  hervorragendsten  Platz  darunter  nimmt 
natürlich  die  Bibliothek  des  Benediktinerklosters  Reichenau  ein,  deren  Geschichte  B. 
ausführlicher  behandelt.  —  Eine  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  Hand.schriften- 
sammlung  der  Königlichen  öiFentlichen  Bil)liothek  in  Stuttgart  giebt  von  Heyd^'j. 
Die  ganze  Bibliothek  ist  eine  junge  Gründung.  Ei-st  Karl  Eugen  fühlte  das  Bedürfnis, 
eine  grosse  Bibliothek  zu  schatten,  und  rief  sie  vermittelst  Stiftungobriefes  vom 
11.  Febr.  17G5  ins  Leben.  Seinem  überaus  regen  Sammeleifer,  der  sich  mit  Erfolg 
einer  Reihe  von  in-  und  ausländischen  Gelelu'ten  als  Ratgeber  bei  Ankäiifen  usw. 
bediente  und  keine  Kosten  scheiite,  ist  es  zu  verdaidven,  dass  in  Stuttgart  eine  Bibho- 
thek  entstand,  die  auch  in  Bezug  auf  Hss.  eine  hervorragende  Stellung  ciinnnnnt.  Die 
bedeutendste  Bereicherung  der  Art  erhielt  sie  nach  Karl  Eugens  Tode  durch  die  Aullösung 
der  Klöster  und  ritterschaftlichen  Gebiete,  wobei  nur  zu  bedauern  bleibt^  diuss  ein  wert- 
voller Teil  der  Hss.  an  die  von  König  Friedrich  neu  gegründete  Handbibliothek  abge- 
geben werden  musste,  was  ihre  Bemitzung  bisher  unnötig  erschwerte.  —  Die  Grün<lung 
der  neuen  Strassburger  Universitäts-Bibliothek  und  ihre  erfreuliche  Entwicklung  während 
der  ersten  zwanzig  Jahre  ihres  Bestehens  ist  von  Klatte""^)  dargestellt  worden,  — 
Heuser'**)  zeichnet  hauptsächlich  auf  Grundlage  der  Univei-sitätsakten  die  Geschichte 
der  Universitätsbibliothek  in  Giessen.  Gleich  der  Universität  ist  sie  eine  Gründung 
des  Landgrafen  Ludwig  V.  aus  dem  Anfange  des  17.  Jh.  luid  hat  mit  jener  die  Ueber- 


S.  8t/9,    114—22.    -    74)   B.  Erdman  iis  dörf  fer,  Z.  Oesch.  d.  Heidolberger  BibliotIie«m  Palatina:   NHJbb.  1.  S.  349-51.  - 

75)  H.  Omont,  Lettrede  Leone  AUaeio  relative  au  trnnsiiort  ^  Koine  de  I»  bibliolhdquo  de  Heidclb«>rg:  CBlBibl.  8,  S.  1234.  — 

76)  1).  Hss.  d.  grossherzo^l.  lüid.  Hof-  u.  LaiidesbibL  in  Karlsruhe.  1.  Gosoh.  u.  Bestand  d.  SamralunK  t.  W.  Br»mb«ch. 
Kiirlsriihe,  (Iroos.  111,  25  S.  M.  1,00.  —  77)  W.  v.  Heyd,  I).  bist.  Hss.  d.  Kgl.  Off.'nU.  Bibl.  xu  SinttRart.  Bd.  1.  2. 
(.=  1).  llss.  d.  kgl.  öftentl.  Itil.l.  zu  Stuttgart  1.  Abt.  D.  bist.  Hss.  Bd.  1.  2.)  Stuttgart,  Kohlhammer  1889-90.  0891)  XV, 
3J6  S.  M.  25,00.  —  78)  A.  Klatte,  Nach  iwaniig  Jahren.  E.  Uedenkblatt  t.  Gesch.  d.  kaiserl.  Unir.-  n.  IjindesbiM.  in 
Stnissburg.    S.-A.  aus  d.  Strassburgl'ost.  Strassburg  i.  E.,  Heinrich.  18U0.  20  S.    M.  0.40.  —  79)  E.  Heuser,  Beilrr.  «.  Uesch. 


I  4:  80-89.  K.  Kochen  clor  ff  er,  Schilift-  iind  Buchwesen.  74 

Siedlung  nach  Marburg  und  im  Jahre  1650  die  Rückreise  Jiach  Giessen  durchgemacht. 
Von  einem  alten  Grundstocke  der  Sammlung  ist  demnach  nicht  die  Rede;  noch  1727 
kann  der  Bibliothekar  Arnoldi  nur  von  wenigen  alten  Hss.  berichten.  Ihr  Hauptbesitz 
an  solchen  und  an  Inkunabeln  rührt  her  aus  der  1771  von  der  Markuskirche  zu  Butz- 
bach nach  Giessen  geschafften  Büchersammlung  und  besonders  aus  der  im  Jahre  1800 
der  Universität  vermachten,  aber  erst  1837  mit  der  Universitätsbibliotkek  vereinigten 
Bibliothek  des  Frhrn.  Renatus  Carl  von  Senckenberg.  Wie  eine  Bibliothek  Jahrhunderte 
lang  in  Folge  mangelhafter  Mittel  und  der  Bequemlichkeit  der  mit  ihrer  Leitung  be- 
trauten Professoren  verwildern  kaini,  ist  aus  der  Geschichte  der  Giessener  Sammlung 
zu  lernen.  —  Die  Hauptergebnisse  der  Schrift  von  Heuser  hat  Nick^o)  in  seiner  Be- 
sprechung derselben  zusammengestellt  und  dazu  eine  Reihe  dankenswerter  Berichtigungen 
gegeben.  —  Zwenger^i)  erzälilt  die  Geschichte  der  Fuldaer  Landesbibliotliek  (nicht 
jener  älteren,  weitberühmten  Sammlung,  die  im  16.  Jh.  von  der  Bildliäche  verschwand) 
von  ilirer  Gründung  durch  den  Fürstbischof  Heinrich  VIII.  von  Bibra  bis  zur  Zeit  des 
Fürstprimas,  und  zwar  nach  den  Aufzeichnungen  ilires  ersten  Bibliothekars,  des  ge- 
lehi'ten  Petrus  Böhm.  Die  Bibliothek  hatte  keine  ruhige,  friedliche  Jugend;  teilte  sie 
doch  mit  dem  ganzen  Lande  das  Schicksal,  biiuien  wenigen  Jahrzehnten  fünf  ver- 
schiedenen Regierungen  unterstellt  zu  sein.  Ein  Glück  für  sie,  dass  während  dieser 
ganzen  Zeit  ihr  erster  Bibliotliekar  (f  1822)  an  ihrer  Spitze  stand,  wodurch  doch 
mancher  sonst  unvermeidliche  Schaden  abgewendet  wiu'de.  Der  grösste  Teil  der  Hss. 
inid  Inkunabeln,  die  heute  Eigentum  der  Bibliothek  sind,  stammt  aus  dem  Kloster 
Weingarten,  aus  dem  sie  unter  der  oranisclien  Regierung  nacli  Fulda  kamen.  —  Ihr 
kostbarster  Besitz,  die  drei  berühmten  Codices  Bonifatiani,  gehörte  zum  Domschatz. 
Uinen  wädmet  vonKeitz^S)  eine  Besclu-eibung.  - — Einem  Bericht  über  die  Erwerbungen 
der  Murhardschen  Stadtbibliotliek  in  Kassel  *^^)  ist  die  erfreuliche  Tliatsache  zu  ent- 
nehmen, dass  sich  diese  Sammlung  unter  ihrem  Bibliothekar  Uhlworm  besonders  auf 
dem  Gebiete  der  Orts-  und  Landesgeschichte  energisch  vergrössert.  Die  zahlreichen 
und  wertvollen  Zuwendungen  von  Sammlungen  hessischer  Gegenstände  und  Erinnerungen 
lassen  das  Bestreben  erkennen,  die  Bibliothek  zugleich  zu  einer  Art  liessischen  Landes- 
musenms  zu  machen.  —  In  der  Stadt  Aachen  lässt  sich,  wie  Fromm  s^)  in  einem  Vortrag 
entwickelt,  im  Mittelalter  keinerlei  grössere  Büchersammkuig  nachweisen,  wenn  man  von 
der  Palastbibliothek  Karls  des  Grossen,  von  der  Einhard  bericlitet,  absehen  will.  Erst 
seit  der  Mitte  des  18.  Jh.  ist  eine  grössere  Büchersammlung  nachweisbar,  die  aber 
ausschliesslich  Handbibliothek  des  Rates  war.  Eine  öffentliche  Bibliothek  erhielt  Aachen 
erst  durch  die  testamentarisclie  Schenkung  der  aus  20000  Bänden  bestehenden  Bibliothek 
des  Stadtrates  P.  J.  F.  Dauzenberg  und  die  Vereinigung  dieser  mit  den  Resten  jener  Rats- 
bibliothek. Hauptsächlich  durch  ähnliehe  Zuwendungen  ist  die  Sammlung  allmählich 
bis  auf  80000  Bände  angewachsen.  —  Eine  der  jüngsten  öffentlichen  Bibliotheken  ist 
die  Freiherrlich  Carl  von  Rothschildsche  öffentliche  Bibliothek,  die  im  Jahre  1887  von 
dem  Freifräulein  Louise  von  Rothschild  in  Fraid\furt  a.  M.  gestiftet  wurde.  Ueber  die 
Gründung  und  die  ersten  Jahre  ihrer  W^irksamkeit  berichtet  ihr  Bibliothekar  Berg- 
höffer^^^).  Die  Bibliothek,  die  zur  Zeit  der  Abfassung  des  Berichtes  gut  llOCX)  Bände 
umfasste,  soll  vor  allem  Archaeologie  und  Kunstgeschichte,  deutsche,  französische  und 
englische  Philologie,  jüdische  Theologie  und  Handelswissenschaften  pflegen^  —  Ueber 
die  k.  k.  Studienbibliothek  zvi  Klagenfurt  unterrichtet  uns  Kukula*^^).  Sie  enthält 
unter  beinahe  50000  Bänden  450  zum  Teil  hochinteressante  und  höchst  wertvolle  In- 
kunabeln und  292  Hss.,  die  zum  grössten  Teile  aus  dem  aufgehobenen  Jesuitenkloster 
Millstatt  in  Kärnthen  stammen.  —  Ferner  erhielten  wir  eine  kurze  Geschichte  der 
esthländischen  öffentlichen  Bibliothek  in  Reval,  deren  Anfänge  in  die  Mitte  des  16.  Jh. 
reichen  ^'^).  —  Das  Inventar  einer  Speierer  Klosterbibliothek  aus  dem  Anfang  des 
16.  Jh.  (367  Bde.)  teilt  Mayerhof er^^)  mit.  Leider  ist  es  kein  Katalog  der  Bticher, 
sondern  bloss  Angabe  der  Zahl  und  ihrer  Verteilung  auf  einzelne  Pulte,  woraus  wir 
wenigstens  über  die  Einrichtung  der  Bibliothek  unterrichtet  werden.  254  Bücher  liegen 
noch  an  Ketten,  was  für  jene  Zeit  gewiss  nicht  mehr  die  Regel  bildete.  — 

Von  Schulbibliotheken    nimmt  neben  "der    rühmlichst   bekannten  Zwickauer 
Ratsschulbibliothek  ^'•^)    einen  hervorragenden   Platz   die    Bibliothek    des    Friedrichsgym- 


d.  Univ.-Uibl.  Giessen.  (=  Keilielte  z.  CBlBihl.  C.)  Leipzig,  Harrassowitz.  74  S.  M.  2,80.  —  80)  0.  Nick,  D.  Grossherzo«;!. 
Üniv.-Bibl.  zu  Giessen.  S.-A.  aus  d.  QHmVHcssen.  Darmstadt,,  WitUcli.  11  S.  (Auch  DarmstädtZg.  N.  189,  191  u.  201. 
S.-A.  l.'i  S.)  —  81)  F.  Zwonger,  Z.  Goscli.  d.  Fuldaer  Laiidesl>il)l.:  llpssenland  4  (1890).  S.  320/3,  ;!38— 40;  5  (1891),  S.  6-8  u. 
23/4.  —  82)  A.  V.  Keitz,  ü.  Codices  Honifatiani  in  d.  Landesibilil.  zu  Fulda:  ib.  4  (.1890),  S.  197/8,  211/2.  -  83)  U.  Murbard- 
Hche  Stadtbibl.  in  Kas.sel  im  J.  1890/91:  ib.  5,  S.  107/9.  —  84)  E.  Fromm,  1).  Aaclieuer  SUdtbibi.  ihre  Entstellung  u.  ilire 
Entwicklung  bis  z.  üogenwart.  Vortrag.  Aachen,  Barth.  12  S.  M.  O,.^  —  85)  C  h.  W.  Berghöf  fer,  D.  Einrichtung  u. 
Verwaltung  d.  Freiherrl.  C.  v.  Rothschildschon  ötlentl.  Bibl.  w»hrend  d.  J.  1887—90.  Frankfurt  a.  M.,  Baer  &  Co.  38  S. 
3  Taf.  M.  2,00.  |tG.  Zedier:  CBlBibl.  8.  S.  513/5.]|  -  86)ß.  Kukula,  D.  k.  k.  Studienbibl.  iu  Klagenfurt:  CBlBibl.  8, 
S.  60/2.  —  87)  BKELK.  4  (1890),  S.  343  ff.  —  88)  J.  Mayerhofer,  1).  Inventar  d.  Speierer  Dominikanerklosters  v.  .1.  1525: 
MUVrfalz,  15,  S.  11— 40.  — 89)  OX  Buchwald,  U.  Bedeutung  d.  Zwickauer  Katsschulbibl.  iu  Beziehung  auf  d.   lieuutnis  d. 


75  K.   K  nfh('.iii1('>rff<ir,   Scliriff-   und  Buchwesen.  I  4.-  '.miiks, 

DaHiuras  zu  Alf;eiibur<f  mit  tuiuü'  erliuhliduju  Anziihl  alter  und  wortvoller  Drucke  ein. 
Von  275  vor  151H  erschienenen  Biiiiden  ^ieht  Geyer  *'*')  ein  Horgfaitij^e»,  auch  rlas  AeusBore 
der  Bücher  heacht(Mides  \%ir/ei<'hniH,  dein  eine  Uehernicht  der  Druckorte  un<l  Drucker 
beigefVigt  ist.  Hiiin  wie  PHn^(^r  lassen  si(-h  daraus  ergiinzen.  In  der  Einleitung  wird 
die  Geschichte;  (hn*  Biichersaiundinig  hesprochen,  «hiren  (irund.stock  aus  (huu  Barf'CiHHor- 
kloster  zu  Altcul)urg  gebildet  wurde.  Der  zum  Zwecke  d«!r  Uehernahme  lotH  ge- 
schriebene Katalog  lässt  uns  einen  urkundlichen  Kinbiifrk  thun  in  die  Pra.xis  des  Ueber- 
nahmegeachiifts,  die  zum  SchadcMi  der  Bibliothkon  zu  jenen  Zeiten  wohl  mir  zu  häufig 
gei'ibt  wurde.  Am  Schlüsse  heisat.  oh:  „Sunuuarum  aller  Ijuclusr  droy  hundert  vud  sechs 
vund  neiuidczigk.  Dauan  sein  gancz  outuchdige  buchor  autt'  pergainent  vnud  paeir 
geschribenn,  gemoiulich  gecolligirte  Sormoims  uemlich,  ein  hundert  vnd  ein  vud  secliczigk 
bucher,  -wiewol  der  andere  bucher  wenig  seindt,  die  noch  zu  gebrauchoiui  sein,  wie  die 
tittel  der  bucher  mit  bringen."  Wie  G.  gewiss  richtig  vermutet,  werden  die  Hhh.  maku- 
liert, insbesondere  der  Schere  des  Buchbinders  verfallen  sein.  Der  Katalog  ist  auch 
dadurcli  für  uns  von  Bedeutung,  dass  er  die  Bücher  nach  ihrem  Standort  auf  den 
Pulten  anführt  \uid  erwähnt,  dass  sie  „des  inehrenteil  mit  keton  an  eisern  stangen 
schlössen  sein".  G.  hat  mit  Hülfe  der  alten  Ilechnungon  ungefähr  den  Atifwand  für 
Biicherankäufe  feststellen  können,  die  bald  gleich  null,  bald  auch  wieder  ganz  beträcht- 
lich waren.  Nicht  unerwähnt  bleibe  der  Eintrag  des  Rectors  (iauder  (1<)14 — 33)  in  das 
Lexikon  des  Scapula  v.  J.  1()20:  „Lexicon  hoc  temere  sive  absentium  sive  tarde  venien- 
tium  scholae  Altenburgensis  mulcta  fuit  comparatiun.  In  eorundem  igitur  ]iub]icum 
atque  coinminiem  usinn  religiöse  asservetur."  Auch  sj)äter  wird  ein  Teil  der  Schul- 
strafen in  dieser  verständigen  Weise  verwendet.  —  Kataloge  von  Schulbibliotheker  er- 
schienen von  Bromberg,  Detmold,  Erfurt,  Frankfurt  a.  0.,  Krems,  Lissa,  Lübben, 
Weisseyfels  91-98).  _ 

Dem  Bibliophilen  Johann  August  von  Ponickau,  dessen  wertvolle  Bücher- 
sammlung mit  der  Universitätsbibliothek  Halle  verbunden  ist,  hat  Langguth'**)  ein 
Denkmal  gesetzt.  In  seinem  Aufsatze,  der  freilich  über  das  Leben  des  übermässig  be- 
scheidenen Mannes  auch  nur  wenig  Neues  zu  geben  vermag,  geschieht  auch  einer  Reihe 
von  anderen  grösseren  Bibliotheken  des  damaligen  Dresdens  Erwähnung  nach  den  Mit- 
teilungen, die  darüber  J.  A.  Lehninger  und  K.  W.  Dassdorf  gemacht  haben.  —  Eines 
andern  Büchersamnilers,  des  Altdorfer  Professors  Georg  Christoph  Schwarz,  gedenkt 
Mummenhoff  "JO).  Seine  Bibliothek,  die  gegen  12  (XX)  Bände  umfasste  und  an  Druken 
aus  der  Zeit  1500 — 1550  sehr  reich  war,  vermachte  er  der  Universitätsbibliothek  zu 
Altdorf,  mit  der  sie  später  an  die  Universitätsbibliothek  Erlangen  kam.  i^')  —  Ueber 
den  Münchei\er  Bibliothekar  Schrettinger  stellt  Bäumker^oa)  Ijebensnachrichten  zu- 
sammen, während  A.  Wetze  1 103)  3  Briefe  des  Hamburger  Bibliothekars  David  Schelhamraer 
(1679 — 1093)  an  den  Kieler  Professor  J.  D.  Major  abdruckt.  — 

Der  Entwicklung  des  Buchhandels  im  allgemeinen  widmet  Dziatzko  >*>*) 
einen  Artikel,  in  dem  er  nach  einem  Ueberblick  über  den  Buchhandel  im  Altertum  und 
Mittelalter  der  Neuzeit,  in  welcher  durch  die  Erfindung  des  Buchdrucks  ein  völliger 
Umschwung  im  Buchwesen  eingetreten  ist  und  ein  Buchhandel  im  modernen  Sinne 
überhaupt  erst  sich  gestalten  konnte,  eine  ausführlichere,  alle  wesentlichen  Umge- 
staltungen berücksichtigende  Darstellung  zu  teil  werden  lässt.  —  Einen  schätzbaren 
Beitrag  zur  Geschichte  des  mittelalterlichen  Buchhandels  hat  Delalaini^ö)  geliefert, 
der  die  Stellung  und  Bedeutung  der  Handschriftenhändler  in  Paris  im  13. — 15.  Jh.  er- 
örtert. Er  übersetzt  die  auf  die  librarii  und  stationarii  bezüglichen  Urkunden  des  von 
Denifle  und  Chatelain  herausgegebenen  „Chartularium  universitatis  Parisieusis-'  und  er- 
gänzt sie  durch  einige  andere,  die  er  den  Universitätsakten    entnommen    hat.      Die  Er- 


Reformationsgesch.  Referat  Über  e.  Vortrag:  MAVZwickau  3,  S.  XH/III.  —  90)  M.  Geyer,  Verz.  d.  bis  i.  J.  1517  einscbliesslich 
gedruckten  Werke  d.  Gyiunasialbibl.      (=  84.  Nachricht  von  d.  Friedrichs-Gymn.  zu  AIt«nburK-)      AltenburR,  Bondo      4".     30  S. 

—  91)  E.  Hertel,  Kgl.  Beal-Gymn.  in  Bromberg.  Katalog  d.  LehrerBibl.  Bromberg,  Dittmann.  92  S.  —  92)  X  H.  Thor- 
becke,  bibl.  d.  Fürstl.  Lipp.  Gymn.  Leopoldinuni  zu  Detmold.  (Beilage  /..  Progr.)  Detmold,  Meyer.  71  S.  —  93)  Katalog  d. 
LehrerBibl.  d.  Kgl.  Gymn.  zu  Erfurt.  (Beilage  z.  Progr.)  2.  Abt.  Erfurt,  Bartholomaeus.  10  Bl.  —  94)  R.Schw»rie, 
Verz.  d.  Si  htiler-Bibl.  d.  Kgl.  Friedrichs-Gymn.  zu  Frankfurt  a.  0.  Nach  ihrem  ßesiindo  zu  Ostern  1891  aufgenommen.  Beil. 
zu  d.  Schulnachrichten.  Frankfurt  a.  0.,  Trowitz.sch  &  Sohn.  47  S.  —  95)  F.  Eberle,  1).  Bibl.  d.  L»nde8-0berre*l8chule  in 
Krems.  Anhang  zu  dem  im  26.  .IB.  veröffentl  Rückblick  auf  d.  I.  Viorteljh.  d.  Beatehon.s  d.  Lehranst«]!  (=  2«.  JB.  Über  d. 
nied.-österr.  Landes-Oberrealschule  u.  d.  mit  derselben  verbundene  Landes-Handelsschule  in  Krems  veröffentl.  am  Schlüsse  d, 
Schuljahrs  1891.)  Krems,  Pammor.  56  S.  —  96)  Katalog  d.  d'M.  d.  Kgl.  Gymn.  zu  Lissa.  Progr.  Lissa,  96  S.  —  97)  O. 
Werner,  Real-Progymn.  zu  LUbben  i.  d.  L.     Katalog  d.  Schlilor-Bibl.     Beil.  t.  JB.  Ostern  1891.  LUbbeu,  Driemel  *  Sohn.    72  S. 

-  98)  Katalog  d.  Lehror-Bibl.  d.  stadt  Progymn.  zu  Weissenfol.s.  1.  Teil.  (Beil.  z.  Progr.)  Weissenfels,  Kell.  :«  S.  — 
99)  A.  Laugguth,  Job.  Aug.  v.  Ponickau.  E.  gelehrter  Bibliophile  d.  18.  Jh.:  CBlBibl.  8.  S.  241-7.\  —  NM)  .M  ummenhofr, 
Georg  Christoph  Schwarz:  ADB.  Xi,  S.  236'7.  —  101)  X  M.  Pcllechet,  Catalogue  des  livn>.s  de  la  bibliotheque  d'un  rhanoine 
d'Autun,  Claude  Guilliaud  (149;)— 1551).  Extrait  des  Jlömoires  de  la  societ«  Edueune,  N.  .s.  18.  Paris,  Pieard.  1890  XI, 
239  .>^.  Fr.  7.  -  102)  W.  BUumker.  Martin  Wilibald  SchreUingor:  AHB.  :t2,  S.  491.  —  103)  A.  Wetiel,  Drei  Briefe  d.  llain- 
burgcr  Bibliothekars  David  Schellhamnier:  MVHamburgG.  N.  9.  —  104)  K.  Dziatzko,  Buchhandel.  Besonderer  Abdruck  aus 
dem  Handwörterbuch  d.  Staatswissenschaften.  Bd.  2.  Jena,  G.  Fischer.  S.  744—57.  —  105)  P.  DelaUin,  Etüde  sur  1« 
libraire  parisien  du  Xllle    au    XVe  siede,    d'apres    les    documeuts    publik   dans  le  Cartulaire  de  l'universitä  de  Pam.     Parij 


I  4:  106-110.  K.  Kochendörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  76 

gebnisse  werden  in  der  Einleitung  zu  einer  zusammenhängenden  DarsteUung  verflochten, 
vmd  am  Schlüsse  sind  die  in  den  Urkunden  genannten  Handschriftenhändler  chrono- 
logisch zusammengestellt  mit  Angabe  ihrer  Amtsbezeichnung  als  stationarius  oder  libra- 
rius  und  ihres  Geschäftshauses.  Wenn  D.  den  allerdings  nicht  immer  durchgeführten 
Unterschied  zwischen  stationarius  und  librarius  darin  sieht,  dass  der  stationarius  zugleich 
auch  Verfertiger,  der  librarius  nur  der  Händler  der  Hss.  sei,  so  scheint  mir  nach  den 
Statuten  A.  Kirchhoff,  dessen  Schrift  über  die  mittelalterlichen  Handschriftenhändler  D. 
entgangen  ist,  mit  der  Ansicht,  dass  des  stationarius  Hauptgewerbe  im  Verleihen  der 
Hss.  bestanden  habe,  im  Recht  zu  sein.  —  Unsere  Kenntnis  der  Bücheranzeigen,  der 
ältesten  Vertriebsmittel  der  Buchhändler,  wird  durch  einige  neue  Stücke  vermehrt. 
Dziatzko  i*^*^)  hat  das  Glück  gehabt,  in  der  Culemannschen  Sammlung  von  Einblatt- 
drucken im  Kestnermuseum  zu  Hannover  die  älteste  uns  bekannte  Bücheranzeige  in 
deutsclier  Sprache  aufzulinden,  die  1798  von  Am  Ende  veröffentlicht  worden  ist  und 
für  verloren  galt.  Sie  geht,  wie  schon  der  erste  Herausgeber  richtig  erkannte,  von 
Johann  Bäinler  in  Augsburg  aus  und  stammt  aus  dem  Jahre  1473.  D.  giebt  einen  ge- 
nauen Abdruck.  —  Eine  noch  vinbekannte  Bücheranzeige  Günther  Zainers,  frühestens 
aus  dem  Jahre  1476  herrührend,  teilt  Burger  i'^'^)  mit  als  willkommene  Ergänzung  zu 
Wilhelm  Meyers  Bücheranzeigen  (CBlBibl.  2,  S.  437—03).  —  Zwei  Einblattdrucke  aus 
der  Bibliothek  des  Buchhändlerhörsenvereins,  die  dem  Zwecke  dienen,  die  Bücherkäufer 
auf  ein  bestimmtes  Werk  aufmerksam  zu  machen,  veröffentlicht  und  bespricht  E.  H. 
Meyer  i^«).  Der  eine  ist  eine  Reklame  des  Basler  Druckers  Bernhard  Richel  für  die 
von  ihm  14H2  gedruckte  „Postilla  super  IV  Evaugelia"  des  Hugo  de  S.  Caro.  Wie  aus 
Hains  Beschreibung  der  „Postilla"  hervorgeht,  bildet  er.  das  erste  Blatt  dieses  Buches. 
M.  zweifelt  nun  daran,  dass  das  Blatt  ursprünglich  ein  Bestandteil  der  „Postilla"  ge- 
wesen sei,  er  hält  es  für  einen  Prospekt,  an  dem  initen  die  sonst  bei  Bücherüuzeigen 
übliche  Angabe  der  Niederlage  des  Buchführers  weggelassen  sei.  Schon  die  fast  markt- 
schreierische Anpreisung  spreche  mehr  dafür  als  für  ein  Vorwort,  und  die  Bemerkung, 
dass  das  Werk  durch  Bernhard  Richel  gedruckt  sei,  habe  ja  auch  keinen  Sinn,  wenn 
der  Käufer  dieses  Wei-k  seilest  vor  sich  gehabt  habe.  Diese  Zweifel  sind  zurückzu- 
weisen. Das  Blatt  kann  natürlich  auch  einzeln  als  Pros})ekt  verwendet  worden  sein, 
aber  dass  derartige  Reklamen  am  Kopfe  der  Bücher,  ja  auf  dem  Titelblatte  selbst,  ge- 
bräuchlich waren,  dafür  finden  sich  auch  später  noch  Belege.  Das  zweite  Stück  ist  ein 
Pergamentblatt,  auf  dem  von  dem  Bischof  Melchior  von  Brixen  am  12.  Nov.  1492  dem 
Klerus  seiner  Diöcese  die  Anschaffung  eines  von  Erliard  Ratdolt  in  Augsburg  in  seinem 
Auftrag  gedruckten  Missale  em[)fohlen  wird.  M.  wird  Recht  haben,  wenn  er  in  diesem 
Pergamentdruck  eine  Legitimation  sieht,  die  sich  der  Drucker  vom  Bischof  hat  aus- 
stellen lassen,  um  sich  den  Absatz  seines  Missale  im  Privatvertrieb  bei  Geistlichen  usw. 
zu  sichern.  —  A.  Kirchhoff  loo)  bringt  in  der  Fortsetzung  seiner  Lesefrüchte  aus  den 
Akten  des  städtischen  Archivs  zu  Leipzig  wieder  eine  Menge  interessanter  Einzelheiten, 
von  denen  ich  nur  einiges  hier  berühren  kann.  Da  in  den  Klagen  der  Buchhändler 
•  des  18.  Jh.  die  sich  mehrenden  Bücherlotterien  eine  grosse  Rolle  spielen,  so  ist  die 
Auffindung  und  Wiedergabe  des  gedruckten  Planes  einer  solchen  Lotterie,  der  den 
Herausgeber  des  „Universal-Lexicons"  J.  H.  Zedier  zum  Vf.  hat,  erfreulich.  Auch 
die  Mitteilungen  über  die  nicht  minder  beunruhigend  wirkenden  Auktionen  von  rohen 
Büchern  verdienen  Erwähnung.  Die  Forderung,  dass  neben  dem  Verleger  auch  der 
Name  des  Buchdruckers  auf  dem  Buche  aufgeführt  werde,  ist  in  Leipzig  erst  am  An- 
fange des  vorigen  Jh.  mehr  zur  Geltung  gelangt,  wesentlich  wohl  in  Folge  eines  Streites 
zwischen  den  Verlegern  und  den  Druckern.  Erstere  ersuchten  in  einer  Eingabe  vom 
24.  Juni  1708  das  Oberkonsistorium  in  Dresden,  es  möge  die  Drucker  bei  strenger 
Strafe  anhalten,  sorgfältiger  zu  drucken,  worauf  diese  ihrerseits  klagten,  dass  die 
Leipziger  Firmen  gewohnt  seien,  die  leichtesten  Bücher  bei  auswärtigen  Buchdruckei-n 
und  nur  Titel,  Präfation  und  Register  in  Leipzig  drucken  zu  lassen,  damit  solche 
Bücher  den  Namen  des  Leipziger  Druckes  führten.  Es  möchte  inskünftig  den  Verlegern 
aufgegeben  werden,  die  Buchdruckernamen  unter  die  Bücher  setzen  zu  lassen.  Eine 
dahingehende  Verfügung  scheint  das  ganze  Ergebnis  des  Streites  gewesen  zu  sein.  —  Von 
einer  Foi-tsetzung  der  Beteiligung  Leipzigs  am  internationalen  litterarischen  Verkehr,  von 
der  aus  dem  IG.  Jh.  doch  einige  Nachrichten  auf  uns  gekommen  sind,  hat  A.  Kirchhoff  ii") 
im  ganzen  17.  Jh.  nichts  entdecken  können.  Erst  an  dessen  Ende,  gleichzeitig  mit  dem 
Rückgang  des  ausländischen  Buchhandels  in  Frankfurt  a.  M.  beginnen  die  fi-emden 
Buchhändler,  zumal  die  Holländer,  wieder  in  Leipzig  aufzutauchen  und  auch  ausserhalb 


Deliilain.  IS«.  XLII,  77  S.  M.  4,00.  —  106)  K.  Dziiitzko,  liibliograpli.  Miscelleii  5.:  CBlBibl.  8,  S.  411/3.  —  107)  K.  liurger, 
E.  Bllclioraii/.iiiso  (iUnthor  Zaiuers:  ib.  S.  347/9.  —  108)  F.  11.  Meyor,  Botriobsinittol  d.  ältesten  Hucbli'.liidlor:  AGUltucliUaudel 
14,  S.  1/9.  —109)  A.  Kirchh off,  Klagen  ii.'llissstllnde  im  Aiifanj,'  d.  18.  Jh.  Vortrieb.  (=  LosolVIlchte  aus  d.  Akton  d.  stadt. 
Archivs  in  Leipzig.  V.):  ib.  S.  190— 2C9.    —    MO)    id  ,  1).  auslilndisclie  Üuchhandol  in  Leipzig    im    18.  Jh.:    ib.  S.  Iö5— 82.    — 


77  K.  KochoiHl(»rffer,  Snhrift-  iin<l  Buohwosen.  I  4:  iiuiao. 

(lor  MesHZ(3it  mit  Sortimontalagem  nirli  foatzusotzon.  Der  beharrliclu!  WiflorHtond  der 
Leipziger  Verleger  gegen  diese  Eindringlinge  vermochte  nicht  ihre  gänzliche  Fornhaltuug 
zu  erzielen.  Erst  mit  dem  Erlöschen  der  Firma  Arkst^^e  und  Merkus  lenktan  die  ge- 
schäftlichen Beziehungen  des  holländischen  Buchhandels  zu  dem  deutschen  in  die  Be- 
triebslormen  des  letzteren  ein,  indem  sich  die  holländischen  Buchhändler  fortan  ihrer 
Leipziger  Konnnissionäre  bedienten  "').  —  lieber  Leipzig  als  Vertriebsplatz  des  aus- 
ländisclien  Buchhandels  im  18.  Jh.  macht  F.  H.  Meyer  "^j  Mitteilungen  aus  der  Kor- 
respondenz der  ausländischen  Vorleger,  die  sich  in  der  Bibliothek  des  Börsenveroins 
belindet.  —  F.  H.  Meyer"-')  beleuchtet  auch  nach  Auszügen  aus  den  Meftsrelationen 
der  Jahre  1780 — 18237  die  Lage  und  ]i(!dcutung  der  Leipziger  Büchermesso,  den  Altsatz 
nacli  den  verschiedenen  Ländern,  die  GrCmde  für  den  zeitweiligen  Niedergang  des  Buch- 
handels: Mangel  und  hoiier  Preis  des  l*a[)iers,  Ueberhandnehmen  der  perio<lischen 
Littefat\ir,  zu  grosso  Konkurrenz,  Kundonrabatt  und  Schleuderei,  Nachdruck  usw.  "■*•"•'»)  — 
Von  dem  Versuche  des  Würzburger  Professors  der  Philosophie,  Köl,  eine  Buchhandlung 
zu  führen,  berichtet  A.  Koch  •'").  Das  Unt*irnohmen,  das  mit  fürstbischöflicher  Er- 
laubnis und  besonderer  Begünstigung  1797  ins  Leben  trat  und  den  ungelehrten  Würz- 
burger Buchhändlern  zeigen  sollte,  was  ein  Gelehrter  leisten  könne,  ging  schon  17{)9 
wieder  ein.  — 

Ein  chronologisches  Verzeichnis  der  Verlagswerke  des  Frankfurter  Buch- 
li an dlers  Sigmund  Feyoi'abend,  doch  n\ir  der  sicher  von  ihm  verlegton  Schriften,  deren 
Erscheinungsjahr  ermittelt  wei'den  konnte,  ist  von  F.  H.  Meyer 'i^)  ausgearbeitet 
worden.  Auch  eine  nach  Feyerabends  Tode  aufgenommene  Scliätzung  eines  Teiles 
seines  Verlags  dnxckt  er  ab  iind  giobt  dabei  verschiedene  Quellenbelege  dafür  an,  dass 
in  den  frühen  Zeiten  des  Buchhandels  die  Preise  der  Bücher  geschwankt  haben  wie 
der  Marktpreis  der  Kaufmannswaren.  —  A.  Kirch lioff"^^  verötlentlicht  das  Nachlass- 
inventar dos  Buchhändlers  Finckclthaiis,  das  von  kulturgeschichtlichem  Interesse  ist 
und  aus  der  Einfachheit  der  aufgezählten  Einrichtung  nicht  darauf  scliliesson  lässt,  dass 
sie  einem  der  reichsten  Leipziger  Bürger  angehörte.  —  Derselbe  "9)  konstatiert  aut 
Grund  einer  Schlussschrift  des  in  Magdeburg  verlegten  und  in  Basel  von  Adam  Potri 
gedruckten  „Book  der  Profecien",  dass  die  Magdebiirger  Buchführer  Johann  Lörr  (Lor, 
Lorer)  und  H.ins  Kunjacob  identisch  sind.  —  Der  Begründer  der  nach  ihm  genannten 
Buchhandknig  \u\d  Biichdruckerei  in  Basel,  Johannes  Schweighauser,  hat  nach  Sieber'-") 
umfasseufle  Materialsammlungen  zur  Gescliichto  seiner  Vaterstadt  hinterlassen,  die  seit 
1852  der  Baseler  Universitätsbibliothek  gehören.  Drei  von  ihm  zusammengebrachte 
stattliche  Kollektaneenbände,  im  Besitze  der  Vaterländischen  Bibliothek  der  Losegesell- 
schaft, betreffen  die  Gescliichto  der  Basler  Buchdrucker,  und  zu  der  umfangreichen 
Sammhmg  von  Originalbriefen  aus  dem  16.  und  17.  Jh.,  die  sein  Oheim  J.  W.  Huber 
(1700 — 1755)  angelegt  hat  und  die  zu  den  kostbarsten  Besitztümern  der  Ba.sler  Bibliothek 
gehört,  hat  er  ein  übersichtliches  Verzeichnis  angefertigt.  —  Walther  Schultze'^i)  giebt 
Nachrichten  über  den  Hallenser  Vorlagsbuchhändler  Kai*l  Gustav  Schwetschke,  der 
auf  dem  Gebiete  der  Bibliographie  wertvolle  Arbeiten  geliefert  hat,  vor  allem  seinen 
„Codex  nundinarius  Germaniao  literatae  bisecularis"  15(14 — 1705,  worin  eine  Statistik 
der  deutschon  litterarischon  Produktion  nach  Orten,  Buchhändlern,  W^issenschaften  und 
eine  Bibliographie  der  Messkataloge  versucht  sind,  ferner  die  „Vorakademische  Buch- 
druckergeschichte der  Stadt  Halle"  1840.  —  Dem  Hamburger  Verleger  Gottfried  Schnitze, 
dem  Mainzer  Musikalienv^-rlage  Schott,  dem  Begründer  der  „Münchener  Bilderbogen" 
und  der  „Fliegenden  Blätter",  Friedrich  Sclmeider,  gelten  Artikel  von  Beneke'-), 
Eitnori^'»),  H.  Hollandes*),  —  Der  äusseren  Geschieht«  der  Nicolaischen  Buchhandlung 
widmet  Friodoli^s)  ehie  kleine  Monogi-aphie,  in  der  einzelne  Stellen  aus  den  als  Ms. 
erschienenen  Jugendorinnerungen  von  Gustav  Parthey  abgedruckt  werden,  die  sich  auf 
Th.  Körners  Verkehr  mit  dem  Nicolaischon  Hause  beziehen.  Neu,  wenn  auch  nicht 
gerade  wichtig,  ist  die  aus  dem  Album  der  Studierendon  entnommene  Nachricht,  da.ss 
Körner  am  14.  August  1811  von  der  Universität  exkludiert  worden  ist,  jedenfalls  wegen 
Nichtbelegung  von  Kollegien.  In  der  Anlage  wird  ein  vonnutlich  von  K.  W.  Ramler 
herrührendes  Gedichtchen  auf  die  silberne  Hochzeit  Nicolais  mitgeteilt  i26-i3i)  — 

III)  X  id.,  D.  Muten  tll<er  d.  Bnc.hliUndlor-Oosellsclmft  v.  1696:  ib.  S.  i:i.')-41.  —  112)  F.  H.  Moy  er,  D.  Anssfuihandol  dpnUchrr 
Buo.hhSndlor  im  18  .Ib.:  ih.  S.  183-1)5.  —  113)  id.,  D.  Loipzigor  ltllc.liermo-.so  v.  1780-1837:  ib.  S.  2}W-3Irt.  -  IM)  X  id.. 
Z.  Transitrocht:  ib.  S.  270  8.  —  115)  X  A.  Kirch  hoff,  Z.  Firmonrocht:  ib.  S.  303«.  —  IM)  A.  Koch,  RcRieruii);  n.  Buch- 
handel vor  100  Jahron:  ib.  S.  279—87.  —  117)  F.  H.  Meyor,  1).  VerlaR  Sigmund  Foyor»l>«nds:  ib.  S.  IH— .14.  -  118)  A.  Kirch- 
hof f,  Lorons  Finekolthaus'  in  Loip/.ig  Nachlass-Inventar  v.  J.  1.581:  ib.  S.  99—113.  —  119)  id.,  Johann  Lörr  (Ur)  BuchfUhror 
in  Magdeburg  1490—1517:  ib.  S.  350/2.  —  120)  L.  Siebor,  Johannos  Schweighauser:  ADB.  3.3,  S.  343  .1,  —  ßl)  W.  Schul  t«e. 
Karl  (jnstav  Seliwotschke :  ib.  S.  440/2.  —  122)  Bonoke.  Gottfried  Schnitze:  ib.  32,  S.  73;i  •">.  —  123)  R.  Eltncr,  Schott:  ib. 
S.  39.\  —  124)  ir.  Holland,  Friedrich  Schneider:  ib.  S.  I23'4.  -  125)  E.  Friedel,  Z.  Gesch.  d.  Xicolaischen  |:nchhandlnng 
n.  d.  Hausos  Brtlderstrasse  13  in  Berlin.  Mit  C.  Abbild.  Berlin.  Nicolai.  .^5  S.  W.  1,00.  -  126)  X  A-  Kirchhoff. 
BuchhUndlerischos  SelbstgelUhl:  AGDBuchhandel  14,  S.  371'2.  —  127)  X  Th.  Distel,  Kleinigkeiten  «n«  d.  K.  Hanpt-StMt«- 
archiv  in  Prosden:  ib.  S.  356/8.  —  128)  X  A.  Kirchhoff,  Beitr.  7..  Gesch.  d.  Bnohaasstjittnng :  Ih.  S.  .175  6.  —  129)  X  F. 
Gess,    Ans  Leipzig  in  Herzog  Georgs  Zeit:    ib.  S.  352/3.    —    130)    X  F-  H.  Meyer.    Noch  etwas    Ober  Wolf  Pmunlein:    ib. 


I  4:  131-142.  K.  Kochen  dörffer,  Schrift-  und  Buchwesen.  78 

Gewöhnlich  wird  in  der  Concessionsurkunde  für  Einrichtung  einer  Druckerei 
dem  Drucker  aufgegeben,  nur  solche  Dinge  zu  drucken,  die  der  bewilligenden  Obrigkeit 
angenehm  und  nützlich  feien.  Ein  sehr  frühes  Beispiel  von  einer  über  diese  bei  Con- 
cessionserteilungen  verständliche  Specialbestimmimg  hinausgehenden  allgemeinen  Prä- 
ventiv-Censur  seitens  einer  Behörde  legt  Dziatzkü^32^  vor.  Es  ist  der  Beschluss  des 
Rates  der  Stadt  Nürnberg  vom  15.  Jan.  1518,  wonach  die  Buchdrucker  Nürnbergs 
eidlich  sich  verpflichten  müssen,  nichts  Nachteiliges  über  (leistlichkeit,  Reichsstände  oder 
einzelne  Personen  und  Kommunen  zu  drucken,  sondern  vorher  darüber  des  Rates  Be- 
scheid einzuholen. —  F.  H.  Meyer '•''^)  stellt  ein  allerdings  nicht  vollständiges  Verzeichnis 
der  in  Preussen  verbt)tenen  Schriften  zusammen.  —  Derselbe  '3+)  ergänzt  aus  den  Akten 
der  Leipziger  Bücherkommission  zwei  in  früheren  Bänden  des  AGDBuchhandel  enthaltene 
Artikel,  die  sich  mit  einer  eigenmächtigen  Massregel  der  österreicliischen  Bücherpolizei 
beschäftigen.  Danach  hatte  der  Landeshauptmann  von  Teschen,  Graf  Tenzin,  eine 
Anzahl  von  Weidmann  an  den  Buchhändler  Muthmann  in  Teschen  auf  Bestellung  ge- 
lieferter protestantisch-theologischer  Bücher  zum  Teil  verbrannt,  zum  Teil  konfisciert. 
Zwei  geharnischte  Schreiben  Weidmanns  an  Tenzin,  in  denen  mit  der  Veröffentlichung 
der  ganzen  Affaire  gedroht  wurde,  hatten  nicht  den  gehofflen  Erfolg,  sondern  brachten 
die  Eirma  lun-  in  Ungelegenheit.  — 

A.Koch  135^  berichtet  zwei  Eälle  von  Nachdruckstreitigkeiten,  von  denen  der 
erste  nach  zwei  Seiten  bemerkenswert  ist.  Aus  dem  Nachdruckstreite  zwischen  Peter 
Langenberg  in  Köln  und  dem  Würzburger  Buchdrucker  Nikolaus  Rausch  erfahren  wir, 
dass  schon  damals  der  Boykott  gegen  missliebige  Kollegen  an  der  Tagesordnung  war, 
indem  Johann  Mayer,  Kurmainzischer  und  Pfälzischer  Hofbuchdrucker  in  Mainz,  über 
Rausch  „Scheltwort  sowohl  nach  Würzburg  als  nacher  Nürnberg,  Eranckfurth  und 
Leipzig  an  die  sammentliche  buchdrucker^ gesellschafften  geschrieben,  ja  sogar  es  dahin 
zu  bringen  suchet,  dass  Rausch  auf  seiner  profession  für  einen  untüchtigen  buchdrucker 
und  infamen  Mann  solle  gehalten  und  declariret  werden",  so  dass  er  scliliesslich  keinen 
Gesellen  mehr  finden  konnte.  Ein  besonderes  Licht  fällt  auf  die  Fabrikation  von 
Gebet-  und  Erbauungsbüchern.  Aus  Rauschs  Verteidigungsschrift  erhellt,  dass  ein  und 
dasselbe  Buch  unter  mehreren,  bis  zu  sechs,  verschiedenen  Titeln  in  die  Welt  hinausging, 
je  nachdem  die  Buchbinder  mit  dem  einen  oder  dem  andern  ein  besseres  Geschäft  zu 
machen  glaubten.  So  war  „Der  güldene  SchlüsseU",  „Seelen-Speiss",  „Hertz-Opffer",  „Seelen- 
Trost"  ein  und  dasselbe  Machwerk.  136-137^  — 

Kohlmann  138^  bringt  zur  Kenntnis  ein  Gesuch  der  Universität  Wittenberg  an 
den  Kurfürsten  Johann  Georg  I.  von  Sachsen  vom  Jahre  1614,  worin  sie  um  eine  Ver- 
ordnung bittet,  dass  jeder  Wittenberger  Verleger  von  seinen  Verlagswerken  ein  Pflicht- 
Exemplar  an  die  Bibliothek  abzuliefern  habe.  Die  Antwort  lautet,  die  Universität 
möge  mit  den  gedachten  Verlegern  in  Verhandlung  treten  und  über  deren  Erklärung 
Bericht  erstatten.  —  Gegen  die  von  Steffenhagen  i^^)  überzeugend  nachgewiesene 
Verpflichtung  zvir  Einlieferung  von  Pflichtexemplaren  in  Schleswig-Holstein  hatte  Weid- 
ling  Protest  erhoben.  Die  Nichtigkeit  seiner  Einwendungen  wird  von  Steffenhageni^^^ 
in  einem  zweiten  Artikel  dargethan.  —  Die  für  Oesterreich  geltenden  Bestimmungen 
über  Einlieferung  von  Pflichtexemplaren  hat  Kalus'^^)  übersichtlich  zusammengestellt. 
Aus  dieser  nicht  nur  für  die  österreichischen  Buchhändler  nützlichen  Arbeit  ersehen 
wir,  dass  sowohl  hinsichtlich  der  Zahl  der  Pflichtexemplare,  als  des  Umfangs  der 
ihnen  zuzurechnenden  Druckwerke  (Photographien!)  und  der  Zeit,  innerhalb  deren  sie 
abzuliefern  sind,  die  Bestimmungen  in  Oesterreich  viel  rigoroser  sind  als  bei  uns.  — 
Ueber  die  Abgabe  der  Pflichtexemplare  in  Schweden  belehrt  uns  Lundstedt  i^s^.  Dort 
werden  nicht  wie  in  Deutschland  vorzugsweise  die  Verleger,  sondern  ausschliesslich  die 
Drucker  angehalten,  sämtliche  Erzeugnisse  ihrer  Presse,  einschliesslich  der  Accidenz- 
drucke,  abzuliefern  und  zwar  in  vier  Exemplaren,  von  denen  eins  als  Ueberwachungs- 
exemplar  an  den  Justizminister  und  drei  Studienexemplare  an  die  kgl.  Bibliothek  in 
Stockholm  und  die  beiden  Universitätsbibliotheken  Lund  und  Upsala  einzuliefern  sind. 
Die  Unterlassung  wird  in  jedem  einzelnen  Falle  mit  hoher  Geldstrafe  geahndet.  Es 
kommen    auf   diese  Weise,    da    die    Ueberwachimg    streng     gehandhabt    wird    und    die 


S.  353/5.  —  131)  X  A.  Kircbholf,  Paul  Fürst,  ,der  Bildermann"  v.  Nürnberg  1655:  ib.  S.  359-60.  — 
132)  K.  Dziatzko,  Bibliogniiiliische  Miscellen.  6.:  CBlBibl.  8,  S.  41.'}/5.  —  133)  F.  H.  Moyer,  BUcherverbote  im  Königreiche 
Preussen  von  1834  bis  1882:  AGDBuchhandel.  14,  S. 317— 49.  —134)  id.,  Z.  Gesch.  d.  österr.  BUeherpolizei.  3.:  ib.  S.  368— 70.— 
135)  A.  Koch,  Z.  Gesch.  d.  Nachdrucks:  ib.  S.  142—54.  —  136)  X  A.  Kirchhoff,  Spekulation  auf  d.  Betrag  e.  angeblich 
wegen  Nachdrucks  verwirkten  Strafe:  ib.  S.  355/6.  —  137)  X  'd.,  Z.  Nachgosch.  d.  sitchs.  Mandats  v.  1773:  ib.  S.  373/5.  — 
138)  F.  Kohlmann:  CBlItibl.  8,  S.  64/6.  —  139)  E.  Steffenhagen,  D.  Pflichtexemplar/.wang  in  d.  Provinz  Schleswig- 
Holstein.  E.  Schutzschrift.  Kiel,  Schmidt  &  Klaunig.  1890.  23  S.  M.  1,00.  [[Woidling:  JuristLBl.  N.  23]|  —  140)  id., 
D.  Pflichtexemplare  in  Schleswig-Holstein.  2.  Artikel:  CBBibl.  8,  S.  275/8.  —  141)  A.  Kalus,  D.  Vorschriften  llber  Pflicht- 
Exemplare  in  Oesterreich.  E.  Zusammenstellung  d.  geltenden  Gesetze  u.  Verordnungen  nebst  Erläut.  aus  d.  eiuschläg.  Litt. 
Wien,  Verein  d.  öst.-ung.  Buchhändler.  32,  XXII  S.  M.  1,20.  —  142)  B.  Luudstedt,  Ueber  d.  Abgabe  d.  Pflichtexemplare 
V.  Druckerzeugnissen  an  d.  Bibliotheken    in    Schweden,    sowie    damit    zusammenhangende    Fragen:    CBBibl.    8,   S.   202-10.  — 


79  K.  Kochoiulörffer,  Schrift-  niul  Buchwesen.  I  4:  ms-im. 

Drucker  ohne  {]p-(^sson  Widoratniid  ahlieforn,  eine  Mengn  von  Srhrifteti  in  die  Ril)Hotheken, 
die  im  Biichhilndlerkataloge  gar  niclit  geführt  werden,  infolge  doHHon  fCir  die  liihliutheken 
und  die  Wissenschaft,  verloren  sein  würden.  Kh  ist  erfreulicli  zu  hören,  dass  die  Klagen 
üher  diese  Besteuerung  seit  Jahrzehnten  schon  aufgehört  hahen,  während  in  Deutsch- 
land das  Widerstreben  der  Vorleger  und  die  Klagen  Ober  Vergewaltigung  durch  eine 
Steuer,  die  viel  geringer  ist  als  in  Schweden  luid  schliesslich  doch  nur  vom  Verfasser 
und  dem  Publikum  getragen  wird,  nicht  aufhören  wollen.  —  Lehrreich  ist  da  auch  eine 
Mitteilung ''♦•■'),  wonach  der  Verwaltungsbericht  der  Oxforder  Universitiitsbibliothek  aus 
dem  .Jahre   iHiK)  einen  Zuwachs  von  IHKHd  Nummern  aus  l'Hichtexomplarcn  aufweist.  — 

Im  Anschluss  an  zwei  frühere  SchriftduMi  '^<  i<f>),  die  das  gleiche  Thema,  die 
Misstände  im  heutigen  Betrieb  des  Buchhaiuhils  betroffen,  handelt  der  sachkun<lige 
G(')ttinger  Verleger  Ruprecht''*")  über  die  ]iaars(»rtimente,  deren  Abschaffung  er 
dringend  empfiehlt,  weil  sie  die  dem  Buchhandel  imbodingt  zu  erhaltenden  Provinzial- 
sortimcnte  aufs  äusserste  scluidigten.  Wenn  U.  in  allen  seinen  Schriften  bjitxiiit,  dass  auch 
das  Publikum  durcii  die  Erhaltung  der  alten  bewährten  Einrichtung  besonders  gegenüber 
der  Schleuderei  luu'  gewinnen  werde,  so  hat  er  gewiss  in  nuincher  Jieziohung  Recht,  wird 
aber  auf  Unterstütznng  in  diesem  Kami)fe  von  Seiten  des  einzelnen  Bücherküufers,  für 
den  lediglich  die  Billigkeit  massgebend  ist,  nicht  rechnen  dürfen.  ^*^•^^^^)  — 

In  einer  tieissigen  Abhandlung  schildert  Lade  wig  "••')  die  verschiedenen  Ver- 
suche, eine  einheitliche  Grundlage  für  die  Tarifierung  von  Bucheinbänden  'M-im^  ^u 
finden,  nnd  übt  an  ihnen  Kritik.  Dann  teilt  er  das  auf  der  Hof-  und  Landesbibliothek 
in  Darrrrstndt  eingeführte  Verfalu'en  em])fehlend  mit.  Einen  praktischen  Nutzen  von 
solchen  theoretischen  Aufstellungen,  die  nur  der  Maschine,  niclit  dem  Menschen  gegen- 
über Berechtigung  haben,  kami  ich  mir  nicht  versprechen.  — 


1,5 

Kulturgeschichte. 

Georg  Steinhausen. 

Allgemeines:  Begriff  der  Kulturgeschichte  N.  1.  —  Allgemeine  Darstellungen  N.  6.  —  Darstellungen  grOHserer 
Gebiete  N.  13.  —  Sammelwerke  N.  14.  —  Kiilturentwicklung  im  einzelnen:  Darxlellun);«»  einzelner  Epochen  und 
ZeilbiUler  N.  16  —  Familienleben,  häusliches  Leben,  Frauen  N.  28.  —  Gesolliges  Leben,  Spiele,  Feste  N.  4:(.  —  OelsUge  und 
gemütliche  Entwicklung  N.  02.  —  Nati.male  Entwicklung  N.  96.  —  Aens.Kere  Kultur:  Wirtschaft.,  Wohnhaus,  Tracht,  Nahrung, 
Gesiiuilheitswesen,  Verkehrswesen,  Reisen  N.  ICH.  —  Sittengeschichtliches  N.  162  —  Volkskunde  und  Mythologie  N.  18».  — 
Tiere  und  Pflanzen  N.  285.  —  Einzelne  Materien  N.  296.  —  Lokalstudien  N.  307.  —  Einzelne  Stünde  und  Meoschenklassen 
N.  382.  —  Einzelne  Personen  N.  400.  —  KuUurstrehiingen  der  Oegenwart  N.  434.  — 

Allgemeines:  Begriff  der  Kulturgeschichte.  Da.ss  der  Bericht  über  die 
kulturgescliichtlichen  Arbeiten  des  Jahres  in  den  JBL.  einer  grossen  und  berechtigten 
Beschränkung  unterliegt,  hat  schon  mein  Vorgänger  dargethan.  Es  würde  sonst  auch 
der  ergiebig  behandelte  Bericht  denselben  oder  einen  gi'össeren  Raum  einnehmen  als 
die  JBIj.  überhaupt.  Hier  gilt  die  Kulturgeschichte  also  nur  als  Hilfswissenschaft,  aber 
als  eine  —  das  möchte  ich  betonen  —  recTit  notwendige  Hilfswissenschaft  der  Litteratur- 
geschichte.      Man  kann  meines  Erachtens  die  Litteraturgeschichte  nur  richtig  betreiben, 


143)  ib.  S.  511.  —  144)  W.  Ruprecht,  E.  Weg  z.  Erhaltung  d.  Provinzialsortiments.  Oailing.n,  Vandenhoeck  *  Ruprsrht. 
1889.  8  S.  M.  0,20  -  145)  id.,  1).  L»denprpis  im  dtsch.  liuchhaiidel.  Seine  volkswirthschaftl.  Bedeutung  u.  B<!re4-.htigiiiig. 
3.  Aufl.  Giittiugen,  Vandenhoeck  &  Ruprecht.  1889.  8  S.  M.  0,15.  —  146)  id.,  O.  Itaarsortimente.  E.  Segen  oder  e.  Oafehr 
fUr  d.  dtseh.  lUicliliandel  ?  Oöttingen,  Vandenhoeck  &  Ruprecht.  I«  S.  M.  0.20.  —  147)  X  H.  Rlamenthal,  D.  Ver- 
kehr zwischen  Verleger  n.  Sortinienter,  sowie  d.  Verhllltniss  derselben  zu  ihren  Gehilfen.  Zeitgem&ss«  Betrachtuagen.  8.-A. 
aus  ,1").  wichtigsten  Arbeiten  d.  Verlegers".  Iglau,  Selbstverlag.  32  S.,  1  Portr.  1.  1,00.  —  14«  \  <».  G  ranichstidten, 
D.  Urheberrecht,  Pressgesetz  u.  d.  objektive  Verfahren,  erl.  durch  gerichtl.  Entiicheidungon.  Wien,  Konegen.  VlII,  224  S. 
M.  .3,60.  -  149)  X  II.  Huber,  Z.  Begriff  d.  Prossfreiheit  nach  Schweiz.  Rechte.  Bern,  Wjss.  71  S.  M.  1,.V).  —  ISO) 
X  K.  Krem  er,  D.  ausschliossl.  Recht  d.  Urhebers  an  d.  Melodie.  Leipzig,  Rreitkopf  *  Hartel.  42  S.  M.  1,00.  -  151) 
X  W.  Möller,  D.  Buchdruckers  best«  Bezugsquellen.  E.  treuer  Berater  bei  Neueinrichtung  n.  Vergr3ss«niug  y.  Buch- 
dnickereien.  E.  Hilfsbuch  zu  vorteilhnften  Bezüge  tigl.  Bedarfsartikel.  Alphabet,  geordnet  u.  her.  Berlin,  Isaleib.  36  S.  II.  1,0(1.  — 
152)  X  A.  Reitzer,  Bezugsquellen- Adrossbuch  f.  Buchhilndler,  Buchdrucker,  Buchbinder,  Schreib-  n.  Zeichenrequisiten- 
Händler,  Cartonage-Arheiter,  Lithogiaphien  u.  alle  verwandte  OeschSftsziToige.  Wien,  Expcd.  d  NoviUten-Anxeiger  f.  <L 
Colportage-Buchluindel.  72  S.  M.  0,60.  —  153)  F.  Ladewig,  Tebor  Tarifierung  v.  Bucheinbinden:  CBIBibl.  8.  S.  529—50.  — 
154)  O  X  H.  Bouchot,  De  la  reliure.  Exemples  k  imiter  ou  4  rejet»^r.  Paris,  RouTeyre.  18».  94  S.,  15  pL  Fr.  7,50.  — 
•55)  O  X  O-  Brunet,  Ätudes  sur  la  relinre  des  liyres  et  sur  les  collections  de  bibliophiles  eel^bres.  2.  «d..  Bordeau, 
Vve  Moquet.  —  156)  O  X  A.  Ledieu,  Reliures  artistiques  et  armoiri^es  de  la  biblioth^qne  d'AbbcTille.   Paris,  Cruel  snc«.  — 


I  5:  i-11.  Gr.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  80 

wenn  man  sie  kulturhistorisch  vertieft.  Erst  wenn  man  weiss,  wie  die  wirklichen 
Menschen  waren,  wird  man  einerseits  die  litterarischen  Werke  und  andererseits  ihre  Ur- 
heber, die  Schriftsteller,  richtig  beurteilen  und  verstehen  können.  Von  anderem  Gesichts- 
punkte aus  kann  man  wieder  die  Litteraturgeschichte  als  Hilfswissenschaft  der  Kultur- 
geschichte auffassen,  und  wer  in  diesem  Sinne  litterarhistorisch  thätig  ist,  hat  sicherlich 
seine  Verdienste.  Glücklicherweise  ist  es  aber  noch  niemandem  eingefallen,  sich  dar- 
über den  Kopf  zu  zerbrechen,  ob  die  Kulturgeschichte  der  Litteraturgeschichte  oder  diese 
jener  sich  unterordnen  müsse.  Der  Kampf  über  diese  Frage  tobt  vielmehr  zwischen 
der  Kvilturgeschichte  und  der  politischen  Geschichte  ^)  und  ist  im  Berichtsjahr  neu  ent- 
facht worden  2),  Hier  ist  nicht  der  Ort,  darauf  einzugehen,  ebenso  wenig  wie  auf  einige 
Schriften  und  Aufsätze,  die  eine  Berücksichtigung  der  Kulturgeschichte  im  Unterricht 
in  höherem  Grade  als  bisher  fordei'u  3-5).  — 

Allgemeine  Darstellungen  von  grösserem  Wert  sind  nicht  erschienen.  ^) 
Andresens  '')  Buch  ist  rein  philosophischer  bezw.  geschichtsphilosophischer  Natur.  — 
Heichen  ^)  macht  den  Versuch,  „ein  Nachweisungs-  und  Unterrichtsmaterial 
der  Entwicklung  der  menschlichen  Kultur  vom  Altertume  an  in  chronologischer  Folge 
zu  geben".  Soweit  sich  diese  Aufgabe  überhaiipt  durchführen  lässt,  ist  sie  nicht  übel 
gelungen.  Zum  Orientieren  über  das  Datum  kulturell  wichtiger  Ereignisse  ist  das  Buch 
nützlich;  ein  Register  erleichtert  den  Gebrauch.  Eine  kurze  Entwicklung  der  mensch- 
lichen Kultur  in  ihren  charakteristischen  Zügen  darf  man  aber  von  dem  Buche  nicht 
erwarten.  —  Rein  populär  ist,  wie  schon  ans  dem  Titel  hervorgeht,  K.  Biedermanns  ^) 
Werk.  Im  Grunde  ist  es  zwar  weder  eine  wirkliche  Volks-,  noch  eine  wirkliche  Kul- 
turgeschichte, sondern  die  nicht  allzuviel  modifizierte  politische  Darstellung  mit  ange- 
hängten Kapiteln  über  die  Kultur  der  Zeit.  Aber  sie  steht  doch  weit  über  anderen 
populären  Darstellungen  und  giebt  viele  richtige  Gesichtspunkte  für  die  Auffassvmg  der 
einzelnen  Epochen.  Für  die  Förderung  bessei'en  historischen  Verständnisses  kann  das 
Buch  gute  Dienste  leisten.  —  Eine  wesentlich  populäre  Darstellung  will  auch  Sach^o) 
geben,  von  dessen  Werk  der  2.  Band  erschienen  ist.  Nach  der  Ajigabe  des  HJb.  streift 
der  Ton  „oft  ans  moralistische".  Ebenda  sind  folgende  Proben  der  Themata  angegeben : 
Gesellschaftliche  Zustände  und  Anschauung  des  scheidenden  Mittelalters.  Fahrende 
Schüler.  Die  frommen  Landsknechte.  Aus  dem  Bauernkriege.  Aus  der  Zeit  des 
Glaubenshaders.  Entwicklung  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  Fürstenleben  und 
Hoffestlichkeiten  im  Reformationszeitalter.  Der  Student  des  16.  Jh.  Die  Kunst  des 
16.  Jh.  Die  Verwelschung  vor  dem  grossen  Kriege.  Das  Alamode- Wesen  im  17.  Jh. 
Die  Hexenprozesse.  Unehrliche  Leute  und  Gewerbe.  Das  Reichskriegswesen.  Zeit- 
stimmen aus  dem  18.  Jh.  Landwirtschaftliche  Zustände  und  Bestrebungen  zur  Zeit 
Friedrichs  des  Grossen.  Schwärmer,  Alchemisten  und  Geheimbünde  des  18.  Jh.  Ein 
Dorfscludmeister  der  alten  Zeit.  Volksaberglauben  der  Gegenwart.  —  An  dieser  Stelle 
muss  endlich  auch  auf  ein  allgemeines  Werk  eingegangen  werden,  das  zwar  mit  der 
deutschen  Kulturgeschichte  im  besonderen  nichts  zu  thun  hat,  das  aber  für  die  Erörte- 
rung der  fundamentalen  Frage  nach  dem  Verhältnis  der  Kiüturgeschichte  zu  den  Um- 
gebungen, zu  dem  Erdboden  selbst,  sehr  wichtig  ist;  schliesst  doch  diese  Frage  die 
nach  der  Abhängigkeit  des  Einzelnen,  des  Dichters  also  wie  seiner  Figuren,  von  ihrem 
„Milieu"  in  sich  ein.  Ratzel  ^^)  handelt  in  dem  ersten,  schon  1882  erschienenen,  Teil 
seines  Buches  allgemein  über  die  Naturbedingungen  der  Kulturentwicklung,  S.  399  über 
die  Beeinflussung  des  National  Charakters  durch  die  Naturumgebung,  im  zweiten  über  die 
geographische  Verbreitung  des  Meiischen  und  erörtert  dabei  unter  anderem  die  Be- 
ziehungen zwischen  Bevölkeriuigsdichtigkeit  und  Kultiu'höhe,  das  Verhältnis  der  un- 
kultivierten oder,  wie  R.  sagt,  kulturarmen  Völker  zur  Kultur;  die  Wohnfläche  der 
Menschen:  Städte,  Ruinen,  Wege,  Ortsnamen  werden  als  Zeugnisse  kultureller  Ansiedelung 
betrachtet.  Endlich  wird  über  den  grundlegenden  Begriff"  der  Rasse  gehandelt.  Obwohl 
das  sehr  wichtige  Werk  in  der  Regel  die  bisher  voi'gebrachten  Meinungen  nur  mit 
kurzer  Kritik  zusammenstellt,  durchzieht  doch  als  leitender  Faden  die  ungeheuere  Menge 
% 

OXChr.  Clason,D.  Geschichtswissonschaft.  Progr.  Hadamar.  4".  29  S.  —  2)  D.  Scliaefer,  Gesch.  u.  Kultuigesdi.  (S.o. 
1:31.)  —  3)  X  G.  Stfiinhausen,  D.  Kulturgosch.  u.  d.  dtsch.  ünivorsiUton :  Gegenw.  39,  S.  322/4.  —  4)  X  Lohmeyer, 
Rllhle,  Panton,  Wie  i.st  d.  UiUerrieht  in  d.  Gesch.  auf  d.  höher.  I/ohraiistalten  zu  handhahon  .  .  .  damit  d.  Gesch.  d.  neuesten 
Zeit  u.  A.  Kulturgesch.  in  ausreichendem  Masse  Berücksichtigung  tiiideu?  '.i  Guiachton.  Prog.  d.  Kealgymn.  St.  Joliann  in 
Danzig.  Danzig,  A.  MlUlor.  4«.  18  S.  —  5)  X  li-  Mahronholz,  Waudlungeu  d.  Gei3ch.-AuffassunK  u.  d.  Gesch.-Unterrichts, 
hes.  in  üeutscliland.  (=  Deutsche  Zeit-  u.  Streitfragen  84/5.)  Hamburg,  Vorlag.s-Anstalt  A.-G.  74  S.  M.  1,60.  —  6)  X 
K.  F.  V.  Ohertimpflor,  Kulturgesch.  (=  llausbücherei  her.  v.  Hottinger,  l?d.  14.)  Strassburg  i.  E.,  Holtinger.  12«.  ItiO  S. 
M.  0,H0.  —  7)  C.  Androsen,  D.  Entwicklung  d.  Mon.schon.  Studien.  Hamburg,  Vorlagaanstalt  u.  Druckerei  A.-Q.  III,  124  S. 
M,  3,00.  |[IX'I!I.  S.  1451/2.11  —  8)  P.  Iloichen,  D.  Kulturgosch.  in  llauptdaten  v.  Altertum  l)is  .auf  d.  Gegenwart.  Berlin. 
Lüstonöder.  IV,  272  S.  M.  2,00.  |IG.  Winter:  BLIT.  S.  82a.)l|  —  9)  K.  Biedermann,  Dtsch.  Volks-  u.  Kulturgesch.  f. 
Schule  u.  IlauH.  2.  Aufl.  .«.  Tle.  in  1  Bd.  Wiesbaden,  Bergmann.  XI,  108  S;;  IV,  174  «.;  IV,  2.19  S.  M.  6,00.  |[G.  Winter: 
BLU.  S.  822;  LCBl.  1892,  S.  808  f.]|  _  I0)  J  A.  Sach,  Dtsch.  Leben  in  d.  Vergangenheit.  Bd.  2.  Hallo,  Buchh.  d. 
Waisenhauses.  VI,  875  S.  M.  0,00.  |[H.lb.  12,  S.  203;  NationB.  8,  S.  378;  MHL.  19,  S.  lll.|)  -  II)  F.  Ratzol,  Anthropo- 
gcographie  oder  GrundzUge    d.  Anwendung    d.  Erdkunde    auf   d.  Gesch.       Stuttgart,  Engelhorn.       XLII,  781  S.      M.  18,00.  — 


81  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  I  5:  12-15. 

gelehrten  Materials  Eine  bestimmte  Anschauung:  die  von  der  Einheit  des  Menschen- 
geschlechts. Alle  Verschiedenheiten  anthropologisclier,  sprachlicher,  socialer,  kultureller 
Art  verschwinden  völlig  vor  der  überwiegenden  Masse  der  Uebereinstimmung  aller 
menschlichen  Organisationen.  Jedes  unbedingte  Operieren  mit  Begriffen  wie  Rasse, 
Nationalcharakter,  Kultin--  und  Naturvolk  wird  ds  bedenklich  widerraten,  und  nachdrttck- 
lich  weist  R.  auf  die  Relativität  aller  dieser  Kategorien,  auf  die  Elasticität  der  Merkmale 
hin.  Auch  die  Verbindungen  der  Völker  werden  über  das  Mass  der  geläufigen  An- 
schauungen gehoben,  so  dass  nicht  nur  die  ursprüngliche,  sondern  auch  die  historisch 
gewordene  Isolierung  als  eine  höchstens  relative  erscheint.  —  Hier  sei  auch  ein  ge- 
schiclitsplnlosophisches  Schriftchen  von  Ritter '2)  erwähnt,  das  die  Gegensätze  der 
Völker  und  Staaten  im  Vergleich  zum  allgemeinen  Bedürfnis  und  Wollen  des  Menschen 
nur  ephemer  sein  lassen  will  und  an  einzelnen  Nationen  namentlich  Westeuropas  zeigen 
mochte,  dass  die  anscheinende  nationale  Dissonanz  schliesslich  zur  Menschheitsharmonie 
sich  entwickelt.  — 

Darstellungen  grösserer  Gebiete.  Als  eine  solche  muss  G.  Stein- 
hausens 13)  Werk,  von  dem  im  Berichtsjahr  der  2.  Teil  erschienen  ist,  aufgefasst  werden. 
Es  wäre  gut  gewesen ,  wenn  schon  im  Titel  ausgedrückt  wäre,  dass  hier  nicht  nur  eine 
Geschichte  des  Briefstils  gegeben  wird,  wie  sehr  viele  vermuten,  sondern  dass  der  Nach- 
druck auf  den  Brief  als  Spiegel  der  geistigen  Entwicklung,  des  Volkscharakters,  des 
geselligen  Verkehrs,  der  jeweiligen  Zeitströmungen  gelegt  wird,  nicht  zu  vergessen  die 
mit  besonderer  Vorliebe  gepflegte  Behandlung,  welche  die  gemütlichen  Kräfte  unseres 
Volkes,  Familiengeist,  Freundschaft,  Liebe,  Humor  usw.  erfahren.  Für  die  Litt«ratur- 
geschichte  fällt  manches  ab,  z.  B.  behandelt  ein  Kapitel  die  Litteratur  im  Briefe  und 
den  Brief  in  der  Litteratur;  die  Briefe  zahlreicher  Litteraturgrössen  werden  beurteilt, 
der  Briefstellerlitteratur,  die  man  in  ihrer  Vergangenheit  nicht  nach  den  heutigen  Brief- 
stellern beurteilen  und  gering  schätzen  darf,  werden  besondere  Abschnitte  gewidmet. 
Für  die  Geschichte  des  Verkehrs  und  des  Verkehrswesens,  der  Post,  Hefert  S.  neue  Bei- 
träge. Die  Menschen  in  iliren  Verliältuiscen  zu  einander  als  Eltern,  Gatten,  Kinder, 
Verwandte,  Freunde,  weiter  die  Frauen  besonders  werden  ausführlich  nach  den  Quellen 
charakterisiert.  TJeberhaupt  verweilt  der  Vf.  mit  Vorliebe  bei  der  Menschenschilderung. 
Die  Bildung,  der  Geist  einzelner  Stände,  der  Fürsten,  des  Adels,  dar  Bürger  erhält  aus 
den  Briefen  mannigfache  Beleuchtung.  Der  politische  Briefverkehr  wird  in  seinen  Eigen- 
tümlichkeiten gerade  so  geschildert  wie  der  gelehrte  und  kaufmännische.  Die  Interessen, 
welche  die  einzelnen  Kreise  oder  das  ganze  Volk  zu  gewissen  Zeiten  beherrschen,  treten 
hervor.  Die  innere  Einteilung  des  Werkes  knüpft  naturgemäss  an  die  Entwicklung 
des  Briefstils  an,  die  im  vorliegenden  Teil  mit  der  alles  beherrschenden  Ausländerei 
einsetzt.  Das  lateinische  und  namentlich  das  französische  Element  des  „deutschen" 
Briefes,  der  Einfluss  der  Kanzlei,  der  Schwulst  im  Brief  wird,  vielleicht  zu  eingehend, 
behandelt.  Eine  Kürzung  hätte  auch  die  Schilderung  des  Tons  der  Briefe,  der  -wider- 
lichen „Komplimentierart",  ertragen.  Die  geringen  Reste  besseren  Geschmacks,  nament- 
lich in  den  Frauenbriefen,  bieten  einen  ei'freulicheren  Ruhepunkt.  Die  eintretende 
Besserung,  die  zunehmende  Natürlichkeit  und  Freiheit  des  Stils,  die  sich  entwickelnde 
Empfindsamkeit  und  Gefühlsschwärmerei,  die  Erreichung  vollkommenster  Individualität, 
daneben  der  unglaubliche  Briefkultus  sind  der  weitere  Gegenstand  der  Darstellung,  die 
bis  zur  vormärzlichen  Zeit  des  19.  Jh.  geführt  wird^^a-f),  — 

Sammelwerke:  von  Hellwald  >*)  hat  27  Aufsätze,  die  namentlich  auf  die 
allgemeine  Kulturgeschichte  sich  beziehen,  in  Buchform  vereinigt.  Wissenschaftlich 
Neues  oder  besonders  Interessantes  soll  darin  nicht  enthalten  sein.  —  Mancherlei  für 
die  Kulturgeschichte  Wichtiges  findet  sich  in  Lübkesi^)  Sammlung.  Ich  erwähne: 
Prachtrüstungen  französischer  Könige  in  Deutschland  von  deutschen  Künstlern  ausge- 
führt. Deutsche  Miniaturen  des  frühen  Mittelalters.  Mitteralterliches  Hausbuch  und 
Hans  Tirols  Holzschnitt.  Ziu-  preussischen  Kulturgeschichte.  Eine  vergessene  Reichs- 
stadt (Dinkelsbühl).  — 

Kulturentwicklung  im  einzelnen.  Darstellungen  einzelner  Epochen 
und  Zeitbilder.  Der  Zeitraum,  mit  dem  die  JBL.  einsetzen,  die  beginnende  Neuzeit, 
hat    im    Berichtsjahr,    wenigstens    nach    einer    bestimmten    Seite    hin,    eine    im    hohen 


12)  Ritter,  NationalitMt  u.  HumanitKt  Desfiau  u.  Leipzig,  Rahle.  58  S.  M.  1,20.  —  13)  O.  Steinhansen,  Gesch.  d. 
deutschen  Briefes.  Z.  KuUurgesch  d.  deutschen  Volkes.  2.  Teil.  Berlin,  Oaertner.  HI.  420  S.  M.  9,00.  |[0.  Roethe: 
HZ.  66,  S.  95-100;  K.  Sallmann:  BLU.  N.  28;  Ph.  Strauch:  DLZ.  12,  S.  786/8;  M.  KoCh:  LMerkur  S.  393/4;  LCBI. 
S.  1752;  Hellinghaas:  LRs.  18,  S.  53/4;  I'rJbb.  S.  284  (alle  durchaus  anerkennend i-H  —  13a)  X  I>.  deutsche  Brief  u.  seine 
Gesch.:  NorddAZgS.  N.  44,  50.  (Auszug  aus  13.)  —  13b)  X  0.  Schwebel,  Z  Gesch.  d.  deutschen  Briefes:  SchlesZg.  N. 
684,  687.  VZg  N.  345,  (Auszug  aus  13.)  —  13c)  X  Z.  Gesch.  d  deutschen  Briefes:  TglRs.  N.  66,  72,  75.  (Auszog  aus  13, 
meist  wörtlich)  —  I3d)  X  Gesch.  d.  deutschen  Briefes:  DVerkehrsZg.  N.  31/2.  (Au'iug  ans  13.)  —  I3e)  X  Gesch.  d. 
deutschen  Briefes:  APost  N.  23/4.  (Auszug,  meist  wörtlich,  aus  13.)  —  I3f)  X  H.  R.,  D.  denUrhe  Brief  im  17.  u.  18.  Jh.: 
HambCorr.  N.  380,  383.  (Auszug  aus  13.)  —  14)  O  P-  T-  Hellwald,  Ethnograph.  R^sselsprBnge.  Knltar-  n.  volksgeseh. 
Bilder  u.  Skizzen.  Leipzig,  Reissner.  416  S.  U.  6,00.  —  15)  W.  LUbke,  Altes  o.  Neues.  Stadien  n.  Kritiken.  Breslau, 
Jahresberichte  fUr  nenere  deutsche  Litteratargcschichte  II  (i|.  ß 


I  5:  ic-.'ij.  (jr.  Öteintiaiisen,  Kultürgeschiclite.  82 

Grade  beachtenswerte  Darstellung  durch  Alwin  Schultz  iß)  gefunden.  Nicht  die 
Menschen  selbst,  nicht  die  Zeitströmung,  nur  das  äussere  Leben  mit  allen  seinen  bunten 
Bildern:  das  ist  der  Darstellungsgegenstand.  Gleichwohl  bietet  das  Buch  für 
unsere  Zwecke  sehr  viel.  Zunächst  charakterisiert  der  V£  die  äusseren  Schauplätze  des 
Lebens,  die  Burgen,  die  Städte  und  die  Dörfer.  Die  Stadt  steht  naturgemäss  im 
Vordergrund.  Ihre  Hauptbauten  werden  geschildert  und  daran  Exkurse  geknüpft,  z.  B. 
geben  die  Wirtshäuser  Anlass  zur  Schilderung  des  in  ihnen  herrschenden  Treibens.  Die 
Einrichtung  der  Privathäuser  tritt  uns  m  allen  Einzelheiten  entgegen.  Die  verschiedenen 
Stände,  Kaufleute.  Handwerker,  Künstler  werden  bei  ihrem  Thun  belauscht.  Wertvoll 
ist  die  Schilderung  des  bisher  wenig  beachteten  bäuerlichen  Lebens.  Weiter  kommt 
dann  der  Vf.  auf  den  Lebensgang  der  Einzelnen,  auf  Erziehung,  Reisen  und  Wandern, 
Heirat,  Eheleben  usw.  Umfassend  ist  der  Abschnitt  über  die  Tracht,  lehrreich  der  über 
die  Eeste,  Vergnügungen  und  Unterhaltungen.  Den  Schluss  bildet  die  Darstellung  des 
Kriegswesens.  So  ist  das  Werk  recht  geeignet,  den  Hintergrund  der  Zeit,  das  äussere 
Leben  und  Treiben  einer  bestimmten  Epoche  zn  veranschaulichen.  Die  Absicht,  „die 
bunte  Aussenseite  des  damaligen  Lebens  zu  schildern",  ist  wirkungsvoll  durch  eine 
grosse  Zahl  sehr  gut  ausgeführter  Abbildungen  unterstützt,  die  alle  aus  zeitgenössischen 
Quellen  stammen.  Auch  in  der  Darstellung  geht  der  Vf.  auf  die  Quellen  zurück,  giebt 
allerdings  oft  nur  nebeneinandergestellte  Quellenauszüge.  Wer  die  geschilderte  Zeit 
litterarhistorisch  behandeln  will,  wird  in  dem  Biich  eine  gute  Quelle  zur  Orientierung 
über  das  „Milieu"  sehen  müssen,  wie  er  andrerseits  die  Litteratur  der  Zeit  in  vielen 
Einzelheiten  a  us  ihm  kommentieren  kann.  —  Die  Zeit  der  Renaissance  hat  einen  neuen 
Darsteller  in  Schaff i'')  erhalten;  in  populärster  Form  wird  von  Schottes)  über  das 
Jahrhundert  der  Entdeckvingen  gehandelt;  seine  Schilderung  des  gesamten  socialen 
Lebens  der  Gegenwart  setzt  Röhr  ich  10)  fort.  —  Wesentlich  geographischer  Natur, 
für  den  Stand  der  modernen  materiellen  Kultur  wie  auch  für  den  Bildungsstand  der 
Bevölkerung  nicht  unwichtig,  aber  für  uns  ohne  besonderes  Interesse  ist  J.  W. 
Richters  2«)  populäre  Zusammenstellung.  —  Unter  den  klehieren  Schriften 21)  und  Auf- 
sätzen, die  zum  Verständnis  einer  einzelnen  Epoche  beitragen  und  die  ich  hier  gleich 
erledigen  will,  befindet  sich  manches  wertvolle  Stück,  vor  allem  ein  Aufsatz  von 
Dilthey—)^  der  an  späterer  Stelle  der  JBL.  noch  besprochen  wird.  —  Mit  einem 
gewöhnlichen  Menschentypus  des  16.  Jh.  beschäftigt  sich  ein'  Aufsatz  G.  Stein- 
hausens23)  im  Anschluss  an  die  von  Höhlbaum  veröffentlichten  Aufzeichnungen  des 
Kölner  Bürgers  Hermann  Weinsberg.  Sie  zeigen  klar,  wie  der  nüchterne  Durchschnitts- 
mensch damals  lebte  und  dachte.  Es  ist  schon  nicht  mehr  der  frische  Zug  in  den 
Menschen,  der  uns  im  14.,  15.  und  am  Anfange  des  16.  Jh.  erfreut.  Und  bald  darauf 
beginnt  Deutschlands  trübste  und  elendeste  Epoche,  über  die  uns  freilich  eine  gute 
Kulturdarstellung  noch  immer  fehlt.  Aber  das  Ende  dieser  Zeit,  da  der  Geschmack 
vom  „alamodischen"  ins  ,, galante"  übergeht,  ist  neuerdings  in  einigen  Partieen  wenigstens 
höchst  charaktei'istisch  und  hübsch  gezeichnet.  In  der  ersten  seiner  anonym  erschienenen 
Studien,  „Das  Tabaksdöschen"  betitelt,  geht  Paul  Hoffmann  24)  zunächst  auf  den 
Kultus  des  Knasters  und  der  Pfeife  ein  (,, es  giebt  eine  Zeit  in  unserer  schönen  Litteratur", 
sagt  Hoffrnann  von  Eallersleben,  „etwa  von  1690  bis  1730,  in  der  jedes  Blatt  nach 
Tabak  riecht"),  dann  auf  die  Mode  des  Schnupfens,  die  den  Dosenkultus  hervorrief 
Selbst  das  „Frauenzimmer"  beteiligte  sich  daran  („Tabak,  beliebte  Kost  der  Nasen, 
Galanter  Hände  Zeitvertreib,  Des  Spötters  Zorn  mag  immer  rasen.  Dich  liebt  und  braucht 
manch  artig  Weib").  Gehört  das  Döschen  aber  namentlich  zum  ständigen  Inventar  der 
galanten  männlichen  Welt,  so  ist  die  Rokokoschöne  ohne  die  mouche,  das  Schmink- 
pflästerchen,  nicht  denkbar.  Erst  spät  macht  sich  das  weibliche  Geschlecht  von  dieser 
Entstellung  frei:  Wieland  bringt  ihr  1773  die  letzte  Huldigung.  Damals  verschwand 
auch  die  Allmacht,  welche  das  L'hombre,  wie  überhaupt  das  Kartenspiel,  a\if  die  galante 
Welt  ausübte.  Namentlich  war  die  Frauenwelt  dem  „L'hombretischgen"  hold  („Unsere 
Leipzigerinnen  treiben  es  so  weit,  als  wenn  sie  ihr  Brod  damit  verdienen  wollten"). 
Seine  interessanten  Studien  schliesst  der  Vf.  mit   einer  Beleuchtung  der    bezeichnenden 


Schles.  Verlags-Anstalt.  VIII,  522  S.  M.  8,00.  -  16)  Alwin  Schultz,  Deutsches  Leben  im  14.  u.  15.  Jh. 
1.  Halbband.  Prag,  Tenipsky ;  Leipzig,  Freytag.  IV,  320  S.  XV  Taf.,  265  Bild.  M.  30,00.  |[M.  Heine:  DLZ. 
13,  S.  472;  G.  Steinhausen:  TglEs.  1892,  N.  177/8;  J.  Lessing:  DRs.  71,  S.  402/5.]|  —  17)  O  Pli-  S  c  haff. 
The  Renaissance.  The  rovival  of  loarning  and  art  in  the  14.  and  15.  centurics.  New-York,  Putinans  Sons.  —  18) 
Th.  Schott,  D.  Jh.  d.  Entdeckungen  in  liiographien  für  d.  gebildete  Jugend.  Stuttgart,  Union.  465  S.  M.  7,00. 
[LCBl.  1892,  S.  479.]|  —  I9)  W.  Röhrich,  D.  Buch  v.  Staat  u.  Gesellschaft.  E.  allg.  Darstellung  d.  gesaraten  socialen  Lehens 
d.  Gegenwart.  10.— 12.  Lfg.  Leipzig,  Biodermann.  S.  289-384.  je  M.  0,40.  —  20)  J.  W.  Richter,  Deutschland  in  d. 
Kulturwolt  E.  geogr.-statist  Vergleich  unseres  Vaterlandes  mit  d.  hervorragendsten  Lllndergebieten  d.  Erde.  Leipzig,  Voigt- 
Iftnder.  Vlll,  367  S.  M.  C,00.  —  21)  O  X  Chr.  Aieyer,  E.  deutsche  Stadt  im  Zeitalter  d.  Humanismus  u  d.  Renaissance.  (= 
Samml.  gemeinverstUndl.  Vorirr.  122).  Hamburg,  Verlagsanstalt.  36  S.  Jl.  0,80.  —  22)  W.  Dilthey,  Auffassung  u.  Analyse 
d.  Menschen  im-  15.  u.  16.  Jh.  (S.  u.  II  1.)  —  23)  G.  Steinhausen,  Leben  u.  Meinungen  e.  Durchschnittsmenschen  vor 
8   jhh.:    TglRs.  N.    184,    187.    190.    —    24".   (S.    n.    III  1:    39—42.)    —    25)    0.    v.    Leiiner,    1888  bis  1891.    Sociale  Briefe 


83  G.  Steinhausen,  Kulturgegchichte.  I  ."i:  2«  <-». 

Worte  „artig  und  galant"  ab  und  fharaktcrisiert  damit  in  Kürze  das  Bildungsideal  des 
Rokoko.    —    Nicht   Holoho    intime  Schildennigon,    sondern    breit    ausgoführte  Zeitbilder 

fiebt  von  Leixner^S)  in  den  liriofon,  die  das  heutige  Leben^«)  oft  recht  grell  beleuchten. 
)ie  Zustände  der  deutschon  Hauptstadt,  in  einer  Hinsicht  für  das  grossstädtischo  Leben 
fiborhaupt,  in  anderer  doch  wieder  nur  fVir  das  deutsche,  speciell  norddeutsche  Leben 
charakteristisch,  werden  unparteiisch  blossgelegt.  Das  Berliner  Familienleben,  die  Ge- 
sellschaft, die  einzelnen  Stünde,  die  sittlichen  Anschauungen,  die  recht  betrübenden 
wirtschaitlichon  Zustünde,  die  litterarische  und  Kunstwelt,  endlich  die  socialdemokratische 
Strömung  sind  die  Hani)tgegcn8tünde  der  Darstellung.  Das  Buch  hat,  nicht  immer  in 
die  Tiefe  gehend,  abgesehen  von  seiner  löblichen  Tendenz,  Wert  als  ein  nicht  parteiisch 
gefärbtes  Bild  heutiger  Kultur.  —  Das  heutige  deutsche  Leben  in  französischer  Be- 
leuchtung zeigt  eine  Skizze -7),  die  sich  mit  einem  albernen  Aufsatz  der  Revue  des  deux 
mondes  beschäftigt.  — 

ramilienleben,  häusliches  Leben,  Frauen.  Unserem  rasch  hastenden, 
hyperegoistischen  und  hyperindividualistischen  Geschlecht  droht  mehr  und  mehr  ein  be- 
lebendes Element  abhanden  zu  kommen,  das  allein  die  Gesundheit  und  die  Kraft  jeder 
grösseren  Gemenischaft  verbürgt:  der  Familiensinn.  Die  Familie  der  Vergangenheit  hatte 
ein  festeres  Gefüge,  in  ihr  fand  der  Einzelne  wahren  Halt.  Diesem  Familiengeist  und 
Familienleben  früherer  Zeiten ''^'*--^)  nachzugehen,  hat  aucli  ohne  Tendenz  ein  hohes  kultur- 
historisches Interesse.  Cettys'*^)  nicht  wissenschaftliches,  aber  doch  meistens  auf 
ursprüngliche  Quellen  gegründetes  Buch  hat  zwar  jene  Tendenz,  der  Gegenwart  einen 
Spiegel  vorzuhalten,  aber  es  ist  doch  auch  sonst  lehrreich  und  zeigt  Familiengeist  und 
-leben,  Erziehung,  Bräuche,  Geselligkeit  der  Vergangenheit  in  klaren  Umrissen.  Mit 
Recht  betont  er  die  Frömmigkeit  der  alten  Familie,  aber  er  schliesst  dabei  doch  zuviel 
aus  den  für  die  Vergangenheit  so  charakteristischen  frommen  Formen,  Formeln  und 
Sprüchen.  Das  war  konventionell.  Bei  jenen  frommen  Haussprüchen  dachte  man  sich 
nicht  mehr  als  der  Kaufmann  des  IG.  Jh.,  der  auf  den  Frachtbrief  schrieb  „Im  Namen 
Gottes  geladen".  Zum  Teil  beruht  das  Buch  auf  den  frfüier  allgemein  geführten  Haus- 
büchern und  Familienchroniken.  So  werden  die  Aufzeichnungen  A.  Dürers,  J,  Stolzens, 
J.  Joners  u.  a.  erwähnt.  ^  Solche  Familienchroniken  oder  aber  jene  kurzen  Notizen  in 
den  früher  beliebten  Schreibkalendern  sind  auch  sonst  als  beachtenswerte  Quellen  hin- 
gestellt^'-^^).  Mehr  politisch  als  kulturhistorisch  interessant  ist  die  von  Chr.  Meyer**) 
veröffentlichte  Chronik  des  Ritters  Ehenheim;  über  den  Kreis  der  Familie  gehen  auch 
grössteuteils  zwei  von  Grössler  •^-''j)  hervorgezogene  bürgerliche  Familienchroniken  aus 
dem  18.  Jh.  hinaus,  die  namentlich  öffentliche  Ereignisse,  Mordgeschichten  u.  dgl.  ver- 
zeichnen, aber  auch  durch  wirtschaftliche  Notizen  wertvoll  sind.  —  Eines  der  charak- 
teristischen Momente  des  alten  Familiengeistes  ist  die  Allmacht  des  Vaters.  Ein  Aus- 
fluss  derselben  sind  die  häufigen  schriftlichen  Lebensanweisungen  für  die  HeiTen  Söhne 
in  der  IVemde^^).  Es  können  hier  die  Skizzen,  die  Th.  Vetter  ^7)  nach  den  Briefen 
Lord  Chesterfields  an  seinen  Sohn  giebt,  wenigstens  erwähnt  werden,  obgleich  hier  ein 
Engländer  spricht.  Uebrigens  studierte  der  Sohn  in  Deutschland.  —  Li  die  häuslichen 
Zustände  im  Bürgerhause  des  ausgehenden  16.  Jh.  führt  uns  eine  Arbeit  Eids**),  die 
über  die  übliche  kulturhistorische  Dilettantenschriftstellerei  vielfach  erheblich  hinausgeht. 
Die  Angaben  des  „Inuentarium  und  verzaichnus  aller  ligender  vuid  Farender  habe  viind 
guettere"  des  Bürgers  Niclaus  Scheffer  zu  Moschel  werden  zu  einem  hübschen  Kultur- 
bild verarbeitet  —  Ein  seit  langem  beliebtes  kulturhistorisches  Thema,  die  Fraueii- 
schilderung,  hat  wieder  einmal  mehrere  Liebhaber  gefunden;  unter  den  Arbeiten  von 
Lina  Morgenstern  ^ö),  de  Witt^O)  ^nd  Cauviere-*')  ist  freilich  keine  allzube- 
deutend^ia).  —  Da3s  den  Frauen  zu  ilirer  Bestimmung,  der  Ehe,  nicht  bloss  in 
neuester  Zeit  durch  die  Annonce  verhelfen  wurde,  zeigt  eine  unbedeutende  Skizze  von 
J.  Paul42).  _ 

aus  Berlin  mit  bes.  Berllcksiohtigung  d.  socialdemokratischen  StrHrnaogen.  Berlin,  PfeiUtUcker.  XVI,  392  S.  M.  4,00.  KGreni- 
boten  III,  S.  'J8ä  |]  —  26)  X  Moderne  Menschen.  Zeit-  u.  Sittenbilder  aas  d.  Ovheimkamers  e.  Amateurs.  2.  Taa^'snd 
Wiesbaden,  Mobr.  III,  78  S.  M.  1,00.  —  27j  Leben  u.  Sitten  im  Lande  d.  deiit^cheo  Barl>aren:  Qr«Dxbolen  SO.  II.  S.  2&:t,8. 
28)  X  M.  de  Zinidgrodzki,  La  ini-re  et  l'enfant:  RTF.  6.  S.  3()— 48.  -  29)  X  »•  Vallery- Rado  t ,  .**eiitiment«  de 
fuinille  I5T0— 1801:  RPL.  24,  S.  8— L>.  —  30)  U.  Cetty,  D.  altelsSssische  Familie.  Einzige  genehmigte  lehersetzung  aas  d. 
Französ.  Freiburg  i.  B.,  Heider.  XI,  228  Ö.  M.  2,00.  —  31)  X  J-  Rathgeber,  Aus  e.  elsss-t.  Familienchronik. 
JbGElsLotlir.  7,  S.  123/7.  -  32)  X  E-  Martin,  Notizen  e.  Strassburger  BBrgers  am  1625:  Ib.  S.  109-16.  —  3S)  X 
G.  SteinhauHon,  Au»  alten  .Schreibkalendem:  ZDKG.  NF.  2,  S.  113/6.  —  34)  Chr.  Meyer,  D.  Familienchronik  d.  Kitters 
Michel  T.  Ehenheim:  ib.  NF.  I,  S.  69—96  u.  123—46.  —  35)  H.  GrOssler,  Zwei  FamiUen-Chroniken  d.  18.  Jh.  aus  HelfU 
u.  Eisleben:  MansfeldBll.  5,  S.  66—122  —  36)  X  F.  Katt,  Vaterl.  Ermahnungen  ror  2  Jlib.:  Brief  v.  Beichlingo  an  seinen 
Sohn  Wolf  Dietrich :BurschenschBll.  5,  S.  16,'7.  —  37)  Th.  Vetter,  Rat.ichl»ge  e.  englischen  Vaters  an  seinen  Sohn:  NZBriehZg. 
N.  159,  162/4.  —  38)  L.  Eid,  lu  Bürgers  Haus  u.  Hof  um  1597.  E.  Bild  pfalaiscber  Kultur:  MHVPfala.  15,  8.  41-80.  — 
39)  Lina  Morgenstern,  D.  Frauen  d.  19.  Jh.  Biogr.  u.  kulturhist.  Zeit-  u.  Charaktergemilde.  27— S4.  (3.  Folge  3—10  HJt) 
Berlin,  Verlag  d.  DUausfrauenZg.  S.  65—320.  je  M.  0,50.  —  40)  de  Witt,  Les  femmes  dans  l'histoire.  2.  Edition. 
Paris,  Hachette  &  Co.  402  8.  iivec  80  grayures;  —  41)  J.  Cauviere,  De  la  condition  de  la  lemme  depuis  Tantiquit^  ju^qn'i 
nos  jours.  Marseille,  Iiupr.  Marseillaise.  22  S.  —  4la)  X  O-  Gräfin  t.  Streitberg,  D.  Enterbten,  Gefallenen  a.  Verlorenen. 
.     E.  Beitrag  z.  Kulturgesch.  d.  Weibes.     Berlin,  Fried.    88  S.     M.  1,50.    (lüt  nicht  historisch.)  —  42)  J.  Paul.  Durch  d.  Zeitun:;: 

6' 


r 


I  5:  43-62.  Gr.  Steinha Visen,  Kulturgeschichte.  84 

Geselliges  Leben,  Spiele  und  Feste.  Die  Fortschritte  der  geselligen 
Kultur  lassen  sich  recht  gut  an  der  Entwicklung  der  Anschauungen  über  den  geselligen 
Anstand  betrachten,  die  wieder  freilich  mit  der  allgemeinen  Entwicklung  eng  zusammen- 
hängt. Diesen  Zusammenhang  der  allgemeinen  Zeitströmung  mit  der  Umwandlung 
der  Anstandsbegriffe  hätte  Denecke ^3)  in  seiner  fleissigen  Arbeit  noch  mehr  be- 
tonen sollen.  Er  verfolgt  die  Entwicklung  des  Anstandsgefühls,  namentlich  durch 
Wiedergabe  der  jeweiligen  Anstandsregeln,  in  Deutschland  vom  11.  bis  18.  Jh.  Ganz 
richtig  ist,  dass  schon  vor  den  ersten  Anfängen  des  höfischen  E,itterwesens  von  durch- 
aus höfischem  Verkehr  die  Rede  sein  kann.  Das  Rittertum  bildete  den  geselligen  An- 
stand dann  weiter  aus  zu  einer  konventionellen  Etikette.  Das  aufkommende  Bürgertum 
schuf  sich  trotz  vielfacher  Anknüpfungspunkte  neue  Anstandsiehren.  Als  charakteristisch 
stellt  D.  „Betonung  des  ursprünglich  menschlichen  Anstandes  und  Zurücktreten  des  weib- 
lichen Geschlechtes"  hin.  Für  den  bekanntlich  damals  massgebenden  Einfluss  des 
Bürgertums  ist  es  bezeichnend,  dass  sich  der  Fürstenstand  gesellschaftlich  von  dem 
vornehmen  Bürgerstand  kaum  unterschied.  Als  dritter  Abschnitt  folgt  dann  in  der  Ent- 
wicklung die  Charakterisierung  der  widerlichen  und  in  Servilität  und  Gemeinheit  auf- 
gehenden Komplimentierart,  von  der  man  sich  langsam  losringt.  D.  hätte  aber  nicht 
vergessen  sollen  anzuführen,  dass  auf  jenen  namentlich  aus  Frankreich  stammenden 
Formen  im  Grunde  unsere  heutigen  Formen  („ich  habe  die  Ehre"  usw.)  beruhen.  Nur  von 
der  ceremoniellen  Umständlichkeit  und  Hyperservilität  des  früheren  Deutschen  hat  man 
sich  frei  gemacht.  —  Ein  kleines  Produkt  des  modernen  Verkehrs,  die  Visitenkarte, 
bespricht  Grand-Carteret^'*);  kleinere  Publikationen  von  Edw.  Schröder^»)  und  von 
Heinematin*^)  beschäftigen  sich  mit  anderen  Dokumenten  des  geselligen  Verkehrs 
früherer  Zeit^').  —  Den  Luxus  desselben  zeigen  die  früher  ausserordentlich  häufig 
erlassenen  „Ordnungen",  deren  einige  auch  im  Berichtsjahr  von  P.  Lemcke''8)  veröffent- 
licht sind.'^^a)  —  Zur  Geschichte  der  deutschen  Geselligkeit  trägt  zum  Teil  auch 
F.  Webers^ö)  Darstellung  der  geselligen  Tafelfreuden,  der  Trinksitten  usw.  bei.  So 
wird  z.  B.  das  alte  deutsche  Nationallaster,  der  Trunk ^0-52^^  {^^  seiner  Entwicklung  ver- 
folgt.—  Die  Stätten,  in  denen  vor  allem  dem  Trunk  gehuldigt  wird^Sa)^  die  Wirtshäuser, 
und  weiter  die  Gasthöfe  älterer  Zeit  findet  man  in  von  Liebenaus^^^  Buch,  im  wesent- 
lichen einer  grossen  Notizensammlung,  geschildert  und  durch  Illustrationen  veranschau- 
licht. —  Unter  den  Festlichkeiten  der  Vergangenheit  haben  die  Fastnachtslustbarkeiten 
eine  grosse  Rolle  gespielt.  Ueber  eine  solche  vom  Jahre  1657,  ein  Kübelstechen,  „bei 
welchem  sich  die  Kämpfenden  in  hölzerne  Kübel  oder  Bottiche  steckten  und  in  dieser 
Ausrüstung  gegen  einander  anritten",  giebt  Bosch  ^4)  nach  einer  Hs.  des  Germanischen 
Museums  willkommene  Mitteilungen.  —  Zur  Geschichte  der  Spiele 55-57")  nnd  Feste57a-60^ 
sind  manche  Beiträge  geliefert  worden,  die  zum  Teil  in  das  Gebiet  der  Volkskunde  ge- 
hören. —  Für  die  deutsche  Kulturgeschichte  hat  auch  Lagardes^i)  mit  der  üblichen 
Polemik  gepfefferte  Abhandlung  kein  unmittelbares  Interesse,  da  sie  sich  mit  der  Ent- 
stehung des  christlichen  Weihnachtsfestes  beschäftigt,  dessen  Einsetzung  Usener  chrono- 
logisch fixiert  hat.  Andererseits  könnte  uns  die  Arbeit  einen  nicht  gerade  erfreulichen 
Beitrag  zur  Geschichte  des  heutigen  Gelehrtenlebens  geben.  Damit  komme  ich  zu 
Schilderungen  der  geistigen  Entwicklung.  — 

Geistige  und  gemütliche  Entwicklung.  Den  Spuren  der  deutschen 
Scholaren,  speciell  der  Rechtsliörer  in  Italien,  nachzugehen,  hat  sich  Luschin  von 
Ebengreuth62)  zur  Aufgabe  gestellt.  Er  fährt  mit  den  1886  begonnenen  Berichten 
über  seine  Forschungen  in  den  Archiven  Bolognas  und  Paduas  fort.     Nach  diesen  Mit- 


Didaskalia  N.  76.  (Frülieste  Heiratsannonce  v.  8.  Juli  1738.)  —  43)  A.  Deneckc,  Beitrr.  z.  Entwicklung  d.  gesellseh. 
Anstandsgefühls  in  Deutschland.  Progr.  Gyinn.  z.  Heil.  Kreuz,  Dresden.  Leipzig,  Fock.  4".  XXXIII  S.  M.  1,20.  |[R. 
M.  Meyer:  ADA.  17,  S.  331.] |  —  44)  J.  Grand-Carteret,  La  carte  de  visite  ä  travcrs  2  siöcles:  RPL.  47,  S.  149—64.  — 
45)  Edw.  Schröder,  Neujahrswunsch  a.  d.  J.  1520:  KBlVNiederd.^pr.  14,  S.  85.  —  46)  0.  v.  Heinemann,  Einladung  z. 
e.  Kindtaufo  1471:  ib.  S.  6.  —  47)  (IUI:  17.)  —  48)  P.  Lomcke,  Verlobungs-,  Hochzeits-  etc.  -Ordnungen  d.  Stadt  Nord- 
hausen: HarzerMh.  2,  S.  54/6.  —  48a)  X  I'-  Jacob  i,  Ueber  Missbräuche  bei  Hochzeiten,  Taufen,  Leichenbegängnissen  etc.  in 
Homburg  im  17.  u.  18.  Jh.:  MVGHomburg  4,  S.  11-20.  —  49)  O  F-  Weber,  Gastronomische  Bilder.  Beitrr.  z.  Gesch.  d. 
Speisen  u.  Getränke,  d.  Tischsitten  u.  Tafelfreuden  verschiedener  Völker  u.  Zeiten.  2.  Aufl.  Leipzig,  Weber.  12".  XVI,  348  S. 
M.  5,00.-50)  X  Deutscher  Durst:  Didaskalia  N.  282.  (Auszug  aus  N.  49.)  —  51)  X  A.  Birlinger,  Ex  Bibosophia :  Alemannia 
19,  S.  28—31.  —  52)  X  A.  Treichel,  D.  Lied  v.  Krambambuli:  AltprMschr.  28,  S.  338—44.  —  52a)  X  A.  Plaumann, 
Breslaus  Wirtsstuben  sonst  u.  jetzt:  SchlesZg.  N.  627,  630.  —  53)  O  Tli-  v.  Liebenau,  D.  Gasthof-  u.  Wirtshauswesen  d. 
Schweiz  in  älterer  Zeit.  Mit  61  Illustrr.  Zürich,  Preuss.  X,  347  S,  M.  12,50.  |  [HJb.  12,  S.  205;  SchwcizKs.  S.  449  f.]  |  — 
54)  H.  Bosch,  Fastnachtsbelustiguug  im  J.  1657:  MGNM.  S.  22/4.  -  55)  X  C.  W.  Luders,  D.  Kaak-Spiel :  MVHamburgO. 
13,  S.  46/8.  —  56)  X  H.  Hein  eck,  E.  latein.  Schulgespräch  über  d.  Schmaräkel-Kegolspiel  aus  d.  J.  1696  ins  deutsche  über- 
tragen V.  H.  Grössler:  MansfeldBU.  6,  S.  155—63.  —  57)  X  A.  Schmidt,  E.  Schweizer  Kartenspiel  aus  d.  Anfang  d. 
16.  Jh.:  QBllHVHessen.  1,  S.  88-93.  —  57a)  X  H.  Dollmeyer,  D.  Schützenwesen  d.  Stadt  Hörn  im  Zeitalter  d.  30j.  Krieges: 
BVLNioderösterroich.  NF.  25,  S.  206-23.  —  58)  X  I'-  Tobl  er,  Ueber  schweizer.  Gemeindefeste:  NZürichZg.  N.  78.  (Setzt 
d.  grösseren  Natioualfosten  d.  Scliweiz  die  alten  lokalen  Feste  gegenüber,  die  d.  Charakter  grösserer  Traulichkeit  u.  Innigkeit 
zeigen.)  -  59)  X  U.  Stehle,  Volkstümliche  Feste  etc.  im  Elsass:  JBGElsLothr.  7,  S.  200/6.  (Vgl.  1890  I  5:  62.)  —  60)  X 
H.  Krallinger,  Ueber  Frühlings-,  Gregorius-  n.  Rutenfeste:  Bayerland  2,  S.  42/4.  —  61)  P.  de  Lagarde,  Altes  u.  Neues 
über  d.  Weihnachtsfest.    Mit  e.  Anhang.     Göttingen,  Dieterich.    S.  211—323  u.  384—421.  M.  2,00,  —  62)  Luschin  v.  Eben- 


85  G.  Steinhausen,  Kulturgescliichte.  I  5:  «3-77. 

feiluiifzion  muss  der  geistige  Eiiiiluss  Italiens  auf  Doutscliland  im  Mittelalter  und  der 
l)egiiiiionflen  Neuzeit  ausserordentlich  gross  gewesen  sein.  Wer  heherrschto  denn  auch 
die  Welt,  nachdem  längst  das  Imperium  Romanum  in  Trümmer  gesunken  iHt?  Rom, 
die  „ewige  Stadt"");  denn  sie  war  der  Sit>z  der  ersten  geistigen  Macht,  der  Kirche. 
Und  auch  nacJi  dcun  Ansturm  des  Wittenberger  Mönchs  blieb  der  römische  Einfluss 
bestehen.  8o  hatte  der  Humanismus  denselben  gerade  belebt.  Wieder  sollte,  wie  einst, 
für  alle  gelehrten  Produkte  die  lateinische  Sprache  allein  giltig  sein.  Lateinisch  war 
auch  die  Sprache  des  Lehrstuhls.  Dagegen  traten  erst  um  die  Wende  des  17.  Jh. 
Neuerer  auf;  einige  schwache  Anfänge  machen  sich  schon  zu  Beginn  des  16.  Jh.  (Tile- 
mann,  Hevelitjg  und  vor  allem  Theophrastus  Paracelsus)  bemerkbar.  Hoder- 
mann*»^)  hat  darCiber  gehandelt,  vorzugsweise  natürlich  über  den  Thomasius,  der  zu 
Leipzig  dieses  „noch  nie  erluirte  Crimen"  beging.  Wie  Schupp  schon  vor  Thomasius, 
so  begannen,  dui'ch  ilui  angeregt,  hie  und  da  Scribenten  vae  der  Professor  Grau,  Caspar 
Büszing,  seine  berechtigten  Jdeen  zu  verfechten,  ohne  dass  diesen  Verfechtern  eine 
grosso  Bcdeutiuig  zukommt.  Auf  die  nun  bemerkbaren  wirklichen  Anfange  und  die 
Ausbreitung  des  deutschen  Kathedervortragos  geht  der  Vf.  zu  wenig  ein.  l5em  Thoma- 
sius gebührt  aber  jedenfalls  das  Hauptverdienst.  Es  steckt  in  ihm  schon  viel  vom 
modernen  Menschen.  Das  zeigt  vor  allem  auch  sein  Kampf  gegen  die  vorbolirte  theo- 
logische Macht,  der  schon  eine  Komfidie  ein  Verbrechen  schien  ö*),  und  sein  Kampf 
gegen  den  Aberglauben,  gegen  die  Hexenverfolgungen.  Das  elende  SHkulum,  durch  so 
viele  hässliohe  Züge  sonst  schon  entstellt,  gefiel  sich  auch  in  dieser  Verzerrung.  Der 
Aberglauben  —  ich  handle  in  diesem  Abschnitt  nur  von  ihm,  sobald  er  als  auükllige 
geistige  Strömung  auftritt,  vom  Volksaberglauben  dagegen  bei  der  Volkskunde  —  fülu*te 
in  dieser  Zeit  zu  wirklichen  Tragödien 66).  Diese  Hexenprozesse  haben  eine  ganze 
Reihe  von  Scliilderungen  oder  Publikationen  im  Berichtsjalu-  hervorgerufen'"-").  Nament- 
lich für  Oesterreich  sind  interessante  Beiträge  gegeben.  So  behandelt  Meli '2)  das 
Hexenwesen  in  Steiermark.  Von  Hammer-Purgstall  ist  einer  dieser  steirischen  Prozesse, 
der  Massenprozess  zu  Peldbach  (1G72 — 74),  im  Roman  verwertet  („Die  Gallerin  auf  der 
Riegersburg").  M.  legt  die  Aussagen  der  Angeklagten,  die  „Geständnisse",  zu  Grunde, 
geht  auf  die  Art,  wie  der  Teufel  und  der  Verkehr  mit  ihm,  auf  die  Teufelsdogmatik, 
auf  das  Gerichtsverfahren  selbst  und  einzelne  Prozesse  ein,  so  auf  einen  seltenen  Fall, 
in  dem  ein  Weib  trotz  aller  Grade  der  Folter  nichts  bekannte  und  ohne  Lüge  starb.  — 
Einen  kärntnerischen  Prozess  aus  dem  Jahre  1715  behandelt  Aichelburg '♦);  man  sieht 
daraus,  wie  der  Beschuldigte  auf  der  Folter  leicht  dahin  zu  bringen  war,  auch  andere 
zu  belasten  und  so  einer  „wahnsinnig  gewordenen  Justiz"  immer  neue  Opfer  zu- 
zuführen. —  Wertvoll  ist  das  Buch  von  Rapp'^^),  das  in  erster  Auflage  1874  erschien, 
einerseits  weil  es  uns  in  die  älteste  Zeit  der  Hexenprozesse,  die  diu-ch  die  Bulle  des 
Papstes  Innocenz  VIII.  1484  flu-  Deutschland  organisiert  wurden,  andererseits  weil  es 
auf  die  frühen  Gegner  dieser  furchtbaren  Richtung  eingeht.  Der  Hexenmeister  Heiiuich 
Institoris,  der  1485  in  Tirol  erschien,  musste  wieder  von  dannen:  „der  Bischof  schaffte 
den  Liquisitor  zum  Lande  hinaus".  Gegen  Ende  des  IG.  Jh.  tritt  in  Tirol  als  Gegner 
der  Hexenverfolgungen  der  P.  Tanner  auf,  dessen  massvolle  Ansichten  ausführlich  dar- 
gelegt werden,  am  Anfang  des  18.  Jh.  ein  Weltgeistlicher  Tartarotti,  dann  der  Priester 
Ferdinand  Sterzinger,  deren  Wirken  uns  ebenfalls  anschaulich  vorgeführt  wird. 
Sehr  willkommen  sind  die  Beilagen:  „Aus  den  ältesten  Akten  von  Hexenprozessen  im 
deutschen  Südtirol".  Bemerkenswert  ist,  dass  Tanner  Jesuit  war  ebenso  wie  der  be- 
kannte Spee,  der  das  Abscheuliche  der  Hexenprozesse  stark  empfand 'S).  —  Darauf 
möchten  sich  am  Ende  die  Verteidiger  des  Jesuitenordens  berufen,  zu  denen  neuerdings 
Duhr^ö)  gekommen  ist:  er  versucht,  einzelne  „Fabeln",  z.  B.  die  Monita  secreta  der 
Gesellschaft  Jesu,  Verpflichtung  zur  Sünde  usw.  zu  entkräften.  Er  wird  freilich  von 
der  Vortrefflichkeit  des  Ordens  Jesu  doch  nicht  alle  Leser  überzeugen  können").     Sie 


greuth,  Quellen  z.Goscli.  deutsdior  RochtsIiOrer  in  Italien:  SBAkWienPli.  124,  N.  XI.  —  63)  X  L-  Frlnkel,  Rom.  d.  ewig« 
Stadt  d.  WeltRcsch.  u.  d.  Dciitsilion:  DoutscLZg.  N.  7010.  (Einleitungskapitel  z.  e.  Studie  über  Koni  u.  d.  deutsche  Litteratnr.) 

—  64)  R.  H odermann,  Iniversitatsvorlesungon  in  deutscher  Sprache  um  d.  Wende  d.  17.  .Ih.  (Vgl  u.  I,«.)  —  65)  X  Oeorg 
Minier,  E.  Dresdener  Komödienverbot  v.  J.  1662:  NAS«chsG.  12,  S.  298-309.  (S.  1890  III  4  :  1.3.)  -  66)  X  R-  Kleinpanl, 
Tragödien  n.  Komödien  d.  AbergUubons :  Gaitenlaube  N.  11.  -  67)  X  0-  Strecker,  Z.  Gesch.  d.  Hexenproiesse  in  Pommera: 
MHIIGPomraG.  5,  S.  145/9.  —  68)  X  0.  Kurth,  Ankliigoschrift  aus  e.  Heienprozesse:  Blr  17,  S.  7  9,  16  7.  (Krcienwalde  1644.) 

-  69)  X  C.  Stamford,  E.  Prozess  v.  d.  peinl.  Halsgericht:  ZVHessG.  NF.  16,  S.  285-314.  -  70)  X  L.  Ab»»i,  E.  Hezen- 
prozess:  Hazilnk  9,1,  S.  72/4.  (1763.)  —  70a)  X  J-  Schillingcr,  D.  Hexenproiesse  im  ehemaligen  FBrst«ntum  B*sel:  YJnni 
zSchwarzwald  8,  S.  1-44.  —  70b)  X  E.Hermann,  D.  Hexen  t.  Baden-Baden.    Karlsruhe,  Macklot    12«.    56  S.    M.  1,00.  — 

71)  X  K.  E.  H.  Krause,  E.  Mecklenburger  Heienlied:  RostockZg.  N.  379.  (Vgl.  ib.  N.  422,  d.  Lied  ist  nur  d.  Rwt  e.  Dich- 
tung V.  Dräger.     Wenn  man  nur  nicht  alles,  was  das  Volk  singt  n.  redet,    sogleich  original  u.  altertOmlich  finden  wollte.')  — 

72)  A.  Meli,  Z.  Gesch.  d.  Hexenwesens:  ZDKG.  NF.  1,  S.  317-35.  -  73)  M.  Frelh.  t.  Aichelburg,  D.  Prozess  d.  Peter 
Eiizi.  E.  Beitr.  z.  Kulturgesch.  d.  18.  .Ih.:  Carinthia  I.  81,  S.  76-80.  —  74'»  L.  Rapp,  D.  Hexenproiesse  u.  ihre  Gegner  in 
Tirol.  2.  Antl.  Mit  dem  Bildn.  TarUrottis.  Brixen,  Weger.  V,  171  S.  M.  1,60.  —  75)  X  Linsemann,  Bapp,  D.  Heien- 
prozesse;  Ammann,  d.  Innsbmcker  Hexenprozess  v.  1485:  ThQ.  73,  S.  666—73.  —  78)  B.  Dohr  8.  J.,  Josuitenfabeln. 
E.  Beitr.  z.  Kulturgesch.    Lfg.  1-2.    Freiburg  i.  B.,  Herder.    YlII,  220  S.  je  M.  0,90.  -  77)  X  0.  Oildemeister,  Jesuiten- 


15:  77a-87.  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte;  86 

sind  und  bleiben  für  die  Mehrzahl  die  Prototypen  jener  engherzigen  Weltanschauung, 
deren  Charakteristikum  die  Bekämpfung  Andersgläubiger ''■'a)  mit  allen  Mitteln  ist,  jener 
Anschauung,  aus  der  auch  die  ganze  Hexenverfolgung  hervorging.  —  Es  ist  übrigens 
nicht  leicht,  sich  über  den  Ursprung  dieses  Hexenwahns  klar  zu  M^erden.  Man  darf 
eine  grosse,  ungeheure,  aber  doch  nicht  alle  Schuld  den  Verfolgern  zusprechen:  es 
scheint,  als  ob  gewisse  Thatsachen  unbestreitbar  sind;  sie  wurden  nur  von  der  Unver- 
nunft der  Zeit  dem  Teufel  statt  anderen  Ursachen  zugeschrieben.  Snell'^^),  der  die 
Geschichte  des  Hexen wahns''^)  eingehend  untersucht,  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  die 
angebliche  „Besessenheit"  oft  nur  ein  Krankheitszustand  war.  So  nimmt  er  als  Grund- 
lage der  Selbstanklagen  einen  geisteskranken,  melancholischen  Zustand  an.  Die  meisten 
„Hexen"  waren  aber  seiner  Ansicht  nach  hysterisch.  Die  „Besessenheit"  stimmt  nach 
ihren  Symptomen  häufig  mit  Hysterie  überein,  auch  in  der  Möglichkeit  der  Ansteckung. 
Die  somnambiilen  Zustände  sind  ebenfalls  nicht  ausser  Acht  zu  lassen.  Einige  haben 
Hexen  ausdrücklich  als  „mesmerische  Patienten"  bezeichnet.  —  Wir  kommen  damit  in 
das  Gebiet  jener  mystischen  „Thatsachen",  für  die  Kiesewe'tter  §0)  neuerdings  den 
Ausdruck  „Occultismus"  angewandt  hat.  K.  hat  denselben  in  einem  umfangreichen  und 
sehr  fleissigen  Werke  in  seiner  historischen  Entwicklung  zu  verfolgen  gesucht.  Frei- 
lich ist  das  Buch  nichts  weniger,  als  kritisch,  denn  der  Vf.  steht  ganz  auf  dem  Boden 
der  „Geheim Wissenschaft".  Einen  Wert  hat  die  Schrift  nur  als  Materialsammlung. 
In  breiter  Ausführlichkeit  werden  die  Ansichten  des  Agrippa  von  Nettesheim,  des 
Paracelsus,  des  Cardanus  usw.,  später  Swedenborgs,  J.  Böhmes  u.  a.  bis  auf  Carl  du 
Prel  meist  durch  Auszüge  aus  ihren  Schriften  vorgeführt,  bei  denen  Wesentliches  und 
Unwesentliches  nicht  geschieden  ist.  Der  Vf.  sagt  selbst,  er  habe  nichts  gethan,  als  das 
riesige  Material  „historisch  gruppiert".  Viel  Mühe  hat  er  auf  bibliographische  Angaben 
verwandt.  —  In  populärer  Porm  behandelt  den  „modernen  Aberglauben"  J.  Uhl^ij,  indem 
er  den  Wundem  des  Spiritismus  scharf  zu  Leibe  geht  oder  sie  auf  ihren  eigentlichen 
Wert  zurückführt.  —  Dass  aber  dem  angeblich  civilisierten  Menschen  der  Aberglaube  noch 
tief  im  Herzen  sitzt  ^-),  das  zeigt  auch  jener  immer  noch  nicht  ausgerottete  Blutaberglaube, 
den  Strack  83)  behandelt.  Rituelle  Vorschriften  der  Juden  fordern  das  Blut  nicht,  der 
Aberglaube  hat  aber  zu  allen  Zeiten  Menschenblut  gefordert.  —  Einen  Beitrag  zur  Gesclüchte 
der  geistigen  Entwicklung  unseres  Volkes  giebt  G.  Steinhausen  ^4)^  indem  er  die 
Lieblingslektüre  desselben  verfolgt.  Von  einer  solchen  lässt  sich  im  Mittelalter  kaum 
im  allgemeinen  sprechen.  Der  Geistliche  betrachtete  die  antiken  Schriftsteller  als  ver- 
botene Frucht,  naschte  aber  gern  davon.  Die  Laien,  soweit  sie  überhaupt  lesen  konnten, 
nahmen  neben  den  Erbauungsbüchern  hier  inid  da  auch  weltliche  Sachen  zur  Hand, 
namentlich  die  Frauen.  Erst  nach  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  entstand  ein 
allgemeines  Lesebedürfnis:  neben  der  Erbauungslitteratur  sind  die  Volksbücher,-  Lieder- 
sammlungen und  Schwanke,  dann  die  zahllosen  „fliegenden  Blätter"  und  „Neuen 
Zeitungen"  die  eigentliche  Volkslektüre.  Aeusserst  beliebt  waren  auch  die  Praktiken 
und  Wetterbüchlein;  endlich  die  Teufelbücher.  Die  Ausländerei  des  17.  Jh.  brachte 
die  Beliebtheit  der  Amadisromane  mit  sich;  überhaupt  wurden  die  Romane  von  nun  an 
das  Hauptlesefutter..  Die  Erbauungslitteratiu'  blieb  daneben  ein  wesentlicher  Bestandteil 
der  Lektüre.  Das  18.  Jh.  besiegte  allmählich  die  allgemeine  Vorliebe  für  die  „galanten" 
Romane  und  Schriften.  Robinson  eroberte  die  Welt,  dann  kamen  die  moralischen 
Wochenschriften,  die  massenhaft  gelesen  wurden,  darauf  Geliert,  der  eiia  Volksschrift- 
steller im  weitesten  Sinne  des  Worts  war.  Klopstocks  „Messias"  und  Goethes  „Werther" 
wurden  zwei  Lieblingsbücher.  Wieder  folgte  dann  die  Zeit  der  Romane,  namentlich 
der  elenden  Ritter-  und  Räuberromane,  die  in  unsere  Kolportagelitteratur  auslaufen. 
Heute  ist  die  eigentliche  Lektüre  der  Massen  die  Zeitung  im  weitesten  Umfange.  —  Das 
Beste  ist  es  jedenfalls  nicht  immer,  was  das  grosse  Publikum  am  liebsten  liest,  und  die 
verächtlichen  Aeusserungen  unserer  Klassiker  über  das  Publikum,  die  Biltz^S)  ober- 
flächlich zusammenstellt,  sind  nur  zu  sehr  berechtigt.  —  Ueber  drei  Lieblingsbücher  aus 
der  Schulzeit,  das  Wörterbuch,  den  Horaz  und  den  Schulatlas  plaudert  Rodonberg^*'). 
Seit  dem  alten  Atlas,  meint  er,  habe  sich  die  Welt  gewaltig  verändert.  —  Aber  wie  viel 
interessanter  als  dieser  Atlas,  der  die  Welt  doch  so  wiedergiebt,  wie  sie  wirklicli  ge- 
wesen, ist  doch  eine  Karte  des  Mittelalters,  die  vor  uns  mit    einem  Schlage  eine  Welt 


moral:  NationB.  8,  S.  213/5  u.  227— 30.  —  77a)  X  C  h.  Hutzelmann,  E.  jcsuitischor  Foldzugsplan  z.  Ausrottung  aller  Ketzer. 
Nach  e.  Schrift  V.  1735  mitgot.  2.  Aufl.  Nürnberg.  27  S.  —  78)  0.  S  nell,  Hexenprozesse  u.  Geistesstörung.  Psychiatr. 
Untersuchungen.  Mllnchen,  Lehmann.  130  S.  M.  4,00.  —  79)  X  !>•  Ursprung  d.  Hoxenwahns:  KölnZg.  N.  902.  (.KnUpft 
an  N.  78  an.)  —  80)  C.  Kiesewetter,  Gesch.  d.  neuereu  Occultismus.  Geheimwissenschaltl.  Systeme  v.  Agrippa  v.  Netteshoim 
bis  Carl  du  Prel.  Leipzig,  Friedrich.  XIV,  797  S.  M.  10,00.  i[LCBl.  S.  1188|9.]|  -  81)  J.  Uhl,  D.  Formen  d.  modernen 
Aberglaubens.  (::=Samml.  gomeinnlitziger  Vortrr.  N.  146/8.)  Prag,  Dtsch.  Verein.  1890.  52  S.  M.  O.CO.  —  82)  X  S6billot, 
Superstitions  de  civilisös  IL:  RTP.  5,  N.  11.  —  83)  H.  L.  Strack,  D.  «lutaberglaube  bei  Christen  u.  Juden.  (=  Schritt. 
d.  Instit.  Judaio.  14.)  München,  Beck.  VI,  59  S.  M.  1,00.  —  84)  G.  Steinhausen,  >Yas  man  vor  Zeiten  gern  las:  TglRs. 
N.  139—41.  —  85)  K.  Biltz,  Ausspruche  unserer  Klassiker  über  Publikum  u.  öflentl.  Meinung:  Neue  Beitrage  z.  Gesch. 
d.  d.  Sprache  u.  Litterntur  [s.  o.  I  3  :  130].      S.  180—92.  —  86)  J.  Roden  berg.    Alte  Blicher:    Dida=kalia  N.  33.    -    87)  E. 


87  G'  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  I  5:  8»- 102. 

der  riiaiilasii!  hiiizaulturt  und  umh  wo  den  ganzen  geistigen  Horizont  der  Zeit  deutlich 
voranscliiiuliclit.  Eh  ist  kürzlifli  difj  gnisstxj  und  reichhaltigste  dieser  Karten,  die  aus 
dem  l'd.  J\\.  stanniionde  Kbstorf'or  Weltkai'to  durch  Sommerbrodt'*')  veröffentlicht:  in 
diesem  grossen  Weltbild  iiat  man  die  ganze  Entwicklung  der  geographischen  An- 
scliauuiig  im  Mittelalter  vor  sich.  Das  geographisch  Richtige  ist  noch  altes  Erbgut  aus 
antiken  Karten:  interessanter  Ist  aber  die  Oeographie  des  Wunderbaren.  Das  Paradies, 
die  goldenen  Borge,  das  Reich  der  Amazonen  usw.  sind  ganz  genau  fixiert,  ebenso  die 
falx^lhaftestcn  V(")lker,  oft  in  „naturgetreuen"  Abbildung(5n.  Nichts  kaini  besser  in  das 
Mittelalter  einfiihren,  als  diese  „illustrated  romanco".  —  Nur  stufenweise**)  entwickelte 
sich  eine  bessere  Keinitnia  von  der  Mutter  Erde:  den  Gang  dieser  Entwicklung  verfolgt 
Oppel^o)  bis  zur  Geg(Miwart  von  rein  geographischem  Gesichtspunkt.  —  Den  Fortschritt 
der  Menschhoit  auf  einem  andern  Gebiete,  dem  der  Humanisierung  des  Krieges  in  den 
letzten  liundert  Jahren,  will  HetzeP"^  erweisen;  er  beabsichtigt  später  das  Thema  von 
den  ersten  Anfängen  der  Geschidite  an  durchzuführen.  Die  Zusammenstellung  der 
„Thatsac'hen"  und  liostrebungen  ist  zweifellos  interessant,  der  Standpunkt  des  Vf  durch- 
aus gemässigt:  an  den  ewigen  Frieden  glaubt  er  nicht.  —  Zur  Erforschung  der 
gemütlichen  p]ntwickhuig  luiseres  Volkes  ist  leider  wie  gewöhidich  nicht  viel  geschehen. 
Eine  grosse  Geschichte  des  deutschen  Gemüts,  die  doch  so  lohnen<l  wäre,  giebt  es 
inunor  noch  nicht.  Kleine  Beiträge  sind  indessen  zu  verzeichnen:  so  ein  von  W.  Rib- 
beck ^i)  vorgelegter  interessanter  niederdeutscher  Liebesbrief  aus  dem  If).  Jh.  —  die 
Plauderei  S.  Freys ^2)  über  Liebesbriefe  ist  ganz  wertlos  — ;  so  einzelne  Partieen  der 
in  gutem  Sinne  ])opulären  Arbeit  von  Hauffen^-');  so  ein  Bild  aus  jenen  Tagen,  da 
dem  Gemüts-  und  Gefülilsleben  der  Menschen  eine  besondere,  exaltierte  Pflege  ent- 
gegengebracht wurde'**).  —  Eine  Gescliichte  des  deutschen  volkstümlichen  Humors  in 
seinen  Hauptzügen  giebt  G.  Steinhausen^s).    — 

Nationale  Entwicklung.  Auf  einen  Teil  der  liier  in  Betracht  kommenden 
Schriften  ^^-^^'j  wird  in  anderen  Abschnitten  der  JBL.  (II  1,  III 1,  IV  1)  eingegangen. 
Hier  sei  davon  zunächst  die  Schrift  von  F.  W.  Behrens  ^0)  angeführt,  aber  nicht  ge- 
lobt. Halbverdaute  pliilosophisclie  Redensarten  können  uns  wenig  nützen,  ebensowenig  die 
Heieinziehung  Bacos,  Descartes'  usw.  Von  einer  liistorisch  begründeten  Entwicklung 
ist  auch  keine  Rede.  Der  Vf  begnügt  sich,  oberfläcliliche  Belege  für  das  Nationalgefülü 
der  einzelnen  Männer  zu  geben;  Moscherosch  ist  garnicht  erwähnt.  —  Einen  grösseren 
Zeitraum  hindxu-cU  wird  das  deutsche  Nationalbewusstsein  von  G.  Schultheiss  *''<') 
verfolgt.  —  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  auf  die  Geschichte  des  deutschen  National- 
bewusstseins  aufmerksam  gemacht,  die  Lamprecht  i^'i)  als  Einleitung  ft\r  seine  „Deutsche 
Geschichte"  gegeben  hat  und  die  in  klarer  Entwicklung  die  Hauptpunkte  vorführt. 
L.s  Buch  wird  uns  in  späteren  Berichten,  wenn  es  erst  in  die  von  uns  behandelte  Zeit 
gelangen  wird,  noch  beschäftigen,  um  so  mehr,  als  in  diesem  Werke  der  geistigen,  ge- 
sellschaftlichen luid  wirtschaftlichen  Entwicklung  ein  ganz  anderer  Wert  beigelegt 
wird,  als  es  sonst,  von  wohlwollenden  Phrasen  abgesehen,  gemeinhin  geschieht.  — 
Wiederum  in  neuer  Auflage  ist  im  Berichtsjahr  Jastrows  i*'-)  Geschichte  des  deutschen 
Einheitstraumes  erschienen.  Aus  der  Vielheit  ging  der  Euiheitstraum  und  der  Eiidieits- 
drang  hervor,  aus  dem  erst  unter  Führung  des  preussischen  Staates  die  wirkliche  Ein- 
heit entstand.  Unserem  selbstbewussten  Geschlecht  ist  die  Vertiefung  in  die  Zeit 
jener  Bestrebungen  nicht  genug  anzuraten.  Man  scheint  heute  mehr  und  mehr  zu  ver- 
gessen, welcher  Anteil  an  der  praktischen  Durchführung  der  Einheit  dem  deutschen 
Volke  in  seinen  besten  GJiedern  gebührt.  Noch  schärfer  müsste  in  J.s  Buch  hervor- 
treten, dass  der  Leiter  der  preussischen  Politik  auf  das  ersehnte  Ziel  hingedrängt  wurde. 
Den    besten  Weg    gefiuiden    zu    haben,    bleibt  sein  Verdienst.     Durch  das  Studium  der 


Soiuraerbrodt,  D.  Ebstorfor  Weltkarte,  im  Auftr.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersaclisen  her.  Mit  e.  Atlas  y.  25  Tafeln.  Hannorcr. 
Hahn.  Fol.  XII,  88  S.  M.  32,00.  —  88)  X  «S.  Uugo,  Nie.  Cusas  Karte  v.  Deutschland:  Globus  60,  N.  11.  —  89)  A. 
Oppol,  Terra  incognita.  K.  kurzgofassto  Darstellung  d.  stufonweisen  Eotwicklung  v.  Ausgange  d.  Mittelalters  bis  i.  Oogon- 
wart  etc.  Itoil.  z,  TroRr.  d.  Handelsschule  Bremen.  Bremen,  Guthe.  68  S.  5  T.  —  90)  H.  Ho  tzel ,  D.  Humanisierong  d. 
Krieges  in  d.  letzten  hundert  Jahren  1789—1889.  E.  Studie  (2.  Teil)  Frankfurt  a.  0.,  Trowitisch  &  Sohn  in  Commiss.  19. 
VIII,  288  S.    M.  12,00.    (.1-  1'e'l  "och  nicht  erschienen.)    —    91)  W.  Ribbeck,    E.  Liebesbrief:    JbVNiederdSpr.   16,   S.  73/8. 

—  92)  S.  Frey,  Liebesbriefe:  Didaskalia  N.  18.  -  93)  A.  Hauffen,  Leben  u.  Fühlen  im  deutschen  Volkslied.  (=  Samml. 
genieiiinUtz.  Vortrr.  N.  143.)  Tra.g,  Dtsch.  Verein.  18<,»0.  19  S.  M.  0,20.  —  94)  O  X  !••  »•  Schröder,  Aus  d.  Tagen  d. 
Emptindsarakeit:  BaltMsehr.  38,  S  570—88.  —  95)  G.  Steinhausen,  DeuUcher  Humor:  MagdebZg".  N.  33".  —  96)  X  R- 
Goette,  D.  Zeitalter  d.  Deutschen  Erhebung  1807—15.  {—  Gesch.  d.  d.  Einhoisbeweg.  im  19.  Jh.  Bd  I.)  Gotha,  Perthe«. 
409  S.  M.  7,00.  KLCBl.  S.  1354/5.]|  (Kulturhist  ohne  Bedeutung;  Tgl.  IV  1 :  59.)  —  97)  X  f.  Meinecke,  D.  dUch.  Gesellschaften 
u.  d.  Hoffraannscho  Bund.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  polit.  Bewegungen  in  Deutsohl,  im  Zeitalter  d.  Befreiungskriege.  Stuttgart. 
Cotta  Nachr.  79  S.  M.  2.00.  —  98)  X  K.  v.  Hase,  Heden  an  d.  JUnglinge  d.  freien  Hochschulen  Deutschlands.  Leipzig, 
Broitkopf  &  Httrtol.  VI,  150  S.  M.  3.00.  —  99)  F.  W.  Behrens,  Deutsches  Ehr-  u.  NationalgefBhl  in  seiaer  Entwicklung 
durch  Philosophen  u.  Dichter  11600-1815].  Leipzig,  Fock.  150  S.  M.  2,50.  ilLCBI.  1892,  S.  &40/l.)|  -  109)  O.  Schult- 
heis s.  D.  deutsche  Nationalbewusstsein  in  d.  Gesch.   (Samml.  wiss.  Vortrr.  Heft  129).    Hamburg,  Verl.-AnsUlt.   52  S.    M.  1,00. 

-  101)  K.  Lamprecht,    Deutsche  Gesch.  Bd.  1.      Berlin,  G«rtner.     XVH.  364  S.    M.  6,00.    -    102)  J.  Jastro w,    Gesch.  d. 
Itsch.  Einheitstraumes  u.  seiner  Erfüllung.  In  d.  Grundlinien  dargest  4.  Aufl.    Berlin,  Allg.  Verein  f.  dtech.  ytt     ¥111,4008 


I  5:  103-I20a.  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  88 

vergangenen  Einheitsbestrebungen  aber  wird  erst  klar,    dass    die  wirkliche  Einheit  eine 
historische  Notwendigkeit  war.  — 

Aeussere  Kultur.  Der  Wirtschaftsgeschichte  hat  sich  seit  einiger  Zeit 
ein  grösseres  Interesse  zugewandt:  zweifellos  ist  auf  diesem  Gebiete  noch  manche  schöne 
Aufgabe  zu  bewältigen.  Für  die  speciellen  Zwecke  der  JBL.  scheint  aber  ein  weiteres 
Eingehen  auf  diese  Litteratur  nicht  angebracht.  Neben  einer  ganz  populären  Zusammen - 
fassungios)  sind  einzelne  Monographien  lo^-ioß)  erschienen;  aufGotheins^O'?)  vielversprechen- 
des Werk  werde  ich  erst  nach  seinem  Abschluss  zurückkommen  i07a-b^.  —  Vielfach  hat 
man  sich  im  Berichtsjahr  mit  dem  deutschen  Hause  beschäftigt 'O^-ii'^):  diese  Forschungen 
stehen  im  engen  Zusammenhang  mit  dem  warmen  Interesse,  das  man  heute  überhaupt 
der  Erforschung  unseres  Volkstums  entgegenbringt.  Bevorzugt  wird  das  Bauernhaus: 
einerseits  weil  hier  sicherlich  die  ursprünglichen  Formen  am  besten  erhalten  sind,  dann 
auch,  weil  man  heute  dem  ländlichen  Leben  überhaupt  eine  grössere  Aiifmerksamkeit 
und  eine  grössere  —  Achtung  zu  teil  werden  lässt.  Fordert  doch  ein  bekannter  Autor 
geradezu  die  „Verbauerung"  unseres  Lebens.  Ganz  hübsch  ist  Johns^^*)  Arbeit,  die 
auch  vielfach  zusammenfassend  orientiert.  Er  betont  zunächst  den  innigen  Zusammen- 
hang des  Bauernhofes  115)  mit  der  Scholle,  weiter  seine  Entstehung  aus  dem  deutschen 
Walde.  Die  selbständigen,  von  einander  unabhängigen  Einödhöfe  bildeten  Gruppen,  und 
so  entstanden  die  Dörfer.  Ihre  Bewohner  standen  lange  Zeit  in  der  öffentlichen  Mei- 
nung sehr  tief;  darüber  unterrichtet  das  oben  (N.  16)  angeführte  Werk  von  Alwin 
Schultz.  Erst  die  moderne  Zeit  hat  sozusagen  das  deutsche  Dorf  „entdeckt".  Seine 
litterarische  Verwendung  (Immermann!)  wird  flüchtig  gestreift;  ebenso  die  Vorliebe, 
welche  heute  die  Kunst  für  das  ländliche  Leben  zeigt.  Wissenschaftlich  von  Interesse 
sind  dann  die  volkskundlichen  Bestrebungen,  die  vorwiegend  eben  an  das  Bauernhaus 
anknüpfen.  Unter  seinen  zahlreichen  Formen  sind  folgende  Haupttypen  hervorgetreten, 
die  nun  wieder  zu  vielen  anderen  Typen  in  Beziehung  stehen:  das  Sachsenhaus  (der 
Einbau),  das  nordische,  das  friesische  Haus  und  die  weitverbreitete  fränkische  Hofanlage,  der 
Antipode  des  Sachsenhauses.  In  der  Geschichte  des  deutschen  Bauernhauses  werden 
zwei  Epochen  unterschieden,  die  alte  Herd-  und  Rauchstube  als  älteste  Urform,  und  die 
Erweiterung,  wie  sie  im  fränkischen  Haus  am  vollkommensten  ausgebildet  ist.  — 
Zweifellos  ist  für  die  Einzelforschung  noch  viel  zu  thun.  So  macht  PeezU^)  auf  die 
Lücken  hinsichtlich  Oesterreich-Ungarns  aufmerksam  und  stellt  die  zu  beantwortenden 
Fragen  fest,  indem  er  gleichzeitig  vier  Haupttypen  des  österreichischen  Hauses  unter- 
scheidet. —  Auf  seinen  Forschungsgängen  durch  heutige  Baiierhäuser  begleiten  wir  H. 
Steinhausenii''-li8)  und  lernen  u.  a.  die  „gute  Stube"  und  das  Altenteil  näher  kennen, 
auch  sonst  allerlei  vom  deutschen  Bauernleben  und  von  dem  Zerstörungswerk,  das  sich 
seitens  der  „Bildungsverbreiter"  vorbereitet.  —  Einen  sehr  ideal  angelegten  Landsitz  der 
Vergangenheit  führt  uns  0.  Döring^i^)  vor,  indem  er  über  jenes  berühmte  Kunstwerk 
des  17.  Jh.,  das  durch  Philipp  Hainhofer  am  Stettiner  Hofe  abgeliefert  wurde,  berichtet. 
Kulturhistorisch  interessant  ist  namentlich  das  „Verzaichnus,  vnd  Summarische  kurtze 
beschreibung  des  Mayrhoffs".  —  Im  Besitz  pommerscher  Fürsten  war  übrigens  auch 
jener  von  J.  Lessingi20)  bescliriebene  kunstvolle  Teppich,  der  uns  noch  heute  erhalten 
ist.  Man  brauchte  diese  Teppiche  i^Oa)  zur  Dekorierung  und  zwar  umsomehr,  als  es  bei 
dem  häufigen  Wechsel  des  Hoflagers  oft  galt,  schnell  eine  gewisse  Wohnlichkeit  herzu- 
stellen. Der  Hauptsitz  aller  Teppichindustrie  waren  die  Niederlande.  Niederländische 
Teppiche   sind  ebenso    begehrt    wie    etwa  Augsburger  Waffen,    über    deren  Herstellung 


M.  6,00.  (IV  1:50).  —  103)  E.  Moormeister,  D.  wirtscliaftl.  Leben.  Vergangenheit  ii.  Gegenwait,  dargest.  für  Schule  u.  Haus. 
Freiburg,  Herder.  VIII,  180  S.  M.  1,80.  —  104)  X  F-  J-  Haun,  Bauer  u.  Gutsherr  in  Kuncadison.  Schilderung  d.  ländl. 
■Wirtschaft  u.  Verfassung  im  16.,  17.  u.  18.  Jh.  {=-.  Abhandll.  a.  A.  staatswiss.  Sem.  zu  Strassburg.  9.)  Strassburg,  TrUbner. 
XI,  321  S.  M.  6,00.  -  105)  X  K.  Biedermann,  D.  Bauernartikel  v.  1525  im  Lichte  ihrer  u.  unserer  Zeit:  ZDKG.  NF.  1, 
S.  241-69.  -  106)  X  G.  Schnapper- Arn  dt,  lieber  Geldvorkehr,  Preise  etc.  in  d.  1.  Hälfte  d.  18.  Jh.:  KBIWZ.  10, 
S.  28—31.  —  107)  O  XX  E.  Gothein,  Wirtschafts- Gesch.  d.  Schwarzwaldes  u.  d.  angrenzenden  Landschaften.  Im  Auftr. 
d.  Hist.  Komm,  bearb.  Lief.  1-5.  Strassburg,  TrUbner.  480  S.  je  M.  2,00  |[DLZ:  12,  S.  512/3;  LCBl.  S.  712/3.J1  — 
107a)  X  A.  Thamm,  D.  Entstehung  u.  Entwicklung  d.  Handels  bis  z.  Neuzeit  auf  weltkundlicher  Basis  dargest.  Striegau,  Watten- 
bach. 12«.  III,  826  S.  M.  4,00.  —  107b)  X  H.  Gibbin  s,  Ihe  hisloiy  of  commerce  in  Europo.  New-York,  London,  Mnc- 
millan  &  Co.  16".  VIII,  253  S.  C.  90.  —  108)  X  G.  Bancalari,  Forschungen  über  d.  deutsche  Wohnhaus:  Ausland  64, 
N.  31/7.  —  108a)  X  ß.  Meringer,  Studien  z.  gernian.  Volkskunde.  D.  Bauornhiius  u.  dessen  Einrichtung:  ilAuthropGesWien 
NF.  11,  S.  101—52.  (I'.etr.  Alt-Aussee.)  —  109)  X  E.  Güpfert,  Unser  Haus  u.  Heim  im  Lichte  d.  Sprache  u.  Kulturgosch.:  ZDU. 
5,  S.  386—402.  (Soll  anziehend  d.  Wesentliche  zusammenfassen.)  —  110)  X  W.  Götz,  D.  nordische  Wohnhaus  wahrend 
d.  16.  Jh.,  sonderlich  im  Hinblick  auf  d.  Schweizerhaus.  (=  Samml.  gem.  wis.s.  Vortrr.  131.)  Hamburg,  Verl.- Anstalt.  31  S. 
M.  0,60.  —  Hl)  X  K.  Brandi,  D.  osnabrückische  Bauern- u.  Bürgerhaus :  MVGLOsuabrUck  16,  8.265—314.  -  112)  X  H.  ühle, 
U.  Dänische  Haus  in  Deutschland:  VGAntlir.  S.  493—615.  —  113)  X  Mejberg,  Aehnlichkeit^n  d.  Schlosw.  Bauernhöfe  m.  d 
Gebäuden  d.  mittl.  u.  alt.  Zeit:  ib.  S  409  f.  —  114)  A.  John,  Dorf  u.  Hauernhof  in  Deutschland  sonst  u.  jetzt:  ZDKG.  NF.  1, 
S.  436-68.  -  IIS)  X  Ch.  Meyer,  Dorf  u.  Bauernhof  in  Deutschland  in  alter  u.  neuer  Zeit:  TglKs.  N.  18,  19,  20,  22.  — 
116)  A.  Peez,  D.  Bauernhaus  in  Oesterreich-Üngarn.  Wien,  Holder.  4«.  S.  57/9.  M.  0,80.  —  117)  H.  Steinhausen, 
Bauernhauser:  Kunstw.  4,  8.  249—52.  —  118)  id.,  E.  Kiliansbrief  über  Bauernhauser:  BayreuthBll.  14,  8.  110-20.  —  119)  0. 
Doering.  Philipp  Hainhofers  Beschreibung  d.  sog.  pommerschen  Meyerhofs:  ZHVSchwaben  18,  8.  67—86.  —  120)  J.  Lessing, 
D.  Croy-Teppich  d,  Universität  Groifswald:  DRs.  III,  8.  136—42.  —120a)  X  •>■  Stammler,  D.   Teppiche  d.  hist.  Museums  in 


89  Ct.  Stoinhausen,  Kulturgeschichte.  I  5:  121-154. 

\ind  Verbreitung  uns  eine  Arbeit  von  Boelieim'^i)  vorliegt.  —  Für -die  Kenntnis  der 
Geschichte  der  Tracht  können  uns  zu  praktischen  Zwecken  oder  zu  schneller  Orientie- 
nnig  illustrative  Veniflentlic^hiuigen  am  förderlichsten  sein,  wie  solche  in  den  bekannten 
Blättern  von  Heydens'^-)  oder  in  den  minder  anspruchsvollen  MCinchenor  Zeichnungen'^) 
vorliegen.  —  Für  die  heutigen  Volkstrachten,  die  ja  doch  über  kurz  oder  lang  der  alles 
nivellierenden  Gegenwart  zum  Opfer  fallen  werden,  kommt  vor  allenDingenKret8ch!ners'24) 
Publikation,  die  auch  einen  erklärenden  Text  enthält,  in  Betracht.  —  Im  übrigen  sind 
mannigfache  urkundliche  oder  scliildemde  Beiträge  zur  Trachtengeschichte  oder  zur 
Geschichte  der  Mode'-^^i^o)  zu  verzeichnen.  Das  vergangene  Leben  bietet  eben  eine 
buntere  Aussenseite  als  das  heutige.  —  "Weniger  interessant  ftir  uns  als  die  Art,  wie 
man  sich  kleidete,  ist  die  Art,  wie  man  seine  Nahrung  bereitete.  Ueber  beide  Themata, 
dazu  auch  über  die  Wohnung,  in  lokaler  und  zeitlicher  Spezialisierung,  handelt  ein 
anonyjner  Aufsatz '3*).  —  Abgesehen  von  den  N.  40.  erwähnten  Weberschen  „Bildern",  liegt 
sonst  wenig "*2-i34)  vor.  Hervorzuheben  ist  indessen  eine  Schrift  von  Reiber'^S),  Es 
wird  in  diesem  auch  äusserlich  splendid  ausgestatteten  Büchlein  ein  kleines 
Manuskript  aus  dem  Anfang  des  1(5.  Jh.  nachgebildet.  Ueber  die  Küche  des  Klosters 
hinaus  führen  die  Notizen  des  Herausgebers  nach  einer  Handschrift:  „Inquisition 
und  Aussagen  der  Closterfrawen  zu  Sankt  Celans  in  Undis  wegen  der  ungebürlicheti 
Handlungen  und  Unzucht,  die  darin  fürgangen".  R.  hätte  uns  mit  ausführlicheren  Schil- 
derungen des  Klosterlebens  erfreuen  sollen.  —  Die  Kenntnis  des  Gesundheitswesens 
früherer  Zeit  ist  einerseits  durch  mehrfache  Bekanntmachung  von  Recepten  und  Heil- 
mitteln i^"-^^^) —  zusammenfassend  behandelt  Peters*^^)  die  Pharmacie  der  Vergangenheit  — , 
andererseits  durch  Beiträge  zur  Geschichte  des  Badewesens  '^o-i*')  bereichert  worden.  So 
legt  Bosch  ^^2)  (Jie  Anweisungen  vor,  welche  1571  ein  Nürnberger  Arzt,  Volcherius 
Coiter,  der  erste  bekannte  „Zergliederer",  einem  Patienten  gab,  der  sich  wegen  seines 
„bösen  Magens"  zur  Kur  nach  Karlsbad  begeben  wollte.  —  E.  Jacobs '^^^  bringt  Nach- 
richten über  einen  französischen  und  einen  holländischen  ärztlichen  Landfahrer,  die  auf 
den  Märkten  ihr  Zelt  aufschlugen.  —  Eine  Epidemie  früherer  Zeit  —  alle  Sommer  kehrte 
ja  damals  bei  den  mangelhaften  hygienischen  Verhältnissen  das  „Sterben"  wieder  — 
schildert  Ammann.  1*^)  —  Zur  Geschichte  des  deutschen  Verkehrswesens '*5-i*=*)  hat 
Quetsch  '''^)  einen  fleissigen  Beitrag  geliefert.  Unzweifelhalt  ist  gerade  die  Gegend  des 
Mittelrheins  ein  historisch  sehr  wichtiges  Gebiet,  zu  Zeiten  geradezu  ein  Centralpunkt 
geschichtlichen  Lebens  gewesen,  folglich  höchst  geeignet,  auch  für  das  Verkehrswesen, 
das  hier  zu  besonderem  Aufschwung  gedieh,  nahezu  als  typisch  zu  gelten.  Jedenfalls 
Hess  sich  hier  auch  ein  reicherer  Stoff  zusammenbringen  als  sonst  irgendwo.  Ganz 
scheint  mir  der  fleissige  Vf.  dieses  Stoffes  nicht  Herr  geworden  zu  sein,  insofern  mir 
die  wesentlichen  Gesichtspunkte  nicht  scharf  genug  herausgearbeitet  sind  und  das  Buch 


Tliun:  ÄHVBern  13,  S.  231—94.  —  121)  W.  Boohoim,  Augsburger  WalfenBchmiede,  ihre  Werke  u  ihre  Beziehungen  z.  Kaiserl. 
u.  and.  Höfen:  JKSAK.  12,  S.  165-227.  —  122)  IUI.  f.  KostUmkunde.  Hist.  u.  Volkstrachten.  Unter  Mitwirk.  t.K.  Ahrendts 
.  .  .  her.  V.  A.  V.  Hoydon.  NF.  19— 21  (Schluss-Heft)  (217-52  Klatt).  Berlin,  Lipperheido.  1888-90.  40.  XXIII,  86  S. 
je  M.  4,50.  —  123)  Z.  Gösch,  d.  Kosttlmo.  Nach  Zeichnungen  v.  W.  Diez,  C.  Fröhlich.  C.  Haberlin  etc.  MUnrhon,  Braun  t 
Schneider.  Fol.  76  Taf.  8  S.  M.  9,50,  color.  16,10.  —  124)  A.  Kretschmer,  Deutsche  Volkstrachten.  Orig.-Zoichn.  mit 
erkl.  Te.xt.  Wohlfeile  Ausg.  27—30  Llg.  Leipzig,  Bach.  4".  12  Taf.  38  S.  je  M.  1,00;  cpit.  36.00.  —  124«)  X  Th.  Martin, 
Trachten  am  Bodenseo:  ZGBodensee  20,  S.  104—13.  —  125)  X  G.  Sello,  Z.  Trachten-Oesch.  d.  Mark  Brandenburg:  FBPO.  4, 
S.  607  —  13.  —  126)  X  Klotz,  Kirchl.  GewMnder  m  ersten  Jh  nach  d.  Reformation:  MAVZwickau  3,  S.  34/9.  —  127)  X  E. 
Jacobs,  BUrKcrlichos  Ehrenkleid  1648:  ZHarzV.  24,  S  297/8.  —  127a)  X  .••  W.  B  raun ,  D.  PerrBcke  in  Berlin:  B«r  16, 
S.  390  ff.  —  128)  X  Spitzen.  Kulturhist.  Skizze:  NorddAZg.  N.  50.  —  129)  XC.  Gurlitt,  Neunzig  Jahre  Frauenmode: 
Gartenlaube  N.  1  u.  3.  —  130)  X  Baier.  Nationaltrachten:  Bayerlaud  2  u.  3,  S.  419  fr,  531  ff,  36  ff,  47  ff.  —  131)  Brauch  u.  Sitte 
in  Schleswig-Holstein  im  Anfang  d.  19.  Jh.  (Wie  man  wohnte.  Wie  man  sich  kleidete.  Wie  man  ass  u.  trank.):  ZDKO. 
NF.  2,  S.  86—102.  —   132)  X  L-  Eid,    Herzog  Stephans  ZweibrUckor  KHcheuordnung.     1443:  Bayerland  2,  S.  117—20.    155  ff. 

—  133)  X  P-  Regonsborg,  Allerlei  r.  Sauerkraut:  Oidaskalia  N.  24.  (Wird  Übrigens  z.  B.  in  Ruasland  mehr  gegMsen  als 
im  Lande  d.  deutscheu  „Sauerkrautesser".)  —  134)  X  Th.  Volbohr,  Weinrezepte  d.  18.  Jh.:  MGNM.  S.  Miß.  —  ISS)  F. 
Reiber,  KUchon-Zettel  u.  Kegeln  e.  Strassburger  Fruuonklosters  d.  16.  Jh.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  4".  52  S.  M.  4,00.  — 
136)  X  *'•  Jenny,  Alte  Receple  u.  Hausmittel:  Alemannia  19,  S.  31|6.  —  137)  X  E.  Pfaff,  Ge.sundheittiregeln  mitgeteilt:  ib. 
S.  108.  —  138)  X  J-  H.  Gall^e,  Mittelniedcrl.  Arzneibuch:  JbVNicderdSpr.  15,  S.  105—49.  —  139)  H.  Peters,  Aus  phanoa- 
ceutischer  Vorzeit  in  Bild  u.  Wort.  1.  Bd.  2.  Aufl.  Berlin,  Springer.  XIV,  305  S.  M.  7,00.  |[M.  Hey  ne:  DLZ.  12.  8.  60, 1.1|  - 
I40l  X  F.  Falk,  Z.  Yolksgesundheitspfloge  Deutschlands  im  Mittelalter:    HPBII.  108,    S.  811—21.     (Badewesen    n.  SeelenbMi.) 

—  141)  X  Edm.  Bayer,  Z.  Gesch.  d.  Seebades:  LZg».  N.  52/4.  —  142)  H.  Bosch,  E.  Karlsbader  Kur  Tor  300  Jahren: 
MGNM.   S.  10/8.  —  143)    E.  Jacobs.   Fahrende  Aerzte.    Z.    Gesch.   d.   Arzneiweaens    1650,    1657:    ZHarzV.   24,   S.   298-302. 

—  144)  P.  Ammann,  D.  Pest  d.  J.  1636  in  Neustift  bei  Brixen.  Brixen,  Wegor.  57  S.  M.  0,80.  —  145)  X  F.  Haaas,  Ent- 
wicklung d.  Posten  v.  Altertum  bis  z.  Neuzeit  Vortrag.  Stuttgart,  Metzler.  24  S.  U.  0,50.  (Auch  Ausserdeatschea.)  — 
146)  X  BrUgelmann,  D.  t.  d.  Mittelalter  z.  Neuzeit  Uberleit«nden  Ereignisse  betr.  in  ihren  weiter  umgestaltenden  Wirknngen. 
IL  D.  Seeschiflahrt  Progr.  Gymn.  Veehta.  |[DLZ.  12,  S.  1657 ;  G.  Winter:  BLU.  S.  823.]|  ^«•'«'"»»üonal.)  —  147)  X  0. 
Winckolmanu,  £.  Förderer  d.  Verkehrswesens  in  Elsass-Lothringeu  im  16.  Jh.:  JbGElsLothr.  7,  S.  83—100.  —  148)  X  G. 
Bessert,  Z.  Gesch.  d.  Verkehrswesens:  WUrttVjh.  13,  S.  112  f.  (Post-  u.  Boteneinrichtungen  d.  Grafen  Wolfgang 
V.   Hohenlohe    im    16.    Jh.)    —    149)    X    0.   Redlich,    Vier    Post-StundenpUne    1496-1500:    MZÖG.    12,    S.    494-509.    — 

150)  X  B-  Stolte,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Postwesons  im  ehemal.  Hochstifte  Paderborn.   Paderborn,  SchOningh.    61  S.    M.  1,00.— 

151)  X  A.  Rosenkranz,  Postalische  Reminiscenzen.  D.  schleswig-holsteinische  Post  1848-1852  u.  deren  Postschillinge: 
KielZg.  N.  14165.  —  152)  X  E.  sächsisches  Wegebaudenkmal  v.  168S:  APosU  19.  S.  857/9.  (Mit  Versen.)  —  153)  X  Piseber, 
D.  Vorkehrswesen  i.  d.  Kunst:  ib.  19,  S.  161—74.  —  154)  F.  H.  Quetsch.  Gesch.  d.  Verkehrswesens  am  Mitt«lrhein 
V.  d.  ältesten  Zeiten  bis  z.  Ausg.  d.  18.  Jh.    Nach  d.  Quellen  bearb.  Freiburg  i.  B.,  Herder.    IX,  416,  IX  S.    M.  7,00.     [LCBl. 


I  5:  155-176,  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  90 

noch  vielfach  den  Eindruck  einer  unkritischen  Materialsammlung  macht.  Nachdem  Q. 
quellenmässig  die  Uranfänge  des  Verkehrs,  Land-  und  Wasserstrasseu,  von  denen  diese 
für  den  grossen  Verkehr  wichtiger  waren  als  jene,  Brücken  und  Ueberfahrten,  das  Strassen- 
transportwesen,  die  Schiffahrt  in  ihrer  Entwicklung  geschildert  und  durch  Illustrationen, 
wie  auch  die  folgenden  Abschnitte,  zum  Teil  veranschaulicht  hat,  geht  er  auf  das  Boten- 
wesen vor  Einführung  des  Postwesens  ein,  doch  nicht  so,  dass  nicht  dieser  Abschnitt 
noch  vielfach  zu  ergänzen  \ind  lebensvoller  zu  gestalten  wäre.  Ein  grosser  Teil  des 
Buchs  (S.  118 — 237)  ist  dem  Postwesen  gewidmet:  augenscheinlich  sah  der  Vf.  in  der 
Schilderung  desselben  eine  seiner  Hauptaufgaben.  Kulturhistorisch  interessiert  uns 
mehr  der  folgende  Abschnitt:  der  Verkehr,  bei  dessen  Darstellung  Q.  sich  eine  bewusste 
Beschränkung  auferlegt.  Hier  wäre  uns,  namentlich  bei  dem  Abschnitt  „Allgemeiner 
Verkehr"  ein  liebevolleres  Eingehen  willkommen  gewesen,  um  tiefere  Blicke  in  das 
deutsche  Leben  der  Vergangenheit  thun  zu  können:  aber  dem  Vf.  war  es  darum  weniger 
zu  thun,  zumal  sich  seine  Aufgabe  dadurch  bedeutend  erweitert  hätte.  Bei  dem  Abschnitt 
„Handelsverkehr"  ist  vor  allem  auf  die  Darstellung  des  Weinhandels  hinzuweisen.  Im 
Kapitel  „Reiseverkehr"  übergeht  Q.  die  für  das  17.  Jh.  so  charakteristische  modische 
Reisesucht  ganz  und  betont  den  späteren  romantischen  Reisetriel;  zu  wenig.  —  Eine 
gute,  von  höheren  kulturhistorischen  Gresichtspunkten  ausgehende  Geschichte  des  Reisens 
fehlt  uns  überhaupt.  Kleinere  Beiträge,  so  zur  Geschichte  der  Pilger-  und  Je- 
rusalemfahrten ^^^-i^*^)  liegen  auch  in  diesem  Jahre  vor.  Jene  oben  erwähnte  Reisesucht 
hatte  sich  namentlich  bei  den  Vornehmen  ausgebildet:  zur  Bildung  gehörte  die  übliche 
grosse  Kavaliertour.  —  Leber  einzelne  fürstliche  Reisende  wird  \ins  wieder  be- 
richtet 157-158")_  Natürlich  sind  solche  Reiseberichte  i^ö)  nicht  nur  für  die  Art  des  Reisens 
interessant,  sondern  sie  verdienen  auch  wegen  der  Persönlichkeit  der  betreffenden  Rei- 
senden oder  wegen  des  Berichts  über  das  Gesehene  Beachtung.  Nicht  allzu  sehr  ragt  in 
dieser  Beziehung  der  von  C.  Curtius^'^o^  vorgelegte  Bericht  des  Hamburger  Dichters 
Postel  und  seines  Preundes  v.  d.  Melle  hervor.  —  Die  Anfänge  moderner  Touristik  zeigen 
sich  in  einer  Harzreise  des  Grafen  Götzen '6i-i6ia)_  — 

Sittengeschichtliches.  Neben  mancherlei  Schnitzeln ^ 6-- 1'''^)  sei  U.  Roberts  ^*''^') 
interessantes  Buch  hervorgehoben.  —  Osswald  ^^'')  giebt  nach  Aufzeichnungen  des  Nord- 
häuser Bürgers  Prommann  wertvolles  Material  zur  Geschichte  der  Hinrichtungsarten 
und  sonstiger  Strafen;  das  Kriminalverfahren  betrifft  übrigens  meistens  Hexen  usw., 
und  so  werden  auch  Segen,  Beschwörungs-  und  Zauberformeln  erwähnt.  —  Gegen  das 
moderne  verkommene  Geschlechtsleben  richtet  sich  ein  Aufsatz  der  Grenzboten  i^^)  nach 
Ribbings  Buch:  „Die  sexuelle  Hygiene  und  ihre  ethischen  Konsequenzen".  —  Ein  über- 
aus grober  Brief  eines  Konsistorialrats  an  einen  Pfarrer  aus  dem  Jahre  1759  wird  als 
sittengeschichtlicher  Beitrag  verzeichnet  ^6^).  —  Eine  andere  Notiz  ^''O)  handelt  von  dem 
Worte  „Chaland",  das  den  Namen  württembergischer  Beamten  und  anderer  Leute  zu- 
gesetzt wurde,  dessen  Bedeutung  aber  nicht  mehr  ersichtlich  ist.  Eine  spätere  Be- 
merkung i'^Oa)  erklärt  diese  Leute  als  Eisenhändler  des  Oberlandes.  Unwillkürlich  möchte 
man  sonst  an  Mitglieder  der  früheren  Kalandsbrüderschaften  denken.  Pur  die  Ge- 
schichte derselben  in  Westfalen  ist  ein  Beitrag  von  Darpe^'^i)  geliefert.  —  Zur  Ge- 
schichte der  Juden  und  ihrer  Stellung  in  der  Vergangenheit  ist  manches  veröffentlicht 
worden  i72-i75j^  Dass  sie  eine  harte  Leidenszeit  durchzumachen  hatten,  zeigen  u.  a.  die 
auf  urkundlichen  Quellen  beruhenden  Skizzen  F.  Ottos  i''^),  die  auch  für  den  Ursprung 


1892,  S.  710.]|  —  155)  X  de  Diesbacli,  Les  pölerins  Fribourgeois  ä  Jerusalem  (1436— 1646).  Etüde  historique:  ASHFribourjj. 
5,  S.  191—324.  —  156)  XR- Röhricht,  ü.  Jerusalemfahrten  d.  Grafen  Philipp,  Ludwiff  u.  Reinhard  v.  Hiinau:  ZVHessU. 
NF.  16,  S.  85-188. —  157)  X  E.  Fein,  Koiso  Herzog  Friedrichs  I.  nach  England  im  Jahre  1592:  BßSW.  13.  Fohr.  N.  1-2.— 
158)  X  A.  Gessler,  Felix  Platters  Schilderung  d.  Reise  d.  Markgrafen  Georg  Friedrich  zu  Baden  u.  Hochherg  ...  im  J.  1598: 
BasIerJb.  S.  104—46.  (Zugleich  für  d.  Schilderung  d.  Hoflebens  [Hochzeit]  interessant.)  —  159)  H.  Becker,  Deutsche  See- 
fahrer u.  Reisende  in  vergangenen  Jhh. :  Didasltalia.  N.  78.  (Betont  d.  Anteil  v.  Deutschon  an  d.  Entdeckungsfahrten,  zllhlt 
weiter  bedeutende  deutsche  Reisende  auf.)  —  160)  C.Curtius,  Heinrich  Christian  Posteis  u.  Jacob  v.  d.  Melles  Reise  durch 
d.  nordwestl.  Deutschland  nach  d.  Niederl.  u.  nach  England.  Aus  e.  Hs.  d.  Lübeck.  Stadtbibl.  her.  Progr.  Katharineura 
Lübeck,  Borchers.  4".  48  S.  (Vgl.  III  5:  29).  —  161)  E.  Jacobs,  Aus  e.  Harzreise  d.  Grafen  Friedrich  v.  Götzen  im  J.  1791. 
ZHarzV.  24,  S.  327-33.  —  I6la)  X  id.,  E.  Harztour  v.  55  Jahren:  HarzMhh.  2,  H.  1.  —  162)  X  A.  Birlinger,  Sitten- 
geschichtliches. Aus  Jaunerlisten  1,  2:  Alemannia.  19,  H.  1.  —  163)  X  G.  Pilk,  Fehden  u.  Räubereien  im  15.  Jh.:  ÜBA.T 
14,  S.  157/9,  165/7.  —  164)  X  0.  S.,  Altberliner  Folterwerkzeuge:  Bär.  17,  S.  30  f.  —  165)  X  Fassbindoroi  auf  d.  Main: 
Didaskalia.  S.  84.  (Betr.  die  alte  Sitte  der  Küfer,  auf  zugefrornen  Flüssen  e.  Fass  zu  binden.)  —  166)  U.Robert,  Les  signes 
d'infamio  au  raoyen-ägo:  juifs,  sarrasins,  herötiques,  löpreux,  cagots  et  Alles  publiques.  Paris,  Champion.  16".  194  S.  Fr.  5.  — 
165)  P.  Osswald,  Nordhäuser  Kriminal-Akten  v.  1498  bis  1657:  ZHarzY.  24,  S.  151-200.  —  168)  Z.  dunkeln  Kapitel  d. 
Kulturgesell.:  Grenzboten.  50,  II,  S.  605-13.  —  169)  id.,  E.  schwäbischer  Rüffel:  Didaskalia.  N.  9.  —  170)  Z.  Württemberg. 
Kulturgesch.:  SchwäbMerkur.  N.  197.  —  170a)  Ueber  d.  Bedeutung  d.  Wortes  „Chaland":  SchwäbKron.  N.  199.  —  171) 
F.  Darpe,  D.  Nienberger  K.aland:  ZVGWestf.  49,  S.  147-60.—  172)  O  M-  Ettinger,  Psychologie  u.  Ethik  d.  Antisemitismus 
im  Altertum,  Mittelalter  u.  in  d.  Neuzeit.  AVien,  Gottlieb.  29  S.  M.  0,40.  —  173)  X  C.  Grefe,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Israeliten 
in  Wien.  1.  Der  alte  Friedhof  im  IX.  Bezirke  aus  dem  16.  Jh .  Wien,  Gilhofcr  &  Ranschburg.  11  S.  m.  6  Photogr.  4". 
M.  10,80.  —  174)  X  A.  Adam,  Judenordnungon  Leopolds  I.,  Bischofs  v.  Sirassburg  1613:  Ece'esiasticum  Argentinense.  9, 
Beil.  105-24.  —  174a)  X  H-  Br esslau,  Aus  Strassburger  Judeuakten  1.:  ZGJudon.  5,  S.  115-25.  -  174b)  X  L.  G[eiger], 
Elsässer  Bestimmungen  über  Juden  1784:  ib.  S  273/4.  —  175)  A.  Wyking,  D.  Juden  Berlins.  Nach  bist.  Quellen  bearb. 
.Aufl.     Leipzig,  Uhl.   XII,    104    S.    M.  1,00.    -    176)  F.    Otto,    D.   Juden    zu  Wiesbaden:   AnnVNassAK.    23,    S.  129-48.  - 


91  G.  Steinhausen,  Knlturgeschichte.  1  5;  177.20». 

der  Bo^chworden  über  die  Judon  manches  CliarakteriHtische  bieten.'")  —  Der  Umschwung 
kam  im  Zeitalter  der  „Aufklärung".  Sehr  lehrreicrh  ist  dafür  die  Arbeit  von  Renas  "8^, 
('er  die  lleformschrift  des  StaatHmaiuies  und  Geschichtsschreibers  Ch.  W.  Doiim  be- 
handelt, namentlich  auch  in  Hinsicht  auf  ihre  Wirkung.  Er  bespricht  die  beirälligen 
Stimmen,  so  in  Nicolais  „AUgeuHMiier  Deutscher  Bibliothek",  und  die  gegnerischen,  so  die 
Recension  des  Professors  Hissmann  in  den  „Göttinger  Gelehrten  Anzeigen".  —  Kur/  werden 
auch  die  bald  folgenden  gesetÄgoborischen  Reformen  erwähnt.  —  lieber  die  Sitten- 
geschichte hinaus  geht  ein  Stoti',  über  den  schon  recht  viel  in  dilettantischer  Form  ge- 
handelt ist,  der  jetzt  aber  eine  gründliche  wissenschaftliche  Bearbeitung  durch 
von  Amira '■'ö)  erfährt,  namentlich  vom  rechtsgeschichtlichen  Standpunkt  aus.  Der  Vf. 
will  jene  Tierstrafen  zu  erklären  suchen,  die  man  oft  nur  als  Kuriosität  ansah.  Einer- 
seits arbeitete  man  früher  auch  mit  zu  geringem  Material,  andererseits  analysierte  man 
nicht  die  Thatsachen,  sondern  kombinierte  nach  Herzenslust.  A,  unterscheidet  zwischen 
den  weltlichen  Tierstrafen,  die  bei  christlichen  Völkern  wesentlich  einer  Zeit  der  Re- 
ception  und  der  Rechtsmischung  angehören,  und  dem  eigentJichen,  kirchlichen  Tier- 
process.  Diesen,  der  sich  nie  gegen  einzelne  bestimmte  Tiere  richtet,  fasst  er  als  „Ge- 
spensterprocess".  Das  Verurteilen  ist  ein  „zauberisches  Bannen  von  Menschen-  oder 
Dämonenseelen".   — 

Volkskunde  und  Mythologie.  Wenngleich  ich  der  Ansicht  bin,  dass 
zwischen  Volkskunde  und  Kulturgeschichte  genügend  geschieden  werden  s(»llte,  so  kam» 
man  die  Kulturgeschichte  doci»  immerhin  so  weit  fassen,  ditss  sie  auch  die  Volkskunde 
mit  einbegreift.  Da  ferner  volkskundliche  Ergebnisse  oft  auch  im  engeren  Sinne  kultur- 
historisch interessant  sind,  so  will  ich  in  Kürze  darauf  eingehen.  Ausserordentlich  viel 
Material  findet  man  in  den  speciellen  Zeitschriften,  von  denen  die  von  Weinhold '*) 
geleitete  auch  eire  Bibliographie  bringt,  i**')  „Am  Urquell" '82)  ist  eigentlich  wesentlich 
sammelnd.  Mancherlei  liefert  auch  die  „Alemannia  '**),  vieles  namentlich  für  die  Ver- 
gleichung  Interessante  geben  die  fremdländischen  Zeitschriften  184-18«')_  j„j  Folgenden 
richte  icli  mein  Augenmerk  wesentlich  auf  Material,  das  in  diesen  Specialzeitschriften 
nicht  enthalten  ist.  Allerlei  Kleinigkeiten,  unter  dem  Titel  „Volkstümliches"  oder  „Glaube 
und  Brauch"  zusammengefasst  i»'?-i93)^  werden  nach  den  verschiedenen  Gegenden  be- 
]\andelt.  Man  sieht  daraus,  dass  mau  sich  über  ein  mangelndes  Interesse  kaum  be- 
klagen kann.  Ueberall  giebt  e.-<  Sammler,  die  sich  freilich  in  ihrem  Dilettantismus  leicht 
zu  falschen  Folgerungen  verleiten  lassen.  —  Ueber  Volksbräuche  im  einzelnen  liegt 
mancherlei  vor  i'**).  Die  Bräuche  an  bestimmten  Tagen,  z.  B.  am  Matthiastag 
(24.  Februar)  ^^^),  an  dem  die  Mädchen  des  Sollings  in  die  Zukunft  schauen  zu  können 
meinen,  oder  an  Festtagen,  so  zu  Ostern:  Osterfeuer,  Osterwasser,  Ostereier  usw. ''''--'*"), 
am  Nikolaustag 20-)  oder  zu  Weihnachten  20:5-205^  bieten  Stoff  genug 205a),  Ebenso  die 
Bräuche  bei  Hochzeit  206),  Geburt  und  Tod  207-208),  Ausfülirlich  handelt  darüber 
J.  Sepp  200)^  der  die  Dinge  vom  vergleichenden  Standpunkt  unter  Beibringung  zahlreicher 
Belege  ansielit,  aber  durch  sie  seine  Ansichten  nicht  immer  wahrscheinlich  macht.  Oft 
wird  man  bei  vielen  dieser  und  anderer  Gebräuche  einen  uralt-religiösen  Ursprung 
richtig  vermuthen  können,  wenn  man  auch  nicht  überall  dergleichen  wittern  darf.     Zu  tief 


177)  X  II.  Jungfer,  D.  Juden  unter  Friedrich  d.  Grossen.  2.  Aung.  Leipzig,  Fritsch.  147  S.  M.  0,50.  —  178)  F.  Beusd,  Chriitiui 
Willielras  Dohms  Sclirift  „Ueber  die  bürgerliche  Verbesserung  der  Juden"  u.  deren  Einwirkung  auf  d.  gebildeten  St&nd«  Deutsch- 
lands: Dss.  Leipzig.  Kaiserslautern,  blonk  &  Cie.  105  S.M.  2,00.  —  179)  K.  v.  Amira,  Tierstrafen  u.  Tierproiesse :  MJÖO.  12, 
S.  545-GOl.  —  180)  Zoitsclirift  d.  Vereins  f.  Volkskunde  her.  v.  K.  Weinhold.  1.  .lahrg.  1891.  4  Hfte.  Berlin,  Asher  ik  Co. 
M.  10,00.  —  181)  X  Zeitschrift  f.  Volkskunde  in  Sago  u.  Milr,  .Schwank  u.  Streich.  Lied,  K.%tdel  u.  Sprichwort,  Sitte  u.  Brauch, 
lior.  V.  Veckenstedt.  'S.  Leipzig,  Fruukenstein  &  Wagner.  —  182)  Am  Urquell.  Honatsschr.  f.  Volkskunde.  Uamburt;,  Gramer. 
—  183)  Alemannia  her.  v.  A.  Birlinger.  19.  Bonn,  Hanstein.  —  184)  X  Kevue  des  Tradition«  populaircs.  6.  Pari.*,  Haison 
neuvo.  —  185)  X  Melusine.  Recuoil  de  niythologie,  littöraturo  populairo,  traditions  et  usages,  dirige  par  H.  Gaidoi.  5.  Paris, 
Rotland.  —  186)  X  Folklore,  aquarterly  reviewof  niyth.  tradition,  Institution  and  rustora  1—2.  London,  Natt.  —  187)  X  A. 
Uhlhorn,  Volkstümliches:  JbGEIsLothr.  7,  S.  146—50.  —  I88)X  !'•  Korth,  VolkstUmlio'ies  aus  d.  Kreise  Bergheini:  AHVXi.'derrh. 
^I,  S.  1—60.  —  189)  X  15.  Stehle,  VolkstUml.  Feste,  Sitten  u.  Gebrauche  im  Elsass:  JlGEULothr.  7,  S.  20lMi.  —  190) 
X  0.  Heilig,  VolkstOmlichcs  aus  Unterfrankon :  AHVUnterfranken.  34,  S.  217-20.  —  191)  X  Kaiser.  Volkstumliches  aus 
Hinterporamern:  MHUGPommG.  5.  S.  33'8.  —  192)  X  B-  Jelinek,  Materialien  ».  Vorgesch.  u.  Volkskunde  Böhmens.  1.  Tl. 
Wien,  Hdlder.  4".  36  S.  M.  3,60.  —  193)  X  GrUuenwald,  Reste  alten  Glaubens,  alter  Sitten  n.  Sagen  in  d.  PfaU: 
PfälzMus.  8,  N.  1  ff.  (Betr.  namentlich  Volksmedizin.)  —  194)  X  F-  Weineok,  Glaube  u.  Brauch  in  d.  Umgegend  t.  LUbben 
u.  Luckau:  MNLGAU.  2,  II,  S  133—5.3.  —  195)  X  M.  Rohleu,  Etwas  y.  Niesen:  Didaskalia.  N.  13.  (Brlache  u.  An- 
schauungen, d.  Niesen  betr.,  bei  verschiedenen  Völkern.)  —  196)  H.  Sohnrey,  D.  Matthiasgebr&uche  d.  SoUinger  Waldes:  ib. 
N.  77.  —  197)  X  W.  V.  Langsdorff,  Altheidnische  Ostergebräuche  u.  ihr  Einfluss  auf  d.  christl.  Festfeier:  LZgB.  N.  37. 
(lleidn.  Name  [Ostara],  Osterfeuer  =  Freudenfeuer,  d.  Entstehung  d.  Frühlings,  Ostereier  Symbol  d.  fruchtbringenden  Sonnen- 
wHrmo,  Verhalten  d.  Kirche  gegenüber  d.  Osterbräucheu.)  —  198)  X  R-  Dietrich,  VolkstUml.  Ostergebrtuche :  Didaskalia. 
N.  74.  (Auch  d.  Schwerttänze.)  —  199)  X  Rackwitz,  Osterfeuer:  KBlAnthr.  21,  N.  11/2.  —  200)  X  A.  Hammerau, 
D.  Bergfeuer  in  Deutschland:  AZgB.  N.  88;*).  ^Sucht  d.  Heimat  im  Orient)  —  201)  X  0.  Ol  Öde,  Y.  Osterhasen:  ZDU.  5, 
S.  702.  (Grundbedeutung  unsicher.)  —  202)  id.,  V.  hl.  Nikolaus:  ib.  S.  69.  —  203)  X  Siebenbürgens  Weihnachts-  u. 
Neujahrsbräuche :KBlVSiebenbLK.  14,8.43/4.  -204)  X  P-  Bartels,  Z.  Feier  d.  Zwölften:  ZDU.  5,  283.5.  — 205i  XA- Tille, 
1).  Weihnachtsbaum  u.  seine  Geschichte:  N&S.  59,  S.  322— 49.  —  205a)  X  F-  Ortwein,  Auf  d.  Suche  nach  PflngstbrSucheo 
im  Harz:  HarzMhh.  2,  Hft.  6.  —  206)  X  Zwei  Hochzeitslieder  aus  Schönberg:  KBlVSiebenbLK.  14.  69-70.  —  207) 
X  K.  KrUger,  Verhüllen  d.  Hauptes  beim  Tode:  ZDU.  5,  S.  51/2.  —  208)  X  W.  Hein,  D.  Todtenbretter  im  BOhmerwalde: 
Wien,  Holder.    4.     16  S.,  2  T.     M.  3,20.  —  209)  J.  Sepp,  Völkerbrauch  bei  Hochzeit,   Geburt   u.  Tod.    Beweis    (ttr  d.  Einheit 


I  5:  210-247.  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  92 

wurzelte  noch  in  der  Volksseele  der  alte  Glaube,  als  dass  er  durch  das  Christentum  hätte 
ganz  zerstört  werden  können.  Gedankenlos  aufbewahrte  Reste  freilich  sind  es,  aber 
doch  immerhin  wirkliche  Reste  des  alten  Heidentums,  die  wir  auf  dem  Gebiete  der 
Volkskunde  überall  finden.  Eine  populäre  Zusammenstellung  aller  solcher  Reste  giebt 
Stubenvoll  210)^  indem  er  einen  Rundgang  durch  das  Jahr  macht  und  bei  den  einzelnen 
Tagen  das  Erwähnenswerte  anführt.  —  Aus  einem  Buche  Sepps,  das  ebenfalls  alles 
Mögliche  zusammenstellt,  giebt  Fessl^n)  einige  Auszüge.  —  Das  grosse  Gebiet  des 
Aberglaubens  212-213^^  (Jas  diese  heidnischen  Reste 2i4)  so  häufig  aufweist,  ohne  dass  sie 
immer  mit  der  heidnischen  Volksreligion  zusammenzuhängen  brauchen  (denn  wieviel 
neuer  Aberglaube  ist  seitdem  hinzugekommen),  hat  auch  sonst  wieder  eine  reiche  Litte- 
ratur  hervorgerufen 210-224 ")_  —  Aufmerksamkeit  verdient  die  Arbeit  von  Losch  22B)^  ^qj-  eine 
grosse  Menge  von  Heilsprüchen,  Segen  usw.,  die  für  die  deutsche  Mythologie  höchst 
wertvoll  sind,  nach  Hss.  und  gedruckter  Volkslitteratur  zusammenstellt.  Er  will  später 
die  „Volksbücher"  noch  weiter  für  die  deutsche  Mythologie  ausnutzen.  —  Auch 
h'tterarhistorisch interessant  ist  die  Abhandlung  von  Amersbach  226),  Gerade  bei  Grimmeis- 
hausen, als  volkstümlichem  Schriftsteller,  erlauben  diese  Dinge  einen  bedeutsamen  Rück- 
schluss,  wenn  er  auch  unzweifelhaft  vieles  gelehrten  Quellen  —  darin  blieb  er  ein  Zeit- 
kind —  entnimmt.  Eür  uns  ist  auch  die  Stellung  wichtig,  die  Grimmeishausen  selbst 
zu  dem  Aberglauben  einnimmt.  Er  ist  darin  ebenso  befangen,  wie  alle  seine  Zeit- 
genossen. Eine  grosse  Rolle  spielen  bei  ihm  die  Sagen;  Grimm  und  andere  haben  aus 
ihm  geschöpft.  —  Die  Sagenlitteratur  dieses  Jahres  226a)  kann  übrigens  hier  nur  ganz 
flüchtig  gestreift  werden227-239i)^  wenngleich  diese  dichtende  und  erdichtende  Kraft  im 
Volke,  die  auch  heute  noch  rege  ist,  an  sich  alles  Interesse  verdient.  Eine  Specialität, 
die  Glockensagen,  die  meist  an  die  Glockentaufe  anknüpfen,  behandelt  E.  Müller240).  — 
Ein  verwandter  Zweig  der  Volkspoesie,  das  Volksmärchen2^i),  hat  eine  Bereicherung  durch 
U.  Jahns242)  hübsche  Ausgabe  erfahren.  In  der  Einleitung  kommt  er  darauf  zu  sprechen, 
wie  schwer  es  heute  ist,  aus  des  Volkes  Mund  derartiges  zu  erhaschen.  Auch  was  er 
sonst  über  die  Arten,  über  die  heutige  Entwicklung  und  Umwandlung  des  Märchens 
sagt,  ist  sehr  lesenswert.  Die  Sammlung  selbst  ist  sehr  reichhaltig  und  bietet  will- 
kommenen Anlass,  die  Volksseele  zu  studieren.  —  Blicke  in  dieselbe  vermag  auch  zu 
thun,  wer  einen  bestimmten  Stoff  darauf  ansieht,  wie  ilm  das  Volk  behandelt.  Der- 
artige Arbeiten  liegen  mehrfach  vor243-244"),  Himmel 2*5)  und  Hölle  in  der  UeberUeferung 
des  Volkes  behandelt  Matthias 245-247),     Er  meint,  dass  die  Anschauungen  darüber    fast 


d.  Menschen-Geschlechtes  u.  d.  Urheimat  Asien.  München,  Huttier.  176  S.  M.  2,00.  —  210)  Stubenvoll,  Heidentum  im 
Christentum.  1.  u.  2.  Aufl.  Heidelberg.  Siebert.  191  S.  M.  2,90.  —  211)  J.  Fressl,  D.  Religion  d.  alten  Deutschen  u.  ihr 
Fortbestand  in  Volkssagen,  Aufzügen  u.  Festbräuchen  bis  z.  Gegenwart:  MUnchNN.  N.  348.  (Im  Anschluss  an  d.  gleichnam. 
Buch  von  J.  Sepp.  1890.)  —  212)  X  A.  Graf,  Naturgesch.  d.  Teufels.  Aus  d.  Italien,  von  R.  Teuscher.  Jena,  Costenoble. 
XVIII,  448  S.  M.  4,00.  (Kommt  in  einzelnen  Partien  auch  für  uns  in  Betracht.)  —  213)  X  Tl»-  Achelis,  D.  Entwicklungsgesch. 
d.  Teufelsglaubens:  Ausland.  64,  N.  4  u.  5.  (Auszug  aus  N.  212.)  —  214)  X  S.  Schwarz,  Reste  d.  Wodankultus  in  d. 
Gegenwart.  Leipzig,  A.  Neumann.  III,  50  S.  M.  1,00.  —  215)  X  B-  Martiny,  Aberglaube  im  Molkereiwesen.  E.  Beitr.  z. 
Verständnis  d.  Aberglaubens  u.  z.  Gesch.  d.  Molkereiwesens.  Bremen,  Heinsius  Nachf.  42  S.  M.  1,50.  —  216)  X  Bartels, 
Volksaberglaube  im  17.  Jh:  JbGEmdenG.  9,  S.  98—100.  (Uober  Heilung  durch  e.  Messer,  mit  dem  Menschenblut  vergossen 
ist,  über  Puh-Hille  als  Namen  für  Goisterbeschwörerinnen  u.  d.  ,Rose  von  Jericho".  —  217)  X  Seile,  Neumärkische  Mirakel: 
FBPG.  4,  S.  613-22. —  218)  X  Prem,  Tirolischer  Glaube  u.  Aberglaube  d.  15.  Jh.:  ZDA.  36,8.51/3—219)  X  A.  Schlossar, 
Volksmeinung  u.  Volksglaube  aus  d.  deutschen  Steiermark:  Germania  36,  S.  880—406.  —  220)  X  F-  Rosenberger, 
D.  Wünschelrute:  DR.  16,  IV,  S.  60/8.— 221)  X  J-  Resch,  Schlag,  K.  J.  Schmidt,  Wolf  als  günstiges  Vorzeichen:  ZDU.  5. 
58,  286,  697.  —  222)  X  Schuh  u.  Stiefel  im  Aberglauben:  Didaskalia.  N.  62.  —  223)  X  A.  Achlei tner,  D.  Menschen- 
leben im  Aberglauben,  e.  volksmediciniseho  Studie  aus  d.  steir.  Hoch'and:  AZg.  N.  264.  —  224)  X  -T-  Koulen,  E.  alter 
Heilspruch:  ZDU.  6,  S.  694/5.  —  225)  F.  Losch,  Deutsche  Segen,  Heil-  u.  Bannsprüche.  Nach  gedr.,  schriftl.  a.  mündl. 
Quellen  zusammengest.:  WürttVjh.  13,  S.  157— 258.  —  226)  Karl  Amersbach,  Aberglaube,  Sage  u.  Märchen  bei  Grlm- 
melshausen.  (S.  u.  III  3:4.)  —  226a)  X  A.  SchuUerus,  Z.  Sagenkunde :  KBlVSiebenbLK.  14,  S.  25/9.  —  227)  X  Grimm, 
Deutsche  Sagen.  2  Tle.  in  1  Bd.  3.  Aufl.,  besor^'t  v.  H.  Grimm.  Berlin,  Nicolai.  XX,  268  u.  215  S.  M.  6,00.  —  228)  X 
Hauser  u.  Birlinger,  Sagen:  Alemannia  19,  S.  42/9.  —  229)  X  R-  Waiser,  Sagen  v.  Schlosse  Stein:  Carinthia  81, 
S.  54/7.  —  230)  O  X  Fr.  Francisci,  Sagen  aus  d.  Gailthalo:  NCarinthia  1,  129—31.  —  231)  X  A.  Haas,  RUgensche  Sagen 
u.  Märchen.  Greifswald,  Bamberg.  XII,  263  S.  M.  2,80.  —  232)  X  Hohaus,  D.  Sagen  d.  Grafschaft  Glatz:  VjsGGlatz 
10,  S.  93/6  n.  402/4.  —  233)  X  N.  Warker,  Wintergrün,  Sagen,  Geschichten,  Legenden  d.  Prov.  Luxemburg.  2.  Aufl.  Arlon, 
Willems-Poussin.  —  234)  X  H.  Grössler,  Dritte  Nachlese  v.  Sagen  u.  Gebräuchen  d.  Grafschaft  Mansfeld  u.  deren  nächster 
Umgebung:  MansfeldBll.  5,  S.  168—75.  —  235)  X  M.  Drumel,  Sagen  aus  d.  unteren  Gailthale:  NCarinthia  1,  H.  4.  —  236) 
X  J.  V.  Zingerle,  Sagen  aus  Tirol  Gesaramelt  u.  her.  2.  Aufl.  Innsbruck,  Wagner.  XX,  738  S.  M.  9,60.  |[M.  di  Martino: 
ASTP.  10,  S.  581/2.]|  —  237)  X  S.  M.  Prem,  D.  Legende  v.  Kaiser  Max  auf  d.  Martinswand:  ZDAlpenV.  11. 
(Berücksichtigt  auch  d.  poet.  Bearbeitungen  d.  Sage  u.  bringt  neue  Details.)  —  238)  X  Ray  dt,  D.  deutsche  Kaisersage:  DEBU. 
16,  S.  73.  —  239)  X  P.  Gaebisch,  Rothenburger  Sagen:  Didaskalia.  N.  117.  —  239a)  X  J.  Stöckle,  Schwetzinger 
Sagen.  D.  SchlUsselraadame  u.  d.  Pflngstrosenfest:  BadSchulZg.  N.  20/1.  —  239b)  X  C.  Gander,  Sagen  u.  sagenhafte  Mit- 
teilungen aus  d.  Kreise  Guben:  MNLGAU.  2,  II,  S.  121—32.  —  239c)  X  Ch.  L.  Wucke,  Sagen  d.  mittleren  Werra,  der  an- 
grenzenden Abhänge  d.  Thüringer  Waldes,  d.  Vorder-  n.  d.  hohen  Rhön,  sowie  aus  d.  Gebiet  d.  fränk.  Saale.  2.  Aufl.,  hör.  v. 
H.  Ullrich.  Eisenaeh,  Kahle.  XV,  530  S.  M.  4,50.  —  239d)  X  Krautwoihlegenden.  Zusammengest.  v  e.  Priester  d.  Diöcese 
Paderborn.  Paderborn,  Bonifaciusdruekerei.  42  S.  M.  0,25.  —  240)  E.  Müller,  Glockonsagen  in  Württemberg:  BBSW. 
N.  19-20.  —  241)  X  L.  Fränkel,  Z.  Proteusmttrchen  u.  andern  wanderndi'n  Stoft'en:  Germania  36,  S.  308/10.  —  242)  U.Jahn, 
Volksmärchen  aus  Pommern  u.  RUgen.  1  Tl.  (=  Forschungen  d.  Vereins  für  Niederd.  Sprachforschung  2.)  Norden,  Soltau. 
XXII,  382  S.  M.  7,50.  —  243)  X  H.  Frischbier,  D.  Menschonwclt  in  Volksrätseln  a.  d.  Provinzen  Ost-  u.  Westpreussen: 
ZDPh.  23,  S.  240—64.  —  244)  X  B.  Wossidlo,  Gott  u.  Teufel  im  Mundo  d.  Mecklenburg.  Volkes:  KBlVNiederdSpr.  15, 
S.  44/8.  —  245)  X  K-  Hildebrand,  Olymp  u.  Himmel,  dabei  etwas  v.  hohlen  Bergen  u.  vom  Echo:  ZDU.  5,  S.  433/9.  — 
246)  E.  Matthias,  D.  Himmel  in  d.  volkstUml.  Ueherlioferung:  LZg».    N.  93.   —   247)  id.,  D.  Hölle  in  d.  volkstUml.  Ueber- 


93  G.   Stein hn  11  soll,  KulturgeschiVhte.  I  5;  248-270 

auHRchliesslich  aus  der  Bibel  horHtainincn.  AufPetruH  geht  or  Itfisoiulers  ein:  das  Fege - 
fouei*  ist  nach  ihm  nie  in  die  oigontliclio  Volksüherliefennig  (iher^ogangen.  —  Wie  das 
V^olk  Ciber  den  Tod  denkt,  bespricht  oberflächlich  Habs  -  Randau''*'*).  Die  überall 
wiedi^rkohrendo  Mythe  von  der  Toteninsel ^^")  wird  in  einem  Wiener  Feuilleton  be- 
hiiiuh^lt,  ebenso  der  Wienerische  Tod -•'•*>),  der  ein  charakteristisches  nicht-grausiges,  ich 
niötlito  sagen  griechisches  Ansehen  zeigt.  Die  Abbihhnig  des  Todes  auf  dem  Titel- 
kupfer von  „Mercks  Wieun"  (KJHO)  möchte  man  nach  dem  Vf.  faät  „Herr  v.  Tod" 
titulieren.  —  Für  das  GemCitsleben  des  Volkes  ist  überhaupt  der  humoristische  Zug 
charakteristisch.  Auf  diesem  Gebiet,  dem  des  Volkshumors,  snid  wenig  Neuigkeiten  zu 
vorzeichnen2'ii-253").  Dass  cui  wesentliches  Kennzeichen  desselben  die  Derbheit  ist,  zeigt 
ein  Beitrag  SchtUtolkopfs^-'^^)  aus  Känithen.  —  Vielfach  mischt  sich  in  den  Volkshumor 
ein  verstandesmässiges  Element:  der  witzige  Rpottvogel  kommt  zum  Vorschein.  Nament- 
lich zeigt  sich  das  in  den  Neckereien  über  einzelne  Orte,  eine  Gattung,  über  die  u.  n. 
schon  der  alte  Wachsmuth  vor  vielen  Jahren  recht  gut  gehandelt  hat.  Speciell  für  den 
])()minerschen  Lokalwitz  ist  jetzt  von  Knoop''^^''*-^*^)^  der  auch  sonst  für  die  pommersche 
Volkskunde  manches  beigetragen  hat^ß'),  eine  Sammlung  veröffentlicht.  In  alphabetischer 
Reihenfolge  der  Orte  wird  alles  auf  sie  Bezügliche,  teils  aus  gedruckten  Quellen,  teils 
aus  mündlichem  Bericht  herrührend,  zusammengestellt.  Noch  deutlicher  als  im  Volks- 
humor, der  doch  meistens  „wenig  Witz  und  viel  Behagen"  zeigt,  findet  sich  der  Volks- 
verstand in  der  Spruch  Weisheit  258-26«)  (Jes  Volkes,  die  oft  auch  wieder  humoristisch 
gefärbt  ist.  Aus  den  hübschen,  schon  JBL.  1890  charakterisierten  Sammlungen  v.  Hör- 
manns giebt  Leist^co)  einen  Auszug.  —  Von  Sprich wörtersammlungen 2«' -:i«2j  jg^  ^\q 
fleissige  Arbeit  Dirksens2ß3)  hervorzuheben.  —  Neben  Grabinschriften 26<-2<w)  sind  weiter 
die  Haussprüche  und  -inschriften 267-271)  zu  beachten.  Buhlers2''2)  leitet  seine  Sammlung 
mit  einigen  interessanten  Bemerkungen  ein.  Haussprüche  haben  nach  ihm  ihre  Lieb- 
lingsstätte in  Gegenden  mit  Holzbauten.  Ihre  allgemeine  Quelle  sind  die  Bibel,  weiter 
die  Sprichwörter  und  Redensarten.  Oft  richtet  sich  der  Spruch  gegen  den  Neid  der 
Nachbarn.  Einige  Sprüche  verbreiten  sich  über  weite  Gegenden  als  eine  Art  Volkseigen- 
tum. Zu  erwähnen  ist  für  diese,  wie  für  andere  Sammlungen,  dass  ein  gi-osser  Teil  der 
in  ihnen  enthaltenen  Sprüche  und  Inschriften  lateinisch  ist.  —  Aus  einer  Zusammen- 
stellung echten, Volksgutes,  dem  neu  gedruckten  Strassburger  Rätselbuch  vom  Jalire 
lf)05,  werden  mis  Proben  gegeben 273V  Schüttelkopf2'*)  setzt  seine  verdienstliche 
Sammlung  von  Kinderreimen  und  Kinderspielen  fort.  —  Etwas  viel  Gelehrsamkeit  v^-ird 
an  die  verschiedenen  Fassungen  der  volkstümlichen  Einteilung  des  Menschenlebens  nach 
zehn  Jahrzehnten  verwandt,  über  die  auch  ein  nachgelassener  Aufsatz  Zachers275) 
unterrichtet.  Interessanter  ist  die  Erörterung  über  die  bildlichen  Veranschaulichungen 
der  zehn  Altersstufen.  Warum  die  Gans  als  Begleiterin  des  Hundertjährigen  gewählt  ist, 
hat  zu  vielen  künstlichen  Vermutungen  geführt,  gegen  die  mit  Recht  Bedenken  erhoben 
werden.  ■ —  Ein  oft  mit  Unrecht  verachtetes  Volksgut  sind  die  Erfahrungen  über  das  fiir 
das  Landvolk  so  wichtige  Wetter,  die  es  in  mannigfachen  Regeln  und  Voraussagungen 
ausspricht 276-278»).  Einen  geschichtlichen  Ueberblick  über  die  volkstümliche  Litteratur 
dieser  Art  giebt  Hellmann2'<9-280),    —    Yüt  die  Volkskunde    nicht  ohne  Interesse    sind 


liefernng:  ib.  N.  140.  —  248)  E.  Habs-Randau,  D.Tod  im  Sprichwort:  MBnchNN.  N.  389.  (Auch  Didubkll*  N.  180.)  —  249) 
M.  Ildt.,  D.  Todteninsel:  NFPr.  N.  9763.  —  250)  D.  Wienerische  Tod:  ib.  N.  9704.  —  251)  X  H.  Frischbier,  VolkswiU: 
AltprMschr.  28.  H.  1-2.  —  252)  X  E.  Jeep,  Schildbürger:  ZDU.  5,  S.  355,7.  —  253)  X  J.  Jan  sc  ha,  E.  Beitr.  i.  Volks- 
hnmor  a.  d.  mittleren  Giirkthale:  Carinthia  81,  S.  90.  —  254)  U  Schattelkopf,  D.  Brechlstear:  ib.  S.  185—93.  (Behandelt 
d.  Schimroelreiter,  d.  in  Kürnthen  beim  Flachsbrechen  erscheint,  u.  giebt  d.  humorist-poetischen  Redestroit,  d.  sich  dab«i  ant- 
spinnt,  wieder.)  —  255)  0.  Knoop,  Allerhand  Sclierze,  Neckereien,  Keime  n.  Erzählungen  Ober  pomm.  Ort«  n.  ihre  l(«wolui«r. 
Stettin  (Pobcii,  Jolowicz).  105  S.  M.  2,00.  —  256)  id.,  Allerhand  Scherz,  Neckereien,  Reime  u.  Erzthl.  Ober  pomm.  Ort«  n. 
ihre  Uewobuer:  BaltSt.  41,  S.  99-203.  —  257)  id.,  Plattdeutsches  aus  Hinterpommern :  MBllOPommG.  6,  8.38—40,58,4,  «»—71, 
87/0,  119—21.  —  258)  X  R-  Sprenger,  Alb.  Richter,  DeuUche  Redensarten,  sprach!,  u.  kultorgeseh.  erl.:  ASNS.  8«,  8.  300. — 
259)  X  P-  Söbillot,  Les  rootes  et  devinettes,  proverbes:  RTP.  6,  S.  92/8.  —  260)  X  Leist,  Volkspoesie  In  i.  AlpM: 
MUnchNN.  N.  389.  —  261)  X  0-  Wunderlich,  Deutsche  Sprichwörter,  volktUmlich  erklkrt  n.  gruppiert.  2.  Bdchen.  5.  Anfl. 
Langensalza.  Schulbuvhbaudlung.  YIIl,  95  S.  U.  0,75.  —  262)  X  3-  Ka  thgeber,  Elslss.  Sprichwörter  n.  sprkhwOrtl.  Redens- 
arten :  JbGElsLothr.  7,  S.  141;5.  —  263)  C.  Dirksen,  Ostfriesische  SprichwOrt«r  n.  sprichwOrtl.  Redensarten  mit  bist.  n. 
sprachl.  Anm.  2.  Hft.  Buhrort,  Andreae  &  Co.  95  S.  M.  1,80.  —  264)  X  0.  L.  Testorpf,  Inschriften  t.  Grabdenkmilem, 
Gemälden  usw.  in  der  Kirche  zu  Groden:  MVHambG.  13,  S.  49—57.  (Bemerkenswerte  Verse.)  —  265)  X  F.  Branky, 
L.  von  Hermann,  Grabschriften  u.  Marterten:  ZDU.  5.  S.  501/3.  —  266)  X  A.  Hintze,  Sprache  t  Sargschilder  u.  Grabsteine. 
Hamburg,  Horold.  53  S.  M.  1,00.  —  267)  X  B-  Engelhard,  D.  HausinschrifUm  d.  Stadt  Dnderstadt.  (=  Beitr.  t.  Knnst- 
geschichto  Niedersachsens.  C.)  Beilage  z.  Progr.  d.  Progym.  Duderstadt.  40.  S.  29—41.  —  288)  X  A.  Leicht  n.E.OraB«, 
Meissner  Inschriften  u.  Abzeichen:  MYGMeissen  3,  S.  17 — 76.  (Viele  Gedichte.)  —  269)  X  J.  Freund,  Hausinschriflen  ans 
Marburgs  Umgebung.  (S.-A.)  Marburg,  Ehrhardt  32  S.  M.  0,30.  —  270)  X  B.  D  nrrer,  D.  Salzherrenhaus  zn  Samen:  ASchweizAK. 
24,  S.  579-82.  (NairensprUche  d.  16.  Jh.)  —  271)  X  GioT.  Tram^,  Inseripztuns  in  Engiadina:  ASRhaetR.  6,  .•<.  1—33. 
(Auch  deutsches  u.  lateinisches.)  —  272)  Buhlers,  Hildesheimer  UaussprOche:  ZHarzV.  24,  8.  425 — 53.  —  273)  Deutsche 
RaUel:  Didaskalia  N.  30.  —  274)  B.  Schattelkopf,  Kinderreime  u.  Kinderspiele  (Forts.':  Carinthia  81.  S.23flr.,  SOff.,  121  ff., 
157  ft'.  —  275)  J.  Zacher,  Zehn  Alterstufeu  d.  Menschen  (aus  seinem  Nachlass  r.  E.  Matthias):  ZDPh.  23,  S.  385—412.  — 
276)  X  Ueber  Wetterregeln  u.  Verwandtes:  BBWS.  N.  11  2.  -  277)  X  B.  S  chO  t  tel  k  opf.  WettorsprOche  n.  Wettergebete: 
Carinthia  81.  S.  89—90.  —  278)  X  F.  P  f  a  ff,  Practica  auf  alle  Monat  durch  d.  gantie  Jarr  gestallt:  Alemannia  19,  S.  169—73.  — 
278a)  X  J-  H.  Graf,  Ueber  astrologischen  Aberglauben  wie  d.  Uoroskopstellen  u.Kalenderpropheieien:  BemerTb.  40,  S.  185— 233L 
(Aus   Schweizer   Kalendern  des  16.-18.  Jh.)     —     279)   G.   Hellmann:   Meteorologische  VolksbOeher.     E.  Beitr.  z.  Oeaeh.  d. 


I  5:  280-293.  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  94 

endlich  die  Mitteilungen,  die  Riegl^si)  üher  einen  mit  Zeichen  bedeckten  achtseitigen 
Holzstab  macht,  der  eine  Art  immerwährenden  Kalenders  darstellt,  freilich  seit  der 
gregorianischen  Reform  seine  Zwecke  nur  ungenügend  erfüllen  konnte.  So  lässt  es 
sich  erklären,  dass  diese  Stäbe  ausser  Gebrauch  gekommen  und  nur  noch  wenige  Spät- 
linge wie  dieser  erhalten  sind.  —  Auf  die  Mythologie282)  kann  hier,  wo  es  sich  um 
die  neuere  deutsche  Kultixrgeschichte  allein  und  um  die  allgemeine  Kulturgeschichte  nur 
insoweit  handelt,  als  sie  die  letztere  berührt,  nur  wenig  eingegangen  werden.  Sie 
kommt  für  uns  in  Betracht,  soweit  sie  im  Volksglauben  und  Volksgeist  noch  fortgelebt 
oder  aber  Einfluss  auf  Kunst  und  Dichtung  späterer  Zeiten  geübt  hat.  Jenes  Moment 
trat  schon  oben  hervor  bei  Besprechung  der  Volksbräuche,  des  Aberglaubens  usw. 
Auch  Herrmanowskis283)  mythologisches  Werk  bietet  uns  dafür  in  seinem  ersten 
Bande  manches  Interessante.  Dieser  erste  Band,  eine  ziemlich  unkritische  Zusammen- 
stellung, die  kein  Bild  von  der  deutschen  Mythologie  in  ihrer  Entwicklung  und 
Wandlung,  sondern  mehr  ein  vollständiges  Bild  davon  giebt,  wie  man  sich  die  deutsche 
Götterwelt  dachte  und  vorstellte,  kann  uns  namentlich  wegen  dieses  letzten  Punktes 
nützlich  werden;  so  geht  der  Vf.  auch  auf  viele  Sagen  ein.  Grösseren  Wert  hat  aber 
für  unsere  Zwecke  der  zweite  Band,  der  die  Verwendung  der  deutschen  Götter  und 
Helden  in  der  Kunst  darstellt  und  zwar  bis  in  unsere  Zeit.  Auch  das  Märchen  wird 
berücksichtigt.  Das  Grundmotiv  des  Vf  ist,  die  alte  Götter-  und  ßeckenwelt  neu  zu 
beleben  und  uns  wieder  näher  zu  bringen;  es  verdient  gewiss  alles  Lob.  Aber  ich 
fürchte,  dass,  ehe  nicht  unsere  gesamten  Bildungsgrundlagen  recht  tüchtig  geändert  sind, 
darin  wenig  Erfolge  zu  erreichen  sein  werden.  H.  hat  sehr  recht,  wenn  er  meint,  dass 
heute  nur  wenige  mit  jener  Welt  vertraut  sind.  Sein  Buch  kann  dazu  beitragen,  diese 
Vertrautheit  zu  befördern,  und  damit  zum  Verständnis  unserer  Volksnatur  verhelfen.  — 
Einen  kleinen  Teil  der  mythologischen  Welt  in  seinem  späteren  Eortleben  behandelt 
Mus  hacke  284).  Er  betont,  dass  das  Elfenreich  ursprünglich  eine  heitere  Färbung  gehabt 
habe,  die  durch  den  Einfluss  des  Christentums  im  Norden  ganz,  in  Deutschland  teilweise 
verschwunden  sei.     Anders  war  der  Verlauf  auf  gallischem  und  englischem  Boden.  — 

Tiere  und  Pflanzen.  In  den  meisten  der  hierher  gehörigen  Arbeiten  wird  die 
Auffassung  und  Verwendung  der  Tiere  und  Pflanzen  in  der  Sage,  im  Volksglauben  und 
in  den  Bräuchen  mit  Vorliebe  besprochen:  wir  können  sie  also  hier  passend  angliedern. 
Das  Buch  von  C.  J.  Steiner^ss)  soll  den  Erwartungen,  die  man  nach  dem  Titel  hegen 
kann,  nicht  genügen:  wissenschaftliche  Ansprüche  macht  es  wohl  auch  nicht.  —  Von 
den  Arbeiten,  die  sich  im  einzelnen  mit  Tieren  286-286a)  beschäftigen,  ist  die  von  Gl ock 287) 
fleissig  zusammengestellt,  aber  nicht  immer  nach  den  Quellen.  —  Ueber  mancherlei 
Pflanzen  288-289)  verbreitet  sich,  namentlich  in  Bezug  auf  Symbolik  und  Sagenbildung, 
das  ebenfalls  höchst  fleissige  Buch  von  Handtmann^so).  —  Die  Eiche  verfolgt  Wagler29i-292J 
durch  alle  Zeiten.  Im  ersten  Teil,  der  sich  wesentlich  auf  die  Eiche  im  Altertum  be- 
zieht, sind  für  uns  einige  Notizen  über  medizinischen  Aberglauben  unserer  Vorfahren, 
die  sich  an  Wundereichen  usw.  knüpfen,  sowie  die  Zusammenstellung  deutscher  Sprich- 
wörter über  den  Baum  wertvoll.  Mehr  bietet  ims  der  2.  Teil  S.  36  ff:  „Die  Eiche  im 
Kultus  der  Germanen  und  ihrer  Nachbarstämme."  Die  Verwendung  im  Kultus,  in  der 
Sage,  im  Aberglauben  wird  erschöpfend  und  übersichtlich  behandelt.  Aus  dem  Schluss- 
wort hebe  ich  die  Betonung  der  freilich  nicht  unbekannten  Thatsache  hervor,  dass  die 
Eiche  die  Rolle  eines  eigentlichen  deutschen  Nationalbaumes  im  Mittelalter  nicht  gespielt 
hat.  Bei  mittelhochdeutschen  Dichtern  findet  sich  eher  die  Linde  bevorzugt.  Die  Eiche 
gewann  erst  seit  Klopstock  mehr  Ansehen.  Im  Anhang  stellt  W.  deutsche  Dichter- 
stellen über  die  Eiche  zusammen.  —  Kürzer,  aber  ebenfalls  in  ihrer  gesamten  Verwen- 
dung   wird    die  Rose    in  einem  Vortrag  von  Bienengräber^^s)    behandelt.     Alle  diese 


Meteorologie  u.  z.  Kulturgesch.  Berlin,  II.  Patel.  53  S.  M.  1,00.  —  280)  D.  Vf.  d.  IOO3.  Kalenders:  Didaskalia  N.  178.  (Mauritius 
Knauer;  nach  Berthold:  vgl.  JBL.  1890  II  5:35  u.  0.  I  4:48.)  —  281)  A.  liiegl,  E.  kärntnerischer  Bauernkalender:  Carinthia 
81,  S.  13—23.  —  282)  O  IX  K.  A.  Neuhoff,  Etymologie,  Volkstum  u.  Mythologie:  HambCorr.  N.  633.  -  283) 
P.  Herrmanoswki,  D.  deutsehe  Götterlehre  u.  ihre  Verwertung  in  Kunst  u.  Dichtung.  1.  Bd.  Deutsche  Qötterlehre.  2.  Bd. 
German.  Götter  u.  Heidon  in  Kunst  u.  Dichtung.  Berlin,  Nicolai.  III,  284  S.  M.  4,50.  VI,  278  S.  M.  3,00.  |[1)LZ.  12, 
8.  1101/3;  —  gk:  LCBl.  S.  1764/5;  A.  Schröder:  BLU.  S.  109;  W.  Golther:  MUnchNN.  S.  526.]]  —  284)  W.LMushacke, 
Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Elfenreiches  in  Sage  u.  Dichtung.  Progr.  Crefold.  4P.  20  S.  —  285)  O  C.  J.  Steiner,  D.  Tierwelt,  nach 
ihrer  Stellung  in  Mythologie  u.  Volksglauben,  in  Sitte  «.  Sage,  iu  Gesch.  u.  Litt.,  in  Sprichwort  u.  Volksfest  Gotha,  Tliieno- 
mann.  XI,  824  S.  M.  4,20.  |[JBOPh.  13,  S.  144/5.]|  —  286)  X  A.  Schlieben,  D.  Schwein  in  d.  Kulturgesch.  Wiesbaden, 
Bechtold.  63  S.  M.  1,00.  —  286a)  X  Graf  M.  v.  Hu tten-Czapski,  D.  Gesch.  d.  Pferdes.  Nach  d.  Vf.  Todo  aus  d.  Poln. 
ins  Deutsche  Ubers.  v.  L.  Koenigk.  2.  (Titel)  Aufl.  Berlin,  Bath.  Vlll,  716  S.  M.  12,00.  —  287)  O  J.  Th.  Glock, 
D.  Symbclik  d.  Bienen  u.  ihrer  Produkte  in  Sage,  Dichtung,  Kultus,  Kunst  u.  Bräuchen  d.  Völker.  Heidelberg,  Weiss.  XII, 
411  S.  M.  5,00.  ItLCBl.  S.  1597  ]|  —  288)  Baron  L.  A.  J.  W.  Sloet,  De  planten  in  hat  gennaan'sohe  Volksgeloof  en 
Volksgebruik.  s'Gravenhage,  Nijhoff.  1890.  98  S.  M.  2,00.  [Kossmann:  LBORPh.  12,  S.  263/4  ]|  —  289)  X  J-  Flos, 
D.  Pflanze  als  Prophetin:  Didaskalia  N.  56.  —  290)  O  E.  Hundt  mann,  W'as  auf  märkischer  Heide  spricsst.  Märkische 
Pflanzenlegendeu  u.  Pflanzensymbolik.  Berlin,  LUstenöder.  VII,  184  S.  M.  3,00.  ||JBGPh.  13,  S.  142/3.]|  —  291)  P.  Wagler, 
D.  Eiche  in  alter  u.  neuer  Zeit.  E.  mythol.-kuUurhist.  Studio.  1.  Tl.  Progr.  Würzen.  4».  41  S.  [IBPhWS.  12,  S.  20; 
JCGPh.  13,  S.  140/7.]|  —  292)  id,  D.  Eiche  in  alter  u.  neuer  Zeit.  2.  Tl.  (=  Berliner  Studien  f.  class.  Phil  u.  Archäol.  13,2.) 
Berlin,   Calvary.    128  8.    M.  4,00.   —   293)   M.  Bienengräber.   D.  Rose  in  Gesch.  u.  Dichtung     Vortrag.     Borlin,  Radelzki. 


95  d.  Steinhausen,  Kulturgeschicht«».  15:    rv4-'* 

Arbeiten  294-295)  können  in  vielen  Einzelheiten  für  den  Volkscharakter  und  das  Natur- 
^rcliihl  oder  aber  auch  in  der  Bevorzugung  einzelner  Tiere  und  Pflanzen  zu  gewissen 
Zeiten  für  Zeitstimmung,  Geschmacksrichtung  und  Kulturwandel  vieles  Beachtenswerte 
bieten.  — 

Einzelnes 2ößai.),  Hier  seien  Arbeiten  erwähnt,  die  einen  bestimmten  Stofl' 
iiUgemein  kulturgeschichtlich  behandeln  und  insofern  auch  für  die  deutsche  Kultur- 
geschichte von  Wert  sind.  Aehnlich  wie  oben  Tiere  und  Pflanzen  wird  z.  B.  durch 
W.  Bormann  2»«")  das  Meer,  allerdings  in  obertlücldichster  Weise,  in  seiner  dichterischen 
Verwendung  verfolgt.  — Ebenso  wortlos  ist  ein  Feuilleton  Halbegs^»')  über  den  Früh- 
ling. —  Mehr  Beachtung  verdienen  einige  im  engeren  Sinne  kulturhistorische  Arbeiten. 
Lüttich 2W)  geht  von  der  Tliatsache  aus,  dass  gewisse  Zalden  auf  allen  möglichen 
Ciebieten  des  menschlichen  Lebens  eine  bedeutungsvolle  Rolle  spielen.  Er  versucht 
dieses.  Zahlenmaterial  zu  ordnen  vnid  zu  deuten,  indem  er,  Lippert  folgend,  auf  die  Be- 
gritfe  der  Mutterfamilie  und  Vaterfamilie  zurückgeht.  Aus  jener  Periode  soll  die  3  in 
ihrer  Bedeutung  stanunen,  die  L.  an  vielen  Beispielen  erörtert.  In  der  ersten  Periode 
d6r  Vaterfamilie  sollen  die  2  und  die  4,  die  7  und  die  13  zu  ihrer  Bedeutung  gelangt 
sein  usw.  Anfangs  meint  er,  war  die  Familie,  später  wurde  die  durch  die  Vorgänge  am 
Hinuuel  geregelte  Zeiteinteilung  die  Schöpferin  bedeutungsvoller  Zahlen.  Im  einzelnen 
viellach,  aucii  für  die  deutsche  Kulturgeschichte,  interessant,  wird  die  Auseinander- 
setzung doch  nicht  überall  überzeugen.  —  G.  Steinhausen  2»«)  entwickelt  die  Formen 
dos  Grussos,  der  ursprünglich  Ausdruck  unbedingter  Unterwerfung  oder  ein  Zeichen 
des  Friedens  war.  In  diesem  Sinne  lässt  sich  auch  das  Hutabnehmen ^  erklären. 
Nach  ihren  Grussworten  werden  einzelne  Völker  charakterisiert.  —  Der  Ausgangspunkt 
des  Vf.,  dass  nämlich  heute  zahllose  Bräuche  und  Formen  existieren,  deren  ursprüngliche 
Bedeutung  niemand  mehr  kennt,  die  aber  überall  gedankenlos  angewandt  werden,  ist 
auch  der  Gesichtspunkt  einer  Skizze  von  K.  Alberti^"'),  der  alle  möglichen  Anschauungen 
und  Bräuche  von  heute  auf  ihre  frühere  und  eigentliche  Bedeutung  prüft,  z.  B.  das 
Brüderschafttrinken.  —  Ein  sehr  interessanter  kulturgeschichtlicher  Stoff,  die  Namen- 
moden, wird  von  Needou302)  ganz  hübsch,  aber  lange  nicht  ausreichend  behandelt. 
Eine  tiefere  Kenntnis  der  Vergangenheit  z.  B.  durch  Studium  von  Urkunden  und  Matrikeln 
wäre  wünschenswert  gewesen.  — M.  Beck^osj  verfolgt  durch  die  Gescliichte  das  Haupt- 
werkzeug der  Schreibkunst  in  seinen  Wandlungen;  über  Ringe  und  ihren  Gebrauch  ver- 
breitet sich  B.  Martin304)j  über  berühmte  Glocken  von  Stahl^os);  er  erwähnt  auch  die 
Glockeuinschriften305a-b),  —  Lehrreich  ist  die  Abhandlung  von  Perle-'^o)  über  das  social- 
demokratische  Symbol,  die  rote  Fahne,  die  keineswegs  das  Symbol  von  Blut  und  Feuer 
ist.  Sie  stammt  aus  Frankreich.  Nach  dem  Gesetze  vom  2L  Oktober  1789  sollte  sie  den 
Nationalgarden,  die  irgend  einen  Aufruhr  zu  unterdrücken  hatten,  vorangetragen  werden. 
Das  Volk  hasste  also  die  rote  Fahne.  Erst  im  Zusammenhang  mit  der  roten  Jakobiner- 
mütze erfuhr  sie  später  tiefen  Bedeutungswandel.  P.  verweilt,  um  diesen  zu  erklären, 
namentlich  bei  einer  Episode  vom  5.  Juni  1832.  — 

Lokalstudien.  Auf  diesem  Gebiet  herrscht  nach  wie  vor  eine  grosse  Thätig- 
keit,  die  allerdings  häufig,  so  nicht  selten  in  den  Veröffentlichungen  der  historischen  Ver- 
eine, zu  einem  Kultus  des  Unbedeutenden  und  Unwichtigen  ausartet.  Erfreulich  ist 
es,  dass  einzelne  liistorische  Vereine  weniger  auf  die  Geschichte  ihrer  Landesf^irsten, 
ihi-es  Stiidtleins  oder  ihrer  Nachbai-dörfer ,  als  auf  die  Erforschung  vergangener 
Kultur  und  unseres  Volkslebens  Wert  legen.  Freilich  kommen  da  hin  und  wieder  recht 
dilettantische  Arbeiten  zum  Vorschein.  Den  Bericht  über  die  kulturhistorisch  inter- 
essanten Lokalstudien  knüpfe  ich  an  einen  Rundgang  durch  Deutschland.  Berlin  ^o«*),  von 
dem  ich  ausgehe,  ist  vielfach  der  Gegenstand  solcher  Studien  gewesen.  Schwebeis**') 
Buch  ist,  wie  alle  Arbeiten  dieses  Autors,  unwissenschafthch  und  für  unkritische  Leser 
berechnet.  Interesse  können  die  Abbildungen  haben,  die  auf  alte  Vorlagen  zurückgehen.  — 
L.  H.  Fischers^os)    gesammelte  Aufsätze,    die  kaum  über  das  vorige  Jh.  zurückgeheu, 

31  S.  M.  0,80.  —  294)  X  GrUnonwald,  D.  Masslioben:  PflIlzMus.  8,  S.  29—80.  (^Namentlich  als  LiebeRorakel  Terwandt.)  — 
295)  X  W.  Richter,  Lotus  u.  Papyrus.  E.  kulturhist.  Skizze:  KZg.  N.  842.  (FUr  d.  deuUche  Kulturgesch.  ohne  B«lajig.)  — 
29Sa)  X  E.  Lippmann,  Gesch.  d.  Zuckers,  seine  Darstellung  n.  Verwendung  seit  d.  Ut«8ten  Zeiten  bU  la  Beginn  d.  Knben- 
zuckerfabrikation.  E.  Beitr.  z.  Kulturgesch.  Leipzig,  Hesse.  1890.  XV,  474  S.  mit  l  Kart«.  M.  6,00.  —  2fl5b)  X 
L.  Vallet,  Le  chic  ä  cheval.  Histoire  pittoresque  de  l'öquitation.  Pröface  de  M.  H.  Laredan.  Paria,  Fimin-Didot  4«. 
XI,  274S.  Fr.22,00.  —  296)  W.  Bormann,  Meer  u.  Dichtung:  Didaskalia  N.  66  7.  —  297)  L.  Halbeg,  Frühling:  Ib.  N.  68 — 
298)  Sei  mar  Lattich,  Ueber  bedeutungsvolle  Zahlen,  e.  kulturgesch.  Betrachtung.  Progr.  Domgymnas.  Naamburg. 
Naumburg,  Sieling.  40.  47  S.  —  299)  G.  Steinhausen,  D.  Gross  u.  seine  Gesch.:  TglKa.  N.  84(5.  —  300)  OX  K.  Brd- 
mann, D.  Hutabnehmen:  VFolszMeer  1S90  1,  Heft  12.  —  301)  K.  Alberti,  Knlturgespenstor :  Didaskalia  N.  64,5.  —  302) 
R.  Needou,  Namonmoden:  LZg».  N.  72.  —  303)  M.  Beck,  V.  Holigriffel  bis  «.  Stahlfeder:  Didaskalia  N.  27.  —304) 
B.  Martin,  Du  Ring  an  .meinem  Finger:  ib.  N.  63.  —  305)  (i.  v.  Stahl,  BerShmte  Glocken:  ib.  K.  297  —  305«)  X 
D.  Glocken  v.  Treptow  a./R.:  MBllPommG.  5,  S  97ff.— 113ff.  -  305b)  X  K.  E.  U.  Krause,  D.  Glocke,  .Nachtegall'  d.  ait«n 
Rathauses  in  Anklam:  ib.  S.  124/5.  —  306)  F.  Perle,  D.  rote  Fahne:  Grenzboten  ."iO,  1,  S.  157; 65.  —  308«)  X  F.  Uoltie. 
Gesch.  d.  Kammertjcrichts  in  Briiudenburg-Preussen.  2.  Tl.  1540—1688.  Berlin,  Vahlen.  XV,  376  S.  M.  8,00.  :[LCB1.  S.  Il.%5.]i — 
307)  O.  Schwebe!,  Aus  Alt-Berlin.  Stille  Ecken  u.  Winkel  d.  ReichshanptstMlt  in  kulturhist.  Schilderangen.  Berlin, 
LtiRtenöder.    40.    VIII,  487  S.    M.  15,00.    I(FBP0.  4,  S.  307;   BLU.  S.  219— 2«).1|  —    300)   I..  H.  Fischer,   Ans«   Beriins  Vsr- 


I  5:  309-330C  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  96 

haben  wesentlich  Wert  für  die  Geschichte  des  litter  arischen  Berlins:  hauptsächlich  tritt 
Tiecks  Gestalt  in  den  Vordergrund.  Hinzuweisen  ist  an  dieser  Stelle  auf  die  Beiträge 
zur  Schulgeschichte  Berlins,  die  im  18.  Jh.  recht  unerfreulich  ist,  auf  den  Aufsatz  über 
Berliner  Wochenschriften  vor  100  Jahren  und  auf  die  Biographie  des  jüdischen  Philo- 
sophen Salomon  Maimon.  —  In  das  Berlin  zu  Anfang  des  17.  Jh.  führt  uns  der  von 
Zechlin^oo)  besprochene  Reisebericht  des  bekannten  Augsburger  Patriziers  Philipp 
Hainhofer,  dessen  gesamtes  Reisetagebuch  übrigens  schon  1834  in  den  Baltischen 
Studien  veröffentlicht  ist.  Neben  der  topographischen  Beschreibung  Berlins  interessiert 
uns  seine  Schilderung  des  Schlosses,  weiter  die  Notizen  über  die  von  ihm  genossene 
Geselligkeit ^0^^).  Aus  dem  Jahr  1690 -"^^o^  liegt  ebenfalls  ein  Reisebericht  vor^n),  nament- 
lich durch  die  Schilderung  des  Hoflebens  wertvoll.  —  W^ieder  eine  Spanne  Zeit  weiter 
hören  wir  durch  Schmollers^is)  Vermittlung  eine  Beschreibung,  wie  damals  einem 
französierten  sächsischen  Höfling  Berlin  und  sein  Hof,  der  damals  eben  seinen  mili- 
tärischen Anstrich  bekommen  hatte,  erschien  3i2a^.  —  Ein  französischer  Diplomat  macht  seine 
Bemerkungen  über  das  Berlin  vor  hundert  Jahren;  Masson  '^^^)  hat  sie  veröffentlicht.  — 
Fast  in  neueste  Zeit  führt  uns  P.  Lindenbergs  314)  feuilletonistisches  Büchlein,  als  ein 
von  einem  Zeitgenossen  entworfenes  Kulturbild  doch  nicht  uninteressant.  —  Auf  ein 
wichtiges  Element  der  Berliner  Bevölkerung,  auf  die  französischen  Refugies,  geht  eine 
Darstellung  Tollins  und  Beringuiers  ^i^)  ein,  die  uns  die  wirtschaftliche  und  geistige 
Bedeutung  dieses  Elements  gut  vor  Augen  bringt.  —  In  die  Zeit  der  Einwanderung 
selbst  führen  einige  von  Muret-^iß)  mitgeteilte  Autobiographien  solcher  Refugies.  — 
Wir  schreiten  weiter  nach  Osten.  Aus  Pommern  wird  uns  durch  Unruh  ^i'')  von  Hexen- 
prozessen, von  den  Hofnarren  der  pommerschen  Herzöge,  von  dem  „Zutrinken",  von  Ver- 
gnügungen, von  der  Tracht,  vom  Trunk,  von  theologischen  Interessen,  vom  pommerschen 
Lokalwitz  allerlei  zusammengestellt.  —  Aus  Westpreussen^is)  liegt  eine  Geschichte  der 
Stadt  Danzig  von  Wistulanus  3^^)  vor,  die  das  Kulturgeschichtliche  angemessen  berück- 
sichtigt. —  An  die  Geschieht  eder  Provinz  Posen  von  Christian  Meyer  320)  hat  sich  ein 
unerquickliches  Nachspiel  geknüpft.  Auf  die  Kulturverhältnisse,  die  hier  als  in  einem 
der  Kampf  länder  deutscher  Kultur  besonders  wichtig  sind,  ist  übrigens  einiger  Nachdruck 
gelegt.  —  Wir  verlassen  den  Osten 321)^  um  jetzt  von  Berlin  aus  nach  Westen  zu  gehen, 
zunächst  nach  Hamburg 3-2-23).  Das  Buch  von  Borcherdt  32*)^  von  dem  nun  auch  die  zweite 
Hälfte  erschienen  ist,  ist  schon  JBL.  1890  charakterisiert  32*»).  —  lieber  Altona  liegen 
gerade  in  kulturhistorischer  Hinsicht  interessante  Beiträge  z.  B.  vonR.  Ehrenberg325-326) 
vor.  —  In  novellistischer  Form  gehalten,  aber  doch  voll  lehrreicher  Einblicke  in  Geist  und 
Leben  eines  schleswigschen  Städtchens  sind  einige  Skizzen  327)^  die  auch  hier  an  der  Stätte 
der  Wissenschaftlichkeit  getrost  erwähnt  werden  dürfen.  —  Wir  gehen  südwestlich 328-329a) 
weiter  nach  Westfalen.  Vogeler  330-330c)  veröffentlicht  in  einer  dortigen  Lokalzeit- 
sclirift  fast  lauter  kulturhistorische  Beiträge.  Für  die  Sittengeschichte,  natürlich  auch 
wieder  für  die  Geschichte  des  Hexenwesens,  findet  sich  manches  Wertvolle;  ferner  seien 
die  Ordnung  des  Tagelohns  von  1(556,  die  Sonntagsfeierordnung  von  1693  und  das 
Edikt  gegen  Pasquillanten  von  1710,  noch  mehr  einige  urkundliche  Beiträge  zur  Ge- 
schichte Soests  im  30  j.  Kriege,  Zeugnisse  aus  Deutschlands  Leidenszeit,  hervorgehoben.  — 


gangenheit.  Ges.  Aufsatze  z.  Kultur-  u.  Litt.-Gesch.  Berlins.  Berlin,  Oehmigke.  205  S.  M.  2,00.  |[NatZg.  N.  441.]  |  —  309) 
A.  Zechlin,  Philipp  Hainhofers  Bericht  über  Berlin  im  J.  1617:  VZg.  N.  327,  329.  —  309a)  X  Zernin,  Berlin  u.  Köln 
a.  d.  Spree  vor  250  Jahren:  Bär  16,  S.  244/7,  261/2.  —  310)  X  P-  Seidel,  Berlin  u.  sein  Hof  im  J.  1696:  ib.  17,  S.  96/9, 
154/6.  -  311)  (S.  u.  III  1  :  31.)  —  3ß)  (S.  u.  111,1  N.  33.)  —  312a)  (III  1  :  35 )  -  313)  F.  Masson,  Berlin  il  y  a  Cent  ans: 
RevHD.  5,  S.  28—65.  |[Wetzel:  MVGBerlin  8,  S.  90/l.]|  (Aufzeichnung  e.  franz.  Diplomaten  aus  d.  Zeit  1772—83.)  — 
314)  P.  Lindenberg,  Aus  d.  Berlin  Kaiser  Wilhelms  I.  Bilder  u.  Skizzen.  (=  Univ.-Bibl.  N.  2779—80.)  Leipzig,  Keclam. 
120.  219  S.  M.  0,40.  —  315)  Tollin  u.  B6ringuier,  I).  franz.  Colonie  in  Berlin.  (=  GescliBll.  d.  deutschen  Hugenotten- 
Vereins  4.)  Magdeburg,  Heinrichshofen.  42  S.  M.  0,50.  —  316)  Mure),  Lebensbilder  einiger  R6fugi<5s  aus  d.  Zeit  d.  Ein- 
wanderung, nach  ihr.  eigen.  Aufzeichnungen  mitget.  Berlin,  Mittler  &  Sohn.  4".  92  S.  M.  3,50.  —  317)  Th.  Unruh,  Bilder 
aus  d.  pommerschen  Kultur-  u.  Sittengeseh.:  ZDK6.  NF.  2,  S.  103—13.  —  318)  X  Nadmorski,  Gesellschaftl.  Zustände  im 
Marienburgischen :  Wisla  3,  S.  717— 54.  —  319)  H.  Wistu  lanus,  Gesch.  d.  Stadt  Danzig.  Danzig,  Lehmann.  12".  98  S. 
M.  1,00.  —  320)  Chr.  Meyer,  Gesch.  d.  Provinz  Posen.  Gotha,  Perthes.  X,  371  S.  M.  6,00.  |[ZHGPosen  6,  S.  234-48.]|  — 
321)  X  Volkmer,  Gesch.  d.  Stadt  Habeis chwerdt:  VjsGGlatz  10,  S.  1—60,  97-131,  193-233,  289—312.  -  322)  X  H.  Haase, 
Malerische  Ecken  u.  Winkel  Hamburgs.  18  Zeichnungen.  Text  v.  0.  Rüdiger.  Hamburg,  Boysen.  Fol.  2  S.  Text.  M.  20,00.  — 
323)  X  Th.  Schrader,  Hamburg  vor  200  Jahren.  Gesamm.  Vorträge  v.  Th.  Schrader,  K.  Jacoby,  K.  J.  W.  Wolters,  Otto 
Rüdiger  u.  R.  Ehrenberg.  Hamburg,  Gräfe  &  Sillem.  VII,  367  S.  M.  10,00.  —  324)  A.  Borcherdt,  D.  lustige  alte  Hamburg. 
Scherze,  Sitten  u.  Gebräuche  unserer  Väter,  gesammelt.  2.  Hälfte.  Hamburg,  Dörling.  VII,  308  S.,  24  Taf.  in  4«.  M.  4,00.  — 
324  a)  X  J.  F.  Voigt,  D.  Schmalenbecker  Hof.  E.  kulturgesch.  Skizze.  Als  Hs.  gedruckt  Hamburg.  20  S.  —  325) 
R.  Ehrenberg,  Altona  unter  Schauraburgischer  Herrschaft.  Her.  mit  Unterstützung  d.  Kgl.  Commorz-Collegium  zu  Altona 
1—3.  Altona,  Hander.  IX,  48,  73  S.  M.  4,00.  (D.  Anfänge  Altenas.  D.  Altonaer  Fischer,  Wirtshäuser,  Accise  u.  Bierbrauereien. 
QlUckstopf-Geachichten.  D.  Anlage  d.  Palmaille.)  —  326)  Bhe.,  Kulturgesch.  Beitrage  über  Altona  vor  100  Jahren :  HarabNaehra. 
N.  49.  —  327)  Aus  dänischer  Zeit.  1.  Unsere  kleine  Stadt.  2.  Tante  Feddersen.  3.  Was  Mahlmann  erzählte.  4.  D.  Stadt- 
mnsiker.  6.  Qrossvatera  Schreiber.  0.  Diebesrache:  Grenzboten  50,  III,  S.  78-83,  129-35,  179—86,  283/7,  569—76,  611/9.  — 
328)  X  6-  Seile,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Landes-WUrden.  Mit  2  Siogoltafeln.  Oldenburg,  Stalling.  IX,  94  S.  M.  2,40.  —  329) 
X  C.  L.  Niemann,  D.  oldenburgische  Münsterland  in  seiner  gesch.  Entwicklung.  2.  Bd.  bis  z.  Verein,  mit  d.  Herzogt  Olden- 
burg. Oldenburg  u.  Leipzig,  Schulze.  387  S.  M.  3,00.  —  330)  Vogeler,  Alte  Soester  Kriminalnachrichten:  ZVGSoest 
Jg.  1889/90,  S.  1—23.  —  330a)  id..  Einige  obrigkeitl.  Verordnungen  aus  alter  Zeit:  ib.  S.  59-74.  —  330b)  id..  Aus  e.  alten 
«tädt  Knchenbuch:  ib.  S.  89—95.  —  330c)  id.,  Urkundl.  Beitrr.  «.  Gesch.  Soests  während  d.  7j.  Krieges:  ib.  S  49-58.   (Auch  d. 


97  G.  Stoinhaiisnii.  KulturjTosr.lur.htft.  I  ',:  smi-'*15. 

Bis  an  die  Schwollo  des  grossen  Ivriej^es  ist  die  Geschieht»}  einer  andern  westlahscJiun 
Stadt,  BocliumH,  durch  Darpe^^n)  geführt,  von  der  in  dein  1H91  erschienenen  Abschnitt 
die  Zeit  von  l")!? — KJIH  anerkennenswert  belmndelt  ist.  Besonders  zu  heaclit<'n  ist  das 
Ka])itel:  „Wirtsciiaftliclio  Verhältnisse  inid  Volksleben  in  Bochum  im  Hi.  Jh.;  Stein- 
kohlciigewinnung;  die  Pest;  llexenwahn."  Fttr  die  Namenkunde  interessant  ist  das 
„Billgerverzeichnis".  Weniges  von  allgemeinerem  Interesse  bietet  der  Abschnitt:  „Adel 
und  Bauern  von  Bochum".  —  Einen  gewissen  typischen  Wert  hat  das  familiengeschicht- 
liche Bihl,  das  E.  Jacobs  ='^-)  entwirft.  —  Nach  der  kulturgeschichtlichen  Seite  hin  hat 
auch  Braunscliweigs  Geschichte  einen  Bearbeiter  in  Hohnstein '*3H)  gehuiden. — Ueber 
den  Harz  ^^*-^3'''')  wenden  wir  uns  ins  Hannoversche 5^^).  Namentlich  wirtschaftflgeschichtlich 
Interessantes  bringt  hier  A.  Ulrich '"i«-^»«'»).  —  Halles  Vergangenheit  hat  eine  umfassende 
liistorische  Behandlung  durch  Hertzberg  '•^')  erfahren.  —  Aus  einer  von  K.  Heine^»«)  ge- 
gebenen Geschichte  des  Dorfes  Erdebom  sind  die  Notizen  über  den  dortigen  Pfarrer  Martin 
Riiikart,  weiter  die  Schilderung  der  Drangsale  des  30  j.  Krieges,  endlich  die  Inschriften 
der  Glocken  zu  erwähnen.  —  Anemt\llers"30)  Buch  geht  namentlich  auf  die  Ausgestaltung 
der  KyfFliäusersage  ein.  —  Ein  lokales,  aber  sehr  berl\hmtes  Fest,  das  Naumburger  Kirschen- 
fest, behandelt  ein  Ancnymus  "■'O).  Es  war  ursprünglich  ein  sehr  einfaches  Kinder- 
und  Nat urfest  ohne  grössere  Bedeutung.  Was  später  gefabelt  wurde,  geht  zum  grössten 
Teil  tiuf  den  Geschichtsfälscher  Rauli  zurück:  erst  Lepsius  zerstörte  den  ganzen 
Schwindel.  Auch  auf  die  belletristisclio  Behandlung  des  Festes  wird  eingegangen 
(Kotzebues  „vaterländisches  Schauspiel  mit  Chören").  Der  Vf  des  bekannten  Spott- 
liedes „Die  Hussiten  zogen  vor  Naumburg"  ist  der  damalige  Referendar  Karl  SeyfFert, 
der  die  gläubigen  Naumburger  Bürger  damit  sehr  erbitterte.  —  Aus  dem  Königreich 
Sachsen  3-»-3J2)  wäre  auf  Wustmanns  3i3)  Atlas  der  Stadt  Leipzig  hinzuwci.sen.  — 
Andräs344)  Arbeit  über  Crimmitschau  kommt  wesentlich  für  die  politische  Geschieht«, 
nicht  für  uns  iu  Betracht.  —  Dagegen  ist  aus  der  thüringischen  •M*a)  Lokalge.schichte 
ein  achtungswerter  kulturhistorischer  Beitrag  von  Einert^^)  hervorzuheben.  Es 
handelt  sich  um  Arnstadt,  aus  dessen  Geschichte  sehr  bezeichnende  Kulturbilder  her- 
ausgearbeitet sind,  so  „Flurzug  und  Flurstreit",  „Steinbusse"  (die  üblichste  Strafe,  bei 
der  auch  die  Vergehen  besprochen  werden),  „Die  Zeit  der  Kipper  und  Wipper",  „Ein 
grosses  Sterben"  (interessant  ist  namentlich  das  Gutachten  des  Stadtphysikus), 
„Die  Merodebrüder",  „Die  Mädeliiischulmeisterin"  (für  die  Erziehungsgeschichte 
nicht  unwichtig),  „Erbhexen"  usw.  Litterargeschichtlich  interessant  sind  die  Abschnitte: 
„Schultheater  auf  dem  Rathaus",  dabei  des  Rektors  Operette:  „Die  Klugheit  der  Obrig- 
keit in  Anordnung  des  Bierbrauens" ;  „Holbergs  ,Politischer  Katuiegiesser'  auf  dem 
Schultheater",  eine  Auiführung,  die  erst  nach  ^delen  Anfechtimgen  zustande  kam;  „Eine 
vergessene  Dichterin",  die  mit  dem  kaiserlichen  Lorbeer  gekrönte  Poetin  Sidonia  Hed- 
wig Zäunemannin  (f  1740).  —  Ueber  Hessen'^-*«^  Hegt  mancherlei  vor.  Wiesenbach^«") 
führt  die  Bezeichnung  „blinde  .Hessen"  auf  den  Namen  des  Stammes  zurück,  der 
ursprünglich  Katze  bedeute  (Chatten).  —  Hessler^^^)  giebt  nur  im  Anhange  seines  ftir 
die  Schule  und  das  Volk  bestimmten  Buches  kulturgeschichtliches,  und  dies  ist  ohne 
wissenschaftlichen  Wei't^^o).  —  Geiger  ^so)  bespricht  die  vor  längerer  Zeit  erschienenen 
Aufzeichnungen  des  Kardinals  Garampi,  soweit  sie  sich  auf  Frankfurt  beziehen,  inter- 
essant auch  deshalb,  weil  Goethes  Beschreibung  von  Frankfurt  annähernd  dieselbe  Zeit 
im  Auge  hat.  —  Eine  Zeitungsnotiz^öi)  weist  mit  Recht  auf  die  Behandlung  des  Wortes 


Ubr.  Aufsatze  d.  Bds.  v.  Vf.)  —  331)  F.  Darpo,  Gesell,  d.  Stadt  üoclium.  II.  Bochum  in  d.  Nouxeit.  A.  1517—1618.  Bochum. 
Stumpf.  S.  11>J— 228.  M.  1,80.  —  332)  E.  Jacobs,  Kulturbildor  aus  d.  Zeit  d.  30j.  Krioges  (2).  D.  BegrBndung  d.  Guts  auf 
d.  Boke  zu  Altonrode  u.  d.  Schicksal  v.  Iloicr  v.  Lauingons  Nachkommenschaft:  ^HarzV.  24,  S.  116—60.  —  333)O0.  Ho^p- 
stein,  Kulturhist.  Bilder  aus  alter  Zeit.  Neue  Folge.  BraunschweJK  in  d.  .Zeit  Tor  d.  30j.  Kriege.  Brannscbwei^,  Appelhäna 
&  Pfenning.storft.  MF,  253  S."  M.  3,(0.  [[G.Winter:  BLU.  S.  .824]!"-  334)  x'"arwock- Waldsted  t.  Was  4.  Selke 
pUtschert;  Geschichtliches,  Gedichte,  Sagen  u.  Mllrthcn  aus  d.  SoIVothale.  Osterwieck,  Zickfeldt.  16«.  XI,  160  S.  M.  1.00.  — 
335)  X  R-  Steinhoff,  Gesch.  d.  Grafsdiaft,  biw.  d.  Fürstentums  Blankenburg  a.'H.  Blankonburg  a.  H..  Vieweg.  VIII,  192  8. 
[LCBl.  S.  781.]]  —  336)  A.  Ulrich,  Bilder  aus  Hannovers  Vergangenheit.  Hannoter-Linde.n,  Moni.  182  S.  M.  2,00.  — 
336a)  X  H.  Dohning,  1).  Geschichte  d.  Stadt  Celle.  Cello,  Schulze.  XI,  280  S.  M  5.00.  -  3S7)  O  Oertzberg.  Gesch. 
d.  Stiidt  Halle  an  d.  Saale  v.  d.  Anfangen  bis  z.  Neuzeit.  Nach  d.  Quellen  dargest.  2.  Hallo  wihrend  d,  16.  u.  17.  Jh.  Halle. 
Buchh.  d.  Waisenhauses.  X,  687  S  M.  7,50.  |LLCItl.  1892,  S.  80.)  i  -  338)  K.  Heine.  Z.  Gesch.  d.  Dorfes  Erdebom  im 
jilansfeldischeu:  MansfeldBll.  5,  1-65.  (Vgl.  III  2:41.)  —  339)  E.  AneraUIler.  KyD'hnusor  u.  Rotheabnrx  in  Veigmnganheit 
n.  Gegenwart.  Detmold,  Hinrichs.  V,  40  S.  M.  0,60.  —  340)  I).  Naumburger  Kirscbfest:  Grentboten  50,  III,  S.  :«56— 7».  — 
341)  X  W.  Loose,  Beifrr.  z.  kirchl.  Zucht  u.  Sitte  in  d.  Stadt  Meissen:  BSachsKG.  6,  S.  85-«7.  —  ZV»)  X  A.  Moschkau, 
l.öbau  z.  Zeit  d.  30j.  Krieges.  Zittau,  Böhm.  13  8.  —  342)  X  "•  Ermisch,  Wanderungen  durch  d  Stadt  Freiberg:  NASachsG. 
12,  S.  86-  1()2.  —  343)  G.  VVustniann,  Leipzig  durch  3  Jhh.  E.  Atlas  z.  Gesch.  d.  Leipziger  Stadtbildpx  im  16.,  17.  n.  18.  Jh. 
Mit  kurzen  Erl.  Leipzig,  Duncker  &  llnmblot.  Fol.  YlII.  24  S.,  72  Taf.  M.  40.00  -  344)  E.  Andra.  D.  Stadt  Crimmitschau 
wahrend  d.  grossen  Krieges.  I'rngr.  Crimmitschau.    118  S.  —  344a)  A.  Schirraer,  Eisenberg  im  30j.  Kriege:  MVGEisenb«rg6. 

345)  E.  E  inert,  Aus  d.  Papieren  e.  Rathauses.    Beitrr.  z.  deutschen  Sittengeseh.    Arnstadt,  Frotscher.    V,  196  S.   K.  3,00.  — 

346)  O  X  F.  Seelig,  Geschichtsbilder  aus  d.  f asseler  Vergangenheit.  Vortrag.  2.  Ausg.  Cassel,  HUhn.  12".  IV,  56  S. 
M.  0,80.  —  347)  F.  Wiesenbach,  D.  blin-'en  Hessen.  E.  sprachl.-hist.-herald.  Studie.  Hamburg.  VerL-Anst  32  S.  IL  1,00. 
;iK.  Sallraann:  BLU.  S.  444.]!  —  348)  K.  Hessler,  Gesch.  r.  Hessen.  Mit  Ausschluss  d.  beim  Tode  Philipps  d.  Gross-, 
mutigen  abgetrennten  Gebiete.  Cassel,  Klaunig.  VI,  223  S.  M.  2,00.  —  349)  X  K.  Schäfer,  Jagenbeim:  Didaskalia  N.  160. 
—  350)   L.  Geiger,   Frankfurt  in  d.  Beschreibung  e.  Italieners  1761:  FZg.  N.  148.  —  SSI)  D.  Rhein:    SchwabMerk.   23.   Febr 

Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  II  (i|.  7 


1  5:  352-370  Gr.  Steinhaviseii,  Kulturgeschichte.  98 

„Rhein"  im  Grimmsclien  Wörterbuch  durch  M.  Heyne  hin.  —  Jenseits  des  Rheins ^^2— 354) 
hat  Strassburg355-35G)  Anlass  zu  manchen  Veröffentlichungen  gegeben.  —  In  das  Schlett- 
städter  Bürgerleben  der  Vergangenheit  führt  uns  Geny^-^^).  Namentlich  erwähnenswert 
ist  die  beigegebene  „Ordnung  der  Herrenstube"  von  1600 — 1601,  durch  den  dort  be- 
schäftigten Schenken  Balthasar  Beck  aufgezeichnet.  —  Ueber  das  Schwabenland  «^58-359 j 
kommen  wir  nach  Bayern  3ßo-36i),  Was  der  vorerwähnte  Garampi  (N.  350)  über 
München 3ö2)  zu  sagen  hat,  wurde  von  Geiger  363)  ebenfalls  veröffentlicht.  Er  giebt  dabei 
Notizen  über  die  von  Garampi  erwähnten  Gelehrten  Amort,  Lori,  v.  Oefele.  —  Eunk^W) 
weist  auf  das  früher  erschienene,  für  die  allgemeine  Kulturgeschichte  höchst  wichtige 
Tagebuch  der  Eichstätter  Augustinernonne  Clara  Staiger  hin^ß^a)^  —  Y)[q  frühere  Be- 
deutung der  bayerischen  Centren  des  Handels,  Augsburgs  und  Nürnbergs,  die  zugleicli 
typisch  für  die  Vormacht  des  Bürgertums  im  15.  und  16.  Jh.  waren,  führt  Klein - 
schmidt365)  vor  Augen.  —  Mummenhoffs  366)  grosse  Publikation  bietet  vielfache 
Schilderungen  kulturliistorisch  wichtiger  Momente  aus  Nüi-nberg.  —  Bei  den  politischen 
Grenzen  kann  die  deiitsche  Kulturgeschichte  nicht  stehen  bleiben,  darum  von  Bayern 
zu  Oesterreich36'7-367a)_  Die  Kulturverliältnisse  des  Ijandes,  namentlich  auch  die  geistigen 
imd  litterarischen  Beziehungen  zu  Deutschland,  hat  für  das  vorige  Jahrhundert  Clir. 
Meyer  368)  geschildert.  Die  Aufklärung  in  Oesterreich  sei  durchaus  ein  Nachhall  der 
deutsclien  Aufklärung.  —  Wien  in  seiner  Vergangenheit  wird  uns  von  Grefe  3<iö) 
und  Uhlirz369a)  bildlich  vorgeführt.  3i 9b)  —  Kleinere  Lokalstudien  sind  für 
Klagenfurt  durch  IT.  Ehrlich  3^0)  und  auch  sonst 3'?0a-37i)  veröffentlicht.  —  Für  die  Ge- 
schichte des  Deutschtums  in  Böhmen  ist  auf  K.  Eckardts  37-:)  Buch  hinzuweisen.  — 
Von  Schweizer  Lokalstudien3''3)  ist  Mülinens374)  Schrift  wesentlich  politiscli- 
historischer  Natur.  —  Allgemeineren  Wert  374a)  ]^at  Geisers  375)  Arbeit,  die 
an  den  höchst  tramigen  geistigen  und  moralischen  Zuständen  Berns  im  vorigen 
Jh.,  auf  die  schon  Stapfer  in  seiner  „Histoire  et  description  de  la  ville 
de  Berne"  eingegangen  ist,  zu  beweisen  sucht,  dass  der  Vorwurf,  den  man  der  Demo- 
kratie gemeinhin  macht,  dass  sie  nämlich  eine  geistige  Depression  herbeiführe,  mit  viel 
mehr  Recht  die  Aristokratie  treffe.  Nach  zeitgenössischen  Quellen  wird  diese  Behaup- 
tung treffend  illustriei't.  Sehr  gute  Einblicke  in  die  Bernische  Atmosphäre  gewährt  z.  B. 
das  ergötzliche,  aber  ernst  gemeinte  Büchlein  „Lebensbesclireibung  Johannes  Justingers, 
eines  bernischen  Patricii'',  aus  dem  G.  einiges  mitteilt.  Jenen  Ausspruch  Schlözers, 
„dass  drei  Gessler  ein  erträglicheres  Unglück  sind,  als  Deux-Cent  erbliche  Ratsherren", 
erweist  avich  eine  andere  schweizerische  Stadt  als  richtig,  in  der,  wie  in  Bern  eine  adlige, 
(iine  bürgerliche  Oligarchie  herrschte.  Die  faulen  Zustände  in  Zürich,  auch  hier  veranlasst 
durch  eine  „oligarchische  Krämeraristokratie",  schildert  eingehend  Hadorn376).  Wie 
es  einem  erging,  der  gegen  diese  oligarchischen  Sünden  vorgehen  wollte,   das  zeigt  das 


—  352)  X  J-  Nover,  D.  Typus  d.  Rheingauers:  Maiir/Anz.  v.  18.  Juli.  — ,353)  X  K.  Tlieile,  Bilder  aus  d.  Chronik 
Hactiarachs  u.  s.  Tbäler.  E.  SUlck  rheinischer  Orts-  u.  Kirchengescli.  (r.>tlia,  Perthes.  VII,  152  S.  Jl.  2,00.  |[Jentsch:  15LU. 
S.  392.JI  —  354)  X  «T-  Steinbach,  Führer  durch  d.  Ahrthal  an  d.  Hand  d.  Sage  u.  Gesch.  Ut-r.  v.  \V.  Sleinbach.  4.  Aufl. 
Neuwied,  Heuser.  12«.  IV,  119  S.  1  Karte.  M.  1,20.  —  355)  X  A^-  f' [oybo  thj ,  Souvenirs  du  vjeux  Strasbourg.  50  Planches 
avi'c  texte  oxplicatif.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  Fol.  12  S.  Te-xt.  M.  12,00.  —  356)  X  R-  Uoigel,  Fntwicklungsgesch.  d. 
öffentl.  Beleuchtung  Strassburgs.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  V,  85  S.  lu.  5  Tal'.  M.  3,00.  —  357)  J.  G6ny,  Aus  d.  Sclilettstildlcr 
liürgerleben  d.  16.  Jh.:  ZGOlili.  NF.  0,  S.  283—95.  —  358)  O  X  K.  Gerok,  E.  Paulus,  H.  v.  lius  tige,  v.  E  hmann , 
0.  Fraas,  0.  Baisch,  Th.  Schott  u.  a.  hervorragende  St.iatsmänner  u.  Schriftsteller,  D.  Schwabonland  u.  seine  kulturelle 
Entwicklung  in  d.  Neuzeit.  (=  Württemberg  u.  sein  König  1864 — S9.  Stuttgart,  Süddeutsches  Verlagsin>t.  Fol.  III,  lOa  S. 
mit  zahlr.  Illustr.,  Kun-stb-ill.  etc.  etc.  M.  6,00.  —  359)  X  Lauffcn  am  Neckar:  Didaskalia  N.  203.  (Nach  d.  MUucliNN.)  — 
360)  X  A.  V.  Hahn,  llothenburg  ob  d.  Tauber  u.  d.  Meistertriinkauffliliruug:  LZg».  N.  73.  —  361)  X  K.  Th.  Heigel, 
Nymphenburg.  E.  geseh.  Studie.  (=  Bayr.  Bibliothek  2.5.)  Bamber/,  Büchner.  112  S.  M.  1,40.  —  362)  X  Encheri  seh, 
Aus  Münchens  vergangenen  T^geii.  Kulturgesch.  Erzählungen.  MUneiien,  Huttler  154  S.  M.  1,60.  — 363)  L.  6  eiger, 
Jninchen  vor  130  Jahren:  MlinchNN.  20.  Okt.  —  364)  Funk,  Schlecht,  Eichstatt  im  Schwedonkrieg:  ThQ.  73,  S.  673.  — 
364i)  X  J-  Schlecht.  Aus  d.  Schwedenzeit:  SBlHVEichstätt.  6,  S.  102/7.  —  365)  A.  Klein  seh  niidt,  D.  Weltstellung 
Augsburgs  u.  Nürnbergs:  ZDKG.  NF.  1,  S.  391—408.  —  366)  E.  Mummeuhoff,  D.  Rathaus  in  Nürnberg  .  .  .  Mit  Abbildd. 
...  V.  H.  Wallraff.  Nürnberg,  Schräg.  XIV,  365  S.  M.  25,00.  —  367)  X  A.  Achleitner,  Aus  d.  Hochland.  Berggeschichten, 
Skizzen  u.  Kulturbilder  aus  d.  bayer.  u.  Osterr.  Alpenwelt  MUuclien,  Stahl.  120.  VII,  201  S.  M.  1,60.  —  368)  Gh.  Meyer,  Oesterreich 
u.  d.  deutsche  Kultur  im  vorigen  Jh.:  ZDKG.  NF.  1,  S.  270—300  —  369)  C.  Grefe,  Unser  altes  Wien.  Samml.  v.  photolith. 
Nachbildd.  seltener  alter  Zeichnungen,  Kupferstiche  u  Holzsclinitte  z.  Topographie-,  Kunst-  u  Kulturgesch.  Wiens  im  15.  bis 
18.  Jh.  1.  Serie.  Wien,  Gilhofer  &  Ranichburg,  Fol.  24  Bl.  ra.  55  S.  M.  18,00.  —  369a)  K.  Uhlirz,  Beitrr.  z.  Kulturgesch. 
u.  gesch.  Topographie  Wiens:  BVLNiederösterr.  NF.  25.  S.  52—64,  177—205.  —  369b)  X  id.,  D.  Wiener  Bürger  Wehr  u. 
Waffen  1426—1648:  BMAVWien  27,  S.  131— 44.  —  370)  U.  Ehrl  ich,  Erinnerungen  an  Klagenfurt,  seine  alten  Häuser  u.  Familien. 
Klagenfurt,  Raunecker.  84  S.  M.  2,50.  —  370a)  X  P.  Wolsegger,  D.  Urbarium  d.  Herrschaft  Gottschee  v.  J.  1574: 
MMusVKrain  3.  —  371)  H.  v.  Wlislocki,  D.  Szekler  u.  Ungarn  in  Siebenbürgen.  Harabuig,  Vcrlags-Anstalt.  40  S, 
M.  0,80.  —  372)  K.  Eckardt,  Gesch.  d.  vereinigten  deutsch-evangelischen  Gemeinde  A.B.  u.  H.  B.  in  Prag.  Prag,  Selbstver- 
lag. VI,  141  S.  1[K.  Sali  mann:  BLU.  S.  798.]|  —  373)  X  A.  v.  Liobenau,  Charaktorbüder  aus  Luzerns  Ver- 
gangenheit. Nach  gesch.  Quellen.  2.  Bd.  Luzern,  Prell  Nachf.  256  S  M.  2,80.  (Inhalt:  Hesse  v.  Rynach,  d.  Vater  d. 
Armen.  —  Anna  Russ,  e.  Frauenleben  aus  d.  15.  Jh.  —  Marschall  Jost  v.  DHrler  u.  d.  10.  August  1792.)  —  374)  W.  F. 
v.  MUlinen,  Berns  Gesch.  1191—1891.  Festschrift  z.  700j.  Gründungsfeier.  2.  Aufl.  Bern,  Schmid,  Francke  &  Co.  VIII, 
235  S.  M.  1,80.  —  374a)  X  H.  TUrler,  Culturgesch.  Notizen  aus  d.  Berner  Stadtarchiv:  BernorTb.  40,  S.  234— 44.  (Nament- 
lich über  Hexenaberglaubon.)  —  375)  K.  Geiser,  Beitrr.  z.  Bernischen  Kulturgesch.  d.  18.  Jh.:  Neujihrsblatt  d.  litt.  Ge- 
Hellsch.  Bern.  42  S.  —  376)  A.  Hadorn,  D.  polit.  u.  socialen  Zustände  im  Kanton  Zürich  gegen  Ende  d. 
18.  Jh.    u.  Altpfarrer    J.  H.  Wasers  Prozess  u.  Hinrichtung      Bern,   Nydegger  &  Baumgart.      95  S.    mit  1  Bild.      M.  1,50. 


99  Gt.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  I  5:  3i7-40ib. 

glciclifallH  in  H.s  Buch  behandelte  gerichtliche  Verfahren  gegen  den  Pfarrer  Waser,  daa 
mit  der  Hinrichtung  Wasers  endete.  —  Schliesslich  sei  noch  eine  wertvollo  Veröft'ent- 
lirlunifc  aus  einem  andern  nicht-deutschen  Lande  deutsclier  Zunge,  aus  Livland,  envähnt. 
BodccK'ors  Chronik,  die  von  Nayjiersky •'"?")  vorlogt,  hat  nicht  nur  ihre  politisch-  und 
lokalgeschichtliche  Bedeutung,  sondern  gewährt  vielfach  Einblicke  in  das  Leben  und 
Treiben  der  Zeit.  —  Neben  Htiidten  und  Landschaften  haben  zu  speciellen  Monographien 
audi  geistliche  Stiftungen,  Kirciien  und  Klöster^"*-:»'«»)  mehrfach  Arilass  gegeben.  In 
manclien  Einzelheiten,  z.  B.  der  Auffülu-ung  der  Grabschriften,  anziehend  ist  Gh^f 
Leutrums-'^o)  Geschichte  der  Frauenkirche  zu  Unter- Riexingen.  —  Tüchtig  ist  Liesons'si) 
Arbeit,  der  uns  nach  einer  von  einer  Klosterachwester  geschriebenen  Chronik  in  daa 
Loben  des  Agnetenklosters  in  Emmerich,  eines  der  Schwesterhäuser  vom  gemeinsamen 
Leben,  sehr  gut  einflihrt.  Der  Abhandlung  (I  Arbeit,  II  Bildung,  HI  Askese)  sind 
Proben  der  Chronik  beigegeben.  — 

Einzelne  Stände  und  Menschenklassen,  lieber  das  Studentenleben  und 
die  Studenten  sind  manche  beachtenswerte  Arbeiten  38-  38>)  von  besonderem  kultur- 
historischen Interesse  erschienen.  —  Eine  Menschenklasse,  die  im  17.  und  18.  Jh.  das 
Universitätsleben  mit  charakterisiert,  aber  nicht  blo.ss  dort  ihre  Rolle  spielt,  schildert 
G.  Steinhausen  3^0),  weniger  von  erziehungsgeschichtHchem  Standpunkt  aus,  als  um 
einen  Menschentypus  des  Rokoko  und  des  Zopfes  zu  zeichnen.  Beachtenswert  ist  es, 
wie  viele  unserer  geistigen  Grössen  ein  solches  Hofmeisterdasein  gekostet  haben.  —  In 
das  Leben  eines  Professors  der  Vergangenheit,  des  Mediziners  Tichtel,  führt  uns 
A.  Huber  387)  nach  dessen  Tagebuch.  Allei'dings  ist  nicht  der  Lelu-er,  sondern  der 
])raktische  Mediziner  jener  Zeit  damit  charakterisiert.  Die  Einkünfte  der  Herren  Aerzte 
waren  schon  damals  recht  hübsch.  —  Die  Aerzte  einer  s|)äteren  Zeit  schildert,  freilich 
nicht  nach  deutsclien  Quellen,  J.  Kutscher  388).  —  Auch  für  die  Kenntnis  des  Künstler- 
lebens der  Vergangenheit  3S9-390)  f^j,^(^  Beiträge  zu  verzeichnen. —  Andere  behandeln  die 
Anhänger  des  Waftenliandwerks  in  früherer  Zeit  391-393).  —  Vq,i  sonstigen  derartigen  Mo- 
nographien betreffen  viele  Handwerk  und  Gewerbe 394-397).  —  Wertlos  sind  zwei  Feuille- 
tons über  den  Jäger398)  und  den  Nachtwächter3!'9).  Und  welch  hübsches  Bild  könnte  man 
doch  z.  B.  von  dem  letzteren  entwerfen.    — 

Einzelne  Personen.  Hier  Hesse  sich  schliesslich  .jede  Biographie  aus  der  Zeit 
nach  1450  unterbringen.  Und  wieviel  mehr  wäre  das  noch  der  Fall,  wenn  alle  Biogra- 
phien so  wären,  wie  sie  sein  sollten,  uns  den  Helden  immer  im  Rahmen  seiner  Zeit 
schilderten  und  wieder  andererseits  klarlegten,  welchen  Einfluss  auf  seine  Zeit  oder 
welche  Bedeutung  für  seine  Zeit  der  Held  hatte.  Solcher  Biogi'aphien  kenne  ich  kaum 
Eine.  —  Hier  führe  ich  nur  von  biogra])hischem  Material  das  an,  was  besonders  leicht 
einen  kulturhistorischen  Gesichtspunkt  zulässt.  So  erwähne  ich  aus  der  ADB.  die 
Artikel  über  N.  S.  Schmidt,  gen.  Küntzel,  eines  der  gelehrten  Wunder,  von  H.A.  Li  er  *<'<>). 
ferner  N.  Schmiterlow  LT,  einen  städtischen  Charaktertypus  aus  der  Reformationszeit, 
von  PyHooa);  über  E.  Schnepff",  den  schwäbischen  Reformator,  von  Brecher^oob);  aber 
Louise  von  Schönberg,  eine  schöne  Seele  und  fleissige  Briefschreiberin,  von  E.  Jacobs***«); 
über  den  Herrnhuter  Freiherrn  v.  Schrautenbach,  von  H.  A.  Lier^oo^);  über  den  durch  das 
Märchen  vom  Hasen  und  Swinegel  bekannten  Wilh.  Schröder  von  Krause  *oi)-  Qber 
Ch.  Schubart,  der,  wie  der  Biograph  W^ohlwilH^ia)  nüt  Recht  bemerkt,  auch  von  kultur- 

377)  liodockcr,  tliroiiiV  Livläiidischer  u.  Risasclier  Ereignisse  1693—1638...  Be»rb.  v.  J.  Q.  L.  v.  Nmpiersky.  Rigm,  Kymm«!. 
1890.  XIX,  158  S.  M.  4,00.  |[BLÜ.  S.333'4]i  — 378)  X  '^-  Horning,  D.  Stift  v.Jung-Sankt-Peter  in. Stnwsbnrg.  Urknndl. 
Beitrr.  z.  Gesch.  desselben  au.s  6  Jlih.  [1200— 1700J  Strassburg,  Noiriel.  XII,  83  S.  M.  ^-M).  —  379)  X  A.  Hurdegger. 
Mariaberg  bei  Korscliacli.  {—  NeujalirsllHVStGallon.)  St.  Gallen.  Uuber  &  Co.  63  S.  in.  2.  T.  M.  2,00.  —  S79a)  X  ü«ber 
die  Abtei  Koloczmonostor:  KBlVSiebenbl.K.  14.  .".  81.  —  380)  (•.  Graf  Leutrum  von  Ertingen,  D.  gnIL  Leatramsche 
Frauenkirche  zu  Uuter-Riexingen.  Mit  o.  Uobeiblick  llber  d.  Gesch.  d  Dorfe.t.  t>tuttgart,  Kohlhamni'r.  VI,  178  S.  M.  2.50. 
—  381)  B.  Liesen,  Z.  Klostergesch.  Euimerichs  bei  Beginn  d  16.  Jh.  Beil.  z.  Progr.  d.  Oymn.  Emmerich.  Ronen.  4».  XUI, 
14  S.  —  382)  J.  Hartmann,  Reutlinger  Studenten  im  15.  u.  16.  Jh.:  KoutlingdBlI.  8.  83f7.  —  389)  (I  6  :  168).  — 
384)  (16  :  171).  —  385).  L.  Kist,  Studium  u.  Studentenleben  vor  40  bis  50  Jahren  u.  e.  schw^-re  PrBfung  nach  abgolviertea 
Universitäts-Sludium.  E.  lieitr  z.  Ku'.turgesch.  d.  19.  Jh.  Innsbruck.  Vereins-Huchh.  12«.  VII,  587  .s.  |i.  3.00.  —  386)  0. 
Steinhausen,  D.  Hofmeistor:  VZgS  N.  113,  125.  —  387)  A.  Uuber,  Aus  d.  Leben  e.  Professor-i  d.  Medixin  im  15.  Jh.: 
HTb.  6.  Folge  10.  S  271—83  —  388)  J.  Kutscher,  I).  Aerzte  d.  17.  Jh.  nach  d.  KomOdicn  Molierea.  Progr.  Karolinen- 
Ihal.    34  S.    —    389)  O  X    E.  Braun  fels,    Aus  d.  KUnstlerlobon  d.  Rococozeit.    Davos,    Kiehtor.      III,  168  S.      U.  2.00.  — 

390)  X  V.  de  Swarte^    Les  financiers  amateurs  d'art  aux  XVIe,  XVlIe  et  XVIIIe  si^cle.      PariM,   Plön  et  Nourrit     65  .S.  — 

391)  X  C.  Thömrael,  D.  Landsknechte  Recht  u.  GebiSuche:  ZDK«.  NF.  1,  S.  409— 35.  —  89lal  X  A  v.  Iteyden,  D.  Turnier: 
WIDM.  70,  S.  673-02,  841  55.  —  392)  XE.  E.  Fieytag,  Sachsens  Heer  im  bist  Volksliede:  LZg».  N.  K.  —  398)X  A.  Blti.Sold»»«- 
werbungen  im  voiigon  Jh.:  Bayer  and  2,  S.  293,4;  303/7;  315 '•;  829—32.  —  394)  X  K.  Mettig,  D.  tIU«te  AmUbacb  d. 
Schmiede  zu  Riga  u.  d.  Schrägen  der.'iolben  von  1578.  Progr.  Riga,  Realschule.  ;[BLU.  S.  333.],  —  39S)  X  A.  Bnff.  D. 
Ausgeschenk  d.  Augsburger  Buchbinder  E.  Beitr.  z.  Innungsgesch.:  Grenib.  .SO,  III,  S.  457—62.  —  996)  X  R.  Lahmer,  Alte 
Gesellen-Sitten  u.  Gebräuche  d.  Schwarz-  u.  Schönftrberzunn:  BINordböhmExcursCIub  14.  1.  —  396«)  X  0.  Daieheadt, 
D.  Lichtbraten,  e.  Rechtsbrauch  unter  d.  lUnftigen  Handwerksgesellen:  KBlV.~:iobenbLK.  14,  S.  53,4.  —  907)  X  J-  F.  Qr«f, 
Mühle  u.  Minier  im  Nösnergau:  ib.  S.  72  6.  —  398)  J.  v.  Horst.  Im  grUnen  Rock:  FrtnkCour.  N.  476.  —  399)  Regens- 
borg, Mit,  Hörn  u.  Spiess:  ib.  N.  191.  (=  Didaskalia  N.  93.)  —  400)  H.  A.  Lier,  Nikolaus  S.  Schmidt:  ADIt.  32.  8.16/8.— 
400a)  Pyl,  Nikolaus  Schmiterlow:  ib.  S.  38— 42.  —  400b)  Brecher,  Erbard  Schnepff:  ib.  S  168—72.  —  490c)  K 
Jacobs,  Louise  v.  .Schönberg:  ib.  S.  264/7.  —  400d)  H.  A.  Lier,  Freiherr  v.  Schrautenbach:  ib.  S.  461/4.  —  401)  Krause, 
Hr.  Wilhelm  Schröder:  ib.  S.  5.S3/4.    —    401a)  A.  Wohlwill,  Christian  Schubart:  ib.  S.  588—3«.    —    401b)    O.  Frank,  Job. 

7» 


I  5:  401C-419.  G.  Steinhaiisen,  Kulturgeschichte.  100 

historischem  Standpunkt  Interesse  erregt,    „sowohl  wegen  seiner  wechselvollen  Lebens- 
schicksale,   in    denen    sich  die  deutschen  Zustände  seiner  Zeit  mannigfach  spiegeln,    als 
auch    wegen    seiner  journalistischen  Wirksamkeit,    durch    welche    er  in  weiten  Kreisen 
Bildung  verbreitete    und    zur    Erweckung  deutschnationaler    Gesinnxmg    beitrug";    über 
J.  H.  Schulz,  genannt  der  Zopfprediger  oder  avich  der  Prediger  des  Atheismus  und  des 
zureichenden  Grundes,  von  G.  Erank  ^o^^);  über  Th.  von  Schön,  von  seinem  Biographen 
Maurenbrecher  40ic^  übrigens  mit  grossem  Unrecht  hart  mitgenommen  —  Schön  passt 
freilich  nicht  in  die  Zeit  der  politischen  Streber  — ;  über  J.Schulze,  den  Mitbegründer 
des  preussischen  Unterrichtswesens,    von  M.  Hertz^oid^j    über  Schulze-Delitzsch,    inter- 
essant   als    politischer    Charakterkopf   und    wichtig    für     die   sociale    Entwicklung,     von 
Eheberg  402) j    über  H.  Schurif,  eine  bezeichnende  Gestalt  aus  der  Reformationszeit,  von 
E.  Landsberg^O-'"^);  über  „das  Wunder  ihrer  Zeit,  den  Ruhm  ihres  Geschlechtes",  Anna 
Maria  von  Schurmann,  von  E.  Martin  402b)  j  über  das  von  Schiller  und  Kurz  verherrlichte 
„Sonnenwirthle",    den    Räuber    J.    E.    Schwan,    von    Schott*"-*^);    über    den    bekamiten 
Hans  von  Schweinichen,    von  Wutke  ""O'-d);    über  den    liberalen    Grafen    Schwerin,    von 
Granier  ^O'^);   über  Semler,    den  Hauptrepräsentanten  der  theologischen  Aufklärung  des 
18.  Jh.,    von    T  seh  ackert  403a).  —  Yon    kleineren  biographischen  Aufsätzen  oder  Brief- 
sammlungen 401-407)    erwähne    ich    im    einzelnen  Bvichwalds  408)   Aufsatz,    der    „die  Un- 
zuverlässigkeit  häufig  sich  findender  Notizen  über  Bücher  aus  Luthers  Bibliothek"  nach- 
weist,   Knochenhauers  409)    Arbeit,    die    nicht    über    die   künstlerische  BedeutAmg    des 
Augsbiirger  Malers  Rottenhammer  (um  IGOO)  Aufschluss  geben  will,  sondern  ausdrücklich 
den    kulturhistorischen    Gesichtspunkt    hervorhebt    und    interessante   Einblicke    in    das 
Künstlerleben  jener  Zeit  gewährt,  die  Mitteilungen  Buchwalds  4io)  über  den  zu  Anfang 
des  30j.  Krieges   vertriebenen    evangelischen  Pfarrer  Wenzel  Altwasser,    zum  Teil  nacli 
dessen    Tagebuch.  —  Aus    neuerer    und    neuester    Zeit    seien    genannt    eine    Plauderei 
Rodenbergs  411)^    clie    Eranz  Dingelstedt,    Ernst  Dohm    und    Gustav  Nachtigal    uns    in 
kurzen  Strichen    zeichnet,    und    zwei  Nekrologe:    über   den  urwüchsigen  Reisenden  und 
Schriftsteller  Wernick4i2)  ^^d  über  einen  der  Göttinger  Sieben,  Wilhelm  Weber 4i3)^  (Jen 
Miterfinder    des    elektrischen  Telegraphen.  —  Von    grösseren  Publikationen    kommt  zu- 
nächst Ab  erl  es  4i4)  Beitrag  zur  Kenntnis  jenes  merkwürdigen  und  geistig  hochstehenden 
Mannes,  des  Theophrastus  Paracelsus  in  Betracht.  —  Sehr  viel  kulturhistorisches  Material 
findet    sich    ebenso  wie    in  den  schon  früher  veröif entlichten  Briefen  der  Lise  Lotte  (in 
der  Bibliothek  des  litterarischen  Vereins)  in  der  Publikation  von  Bodemann4i5-4iö)^  auf 
die  die  JBL.  an  anderer  Stelle  eingehen.  —  Eine  kirchenhistorische  und  kirchenpolitische 
Arbeit  von  H.Maas  41'?)  beschäftigt  sich  besonders  mit  der  Person  des  Erzbischofs  Her- 
mann   von  Vicari.  —  Schon   im  Titel  drücken  den  kvilturhistorischen  Gesichtspunkt  be- 
sonders aus  die  biographischen  Portraits,  dieW.  H.  Rie]il4i8)  veröiFentlicht.  Er  sieht  in  seinen 
Skizzen  „zugleich  Beiträge  zur  Kulturgeschichte  und  zwar  zumeist  zxir  Kulturgeschichte 
einer  Zeit,    die    mis    heute    am    allerfernsten   liegt  —  und  das  ist  die  nächstvergangeno 
Zeit".     Li    eine  Zeit,    ,,wo   es  noch  ein  Vergnügen  war,   ein  Gymnasiast  zu  sein",  führt 
uns  die  erste  Skizze  mit  der  liebevollen  Schilderung  des  Direktors;  Moriz  von   Schwind, 
dann  Berly,    „ein    vormärzlicher  Redakteur",  und  Emilie  Lindner,    die  R.  eine  „Lebens- 
künstlerin" nennt,  sind  die  Helden  der  nächsten  Skizzen.    In  dem  „Modernen  Benvenuto 
Cellini"  verkörpert  er  eine  zeitgeschichtliche  Portraitgestalt,  ohne  doch  einen  bestimmten 
Mann  im  Auge  zu  haben.    Viktor  Scheffel,  den  König  Max,  Liidwig  Richter  und  Richard 
Wagner 41«)    sucht    er  in  den  übrigen  Bildern  künstlerisch  zu  erfassen  und  zu  zeichnen. 
Ueberall    lugt    aber,    wie  R.  neckisch  sagt,   noch  ein  anderer  Charakterkopf  hervor  und 
das    ist  —  er    selbst.  —  Eine  Reihe    wichtiger  Biographien,    deren    Helden    mehr    oder 


Heinrich 'Schulz;  :"ibi  S.--745/7.  —  40lc)  W.  Maurenhrecher,  Theodor  v.  Sehöu:  ib.  S.  781-02.  —  40ld)  M.  Hortz,  Johannes 
Schulze.  (S.  u.'ie  :  105)"—  402)  BVoherg,  Scluilze-Delitzseh:  ADB.  33,  S.  18— 29.  —  402a)  E.  Landsherg,  Hieronyniiis 
Schurif:  ib.  S.  86—90.  —  4G2b)  E.  Martin,  Anna  Ilaria  v.  Scliuiraann:  ib.  S.  00/4.  —  402c)  Th.  Schott,  Job.  Friedlich 
Schwan:  ib.  S.  177—81.  —  402d)  C.  Wntke,  Hans  v.  Schweinichen:  ib.  S.  360/1.  —  403)  H.  Graiiicr,  Graf  v.  Schwerin: 
ib.  S.  429—35.  —  403a)  P.  Tschacke  rt,  Joh.  Salonio  Seniler:  ib.  S.  098—7^4.  —  404)  X  H.  Herzog  u.  J.  B.  Rahn, 
Christoph    Silberysen,   Abt   v.  Wettingen,  u.  e.  rhein.    Hilderfolge    d.    15.  Jh.  in    ZUricli:    Turicensia   S.    52—70.    —    404  a)  X 

F.  W.  E.  Rotli,  D.  Buchdrucker  u.  Verleger  Johann  SclioefFer  zu  Jlainz  1503—31  als  Verleger  latein.  Klassiker  und  Schul- 
bücher: RomanF.  6,  S.  402—74.  (1  4:26.)  —  405)  X  Fuchs,  Aus  d.  Loben  d.  Landgrafen  Georg  II.  Vortrag:  GBllHVHessen 
NF.  1,  S.  26/7.  (Referat.)  —  405  a)  X  A.  Lin  gke,  J.  Hektor  v.  Klettenberg:  ÜBuTh.  14,  S.  191/2.  (Vortrag  [Referat].)  - 
405b)  X  Schlecht,  Felician  Ninguarda:  EQClirA.  5,  S.  62-81,  124-50.  —  406)  X  A.  Btlrkli,  rriefe  a.  d.  Jahren  1809—15 
V.  Salomon  Hirzol:  ZUrcherTb.  NF.  14,  S.  70—147.  —  407)  X  F-  S.,  Caspar  Tauber:  WionKommunalkal.  29,  S.  376—83. 
(T.  wurde  am  22.  Sept.  1624  in  Wien  als  Protestant  hingerichtet.)  —  408)  6.  Buchwald,  Ans  Lutliors  Bibliothek:  LZgn. 
N.  88.    (Vgl.  u.  II  6.)    —    409)   Knochenhauor,   Aus    d.   Leben   d.  Malers  Joh.  Rottenhammor:    MGNM.   S.  64—70.  -  410) 

G.  Buchwald,  Wenzel  Altwasser:  JGGPÜ.  12,  S.  55— 71.  —  411)  J.Eodonberg,  D.  Haus  im  Tiergarten:  Didaskalia  N.  15.  — 
412)  P.  S[chlonther],  Fritz  Wernick:  VZgS.  N.  37.  —  413)  Wilhelm  Weber:  Didaskalia  N.  148.  (Nach  d.  „VZg.")  —  414)  O 
K.  Aberle,  Grabdenkmal,  Schädel  u.  Abbildungen  d.  Tlioophrastus  Paracelsus.  Boitrr.  z.  genaueren  Kenntnis  desselben. 
Salzburg,  Dieter.  111,  74  u.  S.  260-580  m.  6  Taf.  M.  6,00.  -  415)  (S.  u.  III  1  :  25.)  —  416)  (S.  u.  III  1  :  26.)  -  417)  H.  Maas,  Gesch. 
d.  katholischen  Kirclio  im  Grossherzogtum  Baden.  Mit  bes.  Berücksichtigung  d.  Reglerungszoit  d.  Erzbischofs  Hermann 
V.  Vicari.  Froiburg,  Herder.  XXlll,  692  S.  m.  1  Bild.  M.  10,00.  —  418)  W.  H.  Riohl,  Kulturgesch.  Charakterköpfe.  Ans 
d.    Erinnerung    gezeichnet.     Stuttgart,    Cotta.     VII,    528  S.     M.    6,00.    —    419)   X  H.  Ritter,    Riebard  Wagner    als    Erzieher. 


JOl  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  I  5:  420-4«» 

wolliger  auch  kulturgeschiclitlich  augeselien  werden  kuimten,  so  namentlicli  Hayms^SO) 
„Duiicker"  und  8ainsonH'*2i)  „Kirclieiipauor",  kann  ich  hier  nur  streifen *^-*-*);  ebenso 
die  kulturgeschichtlich  höchst  ergiebige  Menioirenlitteratur^^o-»-'«).  — 

Kultui  hestrebungen  der  Gegenwart.  Hier  käme  für  die  historische  Be- 
trachtung zunticlist  alles  das  in  Fiage,  was  für  die  Stimmungen  und  Strömungen  der 
modernen  Zeit  besonders  charakteristisch  ist,  im  besonderen  derjenige  Zweig  unserer 
Litteraiur,  der  mit  Bewusstsein  eine  allgemein  erzieherische  Tendenz  pflogt,  also  di ) 
Volkspädagogik.  Von  der  zuletzt  erwähnten  Litteratur  zuerst  zu  reden,  so  hat  das  viel  • 
genannte  und  viclgeleseno  Buch  dos  Rembrandtdeutschen^^*),  das  sclion  JBIj.  l8iK)  angezeigt 
ist,  in  dorn  Zeitraum,  den  unser  Bericht  lunfasst,  noch  nicht  das  Endo  gefunden,  das  allei. 
solchen  Modobüchern  bevorsteht,  das  Vergessensein ■*3'*-'**2).  Die  geistige  und  nationalo 
Wiedergeburt,  welche  der  Vf.  mit  abstossender,  gesuchtester  „Geistreicliigkeit"  und  einem 
SchwAll  von  Phrasen  und  tönenden  Antithesen,  dazu  mit  unglaublich  künstlicher  Ver- 
wendung alles  dessen,  was  er  je  zusammengelesen  hat,  auf  mehreren  hundert  Seiten  dem 
deutschen  Volke  als  notwendig  hinstellt,  mag  wirklich  notwendig  sein.  Ob  in  dem  Sinne 
des  „Rembrandt  als  Erzieher",  darüber  lässt  sich  streiten.  Meines  Erachtens  ist  das 
Buch  an  sich  ziemlich  wertlos;  eine  kulturhistorische  Bedeutinig  hat  es  aber  in  drei- 
facher Beziehung:  erstens  in  seinem  inigeheuren,  nicht  zu  leugnenden  Erfolg;  es  ist  also 
massgebend  für  den  geistigen  Standpunkt  unseres  Volkes;  zweitens  in  dem  durch  diesen 
Erfolg  unzweifelluifr,  erbrachten  Beweise,  dass  in  iniserer  Zeit  ein  tiefes  ReformbedQrfnis 
vorhanden  ist;  drittens  in  Stil  und  Ton  und  Inhalt:  solch  ein  Buch,  das  ist  modern.  — 
Den  an  sich  höchst  lobenswerten  Willen,  zu  bessern  und  zu  ei'ziehen,  hat  auch  das  gut- 
gemeinte, aber  im  grossen  und  ganzen  ziemlich  triviale  Buch  Carneris  **3). —  Mit  dem 
Verhalten  des  Publikums  vor  der  Bühne  beschäftigt  sich  ein  Feuilleton  *•••).  — 
A.  Schröer*4i)  weist  avif  die  Gefahren  hin,  welche  drohen,  wenn  sich  in  Deutschland 
die  Wissenschaft,  deren  augenblicklichen  Betrieb  S.  mit  Recht  scharf  kritisiert,  und  die 
Nation  einander  entfremden,  anstatt  einander  zu  dienen.  —  Sehr  lobenswerte  Bestre- 
bungen verfolgt  der  Verein  für  Volkslitteratur,  zu  dessen  Vorkämpfern  von  Leixner*^*) 
gehört;  aber  dieser  Kampf  gegen  die  Schundlitteratur  wird,  fürchte  ich,  kaum  grosse 
Erfolge  erringen**'').  —  Diese  und  ähnliche  Versuche,  auf  unser  Volk  einen  veredelmlen 
Einfluss  zu  tiben**^)^  hängen  zum  Teil  mit  der  Richtung  zusammen,  die  den  unteren 
Volksschichten,  ihren  Bedürfnissen  und  Leiden  ungleich  grössere  Aufmerksamkeit 
schenkt  als  frülier,  mit  der  unser  heutiges  Leben  beherrschenden  socialreformatorischen 
Strömung.  Die  litterarischen  Erzeugnisse,  die  für  diese  in  Betracht  kämen,  auch  nur 
dem  Titel  nach  anzuführen,  ist  unmöglich  die  Aufgabe  dieses  Berichts.  Nur  auf  eine 
kulturhistorisch  besonders  interessante  Veröffentlichung  auf  diesem  Gebiet  sei  hin- 
gewiesen, auf  Göhres**^)  Buch,  die  aus  dem  Bedürfnis,  den  Arbeiter  und  sein  Leben 
kennen  zu  lernen,  hervorgegangen  ist  und  nun  sich  zu  einem  wichtigen  Kulturbild  er- 
weitert.   Seine  kirchlichen  Ansichten  kommen  hier  nicht  weiter  in  Betracht.  —  Jene  Nei- 


WUizburg,  Staliel.    IV,  81  S.    M.  1,50.  —  420)  R.  Kay  m .  D.  Lcl)en  Max  Dunckors.     Berlin.  Gnrtiior.     VII.  470  S.     M.  10.00. 

—  421)  II.  V.  Sainson,  G.  II.  Kirchenpauer.  E.  Lebens-  u.  Cliaraktorbild.  Keval.  Kluge.  171  u.  90  .S.  M.  4,50.  —  422)  X 
F.  Merkel,  Jacob  Ili-nle.  E.  deiitscUes  Gelohrleiilobon.  Nach  Aufzeichnungen  u.  Erinnerungen  er»«hlt  Breunacbwoig. 
Vioweg  &  Sohn.  XII,  411  S.  mit  1  Portr.  jr.  10,0 X  —  423)  X  Gossnerä  Loben  u  Mission.  3.  Aufl.  Bcrlin-Friedcnto, 
Buchh.  d.  Gossnerschon  Mission.  32  S.  W.  0,20.  —  424)  X  0.  A.  Ellissen,  Friedrich  Albert  Lange.  E.  Lebensbeschreibung. 
Leipzig',  Baedeker.  VI,  271  S.  M.  4,50.  —  425)  O  X  Bischof  Dr.  Ferdinand  WiiUer,  weil.  Gcnomlsniterintendont  in  Lirland. 
Seine  Landtagspredigten  u.  sein  Lebenslauf.  Leipzig,  Dunckcr  &  llumblot  VI,  40i  n.  101  S.  M.  10,00.  —  426)  X  M.  Ditt- 
ricli,  Meine  Schulzeit  in  Chemnitz  ISöl— 0:2.    Jugcnd-Erinneruwgcn  o.  Zeitungsschreibers.    Leipzig,  Geissler.    56  .•<.    M    0.50. 

—  427)  X  W-  LUbko,  Lobcnscrinnorungen.  Berlin,  Fontane.  VIII,  379  S.  M.  6,00.  [DLZ.  12,  S.  1205]'  —  428)  X  C.  E. 
Luthardt,  Erinnerungen  aus  vergangenen  Tagen.    2.  Aufl.     Leipzig,  Dörfliing  &  Franke.      VI,   373  8.  m.  Bildnis.      M.    5,00. 

—  429)  X  Aus  d.  LcbcnserCahrungen  o.  Siebzigers.  Gotha,  Perthes.  VII.  199  S.  M.  3.00.  —  430)  X  J.  Fröbol,  E.  Lebens- 
lauf. Aufzeichnungen,  Erimieruncen  u.  Bekenntnisse.  2.  Bd.  Stuttgart,  Cott.i.  Vlll.  704  S.  »I.  12.00.  ![DLZ.  12,  S.  1277; 
Grenzb.  IV,  S.  511.]:  —  431)  X  Klaus  Groth,  Lebeuserinnorungen,  [her.  v.  Eugen  Wolff.]  (—  Schriften  f.  deatseh« 
Litt.  u.  Kunst.  2.)  Kiel.  Lipsius  &  Tischcr.  12".  125  .S.  ra.  Portrait.  M.  3,00.  -  432)  X  C.  Th.  Hermann,  ErinnemiiKeii 
1&04— 37:  BaltMschr.  38,  S.  1—23,  81-93.  —  433)  X  F.  Dahn,  Eiinnerungon.  2.  Buch.  D.  l'niversiutsieit.  Leipiig, 
Breitkoif  &  Ilartel.  028  S.  M.  10,00.  —  434)  Rembmndt  als  Erzieher.  Von  e.  Deutschen.  2«.— 35.  Aufl.  Leipzig.  IlirMbfeM. 
VII,  329  S.  M.  2,0\  —  435)  X  ^Est  Est  Est*.  Randbemerkungen  zu  ,Rembrandt  aU  Erzieher*  t.  e.  niederdtsch.  Bauern. 
■I.— 7.  Aufl.  Dresden,  Pierson.  49  S.  M.  0,75.  —  436)  X  A.  Barino.  Lo  biUn  intellei tuelle  de  rAllemagno  dapri-s  an  Alle- 
mand:  RPL.  ü.  —  436a)  X  M.  Bewer,  Rembrandt  und  Bi-mirck.  Dresden,  Druckeroi  Olöss.  78  S.  II.  1.00.  — 
436b)  X  D.  heimliche  Kaiser  oder  d.  D-mpfbau  oder  d.  wildgewordene  Bliemchenkaffee.  UnhcimL  Ocheimni!»  .Rembrandt»  aU 
Erzieher"  entlitlUt  v.  e.  begeisterton  Zögling.  2.  Aufl.  Stuttgart,  Deutsche  VerI»gsan8t*It.  23  S.  M.  0,40.  —  436c)  X 
Uobor  Rembrandt  als  Erzieher  vun  einem  Erzieher.  Leipzig,  Zangenberg  k  Himly.  M.  0,75.  —  437i  X  A.  Hermann, 
Neue  Schriften  zu  „Herabrandt  als  Erzieher":  BLU.  S.  193  5.  —  438)  X  id-.  Rembrandl-Nnchkltnge :  ib.  S.  472.  -  439)  X 
Rembrandt  als  Erzieher.  Z.  37.  Aufl.  noch  einmal:  HPBll.  108.  S.  9{X)-10.  —  440)  X  Rembrandt  als  Erzieher:  MKL.  IS. 
S.  779-80.  —  441)  X  A.  Baumgartnor  S.  J.,  Rembrandt  als  Erzieher:  StML  40.  S.  SO— lOL  —  442)  X  Offener  Brief  an 
d.  Vf.  V.  „Rembrandt  als  Erzieher".  Von  e.  deutschen  Frau:  BLU.  S.  289—91.  —  443)  B.  Carnori.  D.  moderne  Mensch. 
Vorsuche  «bor  Lebensführung.  2.  Aufl.  Bonn.  Stniuss.  XV,  186  S.  M.  4,(0.  [B.  M  Um:  AZg».  N.  55;  LCBI.  189.',  .S  174 ; 
Grenzb.  I,  S.  r.27.]|  —  444)  Ueber  d.  Beifall  u.  d.  Zeichen  d.  Missfallens  im  Theater:  Signale  N.  45.  —  445)  M.  M.  A.  SchrOer. 
Ueber  Erziehung,  Bildung  u.  Volksinteresse  in  Deutschland  u.  England.  Dro-den,  Damm.  IV,  99  S.  M.  1.80.  —  44«)  0. 
V.  Leixner,  Z.  Reform  unserer  Volkshtt.  Her.  im  Auftr.  d.  Vereins  f.  Volkslitt  Berlin,  Drcwitx.  30  S.  —  447)  X 
Welche  Blicher  liest  d.  Volk  am  liebsten?:  GeselLichatt  I,  S.  570,7.  —  448)  X  F-  A[Tenarius].  Veredelt  d.  Volksfeute : :  Kw. 
4,  S.  369—71.    —    449)    P.   GOhre,    Drei  Monate  Fabrikarbeiter  u.  Qandwerksbursche.      B.  prakt.  Studi«.     Leipxig.    Grunow. 


1  5:  450-459.  G.  Steinhausen,  Kulturgeschichte.  102 

gung,  unserem  „Volk"  grössere  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  hängt  andererseits  wieder 
mit  einer  Zeitströmung  zusammen,  die  in  unser  Volkstum  sich  liebevoll  zu  vertiefen 
sucht  —  ich  erinnere  an  die  Pflege  der  „Volkskunde"  —  und  diese  wieder  mit  dem 
nationalen  Geist  unserer  Tage.  Auf  die  Hebung  des  Nationalgefühls  dringt  heute  eine 
starke  Bewegung,  die  sich  auch  in  litterarischen  Produkten  ablagert.  Der  „Rembrandt 
als  Erzieher"  steht  zum  grossen  Teil  unter  diesem  Einfluss.  —  Ich  erwähne  noch  die 
Brochüre  „Deutschmanns"  ^^o),  die  ganz  verständig  ist  und  namentlich  auf  die  vater- 
ländische Erziehung  Wert  legt.^^i)  Zuweilen  geberdet  sich  freilich  der  Most  absurd, 
imd  die  Hoffnung  auf  einen  guten  Wein  könnte  sinken.  Es  scheint,  als  ob  das  Na- 
tionalgefühl ^^2)  liie  und  da  einen  beschränkten  Charakter  gewinnt:  es  wird  zum  Chauvi- 
nismus. —  Auf  übertriebenes  Nationalgefühl,  daneben  aber  auf  rein  wirtschaftliche 
Gründe  ist  auch  die  starke  antisemitische  Bewegung  der  Gegenwart*^^^  zurückzuführen. 
Was  über  dieselbe  von  bedeutenderen  und  unbedeutenden  Zeitgenossen  gedacht  wird, 
ist  von  Klopf  er  4S*)  zusammengestellt.  Die  Gegner  überwiegen.  —  Am  wenigsten  ist 
in  dem  Antisemitismus  ein  christlich-religiöses  Moment  zu  spüren:  das  hängt  mit  der 
unzweifelhaft  irreligiösen  oder  wenigstens  unkirchlichen  Denkungsart  unserer  Zeit  zu- 
sammen 455).  Dass  die  christlichen  Glaubenssätze  heutzutage  keine  selbstverständliche 
Wahrheit  mehr  sind,  wird  von  einem  Theologen,  von  Gott  schick  456)^  selbst  zugegeben. 
G.  geht  auf  die  Gründe  dieses  Umschwungs  ein:  die  Bewegung  gegen  den  Autoritäts- 
glauben überhaupt,  in  der  sich  das  Verlangen  der  Gegenwart  nach  eigener  persönlicher 
TJeberzeugung  kundgiebt,  die  Erkenntnis  des  gesetzmässigen  Zusammenhangs  dieser  Welt, 
in  der  es  keinen  Raum  für  Wunder  giebt,  die  historische  Kritik  sowie  die  Ueberzeugung 
von  der  Entwicklung  und  Relativität  sittlicher  Anschauung,  und  skizziert  auch  die  mo- 
dernste Welt-  und  Lebensanschauung,  die  eine  neue  Sittlichkeit  will  und  dergleichen 
schöne  Dinge.  457-408)  e^  meint  nun,  dass  diese  Situation  das  Christentum  nicht  gefährdet, 
sondern  zu  vertiefter  Erfassung  desselben  zwingt.  Die  augenblickliche  Krisis  zerstöre 
den  „einschläfernden  Schein  der  Selbstverständlichkeit  des  Glaubens  und  stelle  den 
Gegensatz  seines  Gegenstandes  zu  den  natürlichen  Wünschen,  seinen  Charakter 
ils  befreiende  That  der  sittlichen  Person,  die  Notwendigkeit  seiner  Begründung 
ijtatt  auf  eine  formelle  Lehrautorität,  vielmehr  auf  eine  schöpferische  Geistesmacht  ins 
hellste  Licht".  Die  tiefere  Auffassung,  die  G.  nun  im  folgenden  entwickelt,  scheint  mir 
freilich  dem  Vorwurf  der  Ktinstlichkeit  nicht  entgehen  zu  können.  —  Im  übrigen  be- 
weisen alle  solche  Erscheinungen  den  gährenden  Charakter  unserer  Zeit.  Ist  es  ein 
Zeichen  der  absterbenden,  ist  es  ein  solches  einer  neu  erwachenden  Kult\ir?  Jedenfalls 
ist  es  misslich,  Zukunftsträumen  nach  Art  Bellamys  nachzuhängen.  Die  späteren 
Generationen  werden  dergleichen  belächeln,  so  wie  wir  heute  einen  Zukunftsroman 
früherer  Zeit,  der  übrigens  gründlich  vergessen  ist  und  auf  den  Oehlke*^^)  zurück- 
kommt, belächeln;  es  handelt  sich  um  Julius  von  Voss'  „Ini,  ein  Roman  aus  dem  21.  Jh."  — 
Am  Schlüsse  dieses  Berichts  möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass  ich  mich  be- 
müht habe,  die  Schriften  über  neuere  deutsche  Kulturgeschichte  und  alles,  was  von  der 
allgemeinen  Kulturgeschichte  unser  Gebiet  streift,  möglichst  vollständig  zu  geben,  dass 
ich  aber  andererseits  ebenso  scharf  die  Grenzen  abzustecken  suchte,  wo  die  „Kultur- 
geschichte" aufhört  und  eine  andere  Wissenschaft  anfängt;  im  nächsten  Bericht  werde 
ich  noch  kritischer  in  der  Aufnahme  sein:  nur  so  wird  man  sich  vor  vagem  Herumreden 
sichern  und  wirklich  nützen  können.  — 


|[Grenzb.  II,  S.  587;  Gesellschalt  II,  S.  1163/8]|  (Auszug.  StrassbPost  N.  159— 64)  —  450)  Frie  dlieb  D  eutsehraann 
(Pseudonym),  Deuts  he  Eigenart,  deutsches  NationalgefUhl,  deutscher  Patriotismus.  E.  Zeit-  u.  Zukunftsbild.  Hannover, 
C.  Meyer.  Ö9  S.  SI.  0,60.  —  451)  X  0.  Sieroka,  D.  Vaterländisdi-Erziehliche  in  Heinrich  von  Kleists  „Prinzen  Friedrich 
von  Homburg".  JB.  d.  Gyran.  AUenstein.  Alienstein,  Harich.  40.  8  S.  (Vgl.  u.  IV  4.)  —  452)  X  K.  Brukner ,  Deutsche 
Welt-  u.  Lebensanschauung.  PegiUndet  d.  d.  Versuch  e.  neuen  Lehre  v.  d  siitl.  Erscheinungen.  Berlin,  Reinecke.  95  S. 
M.  1,50  —  453j  X  Gurt  Müller,  Juden,  e.  nationales  u.  sociales  Elend.  Kulturgesch,-  u.  national-ökouom.  Studie.  Leipzig, 
liouraan.  32  S.  M.  0,50.  —  454)  E.  Klopfer,  Z.  Judenfrage.  Zeitgenöss.  Originalaus-prliche.  München,  J.  F.  Lehmann. 
63  S.  M.  1,00.  —  455)  X  A.  M.  Weiss  0.  Pr  ,  Apologie  d.  Christentums  v.  Standpunkte  d.  Sitte  u.  Kultur.  2.  Aufl.  3.  Bd. 
Natur  u.  Uebernatur  2  Tle.  Freiburg,  Herder.  X,  IX,  1192  S.  M.  8,40.  -  456)  J.  G  o  ttsehick,  D.  Verhältnis  d.  christl. 
Glaubens  z.  modernen  Geistesleben.  Akad.  Eede,  Giessen.  Giesseu,  v.  MUuchow.  4".  32  S.  —  457)  X  J-  Hart,  Alte  u.  neu» 
Sittlichkeit:  FrB.  2,  S.  785/9,  8G3/6.  —  458)  X  L.  Kühl  enb eck,  Reform  d.  Ehe.  Philos.,  kulturgesch.  u.  naturrechtl. 
Randbemerkungen  z.  6.  Gibot.  Leipzig,  Rauert  &  Kocco.  III,  136  S.  M  2,00.  —  459)  A.  Oohlke,  E.  deutscher  Vorg«uger 
Bellamys:  Didaskalia  N.  19.  — 


103  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtawesens.  I  ö, 

1,6 

Geschichte  des  Unterrichtswesens. 

Karl  Kehrbach. 

OeBchichtn  der  PMdiiK<'K' k :  fifiBamtdar»t«llung«n  N.  I.  —  IHufUclj«  Er«l«bong,  Prinuoorxi«bonK  N.  9. — 
Methodik  einzelner  F»«»ier  N.  lOii.  —  Einzelne  PersOnlichkoi ten:  Thnomtiker:  llUr«  Zeit  N.  17;  riiiUiitbropini)iU>n 
N.  21;  katholischn  rildiiKogon  N.  24;  PosUlo/ziü  Zeitgenossen  N.  20;  Herbart  N.  32;  Dle»f«rweK'  N-  38.  —  Hchulmanoor: 
Sachsen  (Königreich  und  Provinz)  N.  65;  Tlillringon  N.  71;  Hesxen  N.  SO;  Khi'ingognnden,  Württemberg,  Bayern  N.  88; 
Schlosion  N.  04;  Poson,  Prcu-fsen,  Poinmorn,  BIncklonhurg  N.  09;  Uerlin  N.  10:«;  Brunaxchwoig.  WoHlfalon  N.  106;  Haniteatldt« 
N.  109;  Aiislaml  N.  113.  —  Frounde  dos  Schiilwosons  N.  118.  -  U  n  terrich  tsanDtal  tcn:  Urkundnn:  üniv(»rnitit*n  und 
AkadomiPu  N.  122.  —  Schulen  N.  128.  -  Diirstollungnn  :  UnIvorHitftton  and  Akademien:  Allgam'^iiie'i  N.  152;  einzelne  An- 
stalten N.  155.  —  Schulen:  prössere  Bezirke  N.  108;  oinznloo  Anstalten  N.  182.—  Verschiedenes:  Schulkumtdie  N.221.— 
Siiiele  und  Feste  N.  227.  —  Schulmllnzen  N.  231.  —  Fratornitaii  scholarium  N.  232.  — 

Litteratur  und  Erziehung  —  wer  könnte  ihre  innigen  Wechselbeziehungen 
leugnen,  Beziehungen,  die  nicht  nur  darin  bestehen,  dass  die  Litteratur  einen 
wichtigen  Unterriclitsgegenstand  bedeutet.  Was  wir  an  dieser  Stelle  viel  mehr  her- 
vorheben müssen,  ist  die  Thatsache,  dass,  wie  einzelne  Bestrebungen  im  Unterricht  sich  als 
Niederschläge  litterarischer  Strömungen  einer  Epoche  darstellen,  andererseits  diese  Strö- 
mungen wiederum  die  notwendige  Eolge  von  Unterricht  und  Erziehung  sind.  Und  auch 
da,  wo  die  Greschichte  von  dem  Einfluss  einzelner  litterarischer  Persönlichkeiten  auf  Unter- 
richt und  Erziehung  berichtet,  wie  von  dem  eines  Herder,  Goethe,  Schiller  usw.,  wird  man 
wiederum  andererseits  manche  ihrer  Charaktereigentümhchkeiten,  manche  Betliätigung  ihres 
Genius  nur  erklären  können  aus  den  Grundsätzen,  der  Art  und  Weise  sowie  aus  den 
Stoffen  des  empfangenen  Unterrichts.  Es  wird  somit  auf  eine  ganze  Reihe  von  Fragen, 
die  innerhalb  der  Litteraturgeschichte  entstanden  sind  und  noch  entstehen  werden,  eine 
befriedigende  Antwort  erst  von  der  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  gegeben  werden 
können.  Um  freilich  alle  die  Beziehungen,  die  zwischen  den  beiden  Gebieten  obwalten, 
zu  erkennen,  um  die  Fäden  aufzudecken,  die  hinüber  und  herüber  laufen,  sind  bis  jetzt 
unsere  Kenntnisse  zu  mangelhaft.  Es  lagen  und  hegen  die  Schätze,  welche  die  Belehrung 
bringen  können,  vielfach  ungehoben.  Wohl  waren  liier  und  da  gute  Anfänge  gemacht, 
guteEunde  geglückt  und  weiteren  Kreisen  zur  Kenntnis  mitgeteilt;  aber  eine  planmässige 
Durchforschung  des  Gebietes  steht  erst  zu  hoffen,  wenn  die  Bestrebungen  der  „Gesell- 
schaft für  deutsche  Erziehung  luid  Schulgeschichte"  von  Erfolg  begleitet  sein  werden. 
Die  Gründung  dieser  Gesellschaft,  die  bereits  auf  der  Philologenversammlung  zu  Zürich 
im  Jahre  18b8  auf  AI.  Reifferscheids  Antrag  hin  beschlossen  worden  war,  ist  am 
14.  Dezember  1890  in  Berlin  geschehen.  Die  Gesellschaft  erstrebt  eine  möglichst  voll- 
ständige Sammlung,  kritische  Sichtung  und  wissenschaftliche  "Veröffentlichung  des  in 
Archiven  und  Bibliotheken  zerstreutfen  Materials,  soweit  es  auf  die  Erziehungs-  und  Schul- 
geschichte in  den  Ländern  deutscher  Zunge  Bezug  hat.  Sie  legt  ilire  Arbeiten  in  den 
Monumenta  Germaniae  Paedagogica  (1890  I  6  :  55,  58)  nieder  und  in  ihren  „Mitteilungen". 
Aus  ihren  Satzungen  geht  hervor,  dass  ihre  Bestrebungen  sich  decken  mit  dem  Ziele, 
welches  die  Monumenta  sich  gestellt  hatten  (vgl.  Kehrbach,  Kurzgefasster  Plan  der 
MGP.  Berlin  1884).  Da  sie  über  mehr  Mittel  und  Kräfte  als  ein  einzelner  Herausgeber 
verfügt  lind  somit  Einrichtungen  treffen  kjinn,  die  den  sicheren  Fortgang  der  Arbeit 
gewährleisten,  so  darf  sie  hoffen,  diese  Aufgabe  besser  zu  lösen.  —  Von  den  „Mitteilungen" 
ist  im  Berichtsjahre  der  erste  Band  erschienen,  auf  den  wir  weiter  unten  mehrfach  zu 
sprechen  kommen  werden  und  dessen  reicher  Lihalt  aus  dem  beigefügten,  nach  Art 
eines  Repertoriums  angelegten  Namen-  und  Sachregister  zu  erkennen  ist.  Das  Register 
wird  hier,  wie  bei  den  MGP.,  als  integrierender  Teil  der  Veröffentlichungen  aufgefa.«58t, 
es  bietet  den  Gesamtinhalt  der  Veröffentlichungen  in  krvstalüsierter  Form 
gleichsam  von  neuem  dai-,  gruppiert  die  Menge  vereinzelter  Thatsachen,  über  die  man 
in  den  Urkunden  nur  zu  leicht  hinwegliest,  übersichtlich  unter  Stichworte,  bringt  da- 
durch diese  Thatsachen  in  einen  höhereu  Zusammenhang  und  verstärkt  auf  diese  Wei.s6 
das  Interesse  des  Lesers  ganz  erheblich.  Ja,  ein  solches  Register  ist  selbst  imstande, 
dem  Fachmanne  neue  und  wichtige  Gesichtspunkte,  die  er  vorher  nicht  kannte,  darzu- 
bieten. Ein  wie  weites  Gebiet  der  Inhalt  der  „Mitteilungen"  umspannt,  lässt  schon  ein 
oberflächliches  Durchblättern  sofort  erkennen.  Nicht  nur  ftlr  Erziehung  und  Unterricht, 
sondern  auch  für  alle  den  Schulwissenschaften  entsprechenden  Fachwissenschaften  und 
selbst  für  ferner  stehende  Wissensgebiete  fallt  reiches  Material  ab.  Wenn  scheinbar 
ganz  unbedeutende  Dokumente  in  den  „Mitteilungen"  abgedruckt  worden  sind,  so  ist  es 


I  6:  1-9.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  104 

unter  der  Voraussetzung  geschehen,  dass  auch  das  Unbedeutendste  ein  wiclitiges  Glied 
in  der  Kette  einer  wissenschaftlichen  Beweisführung  bilden  kann.  Leider  hat  man  in 
der  Geschichte  der  Pädagogik  bis  jetzt  nur  zu  sehr  die  Haupt-  und  Staatsaktionen  oder 
die  Thaten  und  Gedanken  einzelner  dargestellt,  welche  liäufig  keine  oder  nur  geringe 
Spuren  lebendiger  Wirkung  im  deutschen  Volkstum  zurückgelassen  haben.  Auf  den 
Durchschnitt  der  Menschen,  die  Beschaffenlieit  der  grossen  Masse  ist  viel  zu  wenig 
Rücksicht  genommen  worden.  Fährt  die  Gesellschaft  fort  in  dem  Darbieten  von  mög- 
lichst vielen  Einzelfällen,  gestattet  sie  dadurch  in  Zukunft,  die  auf  dem  Gebiete  der 
Geschichte  der  Erziehung  und  des  Unterrichts  bisher  so  stark  vernachlässigten  Massen- 
beobachtungen zu  machen,  so  wird  auch  die  Geschichte  der  Pädagogik  das  Ziel,  welches 
ßanke  der  Geschichte  überhaupt  stellt,  „bloss  zu  zeigen,  wie  es  eigentlich  gewesen",  in 
absehbarer  Zeit  erreiclien  können,  vorausgesetzt  natürlich,  dass  die  Historiker  der  Päda- 
gogik, um  mit  Schiller  zu  reden,  den  Gegenständen  erlauben,  sich  gegen  sie  „herein- 
zubewegen", und  nicht  „mit  unruhig  vorgreifender  Vernunft  gegen  sie  herausstreben".  — 

Ebenso  wie  im  vorigen  liegen  auch  in  diesem  Jahre  neue  Gesamtdarstel- 
lungen der  Geschichte  der  Pädagogik  nicht  vor.  Wohl  aber  sind  die  verdienst- 
lichen Werke  J.  Ch.  G.  Schumanns  1-2)  in  neuen  und  verbesserten  Auflagen  erschienen: 
das  Lehrbuch  in  der  neunten,  der  Leitfaden  in  der  sechsten.  Obwohl  beide  Schriften 
zunächst  nur  den  praktischen  Bedürfnissen  des  Unterrichts  in  der  Geschichte  der  Päda- 
gogik an  den  Seminarien  dienen  sollen,  so  sind  doch  beide,  besonders  das  umfangreichere 
Lehrbuch  mit  seinen  den  einzelnen  Abschnitten  beigegebenen,  geschickt  ausgewählten 
Litteraturnachweisen,  dazu  geeignet,  dem  Lehrer,  der  das  im  Seminarunterrichte  Er- 
worbene befestigen  und  erweitern  will,  ein  guter  Wegweiser  zu  sein.  Der  Leitfaden, 
der  den  Lihalt  des  Lehrbuches  kürzer  zusammenfasst,  soll  an  dessen  Stelle  treten,  wenn 
wegen  beschränkter  Zeit  das  Lehrbuch  nicht  völlig  bewältigt  werden  kann.  Aber  auch 
wenn  nur  der  Leitfaden  von  den  Zöglingen  der  Seminarien  durchgearbeitet  worden  ist,  so 
sind  doch  an  sie  höhere  Anforderungen  in  der  Kenntnis  der  Geschichte  der  Erziehung 
und  des  Unterrichts  gestellt  worden,  als  sie  in  den  Prüfungen  für  das  höhere  Schulamt 
auf  diesem  Gebiete  von  den  Kandidaten  verlangt  werden.  —  Auch  die  „Schule  der  Päda- 
gogik" von  Dittes  3)  und  das„Lehrbuch  der  Geschichte  der  Pädagogik"  von  H.  Schiller^^) 
sind  neu  aufgelegt  worden.  —  Seine  Tabellen  zur  Geschichte  der  Pädagogik,  die  in 
zweiter  Auflage  vorliegen,  will  E.  Förster  *)  lediglich  als  ein  Wiederholungsbuch  an- 
gesehen wissen,  „dessen  Inhalt  sich  wohl  als  geeignet  erweisen  dürfte,  den  Besitz  der 
im  Unterrichte  erworbenen  Kenntnisse  zu  sichern".  Wir  leben  leider  in  der  Zeit 
der  Repetitorien,  einer  notwendigen  Folge  der  vielen  Examina.  Viele  dieser  Arbeiten 
würden  ausser  ihrem  banausischen  noch  ein  höheres  Ziel  erreichen,  wenn  sie  die  F.schen 
Tabellen  sich  zum  Vorbilde  nähmen.  —  Repetitorien  der  Geschichte  der  Pädagogik  für 
den  praktischen  Gebrauch  der  Seminaristen  und  angehenden  Lehrer  sind  von  Apel  5) 
und  Kloepperß)  verfasst.  —  Volkmer '')  bereichert  seinen  Ueberblick  über  die  Ge- 
schichte der  Methodik  durch  einen  Anhang,  der  eine  kurze  Geschichte  der  Methodik 
aller  in  der  Volksschule  betriebenen  Unterrichtsfächer  enthält.  —  Nachzutragen  ist  aus 
dem  vorigen  Jahre,  dass  das  einen  Auszug  aus  dem  Kehrein-Kayserschen  Werke  (1890 
16:2)  bildende,  für  Seminaristen  der  untersten  Klasse  berechnete  „Handbüchlein"  von 
Funke  8)  unter  anderem  Titel  seine  zweite  Auflage  erlebt  hat. — Eine  historische  Skizze 
der  Bildungsideale  der  Deutschen  im  Schulwesen  seit  der  Renaissance  giebt  Hern  an  ^a),  — 
Quellenschriften  zur  Geschichte  des  Unterrichts  und  der  Erziehung  bei  den  deutschen 
Juden  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  Mendelssohn  hat  Güdemann^b)  heraus- 
gegeben. — 

G.  Stephans  ^)  Werk  über  die  häusliche  Erziehung,  das  ausser  für  die 
Pädagogen  besonders  für   die  Kulturhistoriker    von    grossem  Werte    ist,    dürfte    berufen 


I)  J.  eil.  G.  Schumann,  Lehrbuch  d.  Pädagogik.  1.  Teil.  Einl.  in  d.  Gesch.  d.  Padag.  mit  MusterstUcken  aus 
d.'padag.  Meisterwerken  d.  verschied.  Zeiten.  9.  verb.  u.  vermehrte  Aufl.  (=  Padag.  Bibl.  1.  Bd.)  Hannover,  C.  Bleyer. 
XIV,  508  S.  M.  4,50.  -  2)  id.,  Leitfaden  d.  Päd.  f.  d.  Unterr.  in  Lehrerbildungsanstalten.  2.  Teil.  Gesch.  d.  Päd.  6.  venn. 
u.  verb.  Anfl.  (=  Pädag.  Bibl.  4.  Bd.)  ebda.  VIII,  307  S.  M.  3,00.  -  3)  F.  D  i  tt  es,  Schule  d.  Päd.  Gesamtausg.  d.  PsychoL 
u.  Logik,  Erzieh.-  u.  Uuterr.-Lehre,  Methodik  d.  Volksschule,  Gesch.  d.  Erzieh.-  u.  d.  Unterr.  4.  Aufl.  Leipzig-Wien,  Klink- 
hardt.      XXVI,      1051      S.       M.      7,00.       |[PrLehrerZg.     LBl.     N.    5;   JBHSW.     2,    S.    42.]]     —     3a)    O    U-    Schiller, 

LelirbucU  d.  Gesch.  d.  Päd.    2.  Aufl.  Leipzig,  Keisland.    V,  392  S.    M.  6,60.  —  4)  £.  Förster,  Tabellen  z.  Gesch.  d.  Pild 

ft*.r  d.  Seminar-  u.  Selbstunterricht  bearb.  2.  Aufl.  Strassburg,  Schmidts  Univ.  Buchh.  YIII,  83  S.  M.  1,60.  j[WcgwPadLitt. 
18,  S..  51;  SchwoizLehrerZg.  N.  3;  LMorkur  N.  22;  AnzNeuostPadLN.  N.  4;  PädJB.  1892;  WUrttembSchulWBl.  44,  N.  2; 
SchulZg.  N.  85.]|  —  5)  0.  Apel,  Kepot.  d.  Gesch.  d.  Päd.  Mindon,  Marowsky.  III,  52  S.  M.  0,70.  -  6)  K.  Klöppor,  Repct. 
d.  GesclL  d.  Päd.  v.  d.  ältesten  Zeiten  bis  auf  d.  Gegenw.  4.  Aufl.  Bostock,  Werther.  VIII,  183  S.  M.  2,00.  -  7)  F.  Volkmer, 
Grundriss  d.  VolksscLul-Pudagogik  in  Ubersichtl.  Darst.  1.  Bd.:  Gesch.  d.  Erzieh,  u.  d.  Unterr.  Habelschwerdt,  Franko. 
230  S.  M.'.2,00.  —  8)  C.  A.  Funke,  GrundzUge  d.  Gesch.  d.  Päd.  2.  Aufl.  d.  HaiidbUchleins.  (Nach  d.  Überblick  d.  Gösch 
d.  Erz.  u.  d.  Unterr.  v.  Kohroin-Kay  ser.)  Paderborn,  Scboningh.  1890.  142  S.  M.  1,00.  —  8a)  O  C  F.  Heman,  D. 
Bildungsideale  d.  Deutschen  im  Schulwesen  seit  d.  Renaissance.  E.  hist.  Skizze  zu  prakt.  Zwecken.  Basel,  Koich.  VII,  88  S. 
M.  1,20. —_8b)  O  M.  GUdemann,  Quellenschriften  z.  Gesch.  d.  Unterr.  u.  d.  Erziehung  bei  d.  deutschon  Juden.  V.  d.  ältesten 
Ziilen  bis  auf  Mendelssohn.    Benin,  Uofmann    &    Co.     XXXII,    324   S.    M.  12,00.     -   9)    G.  Stephan ,  D.   häusliche  Erz.  in 


lOr)  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesen«.  I  6:  lo-i«. 

sein,  eine  Lücke  in  unserer  Kenntnis  des  heimatlichen  ErziehungswoMons  auszufallen. 
Der  KulturhiHtorikor  K.  Biedermann,  der  es  eingeleitet  hat,  hebt  mit  llecht  „Um- 
sicht, GrCnulliclikoit  und  öadikcnntnis"  hervor;  das  boigegebene  Littcraturverzcichnis 
f^iel>t  einen  doutliclien  Beleg  f(ir  den  grossen  Fleiss  dos  Vf.  Nachdem  er  einleitend 
im  allgemeinen  über  die  Beschaffenheit  der  hüuslichon  Erziehung  gehandelt,  spricht  er 
nbcr  die  körperliche,  geistige  und  sittliche  Ausbildung  und  erörtert  in  einem  Schluss- 
kai)itel  das  Verhältnis  zwischen  Privat-  und  Schulerziehung  und  die  Stellung  des  Hauses 
zur  Schule.  —  Als  Ergänzung  eines  früheren  Aufsatzes  (JBL.  18(K)I  0  :  53)  liefert  Friedr. 
Schmidt  10)  Mitteilungen  über  Prinzenerziehung  in  der  Kuqifälzischen,  Neuburgischen 
und  Sixlzbachischon  Linie.  — 

Einige  Arbeiten  beziehen  sich  auf  die  Methodik  einzelner  Fächer.  Wichtig 
für  die  Geschichte  des  Elementaruntenichts  auch  noch  im  15.  Jh.  ist  ein  Aufsatz  von 
E.  Voigt  lOa)  über  das  erste  Lesebuch  des  Triviums,  das  in  den  Kloster-  und  Stift«- 
schuleh  des  Mittelalters  und  auch  noch  in  der  Uebergangszeit,  mit  der  die  JBL.  oin- 
sotzen,  gebraucht  wurde.  Das  Droigestirn  Cato,  Aesop  und  Aviun  bilden  seinen  Ldmlt. 
Die  kleinen  Sprüche  und  Fabeln,  die  diese  Autoren  gewährten,  eignen  sich  ganz  besonders 
zur  Einübung  von  Grammatik  und  Sprachschatz,  von  Prosodie  und  Metrik.  An  ihnen 
lernte  man  konstruieren  und  skandieren,  besass  man  eine  ergiebige  Fundgnd>e  vonUebungs- 
beispielen.  Aber  nicht  nur  das:  sie  boten  daneben  „einen  reichen  Schatz  von  Regeln  der 
Sittenlehre  und  vor  allem  der  Lebensklugheit  und  Weltweisheit,  der  auch  auf  die 
Charakterbildung  und  die  ganze  Lebensauffassung  einen  weitreichenden  Einfluss  aus- 
üben musste".  V.  tritt  in  seinen  vorzüglichen  Erörterungen  in  Hinblick  auf  die  viel- 
iachen  Gestaltungen,  die  das  Ti'iviallosebuch  angenommen  hatte,  auch  dem  Vorurteil 
entgegen,  als  ob  ein  Stillstand  auf  dem  methodischen  Gebiete  im  Mittelalter  vor- 
heiTschend  gewesen  wäre.  —  Zwei  bisher  unbekannte  alte  ABCbücher  bespricht 
H.  Fe  ebner  11).  Das  eine,  mit  dem  Titel  „Teütsche  Kinder  Tafel"  ist  im  Jahre  1534  in 
Nürnberg  bei  J.  Gutknecht  gedruckt;  das  andere  „Buchstaben-  und  Lesebuch  1787"  hat 
keinen  geringereu  als  Herder  zum  Verfasser.  —  Einen  Beitrag  zur  Methodik  des  Ge- 
schichtsunterrichts im  17.  Jh.  giebt  Aron  i-)  durch  seine  Besprechung  des  vom  Lfine- 
burgor  Eektor  Buno  (1617 — 1697)  veröffentlichten  Buches  „Historische  Bilder,  Darinnen 
idea  liistoriae  universalis".  Das  mit  21  Bildertafeln  ausgestattete  Werk  sollte  durch  mnemo- 
technische Hilfsmittel  der  Jugend  das  Erlernen  der  geschichtlichen  Thatsachen  erleichteni. 
(vgl.  III  5:  12/3.)  —  Vogelreuter  13)  hat  sich  ein  Ziel  gesetzt,  dessen  Erreichung  Dank 
verdiente:  er  will  eine  Geschichte  des  griechischen  Unterrichts  schreiben,  in  der  die  Fragen 
nach  den  verschiedenen  Graden  der  Wertschätzung  des  Faches  sowie  der  verschiedenen 
Methoden  und  Tendenzen  erörtert  werden  soUen.  Aus  dem  Umstände,  dass  seine  Dar- 
stellung fast  ausschliesslich  auf  den  unzulänglichen  Mitteilungen  Schmidts  und  Raumers 
beruht,  wird  jeder,  der  sich  mit  der  Geschichte  der  Methodik  beschäftigt  hat,  erkennen, 
dass  seine  Arbeit  billigen  Ansprüchen  nicht  genügt.  —  Den  Versuch,  die  Entwicklung 
der  Rechenkunst  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  den  heutigen  Tag  zur  Dai-stellung  zu 
bringen,  macht  Sterner  !•*).  Von  der  prähistorischen  Zeit  ausgehend,  giebt  er  eine 
Schilderung  des  Rechnens  bei  den  alten  Kulturvölkern,  denen  er  gleich  die  Araber  an- 
schliesst,  und  behandelt  dann  in  einem  zweiten  Abschnitte  die  Reclienkun.st  im  christ- 
lichen Abendlande.  Das  ganze  Werk  ist  als  der  erste  Teil  einer  prinzipiellen  Darstel- 
lung des  Rechenunterrichts  auf  historischer  Grundlage  gedacht.  — Von  Kehrs  Geschichte 
der  Methodik  des  deutschen  Volksschulunterrichts  ist  der  fünfte  Band,  „Geschichte  der 
Methodik  des  Turnunterrichts",  bearbeitet  von  Euleri^),  in  zweiter  Auflage  erscliienen. 
In  der  neuen  Bearbeitung  ist  in  noch  weit  höherem  Grade  als  in  der  ersten  die  Ge- 
schichte des  Turnunterrichts  aus  dem  Rahmen  der  eigentlichen  Aufgabe  herausgetreten, 
da  sie  sich  auf  die  Leibesübungen  fiberhaupt  nach  ihrer  erziehlichen  Seite  hin  erstreckt 
und  nicht  nur  das  Turnen  in  der  Volksschule,  sondern  das  gesamte  Schulturnen  um- 
fasst.  Von  allen  den  Männern,  welche  für  die  Geschichte  und  die  Entwicklung  des 
Turnens  von  Bedeutung  sind,  ist  ein  kurzes  Lebensbild  entworfen,  in  dem  zugleich 
auch  ihrer  litterarischen  Tliätigkeit  gedacht  wii-d.  Die  Geschichte  des  Turnens  iu 
Preussen  ist  bis  zur  unmittelbaren  Gegenwart  fortgefülirt.  Alle  sich  auf  das  Tumwesen 
beziehenden  Kiuidgebungen  der  Behörden  sind  sorgfaltig  berücksichtigt,  die  Tum- 
prüfungsordnungen    werden    wörtlich    mitgeteilt.      Auch    die    in    neuester   Zeit    her\'or- 


Deutschland  wHlirond  d.  18.  Jh.  Wiesbaden,  Berginann.  Will,  102  S.  M.  3,00.  —  10)  Friedrieb  Scknidt,  Z.  tieseh.  d. 
Erz.  n.  d.  üntBrr.  im  Wittelsbacb.  Regentenhaus:  MGESchG.  1,  S.  17—31.  —  lOl)  E.  Voigt,  D.  erste  Lesebuch  d.  Tririama 
in  d.  Klo&ter-  u.  Stiftsseliulen  d.  Mittelaitors  (11. ,'5.  Jh.):  ib.  S.  42—53.  —  II)  H.  Fechner,  Zwei  alt«  ABCbllcher:  ib.  S.  92  5. 
—  12)  Aron,  Z.  Methodik  d.  Geschichts-Unterriebts.  (=  Aus  päd.  Kibliothcken.):  ib.  S.  97—102.  —  13)  O.  VoKelreoter, 
Gösch,  d.  griech.  Unterrichts  in  dtsch.  Schulen  »eit  d.  Reform.  Hannover,  C.  Meyer.  67  S.  M.  1.20.  —  14)  M.  .Sterner« 
Prinzipielle  Darstellung  d.  Rcchenuntcrr.  auf  bist.  Grundl.  1.  Gosch.  d.  Rechenkunst.  Uflnrhen,  Oldenbonrg.  VIII,  533  S 
M.  0,00.  —  15)  K.  Euler,  Gesch.  d.  Turnunterr.  (=  Kehr,  Methodik  d.  dtjtch.  Volkssohulunterr.  2,  Aufl.  Bd.  5.)  Gotkm, 
Thienemann.     XXIII,  520  S.    M.  6,00.  —  16)  0.  Schneider,  D.  gesch.  Entwickl.  d.  pld.  Ansichten  Ober  KOrper- n.  Charskter- 


I  6:  17-24.  K.  Kehr  back,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  106 

getretenen  Bestrebungen  zur  Pflege  der  körperlichen  Erziehung  durch  Turn-  und  Jugend- 
spiele finden  eingehende  Berücksichtigung.  DasTurnen  in  den  übrigen  Staaten  Deutschlands, 
in  der  ersten  Auflage  nur  kurz  berührt,  wird  in  Einzeldarstellungen  ausführlich 
geschildert.  —  Erwähnt  seien  an  dieser  Stelle  auch  die  kurzen  Bemerkungen 
0.  Schneiders  16)  über  die  geschichtliche  Entwicklung  der  pädagogischen  Ansichten 
von  Körper-  und  Charakterbildung.  — 

Gross  ist  die  Zahl  einzelner  Persönlichkeiten  aus  der  Geschichte  unseres 
Faches,  denen  im  Berichtsjahr  specielle  Beachtung  zu  teil  geworden  ist.  Voran  stehen 
natürlich  die  Theoretiker.  Am  w^enigsten  ist  über  Vertreter  der  älteren  Zeit  hier 
anzuführen :  die  Berichterstattung  über  die  Comenius  betreifenden  Arbeiten  von 
A,  Richter  1'')  und  Nebe^^)  sei  für  den  nächsten  Jahresbericht  aufgespart.  Dort  sollen 
sie  im  Verein  mit  der  aus  Veranlassung  des  Comeniusjubiläums  inis  bescherten  Comenius- 
litteratur  besprochen  w^erden.^^)  —  Gänsen  2^)  gab  A.  H.  Eranckes  wichtigste  pädago- 
gische Schriften  mit  einer  Einleitimg  neu  heraus.  Es  sind  ausser  dem  „Kurzen  und  ein- 
fältigen Unterricht,  wie  die  Kinder  zur  wahren  Gottseligkeit  anzuführen  sind",  die  drei 
Abhandlungen  „Was  von  den  Lehrern  zu  beachten",  „Anweisung  für  die  Lehrer,  was 
sie  bei  der  Zucht  wohl  zu  beachten"  und  „Von  der  Erziehung  der  Jugend".  Da,  wie 
G.  in  der  Einleitung  selbst  voraussetzt,  diese  Schriften  kaum  zum  Gegenstand  einer 
schulgemässen  Behandlung  gemacht  werden  dürften,  also  für  die  Fachmänner  und  den 
weiteren  Kreis  der  Gebildeten  berechnet  sind,  so  liegt  auch  gar  kein  Grund  vor,  statt 
der  un erlässlichen  wortgetreuen  Wiedergabe  eine  Art  von  „Uebersetzung"  zu  liefern.  — 
Nachdem  von  der  Litteraturgeschichte  die  schriftstellerischen  Verdienste  Rabeners,  „des 
deutschen  Swift",  von  neuem  anerkannt  worden,  versucht  Th.  Vetter  2i)  nun  auch  eine 
pädagogische  Würdigung  des  Mannes  anzustreben.  Manche  von  Rabeners  Vorschlägen 
für  die  Reform  des  Sprachunterrichts,  des  Geschichtsunterrichts,  der  die  Geschichte  des 
Vaterlandes  in  erster  Linie  betonen  soll,  für  die  Hebung  des  Lehrerstandes,  sind  in  der 
neuesten  Zeit  wiederholt  worden  —  einer  von  den  vielen  Belegen  für  den  Mangel  an 
Kontinuität,  der  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  des  deutschen  Erziohungswesens 
herrscht.  — 

Li  den  Kreis  der  Philanthropinisten  führt  uns  die  Frage  nach  der  Abhängig- 
keit Basedows  von  Rousseau,  die  Gössgen  22)  in  grosser  Ausführlichkeit  übersichtlich 
dargestellt  hat.  Pinloche  hatte  (JBL.  1890  I  6  :  15)  den  Versuch  gemacht,  an  dieStelle  eines 
Einflusses  Rousseaus  auf  Basedow  die  Abhängigkeit  Basedows  von  Comenius,  Locke 
und  La  Chatolais  nachzuweisen,  G.  Schmidt  (ib.  16)  wenigstens  auf  eine  ältere  Beein- 
flussung Basedows  durch  Heyne  und  die  Neuhumanisten  hingedeutet.  Demgegenüber 
will  G.  die  frühere  Annahme,  dass  der  Philanthropinismus  Bfisedows  ein  Erzeiignis 
Rousseauschen  Geistes  sei,  durch  neue  Beweise  stützen  und  in  ihr  Recht  wieder  ein- 
setzen: „denn  dass  diese  Annahme  von  der  Beeinflussung  Basedows  durch  Rousseau 
nicht  genügend  erwiesen  worden,  zeigen  eben  jene  Angriffe,  und  darin  bestand  das  Recht 
und  der  Wert  derselben".  Das  Ergebnis  der  überzeugenden  Auseinandersetzungen  G.s 
ist,  dass  zwar  nicht  alle  Rousseauschen  Ideen  im  Basedowschen  Philanthropinismus  zur 
Verwirklichung  gekommen  sind,  dass  aber  im  ganzen  die  von  Basedow  praktisch  aus- 
geübte Pädagogik  die  Rousseavische  gewesen  ist.  —  Der  Philanthropinismus,  seine  Ver- 
dienste und  Verirrungen  werden  in  einer  kürzeren  Arbeit^^)  besprochen.  —  Unter  den 
zahlreichen  teils  günstigen,  teils  ungünstigen  Berichten  über  die  grosse  Prüfung  am 
Philanthropin  (1776)  ist  die  Schrift  von  Schummel  am  bekanntesten  geworden,  der  sich 
trotz  seiner  unverkennbaren  Sympathien  für  die  philanthropinistischen  Bestrebungen  ein 
nüchternes  und  unbefangenes  Urteil  bewahrt  hat.  Die  Schrift,  die  von  den  Philanthropen 
selbst  für  eine  zuverlässige  Quelle  gehalten  wui-de,  liegt  der  Darstellung  in  vielen  päda- 
gogischen Lehrbüchern  zu  Grunde,  und  schon  daraus  rechtfertigt  es  sich,  dass 
Alb.  Richter 24)  einen  Neudruck  veranstaltet  hat.  Um  dem  Leser  eine  selbständigere 
Beurteilung  zu  ermöglichen,  hat  R.  die  „Authentischen  Nachrichten"  Rochows  in  dem- 
selben Heft  zum  Abdruck  gebracht  und  vielfach  in  den  Anmerkungen  die  Urteile  Sti'oths, 
Rötgers  nnd  Nietzolds  angeführt.  — 

Grössere  Arbeiten  gelten  katholischen  Pädagogen  jener  Zeit.  Mit  der 
Ausgabe  der  pädagogischen  Schriften  Franz  v.  Fürstenbergs  hat  Esch25)  die  Verdienste 
eines  Mannes    uns  wieder    nähergerückt,    den  man  bisher  besonders   in  den  Geschichts- 


bildung. JB.  a.  Grossh.  Bealsch.  Oppenheim,  TraumUller.  8  S.  —  17)  Alb.  Richter,  J.  A.  Comenius'  Muttersch nie.  Mit 
e.  Einleitung  her.  (=  Neudrucke  päd.  Schriften,  her.  v.  A.Richter.)  8.  Leipzig,  R.  Richter.  86  S.  M.  0,80  —  18)  A.  Nebe, 
Vives,  Aisted,  Comenius  in  ihrem  Verhallnis  zu  einander.  Progr.  d.  Gymn.  Elberfeld,  Lucas.  4«.  35  S.  —  19)  (III  5:  12,  13.) 
—  20)  A.  H.  Franckes  wichtigste  päd.  Schriftoii.  N'iu  her.  u,  mit  einer  Eiul.  ver.^.  v.  J.  Gänsen.  (—  Samml.  bedeut.  püd. 
Schriften.  Ud.  8.)  Paderborn,  Schöningb.  147  S.  M.  1,00.  -  21)  R.  Vetter,  Raboner  als  Padagog.  Beitr.  z.  Päd.  d.  18.  Jh.: 
PttdBU.  20,  S.  105—10.  —  22)  C.  GOssgen,  Rousseau  u.  Basedow.  Burg,  Hopfer.  118  S.  M.  2,00.  -  23)  O  A.  E.,  D.  Phil- 
anthropinismus, seine  Verdienste  u.  Verirrungen :  EvScliulBl.  35,  S.  171  —  81.  —  24)  J.  G.  Schummel,  Fritzens  Reise  nach  Dossmi 
n.  F.  E.  T.  Roche w,   her.   v.    Alb.  Richter.     (=  Neudr.  pttd.  Schriften,  her.  v.  A.  Richter.      Bd.   6.)     Leipzig,    R.  Richter. 


107  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  I  6:  2S-29. 

werken  der  Pädagogik  entweder  ganz  übergangen  oder  zu  sehr  obenhin  beliundelt  hat. 
Die  Reform  des  gesamten  Schulwesens,  des  höheren  wie  des  niederen,  war  die  Aufgabe 
seines  Lebens,  zu  deren  Lösung  er  alle  Kräfte  einsetzte  und  bei  der  ihm  Overberg  ein 
treuer  Genosse  war.  Eine  Ungerechtigkeit  ist  es,  neben  Overberg  die  Verdienste 
Fürstenbergs,  auf  dessen  Schultern  jener  stand,  gering  zu  achton.  E.  giebt  die  Werke 
vollständiger,  als  es  von  Esser  geschehen  ist;  indessen  fehlen  immer  noch  einige  un- 
gedruckte Schriften  Fürstenbergs,  die  sich  im  Darfolder  Archiv  befinden  und  bereit«  von 
Galland  auszugsweise  veröffentlicht  worden  sind.  Da  die  Originale  nicht  zur  Verfügung 
gestellt  worden  sind,  so  hat  E.  einen  Ersatz  durch  Heranziehung  der  Gallandschen  Mit- 
teilungen geboten.  Die  abgedruckten  Urkunden  erstrecken  sich  Über  den  Zeitraum  von 
177() — 18t)4;  sie  beginnen  mit  der  Schulordniuig  des  Hochstifts  Münster  vom  Jahre  177«» 
und  sohliessen  mit  einem  Berichte  an  die  Preussische  Regierung  über  die  Leliranstalten 
des  Münsterlandes.  Wenn  Fürstenberg  in  der  Schulordnung  von  177«  den  Lehrern  ans 
Herz  legt,  den  Schülern  Festigkeit  im  Gebrauche  der  Muttersprache  beizubringen,  sie 
lieim  Übersetzen  aus  dem  Lateinischen  vor  Latinismen  zu  bewahren,  sie  mit  den  besten 
Produkten  des  dichterischen  Genies  in  den  voi'züglichsten  Arten  der  Dichtkunst  bekannt 
zu  machen ,  Dichtungen  aus  dem  Griechischen  und  Lateinischen  ins  Deutsche  übersetzen 
und  hernach  mit  dem  Gedichte  vergleichen  zu  lassen  usw.,  damit  sie  die  Eigenheiten  des 
poetischen  und  prosaischen  Stiles  unterscheiden  lernen,  so  sind  das  Forderungen,  die  in 
jener  Zeit  selten  aufgestellt  sind.  Die  der  Ausgabe  der  Texte  vorausgehenden  zwei 
grösseren  Abschnitte,  deren  erster,  allgemeiner  eine  Charakteristik  des  Zeitalters 
Fürstenbergs,  des  Jh.  der  Autklärung,  des  Despotismus  und  der  pädagogischen  Refonn- 
versuche  darbietet,  deren  zweiter  über  die  innere  und  äussere  Entwicklung  Fürstenbergs 
unterrichtet,  beruhen  auf  umfangreichen  Studien  und  fesseln  den  Leser  diu-ch  die  wohl- 
thuende  Wäime,  mit  der  sie  geschrieben  sind.  —  Sailers  Erstlingswerk  „Über  die 
wichtigste  Pflicht  der  Eltern  in  der  Erziehung  ihrer  Kinder"  entreisst  L.  Kellner^«) 
durch  seine  Ausgabe  einer  unverdienten  Vergessenheit  und  erwirbt  sich  dadurch  den 
Dank  aller  derer,  die  der  Meinung  sind,  dass  pädagogische  Dokumente  mindestens 
ebensoviel  Wert  haben  wie  Urkunden  z.  B.  der  politischen  Geschichte,  der  Litteratur 
und  anderer  historischer  Fächer;  wir  sind  ganz  damit  einverstanden,  wenn  K.  diese 
Gleichberechtigung  grundsätzlich  betont.  Für  eine  neue  Ausgabe  dieser  Schrift  würde 
es  sich  empfehlen,  den  kurzen  Abriss  von  Sailers  Leben,  den  K.  in  der  Eiideitung  giebt, 
zu  erweitern.  Und  wenn  dabei  S.  8  die  Anmerkung  über  Kant  und  Lessing  wegfällt, 
so  wird  dadurch  für  viele  der  Wert  des  Werkes  erhöht  werden.  — 

Ein  Bild  des  Lebens  Isaac  Iselins,  Ratsschreibers  in  Basel  (1728 — 1782),  entwirft 
K.  Wieland27)  gelegentlich  der  Enthüllung  seines  Denkmals.  Iselin,  ein  eifriger 
Kämpfer  für  die  geistige  Hebung  und  materielle  Wohlfahrt  seiner  Mitbürger,  hat  sich 
auch  um  die  Verbesserung  des  heimischen  Schulwesens  mannigfache  Verdienste  er- 
worben. Das  Ziel  seiner  erzieherischen  Bestrebungen  war,  Geist  und  Gemüt  der  Jugend 
zu  bilden  und  in  allen  Scliichten  der  Bevölkerung  nützliche  Kenntnisse  zu  verbreiten; 
auf  die  körperliche  Ausbildung  legte  er  hohen  Wert.  Er  war  einer  der  ersten  unter 
Pestalozzis  Zeitgenossen,  der  dessen  Bedeutung  für  das  Erziehungswesen  richtig 
zu  würdigen  verstand;  thatkräftig  unterstützte  er  ihn  zu  einer  Zeit,  da  alle  an  ihm  irre 
wurden.  Ebenso  war  er  bemüht,  den  Ideen  und  Schriften  Basedows  in  der  Schweiz 
Eingang  zu  verschaffen,  dessen  geistigem  Wesen  er  sich  sehr  verwandt  ftihlte.  — 
Johann  Schulthess  (1763—1836)  von  Zürich,  „der  begeisterte  Freund  Pestalozzis,  der 
unentwegte  Vorkämpfer  Peötalozzischer  Schulreform  im  Kanton  Zürich"  hat  in  Hunziker^«) 
einen  begeisterten  Biographen  gefunden.  Schulthess  war  in  seinem  Heimatsorte  seit 
1787  Professor  des  Hebräischen,  1796  der  alten  Sprachen,  1816  der  Theologie.  Seine 
Thätigkeit  als  akademischer  Lehrer  und  als  theologischer  Schriftsteller  ist  ohne  Zweifel 
über  die  Grenzen  seines  Kantons  hinausgedrungen,  trotzdem  aber  hätte  sich  H.  im 
Rahmen  der  ADB.  bei  der  Besprechung  seines  Helden  engere  Grenzen  ziehen  sollen.  — 
Die  schon  oft  dargestellte  Bedeutung  Herders  für  Unterricht  und  Erziehung  ward  von 
Kötz29)  von  neuem  und  in  glücklicher  Anordnung  geschildert.  Nachdem  er  einleitend 
Nachrichten  über  Herders  Bildungsgang  gegeben,  bespricht  er  dessen  Lehrthätigkeit  in 
Königsberg,  Riga,  Bückeburg,  Weimar,  und  seine  Bemühungen  um  die  Hebung  besonders 
der  weimarischen  Schulen.  Aus  den  sämtlichen  Werken  werden  dann  Herders  pädago- 
gische Anschaumigen  in  übersichtlicher  Gnippierung  vorgeführt.  Hoch  stellte  Herder 
die  Kenntnis  der  Muttersprache,  sie  ist  ihm  „der  Leitfaden,  ohne  den  der  Geist  sich  im 


76  S.  M.  0,80.  —  25)  J.  Esch,  Franz  t.  FOrstonberg.  Sein  Loben  u.  seine  Schriften.  (Bibl.  d.  kmth.  Pld.  4.)  Freibnrp. 
Herder.  XI,  316  S.  M.  a,00.  (S.  67-316.)  (Umfang  u.  Preis  beziehen  sich  auf  Bibl.  d.  kathol.  Pldag.  4..  welche  aneh 
Sailers  päd.  ErsUingswerk  enthalt.)  —  26)  L.  Kellner.  J.  M.  Sailers  päd.  Erstlingswerk.  Neu  her.  u.  mit  e.  EioL  n.  Anm. 
bogleitet  (Tgl.  N.  25.)  (=  Bibl.  d.  kath.  Fad.  4,  [S.  1— 5«J.)  -  27)  K.  Wieland ,  D.  Andenken  I.  Iselins.  Z.  Feier  d.  Bot- 
hnilung  seines  Denkmals  am  18.  Sopt  1801,  t.  d.  Ges.  z.  BofOrd.  d.  Outen  u.  GemeinnOti.  in  Basel.    Festschrift.    BaMl,  Schwmb». 

77  S.    M.  1,00.    -    28)  Hunziker.  Joh.  Schulthess:    ADB.  32,  S.  697—700.    -    29)  T.  Kött,    D.  fld.  Bedentang  Barden«. 


I  6:  30-37.  K.  Kehrbacli,  Geschichte  des  Uiiterrichtswesens.  108 

Labyrinth  vieler  fremder  Sprachen  verirrt".  Die  Litteratvxr  hätte  in  grösserem  Masse 
herangezogen  werden  müssen.  —  Den  Heidelberger  Theologen  F.  H.  Chr.  Schwarz 
(17GG — 1837)  hat  von  Weech-'*')  mit  einer  der  Bedeutung  des  Mannes  gebührenden 
längeren  Besprechung  bedacht.  Schwarz,  aixs  Giessen  gebürtig,  wurde  1790  in  Dexbach, 
1796  in  Echzell,  1798  in  Münster  bei  Butzbach  Pfarrer,  1804  aber,  obgleich  Lutheraner, 
Professor  der  Pädagogik  und  systematischen  Theologie  an  der  reformierten,  Universität 
Heidelberg.  Dort  hat  er  mit  Creutzer  das  pädagogisch-philosophische  Seminar  begründet 
lind  sich  besonders  um  die  Einführung  der  Union  in  Baden  grosses  Verdienst  erworben. 
Von  seinen  Schriften  kommt  hier  ausser  mannigfachen  Arbeiten  zur  christlichen  Ethik 
besonders  seine  erste,  der  „Grundriss  einer  Theorie  der  Mädchenerziehinig  in  Hinsicht 
auf  die  mittleren  Stände"  (1792)  in  Betracht.  —  Färbers^i)  Werk  über  Eichte  gliedert 
sich  in  zwei  Teile,  in  deren  erstem  der  Vf.  Eichtes  Leben,  seine  philosophischen  und 
pädagogischen  Lehren,  letztere  in  kritischer  Beleuchtung,  darstellt;  im  zweiten  Teile 
bietet  er  Abschnitte  aus  Eichtes  Werken.  Hier  wäre  nur  zu  wünschen  gewesen,  dass 
er  Orthographie  iind  Intei'punktion  nicht  geändert  und  bei  seinen  Aiiszügen  aus  den 
„Reden  an  die  deutsche  Nation",  wie  bei  den  übrigen,  die  Ausgabe  erster  Hand  zu 
Grunde  gelegt  hätte.  —  Li  einem  Werk  über  Gi-aser  hat  sich  Wieck^^^  die  Aufgabe 
gesetzt,  Leben  und  Wirken  des  Mannes  zu  schildern,  und  andernteils  weiteren  Kreisen 
dessen  pädagogisches  System  zur  Kenntnis  zu  bringen,  indem  er  zunächst  eine  kurze, 
systematische  Zusammen stelhmg  und  kritische  Beurteilung  der  pädagogischen  Grimd- 
lehren  Grasers  und  ihrer  Hauptquellen  giebt  und  dann  aus  Grasers  Schriften  eine  grosse 
Zahl  von  Stellen  vorführt.  Zu  bedauern  ist  es,  dass  W.  sich  vielfache  Stilveränderungen 
erlaubt:  sie  können  durch  die  Absicht,  den  Autor  auf  diese  Weise  dem  Publikum  ver- 
ständlicher zu  machen,  keineswegs  entsclmldigt  werden.  — 

Von  Kehrbachs  33)  Herbartausgabe  ist  der  vierte  Band,  der  noch  ausstand, 
nachgeliefert  worden.  Er  enthält  unter  anderm  die  Lehrbücher  zur  Einleitung  in  die 
Philosophie  und  zur  Psychologie,  von  denen  die  Ausgabe  des  ersteren  dvirch  bisher 
ungedruckte  Zusätze  bereichert  ist.  —  Bartholomäis  "4)  Ausgabe  von  Herbarts  päda- 
gogischen Schriften  hat  Sallwürk  zu  Ende  geführt  und  mit  einem  Namen-  und  Sacli- 
register  versehen,  wodurch  die  Benutzung  wesentlich  erleichtert  wird.  —  Eine  neue 
Ausgabe  der  pädagogischen  Schriften  Herbarts  von  J.  J.  Wolff^"")  will  nicht  den 
historisch-kritischen  Standpunkt  einnehmen.  W.  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  dass 
dem  Einfluss  und  der  Verbreitung  der  Lehren  Herbarts  eine  übertriebene  Bedeutung 
beigemessen  wird,  und  betrachtet  es  als  seine  Aufgabe,  auf  die  Schwächen  der  pliilo- 
sophischen  und  pädagogischen  Ansichten  Herbarts,  sowie  auf  ihren  Gegensatz  zum 
Christentum  hinzviweisen.  Von  diesen  Grundsätzen  aus  hat  W.  seinem  ersten  Bande, 
der  die  „Allgemeine  Pädagogik"  und  den  „Umriss  pädagogischer  Vorlesungen"  enthält, 
freilich  ohne  bei  dem  ersteren  auf  die  oben  erwähnten  Varianten  aufmerksam  zu  machen, 
eine  auf  fleissigem  Studium  beruhende  Einleitung  gegeben,  die  sicli  auf  eine  Charakte- 
I  istik  der  Philosophie  Herbarts,  seiner  Ethik,  Psychologie  und  Metaphysik  erstreckt.  — 
Von  dem  Neudruck  der  verdienstvollen  Gesamtausgabe  Hartensteins  3^)  ist  der  zehnte 
Band  erschienen,  der  die  „Allgemeine  Pädagogik",  den  „Umriss  pädagogischer  Vor- 
lesungen" und  die  „Briefe  über  die  Anwendung  der  Psychologie  auf  die  Pädagogik" 
enthält.  Unberücksichtigt  blieb  leider  der  durch  Kehrbach  gegebene  Hinweis,  dass  die 
„Allgemeine  Pädagogik"  zwar  nur  in  einer  Auflage  erschienen  ist,  dass  sich  aber  zwei 
Gruppen  von  Exemplaren  dieser  Auflage  unterscheiden  lassen,  die  sich  hinsichtlich  des 
Textes  auf  Seite  12  und  13  unterscheiden.  —  Mit  seiner  wohlfeilen  Sonderausgabe  von 
Herbarts  „Umriss  pädagogischer  Vorlesungen"  verbindet  H.  Wendt^'')  die  dankenswerte 
Absicht,  das  Buch  in  die  Hände  recht  vieler  Erzieher  zu  bringen.  Von  diesem 
praktischen  Standpunkte  ausgehend,  hat  er  darauf  vei'zichtet,  den  Wortlaut  philologisch 
genau  wiederzugeben.  Würde  er  übrigens  die  Werke  Herbarts  von  dem  Gesichtspunkte 
der  liistorisch-philologischen  Kritik  betrachtet  haben,  so  würde  er  die  Interpimktion 
Herbarts  nicht  „sonderbar"  genannt  und  nicht  behauptet  haben,  dass  Herbart  fast  nie 
Sätze  oder  Wörter  unterstreicht.  —  Von  der  richtigen  Voraussetzung  geleitet,  dass  eine 
wissenschaftliche  Untersuchung  des  Verhältnisses  zwischen  Herbart  und  Pestalozzi  bisher 
nicht  zu    stände  gekommen  ist,  wenngleich  man    es  an  apodiktischen  Urteilen  über  die 


Diss.  Leipzig.  96  S.  M.  1,00.  —  30)  v.  Woech,  Friedr.  Ilcinr.  Christan  Sclnvarz:  ADR.  33,  S.  235/6.  —  31)  F. 
Färber,  J.  G.  Fichte.  (=  Klassiker  d.  Päd.  Bd.  12.)  Langensalza,  Scliulbuclihaiidlung.  VI,  318  S.  M.  3,30.  — 
32)  G.  Wiock,  .loh.  Bapt.  Graser,  1.  Tl.:  Leben  u.  Lehre  Grasers,  Beurteilung  seiner  Pädagogik,  Divinität.  (—  Klassiker  d. 
Päd.  Bd.  13.)  obda.  XII,  328  S.  M.  4,U0.  —  33")  J.  F.  Ilerbart,  Sümtl.  Werke  in  chronolog.  Keiheniolge,  her.  v.  K.  Kohr- 
bach.  Bd.  4.  Laiigonsnlza,  Beyer  &  Söhne.  XVII,  022  S.  M.  5,00.  —  34)  J.  F.  Horbart,  Päd.  Schriften.  Jfit  Ilerbarts 
Biogr.,  her.  v.  F.  Bartholomaoi.  5.  Aufl.  neu  boarb.  u.  mit  crlt.  Anin.  vors.  v.  E.  v.  Sallwürk.  2  Bd.  (—  Bibl.  päd. 
Klassiker,  her.  v.  Mann.  0.  Bd.)  ebda.  VI,  462  S.  M.  3,00.  —  35)  J.  F.  Herbart,  Päd.  Schriften.  Mit  o.  Darsteil,  u.  Beurteil. 
d.  ethischen  o.  metaphys.-psychol.  Grundlagen  d.  Plld.  Ilerbarts  vers.  v.  J.  J.  Wolff.  Bd.  1.  (=  Sainml.  bodout.  päd.  Sehr. 
Bd.  10.)  Paderborn,  Schöningh.  474  S.  M.  2,80.  —  36)  J.  F.  Herbart.  Sämtl.  Werke,  her.  v.  Hartenstein.  2.  Abdr.  10.  Bd. 
Schriften  z,  Pild.    1.  Tl.    Hamburg,  Voss.    XVI,  503  S.    M.  4,50.    —    37j  J.  F.  Herbart,   Umriss  päd.  Vorlesungen.    Her.  u.  mit 


109  K.  Kohrbach,  Geschichte  dos  Unterrichtsweflens.  I  6:  3^-65. 

wissenschaltlicluiii  Jieziohiuigeii  I)oi(l(!r  niclit  hat  luhleti  lasnen,  vorsucljt  \\'ig(;t  ■•'')  «hirch 
Vergleichung  beider  ErzioimngHthoontMi  diese  Lücko  auszufüllon.  Nachdom  er  zunüchst 
aus  den  Schriften  und  der  Lebotisg(!scliichto  Herharts  dessen  Beziehungen  zu  Pestalozzi 
iiervorgehoben  und  ausserdem  Belege  dafür  gebracht  hat,  dass  Herbarts  Bestrebungen 
in  Pestalozzischen  Kreisen  nicht  unbekannt  geblieben  sind,  initornimmt  er  mit  vielem 
üoschick  eine  durch  gi'osso  Klarheit  sich  auszeichnende  Darstellung  des  Postalozzischen 
Systems.  — 

Von  Langenbergs^**«)  Ausgabe  der  „Ausgcwühlten  Schriften"  Diesterwegs 
sind  der  dritte  inid  vierte  Band  erschienen;  damit  ist  das  verdienstvolle  Werk  ab- 
gescldossen.  —  Naclizutragen  ist  hier  noch  der  JBL.  IWK)  übergangene  Vortrag  vom 
/ijigg39)_  In  wannen  Worten  schildert  er  die  vielseitigen  Verdienste  Diesterwegs,  den 
er  den  „Pestalozzi  der  That"  nennt.  Den  Ausspruch:  „Ich  wollte  Postalozzisch  wirken", 
den  er  zum  Ausgangspunkte  seiner  Rede  nimmt,  ändert  er  zum  Schluss  in  den  Zuruf 
an  die  schweizer  Lehrer:  „Wir  wollen  Pestalozzisch  wirken".  —  Rebhuhn^)  hat  sich 
im  Verein  mit  Wilke  ein  grosses  Verdienst  erworben  durch  die  Herausgabe  einer 
BiL]iogra})hie  der  Schriften  von  luid  über  Diesterweg,  die,  zunächst  auf  dem  umfang- 
reichen Materialo-  der  Diesterwegsammlung  des  deutschen  Schulmuscums  beruhend,  eine 
wertvolle  Ergänzung  des  Langenbergschon  Verzeichnisses  ist.  Der  Nachtrag,  der  die 
Schriften  aus  Anlass  dos  lüüj.  Geburtstages  Diesterwegs  enthält,  bedarf  natürlich,  da  er 
während  des  Jubiläumsjahres  erschienen  ist,  noch  der  Ergänzung,  die  der  Vf.  teilweise 
schon  in  den  „Neuen  Bahnen"  gegeben  hat.  Es  seien  hier  der  Vollständigkeit  halber 
noch  aufgefüint  die  Arbeiten  von  Baiimgarten  ^i),  Dittes  •*-'),  Dörpfeld  ■♦•'),  Eisele**), 
Fritze«"),  Halben-'«),  Hamm  47),  Kaufte  ^a-«)^  Jessen^),  Krimmel&'j,  Lucas  »2), 
Meyor-Schwalbe53),  Pohlandt "■*),  Rebhuhnes),  Risch«'»),  Sander"),  F.  Schäfer^), 
Scheer^"),  G.  Schwarz  *50),  Staude  6i),  A.  Voigt"-),  WiggeOS).  —  Zum  Schiusa 
sei  auf  den  Aufsatz  von  liissmann '5^)  hingewiesen,  dessen  Urteil,  dass  das  Mittel- 
massige  in  der  Diesterwoglitteratur  des  Jahres  1891  vorwiege,  durchaus  gerecht- 
fertigt ist.  — 

Aber  nicht  nur  den  Theoretikern,  sondern  auch  den  Schulmännern  der  Praxis 

hat  sich  die  Forschung  zugewendet;  wir  versuchen  sie  nach  den  Landschaften  zu  scheiden, 

denen  ihre  "Wirksamkeit  hauptsächlich  zu  Gute  kam,  wobei  es  freilich  hie  und  da  ohne 

eine    gewisse  Willkür    nicht    abgehen  kann.     Wir  beginnen  mit  dem  Königreich  und 

der  Provinz  Sachsen.     Fabian  *'^),    dem  wir  die  trefi'liche  Biographie  des  Zwickauer 

Rektors  M.  Petrus  Plateanus  (1535—1540)  verdanken  (vgl.  ADB.  2G,  S.  241),  liielt  einen 

Vortrag    über    den    um    die  Schiden  Zwickaus    hochverdienten  M.  Stephan  Roth.     Sein 

Leben  und  Wirken  ist  bereits  1882  von  Georg  Müller  (BSächsKG.  1)  behandelt  worden, 

doch  hat  F.  seither  die  Daten  erganzen  inid  schärfer  bestimmen  können.    Roth  studierte, 

mit  einem  städtischen  Stipendium  ausgerüstet,  von  1512  ab  in  Leipzig,  zumeist  bei  Petrus 

Mosellanus,    also    neben    Camerarius,    Trotzendorf,    Cruciger;    letzterem,    der    auch    sein 

Schüler  war,    hat  Roth  seine  Magisterschrift  gewidmet.     Er  gründete  später  als  Rektor 

[in  Zwicka\i  mit  M.  Petius  Drechsel  (f  19.  Nov.  1518)  die  „Fraternitas  scholarium",  eine 

^der    Kalandsbrüderschaft    ähnliche  Vereinigung    von    Männeni    inid    Frauen    zur  Unter- 

f  Stützung  der  Schiden,  führte  mit  seinen  Schülern  lateinische  Komödien  auf,  so  zu  Fast- 


erl.    Anm.    vom.    v.    H.    Wendt    (=   ÜB.   N.  2753/4.)    Leipzig,    UocUm.    203   S.    M.  0,40.    —  38)  Tli.  Wiget,  PesUloxxi  u. 

Hertart.    Leii'ziger  Diss.     (Ancli:   Jb.  Wiss.-I'aod.  23,  S.  li»0-30.'.  1.  Tl.)  —38a)  E.  Langonberg,   A.  Diestoriregs  Ausgaw. 

Schriften.    2  durclif,"«.  Aufl.    3.  u.  4.  l'.d.    rr.iiikfurt  a.,'M.,  Uiestorweg.    IV,  39«  S.   M.  3,00.   IV.  396  S.   M.  3,00.  -  39)E.  Zinfg. 

,¥.  A.  Dirtstcrweg.     Vortr.,  geh.  in  d.  KanlonnHconfercnz    d.  LelircrschaJt    d.  Kantons    Hasol-Landsi  liafL    Lieiital,    Lndin.    76  8 

1,40.    —    40)   Kebliulin    u.  Wilke.    Godenklilutt   z.    lüO.  Geburtstage    A.  Diesterwegs.     S.-A.  aus    d.  DiestArweg-IIeR«  d. 

LNeuen  Bahnen".    Gotha.  Bebtend.    18!tO.   (l'.ildiograiihio  S.  28-40.)  —  41)  0.  Baunigarton.  Volksschule  u.  Kirche.    Beitr.  t. 

kDiesterwpg-Fcior.    Lci|izig,  Gruuow.    Oj  S.     M.  1,20.    —   42)   K.  Dittcs.    Godächtoisrcdo  z.  lOOj.  (iehurtstage  A.  Dieatorwags 

|«uf  d.  8.  Dtsth  Lchrertage:  DLehrerZg.  1890  N.  148— .5:!.  —  43)  Dörpfeld,  Diestorwegfei.r  in  Bannen :  EvSihuIBI.  3Ö,S.  16-20.— 

i)  Eisele,  Dr.  A.  Diostorweg:  Neue  Blatter    SUddtscb.  Erziehung     n.  Untericht  20,    S.  48—70.  —  45»  G.  Fritz«,  Streb*  x. 

^Ganzen!     Fesispiel.     Frnnklurt     a./O.    —     46)    J.  Halben,   Diesterweg,    unser     Vorbild.      Festrede.     Hamburg,    Niemeyor.  — 

47)  B.  Hamm.  Z.  Gedilclitnis  Diesterwegs:  D    dtsch. Lohrcrkonferenzen  d.  J.  1890  her.  v.  Seidel,  S.  1— li  —48)  G.  Hauffo, 

[Wclcho  Borllhrunjjsiiunkto  bieten  llerbart-Zillor  u.  Ad.  Diesterweg?     Borna.  Jahnko.     2.0  S.     M.  2.:>0.    —    49)    id.,    Diesterweg 

d.  Lehrerbildung.    Breslau.  Freund.     172  S.    M.  2.60.  —  SO)    A.    Ch.    .lassen,    Diesterwegs    Rheiui^icho    BUtter.      Mit.    e. 

Sinl.    Frankfurt    a.     M.,      Diesterweg.      2.    Aufl.     293    S.    —    51)    Krimmel,     Hat     Dittes     techt,     wenn     er     Diesterweg 

tiefreligiöso   Natur   nennt?:   MSKathLchreriuncn   4,   S.  0-14.  —  52)  J.   Lucas,  Ad.  Diesterweg.     Progr.    3&  S.    —   S3)  M. 

|W.   Meyor-Scliwalbe,    Diesterwegs    popul.    Himmolskunde   n.    matbem.    Geogr.     11.   Aufl.    Berlin,   E.   GoIdschmiJt.    426   S. 

0,00.    —    54)   M     Poblandt,    Dio-sterwogs    Verdienste    um     d.    Lehrerbildung.     E.   Jub.-Gabe.   an   d.    dlüch.    Lehrerschaft 

f;«.  29.  Okt     1890.     Leipzig,    Ocsterwitz  Nacbf.     1890.    99  S.     M.  I,fi0.    —    55i    A.  Bebhuhn,    Diesterweg   als    Erzieher  seiner 

[Kinder:    lädZg.    1890    N.    20.    —    56)   V.    Kiscb,    D.    Pädagogen   Traum.    Festspiel.    Berlin,   Mu.xik   von   P.  Ziegler.    57)  F. 

VSander,    A.    Diesterweg   (Diesterweg-Foior):    MKIi.    IS,    S.    203.    —    58)    F.  SehSfer,    Im     Ahnenhaase    d.    Lehrer.      Fesl- 

fdichtung,    gesp.    bei  d.    Diesterwegfeier    in   Wolfenbüttcl.     Braunschweig,    Appelhans    n.   Pfenningstorff.     20    8.  M.  0,20.    — 

159)  Scheer,  Festrede  z.  Diesterweg-Feior  in  Nordhausen,    60)  G.  Schwarz.  Schulideal.  Beitr.  x.  Feier  d.  lOOj.  Gebartstagas 

A.  Diesterwegs.     Selbstvorlag    Binau   a.  N.    in    Baden.      M.    0,10.    —    61)  I'.  Staude,  D.  entwickelnde  InterrichUiverfiihren  nach 

Diesterweg:  DLehrerZg.   1890   N.  84,0.  —  62)  A.    Voigt,    A.    Diesterweg    u     die   ev.    Volksschule:    PSdBll.   20,    S.  11—34.    — 

63)    H.    VVigge,   E.  Blatt   z.    Kuhmeskranze    Diest«rwegs.    Gednchtnisredo.    Gotha,   Kehrend.    If.  S.   M.  0,30.  —  64)  B.  Kiss- 

mann,  D.  Litt  d.  Diesterweg-Feier:  SchlesSchulZg.  20,  S.  73  7.    —   65)   E.   Fabian,  .Stephan  Roth:   MAVZwjckan  3,  .><.  16  7. 


I  6:  66-78.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  uo 

nacht  1518  den  „Eunuchus"  des  Terenz,  und  bewirkte,  dass  1519  eine  griechische 
Schule  mit  M.  Georg  Agricola,  seinem  damaligen  Hypodidascalus,  als  Rektor  vom  Rat 
eingerichtet  wiirde;  sie  verschmolz  hinterher  mit  Roths  Lateinschule.  Dieser  selbst 
folgte  1521  nach  Ablauf  seines  Kontrakts  einem  Rufe  des  mächtig  aufblühenden 
Joachimsthal  und  hat  auch  hier  im  Verein  mit  seinem  Kantor,  dem  Liederdichter 
Nik.  Hermann,  und  mit  M.  Joh.  Sylvius  Egranus,  dem  Stadtpfarrer,  viel  Gutes  geschaffen. 
Von  dort  ging  er  1523  nach  Wittenberg,  hörte  Luther,  Bugenhagen,  Amsdorf,  ver- 
heiratete sich  1524,  übersetzte  des  Erasmus  „Gesprech  zwayer  Ehelicher  weyber",  hielt 
Vorlesungen,  fand  als  Prediger  in  der  Stadtkirche  Verwendung  und  gab  eine  Sammlung 
der  Predigten  Luthers,  1527  die  Sommer-  und  Eeldpostille,  1528  die  Winterpostille,  zum 
Druck.  Im  Anfange  dieses  Jahres  kehrte  Roth  nach  Zwickau  zurück  und  wurde  dort 
zweiter,  1530  erster  Stadtschreiber,  1543  Ratsmitglied  und  städtischer  Schulinspektor. 
Seine  Bibliothek  von  GOOO  Bänden  und  über  1000  Briefen  bildet  einen  wertvollen  Teil 
der  berühmten  Zwickauer  Ratsbibliothek.  —  Erasmus  Sarcerius,  Schürer,  (1501 — 1559) 
aus  Annaberg,  mit  dem  Holstein  ^6)  sich  beschäftigt,  wurde  1536  zum  Rektor  nach 
Siegen,  1538  zum  Superattendenten  der  Grafschaft  Nassau-Dillenburg  berufen.  Als 
Gegner  des  Literim  1548  vertrieben,  erhielt  er  1550  das  Pastorat  an  S.  Thomas  in  Leipzig 
und  begleitete  1552  im  Auftrage  des  Kurfürsten  Moriz  mit  Valentin  Härtung  Melanchthon 
auf  das  Ti-identiner  Konzil;  doch  wendeten  sich  die  Gesandten  zu  Nürnberg  bereits 
wieder  heimwärts.  Dann  war  er  seit  1554  Generalsuperintendent  in  Mansfeld  und  seit 
1559  Pfarrer  und  Senior  des  geistlichen  Ministeriums  in  Magdeburg.  —  Es  folgen 
zwei  Männer,  denen  E.  Jacobs  ^'^-ß^)  mit  lokalpatriotischer  Sorgfalt  und  Liebe  gerecht 
wird:  E.  F.  Schütze  (1688 — 1758)  aus  Hain  in  der  Grafschaft  Stolberg,  1713  Konrektor, 
1715  Rektor  an  der  Oberschule  zu  Wernigerode,  die  sich  unter  ihm  bedeutend  hob,  1738 
Rektor  des  neuen  Gymnasiums  in  Altona,  das  er  jedoch  1747  mit  einer  Abschiedsrede 
„De  martyrio  scholastico"  verliess,  um  Dompastor  an  der  Hauptkirche  zu  werden;  und 
sein  jüngerer  Bruder  H.  K.  Schütze  (1700 — 1781),  1729  Konrektor  und  1738  Rektor  an 
der  Oberschule  zu  Wernigerode,  die  sich  unter  ihm  noch  mehr  entfaltete.  Die  Gegen- 
stände seiner  Schriften  charakterisieren  ihn:  „De  prima  mentis  operatione  in  scholis  in- 
ferioribus  potissimum  emendanda"  (1742),  „De  fide  historica"  (1744),  „De  remediis 
suspensivis  in  causa  contra  praecoces  academicos"  (1751),  „De  pedantismo"  (1765).  — 
Hoche69)  bietet  Notizen  über  B.  E.  Schmieder  (1736—1813)  aus  Leipzig,  1765  Tertius, 
1771  Konrektor  am  Gymnasium  in  Eisleben,  1780 — 1808  Direktor  am  städtischen  Gym- 
nasiiim  in  Halle.  —  Einen  seiner  früheren  Halberstädter  Lehrer  bewahrt  Pröhle'^o^  vor 
der  Vergessenheit.  E.  G.  Schöne  (1806 — 1857)  aus  Gadegast  bei  Wittenberg  ward  1829 
in  Wittenberg,  darauf  in  Stendal  und  1838  in  Halberstadt  Gymnasiallehrer,  1839  in 
Herfort,  1857  in  Stendal  Gymnasialdirektor.  — 

Nach  Thüringen  fülu't  uns  zunächst  ein  Artikel  von  Hoche'^i)  über  Wolf- 
gang Seber  (1573—1634),  der,  in  Suhl  geboren,  1599  Konrektor,  1601  Rektor  in  Schleu- 
singen war;  unter  ihm  wurde  das  Gymnasium  von  400  Schülern  besucht  und  er  be- 
gründete die  dortige  Bibliothek.  1610  war  er  dann  Dekan  in  Wasungen,  kehrte  jedoch 
schon  1612  als  Superintendent  und  Ephorus  Gymnasii  nach  Schleusingen  zurück.  — 
Auch  über  J.K.Schwarz  (1677 — 1747)  geboren  zu  Koburg  und  am  dortigen  Casimirianum 
1706  ausserordentUcher  Professor  des  Lateinischen,  1713  des  Griechischen  und  der  Bered- 
samkeit, 1732  der  Theologie,  Philologie  und  morgenländischen  Sprachen,  sowie  Direktor 
bis  an  seinen  Tod,  hat  Ho  che ''2)  gehandelt.  —  Hierher  stellen  wir  ferner  den  Artikel 
von  A.  Schumann  "^3)  über  Ferdinand  Schulze  (1774 — 1850)  aus  Leipzig,  der  1798  Lehrer 
am  hallischen  Pädagogium  unter  Niemeyer,  1800  am  Coenobium  in  Gotha,  1840  dessen 
erster  Professor  wurde ,  ein  ungemein  fruchtbarer  Schriftsteller.  —  Georg  Schöler 
(1793 — 1865),  von  dem  wir  durch  Hoche'''*)  hören,  geboren  zu  Döschnitz  in  Schwarz- 
burg-Rudolstadt,  war  1818  Professor  zu  Danzig  unter  Meinecke,  wo  er  viel  mit  dem 
Oberpräsidenten  v.  Schön  verkehrte,  1833  Direktor  in  Lissa,  1843 — 64  in  Erfurt.  — 
G.  K.  W.  Schneider  (1796—1836),  geboren  zu  Weimar,  1820  dort  Hülfslehrer,  dann 
Professor,  Herausgeber  einer  zehnbändigen  Sophokles-  und  einer  vierbändigen  Aeschylus- 
Ausgabe,  ist  ebenfalls  von  Ho  che  '^5)  mit  einem  Artikel  bedacht  worden.  —  Schmeisser  '•6) 
giebt  ein  Bild  von  dem  um  das  Thüringer  Schulwesen  wohlverdienten  Rektor  K.  F. 
Schmidt  in  Auma.  —  Moritz  Seebeck  '''')  (1805 — 1884)  war  in  Jena  geboren  und  ein  Sohn 
des  Physikers    und    nachherigen  Akademikers    in  Berlin,    des  Entdeckers    der  Thermo- 


(Vortr.  Kff.).  —  66)  H.  Holstein,  E.  Sarcerius:  ADB.  33,  S.  727/9.  —  67)  E.Jacobs,  Eust.  Friedr.  Schutze:  ib.  S.  138/9.  — 
68)  id.,  Hoinr.  Karl  Schütze:  ib.  S.  143/5.  —  69)  B.  Hoche,  Benj.  Friedr.  Schmieder:  ib.  32,  S.28/9.  —  70)  H.  Proehlo, 
Friedr.  Gottlieb  Schöne:  ib.  S.  285.  —  71)  R.  Hoche,  Wolfg.  Seber:  ib.  33,  S.  506/7.  —  72)  id.,  .loh.  Konr.  Schwarz: 
ib.  8.  239.  -  73)  A.  Schumann,  Chr.  Ferd.  Schulze:  ib.  32,  S.  765/8.  —  74)  R.  Hoche,  Georg  Scheeler:  ih 
S.  215/6.  —  75)  id.,  Gottl.  Karl  Wilh.  Schneider:  ib.  S.  120/1.  —  76)  R.  Schmeissor,  K.  F.  Schmidt,  Rektor 
zu  Auma.  E.  Uild  »eines  Lebens  u.  Wirkens.  (=  S.-A.  aus  d.  LohrerZgThOring.)  Jonn,  Schenk.  15  S.  M.  O.W.  — 
77)    E.,    Karl    Jul.   Mor.    Seebeck:    ADIJ.    3:J,    S.    500/4,    —    78)    A.    Schumiinn,    Gco.    Hoinr.    Schwerdt:     ib.    S.    417-2ti. 


lll  K,  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtawesens.  I  6:  l9-«t. 

clektriziliit.  Er  kam  182(5  als  Lehrer  an  das  Berhnische  Graue  Kloster,  1828  alg 
Alumnoninspektor  und  lb32  als  ordentlicher  Lehrer  an  das  Joachimsthal,  1KJ5  als 
Direktor  nacli  Meiningen,  leitete  darauf  die  Erziehung  des  Erbprinzen,  jetzigen  Fürsten 
Georg,  ward  1845  Vicediroktor  des  Konsistoriums  in  Hildburghausen  und  1857  Kurator 
der  Universität  Jena.  —  Den  Verfasser  vieler  volkstündiciien  Bücher  G.  H.  Schwerdt 
(1810 — 1888)  schildert  A.  Schumann ''**).  Er  ist  zu  Neuenkirchen  im  Gothaischen  ge- 
boren, wo  seine  Familie  20()  Jahre  lang  das  Pfarramt  innegehabt.  Seit  1842  Nachfolger 
des  Vaters,  hat  er  dort  eine  Volksbibliolhek  und  eine  Fortbildungs-  und  Handwerker- 
scliule  gosoliailbii.  Docli  liess  er  sich,  den  körperlichen  Anforderungen  der  grossen 
Parochie  nicht  gewachsen,  18(51  nach  Grüfentonna  versetzen  und  übernahm  1872  die 
Sup«n'intendnntur  in  Waltershausen.  Hierhin  übersiedelte  auch  die  in  Grüfentonna  von 
ilim  gegründete  Bildungs-  und  Erziehungsanstalt  für  junge  Mädchen.  —  Endlich  bringt 
Ho  che  ^ö)  (le„  Lebensabriss  von  0.  H.  E.  Schneider  (1815 — 1880)  aus  Stralsund,  der 
1842— lh(jJ.)  Lehrer  und  Professor  nm  Ernestinum  in  Gotha  war  und  mit  seinen  Unter- 
suchungen über  Kallimachos  eine  tüchtige  Leistung  schuf.  — 

Eine  grössere  Arbeit  gilt  einem  hessischen  Schulmanne.  Indem  K.  Rein- 
hardt*^") das  Schreiben  über  den  Zustand  dos  Gymnasiums  zu  Frankfurt  a.  M.  neu 
herausgiebt,  das  der  Rektor  Hirtzwig  au  seinen  Freund  und  Lehrer  Montzer,  den  Fönlerer 
des  Ratichius,  sandte,  hat  er  nicht  nur  für  die  Schulgeschichte  Frankfurt«,  sondern  für 
die  Geschichte  des  Schulorganismus  t\berhaupt  Bausteine  beigetragen.  Es  ist  aber 
leider  charakteristisch,  dass  R.s  Abdrucke  nicht  die  von  Hirtzwig  selbst  besorgte  Aus- 
gabe, sondern  ein  Abdruck  aus  dem  Jahre  lf554  zu  Grunde  liegt,  da  Hirtzwig  bereits 
neunzehn  Jahre  tot  war,  nachdem  er  schon  siebenundzwanzig  Jahre  zuvor  sein  Frank- 
furter Rektorat  abgegeben  hatte.  Dem  lateinischen  Texte  ist  eine  gute  deutsche  Uober- 
setzung  beigefügt,  iiber  deren  Lihalt  (Zweck  der  Schule,  methodische  Anweisungen, 
Zeugnisse,  Strafen,  Aufpasser,  Dekurionen  usw.)  durch  Inhaltsangaben  am  Rande  ein 
schneller  Ueberblick  gewährt  wird.  Bei  seineu  Erläuterungen  wird  übrigens  R.  durch 
den  Plan  der  Monumenta  Germaniae  Paedagogica,  dui-cl\  diese  selbst  und  durch  die 
„Mitteihxngen  der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte"  wesent- 
liche Erleichterung  gefunden  haben.  —  Dechent^i)  hat  sich  um  J.  J.  Schudt  (1664  bis 
1722)  bemüht.  In  Frankfurt  a.  M.  geboren  und  am  dortigen  Gymnasium  seit  1691 
praeceptor  primarius,  1(595  Konrektor,  1717  Rektor,  hat  er  neben  seinen  orientalischen 
Studien  aucli  „Monita  paternä"  (1719  lateinisch,  1720  deutsch)  abgefasst.  —  Durch  H.  A. 
Li  er  82)  hören  wir  von  A.  L.  Ph.  Schröder  (1764 — 1835),  einen  Göttinger  von  Geburt. 
Er  versah  seit  1787  die  zweite  reformierte  Predigerstelle  zu  Neuwied,  wurde  später 
Dekan  und  Kirchenrat  in  Hachenburg  und  hat  sich  als  Jugendschriftsteller  bekannt 
gemacht.  —  Von  Gümbel^^)  gjebt  Nachrichten  über  K.  Ch.  Schmieder  (1778 — 1850) 
aus  Eisleben,  1812  Direktor  und  Schulinspektor  zu  Kassel.  —  Zwenger  **-'*^)  hat  das 
Andenken  an  einen  verdienten  Schulmann,  Nikolaus  Bacii,  den  Direktor  des  Gymnasiums 
zu  Fulda,  durch  eine  Biograpliie  und  durch  den  Abdruck  der  formvollendeten  Rede 
wieder  belebt,  die  Franz  Dingelstedt  dem  Andenken  Bachs  einige  Tage  nach  dessen 
Tode  gewidmet  hatte,  und  damit  zugleich  einen  Beitrag  zur  Charakteristik  Dingelstedt« 
dargeboten.  —  J.  D.  G.  Seebode  (1792 — 1868),  ist,  wie  Hoche"^*^)  berichtet,  in  Salz- 
wedel geboren,  wurde  1813  Rektor,  1823  Direktor  des  Andreanum  in  Hildesheim,  1834 
Direktor  in  Koburg,  1837  in  Gotha,  1841 — 49  Geh.  Regierungsrat  in  Wiesbaden  und 
Schulrefereiit  für  Nassau,  von  1851 — 1867  Bibliothekar  der  Oeftentlichen  Bibliothek  in 
Wiesbaden.  Berichtigend  sei  bemerkt,  dass  Seebode  1824/5  das  „Archiv  für  Philologie 
und  Pädagogik"  in  Helmstedt  bei  Fleckeisen,  1826 — 30  das  „Neue  Arcliiv  für  Philologie 
und  Pädagogik"  in  Hannover  bei  Hahn  herausgab,  J.  Ch.  Jahn  aber  seit  1826  die 
„Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik"  in  Leipzig  bei  Teubner.  Beide  wurden 
vereinigt,  und  es  erschienen  an  ihrer  Stelle  seit  1831  bei  Teubner  die  noch  bestehenden 
„Neuen  Jahrbücher  für  Philologie  imd  Pädagogik"  von  Seebode  (bis  1842),  Jalm  (bi.s 
1847)  und  Klotz  (bis  1856).  —  Den  fruchtbaren,  wiewohl  meist  zu  breiten  Schulschriftsteller, 
Biographen  und  Lokalhistoriker  Karl  Schwartz  (1809—1885)  behandelt  F.  Otto««). 
Schwartz  war  ein  Düsseldorfer,  von  1832 — 1837  zu  Warburg  und  Rietberg  Lehrer, 
darauf  zu  Fulda,  wurde  dort  1846  Stellvertreter,  1850  Nachfolger  des  Direktor  Dronke, 
1858  Direktor  in  Hadamar,  1862  in  Wiesbaden.  Von  seinen  zaldreichen  Schriften  seien 
hier  nur  das  „Handbuch  für  den  biographischen  Geschichtsunterricht"  (1842),  die  Bio- 
gi'aphien  von  Clausewitz  (1878),  Friedrich  V.  von  Hessen,  Meusebach  und  eine  Geschichte 
derer  von  Günderode  genannt.  — 

—  79)  R.  Hocho,  Otto  Herrn.  Sclineidfr:  ib.  32,  S.  142/3.  —  80)  K.  Reinhardt.  M.  Henrici  Hirlrwigii  reetoris  de  Gjmm. 
Aloeiio-Francofurtani  ratioiie  et  statu  ad  Kalthas.  Slontzerum  ejiistob.  Mit  Einl.  ii.  t^IxTsotig.  Profrr.  Frankfurt  a.  M..  Ena  ä 
Uudolpli.  40.  45  S.  i[DIiZ.  12,  S.  1742;  TI.I.Z.  S.  404  ö.);  -  81)  Declient,  Joh.  Jak.  Schudt:  AÜB.  32,  S.  6.51  S.  -  82)  H. 
A.  Lier.Ätn.  Lud.  Philipp  Sdiriider:  ib.  S.  502/3.  —  83)  v.  «Ilmbcl,  Karl  Christoph  . "Schneider:  ib.  S.  .10.  —  84)  F.  Z  wenger , 
Nik.  l!ach.  E.  Erinuerungsblatt:  Ilesseoland  5,  N.  1,  2,  —  85)  Franz  Dingelstedt,  Wort«  d.  Erinnetung  an  N.  Bach.  B«d« 
gehaltan  am  4.  Febr.  1841:  ib.  S.  39-42,  51/6.  -    86)  R.  Hnoh<>,   Jo.ieh.  D.  Seebode:   ADB.  33,  S.  668/9.    —   87)  F.  Otto, 


I  6:  88-ioia.  K,  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  ii2 

Wenig  liegt  aus  den  Rheingegenden,  aus  Württemberg  und  aus  Bayern  vor. 
Wieder  beginnt  Ho  che  ^8)  und  zwar  mit  Zusammenstellungen  über  Ludwig  8chopen 
(1799 — 1867)  aus  Düsseldorf:  seit  1820  war  er  Lehrer  am  Gymnasium  in  Bonn  und 
Mitarbeiter  am  „Corpus  Scriptorum  Byzantinorum",  1840  wurde  er  ausserordentlicher, 
1844  ordentlicher  Professor  an  der  Universität  und  1847  zugleich  Direktor  des  Gymna- 
siums. —  Holstein  89)  berichtet  über  Hieremias  Schütz  (geb.  1538),  einen  Strassburger 
Schulmeister,  welcher  1572  ein  bei  Goedeke  nicht  verzeichnetes  Drama  „Vom  Bei  zu 
Babel"  drucken  liess.  —  Wiederum  Hoches^Oj  Namen  finden  wir  unter  einem  Artikel 
über  Ch.  Th.  Schuch  (1803 — 1857)  aus  Reihen  bei  Sinsheim;  1832  ist  er  Lehrer  am 
Pädagogium  in  Tauberbischofsheim,  1838  am  Gymnasium  in  Bruchsal,  1848  Professor 
in  Donaueschingen.  —  Durch  den  lOOj.  Todestag  des  Dichters  Schubart  veranlasst,  hat 
Holder  91)  eine  Abhandlung  über  Schubarts  pädagogische  Thätigkeit  und  Bedeutung 
geschrieben,  die  eine  wertvolle  Bereicherung  erfahren  würde,  wenn  die  noch  nicht  ge- 
druckten, von  Nägele  aber  angeführten  Schulbriefe  und  Schullieder  Schubarts  heraus- 
gegeben würden.  —  Von  Ho  che  ^2)  rührt  ein  Artikel  über  Nikolaus  Schwebel  (1713  bis 
1773)  aus  Nürnberg  her,  der  1743  Direktor  des  dortigen  Aegidianum  wurde  und  von 
174G  bis  an  seinen  Tod  das  Carolinum  in  Ansbach  leitete.  —  Von  Heinrich  Braun  end- 
lich, einem  der  gefeiertsten  unter  den  Schulmännern  Bayerns,  hat  Gückel^S)  ein  leben- 
diges Bild  nach  sorgfältiger  Durchforschung  aller  Materialien  entworfen.  Seine  Reform- 
thätigkeit  kam  allen  Schulgattungen  von  der  Elementarschule  bis  zur  Universität  zu 
Gute.  Aber  neben  dieser  Thätigkeit  hebt  G.  mit  Recht  noch  Brauns  Verdienste  um  die 
deutsche  Sprache  und  Litteratur  hervor.  Die  hierauf  bezüglichen  Werke  Brauns,  die 
Bayern  aus  seinem  geistigen  Schlafe  weckten  und  die  Herzen  des  Bayernvolkes  für 
Unterricht  und  Bildung  wieder  empfänglich  machten,  erregten  die  Aufmerksamkeit 
Herders,  der  auch  in  persönlichem  Verkehr  mit  Braun  gestanden  hat.  Dankbar  muss 
es  anerkannt  werden,  dass  G.s  Schrift  die  Vorwürfe  entkräftet,  die  gegen  Braun  schon 
zu  seinen  Lebzeiten  erhoben  worden  sind.  Li  einem  Anhange  wird  der  interessante 
Nachweis  geliefert,  dass  weder  Buchner,  wie  vielfach  angenommen  war,  noch  Braun, 
wie  Prantl  neuerdings  behauptet  hatte,  die  VfP.  der  „Pragmatischen  Geschichte  der 
Schulreformation  in  Bayern"  (München  1785)  sein  können.  — 

Grösser  ist  die  Zahl  der  neii  beachteten  schlesischen  Schulmänner.  Bolte^-*) 
giebt,  zum  Teil  aus  archivalischen  Quellen,  Mitteilungen  über  den  selbst  bei  Goedeke 
vergessenen  Georg  Seidel  (1550 — 1626).  Alis  Ohlau  gebürtig  imd  am  Breslauer  Elisa- 
bethaniim  seit  1574  Lehrer,  1596  Professor,  1610  Prorektor,  war  er  bemüht,  das  lateinische 
Schiildrama  dort  einzubürgern,  und  brachte  1613  eine,  von  seinem  Kollegen  Frank  zu- 
gleich metrisch  verdeutsclite  „Nova  tragicocomoedia  Tychermaea  seu  Stamatus"  zum 
Druck  und  zur  Aufführung.  —  P.  G.  Schmieder  (1770 — 1838),  der  Sohn  des  oben  (N.  69) 
behandelten  Hallenser  Direktors,  war,  wie  Hoche^s)  bemerkt,  von  1804  bis  an  sein 
Ende  Direktor  in  Brieg.  —  Das  Andenken  eines  tüchtigen  und  erfolgreichen  Schul- 
manns erneiiert  Markgraf^ß).  K.  G.  Schönborn  (1803 — 1869),  in  Meseritz  geboren, 
ward  1826  Professor  in  Guben,  1830  Direktor  in  Schweidnitz,  1834  Direktor  von 
Marien  Magdalenen  in  Breslau.  Diese  beiden  zuchtlosen  und  verwirrten  Gymnasien 
hat  er  energisch  und  klug  in  kurzer  Zeit  wieder  ins  Gleis  gebracht.  Marien  Magdalenen 
ist  unter  ihm  damals  das  grösste  Gj^mnasium  Preussens  gewesen:  es  hatte  33  Lehrer 
und  1056  Schüler.  —  F.  W.  Schütze  (1807—1888),  über  den  GeorgMüller  P7)handelt,  aus 
Döcklitz  bei  Querfurt  gebürtig,  war  anfangs  Elementarlehrer,  studierte  seit  1842  Theo- 
logie zu  Leipzig  und  wurde  bereits  1844  Direktor  des  Seminars  in  Waldenbiirg,  das 
unter  seiner  40j.  Leitung  sich  zur  Musteranstalt  erhob.  —  Kötschau^s)  schliesslich 
bietet  den  Lebenslauf  des  Breslauers  M.  W.  C.  Schmidt  (1823—85),  der,  1849  Lehrer 
in  Öls,  1857  ausserordentlicher,  1869  ordentlicher  Professor,  1874  Professor  der  Eloquenz 
in  Jena,  sich  namentlich  in  der  griechischen  Dialektforschung,  aber  auch  als  Übersetzer 
von  Pindar  und  Sophocles'  „Oedipus"  hervorgethan  hat.  — 

Posen,  Preussen,  Pommern  und  Mecklenburg  haben  nur  wenige  Ver- 
treter aufzuweisen.  Das  Leben  und  Wirken  des  Gymnasialdirektors  Johannes  Richter 
in  Nakel  schildert  Heidricliö»).  —  Aiich  in  dieser  Gegend  fehlt  Hoche'oo)  nicht: 
hier  schreibt  er  über  Valentin  Schreck  (1527 — 1602),  geboren  in  Altenberg  bei  Meissen, 
1567  Professor  der  Poesie  zu  Königsberg,  1569  bis  an  seinen  Tod  Rektor  des  Marien- 
gymnasiums in  Danzig.      Sein    „Liber    Gnomarum    biblicarum"    war    viel  verbreitet.   — 


Karl  Scliwartz  :  ib.  S.  212/4.  —  88)  R.  Ho  che,  Ludw.  Scliopen:  ib.  32,  S.  331/2.  -  89)  H.  Holsteir.,  Hieremias  Scbütz  :  ib.  3.1, 
S.  126.  —  90)  R.  Hocho,  Christian  Theoph.  Schuch:  ib.  .12,  S.  040/1.  -  91)  A.  Holder,  D  Dichter  Obr.  Schubart  als 
]>ehrer:  MQESchG.  1,  S.  131/8.  —  92)  R.  Hoche,  Nik.  Schwebel:  AD1$.  .33,  S.  317/8.  —  93)  M,  GUckel,  Heinr.  üraun  w. 
d.  bayer.  Schulen  v.  1770—81.  Erlangen,  Diss.  109  S.  M.  1,20.  -  94)  J.  Bolte,  Georg  Seidel:  ADB.  33,  S.  618.  —  95)  R. 
Koche,  Friedr.  Gotthelf  Benj.  Schmiedor:  ib.  32,  S.  29.  —  96)  Markgraf,  Karl  Gottlob  Schönborn :  ib.  S.  281/2.  - 
97)  Georg  Müller,  Friodr.  Wilh.  Schlitze:  ib.  83,  S.  140/2.  —  98)  P.  Koetschau,  Mor.  Wilh.  Oonst.  Schmidt:  ib.  32, 
S.  8— 10.  —  fi9)Heidrich,  Dr.  Job.  Richter,  Direktor  d.  Kgl.  Gymn.  zu  Nakel.  Progr.  Nakel,  Giroud.  4«.  8  S.  ~ 
100)  R.  Hoche,  Val.  Schreck:    AD«.  32,    S.  406.    —    101)  v.  HUlow,  ,loh.  Jac.  Soll:    ib.  33,  S.  ()Sl/2.    —   lOla)  A.  Kolbe, 


113  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  I  6:  los-ios. 

Von  Bülow'o«)  erzählt  von  J.  J.  Seil  (17(54—181(5),  aus  8tottin,  der  1783  Professor 
dor  BeredHiunkcit  und  (toschif,ht(5,  171H)  am  dortigen  Kgl.  GymnaHium  Rektor  wurde.  — 
A.  Kolbo  ""»j  Imt  mit  der  Hiographio  R.  H.  Hiocke«  viel  versprechend  eine  neue  Samm- 
lung erötthet.  Indem  er  das  Andenken  verdienter  Schulmänner  der  Neuzeit  beloben  und 
die  Kenntnis  ihrer  Grundsätze  und  ihrer  Wirksamkeit  weiteren  Kreisen  mitteilen  will, 
hofft  er  und  gewiss  mit  Rocht,  in  dem  Gewirr  der  pädadogischen  Fragen  unserer  Zeit 
klärend  zu  wirken.  —  Ani'  einen  bemerkenswerten  Organisator  dos  Erziehungs-  und 
Schulwesens  in  Mecklenburg  lenkt  K.  Schröder '02)  unsern  Blick.  F.  W.  F.  Schröder 
(1HI2 — 1HH4)  ans  Wismar,  vard  1833  Lehrer  zu  Parchim,  1843  Pastor  in  Schwerin, 
1841  Sohulrat,  s])ä1er  Obcrsrhulrat  und  hat  in  dieser  Stelhnig  namentlich  einer  festen 
Ordnung  der  Verhiiltnisse  zwischen  Kirche  und  Schule,  einer  Verbesserung  des  Schul- 
wesens im  ritterschaltlichen  Landestoil  und  einer  endlichen  Regelung  der  Soramorschule 
die  Bahn  erschlossen.  — 

Auch  Berlin  kommt  in  Betracht.  Mit  geschickter  Hand  hat  P.  Jonas  »•*) 
ein  klares  Bild  von  dem  einst  zugleich  verketzerten  uiid  gefeierten  Schidrat  (Jtto  Schulz 
(17H2 — 1849)  entworfen.  Geboren  zu  Warow  in  Hinterpommern  kam  Schulz  1812  als 
Kollaborator  an  das  vereinigte  Berlin-Kölnische  Gymnasium  und  wurde  182f5  Schidrat 
für  die  l'rovinz  Brandenburg.  An  Scluübüchem  stammen  von  ihm  die  „Handfibel",  das 
„Berlinische  Lesebuch",  das  ,,Tirocinium"  und  ein  „Biblisches  Lesebuch";  an  Schulzeit- 
schriften hat  er  den  „Schulfreund"  sowie  das  „Schulblatt  für  die  Provinz  Branden- 
burg" begründet.  Viel  Staub  hat  sein  langer  Kampf  gegen  Diesterweg  aufgewirbelt, 
welcher  1847  seines  Amtes  enthoben  wurde.  „Schulz  betrieb  eine  möglichst  enge  V^er- 
bindvuig  der  Schule  mit  der  Kirche,  Diesterweg  suchte  umgekehrt  die  Schule  aus  der 
unmittelbaren  Abhängigkeit  von  den  Geistlichen  zu  befreien.  Man  kann  ihn  für  den 
Vater  der  Regidative  halten  wie  Diesterweg  für  den  Vater  der  Allgemeinen  Bestim- 
mungen von  1872."  —  Der  von  Hochc'"*)  besprochene  F.  K.  L.  Schneider  (17815  bis 
1821),  geboren  in  Berlin,  war  seit  1800  Lehrer  am  Joachimsthalschen  Gymnasium;  er  ist 
Verfasser  der  erst  in  der  jüngsten  Zeit  überholten  „Ausführlichen  Lateinischen  Gram- 
matik". —  Niemand  wohl  hat  einen  grösseren  mid  besseren,  einen  längeren  und  nach- 
haltigeren Einfluss  auf  die  Schulen  eines  Landes  ausüben  dürfen  als  Johannes  Schulze 
(178() — 18(59).  Vollauf  hat  er  das  würdige  Denkmal  verdient,  welches  M.  Hertz '<^'')  ihm 
gesetzt  hat.  Geboren  zu  Brüel  in  Mecklenburg-Schwerin  ward  er  1808  Profes.sor  in 
Weimar,  1813  Direktor  des  von  ihm  eingerichteten  konfessionslosen  Gymnasiums  in 
Hanau,  181(5  Schulrat  in  Koblenz,  1818  Geh.  Oberregierungsrat  und  vortragender  Rat 
im  Kultusministerium,  1849  Direktor  der  Unteirichtsabteilung,  1852  Wirklicher  Geh. 
Oberregierungsrat  luid  Referent  über  die  Gymnasien  und  Universitäten.  Das  vierjährige 
Studimn  der  Mediciner  und  ihr  Tentamen,  das  Probejahr  der  Philologen,  das  Beilegen 
von  Abhandlungen  zu  den  Gymnasialprogrammen  hat  er  182(5,  das  Abiturientenreglement 
1834  eingeführt.  Gross  sind  seine  Verdienste,  besonders  um  die  Berliner  Universität. 
Von  seinem  (Jharakter  sagt  H.:  „Stets  war  er  von  wahrem  Wohlwollen  für  tüchtige 
und  strebsame  Menschen  erfüllt,  und  wo  er  es  mit  seiner  Pflicht  vereinen  konnte, 
vielen  ein  wohlwollender  Freund,  ein  gütiger  Gönner  gewesen;  in  ansprechendster  Weise 
trat  in  dieser  Zeit  ruhigen  Behagens  der  volle  Reiz  seiner  wahrhaft  hinreissenden,  von 
Geistesblitzen  belebten  Liebenswürdigkeit  dem  Begegnenden,  dem  Besuchenden,  gast- 
lich Empfangenen  entgegen."  — 

Der  um  das  Braun  Schweiger  Schulwesen  hochverdiente  Christoph  Sclirader 
(1(501—1(580)  erfährt  von  P.  Zimmermann  i"«)  die  verdiente  Würdigung.  Er  stammte 
aus  Rethmar,  wurde  l(i35  Professor  ekxpientiae  zu  Helmstedt  und  1(548  Generalschul- 
inspektor über  W^olfenbüttel,  1G55  auch  über  Dannenberg  und  Blankenburg.  Sicherlich 
hat  er  an  der  Abfassung  der  berühmten  Braunschweiger  Schulordnung  vom  24.  Febr. 
1(551  bedeutenden  Anteil.  —  Hinüber  nach  Westfalen  tVihrt  uns  .L  H.  Ph.  Seidenstücker 
(17(55—1817),  von  dem  ein  guter  Teil  deutscher  Gymnasiasten  vordem  ihr  Franzö.sisch 
gelernt  hat;  über  ihn  bringt  P.  Zimmermann  »o')  nähere  Mitteilungen.  Geboren  in 
Hainrode,  Kreis  W\)rbis,  lehrte  Seidenstücker  seit  1785  am  Pädagogium,  seit  1791  an 
der  Universität  in  Helmstedt,  verwaltete  seit  179(5  unter  schwierigen  Verhältnissen  das 
Rektorat  in  Lippstadt,  seit  1810  in  Soest.  Hier  hat  er  die  Gymnasialbibliothek  be- 
gründet vmd  an  Stelle  des  Klassen-  den  Fachunterricht  eingeführt.  Seine  Schulbücher 
wiu-den  rasch  beliebt;  das  „Elementarbuch  der  französischen  Sprache"  hat  von  1811  bis 
1830  sieben,  der  zweite  Teil  von  1814  bis  1828  vier  Auflagen  eriebt.  —  Weiter  begegnen 
wir  einem  Artikel  von  Reusch'»«)  dber  J.  H.  SchmüUing  (1774—1851),  geboren  zu 
Warendorf  in  Westfalen;  seit  1800  Lehrer  am  Gymnasium  in  Münster,  kam  er,  nachdem 

Rob.  Heinr.  Hiecke.  (=  Lebensbilder  v.  Scbulmlnnern  d.  Neuieit.  H.  1).  Brealmn,  Hirt  36  S.  —  MBj  K.  Sckrfder, 
Franz  Wilh.  Ferd.  Schröder:  ADB.  32.  S.  bOr>  t'>.  —  103)  F.  Jonas,  Job.  Otto  I.eop.  .Scbali:  ib  S.  749-  .M.  -  104)  R.  Hoclie, 
Friedr.  Konr.  Lpop.  Schneider:  ib.  S.  110.  -  105)  M.  Hert»,  Job.  SchuUe:  ib.  33.  .S.  5— 18.  -  108)  P.  Zimmermann  .  Christoph 
Schrader:  ib.  32,  S.  422/5.  —  107)  id.,  Job.  Heinr.  Phil.  Seidenstücker:  ib.  :ö,  S.  630/2,  —  100)  Renseh,  Job.  Heinr.  8. 
Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichl«  II  >i>.  ^ 


I  6:  109-118.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  114 

er  sechzehn  Jahre  in  Braunsberg  gewirkt  und  zwar  zuerst  seit  1811  als  Direktor  des 
Gymnasiums,  das  von  ihm  reorganisiert  ist,  dann  seit  1821  als  Professor  der  Philosophie 
am  Lyceum,  endlich  1827  als  Regens  des  Priesterseminars  nach  Münster  zurück,  wo  er  1837 
Professor  der  neutestamentlichen  Exegese  wurde  und  1828 — 41  auch  Schulrat  bei  der 
Münsterischen  Regierung  war.  — 

Endlich  kommen  wir  in  die  Hansestädte.  Über  Johannes  Molanus  (Joh. 
van  der  Molen,  geb.  1510  in  Plaudern,  f  1583  in  Bremen),  der  den  bedeutenderen 
Pädagogen  seiner  Zeit  zuzurechnen  ist,  findet  sich  in  den  Darstellungen  der  Geschichte 
der  Pädagogik  nichts  erwähnt.  Diese  Lücke  wird  durch  Bunte  loo)  ausgefüllt,  der  für 
seine  Darstellung  den  in  Bremen  verwahrten  umfangreichen  Briefwechsel  des  Molanus 
zu  Grunde  legen  konnte.  Von  seinem  Lebensgang  interessieren  besonders  sein  erster 
Aufenthalt  in  Bremen,  wo  er  Privatunterricht  erteilte,  zu  dem  ihm  die  Schüler  von  weit  her 
zugeschickt  wurden,  da  sein  Ruf  als  Lehrer  sich  schnell  verbreitete.  Nach  Duisburg 
siedelte  er  über,  als  die  Reform  des  dortigen  Schulwesens  angestrebt  wurde,  und  zwar 
auf  Anraten  seines  Schwiegervaters,  des  berühmten  Geographen  Mercator.  Später  treffen 
wir  ihn  von  neuem  in  Bremen,  wo  er  das  Rektorat  der  verfallenen,  durch  ihn  aber 
rasch  gehobenen  Schule  übernahm.  Von  den  von  ihm  entworfenen  Programmen  und 
Lektionsplänen  teilt  B,  einige  in  den  Jahren  1563 — 1583  entstandene  Stücke  mit.  Ein 
besonderer  Unterricht  in  deutscher  Sprache,  Geschichte  und  Geographie  ist  in  diesen 
Plänen  nicht  verzeichnet.  Die  deutsche  Sprache  kam  nur  bei  schriftlichen  und  münd- 
lichen Übersetzungen  in  Anwendung.  Trotzdem  hat  Molanus  diese  Lehrfächer  hoch 
geachtet;  er  klagte  nur  darüber,  dass  es  schwer  sei,  passende  Lehrer  hierfür  zu  ge- 
winnen. Zur  Förderung  des  geographischen  Studiums  liess  er  sich  öfters  von  Mercator 
kolorierte  und  unkolorierte  Landkarten  kommen.  „Extra  scholam  nulla  salus"  war  sein 
Wahlspruch.  —  Dann  ist  hier  wieder  ein  von  Ho  che  i^*^)  behandelter  Schulmann  zu 
nennen:  Johann  Schultze  (1647 — 1709),  geboren  in  Gardelegen  und  1674  dort  Rektor, 
1681  Konrektor  in  Lüneburg  und  1683 — 1708  Rektor  des  Hamburger  Johanneum,  das 
ihm  sein  Eortbestehen  verdankt.  — Wichard  Langes  Leben  und  Wirken  hat  Sander'") 
dargestellt.  —  Über  den  im  Januar  1891  verstorbenen  Hamburger  Schulmann  Anton 
Ree,  dessen  Thätigkeit  für  die  allgemeine  Volksschule  auch  Pernerstehenden  nicht  un- 
bekannt geblieben  ist,  hat  SchlieHS)  eine  Skizze  geliefert.  — 

Es  bleiben  endlich  noch  einige  Deutsche  ausserhalb  der  deutschen  Reichs- 
grenzen. So  der  von  Brummer  113)  besprochene  T.  G.  Schröer  (1791 — 1850)  aus  Press- 
burg, Professor  am  dortigen  evangelischen  Lyceum  und  1850  Schulrat,  der  unter  dem 
Schriftstellernamen  Oeser  die  beliebten  „Briefe  über  Aesthetik"  verfasst  hat.  —  Perner  der 
von  Teutschii^)  j^  warmen  Worten  geschilderte  J.  K.  Schuller  (1794 — 1865)  aus  Her- 
mannstadt in  Siebenbürgen,  1821  dort  Konrektor,  1831  Rektor,  1855 — 1859  Schulrat.  — 
H.  F.  Wagner  n^)  giebt  nach  einem  Aufsatze  von  A.  Hiller  (im  „Landboten  von  Vorarl- 
berg 1888,  N.  6  und  16)  genauere  Nachrichten  über  die  Lehrerfamilie  Schmid,  die 
namentlich  durch  Johann  Josef  Schmid  mit  Pestalozzi  und  seinem  Hause  in  naher  Ver- 
bindung gestanden  hatte.  —  Ein  Artikel  von  Wyss' ii^)  berichtet  über  den  Schweizer 
Melchior  Schüler  (1779 — 1859)  aus  dem  Kanton  Gl arus;  der  Vf.  bauscht  die  Bemühungen, 
die  dieser,  Zwistigkeiten  halber  häufig  die  Pfarre  wechselnde,  Geisthche  den  Land- 
schulen seines  Bezirks  zuwandte,  denn  doch  über  Gebühr  auf.  —  Julius  v.  Schröder"'') 
(1808 — 1888)  schliesslich,  aus  Lemsal  bei  Riga,  war  seit  1836  Rektor  der  Petri-Pauli- 
Kirchenschule  zu  Moskau,  seit  1849  Direktor  in  Dorpat.  Er  gab  diesen  Dienst  auf, 
als  1870  die  Regierung  für  den  gesamten  Geschäftsverkehr  die  russische  Sprache 
verlangte.  Von  1875 — 1881  war  er  Direktor  eines  Privatgymnasiums.  „Seine  Bedeutung 
lag  vornehmlich  in  dem  machtvollen  Idealismus,  der  sein  ganzes  Wesen  durchdrang 
und  auch  andere  unwiderstehlich  fortzureissen  wusste."  — 

Zuletzt  seien  hier  einige  Freunde  des  Schulwesens  angereiht.  Einen  „Ge- 
denck-Zettel"  des  Nürnberger  Ratsschreibers  Lazarus  Spengler  an  seinen  Sohn  veröffent- 
licht H.  von  Schubert  118).  Spengler  war  nicht  nur  ein  eifriger  Förderer  des  Refor- 
mationswerkes in  seiner  Vaterstadt,  sondern  zeigte  auch  ein  lebhaftes  Literessc  für  die 
auf  die  Erziehung  der  Jugend  gerichteten  Bestrebungen  der  Reformation.  Er  beteiligte 
sich  an  der  Gründung  des  Nürnberger  Gymnasiums,  und  Luther  widmete  ihm  1530  seine 
Schrift  „Dass  man  die  Kinder  zur  Schule  halten  solle".  Spenglers  Hoffnung,  dass  seine 
Anschauungen  sich  an  seinen  Kindern  verwirklichen  sollten,  bestätigte  sich  namentlich 
bei  seinem  zweiten  Sohne  Lazarus  nicht,  für  den  er  den  erwähnten  Gedenck-Zettel  ver- 


SchmUUing:  ib.  82,  S.  64/5.  —  109)  Bunte,  Über  Joh.  Molanus.  JbGesEmden  9,  2,  S.  12—40.  -  110)  R.  Ho  che,  Joh.  Schultze: 
ADB.  32,  S.  737/8.  -  III)  Q  F.  Sander,  Wichard  Lange:  MKL.  18,  8.550.  —  il2)D.  Schlie,  Dr.  Anton  Ree.  Z.  Würdigung 
seiner  Bostreliungen  u.  Verdienste.  Hamburg,  KIohs.  115  S.  M.  0,50.  (Mit  I'ortr.)  —  113)  F.  Urtlramer,  Tob.  Gottfr.  SclirOer: 
ADB.  82,  8.  501/3.  -  114)  G.  D.  Toutsch,  Joh.  Karl  Schuller:  ib.  S.  082/6.  —  115)  II.  F.  Wagner,  Pestalozzi  u.  d.  Ge- 
^<-bwistor  Schmid.  Salzburg.  Dieter.  7  S.  M.  0,40.  —  116)  0.  v.  Wygs,  Molch.  SchUlcr:  ADB.  32.  S.  077—80.  -  117)  L.  S., 
Joh.  lleinr.  Frh.  v.  Schröder:  ib.  S.  521/2.    -    118)  H.  v.  Schubert,    E.  päd.  Schriftstück  a.  d.  Rofurmationszeit.      (—  3.  JB. 


115  K.  Kehrbach,  Genchichte  dea  Unterrichtswesens.  I  6:  ii»-ics. 

fasHte.  —  Iii  einer  meist  nach  archivaÜHchen  Quellen  bearbeiteten  Biographie  Anton 
Wolfradts,  des  ersten  Fürstbischofs  von  Wien,  giebt  Hopf"»)  auch  eine  Darstellung 
der  päda^ogisclien  Vordieiisto,  die  sich  Wolfradt  seit  KJll-J  als  Abt  von  Kremsmünster 
um  seine  Untergohoiien  erwarb.  Tüchtige  Lehrer  für  die  angehenden  Konventualen 
wurden  bestellt,  die  Bibliothek  ward  reichlich  vermehrt,  viele  Mitglieder  des  Stiftes 
wurden  auf  Universitäten  und  auf  wissenschaftliche  R<Msen  gesendet,  eine  Reihe  mittel- 
loser Knaben  und  Jünglinge  jiihrlich  inientgeltlich  im  Stifte  verpflegt  und  unterrichtet.  — 
In  streng  quoUcnmässiger  Boarboitung  schildert  Hübsch'!»)  das  Bamberger  Volksschul- 
wesen in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jh.  unter  den  Fürstbiscliöfen  Adam  Friedrich 
von  Seinshoini  und  Franz,  Ludwig  von  Erthal;  Seinsheim  fand  J7Ö7  eine  völlige  Ver- 
wiihilosung  des  Schulwesens  vor.  Er  setzte  eine  Schulkommission  ein,  die  ihr  Haupt- 
iiugcnincrk  auf  die  Vorbesserung  des  Ehnnentarschulwesens  richten  sollte,  und  begründete 
177(>  zur  Kneichung  einer  besseren  Lehrart  eine  Normalschule.  Sein  Werk  wurde  von 
S(unoni  Nachfolger  sorgfältig  gepflegt  und  weitergeführt  Unter  ihm  entstanden  geson- 
derte Mädchenscluilon  und  Sommerschiden  für  das  platte  Land  und  17tH  ein  Lehrer- 
seminar. Die  Bildung  des  Volkes  suchte  er  ausserdem  zu  heben  durch  Verbreitung 
von  Volksbüchern  und  Verbesserung  des  von  astrologischen  Ungeheuerlichkeiten  und 
ab(Mgläubisclien  Regeln  strotzenden  Kalenders.  Dem  Werke  beigef\\gt  sind  zahlreiche 
urkundliche  Beilagen,  darunter  eine  Bamberger  Schulordnung  vom  Jahre  145)1,  An- 
Htollungsdeknitc,  Prüfungsbüchlein,  Visitationsprotokolle  u.  dgl.  —  Ein  Zeitgenosse  der 
eben  erwühnton  Kirchenfürsten  und  von  dem  gleichen  Eifer  für  Volkswold  und  Volks- 
bildung beseelt  ist  der  bayerische  Bischof  Klemens  Wenzeslaus,  über  den  Muggen- 
tluileri-')  gearbeitet  hat,  ein  Sohn  Friedrich  Augusts  von  Polen  und  Sachsen  und  der 
Marie  Josoj)ha,  der  ältesten  Tochter  Kaiser  Josephs  I.  Da  er  einsah,  dass  infolge  der 
seidechten  Schulverhältnisse  „auch  den  besten  Köpfen  die  Gelegenheit  fehle,  sich  zu 
bilden",  machte  er  seinen  Pfarrern  zur  Pflicht,  auf  die  Besserung  der  voriiandenen  und 
die  Einrichtung  neuer  VolksschiUen  zu  sehen,  und  richtete  selbst  1783  nach  öster- 
reichischem Mustor  Normalschulen  ein,  wobei  ihm  namentlich  der  Dillinger  Professor 
Anton  Schneller  zur  Seite  stand.  Die  Aufhebung  des  Jesuitenordens  bot  ihm  die  ge- 
wünschte Gelegenheit,  auch  auf  die  Universität  und  das  Gymnasium  zu  Dillingen  sein 
Reformwerk  auszudehnen.  — 

Für  die  Geschichte  der  Unterrichtsanstalteu  ist  zunächst  wieder  durch  Ver- 
öffentlichung von  Urkunden  gesorgt  worden;  wir  stellen  die  voran,  die  sich  auf  Uni- 
versitäten und  Akademien  beziehen.  Ernst  Friedländer'--)  hat  auf  die  zwei 
starken  Bände  der  Frankfurter  Matrikel  rasch  den  Registerband  folgen  lassen.  Er  bringt 
ein  Personen-  und  ein  Heimatsregister  und  luitiert  darin  einfach  die  Namen  mit  ihrer 
Seitenzahl:  das  genügt  vollkommen  und  hat  das  Erscheinen  des  Bandes  beschleunigt 
Für  die  Familien-  und  Gelohrtengeschichte,  die  Geschichte  der  Wissenschaft  und  Kultur 
im  Norden  Deutschlands,  aber  auch  in  ferner  liegenden  Ländern,  wie  Polen  und  Ungarn, 
bietet  die  Matrikel  eine  reiche  Fundgrube.  Die  märkischen  Adelsgeschlechter  sind  zahl- 
reicher, als  mancher  glaid)v^n  würde,  vertreten,  die  v.  d.  Marwitz  z.  B.  mit  <51  Mitgliedern. 
Aiich  unter  den  Biirgerfamilien  giebt  es  nicht  wenige,  die  Generationen  hindurch  an 
Frankfurt  hielten  und  ihre  Söhne  dortliin  entsendeten;  war  doch  Frankfurt  Ober  ein 
Jh.  lang  die  Hauptvertretei-in  des  reformierten  Glaubens  in  Deutschland.  —  Hooge- 
weg'--^)  stellt  aus  der  Friedländerschen  Ausgabe  der  Matrikel  von  Bologna  die  Namen 
der  dort,  verzeichneten  Westfalen  zusammen.  —  Auf  die  Wichtigkeit  der  „rotuli",  jener 
Bittschriften,  durch  welche  die  Univei'sitäten  von  den  Päpsten  Benetizien  und  Privi- 
legien zu  erlangen  suchten,  hatte  Denifle  in  seiner  „Geschichte  der  Universitäten  des 
Mittelalters"  zuerst  hingewiesen  ;  „diese  Petitionen  gewähren  besser  noch  als  die  Matrikeln 
eine  Uebersicht  über  den  Besitzstand  der  Universität  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkte: 
sie  geben  gewissermassen  den  Durchschnitt  der  in  der  Matrikel  fortlaufenden  Zahlen- 
reihen, orientieren  über  Zahl  der  Lehrer  uiul  Lernenden,  über  ihre  Herkunft  und  Be- 
ziehungen, die  Rangordnung,  Verteilung  auf  die  Fakultäten  und  den  Studiengang" 
(Thorbecke).  Keussen'--*)  i)erichtet  über  sechs  Kölner  Rotuli,  von  denen  der  erste, 
aus  den  Jahren  1389 — 13iK),  in  einer  schlechten  Abschrift,  der  zweite  im  Entwürfe  vor- 
handen ist  mid  von  ihm  im  W^ortlaute  mitgeteilt  wird,  während  die  Angaben  Ober  die 
übrigen  vier  Rotuli  sich  auf  die  in  der  Matrikel  enthaltenen  Annaien  und  Rechnungs- 
notizen stützen.  —  Thorbecke  125)    legt    einen    sehr  wichtigen  Beitrag   zur  Geschichte 

<1.  Taulinenm  zu  Hörn  bei  namburfc.)  Hainlmrif,  Llttcke  u.  Wulff.  4".  7  S.  —  IM)  A.  Hopf,  Anton  Wolfradt,  Mr«thi8ehofT.  Wi«n. 
Wien,  Holder.  44  S.  H.  0,72.  —  120)  O.  H  Uhsch,  D.  Kpformeu  u.  Kefomibestreb.  aufd.  Gebieto  d  Vulkiwrhule  im  <>hem  HocbsMft 
HaniborK  u.  d.  FUrstbisch.  Ad.  Friedr.  v.  Seinsheiiii  u.  Fr.  Ludw.  v.  Erthal.  Bamberg,  Huehuer.  X,  i09  H.  M.  :l.OO.  —  I2I>  I.. 
Mn  ggenth  aler,  D.  Verdienste  d.  bayer.  Kisrhofs  Clemens  Wenieslans  um  d.  Ersieh.-  u.  Unterr.-We«en :  MttESchO.  1,S.  .11—41. 
—  122)  Altere  Universitlts-MalriVeln.  1.  Cniv.  Frankfurt  a.'0.  Personen-  u.  Sachregister  b««rb.  r.  E.  Friedlinder.  Bd.  3. 
(=  l'ulilik.  aus  d.  k.  preuss.  Staatsarcli.  Bd.  4'.».)  Leipiitr,  Hin  1.  1-V,  «22  S.  M.  20,00.  -  123)  Hoo-eweg.  WestnU. 
Studenten  auf  fremden  Hoclisdiulen :  ZVOWestfalen  49,  S.  59—74.  —  tH)  H.  Keasaen,  D.  Kotuli  d  Kölner  Tnir.: 
MStadtAKOln  20,  S.  1/38.    —    125)  Thorbeeke,   SUtaU«u    u.  Reformation.'n   d.  ünir.  Hetdelberg  rom   16-18.  Jh.    Bar.  t.  d. 

8* 


I  6:  126-186.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  HG 

der  Universität  Heidelberg  in  den  Jahren  1558 — 1743,  nämlich  eine  Ausgabe  ihrer 
Statuten  und  Reformationen,  vor.  Die  Reformation  (=ordinatio,  Ordnung;  später  Statut) 
des  Kurfürsten  Otto  Heinrich  eröifnet  die  Reihe  und  ist  in  ihrem  ganzen  Umfange 
wörtlich  abgedruckt.  Von  den  späteren  Statuten  sind  dagegen  nur  die  Abweichungen 
von  den  vorhergehenden  notiert.  Eine  Ausnahme  machen  allein  die  völlig  selb- 
ständigen Statuten  Karl  Theodors,  die  völlig  gedruckt  werden  mussten.  —  Ein  Ver- 
zeichnis der  Leipziger  Vorlesungen  vom  Jahre  1519  hat  Buchwald  ^26)  in  Zwickau  ge- 
funden. —  Die  schon  von  Koppmann  angeregte  Veröffentlichung  der  Matrikel  des  aka- 
demischen Gymnasiums  in  Hamburg  (1613 — 1871)  hat  Sillem^^T)  durchgeführt.  Die 
eigenartige  Anstalt  sollte  den  Uebergang  bilden  von  der  Gelehrtenschule,  dem  Johanneum, 
zur  Universität;  sie  sollte  aber  auch  solchen  dienen,  die  eine  allgemeine  Bildung  sicli 
erwerben  wollten,  ohne  später  zu  studieren.  Ausser  der  Matrikel  bringt  S.  Nachrichten 
über  die  Entstehung  der  Anstalt  und  ihren  Besuch.  Er  stellt  die  Namen  später  berühmt 
gewordener  Schüler  zusammen,  spricht  über  die  Beteiligung  der  Zöglinge  an  den  Kriegen 
1813,  1848  und  1870,  giebt  in  Tabellen  Uebersichten  über  die  jährlichen  Immatrikula- 
tionen, nebst  Angabe  der  Rektoren,  über  die  Heimat  der  Gymnasiasten  und  schliesst 
sein  äusserst  verdienstvolles  Werk  mit  einem  alphabetischen  Namensverzeichnis.  Hier 
sei  hervorgehoben,  dass  zu  den  Schülern  Basedow,  Brockes,  Hagedorn,  J.  A.  Ebert, 
J,  J.  Eschenburg  und  Varnhagen  gehörten;  unter  den  Lehrern  sei  wenigstens  Reimarus 
genannt.  — 

Andere  Urkunden  betreffen  die  Geschichte  der  übrigen  Schulen.  AI  b.  Richter^^S) 
hat  aus  der  kursächsischen  Schulordnung  von  1580  und  aus  dem  revidierten  synoda- 
lischen  Dekret  von  1673  die  Teile  herausgezogen,  die  sich  auf  das  Volksschulwesen 
beziehen.  Die  Instruktionen  für  die  devitschen  Schiilen  Kursachsens  von  1724  und  die 
erneuerte  Schulordnung  für  die  Volksschulen  von  1773  bringt  er  vollständig;  voraus  geht 
eine  den  Text  vielfach  erläuternde  geschichtliche  Einleitung.  —  Die  von  Joh.  Matthesiiis 
1551  verfasste  Kirchenordnung  der  Bergstadt  Joachimsthal  in*  Böhmen,  die  Lösche^^ö) 
vorlegt,  zerfällt  in  zwölf  Abschnitte,  deren  vorletzter  vom  Schulwesen  handelt.  In  der 
Stadt  bestand  eine  Lateinschule;  ihr  Rektor  war  acht  Jahre  lang  Matthesius  selber,  der 
auch  in  seinen  Predigten  sich  wiederholt  begeistert  über  die  ungeheure  Wichtigkeit 
des  Schulwesens  geäussert  hat.  Neben  der  Lateinschule  bestand  eine  deutsche  oder 
Rechenschule  und  eine  Mädchenschule.  In  seiner  Stadtchronik  giebt  Matthesius  ein 
Verzeichnis  der  in  der  Lateinschule  aufgeführten  Schulkomödien.  —  Einen  wichtigen 
Beitrag  über  das  Schulwesen  Münchens  im  Jahre  1560  verdanken  wir  Daisenberger^^o^^ 
Aus  den  Protokollen  einer  Freisinger  Schulvisitation  geht  hervor,  dass  es  damals  in 
München  zwei  Pfarrschullehrer,  einen  Poetenschulmeister  und  neunzehn  deutsche  Schul- 
meister gab.  Letztere  hielten  mit  Erlaubnis  des  Rates  Privatschulen,  ohne  jedoch  von 
der  Stadt  besoldet  zu  sein.  —  Die  von  Schraufi^i)  gedruckte  Ordnung  Kaiser 
Rudolfs  II.  für  die  deutschen  Schulmeister  und  Schulmeisterinnen  in  Wien  vom  Jahre 
1579  gehört  zu  jenen  Verordnungen,  welche  dem  Vordringen  der  Reformation  in  Oester- 
reich  ein  Ziel  setzen  sollten.  Die  Förderung  der  katholischen  Interessen  tritt  durchaus 
in  den  Vordergrund.  Vor  sektischen  und  schismatischen  Schriften  wird  gewarnt, 
deutsche  Psalmen  und  Gesänge  von  evangelischen  Autoren  werden  verboten,  für  die 
Lehrer  wird  eine  Prüfimg  der  Rechtgläubigkeit  angeordnet,  als  Grundlage  des  ganzen 
Unterrichts  aber  dient  der  Katechismus  des  Canisius.  —  Windhaus  132-I33j  veröffentlicht 
aus  den  Akten  der  Grossherzoglichen  Realschule  und  des  Progymnasiums  zu  Friedberg 
in  Hessen  die  Schiilgesetze  der  Lateinschule  zu  Mansfeld  um  1580  und  einen  Rechen- 
schaftsbericht über  die  Leitung  der  Schule  zu  Schneeberg  vom  Jahre  1564.  —  Aus  dem 
Archive  der  ehemaligen  schwäbischen  Reichsstadt  Memmingen  hat  Reichenhart^^*) 
eine  undatierte  städtische  Schulordnung  herausgegeben,  die  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jh. 
angehört.  —  Eine  „Christliche  Schulordnung  und  Gesetz  für  die  deutschen  Knaben- 
schulmeister" derselben  Stadt,  die  vierzehn  Artikel  aufweist,  bietet  0.  Braun  i35j,  — 
Der  Dorfschulgeschichte,  einem  noch  wenig  bebauten  Gebiete,  gehören  die  Veröffent- 
lichungen von  J.  G.  Weissiäß)  und  L.  H.  FischeriäT)  an.     Aus  den  Akten  des  Adels- 


bad, hist.  Kommission.  Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  4".  XXVI,  384  S.  M.  16,00.  —  126)  (Buohwald),  Vorlogung  u. 
Verzoiclinis  d.  Vorlosungen  an  d.  Univ.  Leipzig  v.J.  1519:  MAVZwicltau  3,  S.  \IX.  —  127)  T).  Matrikel  d.  akad.  Gyiun.  in 
Hamburg  1013—1883.  Eingel.  u.  orl.  v.  C.  H.  W.  Sillem.  Her.  v.  d.  Kellinghnscu-Stiftung.  Hamburg.  Gräfe  &  Sillem.  4". 
V,  XXXII,  238  S.M.  10,00.  —128)  Alb.  Richter,  Kursächsische  Volksschnlordnungon  1580-1773.  Mit  e.  Einl.  (=  Neu- 
drucke pnd.  Schriften,  her.  v.  A.  Richter.  4.)  Leipzig,  R.  Richter.  93  S.  M.  0,80.  —  129)  G.  Loesche,  D.  Kirchen-, 
Schnl-  u.  Spitalordnung  v.  Joachimsthal.  E.  Kultus-  u.  Kultarbild  a.  d.  Reformationszeit  ItlUimens.  Dekanatsrodo  in  erweit. 
Gestalt.  Wien,  Manz.  54  S.  M.  0,80.  |[GGA.  N.  14;  ThLZ.  N.  18;  PKZ.  N.  30;  DLZ.  1.3,  N.  23;  HZ.  70,  1;  ZKG.  1893, 
S.  561;  DZKRIIIF.  S.  414;  ThJB.  S.  486;  Bl.  N.  31/2;  Polybiblion  1892,  S.  180.]|  -  130)  Daisenberger,  Z.  Schulwesen 
Wünchens  im  J.  1500:  MüESchG.  1,  S.  63—01.  —  131)  K.  Schranf,  E.  Scliul..rdiiung  Kaisers  Rudolfs  II.  Mir  d.  dtsch.  Schul- 
meister n.  Schnlmcisterinnon  in  Wien  v.  J.  1579:  ib.  S.  215—21.  —  132)  Windhau.s,  Schulgesetze  d.  Lateinschule  zu  Mans- 
feld um  1580:  ib.  S.  221-37.  -  133)  id.,  D.  Schule  zu  Schneeberg  unter  d.  Rektor  Paul  Obermeier  1555—75:  ib.  S.  197—215.  — 
134)  E.  Roiohenhart,  E.  Schnlordiiui  g  d.  Lsiteinschulo  zu  Monimingen  aus  d.  16.  Jh.:  ib.  S.  69—83.  —  135)  Br«un, 
E.  reichsstadtische  (Memroinger)  Schulordnung  v.  1596:  SUddSohulbote  55,  S.  28/9.  —  136)  J.  G.  Weiss,  Z.  Gesch.  d.  Schule 


117  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts wesens.  I  6:  ia7-iS3. 

heinischtMi  FainiheuarcliivB  liat  W.  Schulordnungen,  Bestallungen,  Erlasso  über  Ein- 
kommen \ni(l  Examina,  die  sich  auf  die  Schule  von  Wachbach  in  dem  Zeitraum  von 
1585—1805  beziehen,  liorauHgogeben ;  auH  F.s  Tabelle  erfahren  wir  nicht  nur  Genaueres 
über  den  Besuch  sclilesischer  DorfHchulen,  sondern  auch  über  das  Unttirrichtsponsum 
der  drei  Klassen.  —  J.  G.  Weissi^)  macht  auch  einen  Plan  der  Reichsritterschaft  des 
Ritterkantons  Odenwald  vom  Jahre  17<»2  bekannt,  eine  Ritterschule  und  ein  Waisen-, 
Zucht-  und  Arbeitshaus  zu  eirichten.  —  Eine  wertvolle  Ergänzung  zu  den  Schulordnungen 
bieten  die  Visitationsprotokolle.  Erst  aus  diesen  kann  man  ersehen,  wie  weit  die  in 
den  Sciuilordnungon  enthaltenen  Vorschriften  zur  Ausführung  gelangt  sind,  und  man 
erhält  daher  durch  sie  ein  richtiges  Bild  von  den  wirklichen  Verhältnissen.  Koldewey»»») 
hat  eine  solche  Ergänzinig  zu  seinem  umfassenden  Werke  „Die  Braunschweigischen 
Srhulordnungen"  (JBL.  18«K)  I  (>  :  55)  gegeben.  —  Sehr  wichtig  für  die  Geschichte  der 
Äletliodik  sind  Stunden-  und  LehrpUüu!,  da  aus  ihnen  deutlicher  als  aus  anderen  Doku- 
menttMi  erkannt  werden  kaini.  welche  Unterrichtsfacher  und  in  welchem  Umfange  sie 
betrieben  wurden.  Auf  die  Beiträge,  die  R.  Beck'<"),  G.  Müller  •<•)  und  G.  Stephan'**) 
in  dieser  Richtung  geliefert  halben,  sei  hiermit  hingewiesen.  —  Die  Sammlung  und 
Herausgabe  von  Bestallungs-,  Berulungsurkunden,  Lehrerzeugnissen  war  im  Plane  der 
Momnnenta  Germaniae  Paedagogica  als  eine  notwendige  Aufgabe  hingestellt  worden. 
Auf  diesem  Felde  sind  Falk««),  L.  H.  Fischer»^*),  Kabatnik'*'*),  G.  Müller'*«), 
Neunianni*'')  ;„id  Schoneckei''8)  thätig  gewesen.  —  Ebenso  wichtig  ist  die  Sammlung 
von  Notizen,  die  über  die  Schule  berichten,  ohne  ihr  selbst  zu  entstammen.  Wir  ver- 
weisen hier  auf  eine  kleine  Arbeit  von  Falki-'ö),  —  Ueber  die  Anforderungen,  welche 
früher  an  die  Kandidaten  des  höheren  Lehramts  gestellt  wurden,  unterrichtet  das  von 
Busch  mann  150)  veröffentlichte  Protokoll  über  die  Prüfung  eines  Kandidaten  Meyer 
vom  Jahre  17t)L  In  der  deutschen  Sprache  wurde  nur  Kenntnis  der  Grannnatik  von 
Adelung  vorausgesetzt.  —  G.  Stephan'si)  giebt  nach  Akten  des  Rödlitzer  Pfarrarchivs 
eine  Zusammenstellung  d^r  Accidentien  und  Besoldungen,  die  der  dortige  Schulmeister 
1773  bezog.  Diese  Notizen  dürfton  einen  über  die  Geschichte  der  Pädagogik  hinaus- 
gehenden Wort  besonders  für  den  Kulturhistoriker  haben.  — 

Zu  den  Urkundenpublikationen  gesellen  sich  darstellende  Werke.  Den  Univer- 
sitäten und  Akademien  gelten  zunächst  einige  Arbeiten  allgemeiner  Art.  Zöller'*2) 
spendet  eine  eingehende  Darstellung  der  geschichtlichen  Entwicklung  der  Universitäten 
und  der  technischen  Hochscliulen.  Hinsichtlich  ihrer  gegenseitigen  Stellung  mid  ihrer 
Bedeutung  in  der  Kultur  sind  ihm  beide  in  ihrer  Eigenart  von  gleich  hohem  Werte: 
beide  in  ihrer  Gesamtheit  bilden  aid"  der  heutigen  Kulturstufe  die  „univei-sitas  litterarum'*. 
Z.  kommt  am  Schluss  seiner  Untersuchungen  über  die  künftige  Ausbildung  des  Hoch- 
schulwesens zu  dem  Ergebnis,  dass  die  einzelnen  Akademien  für  Land-  und  Forstwirt- 
schaft, für  Berg-  und  Hüttenbau,  für  Tierarzneilehre  usw.  eingehen  und  nur  zweigrosse 
Gruppen,  Universität  und  technische  Hochschule,  bestehen  bleiben  sollten,  die  das 
Gesanitgebiet  der  Wissenschaft  umfassten.  —  F.  Stein'^^)  liefert,  auf  reichhaltiges 
litterarisches  Material  gestützt,  zum  ersten  Mal  eine  Darstelhuig  der  Geschichte  der 
akademischen  Gerichtsbarkeit,  eines  Rechtsinstituts,  welches  „zur  Blüte  des  deut.schen 
Hochschulwesens  sein  vollgemessenes  Teil  beigetragen  hat".  Er  geht  aus  von  jener 
nach  ihrem  Anfangsworte  „Habita"  genainiten  Konstitution  Barbarossas  von  1158, 
welche  dem  ortsfremden.  Scholaren  das  Recht  verleiht,  falls  er  vor  dem  Ortsgerichte 
verklagt  werden  sollte,  dieses  abzulehnen  und  an  stelle  dessen  sich  von  seinem  Lehrer 
oder  von  dem  Ortsbischof  abui-toilen  zu  lassen.  S.  charakterisiert  sodann  die,«*e  Gerichts- 
barkeit in  Bologna  luul  Paris  und  sjnicht  über  die  Universitäten  als  klerikale  Körper- 
schaften und  ihre  Exemtion  von  der  weltlichen  Gerichtsbarkeit.  Als  die  Lebons- 
berechtigung  der  Autonomie  schwand,    schränkte    sich    auch    die  akademische  Gerichts- 


zu  Wachbacli:  UGESchU.  1,  S.  139—46.  —  137)  L.  H.  Fischer,  Frequenx -Verhaltnisse  e.  Dorfschule  im  J.  1747i8:  ib. 
S.  90/1.  —  138)  J.  O.  Weiss,  Ritterschule.  W>ison-,  Zucht-  u.  Arbeitshaus,  geplant  r.  d.  Frtnk  Kitterschafl  d.  Rilterkantoos 
Odenwald  um  17t'>2:  ib.  S.  107—16.  —  139)  F.  Koldowey,  Herioht  d.  Oonerilscliulinspektors  Christoph  Sclirad<>r  Db«r  d.  im 
.T.  1(>50  abgoh.  Visitation  d.  hOh.  u.  mitU.  Schulen  d.  Herzogt.  Kniunsehwc^ig-WolfenliUttol:  ib.  S.  I5:{-(>8.  —  140)  K.  Beck. 
E.  Stundeni>lan  fUr  d.  Zwickauor  Gelehrtenschnio  t.  167Ö:  ib  S.  238— 1'2.  —  MI)  O.  llUller,  E.  Stundenplan  d.  Undesschnle 
zu  Scbleusingen :  ib.  S.  ä4/5.  —  142)  G.  Stephan,  Lehr-  u.  Lektionsplau  o  Leipziger  Wiukeischulo  tat  d.  Jahre  1711:  ib. 
S.  14r>  8.  —  143)  Falk,  Schulgeschicbtilches  aus  SeelonbUcliern:  ib.  S.  1-J1;'2.  —  144)  L  H.  Fi  sc  her.  Kestallungsurkundo  Dir 
d.  z.  Rektor  d.  gniuon  Klosters  in  Berlin  ernannten  M.  Wilhelm  I.inden  au«  d.  J.  1581 :  ib.  S.  237 X  —  145)  F.  Kabatnik. 
Zeugnis  i°Ur  d.  Dorrschulmeister  Ignatz  Böhm  aus  d.  J.  17»*7.  Riiik3mmen  desselben  auf  d.  Schulstelle  in  Seidnrf:  ib. 
S.  161/2.  —  146)  G.  MUller,  E.  Lehrerzougnis  aus  d.  J.  1693:  ib.  S.  8)>i7.  —  147)  Neumann,  E.  Beruftangaurkunde  fUr  d. 
Lehrer  zu  Haninierstadt  (Oberlausitz)  aus  d.  J.  17S0:  ib.  8.  8S  -90.  —  148)  W  Schonecke.  Uenricus  Nigidius.  Kantor  am 
Joh»nncura  zu  Lüneburg  v.  1539—49:  ib.  S.  124—30.  —  149)  Falk,  D.  Rector  .-colanim  la  Nenhausen  bei  Worms  nach  d. 
Stittsst..tiilen  1507:  ib.  S.  122/4.  ISO)  J.  Buschmann.  E  TrUluiig  für  d.  h-3h.  Lehrfach  vor  100  Jahren:  ib.  S  255-64.  — 
151)  G.  Stephan,  Einkommen  d.  Schulstclle  zu  Rödlitz  1773:  ib.  S.  143—50.  —  ISS)  Egon  Zöller,  D.  UniversitHton  u. 
Teclinisehen  Hochschulen.  Ihre  gesch.  Entwicklung  u.  ihre  Bedeutung  in  d.  Kultur,  ihre  gegenseil.  Stellung  u.  weitere  Aas- 
bildung. Berlin,  Ernst.  VI,  212  S.  M.  500.  HS  rassbl'ost  X.  92;  BLU.  S.  619-20.] |  —  ISS)  F.  Stein,  I).  akaderoimshe 
Gerichtsbarkeit  in  Deutschland.     Leipzig,  Birschfeld.  XII,  161  S.  M.  3,60.    |[(Loeni)ng:  LCBI.  N.  S9;  O.  Kaufmann:  DL7. 


I  6:  154-162.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  118 

barkeit  ein,  die  Gerichte  wurden  zu  Disciplinarbehörden  für  die  Studenten.  —  Unsere 
Kenntnis  der  Geschichte  des  studentischen  Verbindungswesens  ist  selir  gering.  Wir 
wissen  weder,  seit  wann  es  diese  Verbindungen  gegeben  hat,  noch  welcher  Art  ihre 
frühesten  gewesen  sind.  Von  einer  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jh.  angehörigeii 
Form,  dem  Orden,  hat  W.  Tabricius^^*)  ein  detailliertes  Bild  aus  der  gleichzeitigen 
Litteratur  zusammengestellt.  Er  weist  nach,  dass  dieselben  aus  den  Landsmannschaften 
hervorgegangen  sind.  Diese  lassen  sich  bis  in  den  Anfang  des  vorigen  Jh.  zurück- 
verfolgen. — 

Die  Reihe  der  Schriften  über  einzelne  Anstalten  wird  durch  Schwebels^^^) 
Arbeit  über  die  Universität  Berlin  eröffnet.  Der  Vf.  bietet  in  seiner  auf  die  weiteren 
Kreise  der  Gebildeten  berechneten  Darstellung  einen  Abriss  der  Geschichte  der  Frank- 
furter Alma  mater  Joachimica,  der  Vorläuferin  der  Berliner  Hochschule,  und  betrachtet 
diese  selbst  dann  bis  zum  Jahre  1890.  —  Hörn ing !•'''')  hat  mit  seinem  Werke  über 
J.  Pappus,  das  in  erster  Linie  der  Kirchengeschichte  zu  gute  kommt,  auch  für  die 
Geschichte  der  Strassburger  Universität  und  für  die  Charakteristik  Sturms  neue  Beiträge 
geliefert.  —  Der  von  Häckermaniii^'')  besprochene  Bertold  Seegeberg  (j-  1460)  hat 
seinem  Freunde  Rubenow  bei  der  Gründung  der  Universität  Greifswald  wacker  zur 
Seite  gestanden  und  ist  erster  Dekan  der  Artisten  gewesen.  Sein  Sohn  Arnold  Seege- 
berg ( —  1506),  bacc.  theol.,  doctor  utriusque,  war  ebendaselbst  Professor  und  Ordinarius 
der  Jiu-istenfakultät,  auch  Offizial  des  Bischofs  von  Kammin  und  1479,  1481,  1483 
Rektor;  dami  ging  er  an  die  Rostocker  Hochschule,  deren  Rektorat  er  1486,  1491,  1493 
führte,  dann  1500  als  Ratsherr  nacli  Stralsund.  —  Die  Geschichte  der  Universität 
Leipzig  ist  wiederum,  wie  im  vorigen  Jahre,  durch  einige  wichtige  Beiträge  bereichert 
worden.  R.  Becker ^s^)  schildert  Hoffmanns  Verdienste  um  die  Gründung  der  Univer- 
sität. Er  gehörte  zu  den  Deutschen,  die  1409  Prag  verliessen;  bei  dieser  Gelegenheit 
tritt  B.  dem  Mythus  von  einem  gemeinsamen  Auszug  der  Deutschen  aus  Prag  und 
darauf  folgendem  Einzug  in  Leipzig  mit  treffenden  Gründen  entgegen.  Sodann  bespricht 
er  die  Begründung  der  Universität  Leipzig,  die  Festsetzung  der  ersten  Statuten,  behandelt 
Hoffmanns  Rektorat  (1413),  die  Gründung  des  Kollegiums  B.  Mariae  Virginis  und  er- 
örtert Hoffmanns  Stellung  zur  Kirche  und  zu  den  Hussiten  sowie  scJiliesslich  seine 
Bedeutung  als  Schriftsteller.  Der  Anhang  bringt  einen  wörtliclien  Abdruck  der  Auf- 
zeichnungen, die  Hoffmann  während  seines  Rektorats  im  „Rationarius  fisci"  gemacht 
hat.  —  Von  Manni^*^)  sind  die  Nachrichten  zusammengestellt  worden,  die  sich  auf  die 
meln-fach  erfolgte  Verlegung  der  Leipziger  Universität  nach  Meissen  beziehen.  Der  erste 
Anlass  war  die  1519  herrschende  Pest:  statt  der  223  Studenten  des  Sommers  wurden 
im  Winter  nur  75  Studenten  inskribiert.  Wieviel  Universitätsangehörige  nach  Meissen 
gingen,  bleibt  unermittelt.  Im  Jahre  1546  flüchtete  man  vor  dem  zur  Berenn  ung 
Leipzigs  heranziehenden  sächsischen  Kurfürsten  Johann  Friedrich.  In  diesem  W^inter 
wurden  nur  61  Studiosi,  davon  10  in  Meissen  inskribiert.  Den  damaligen  Rektor 
M.  Constantin  Pflüger  haben  nur  wenig  Universitätsangehörige  begleitet.  Camerai'ius 
ging  nach  Merseburg  und  von  da  nach  Zerbst  und  Dessau;  sein  griechisch  gescliriehener 
Kommentar  über  den  Schmalkaldischen  Krieg  erzählt  auch  von  Leipzigs  Belagennig.  — 
Namhafte  Historiker,  wie  z.  B.  Krones,  berichten,  dass  am  Ende  des  18.  .Jh.  Freiburg 
i.  Br.,  ebenso  wie  Graz,  Brunn  und  andere  österreichische  Universitäten,  aufgehoben  und 
in  ein  Lycevxm  verwandelt  worden  sei.  So  wenig  ausgeprägt  war  also  damals  der 
Charakter  dieser  Hochschule.  Trotzdem  hat  sie,  wie  Wolf^''^)  zeigt,  ununterbrochen 
als  Universität  fortbestanden,  obwohl  ihr  obendrein  durch  die  Aufhebung  der  geistlichen 
Zehnten  im  Elsass  von  Seiten  der  französischen  Nationalversammlung  zwei  Drittel  ihrer 
Einkünfte  verloren  gingen.  Als  dann  1793  der  Krieg  von  Frankreich  näher  kam,  erbot 
sie  sich,  ihre  Kirchenschätze  zum  Wohle  des  Staats  hinzugeben.  Freilich  zeigen  W.s 
Ausführungen  auch  überall  den  engen  Kreis,  in  welchem  sich  die  Universität  wie  deren 
Kuratoren  in  Wien  bewegten.  —  Zwei  sehr  wichtige  und  interessante  Beiträge  zur 
Geschichte  der  Kölner  Universität  hat  Keussen^ßi-i*»-)  geliefert.  Da  das  auf  die  Kölner 
Universität  bezügliche  Material  überall  hin  verstreut  und  eine  umfassende  Ausgabe  von 
Universitätsurkunden  und  Matrikeln  noch  nicht  bewirkt  worden  ist,  so  ist  bis  jetzt  eine 
Darstellung  der  Geschichte  der  Universität,  so  erwünscht  sie  auch  sein  muss,  noch  nicht 


13,  N.  (i;  Tlioramen:  M.JÖG.  13,  S.  055.]|  —  154)  W.  Fabricius,  D.  Studeriteuortloii  d.  18.  Jh.  u.  ihr  Verhältnis  zu  d. 
Kleichzeitigeu  Landsniannschaften.  Mit  4  Tafeln.  Jena,  Döhoreinor  102  S.  M.  3,00.  | [Taute:  BauhUtte  1892,  S.  184;  LCBl. 
J8S)3,  N.  3.||  —  155)  0.  Schwebol,  1).  Univ.  Berlin.  Frankfurts  Aluia  mater  Joachiiniua  u.  d.  Friedr-WillL-Univ.  zu  Berlin. 
Mit  zahlr.  lllustr.  (.=  Auf  dtsch.  Hochschulen  3.)  MUnchcn,  Akad  Monatshefte.  4".  90  S.  M.  3,00.  —  156)  W.  Horning, 
Dr.  Johann  Pappus  v.  Lindau  1549  —  1610,  Münsterprediger,  Univ.-Prof.  usw.,  aus  unbonlltzton  t'rk.  u.  Manuskripten.  Strassburg, 
Heitz.  VIT,  323  S.  M.  (i,00.  -  157)  H  äckormann ,  Borth.  Segeberg:  ADB.  33,  S.  592.  -  158)  K.  Becker,  Job.  Hoffmann. 
d.  nachnial.  Biscliof  Joliann  IV.  v.  Meissen.  Seine  Wirksamkeit  an  d.  Univ.  Prag  u.  Leipzig.  1.  Leipziger  Diss.  Urossenliain, 
Baumert  &  Konge.  69  S.  M.  1,00.  —  159)  M.  Mann,  l).  Verlegung  d.  Leipziger  Univ.  nach  Meissen:  MVüMoisseu  3,  S.  1—6. 
—  160)  Wolf,  Z.  Gesch.  d.  Universität  Freiburg:  AZgn.  N.  194/Ö  —  161)  II.  Keusson,  D.  Stadt  Köln  als  Patronin  ihrer 
Hocbschule.     2    Teile:    WZ.   9   u.    10,    S.   344—404   u.  «2—104.  —  162)   id.,   I).  Kölner  Juristenfakultllt  im  Mittelalter.     16  S. 


119  K.  Kehr  1) ach,  Gewchichte  des  Unterrichtswesens.  I  6:  i(»-i«6a. 

zu  stände  gekommen.  Nur  fttr  einzehm  speciellere  Themata,  zu  denen  auch  die  von  K. 
hearheitüton  gehören,  liegen  die  Materiahen  einigermasjsen  zusammen.  Aus  der  ersten 
Abhandhing  geht  hervor,  dass  der  Köhier  Rat  es  war,  der  unter  Beihülfe  des  geist- 
lichen Klements  die  Lehrer  berief  und  das  Generalstudium  gründete,  daher  auch  die 
Verpflichtung  hatte,  für  die  Universität  zu  sorgen.  Wie  das  geschehen  ist,  das  schildert 
K.  auf  Grund  der  ihm  vorliegenden  Urkunden  sehr  anschaulich.  Wir  erfahren  Näheres 
über  Gebäude  und  Einrichtungen,  über  Besoldung  der  ordentlichen  Professoren,  über 
die  Beschaffung  der  I'fründon,  über  die  Schutzherrschaft,  die  von  der  Stalt  gegenüber 
der  Universität  ii.-  und  ausserhalb  der  Stadt  ausgeübt  wurde,  über  die  Regelung  der 
Kücht.sverhältnisso  zwischen  Stadt  und  Universität,  über  die  Accisefreiheit  der  letzteren; 
schliesslich  wird  einiges  berichtet  über  die  Konflikte,  die  zwischen  Bürgerschaft  und 
Universität  ausgebrochen  waren,  und  über  das  Aufhören  des  Privilegiengenusses.  An- 
gehiingt  sind  der  Arbeit  der  Vortrag  zwischen  Universität  und  Stadt  vom  September 
1507  und  eine  Inhaltsangabe  des  Buclies  der  Provisoren.  —  Als  führende,  der  Hoch- 
schule den  Glanz  und  den  ('haraktcr  gebende  Fakultät  erscheint  in  Köln  die  juristische. 
Sie  war  jedenfalls  von  dem  Rate  schon  bei  Gründung  der  Universität  13HH  reich  be- 
dacht; fast  bis  in  die  ersten  Jahre  lassen  sich  die  sämtlichen  damals  üblichen  Lehrstühle 
nachweisen,  die  drei  der  Kanonisten  für  Decretalen,  Neues  Recht  (Liber  se.\tus  und 
Clomentinen),  Decretum,  die  zwei  der  Legisten  für  Codex,  Digesten,  und  eines  jüngeren 
Docenten  für  Institutionen.  Die  Lehrenden  bezogen  aus  der  Besoldung  des  Rats,  aus 
geistlichen,  der  Universität  tibereigneten  Pfründen  und  aus  ihrer  Privatpra.vis  ein  gutes 
Kinkommen.  Meist  überstieg  ihre  Zahl  die  für  das  Collegium  facultatis  festgesetzte 
Noiiii  von  12;  im  Jahre  143<)  hatte  Köln  an  der  Universität  und  in  anderen  Stellungen 
24  Doktoren  des  Rechts  und  einige  Jahre  später  sogar  über  30.  Die  Fakultät  war, 
was  man  bisher  kaum  gewusst,  viel  weniger,  von  Stintzing  abgesehen,  voll  gewürdigt 
hat,  nicht  bloss  die  älteste,  sondern  auch  die  eifrigste  und  bedeutendste  Pflegerin  des 
römischen  Rechts.  —  R.  von  Molils"*^')  Büchltin  über  Sitten  und  Betragen  der  Tübinger 
Studenten  im  IG.  Jh.  ist  neu  gedruckt  worden.  Es  bringt  uns  eine  bunte  Fülle  von 
277  Auszügen  der  Tübinger  Universitätsakten,  welche,  wenn  sie  auch  begreiflicherweise 
kein  vollständiges  Bild  bieten  können,  denn  sie  betreffen  ja  nur  die  sog.  Schattenseiten, 
so  doch  als  unmittelbare  Zeugnisse  eine  lebendige  Vorstellung  von  jener  Zeit  verschaffen. 
Wie  damals  die  Bürger  der  Städte  von  ihrem  „Ehrbaren  und  Wohlweisen*'  Rate  für- 
sichtig bevormundet  wurden,  so  regelten  die  „constitutio  et  ordinatio  scholasticae 
universitatis  studiorum  Tubingae"  von  1518,  die  Statuten  von  1575  und  zahlreiche 
Senatserlasse  das  Leben  und  Gebahren  der  cives  academici  bis  in  das  kleinste.  Die 
von  M.  ausgezogenen  Protokolle  beweisen  freilich,  wie  wenig  diese  Bestimmungen  von 
den  Studenten  befolgt  worden  sind.  Es  wird  da  geklagt  über  das  „grausame  Mordgeschrei, 
Toben  und  Wüten  uff  der  Gassen",  zumal  nächtens,  über  das  Fenstereinwerfen,  das 
Lautenschlagen,  Rühren  von  Saitenspiel  und  Absingen  schändlicher  Lieder  wie  das  von 
den  sieben  Nonnen,  über  die  Fastnachtsmummereien,  über  die  „pugnae  studiosorum  cum 
oppidanis",  wobei  sie  bisweilen  „mit  Streich  tüchtig  abgetöffelt  worden*',  über  die 
„Schlachthandlungen"  der  Studenten  untei einander,  über  ihr  lockeres  Leben  mit  Weibs- 
personen, das  Fluchen  wie  „Stenisakrament"  oder  „das  Feuer  soll  vom  Himmel  fallen'', 
sogar  über  Fälle,  wo  sich  Studenten  dem  Teufel  versclirieben  hätten.  —  Hartfelder  "'•^-''^'i 
gab  auch  in  diesem  Jahre  Beiträge  ziir  Universitätsgeschichte  und  zwar  zur  Geschichte 
der  akademischen  Feste  und  der  Methodik  des  akademischen  Unten-ichts.  Die  akade- 
mischen Feste  waren  im  Mittelalter,  da  die  Universitäten  kirclüiche  Anstalten  waren, 
immer  die  Festtage  des  Kirchenjahres.  Die  heilige  Katharina,  deren  Gedenktag  auf  den 
25.  November  fällt,  war  die  Patronin  der  Pariser  Artistenfakultät  gewesen,  und  da  die 
Pariser  Einrichtungen  auf  die  deutschen  Universitäten  übergingen,  wurde  auch  auf 
deutschen  Universitäten  das  Katharinenfest  gefeiert.  Daraus  erklärt  sich,  dass  aus  dem 
15.  und  16.  Jh.  eine  grosse  Anzahl  von  lateinischen  und  deutschen  Gedichten  sowie 
Erzeugnissen  der  bildenden  Kunst  überliefert  sind,  die  sich  auf  die  Schicksale  der  Id. 
Katharina  beziehen.  Eiten  Teil  des  Aufsatzes  bildet  der  Wiederabdruck  einer  latei- 
nischen Rede  zu  Eluen  der  Katharina,  die  von  Galtz  (Gallus,  Galliens)  aus  Ruffach  im 
Elsass  um  1-480  in  Heidelberg  gehalten  ist.  Sie  ist  „dadurch  sehr  merkwürdig,  dass 
sie  sich  nach  einer  nicht  allzulangen  Einleitung  zu  einem  Dialoge  zwischen  der  Id. 
Katharina,  die  selbst  redend  eingeführt  wiu-de,  und  einem  jungen  Menschen,  gewi.«<s  einem 
in  Heidelberg  studierenden  Artisten,  gestaltet.  Wir  nehmen  dabei  gewiss  mit  Recht  an, 
dass  Galtz  selbst  die  der  Heiligen  in  den  Mund  gelegten  Worte  gesprochen  hat.  So 
gewinnt    die    kirchlich  -  akademische  Feier    einen    pädagogischen  Charakter;    es    ist    ein 


—  163)    R.    von    Mohl,    Sitten   u.    Retragon   d     Tnhin-;or   StiiJcnt'n    wnlirend    d.    1«.   Jh.    2.    Aufl..    nou«    Aunpahp.     Frei- 
buis,  Molir(Siobeck).  7»  S.  M.  1,(K).  — 164»  K.  Uartfelder,  ü  Katharinenfest  d.  Heidolbonrer  Artistenfakultät:  NHJb»..  1.  S.  52— 71. 

—  165)  id.,   Aus   e.  Vorlesung  Melanchthona  über  Ciceros    Tuäknlaueo:    MGESehU.    1,    S.    16d-77.     -    165«)  J.   Reinkc. 


I  6:  166-173.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  120 

charakteristischer  iG'chulakt,  der,  entsprechend  der  Eigentümlichkeit  der  mittelalterlichen 
Hochschulen,  nicht  im  Schulraum,  sondern  in  der  Kirche  stattfindet".  —  Die  dargebotene 
Vorlesung  Melanchthons  über  Ciceros  Tuskulanen  ist  einer  alten  Hs.  entnommen,  die 
wahrscheinlich  das  Bruchstück  eines  von  einem  unbekannten  Studenten  nachgeschriebenen 
Kollegienheftes  ist.  Wir  erhalten  hier  ein  Bild  der  im  16.  Jh.  an  den  Universitäten 
üblichen  Interpretation  lateinischer  Schriftsteller,  die  von  der  heutigen  wesentlich  ver- 
schieden ist.  Wie  Melanchthon  überhaupt  liebte,  zur  Veranschaulichung  hie  und  da 
kleine  Anekdoten  aus  seinem  Leben  einzuflechten,  so  hat  er  auch  hier  aus  seiner  Heidel- 
berger Studentenzeit  eine  Episode  und  damit  einen  Beitrag  zu  seiner  Biographie  mit- 
geteilt. —  Hingewiesen  sei  noch  auf  die  Rektoratsrede  von  Rein kei^öa),  der  den  inneren 
Organismus  der  preussischen  Universitäten  von  heute  erörtert.  —  Die  JBL,  1890  be- 
sprochene Geschichte  der  k.  k.  Theresianischen  Akademie  in  Wien,  die  von  J.  Schwarz 
bis  in  das  Jahr  1865  geführt  wurde,  hat  zwei  Ergänzungen  gefunden.  Salamoniß^)  giebt 
in  sechs  übersichtlichen  Tabellen  eine  Schülerstatistik  der  Anstalt  von  1866 — 1890,  die 
sich  über  Zahl,  Geburtsorte,  Muttersprache,  Religionsbekenntnis,  Versetzung  und  Ma- 
turitätsprüfung der  Schüler  erstreckt.  —  Theni'^'')  liefert  einen  wertvollen  Beitrag  zur 
Geschichte  der  Methodik  des  naturgeschichtlichen  Unterrichts;  möchten  doch  auch  für 
die  andern  auf  der  Theresianischen  Akademie  gelehrten  Fächer  gleiche  Monographien 
erscheinen.  — 

Unter  den  Arbeiten,  die  die  Gescliichte  der  übrigen  Schulen  darstellen,  be- 
handeln mehrere  das  Schulwesen  grösserer  Bezirke.  Von  dem  Werke  der  beiden 
Lobe  1*^8)  (Vater  und  Sohn)  über  die  Geschichte  der  Kirchen  und  Schulen  des  Herzog- 
tums Sachsen-Altenburg  sind  die  beiden  letzten  Lieferungen  erschienen,  die  die  Nach- 
richten über  die  Ortschaften  der  Ephorie  Kahla  zusammenstellen.  Das  nunmehr  voll- 
endete Werk,  dessen  Gegenstand  zwar  bereits  1840—49  in  der  „Kirchengalerie",  doch 
sehr  ungleich,  behandelt  war,  giebt  in  seinem  ersten  Teil  eine  kirchliche  und  statistische 
Uebersicht,  in  seinem  zweiten  eine  Kirchengeschichte  des  Herzogtums  Altenburg,  in 
seinem  dritten  und  vierten  eine  detaillierte  Kirchen-  und  Schulges^ririchte  der  einzelnen 
Gemeinden.  Die  drei  ersten  Abschnitte  (Bd.  1  u.  2)  hat  L.  Vater,  der  verdienstvolle 
Herausgeber  des  Ulfilas  (1836 — 43),  den  vierten  (Bd.  3)  L.  Sohn  bearbeitet.  Es  würde 
gewiss  einen  Fortschritt  bedeuten,  der  nicht  nur  der  Kirchen-  und  Schulgeschichte  zu 
gute  käme,  wenn  auch  für  andere  Landesgebiete  so  eingehende  Zusammenstellungen 
über  Kirchen-  und  Schulverhältnisse  veranstaltet  würden.  —  Geyer  i^^)^  bringt  ebenfalls 
einen  Beitrag  zur  Altenburger  Schulgeschichte  in  seinem  Verzeichnis  der  Altenburger 
Gymnasialabiturienten  der  Jahre  1808 — 1891.  —  Koldewey  i™)  hat  die  Ergebnisse 
seiner  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  braunschweigischen  Schulgeschichte,  die  er  in 
dem  zweibändigen  Sammelwerke  der  „Braunschweigischen  Schulordnungen"  (JBL.  1890 
I  6  :  55)  niedergelegt  hat ,  zu  einem  kürzeren,  abgerundeten  Gesamtbilde  zusammen- 
gefasst.  Die  Schrift,  welche  in  erster  Linie  für  die  Kreise  der  braunschweigischen 
Lehrer,  Prediger  und  sonstigen  Schulfreunde  bestimmt  ist,  wird  auch  über  die  Grenzen 
des  Herzogtums  hinaus  weite  Verbreitung  finden,  da  dieses  jederzeit  eine  Pflegstätte 
geistiger  Bildung  gewesen  ist  und  den  Nachbarstaaten  oft  bei  der  Einrichtung  ihrer 
Unten-ichtsanstalten  als  Muster  gedient  hat.  Bei  der  Auswahl  des  Stoffes  ist  der  Vf. 
weder  zu  ausführlich  noch  zu  knapp;  von  einem  Nachweise  der  Quellen  ist  Abstand  ge- 
nommen. Das  Werk  umfasst  die  Zeit  von  der  Mitte  des  9.  Jh.  bis  1831.  Es  wäre  sehr 
zu  wünschen,  dass  K.  seine  Absicht  ausführte,  die  Geschichte  bis  auf  die  Gegenwart  fort- 
zusetzen. —  Ein  um  die  pommersche  Geschichtsforschung  verdienter  Gelehrter,  Wehr- 
rnann  I7i-172^^  j^a^^  wiederum  einige  auf  die  Schulgeschichte  Pommei-ns,  besonders  Stettins 
bezügliche  Aufsätze  veröffentlicht,  Bausteine  zu  einer  vollständigen  Geschichte  des  Stettiner 
Pädagogiums,  deren  Bedeutung  bei  der  Eigenart  der  Anstalt  weit  über  die  Specialschulge- 
schichte hinausreichen  dürfte. —  L.  H.  Fischer  i''^)  bringt  in  seinen  gesammelten  Auf- 
sätzen zwei  Beiträge  zur  Berliner  Schulgeschichte  im  vorigen  Jh.,  die  er  aus  bisher  nicht 
veröffentlichten  Akten  des  Geheimen  Staatsarchivs  geschöpft  hat.  —  Ueber  das  Berliner 
Schulwesen  von  1836  giebt  uns  aus  den  Aufzeichnungen  eines  gleichzeitigen  Chronisten 


D.  preiiss.  Universitäten  im  Lichte  d.  Gegenw.  Rede  geb.  bei  Antritt  d.  Heklorats  d.  Univ.  in  Kiel  am  5.  März.  Kiel  (UiiiversitätsbiuOi- 
bdlg.  Töcbe).  aas.  —  I66)L.  Salnnion,  ScbUlpr»tatistilc  zur  Gesch.  d.  Tberes.-Oymn.  zu  Wien  v.  1866-90.  (;^  Keitrr.  z  Gösch  d.  k  k. 
Tlieros.  Akad.  unter  d.  Kuratorium  Schinerling.i  JB.  d.  Gyinn.  d.  k.  k.  Theiesian.  Akad.  in  Wien.  S.  5-22.  —  167)  Kr.  Then, 
1).  naturgesrh.  Unterr.  u.  d.  uaturgescli.  Hilfsmittel  an  d.  k.  k.  Tlieres.  Akad.  zu  Wien:  ib.  S.  23  —  55.  —  168)  J.  u.  E.  Lobe, 
Gesch.  d.  Kirchen  u.  Schulen  d.  Herzogtums  Saclisen-Altenburg  auf  Grund  d.  Kirchen-Galerie  bearb.  36.  Lief.  (S.  673  —  720), 
36.  Lief.  (S.  721-72).  Vollst.  3  Bdo  Altenburg,  lionde.  M.  36,00.  HThLHl.  N.  23.||  —  169)  Geyer,  Yen.  d.  Abiturienten 
d.  herzogl.  Friedrlclisgjinn.  in  Altenburg  v.  1808  an.  ebda.  32  S.  —  170)  F.  Koldewey,  Gesch.  d.  Schulwesens  im 
Herzogt.  I'raunschwoig  v.  d.  UlteHten  Zeiten  bis  zum  Regierungsantritt  Herzogs  Wilhelm  im  J.  1831.  Im  Überblick  dargest. 
Wolfenbllttol,  Zwisslor  VIII.  248  S.  M.  3.00  —  171)  M.  Wehrmann,  Z.  Gesch.  d.  Stettiner  Pädagogiums:  MBUGPommG.  5, 
S.  71/5,  82/7,  101/6,  121/4.  152/0,  180/3  —  172)  id.,  Zwei  Erlasse  d.  Herzog«  Job.  Friedrich  v.  Pommern  Über  d.  Disciplin  am 
nirstl.  Pädagogium  in  Stettin  (1593):  MGESchG.  1,  S.  116/21.  -  173)  H.  L.  Fischer,  Aus  Berlins  Vergangenheit.  Ges.  Auf- 
sätze.    Berlin,  üehmigko  (Appelius).  IV,  205  S.    M.  2,00.    (Berliner  Schulhulter  im  18.  Jb.  S.  1/19;  Die  Schulen  u.  Erziehungs- 


121  K.  Eehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesen».  I  6:  i74-i82. 

Bellardi''*)  bemerkenswerte  Notizen.  Berlin  mit  einer  Viertelmillion  Einwohner  hatte 
•l.uiials,  auHser  dein  IHBO  eingerichteten  luid  unter  Diesterweg  (1832—1847)  stehenden 
Stadtscmiimr,  von  welchem  der  Chronist  rühmt:  „Ihm  ist  zu  gutem  Omen  das  Haus  einge- 
räumt, in  welchem  die  König).  EnthindungKsciudo  sich  früher  befand",  B  königlich«,  8  städti- 
sche Gymnasien,  2  Realschulen,  3  höhere  Knabenschulen,  2  höhere  Töchterschulen, 
2  Mittelschulen.  Ausserdem  gab  es  eine  grosse  Anzahl  von  Nachhilfe-  sowie  Sonntagsschulen; 
an  letzteren  wurde  von  3—5  Uhr  in  Ileligion,  Rechnen,  Lesen  und  Schreiben  unterrichtet 
Ferner  bostundon,  seit  1793,  Erwrrbschulcn  für  Mä«lchen,  an  welchen  die  Schülerinnen  ihr 
Schu]g(3ld  mit  Handarbeiten  bozahlton.  Endlich  war  es  Ernst  Eiselen  gelungen,  iwei  private 
Turnanstalten  ins  Leben  zu  rufen.  —  Aus  dem  Nachlasse  von  W.  Crecelius  •'*), 
des  Vaters  der  Bergischen  Geschichte,  hat  Harless  eine  Reihe  von  Aufsätzen  über 
Bergisch-Niederrheinische  Geschichte  herausgegeben,  unter  denen  sich  auch  die  in  den 
Eiberlelder  Gymnasialprogrammen  von  1HH(),  IHH'2,  IHHH  bereits  veröffentlichtcTi  Arbeiten 
über  die  Anfange  des  Schulwesens  in  Elberfeld  befinden.  C.  tritt  dem  immer  wieder 
von  neuem  auftauclienden  Irrtum  entgegen,  dass  das  Mittelalter  nur  Stifts-,  Kloster- 
und  städtische  oder  Pfanschulen  gehabt  hal)e;  es  seien  in  der  zweit<?n  Hälfte  des  Mittel- 
alters nachweisbar  auch  in  Flecken  und  Dörfern  Elementarschulen  vorhanden  gewesen, 
in  welchen  kein  Latein,  aber  Deutsch,  Lesen  und  Schreiben  gelehrt  wiirde.  Ja,  später 
habe  es  in  dieser  Hinsicht  schlechter  gestanden  als  früher:  z.  B.  war  die  bayerische  Re- 
gierung 1575  — IGK)  bemüht,  ältere  Dorfschulen  eingehen  zu  lassen.  Die  Beiträge,  die 
C.  zui-  Biographie  des  einstmaligen  Elberfslder  Rektors  Job.  Leonh.  Weidner  giebt,  ver- 
dienen hier  besonders  hervorgehoben  zu  werden  wegen  der  Bedeutung,  die  Weidner 
nicht  nur  als  Schulmann,  sondei-n  auch  durch  seine  Verbindung  mit  den  Kreisen  von 
Opitz  und  Zincgref  für  die  Litteraturgeschichte  erlangt  hat.  Hat  er  doch  die  Zincgref- 
scheu  „Apophthegniata  oder  Scharpfsinnigen  Sjn-üche  der  Teutschen",  die  er  herausgab, 
um  einen  starken  Band  von  Sprichwörtern  vermehrt,  die  er  selbst  mühsam  ge- 
sannnelt  hatte.  Voll  Selbstgefühl  stellt  er  diese  Sprichwörter  den  Apophthegmaten 
Plutarchs  zur  Seite  und  hält  sie  für  schlagende  Beweise  der  Scharfsiiuiigkeit  der  Deutschen, 
die  viele  für  „Böotier,  die  nicht  über  eins  zählen  könnten",  ansehen  möchten.  Eine 
spätere  Ausgabe  wurde  von  Chi-istian  Weise  eingeleitet.  —  Hier  sei  auch  auf 
Bräniers  !■'**)  verdienstvolle  Mitteihmgen  zur  Statistik  des  Bergischen  Unterrichts  hin- 
gewiesen. —  Ueber  die  Kirchen-  und  Schul  Verhältnisse  Mitaus  in  den  ersten  fünfzig  Jahren 
seines  Bestehens,  etwa  von  1572—1630  berichtet  G.  Otto"')  nach  den  Akten  des  alten 
Notariats-Archivs  im  kurländischen  Konsistorium.  Danach  wurde  15t57  in  Mitau  der 
Bau  einer  Schule  angeordnet,  welche  1595  schon  einen  Rektor  und  einen  Kantor  be- 
sass.  —  C.  Schmidt  178)  bespricht  die  Periode  der  Schulgeschichte  Weimars,  in  der  die 
Bestrebungen  des  Ratichius  in  Kromayer  einen  beredten  Anwalt  fanden.  Zum  ersten 
Male  wird  auf  Grund  noch  nicht  bekannt  gemachter  Akten  ein  Ueberblick  über  die 
Thätigkeit  der  zur  Schulreform  einberufenen  Septemberkonferenzen  von  1(536  gegeben. 
Kromayer,  der  auch  eine  deutsche  Grammatica  geschrieben  hat,  starb,  ohne  seine  Hoff- 
luuigen  erfüllt  zu  sehen.  —  Da  aber  Herzog  Ernst  von  Gotha  mit  Andreas  Reyher  in 
Kromayers  Fusstapfen  trat,  so  wurde,  was  in  Weimar  nicht  möglich  war,  in  Gotha  zum 
grössten  Teile  zur  Ausführung  gebracht.  Die  Bemühungen  beider  Männer  sind  von 
Ehr'''^)  ausführlich  dargestellt  worden.  Unter  den  zahlreichen,  mit  vielem  Fleiss 
zusammengetragenen  Litteraturangaben  fehlen  die  „Monumenta  Germaniae  Paedagogica" 
gänzlich.  —  Mit  einem  Beitrage  zur  Geschichte  des  Dorfschulwesens  der  Diöcese  Grimma 
hat  Däbritz'so)  ^in  Vorbild  geschaifen,  dem  eine  recht  vielseitige  Nachahmung  zu 
wünschen  ist.  Auf  Grund  der  Visitatioiisakten  verfolgt  er  schrittweise  die  Entwicklung 
der  Katecheten-  und  Kinderlehrerschulen,  in  denen  in  der  ersten  Zeit  ihres  Bestehens 
der  Dorfküster  gemäss  den  Bestimmungen  der  Kirchenviaitation  von  1529  die  Aufgabe 
hatte,  der  Jugend  das  Vaterunser,  den  Glauben  luid  die  zehn  Gebote  beizubringen.  Hier 
liegen  die  ersten  Anfange  des  jetzt  so  blühenden  sächsischen  Volksschulwesens.  —  Zur 
Geschichte  und  Statistik  des  Volksschuhvesens  in  Gohlis  hat  E.  Hasse i^')  Beiträge  bei- 
gesteuert. — 

Zalilreich  sind  die  in  Programmen  veröffentlichten  Mitteilungen  zur  Geschichte 
einzelner    Anstalten.     Germann  •**^)    schildert    die  Entstehung  und  Entwicklung  der 

aiisUltoii  vor  100  .lahron  S.  19—61.)  —  174)  V.  Bellardi.  Aus  d.  Berliner  Schulwesen  TOr  55  Jahran:  VZf».  N.  17.  —  178) 
W.  ('recelius.  Z.  Gesch.  d.  Wuppertliales.  5.  D.  Anfttngo  d.  Schulwesens  v.  Elherfeld  u.  J.  t.  W«idenrr,  Koktor  d.  L»t«in- 
srliiile:  ZKergGV.  27,  S.  211—59.  —  176)  K.  Brinier,  Milteil.  Oher  d.  Entwicklung  d.  Kirchen-  n.  Schalwesens  im  ehem. 
Ilerznglumn  Merg:  ZStatintBureau  S.  04  —  80.  —  177)  U.  Otto,  (htr  d.  Kirchen-  u.  Scbalverhlltniss«  Mitaos  in  i.  i.  Hilft« 
d.  1(1.  Jh.:  SItKurlandGs.  1890,  S.  ,5-14.  —  178)  C.  Sehmidt,  Weimurs  Sohiilrerhiltnisüe  ».  Zeit  d.  .30j.  Krieg««  .«periell 
wilhroiul  rt.  .lahro  l(i:l(i  — 4,».  Nach  Studien  in  d.  Archiven  Weimars.  Loiptiger  l>iss.  100  S.  M.  1.00.  —  179)  M.  Ehr,  Meitrr. 
7,  Kiruhen-  u.  Schulenverfassung  d.  Herzogtums  Gotha  his  z.  Tode  Ernsta  d.  Eromni«n  im  J.  1675.  ErlaDger  Diss.  1:^  S. 
M.  1,20.  —  180)  Dllbritz,  Z.  Gesch.  d.  ehem.  Katecheten-  u.  Kinderlehrerschulen  in  d.  DiOc«<ie  Grimma  (.Bericht  Ober  d. 
Kgl.  Sem.  1.  u.  2.)  Cirimma,  Bode.  96  S  (S.  1—45  auch  Leipziger  Diss.)  —  181)  O  E-  Hasse,  Baitrr.  x.  Geseh.  a.  Statistik 
d.  Volksscbulwesens  v.  Gohlis.    Leipxig,  Dunck«r  u.  Uumblot    4".    47  S.    M.  1,00.  —  182)  K.  G  «rmann,  Geaok.  d. Orosahen. 


I  6:  183-197.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  122 

Alzeyer  Realschule  und  des  Progymnasiums.  Die  Schule  hatte,  wie  die  übrigen  Real- 
schulen des  Landes,  eine  mehrfaclie  Aufgabe  zu  lösen :  eine  erweitertere  Bildung  zu  geben, 
als  die  Bürgerscliulen  boten,  das  realistische  Element  zu  betonen  und  zugleich  eine  Vor- 
bereitungsanstalt für  künftige  Studierende  zu  sein.  —  Der  um  die  Geschichte  des  Arn- 
städter  Schulwesens  verdiente  Schulrat  Kr  o  sc  hei  ^^^)  erzählt  weiter  (JBL.  1890 
I  6  :  74)  von  dieser  Anstalt,  die  trotz  der  dürftigen  Verliältnisse,  in  der  sie  sich  befand, 
viel  geleistet  hat.  In  dem  Roman  „Sophiens  Reise  von  Memel  nach  Sachsen"  wird 
ihr  grosses  Lob  gespendet.  —  Buschmann  i^),  der  die  Geschichte  des  Bonner  Gym- 
nasiums zunächst  für  die  kurfürstliche  Zeit  schreibt,  schildert  streng  quellenmässig  das 
Minoriten-  und  Jesuitengymnasium,  dann  die  Anstalt  in  ihrer  Verbindung  mit  der  kur- 
fürstlichen Akademie  und  Universität.  —  In  der  Chronik  des  Gymnasiums  zu  Braunsberg 
verzeichnet  Gruchot  ^8ö)  die  wichtigsten  Massregeln,  die  von  staatlicher  und  kirchlicher 
Seite  vom  11.  Nov.  1870  bis  zum  Jahre  1886  ergritfeu  worden  sind,  und  liefert  hiermit 
eine  Geschichte  des  „Kulturkampfes",  wie  er  sich  in  den  Grenzen  einer  Schule  abgespielt 
hat.  Das  dann  folgende  Verzeichnis  uinfasst  die  Abiturienten  von  1860 — 1890.  —  Als 
eine  Abwelir  der  Angriffe,  die  ein  Teil  der  Presse  gegen  das  Casseler  Lyceum  Frideri- 
cianum  gelegentlich  der  Kaiserlichen  Rede  bei  Eröffnung  der  Schulfragenkonferenz 
richtete,  erscheinen  die  Erinnerungen  eines  Schülers  damaliger  Zeit  ^^6),  der  sich  dankbar 
und  mit  Wärme  seiner  früheren  Lehrer  annimmt.  —  Ueber  die  Stiftsschule  von  Emmerich 
am  Niederrhein  handelt  Göbel  i^^).  Der  Stiftsprobst  v.  Spiegelberg  (f  1483)  war  ihr  Neu- 
begi-ünder;  als  ihre  Rektoren  folgten  auf  einander  Alexander  Hegius,  Petrus  Homphaeus, 
Herman  von  dem  Busche,  Mathias  Bredenbach;  als  dieser  1533  das  Amt  antrat,  fand  er 
1500  Schüler  und  ihre  Zahl  stieg  unter  ihm  auf  2000:  „Concreditur  nobis  iuventus  non 
unius  alicuius  urbis,  sed  orbis".  Diese  Zahl  sank  bis  zum  Jahre  1590  auf  50.  Bessere 
Zeiten  kamen  unter  der  Führung  der  Jesuiten.  1811  aufgehoben,  wurde  die  Anstalt 
1832  preussisches  Gymnasium.  —  Ueber  die  Geschichte  des  aus  einer  fünfklassigen 
höheren  Bürgerschule  entwickelten  Realgymnasiums  zu  Ettenheim  spricht  Höhler^^*'). — 
Bruiiks^*^'*)  Abhandlung  liegen  zwei  in  der  Bibliothek  des  Marienstiftsgymnasivuns  in 
Stettin  befindliche  Sammelbände  zu  Grunde,  deren  Drucksachen  und  Handschriften,  von 
dem  Stettiner  Prediger  Steinbrück  um  1673  zusammengetragen,  sich  auf  die  Kirclien- 
iu)d  Schulverhältnisse  Falkenburgs  von  1582 — 1750  erstrecken.  Die  älteren  Mitteilungen 
beziehen  sich  fast  nur  auf  die  Lehrer.  Der  älteste  vorhandene  Lektionsplan  stammt  aus 
dem  Jahre  1703.  —  Einen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Gymnasiums  in  Gleiwitz,  die 
letzten  25  Jahre  umfassend,  liefert  Ronke  i''^).  —  Detlefsen  I9i)  führt  die  Geschichte 
des  Glückstadter  Gymnasiums  bis  zum  Jahre  1802  fort  (JBL.  1890  I  6  :  81)  unter 
fleissiger  Benutzung  des  urkundlichen  Materials.  —  Eine  ausfülirliche  Darstellung  der 
geschichtlichen  Entwicklung  der  berühmten,  1549  begründeten  Fürsten-  und  Landes- 
schule Grimma  liefert  K.  J.  Rössler^^^^.  Sie  erstreckt  sich  auf  Vorgeschichte,  erste 
Einrichtung,  äussere  und  innere  Geschichte.  Im  Anhange  werden  Urkunden,  Schul- 
ordnungen, Sjieiseordnungen,  Lektionspläne  dargeboten,  unter  diesen  die  erste  Schul- 
ordnung von  1550  und  die  Verordnungen  des  berühmten  Rektors  Adam  Sieber,  über 
dessen  Zeit  Rössler  i''^')  noch  in  einem  besonderen  Programme  Nachrichten  bringt.  — 
Ueber  einen  Grimmaer  Rektor  aus  neuerer  Zeit,  Eduard  Wunder,  und  die  ihm  unter- 
stellten Lehrer  bericlitet  J.  Winter  !'■")  gelegentlicli  der  Ehiweihungsfeier  des  Neu- 
baues der  altehrwürdigen  Anstalt.  —  Zu  der  Gescliichte  des  früheren  Gymnasiums  zu 
Jülich  bringt  Kuhn^»^  einen  ersten  Beitrag.  —  Fassl  und  Salzer  i'"*)  haben  eine  Ge- 
scliichte des  Komotauer  Gymnasiums  verfasst.  F.  beliandelt  den  Zeitraum  von  der  Er- 
öffnung der  von  den  Jesuiten  gestifteten  Anstalt  bis  1881.  S.  führt  die  Clironik  bis  zur 
Gegenwart  fort.  —  Krallinger  i'^'')  beschäftigt  sich  mit  der  Schulgeschichte  der  Stadt 
Landsberg  am  Lech,    indem    er    die  Rede  herausgiebt,    die  der  Lehrer  Dominicus  Zottl 


Realschule  u.  d.  Progymn.  zu  Alzey.  1. 1841— 66.  (=  Festschr.  z.  Feier  d.  50j.  Bestehens  d.  Grosshorz.  Kealsch.  u.  d.  Progymn.) 
Alzey,  Wieprocht,  40.  20  S.  —  183)  Kroschel,  Heitrr.  z.  Gesch.  d.  Arustädtor  Schulwesens  u.  Verz.  d.  Primaner  v.  1765  bis 
1890.  Progr.  d.  Gyran.  Arnstadt,  Frotsclier.  4".  S.  1—25.  —  184)  J.  Buschmann,  Z.  Gesch.  d.  Bonner  Gymn.  1.  Teil. 
JB.  d.  Gyiun.  Bonn,  Ooorgi.  4".  S.  1—40.  —  185)  Gruchot,  Z.  Gesch.  d.  Uymn.  während  d.  letzten  25  Jahre.  Progr.  Brauns- 
berg. 4**.  24  S.  —  186)  D.  Casseler  Gymn.  d.  70  er  Jahre.  Erinnerungen  e.  Schülers  aus  damaliger  Zeit.  Berlin,  Walther  & 
Apolant.  84  S.  M.  1,50.  —  187)  F.  Göbol,  1).  Emmericher  Stiftssohulo:  KZEU.  40.  S.  427—34.  —  188)  W.  Höhler,  Gesch. 
d.  Kealgymn.  zu  Ettonhoim.  E.  Festschrift  z.  Feier  d.  50j.  Bestehens  d.  Anstalt.  Ettonheiui,  Leibold.  50  S.  M.  3,00.  — 
189)  A.  Brunk,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Falkenburger  Schule  im  17.  u.  18.  Jh.:  BaltSt.  41,  S.  223—60.  —  190)  O  W.  Konke, 
1).  letzten  26  Jahre  d.  Gymn.  zu  Gleiwitz  als  Beitr.  zu  e.  Gesch.  d.  Anstalt.  Progr.  4".  41  S.  —  191)  D.  Detlofsen,  Gesch. 
d.  Kgl.  Gymn.  z.  GlUckstadt.  Von  d.  Einsetzung  d.  Coli.  Scholast.  i.  J.  1747  bis  z.  Neuen  GlUckstadt.  Schulregl.  1786. 
3.  Von  da  bis  z.  Rektorate  Gormars  1802.  Progr.  GlUckstadt,  Augustin.  4".  24  S.  —  192)  K.  J.  Rösslor,  Gesch.  d.  Kgl. 
Sachs.  Fürsten-  u.  Landosachule  Grimma.  Leipzig,  Teubner.  323  S.  M.  4,00.  —  193)  i  d. ,  Schulnachrichten  aus  d.  Zeit  v. 
Adam  Sieber.  (=:  Einladungsschr.  z  Einweiliung  d.  neuen  Goblludos  d.  Fürsten-  u.  Landesschulo  Grimma.  Leipzig,  0.  Leiner. 
4".  S.  1—5.)  —  194)  J.  Winter,  Unser  Rektor  u.  seine  Kollegen.  Erinnerungen  e.  alten  Grimraensers.  Leipzig,  Dürr.  56  S. 
M.  0,75.  —  195)  O  Kühl,  Gesch.  d.  früh.  Gymn.  zu  Jülich.  1.  D.  Partikularschule.  1571-1664.  Jülich,  Fischer.  295  S. 
M.  3,60.  —  196)  F.  T.  Fassl  u.  P.  Cl.  Salzer,  Gesch.  d.  Gymn.  in  Komotau  (1591-1881,  1881-90).  (=  Festschrift  z.  300j. 
Gedenkfeier   d.    Gründung   d.    Gymn.)     Komotau,    Butter.      IV,   211    S.     —     197)    J.    B.    Krallinger,    Über    d.    Gesch.   d. 


123  E.  Eehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  I  6:  los-iog. 

1780  heim  öchulaktiiH  gohaltoii  hat.  —  In  einer  DarateHnng  der  Gewchichte  des 
Gyinnasiums  zu  Lyck,  den  lan^ährigen  CentruniH  deutscher  Bildung  in  dem 
ehemals  ganz  ])olni8chen  MasunMi,  deren  erster  Teil  (1887)  die  Schicksale  von 
der  GrCuuluiig  (loHl)  his  1813)  schilderte,  fährt  Bernecker"®]  fort  und  giebt  einen 
Uehorblick  tiber  die  Geschichte  nach  1813,  —  Zwergs'*®)  Chronik  des  Gym- 
nasiums von  Marienwerder  umfasHt  diesmal  die  Zeit  von  18<)3  —  1890.  — 
In  der  Geschichte  des  Dümgymnasiums  zu  Morseburg  behandelt  J.  Witte  ^  nun  die 
Stiftssclude  am  Dom  zu  kursäclisischcr  Zeit  1738 — 1815.  Die  Persoimlunion  mit  Kur- 
sachseu  nach  dorn  Erhischen  des  Hauses  Sachsen-Mnrseburg  (1738)  hatte  für  Stadt  und 
Schule  manchen  Naclitfiil:  das  Merseburger  Gymnasium  trat  hinter  die  Schulen  des  P]rb- 
landcs  zui-ück.  Ansciuudich  schildert  der  Vf.  das  Schulregiment,  die  ijehrer  und  ihre 
kärgliche  Leltenss'.ellung.  Don  Schluss  bildet  eine  Besprechung  der  Lehrpläne  und  Lehr- 
ziele.  —  Zur  Geschichte  des  Gynniasiums  von  Mitterburg,  das  nach  54j.  Bestehen  I8!j0 
nach  Pola  verlegt  wurde,  veröffentlicht  Swida-0')  einen  Beitrag.  —  Kesseldorfer  ^ 
giebt  einen  Ueberblick  über  die  Entwicklung  der  beiden  Schulanstalten  zu  Oberholla- 
brunn in  den  ersten  25  Jahren  ihres  Bestehens  (]8<)() — 18JJ1),  —  Eine  Fortsetzung  und  zu- 
gleich der  Abschluas  der  Geschichte  des  Gymnasium  Carolinum  zu  Osnabrtick  wird  von 
Iber -<*=*)  nach  Urkunden  des  Anstaltsarchivs  und.  des  Staatsarchivs  zu  Osnabrück 
dargeboten.  Auf  die  Jesuiten,  welche  zuerst  hier  des  Lehramtes  gewaltet  hatten,  folgten 
die  Franziskaner,  mit  deren  Pater  pi-ovincialis  di«;  Stadt  1781  einen  förmlichen  Kontrakt 
schloss;  L  teilt  ihn  im  Wortlaute  mit.  Iia  Anfange  luiseres  Jh.  kam  die  Schule  infolge 
der  politischen  Unruhe  und  wirtschaftlicher  Missstände  sehr  herunter,  so  dass  181»)  die 
Schülerzahl  nur  noch  57  betrug.  Erst  1818  hob  sie  sich  wieder;  auch  wurde  in  dem- 
selbfui  Jahre  das  Schulgeld  eingeführt,  womit  eine  Verbesserung  der  Lehrergehälter 
verbunden  war.  —  Interessante  Mitteilungen  zur  Scludgeschichte  Osterodes,  das  schon 
1287  einen  i-ector  scholarum  aufweisen  kann,  hat  E.  Ubbelohde  204)  veröffi^ntlicht.  Sie 
erstrecken  sich  auf  die  Zeit  von  der  Reformation  bis  zum  li).  Jh.  Wie  tief  das  Kirchen- 
und  Schulwesen  um  die  Mitte  des  1(5.  Jh.  stand,  zeigt  deutlich  die  Kirchenordnung  des 
Hei-zogs  Philipp,  der  für  jede  Kirche  die  Anschaffung  einer  Bibel  verlangt  und  den 
Pfarrer  anweist,  dafür  zu  sorgen,  dass  aus  jedem  Hause  wenigstens  Ein  Sohn  zur  Schule 
gehe.  Eine  Verbesserung  dieser  Zustände  verdankt  die  Stadt  der  Thatkraft  Domeyers 
und  vor  allem  Sinderams,  der  1578  eine  von  U.  im  Wortlaut  mitgeteilte  Schulordnung 
aufstellte.  U.s  Beiträge  können  als  dankenswerte  Ergänzung  der  grundlegendt.n  Arbeiten 
Koldeweys  für  Braunschweigisehe  Schulgeschichte  gelten.  —  Die  Entwicklung  des  Gym- 
nasiums zu  Pforzheim  in  den  Jahren  1880 — 1891  schildei-t  H.  Schneider -05),  — 
Einen  Rückblick  auf  das  erste  Säculum  des  k.  k.  Obergymnasiums  zu  Pilsen  (177G 
bis  1891)  hat  Nowack  -0<»)  verfasst.  Die  Lehrkräfte  wurden  anfangs  aus  dem  in  Pilsen 
bestehenden  Dominikanerorden  gewählt,  an  deren  Stelle  nach  Aufhebung  des  Klosters 
(1804)  die  Prämonstratenser  des  Stiftes  Tepl  traten.  N.  macht  ausfühi-liche  Angaben  über 
Scluilgebäude,  Lehrkörper,  Schülerzahl,  Bibliothek  und  Samndungen  sowie  über  die 
verschiedenen  Lehrpläne  seit  177G.  —  Als  Nachtrag  zu  JBL.  18;X)  sei  auf  Dünings'-^') 
Arbeit  hingewiesen,  die  aus  Veranlassung  der  Feier  des  350j.  Bestehens  des  Que<llin- 
l)urger  Gymnasiums  entstanden  ist.  B.  hat  die  im  Magdeburger  Staats-  und  Quedlin- 
burger Rathausarchiv  vorhandenen  Aktenbestände  fleissig  benutzt.  Freilich  reichen  die 
vorhandenen  Quellen  nicht  aus,  um  ein  ..treues  Bild  nicht  inu'  der  äus.seren,  sondern 
auch  der  inneren  Entwicklung  der  Anstalt  zu  geben".  Die  älteste  Erwähnung  einer 
Schule  in  Quedlinburg  fällt  ins  Jalu*  1303.  Wie  die  Stadt,  so  war  die  Schule  Jahr- 
hunderte lang  der  Aebtissin  unterstellt.  Doch  gewann  schon  frühzeitig  der  Magistrat, 
wenn  auch  nicht  ohne  Kampf,  Einfluss  auf  die  Schulverwaltiuig.  —  Ueber  die  Stadt- 
schule zu  Relina  in  Mecklenburg-Schwerin  bringt  ein  Ungenannter^*^)  einen  lesensweiten 
Aufsatz.  Die  Sclmle  war  von  Johann  Albrecht  I.  (y  1576)  begi'ündet  und  anfangs  mit 
einem  Schulmeister,  seit  l()4(j  mit  zwei  Lehrern,  Rektor  uiul  Kantor,  meist  Theologen, 
besetzt.  Im  Laufe  der  Zeit  kam  sie  sehr  herunter,  es  wurde  fast  nur  noch  Religions- 
unterricht gegel)en,  und  erst  1805  hat  man  sie  gebessert.    Neben  ihr  gab  es  eine  Winkel- 


Schulwospns  zu  Landsbprg  am  Lech.  (Kede  v.  Doniinicus  Zöttl  1780):  MOESchO.  1,  S.  249— .55.  —  198)  E.  Koruecker. 
Gesch.  (1.  Kgl.  Gyinu.  zu  Lyck.  2  Tle.  in  1  Bd.  Königsborg,  Hartungsche  VerUgsdrackerei.  1S»7,  1891.  VII.  103  u.  112  S. 
—  199)  tJ.  ^werg,  Üborsiclitou  /,.  Chronik  d.  Kgl.  (iymn.  zu  Marien  werden  3.  Forts.  Progr.  4".  20  S.  —  200)  F. 
Witte,  (iesch.  d.  Donigymn.  zu  Merseburg.  111,1.  D  Stiftsschulo  am  Dom  z.  Morseburg  xa  Kur.slchs.  Zeit.  1738 — 1815. 
Merseburg,  Stollberg.  61  S.  —  201)  F.  Swida,  Z.  Gesch.  d.  Gymn.  t.  Mitterburg.  (=  Progr.  d.  K.  K.  Stuts-(iynn.)  Pol«. 
lU  S.  —  202)  V.  Kesselcforfer,  UUckblick  auf  d.  ersten  2ö  Jahre  d.  k.  k.  Stsats-Gymn  u.  d.  gcwerbl.  Fortbildungs- 
schule in  Oberhollabrunn  1866— ',10  iFortselzung).  Progr.  Obcrhollabrunn.  S.  37—54.  —  203)  H.  Iber,  Gesch.  d.  Gymn. 
Carolinum  zu  Osnabrück.  2.  Teil.  Prugr.  OsnabrOck,  Liesecke.  4".  '-'5  S.  —  204)  Ed.  Ubbelohde,  Itilder  ans  d.  Gesch. 
d.  St.  Agidiengemeinde  zu  Osterode  a.  H.  l=r  Aus  4  Jhh.)  Osterode  a.  H.,  Sorge  (Cunime).  1»S  S.  M.  2,50.  —  205)  H. 
Schneider,  Z.  Gesch  d.  Gymn.  Pforzheim  in  seinem  ersten  Jahrzelint  1880,90.  (=  JB.  d.  Gymn.)  Pforiheira,  WeiodeL 
4".  39  S.  —  206}  W.  Nowak,  UUckblick  auf  d.  erste  SHculum  d.  k.  k.  Obergymn.  in  Pilsen  (1776-1891).  Progr.  d.  k.  k. 
dtsch.  Obergymn.  Pilsen,  Maasch  S.  1—55.  —  207)  A.  DUning,  Gesch.  d.  Gymn.  tu  Quedlinburg.  Festsrbrilt.  Quedlinburg, 
Vogos.    1890.    4«.    48  S.   —   208)   Aus   d.    Gesch.   d.    Kehnaer    Schule:    ETSchilBL   35,   S.  232-48.   —   209)    E.   Hey  den- 


I  6:  2io-22ia.  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichtswesens.  124 

schule,  1770  sogar  deren  vier.  —  E.  Heydenreich  209-2io^  berichtet  kurz  über  das  seit 
500  Jahren  bestehende  Gymnasium  zu  Schneeberg  und  macht  Mitteilungen  über  die  Hss. 
der  alten  Lyceumsbibliothek.  —  Die  ältere  Geschichte  der  Lateinschule  zu  Schwelm 
führt  Tobien^ii)  jetzt  von  der  Zeit  des  30j.  Krieges  bis  zur  Feststellung  der  Schul- 
ordnung von  1720.  —  Die  neueste  Geschichte  des  Realgymnasiums  zu  Sprottau  hat 
R.  Jäckel2i2)  geschrieben.  —  Als  eine  Fortsetzung  der  vorzügliclien  Zoberschen  Ge- 
schichte des  Gymnasiums  zu  Stralsund  (1839 — 1860)  liegt  ein  Beitrag  von  Wähdel^is) 
vor,  der  das  Verzeichnis  der  Direktoren  und  Lehrer  der  Anstalt  zu  Ende  führt.  — 
Ueber  die  Geschichte  des  Schulwesens  in  Ueberlingen,  wo  bereits  in  der  ersten  Hälfte 
des  13.  Jh.  ein  scolasticus  und  doctor  puerorum  vorkommt,  hat  B.  Ziegler -i^)  ge- 
schrieben. —  R.  Reinhard -15)^  ^qj.  bereits  1888  im  Luzerner  Schulblatt  Nachrichten 
über  die  Willisauer  Schule  dargeboten  hatte,  giebt  jetzt,  mit  reichhaltigerem  Material 
ausgerüstet,  ausführliche  Nachrichten  über  die  Schule  aus  der  Zeit  von  1696 — 1800.  — 
Nach  den  Rathausakten  von  Wriezen  behandelt  H.  Böttger^iß)  des  Wriezener  Sub- 
konrektorat  in  den  Jahren  1706 — 1793.  —  Ueber  zwei  frühere  Seminare  Magdeburgs 
spricht  Mackeprang  217).  Das  eine,  von  dem  Abte  Steinmetz  in  Kloster  Berge  be- 
gründet, rekrutierte  sich  aus  Handwerksburschen  und  Bedienten  und  ist  1814  nach  der 
Aufhebung  des  Klosters  eingegangen,  das  andere  des  Rektors  der  Domschule  Funk 
(1772 — 1814)  bildete  Tertianer  dieser  Schule  zu  Lehrern  aus,  ist  1823  Staatsanstalt  ge- 
worden inid  befindet  sich  seit  1855  in  Barby.  —  Eine  „übersichtliche  Geschichte  der 
Lehrerbildungs- Anstalt  in  Salzburg"  verdanken  wir  Anthaller  218).  —  Bieder  219)  giebt 
aus  archivalischen  Quellen  der  Stadt  Frankfurt  a.  0.  die  Geschichte  der  Wieder- 
herstellung des  von  dem  Oberbürgermeister  Thering  1732  in  Leben  gerufenen  und  mit 
industriellen  Unternehmungen  gestützten,  aber  vom  Kriege  fast  ruinierten  Waisenliauses 
durch  den  Berliner  Oberkonsistorialrat  Hecker,  den  Begründer  der  deutschen  Real- 
schule. —  Ueber  die  Geschichte  der  Mädchenanstalt  zu  Gnadenfrei  berichtet  ihr  Rektor 
Reichel220).  Yon  der  werktbätigen  Liebe  der  dortigen  Brüdergemeinde  begründet, 
wurde  sie  1791  mit  7  Mädchen  und  2  Lehrerinnen  eröifnet.  Trotz  manchen  Ungemachs, 
besonders  1792,  gelangte  die  Anstalt  bald  zu  dauernder  Blüte:  2363  Schülerinnen  sind 
in  den  hundert  Jahren  dort  unterrichtet  und  erzogen  worden.  Der  durch  seine  geogra- 
phischen Lehrbücher  bekannte  Ernst  v.  Seidlitz  gehörte  1819 — 1832  als  Inspektor  der 
Anstalt  an.  — 

Schliesslich  seien  hier  noch  verschiedene  Einzelheiten  erwähnt.  Die  in 
dem  kurzgefassten  Plane  der  Monumenta  Germaniae  Paedagogica  in  Aussicht  ge- 
stellte und  bereits  damals  in  Angriff  genommene  Edition  von  Schulkomödien  hat 
leider  nicht  zum  Abschluss  kommen  können,  da  die  Schwierigkeiten,  die  dem  Fortgange 
der  Arbeiten  sich  in  den  Weg  stellten,  erheblicher  waren,  als  man  angenommen  hatte. 
Inzwischen  haben  die  von  Herrmann  und  Szamatölski  221)  herausgegebenen  „La- 
teinischen Litteraturdenkmäler  des  15/16.  Jh.",  die  auch  sonst  für  unser  Gebiet  überall 
bedeutsam  sind,  hier  fördernd  eingegriffen.  —  Eine  quellenmässige  Gescliichte  der 
deutschen  Schulkomödie,  die  sowohl  für  die  Schulgeschichte  als  auch  für  die  Litteratur- 
geschichte  gleich  wichtig  ist,  kann  erst  dann  mit  Erfolg  bearbeitet  werden,  wenn 
von  den  in  Bibliotheken  und  Archiven  noch  ruhenden  Schulkomödien  und  Nachrichten 
über  die  Aufführungen  mehr  an  die  Oberfläche  gehoben  worden  ist.  Flir  eine  Art  der 
Vorarbeiten  hat  Trautmann  221a)  \n  seinen  Regesten  zur  Geschichte  der  städtischen 
Schulkomödie  in  München  ein  Vorbild  geschaffen,  dem  eine  vit^lseitige  Nachahmung 
zu  wünschen  ist.  Seine  Mitteilungen  sind  den  Stadtkammerrechnungen  und  den 
Ratsprotokollen  des  Münchener  Stadtarchivs  entnommen  und  erstrecken  sich  auf 
die  Jahre  1549 — 1618.  Hier  sei  hervorgehoben,  dass  neben  den  Komödien, 
die  biblische  und  plautinische  Stoffe  behandeln,  auch  zweimal  das  „Spiel  vom  geist- 
lichen Ritter"  (1567  und  1568)  agiert  wird.  T.s  Absicht,  diese  Beiträge  durch  Nach- 
richten   über    die    noch   erhaltenen  Schulkomödien  und  die  Lebensschicksale  ihrer  Ver- 


reich, Kurzer  tJberblick  über  d.  Begründung  u.  Entwicklung  d.  Kgl.  Gymn.  z.  Sclinooberg  nebst  e.  kurzen 
Gesch.  d.  Schneeberger  Lyceums.  Festsclirift.  Schneeberg,  Gärtner.  4".  S.  3—10.  —  210)  id.,  Mittl.  a.  d. 
Hbs.  d.  alten  Schneeberger  Lyceumsbibl.  Festschrift  d.  Gymn.  Schneeberg,  Gärtner.  4".  S.  40/8.  —  211)  W.  Tobien, 
Urkundl.  Slittl.  aus  d.  Gesch.  d.  latein.  Schule  zu  Schwelm  vom  Ende  d.  30j.  Krieges  bis  z.  Feststellung  d.  Schweliner 
Schulordnung  v.  24.  Sept.  1720.  (JB.  d.  Kealgynin.)  Schwelm,  Scherz.  4».  S.  1-11.  —  212)  K.  Jackel,  Gesch. 
d.  Realgyinn.  zu  Sprottau  (1866—91).  (=  JH.  über  d.  Kealgymn.)  Sprottau,  Wildner.  4».  8.  1-20.  —  213)  H. 
Wahdel,  Z.  Gesch.  d.  Slralsunder  Gymn.  7.  Beitr.  (1860-90).  Progr.  Stralsund,  Uegier.-Buchdruckerei.  4«.  26  S.  — 
214)  B.  Ziegler,  Z.  Gesch.  d.  Schulwesens  in  d.  ehem.  freien  Reichsstadt  Überlingen.  JB.  d.  höh.  Bürgerschule.  Über- 
lingen, Feyel.  40.  23  S.  -  215)  R.  Reinhard,  Geschichtl.  Über  d.  Schule  in  Willisau-Stadt  bis  z.  J.  1800:  GFr.50,  46, 
S.  1-44.  —  216)  H.  Böttger,  D.  Subkonrectorat  d.  Wriezener  Schule  1706-93.  (=  Ber.  über  d.  Kealprogynin.)  Wriezen, 
Settekorn.  4«.  10  S.  —  217)  P.  Mackeprang,  Zwei  früh.  Seminare  Magdeburgs:  SchulBlProvSachsen  30,  S.  43/6.  -  218)  O 
F.  Anthaller,  Übersichtl.  Gesch.  d.  k.  k.  Lehrerbildnngs-Anstalt  in  Salzburg.  Progr.  64  S.  —  219)  H.  Bieder,  J.  J.  Hecker 
als  Reorganisator  d.  Luth.  Waisenhauses  zu  Frankfurt  a./O.:  SchnlBlProvBnindenb.  56,  S.  586—98.  —  220)  H.  ICeichol, 
J).  Gesch.  d,  Madchenanstalt  zu    Gnadenfrei   von    1791-1891.  Vortr.    Breslau,  Gutsmann.  22  S.  -  221)  S.  u.  II  8.  —  221a)  K. 


125  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  ünterrichtawesens.  I  6:  222-232. 

fasaer  zu  vervollständigen,  sei  baldige  Erfüllung  gewünscht.  222)  —  Einen  namhaften 
Pädagogen  des  !<!.  Jli.,  dor  seinorzoit  an  der  Kulturontwicklung  des  deut«f;lien  Volkes 
und  an  der  Bessorung  der  Schulverhältnisse  redlich  mitgearbeitet  hat,  aber  jetzt  fast 
der  VorgeHseuhoit  anhoinigefallcn  ist,  den  Grimmaor  Fürstenschuldirektor  Hayneccius 
bringt  uns  0.  Hauptes:»)  wieder  näher  durch  don  Neudruck  von  dessen  Komödie  „Al- 
mansor,  dor  Kinder  Schuelspiegel".  H.  giebt  das  Stück  in  der  von  Hayneccius  selbst 
vorfassten  deuisclien  Uebersetzung  vom  Jahre  1582.  Was  den  „Almansor"  von  vielen 
Schulkomödien  des  IG.  Jh.  unterscheidet,  ist  der  Umstand,  dass  er  ausschliesslich  Schul- 
vorhültnisso  behandelt.  Hier  gewinnen  wir  ein  treffendes  Bild  der  damaligen  Zeit- 
umstände, dos  Unverstandes  der  Eltern,  der  Zügollosigkoit  und  Roheit  der  Jugend  und 
der  grossen  Verwahrlosung,  die  in  den  Schulen  herrschte.  —  Einen  sehr  interessanten 
Beitrag  zur  Charakteristik  des  Pennalismus  um  die  Mitte  des  17.  Jh.  bietet  Bolte224) 
durch  die  Veröffentlichung  des  Deutschen  Zwischenspiels,  dius  Joh.  Raue  in  einem  bisher 
unbekannten  siebenaktigen  Drama  zwischen  die  lateinischen  Gespräche  eingeschaltet  hat. 
Der  Ort  der  Handlung  ist  Wittenberg,  wo  Raue  1G20 — 1033  studiert  hatte.  Den  jungen 
Pennal,  der  redend  eingeführt  wird,  lässt  Raue  aus  dem  Gymnasium  in  Stettin  stammen, 
auf  dessen  Disciplin  freilich  die  Rede  des  jungen  Studenten  kein  günstiges  Licht  wirft. 
„Du  weist,  wie  ich  zu  Stettin  aufgetretten  bin,  in  meinen  weissen  Stiffelln  vnd  vergülten 
Sporen,  vnd  zu  Zeit  in  der  Eulenflucht,  vnd  watni  man  keinen  redlichen  Kerlss  erkennen 
mag,  mit  meinen  Plümaachen  vnd  Degen,  ja  wie  ich  auch  keinem  Academico  nicht  vmb 
ein  Haar  breit  gewichen,  viell  weniger  cujuniren  las.sen."  Und  doch  fällt  die  Aufführung 
des  Stückes  gerade  in  die  Blütezeit  des  Stettiner  akademischen  Gymnasiums,  das  damals 
unter  dem  Rektorat  des  Mikraelius  stand. 22&)  —  Einen  weiteren  wichtigen  Beitrag  zur 
Schulkomödio,  wenn  auch  nach  einer  anderen  Richtung  hin,  giebt  der  um  die  Geschichts- 
darstellung des  deutschen  Unterrichtswesens  hochverdiente  Specht  ^26)  in  seinem  Ver- 
zeichnis der  Schulkomödien,  die  auf  der  vom  Fürstbischof  Johann  Franz  Ecker  in 
Freising  errichteten,  bis  zu  ihrer  Auflösung  (1803)  von  Benediktinern  geleiteten  Studien- 
anstalt 1098 — 1800  aufgeführt  wurden.  Der  Wert  einer  solchen  Zusammenstellung  reicht 
weit  über  die  Geschichte  der  Pädagogik  hinaus.  Am  meisten  Nutzen  dürfte  die  Litteratur- 
geschichte  und  die  Geschichte  der  Musik  daraus  ziehen  können.  Denn  eine  Anzahl 
der  angeführten  Komponisten  sind  in  der  Speciallitteratur  nicht  verzeichnet.  — 

Passend  reiht  sich  hier  die  Erwähnung  der  von  Heineck  und  Grössler 227) 
besorgten  Ausgabe  eines  lateinischen  Schulgesprächs  (1090)  über  das  Schmaräkel- 
Kegelspiel  an,  ein  Spiel,  das  zur  Erholung  der  Lateinschüler  Nordhausens  ge- 
dient hat.  Ueber  das  „Schmaräkeln"  selbst,  das  in  der  Grafschaft  Mansfeld  bis  in  un.ser 
Jh.  hinein  gespielt  worden  ist,  hatte  Grössler 228)  schon  ausführhcher  berichtet  und 
damit  einen  wertvollen  Beitrag  zu  der  lückenhaften  Litteratur  über  die  Spiele  gegeben.  — 
Zu  der  gleich  lückenhaften  über  Schulfeste  steuert  Maser  229)  durch  seine  Notizen 
über  das  Kinder-,  Schul-,  auch  Königsfest  in  Memmingen.  —  Die  Art  der  Beteiligung 
der  Schüler  an  der  städtischen  Fastnachtsfeier  lernen  wir  kennen  durch  die  von  Schon- 
ecke 230)  herausgegebene  Eingabe  des  Kantors  Nigidius  an  den  Rat  zu  Lüneburg  aus 
der  ersten  Hälfte  des  10.  Jh.  — 

Ueber  die  Schulmünzen,  die  einesteils  als  Auszeichnungen  an  Schüler  ver- 
teilt, anderetiteils  beim  Rechenunterricht  benutzt  wurden,  bringt  Hein  eck  2:»)  einige 
Nachrichten.   — 

Zum  Schlüsse  sei  auf  Fabians  232)  Darstellung  der  bereits  oben  (N.  65)  er- 
wähnten „fraternitas  scholarium",  einer  derKalandsbrüderschaf^;  ähnlichen  Vereinigung 
von  Männern  und  Frauen  zur  Unterstützung  der  Schulen,  hingewiesen.  Dem  Aufsatze 
sind  die  Satzungen  der  Bruderschaft,  das  „Regestum  pro  fraternitate  scholarium",  aus 
einer  einst  Stephan  Roth  gehörigen  Pergamenthandschrift  der  Zwickauer  Ratsbibliothek 
angefügt.  Die  Brüderschaft  wurde  durch  die  Reformation  1523  aufgehoben  und  ihre 
Gelder  flössen  wie  die  der  anderen  geistlichen  Brüderschaften  in  den  „Gemeinen  Kasten'*, 
aus  dem  fortan  die  Schulen  unterhalten  wurden.  — 


Trantmann,  Archiv.  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Schulkomödie  in  München:  MGESchO.  1,  S.  61/8.  —  222)  (II  4:  11/2,  16,  29,  32, 
35|G.  II  8.)  —  223)  M.  Hayneccius,  Almansor,  der  Kinder  Svhulspiegel.  (S.  u.  II  4  :  15.)  —  224^  Joh.  Raoe,  E.  Zwischenspiel, 
(1648)  her.  v.  J.  Bolto:  AltprMschr.  NF.  28,  S.  25-37.  UM.  W[ehrmann]:  MBlIPommOesch.  5,  S.  61.]|  -  22S) 
(III  4:  l.-J/lÜb.)  -  226)  F.  A.  Specht,  Freisinger  SchulkomJldien  (1698—1800):  MGESchO.  1,  S.  243/8.  -  227)  Heineck 
u.  Grössler,  E.  lat.  Sehulgespräch  Ober  d.  Schmaräkol-Kegelspiel:  MansfeldKIl.  5,  S.  155-6.3.  —  228)  GrOaaler, 
Schraarllkoln  ii.  Platzen,  zw.  eigenart.  Kegelsp.  i.  d.  Grfsch.  Mansfeld.  (M.  2  Taf.):  MansfeldRII.  4,  S.  1I8-.12.  —  229) 
S.  Maser,  D.  Kiodorfest  in  Menimingen:  HllSchulpraxis  Heft  5  u.  6.  —  230)  W.  Schonecke,  Henricns  Nigidius,  Eingabe  an 
d.  Rat  betr.  d.  Beteiligung  d  Schüler  d.  .lohauneums  an  d.  Fastnachtsfeier:  MGESchO.  1,  S.  124—30.  —  231)  H.  Heineck, 
Über  Schalmllnzen :    ib.  S.  267—86.   —   232)  E.  Fabian,  D.  Zwickaner  Schulbmdertchkft:  MAVZwiekan  3,  S.  50—81.  — 


1-3.  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  126 


1,7 

Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Rudolf  Lehmann. 

Allgemeines  und  Me  tliodol  ogisclies  :  Amtliche  Veröffentlichungen  N.  1.  —  Methodik  N.  6.  —  Methodische 
Erlituteningschriften  N.  19.  —  Hilfsmittel  fUr  den  Unterricht:  Schulausgaben  N.  25.  —  LesehUcher  und  Anthologien 
N.  68.  —  Leitfäden  für  Litteraturgesehichte  und  Poetik  N.  93.  — 

Allgemein  es  undMethodologi  sehe  s.  Amtliche  Veröffentlichungen.  Das 
Jahr  1891  ist  das  Jahr  der  preussischen  Schulreform,  und  die  erste  Aufgabe  dieses  Be- 
richtes wird  die  Feststellung  ihrer  Errungenschaften  für  den  deutschen  Unterricht  sein. 
Freilich  hat  der  Gang  der  Ereignisse  den  Vertretern  unseres  Faches  eine,  hoifentlich 
nur  vorläufige,  Enttäuschung  gebracht.  „Wir  müssen  als  Grundlage  für  das  Gym- 
nasium das  Deutsche  nehmen"  —  diese  schnell  berühmt  gewordenen  Worte,  welche  der 
Kaiser  bei  der  Eröflfnvmg  der  sogenannten  Dezomberkonferenz  gesprochen  hat,  konnten 
die  Erwartung  erwecken,  dass  eine  Entwicklung,  die  sich  seit  langem  vorbereitete  und 
langsam,  doch  mit  innerlicher  Notwendigkeit  zu  vollziehen  schien,  von  kräftiger  Hand 
gefördert,  schneller  als  man  hoffen  konnte,  zu  einem  erwünschten  Abschluss  gelangen 
werde.  Zwar  dass  in  der  Konferenz  selber,  deren  amtliche  Protokolle  im  Berichtsjahr 
veröffentlicht  wurden  i),  jener  Gedanke  keinen  wesentlichen  Wiederhall  fand,  mag  be- 
greiflich erscheinen;  waren  es  doch  vorwiegend  Fragen  der  äusseren  Organisation, 
welche  der  Versammlung  von  Seiten  des  Ministeriums  vorgelegt  waren  und  ihre  Ver- 
handlungen ausfüllten  (S.  20/1),  so  dass  selbst  die  Fragen,  welche  der  Kaiser  persönlich 
in  der  ersten  Sitzung  hinzufügte  (S,  92),  soweit  sie  sich  auf  die  innere  Gestaltung  des 
Unterrichts  bezogen,  nur  beiläufig  Berücksichtigung  fanden.  —  Allein  auch  die  amtlichen 
Lehrpläne,  welche  gegen  Ende  des  Jahres  erschienen  sind  2j^  bezeichnen  weder  in  der 
äusseren  Organisation  noch  hinsichtlich  der  Methode  einen  wesentlichen  Foi'tschritt. 
Die  wöchentliche  Stundenzahl  ist  für  den  gesamten  deutschen  Kursus  des  hvim anistischen 
Gymnasiums  um  die  kaum  nennenswerte  Zahl  von  drei  vermelirt  (je  eine  in  Quarta  und 
in  beiden  Sekunden),  für  das  Realgymnasium  sogar  um  eine  (Quinta)  vermindert  worden. 
Da  nun  schon  für  die  bisherigen,  nach  mehreren  Richtungen  hin  weniger  umfangreichen 
Aufgaben  des  deutschen  Unterrichts  in  den  mittleren  und  oberen  Klassen  die  Zeit 
nicht  ausreichte,  so  muss  das  Missverhältnis  zwischen  der  Bedeutung  des  Unterrichts- 
faches und  dem  ihm  eingeräumten  Platz  sich  in  Zukunft  noch  drückender  als  früher 
geltend  machen.  Die  verlangte  Beschäftigung  mit  den  nacliklassischen  Dichtern  z.  B. 
kann,  solange  die  Stundenzahl  in  Prima  die  alte  bleibt,  unmöglich  über  die  alleräusser- 
lichsten  Ansätze  hinausgehen,  da  die  Zeit  kaum  für  die  klassischen  Epochen  ausreicht. 
Im  übrigen  ist  hinsichtlich  des  Lektüre-Unterrichts  —  etwas  besser  steht  es  um  die 
stilistische  Ausbildung  —  vor  allem,  auffallend,  wie  wenig  Berücksichtigung  die  Gesichts- 
punkte gefunden  haben,  welche  in  der  Litteratur  des  Unterrichtsfaches  während  der 
letzten  beiden  Jahrzehnte,  z.  B.  in  den  Arbeiten  von  Frick,  Goldscheider  u.  a.  (JBL.  1890), 
hervorgetreten  sind.  Die  Verteilung  des  Stoffes  ist  zwar  weiter  als  ratsam  ins  einzelne 
hinein  vorgeschrieben,  allein  von  leitenden  Gesichtspunkten  ist  wenig  oder  nichts  zu 
entdecken,  und  die  Vorschriften  über  die  Methode  der  Lektüre  beschränken  sich  auf  die 
bekanntesten  pädagogischen  Grundregeln.  Ein  Teil  der  Bestimmungen  steht  geradezu 
im  Widerspruch  mit  dem  grössten  Teile  der  Fachstimmen,  wie  z.  B.  das  verstärkte 
Ge\\dcht,  das  auf  freie  „Vorträge  der  Schüler  nach  eigenen  Ausarbeitungen"  gelegt 
wird,  andererseits  die  wiederholte  Vorsclirift,  Proben  z.  B.  von  mhd.  Litteratur  und  von 
neueren  Dichtern  zu  geben.  An  Sachkenntnis,  Klarheit  und  Gründlichkeit  der  Durch- 
fülirung  steht  dieser  Entwurf  tief  unter  den  österreichischen  Instruktionen  über  den 
deutschen  Unterricht  von  1884.  Darüber  hilft  es  nicht  hinweg,  wenn  in  den  Lehr- 
plänen und  insbesondere  in  der  Prüfungsordnung  die  Bedeutung  des  deutschen  Unter- 
richts hervorgehoben  wird,  und  nur  wenn  man  den  jetzt  geschaffenen  Zustand  als  ein 
Uebergangsstadium  ansieht,  wozu  mancherlei  Anlass  vorliegt,  wird  man  in  dieser  theo- 
retischen Anerkennung  einen  Erfolg  sehen,  der  die  praktischen  Folgen  allmählich  nach 
sich  ziehen  muss.  —  Auch  ein  Teil  der  deutschen  Mittelstaaten  hat  in  den  letzten 
Jahren  seine  Lehrpläne  erneuert,  jedoch  ohne  einen  bemerkenswerten  Einfluss  der  neuen 


I)  Verhandlungen  Über  Fragen  d.  höh.  Unterrichts.  Berlin,  4.-17.  De«.  1890.  Berlin,  W.  Hertz.  IV,  800  S.  M.  10,00.  — 
2)  Lohrplnne  u.  Leliraufgahon  fllr  d.  höh.  Schulen  nebst  Erläuterungen  u.  AusfUlirungsl)ostimitiungen.  Berlin,  W.  Hertz  77  S. 
M.  0,75.    —    3)  I).  Schulordnung    f.  d.   humanistischen  Gymnasien    im  Königr.  Bayern.    Ansbach,  Brligel  &  Sohn.     IC.     56  S. 


127  Rud.  Lehmann,  Litteratvir  in  der  Schule.  I  7:  4-6. 

preussischen  Bestimmungen;  eher  lässt  sich  eine  Nachwirkung  der  preussischen  „revi- 
dierten Lohrpliine"  von  1882  feststellen.  Dies  gilt  insbesondere  von  den  Bestimmungen 
der  bayerischen  Schulordnung  ^)  über  die  Ziele  des  deutschen  Unterrichts.  Im  einzelnen 
sind  sie  hinsichtlich  der  Behandlung  der  Litteratur  knapper,  schärier  und  einheitlicher 
als  die  preussischen;  doch  macht  hIcIi  mehrfach  eine  nicht  glückliche  Neigung  dahin 
geltend,  das  Formale  der  Poetik  und  Metrik  allzu  sehr  in  den  Vordergrund  zu  drängen. 
Die  xniteren  und  mittleren  Klassen  sind  mir  in  ganz  allgemeinen  Wendungen  berück- 
sichtigt. Für  die  Prima  ist  „ein  historischer  Ueberblick  der  deutschen  Litteratur  von 
der  ältesten  Zeit  bis  in  das  19.  Jh."  vorgeschrieben,  während  die  preussischen  Lehr- 
pläne sich  für  die  ältere  Zeit  mit  „Ausblicken  auf  nordische  Sagen  vuid  die  grossen 
germanischen  Sagenkreise,  auf  die  höfische  Epik  und  die  höfische  Lyrik"  und  für  die 
neuere  Zeit  mit  „Lebensbildern  aus  der  deutschen  Litteraturgeschichte"  begnügen.  Das 
Richtige  liegt  in  der  Mitte:  die  preussischen  Lehi-pläne  verlangen  entschieden  zu  wenig, 
die  bayerischen  köinien,  wenn  sie  nicht  vorsichtig  ausgeführt  werden,  wieder  zu  der 
nuinnehr  veralteten  Methode  zm'ückführen,  welche  der  Litteraturgeschichte  einen  allzu 
breiten  Platz  im  Unterricht  einräumte.  —  An  sonstigen  amtlichen  Publik.ationen  liegen 
die  Verhandhnigen  zweier  Direktorenversammlungen  vor,  die  sich  mit  dem  deutschen 
Unterricht  beschäftigen.  Naturgemäss  gelangt  die  Bedeutung  solcher  Verhandlungen 
in  dem  gedruckten  Bericht  nur  unvollkommen  zum  Ausdruck.  Denn  ihren  Wert  haben 
sie  in  erster  Linie  für  die  Teilnehmer  selbst,  welchen  sie  eine  hervorragende  Gelegen- 
heit bieten,  sich  in  gegenseitiger  Ausspi-ache  zu  klären,  und  sodann  namentlich  für  die 
Verfjisser  der  zahlreichen  Gutachten,  welche  den  Referaten  zu  Grunde  gelegt  werden. 
Denn  diese  werden  genötigt,  über  die  nächsten  ])ersönlichen  Erfahrungen  und  Bedürf- 
nisse, in  denen  die  Praxis  iiberall  so  gerne  stecken  bleibt,  hinauszugehen  und  allgemeine 
Ueberblicke  zu  suchen;  sie  werden  veranlasst,  von  der  Litteratur  ihres  Lehrfaches  Kennt- 
nis zu  nehmen;  und  so  stellen  jene  Berichte  oft  eine  erspriessliche  Vermittelung  zwischen 
Theorien  inid  Praxis  dar.  Dagegen  haftet  den  Gesamtreferaten  und  Gegenberichten, 
die  in  den  Versammlungen  selbst  zum  Vortrag  und  nachher  zum  Dnick  gelangen,  un- 
vermeidlich etwas  Subjektives  an:  die  Persönlichkeit  des  Berichterstatters  tritt  natur- 
gemäss in  der  Beurteilinig  der  vorliegenden  Fragen  inid  Berichte  so  stark  hervor,  dass 
nur  in  den  Ausnahmefällen,  wo  eine  Fachautorität  spricht,  dem  Referat  ein  objektiver 
Wert  ziikommen  kann,  und  die  kurzen  Protokolle  über  die  Debatten  geben  nur  eine  ini- 
voUkommene  Ergänzung.  So  bleiben  als  objektiv  wertvolles  Material  in  den  meisten  Fällen 
nur  die  angenommenen  Thesen  übrig,  welche  als  Meinungsausdruck  einer  grossen  An- 
zahl von  Fachmännern  ins  Gewicht  fallen;  und  hier  gelangt  denn  in  der  That  der  ge- 
sunde Menschenverstand  der  Praxis  oft  in  erfreulicher  W^eise  zu  Wort.  In  den  vor- 
liegenden beiden  Bänden  gilt  das  namentlich  von  den  Beschlüssen  der  Pommerschen 
Direktorenkonferenz  *)  zum  „Unterricht  der  oberen  Klassen  im  deutschen  Stil",  die  freilich 
in  einigen  Punkten  einen  auflFallenden  Widerspruch  zu  dem  aufweisen,  was  dieselbe 
Konferenz  über  den  Unterricht  der  mittleren  Klassen  festgesetzt  hat.  So  wird  z.  B. 
für  die  oberen  Klassen  bestimmt  (S.  293):  „Die  A\ifsatzthemen  sind  in  erster  Linie  der 
deutschen  Litteratur,  demnächst  auch  den  fremden,  besonders  insofern  sie  auf  die 
deutsche  eingewirkt  haben  oder  fruchtbare  Vergleiche  ergeben,  zu  entnehmen.  Auf- 
gaben, welche  sich  auf  einen  ausserhalb  des  Schulunterrichts  liegenden  Stoff  beziehen, 
vermögen  zwar  die  Ausdrucksfähigkeit  der  Schüler  zu  fördern,  treten  aber  fremdartig 
und  störend  in  den  Gang  des  Unterrichts.  Allgemeine  Themata  ohne  jede  Anlehnung 
an  einen  Lehr-  oder  Lesestoff  gehen  über  die  Kraft,  und  Reife  der  Schüler  hinaus; 
wenigstens  erfordern  sie  eine  sehr  eingehende  Vorbereitung."  Mit  diesen  richtigen 
Sätzen  ist  es  denn  doch  nicht  gut  in  Uebereinstimnnnig  zu  bringen,  wenn  es  S.  277 
heisst:  „Die  Stoffe  für  die  Aufsätze  bietet  der  gesamte  Untemcht  und  das  Leben.  In 
den  mittleren  Klassen  werden  Erzählung,  Beschreibung,  Schilderung  und  Betrachtung 
von  Fragen  geübt,  deren  Beantwortung  aus  der  Schullektüre  und  aus  der  Beobachtung 
des  Lebens  zu  schöpfen  ist."  —  Von  den  „Leitsätzen"  der  Posener  Direktoren- 
versammhmg  ^)  kommen  der  vorhandenen  Schullitteratur  gegenüber  besonders  N.  5  und  7 
in  Betracht;  sie  lauten:  „Während  ein  litterarhistorisches  Lesebuch  für  die  oberen  Klassen 
kein  dringendes  Bedürfnis  ist,  kann  ein  rhetorisch-stilistisches  kaum  entbehrt  werden." 
„Die  Frage  nach  der  Einrichtung  des  Lesebuches  ist  bei  der  Verschiedenheit  der  An- 
schauungen und  wegen  der  dazu  nötigen  Vorarbeiten  gegenwärtig  nocht  nicht  zu  lösen."  — 
An  der  Spitze  der  Schriften  über  Methodik  des  deutschen  Unterrichts  nennen 
wir  ein  Artikel  von  R.  Hildebrand  «),  der  warm  und  kraftvoll  für  die  centrale  Stellung 


M.  0,40.  —  4)  Verhandlungen  d.  Direktoren-Versanimlungon  in  d.  Provinzen  d.  Kfinigr.  Preussen  Foit  d.  J.  1879.  30  Rd. 
9te  Direktoren-Vers,  in  d.  Provinz  Posen.  I.  D.  deutsclio  nuterrielit  in  d.  Sekunda  u.  Prima.  S.  1—74  u.  187—203.  l'.erlin, 
Weidmann.  VII,  237  S.  M.  5,00.  —  5)  Verhandlungen  d.  Direktoren-Versammlungen  in  d.  Provinien  d.  KOuigr.  Preussen  seit 
d.  J.  1879.  37  Bd.  Ute  Direktoren -Vors.  in  d.  Provinz  Pommern.  I.  D.  Unterricht  auf  d.  höh.  Lehrmnst  im  deutschen 
StiL    S.    1—116,    266—94.    ebda.    X,  322  S.      H.    7,00.    —     6)    Kud.    Hildebrand,    D.    Deutsche     in    d.    Schale    d.    Zo- 


I  7:  7-8.  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schale.  128 

des  Deutschen  „in  der  Scliule  der  Zukunft"  eintritt.  „Es  handelt  sich  um  eine  grosse 
Bewegung,  die  den  einzelnen  nicht  fragt,  was  er  will  oder  nicht  will,  was  er  möchte 
oder  nicht  möchte,  sondern  mit  einer  Art  elemenfarer  Gewalt  ihren  Weg  nimmt." 
„Wenn  das  Deutsche,  das  Vaterländische  und  Heimische  und  Eigene  in  den  innersten 
Kreis  unseres  Erziehungswesens  und  damit  unserer  Bildung  einrückt,  —  so  bedeutet 
das  an  und  für  sich  gar  nicht  eine  Aenderung  im  Bestände  und  Inhalt  unserer  Bildungs- 
welt, sondern  nur  in  ihren  inneren  Verhältnissen,  in  denen  eine  Verschiebung  nötig  ist, 
welche  die  Natur  verlangt  und  lange  schon  still  von  selber  durchsetzt."  Je  richtiger  aber 
und  treffender  dies  ist,  um  so  befremdlicher,  ja  in  solchem  Munde  bedauerlicher  erscheint 
die  Schlusswendung  des  Artikels:  „Es  gebührt  der  Schule  die  Füln-ung  zu  übernehmen, 
wie  sie  im  16.  Jh.  that,  als  es  galt,  die  griechisch-römische  Welt  dem  Geiste  als  Bildungs- 
stoff zuzuführen.  Die  damals  begonnene  Periode,  die  man  gewöhnlich  als  die  der 
Renaissance  bezeichnet,  läuft  nun  ab,  wir  erleben  den  Beginn  der  deutschen  Periode, 
die  eigentlich  schon  lange  unter  der  Hand  begonnen  hat  .  .  .  Wir  kommen,  das  ist  kein 
Zweifel  mehr,  endlich,  endlich  zu  uns  selbst,  wie  im  politischen  und  nationalen  Leben, 
so  im  Geistesleben,  das  ja  vom  nationalen  schon  mit  eingeschlossen  ist,  und  damit  be- 
ginnt, das  ist  auch  kein  Zweifel  mehr,  ein  neuer  grosser  Hauptabschnitt  unseres  Lebens." 
Worauf  der  berühmte  Vf.  diese  Gewissheit  einer  neuen  Epoche  nationalen  Geisteslebens 
in  der  Gegenwart  eigentlich  stützt,  wird  wohl  vielen  nicht  so  zweifellos  erscheinen  als 
ihm  selber;  allein  es  ist  hier  nicht  der  Ort,  darüber  zu  rechten.  Aber  gerade  im  Liter- 
esse unserer  Sache  muss  entschiedener  Protest  erhoben  werden  wider  den  Gegensatz, 
in  welchen  die  Worte  H.s  den  deutschen  Unterricht  und  seinen  Inhalt  zur  Renaissance- 
bildung stellen.  Wenn  man  von  einem  vorurteilslosen  Standpunkt  aus  für  die  centrale 
Stellung  des  deutschen  Unterrichts  eintreten  darf,  so  geschieht  das  gerade,  weil  die 
Renaissance,  auf  welcher  alle  moderne  Geisteskultur  beruht,  im  deutschen  Klassizismus 
einen  vollendeten,  vielleicht  ihren  vollendetsten  Ausdruck  gefunden  hat,  einen  Ausdruck, 
der  zugleich  dem  besten  und  innersten  Zuge  xuiserer  Nationalität  entspricht  und  doch 
auch  eben  darum  über  alle  nationalen  Schranken  hinausragt.  Weil  dem  so  ist,  hat  es 
keine  Berechtigung  mehr,  unsere  Jugendbildung  noch  immer  in  erster  Linie  auf  das 
Altertum  zu  gründen  und  die  deutsche  Litteratur  nur  zur  Ergänzung  herbeizuziehen, 
das  Verhältnis  kehrt  sich  naturgemäss  um:  jene  „Verschiebung",  von  der  H.  spricht, 
vollzieht  sich  mit  innerer  Notwendigkeit.  Mag  es  immerhin  richtig  sein,  dass  das 
moderne  Geistesleben  neue  Bahnen  der  Entwicklung  zu  beschreiten  beginnt,  gerade  die 
Aufgabe  der  höheren  Sch\ile  wird  und  muss  es  noch  auf  lange  hin  sein,  den  Zusammen- 
hang mit  der  geschichtlichen  Grundlage  der  modernen  Kultur  festzuhalten.  Sollte  aber 
„nationale  Bildung"  soviel  heissen  wie  Losreissung  von  dieser  Grundlage,  dann  ist  es 
besser,  wir  halten  uns  nach  wie  vor  an  Homer  und  Vergil,  an  Demosthenes  und  Cicero. 
Denn  hier  finden  wir  wenigstens  einen  an  sich  unvergänglichen  Kulturinhalt,  der  dem 
deutschen  Wesen  von  dem  Augenblicke  an  fehlen  würde,  da  es  sich  in  einen  unbe- 
rechtigten Gegensatz  zu  seiner  eigenen  Vergangenheit  hineindrängen  Hesse.  —  Auch  der 
Artikel  von  0.  Lyon  '')  gehört  hierher,  der  mit  begeisterten  Worten  „die  gewaltige 
Kaiserrede"  begrüsst,  mit  der  die  Beratung  über  die  Schulfrage  in  Preussen  eröffnet 
wurde.  Die  Hoffnung,  die  L.  an  sie  knüpft,  dass  die  Konferenz  „unserer  Schule  die 
ersehnte  Gestalt"  geben  würde,  hat  ja  allerdings  der  Portgang  der  Ereignisse  nur  in 
sehr  geringem  Maasse  bestätigt.  —  Wenigstens  mittelbar  aus  der  amtlichen  Thätigkeit 
hervorgegangen  sind  die  beiden  ausgeführten  „Lehrpläne"  von  Klee  in  Bautzen  und 
von  Schnippel  in  Osterode.  Schnippel^)  stellt  eine  bis  ins  einzelnste  gehende  Ein- 
teilung des  litterarischen  wie  des  grammatisch-stilistischen  Lehrstoffs  für  die  Klassen 
Untertertia  bis  Prima  auf,  indem  er  überall  zugleich  die  Methode  der  Behandlung  kurz 
vorzeichnet  und  reichliche  Litteraturn achweise  anfügt.  Je  mehr  nun  freilich  solche 
Vorschläge  ins  einzelne  gehen,  desto  unvermeidlicher  ist  es,  dass  lokale  Bedürfnisse  und 
Eigentümlichkeiten,  wechselnde  Zeitverhältnisse  und  individuelle  Neigungen  des  Vf. 
darin  zur  Geltung  kommen.  Schon  der  Umstand,  „dass  sämtliche  Aufstellungen  durch- 
weg den  sogenannten  Neuen  Lehrplänen  vom  31.  März  1882  angepasst  wurden",  weist 
darauf  hin ;  die  Abänderung  der  amtlichen  Lehrpläne  würde  an  manchen  Stellen  des 
Buches  entsprechende  Aenderungen  erfordern.  Aber  auch  abgesehen  hiervon  kann  eine 
so  eingehende  Auswahl  und  Verteilung  des  Lehrstoffies,  wie  sie  z.  B.  auf  S.  70 — 77  für 
die  Prima  entworfen  ist,  doch  nur  so  weit  eine  allgemeine  Geltung  beanspruchen,  als  sie 
sich  auf  allgemein  anerkannte  oder  in  der  Arbeit  selbst  begründete  Prinzipien  stützt. 
Allein  auf  eine  theoretische  Begründung  hat  S.  Verzicht  geleistet,  luid  von  der  minutiösen 
Genauigkeit,  mit  welcher  Stoff  und  Reihenfolge  der  Lektüre  bestimmt  sind,  sticht  die 
Unbestimmtheit    und   Kürze    auffallend    ab,    mit    welcher    z.  B.   S.  77/8    die    Gesichts- 


knnft:  ZDU.    5,  8.  1/6.  —  7)  0.  Lyon,  D.  Kaiser  Über  d.  dtsch.  Unterricht :  ib.    S.  81/7.  —  8)  K.  Schnippel,  Ausgeführter 
Lehrplan  im  Deutschen  fUr  d.  mittl.  u.  ob.  Klassen  hOh.  Lehranst.    E.  Entwurf.     Berlin,  B.  Qaertner.     XVI,  9ö  S.    M.  1,80.  — 


129  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  I  7:  »-is 

punkte    für  den  Prinianerunterricht  entworfen  werden.      Gruppierung    des    Stoffes    und 
innere  Eiiiheits[)Utikte    fordort  S.  zwar;    allein    es  würde  nicht  möglich  sein,    sich    nach 
der  hier  gegebenen  Aufzälilung    ein  klares  Bild    von  der  Eigenart  eines  entsprechenden 
Unterrichts    zu    machen.      Es    sollen    nämlich    als    Concentrationspunkte    neben    dem 
„litterarischen     Cluiraktorbild     des    jedesmal     behandelten    Schriftstellers"    in    Betracht 
kommen  „die  Bogriffe  der  Humanität,   der  Freiheit,  der  Bestimmung  des  Menschen,  der 
Aufgabe    von  Kunst    und  Wissenschaft    innerhalb    der  Gesamtkultur,    insbesondere    der 
Diclitkunst,  der  Unterschiede  des  Antiken  und  Modernen,  aber  auch  solche  wie  Bildung, 
Idealismus,  Ehre,  Vaterland".     Wie  viel  klarere  und  bestimmtere  Grundzüge    hat  Gold- 
schcider  in  der  JBL.  JHiM.)  besprochenen  Schrift  dem  litterarischen  Unterricht  der  Prima 
vorgczeicluiet,  und  doch   sind  es  nur  allgemeine  Gesichtspunkte,    die  er  behandelt,    und 
er  linlt  sich  von  Einzelheiten  der  Praxis  fast  durchgängig  fern.    Angesichts  dessen  wird 
man  S.  nicht  beistimmen  kcnnien,  wenn  ihm    „der  Versuch,    einen  solchen  Leluplan    zu 
sohatfen,  noch  ungleich  wichtiger    als    eine  Tlieorie   des    Lehrplans"    erscheint    (S.  10.). 
Der  Wert  einer  derartigen  Arbeit  wird  vielmehr  vorwiegend    darin    bestehen,    dass    sie 
„zum    Austausch    mannigfaltigster    Erfahrungen"    beiträgt,    dass    sie    „eine    brauchbare 
Unterlage  weiterer  Eröi'terungon"  abgiebt  und  somit  Material  für  eine  Theorie  des  Lehr^ 
plans  liefert.     Unter  dieser  Beschränkung,  die  auch  S.  selbst  S.  IX  und  X  des  Vorworts 
anzuerkennen  scheint,    darf   man    seiner  Arbeit    einen    beachtenswerten  Platz    zuweisen. 
Es    ist    eine    verständige    und    überaus    fleissige  Zusammenstellung,    die    sich    nament- 
lich    auch     durch     aussergewöhnlich     sorgfaltige     Litteraturbenutzung    auszeichnet.    — 
Eine    weitergehende    Bedeutung    kommt    der    Arbeit    von    Klee  '•)    zu,    welche    in    der 
Zeitschrift  für  den  deutschen  Unten-icht  vor  dem  Schnippeischen  Werkchen,  in  Buchform 
erst  nach  ihm  erschienen    ist.     Zwar    können    auch    hier  Anordnung  und  Auswahl    des 
Lehrstoffes  eine  aiitoritative  Geltung  nicht  beanspruchen ;  sie  schliessen  sich  vielfach  an 
das  Herk (humliche  an    \ind    sind    in   den  Einzelheiten    oft    anfechtbar;    gerade    der  Ref. 
sieht  sich    mannigfach    zum  Widerspruch    genötigt.     Was    dem    Buche    aber    einen    all- 
gemeinen Wert  verleiht,  ist  das  Gewicht,  das  auf  die  Behandlung  des  Lelu-stoffes  gelegt  ist* 
Mit   liebevollster  Sorgfalt  und  eingehendstem  Verständnis  ist  die  Methode  für    die    ver- 
schiedenen   Zweige    des    deutschen  Unterrichts    der    mittleren    und    zumal    der    unteren 
Klassen  entworfen.    K.  bezeichnet  es  als  sein  nächstes  Ziel,  ,jüngeren  Lehrern,  die  noch 
wenig  Erfahrung  im  deutschen  Unterricht  besitzen,  zu  zeigen,  was  sie  in  den  von  ihnen 
oft  gefürchteten  Stunden  zu  treiben,  und  zugleich,    wie    sie  es   etwa  anzufassen  haben". 
Dies  Ziel  ist  vollkommen  erreicht:    man  kann  jedem  in  die  Praxis    eintretenden  Lelirer 
des  Deutschen  K.s  Büchlein  empfehlen,  und  auch  erfahrene  Pädagogen  werden  sich  der  um- 
sichtigen und  tüchtigen  Arbeit  freuen.  —  Was  die  Methodik  im  engeren  Sinne  betrifft,  so 
finden  wir  hier  keine  Schrift  von  Belang,    die   sich  mit  dem  gesamten  Gymnasialkursus 
beschäftigt.     Das  Programm  von  L.  Weber lO)^    das  die  poetische  Lektüre  aus  den  ver- 
scliiedenen  Sprachen  behandelt,  fordert,  „dass  die  höheren  Schulen  vor  allem  die  Schüler 
in  der  nationalen  Poesie  heimisch  machen.    Das  muss  die  Welt  sein,  in  der  er  vollkommen 
lebt  und  woraus  er  Nahrung  zieht  für  sein  ideales  Leben."     Doch  wird  zur  Begründung 
oder  Aiisführung  dieser  gewiss  berechtigten  Forderung  nichts  Neues  beigebracht.  —  Die 
Unter-  und  Mittelstufe   des  Gymnasiums    berücksichtigt    eine  Arbeit    von  M.  Miller'^). 
Auffallend     oft     stösst     man     in     der      pädagogischen     Litteratur     der     letzten     Jahre, 
soweit    sie    den  deutschen  Unterricht  betrifft,    auf   das    naive  Bekenntnis,    dass  der  Vf. 
eigentlich    nichts    zu    sagen    habe,    was    andere    nicht    schon    gesagt    hätten.      Haupt- 
sächlich   findet    man     es    freilich    in    Programmen,     die    ja    oft    der   Not    gehorchend, 
nicht     dem     eigenen    Trieb     des    Autors     ins    Leben     treten;     auch    M.    beginnt     sein 
Vorwort    mit    einem    solchen    Geständnis,    das    denn    der    Lihalt    des    Büchleins,    der 
einige    leidlich    brauchbare  Winke    für    die  Praxis    bringt,    zu    bestätigen    scheint      Ob 
die  Fragen  des  deutschen  Unterrichts  wirklich  schon  so  „allseitig",    wie  M.  meint.,    er- 
ledigt sind,  dass  hier  der  Theorie  nichts  mehr  zu  tliun  bleibt?    oder  ob  die  Herren,  die 
in  diesem  Fache  thätig  sind,   nur    mehr    Selbsterkenntnis  besitzen    als  die  Autoren  auf 
anderen  Gebieten?     In  jedem  Falle  sollten  sie  doch  die  Konsequenzen  ihrer  Erkenntnis 
ziehen.    —    Das    anspruchslose    Programm    von    Corsenn  '2)    enthält    eine  vielfach    be- 
rechtigte   negative    Kritik    der    ersten    drei    Jahrgänge    des    Lesebuchs    von    Hopf  und 
Paulsiek,  natürlich  in  seiner  früheren  Gestalt.      Das  daran  geknüpfte  Urleil   über  einige 
andere    gebräuchliche    Lesebücher    ist    zu    kurz    und    skizzenhaft,    um    ins    Gewicht    zu 
fallen.  —  Von  allgemeinem  Interesse  ist,  trotz  des  speciellen  Gegenstandes,  die  Polemik 
von  Kniescheck  13)  gegen  einen  Abschnitt  der  österreicliischen  „Instruktionen  für  den 


9)  O.  Klee,  AasgefUirter  Lehrplan  f.  d.  dtsch.  Unterricht  an  d.  Unter-  n.  Mittelklassen  e.  sSchsischen  Oymn.  Leipzig, 
Teubner.  VIII,  106  8.  M.  1,60.  —  10)  L.  Weber,  D.  poetische  Lektflre  auf.  d.  Gymn.  (I.Teil.)  Progr.  d.  kgl.  Lnisen-Gymn. 
Berlin.  40.  24  S.  —  II)  M.  Miller,  Z.  Methodik  d.  dtsch.  Unterrichtes  auf  d.  Unter-  u.  Mittolstufo  d.  Gynin.  Mönchen. 
Pohl.  VII,  71  S.  M.  1,20.  —  12)  A.  Corsenn,  Beitrr.  z.  dtsch.  Unterrichte.  Progr.  d.  höh.  Bürgerschule  u.  d.  Real- 
progymn.  GeestemUnde.  56  S.  —  13)  J.  Kuicschek,  Ueber  d.  dtsch.  Unterricht  in  d.  Quinta.  Progr.  Reichenberg.  14  S. — 
Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Littentorgeschiohle  LI  ni.  9 


I  7:  14.  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  130 

Unterricht",  welcher  für  die  fünfte  Gymnasialklasse,  die  unserer  Obertertia  bis  Unter- 
sekunda entspricht,  eine  systematische  Poetik  fordert.  K.  wendet  sich  teils  gegen  den 
verfrühten  Platz  im  Unterricht,  da  es  hier  noch  rieht  möglich  sei,  die  Einsif  ht  in  die  Unter- 
schiede der  Kunstformen  aus  dem  Boden  der  Erfahrung  hervorwachsen  zu  lassen,  teils 
gegen  eine  mehr  als  gelegentliche  Berücksichtigung  der  Poetik  überhaupt.  K.  schiesst  zu- 
weilen über  das  Ziel  hinaus,  so  wenn  er  behauptet,  dass  alle  Klassifizierungen  und  Stilunter- 
scheidungen zwischen  den  verschiedenen  poetischen  Gattungen  auf  reiner  Willkür  beruhen. 
Aber  mit  Recht  erscheinen  ihm  die  BegritFe,  welche  die  Poetik  mit  den  einzelnen  Namen 
und  Gattungen  verbindet,  vielfach  so  beweglich  und  unsicher,  dass  man  unmöglich  den 
Schülern  einen  festumgrenzten  Inhalt  für  dieselben  übermitteln  kann,  und  er  beweist 
dies  drastisch,  indem  er  aus  sieben  bekannten  ästhetischen  Werken  und  Schulpoetiken 
sieben  ganz  verschiedene  Definitionen  der  Romanze  anführt.  Mit  gleichem  Recht  sieht  K. 
in  der  Beschäftigung  mit  der  klassifizierenden  Poetik  nicht  ein  Mittel  zur  Bildung  des 
Geschmackes,  sondern  „eine  rein  logische  Uebung".  Dieser  beachtensw^erte  Satz  trifft 
nicht  nur  die  systematische  Poetik,  die  in  unseren  Gymnasien  wenig  betrieben  wii^d, 
sondern  überhaupt  jede  Art  von  Formalismus  in  der  Behandlung  der  deutschen  Lektüre. 
Dem  Anschein  nach  befreit  sich  aber  der  deutsche  Unterricht  nur  schwer  und  allmählich 
von  diesem  Formalismus,  der  sich  in  wechselnden  Gestalten  immer  wieder  zu  un- 
erwünschter Vorherrschaft  drängt.  Kaum  dürfen  wir  die  Methode  der  philologischen 
Einzelinterpretation  als  abgethan  betrachten,  so  tritt  eine  dramaturgisch-technische  Be- 
handlung der  klassischen  Poesie  hervor,  die  durch  ihre  Einseitigkeit  die  letzten 
Ziele  des  deutschen  Unterrichts  nicht  minder  gefälu-den  muss.  —  Als  eines  der  wesent- 
lichsten Fermente  dieser  Bewegung  ist  das  Buch  von  Unbescheid  ^4)  zu  betrachten. 
Das  Buch  hat  einen  gewissen  Einfluss,  wenn  auch  vorläufig  wolil  weniger  auf  die  Praxis 
selbst,  als  auf  die  Litteratur  des  deutschen  Unterrichts  erlangt.  U.  will  dem  Lehrer  des 
Deutschen  „eine  Anregung  geben,  auf  welche  Weise  die  Lektüre  klassischer  Dramen 
durch  Berücksichtigung  der  Technik  des  Dramas  nutzbringend  gestaltet  werden  kann". 
Dem  Schüler  soll  ein  „Einblick  in  den  Bau  des  Dramas  und  in  die  Eigentümlichkeit 
des  dichterischen  Genies  werden".  „Die  ästhetische  Behandlung  hat  hauptsächlich  den 
Bau  des  Dramas  zu  berücksichtigen,  d.  h.  denjenigen  Teil  der  Technik,  der  gleichsam 
die  Naturgesetze  der  dramatischen  Kunst  enthält,  nach  welchen  jedes  dramatische 
Kunstwerk  alter  und  neuer  Zeit  gebildet  ist"  (S.  148).  Diese  Naturgesetze  des  Dramas 
will  U.  an  den  Schillerschen  Dramen  veranschaulichen;  ihre  Formulierung  entnimmt  er 
Freytags  „Technik  des  Dramas".  Hat  schon  Freytag  den  „pyramidalen  Bau",  den  die 
dramatische  Handlung  haben  muss,  durch  ein  einfaches  Schema  versinnlicht,  so  giebt  U. 
für  jedes  einzelne  Schillersche  Drama  ein  besonderes  Schema  in  Gestalt  einer  Art  von 
Koordinatensystem,  nur  dass  es,  übrigens  kaum  gerechtfertigterweise,  keine  Kurven,  sondern 
gerade  Linien  sind,  deren  Auf-  und  Absteigen  verdeutlicht  und  gemessen  werden  soll. 
Eine  im  Anhang  beigefügte  „Lehrprobe"  veranschaulicht  das  Verfahren,  das  U.  vorschreibt, 
am  „Prinzen  von  Homburg".  Eine  Erörterung  über  das  Wesen  der  Tragödie  ist  S.  80 — 93 
der  Erörterung  der  „tragischen  Momente"  vorangeschickt.  Das  Buch  ist  das  dankenswerte 
Ergebnis  gründlicher  Arbeit  und  trotz  einzelner  zweifelhafter  sachlichen  Aufstellungen  für 
jeden  belehrend,  der  sich  über  Schillers  dramatische  Technik  orientieren  will.  Und  da  die 
Komposition  der  klassischen  Dramen  einen  Gesichtspunkt  des  Lektüreunterrichts  dar- 
stellt, so  wird  auch  der  deutsche  Lelirer  manches  daraus  lernen,  manches  sogar  ganz 
unmittelbar  für  den  Unterricht  verwerten  können.  Dennocli  ist  der  pädagogische  Wert 
der  Arbeit  nur  beschränkt.  Zunächst  ist  die  ganze  Art  der  ästhetischen  Betrachtung  einseitig 
und  U.  selbst  giebt  von  vorn  herein  zu,  dass  die  Charakteristik  als  ein  zweiter,  nicht 
minder  wesentlicher  Gesichtspunkt  zu  dem  des  technischen  Aufbaues  hinzukommen  muss, 
wenn  das  Drama  wirldich  verstanden  werden  soll  (vgl.  S.  7  und  15).  Warum  U.  sich 
gleichwohl,  wie  er  an  der  letzteren  Stehe  hinzufügt,  auf  die  Handlung  beschränken 
musste,  ist  nicht  recht  einzusehen;  ebensowenig  warum  es  gegenüber  der  Charakteristik 
die  angelegentlichere  Aufgabe  des  Lehrers  bleiben  soll,  den  Schüler  die  Gliederung  der 
Handlung  erkennen  zu  lassen.  Schon  in  der  erwälinten  Lelirprobe  aus  dem  „Prinzen 
von  Homburg"  tritt  die  Charakteristik  viel  deutlicher,  als  man  erwarten  sollte,  als  ein 
wesentlicher  und  entscheidender  Bestandteil  der  Erklärung  hervor.  Beruht  nun  gerade 
hierin  der  Wert  dieser  Probe,  so  sieht  man  nicht  ein,  warum  die  Charakteristik  den 
Gesichtspunkten  des  teclmischen  Aufbaues  imtergeordnet  werden  und  das  Ganze  wieder 
in  eine  graphische  Darstellung  dieser  letzten  auslaufen  muss.  U.  warnt  in  einem 
Schlusswort  davor,  die  Analyse  im  praktischen  Unterricht  so  eingehend  vorzunehmen, 
wie  sie  sein  Buch  darstelle,  die  Methode  selbst  aber  erklärt  er  für  wertvoller  zur  Aus- 
bildung des  Urteils  und  der  Phantasie  als  jede  andere.  Gerade  umgekehrt  darf  man 
behaupten,   es  könnte  vielleicht  ganz  nützlich  sein,  an  einem  oder  zwei  Beispielen    den 


14)  li.  Uiibesclieid,   Beitr.  z.  Behandl.  d.  dramat.  Lektüre.    Mit   1  Taf.   zu   Scliillers   Dramen.    2.  Aufl.    Berlin,  Weidmann. 


131  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  I  7:  15.1«. 

Sohül(!rn  die  Momente  der  Komposition  auch  im  einzehicn  aufzuweisen;  aber  es  wäre 
ein  |)äda|!j(){jis(l»er  Missgriff',  wenn  innn  der  Betrachtung  aller  oder  auch  nur  eines  grösseren 
Teiles  der  klassisclien  Dramen  das  hier  entworfene  Schema  selbst  bloss  in  seinen  allgemeinen 
Zügen  zu  Giunde  logen  wollte.  Der  Unterricht  der  Lektüre  soll  methodisch,  aber  er  darf 
nicht  schomatiscli  sein.  Man  wird  bei  jedem  Drama  die  Komposition  in  den  Hauptzügen 
kennzeichnen;  aber  nur  bei  einigen  wird  man  sie  zum  Mittelpunkte  der  ganzen  Betrachtung 
macluMv  dürfen.  Was  die  Schüler  an  verschiedenen  klassischen  Dramen  lernen  können,  ist 
verscliiedenerlei,  und  ganz  andere  Gesichtspunkt«  müssen  z.  B.  die  Literpretation 
der  „Braut  von  Messina"  behen-schen  wie  die  des  „Don  Carlos"  oder  des  „Egmont-'. 
Neben  dieser  Ausstellung  gegen  die  äussere  Anlage  des  Buches  muss  auch 
ehi  Bedenken  gegen  die  Methode  des  "Vf.  selbst  und  seine  Darstellung 
im  einzelnen  erörtert  werden :  seine  Neigung  zum  abstrakten  und  schematischen  Formu- 
lieren kann  das  ästhetische  Verständnis,  das  doch  nur  auf  dem  Boden  der  künstlerischen 
Anschauung  und  Empfindung  erwächst,  unmöglich  fördern.  So  soll  z.  B.  den  Anfang  der 
Besprechung  die  Feststelhmg  der  Idee  der  Handlung  in  einer  möglichst  knappen 
„Formel"  bilden.  Allein  kann  man  sclion  an  dem  sachlichen  Wert  solcher  Formeln 
zweifeln,  so  sind  sie  für  den  Schüler  ganz  gewiss  höchstens  als  Abschluss  der  Erklä- 
rung und  als  kiu'ze  Zusammenfassung  des  Ergebnisses  brauchbar.  Wie  die  Freytag- 
schen  Formulierungen  zum  Teil  nur  ganz  äusserlich  die  Momente  der  Handlung 
zusammenfassen,  so  sind  auch  U.s  teilweise  in  der  zweiten  Auflage  liinzugekommene 
Formeln  —  abgesehen  davon,  dass  sie  zum  Teil  sachlich  schief  sind,  wie  bei  „Tasso" 
und  Grillparzers  „Sappho",  —  wenig  geeignet,  in  den  wirklichen  Lihalt  der  Dichtungen  ein- 
zuführen. Noch  abschreckender  tritt  diese  Neigung  zum  abstrakten  Schematisieren  in 
den  graphischen  Darstelhnigen  hervor,  von  denen  das  Schema  für  den  „Teil"  sogar  eine 
ziemlich  komplizierte  Figur  bildet,  die  die  Anschauung  gar  nicht  fördert.  Mit  Recht 
warnt  IL  davor,  die  Schüler  durch  ästhetisches  Theoretisieren  zu  dem  L-rtum  zu  veranlassen, 
„dass  der  Dichter  sich  in  ein  gewisses  Regelwerk  gleichsam  einzuspinnen  habe"  (S.  148). 
Wie  ist  das  aber  zu  vermeiden,  wenn  man  mit  einer  Formel  anfangt  und  mit 
einem  Schema  schliesst?  Im  übrigen  hat  U.  in  der  zweiten  Auflage  auffallender  und 
unberechtigter  Weise  die  inzwischen  ersclxienene  Scliillerlitteratur,  so  z.  B.  Bellermaims 
Buch  nicht  berücksichtigt.  Noch  jetzt  erldärt  U.,  dass  der  „Don  Carlos"  „bekanntlich" 
der  Einheit  entbehre  (S.  12).  Noch  jetzt  behält  er  die  „kritischen"  Bemerkungen 
Düntzers  unter  dem  Text  bei,  obgleich  sie  grösstenteils  ganz  liinfällig  sind  und  über- 
dies oft  recht  sonderbar  mit  dem  begeisterten  Lobe  kontrastieren,  das  dem  Dichter  über 
dem  Strich  gespendet  wird.  —  Im  Gegensatz  zu  der  formalistischen  Einseitigkeit,  die 
bei  Unbescheid  hervortritt,  ist  es  ein  Verdienst  der  „Methodik"  von  M.  Jahn^^),  dass 
sie  die  pädagogische  Bedeutung  der  epischen  und  dramatischen  Lektüre  nach  ihren 
verschiedenen  Seiten  gleichmässig  zu  erfassen  und  in  ilu-em  ganzen  Umfange  darzustellen 
strebt.  Im  Anschluss  an  Schillers  Ideen  über  die  ästhetische  Erziehung  stellt  J.  im 
ersten  allgemeinen  Teile  die  Ziele  der  Dichterlektüre  für  die  oberen  Klassen  fest,  um 
sodann  daraus  die  Einzelheiten  des  methodischen  Verfahrens  abzuleiten.  Auch  Her- 
bartsche  Anschauungen  sind  verwertet,  ohne  jedoch  für  die  Gestaltung  des  Buches 
massgebend  zu  sein.  „Im  ästhetischen  Zustande",  so  führt  J.  im  Anschluss  an 
Schiller  aus  (S.  30),  „wird  es  dem  Zöglinge  leicht,  im  Gebrauch  seiner  gesamten 
geistigen  Kräfte  weiter  fortzuschreiten,  alle  diejenigen  Zwecke  des  Unterrichts  zu  er- 
reichen, welche  mit  der  Behandlung  der  klassischen  Lektüre  verbunden  werden  können. 
Die  ästhetische  Stimminig  ist  demnach  niu-  die  notwendige  Vorstufe  einer  gedeihlichen 
Schularbeit  auf  diesem  Gebiet  ....  Die  begriff'liche  Ausbildung,  welche  sich  an  das 
Vorstellungsleben  wendet,  muss  die  Geflihle,  um  ruhige  Klarheit  zu  schaffen,  oft  zurück- 
drängen; dadui-ch  aber  birgt  sie  die  Gefahr  in  sich,  dass  totes  Wissen,  trockene  Gelehr- 
samkeit erzeugt  wird.  Dem  Untemcht  in  der  klassischen  Lektüre  wohnt,  wenn  nur 
einigermassen  richtig  verfahren  wird,  diese  Gefahr  nicht  inne.  Er  soll  mit  der  Erzeugung 
der  ästhetischen  Stimmung  beginnen,  dann  durch  Weckung  intellektueller,  ethischer  und 
ästhetischer  Gefühle  fortfahren  und  zur  Urteils-,  Begriffs-  und  Ideenbildung  übergehen. 
Der  Unterricht  muss  nur  darauf  achten  und  kann  dies  hier  auch  leicht,  dass  die  hinzu- 
kommenden Vorstellungen,  Gedanken  inid  Begriffe  immer  in  enger  Verbindung  bleiben 
mit  den  entsprechenden  Gefühlen"  (S.  37).  J.  ist  nun  zwar  in  der  Ausführung  dieser 
Sätze  nicht  zu  wesentlich  neuen  Ergebnissen  gelangt ;  dennoch  ei-freut  vielfach  der  klare 
Verstand,  mit  dem  das  praktisch  Richtige  ergriffen  und  mit  den  allgemeinen  Prinzi[»ien 
in  Zusammenhang  gesetzt  ist.  So  polemisiert  J.  ganz  mit  Recht  gegen  die  methodische 
„Erregung  einer  fruchtbaren  Erwartung",  die  als  notwendige  „Stufe  der  Vorbereitung" 
in  der  methodischen  Erläuterungslitteratur  der  letzten  Jahre  einen  ebenso  ausgedehnten 
wie  überfllissigen  Platz  einnimmt.     „Ein  Kunstwerk  muss    zunächst  als    solches  wirken, 


173  S.    M.  3,00.  —  15)  M.  Jahn,  Uethodik  d.  ep.  u.  dramat   Lektüre.    LeipzifTi  Dttir.    IV,  150  S.    M.  2,26.    —    16)   S.  Feist, 


I  7:  17-19.  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  SchtJe.  132 

das  ist  die  Absicht  des  Dichters,  und  er  hat  die  Mittel  selbst  bereit  gelegt,  um  ,Hin- 
neigung'  und  ,innere  Beziehung'  zur  Dichtung  zu  erwecken"  (S.  50).  Auch  die  scharfe 
Kritik  der  landesüblichen  Schulausgaben  mit  überflüssigen  und  störenden  Anmerkungen 
(S.  54  f.)  kann  man  nur  unterschreiben.  Ueber  die  Einzelheiten  hinaus  aber  ist  es  ein 
Vorzug  des  Buches,  dass  J.  den  pädagogischen  Wert  des  deutschen  Lektüreunterrichts 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  der  Geistesbildung  hin  im  Zusammenhang  einer 
allgemeinen  pädagogischen  Anschauung  darlegt  und  den  Anspruch  dieses  Unterrichts 
auf  eine  centrale  Stellung  für  den,  der  sehen  will,  klar  begründet.  Das  Buch  würde 
vielleicht  geeignet  sein,  auch  auf  weitere  Kreise  zu  wirken,  wenn  es  nur  eine  ge- 
schicktere Darstellung  oder  wenigstens  einen  korrekteren  Stil  böte.  Zudem  fallen  auch 
einige  Einseitigkeiten  der  Anlage  und  des  Urteils  auf,  sc  der  Ausschluss  lyrischer  Lek- 
türe. Auffallend  ist  sodann,  dass  J.  der  gescliichtlichen  Betrachtung  entschieden  nur 
eine  gelegentlich  ergänzende  Rolle  im  Unterricht  zuweist.  Aus  seinen  pädagogischen 
Zielbestimmungen  folgt  diese  Beschränkung  keineswegs  notwendig,  wie  sie  denn  auch 
z.  B.  Erick,  dessen  Anschauungen  J.  sonst  ziemlich  nahestehen,  nicht  mit  ihm  teilt.  Doch 
der  Grund  seiner  ablehnenden  Haltung  erklärt  sich  aus  seiner  äusserlichen  und  ein- 
seitigen Definition  des  historischen  Moments  (z.  B.  S.  115  f.,  117).  Bei  ihm  strebt  der 
Unterricht  einer  systematischen  Poetik  zu,  die  der  Schüler  sich  allmählich  und  induktiv 
aneignen  soll,  während  ihn  doch  seine  eigenen  Klagen  über  das  Schwankende  und  Un- 
sichere der  ästhetischen  Eormulierungen  gerade  auf  den  Vorzug  weisen  sollten,  den  eine  Con- 
centration  des  Stoffes  nach  festen  geschichtlichen  Gesichtspunkten  hat.  So  kommt  man  J.s 
Buche  gegenüber  aus  einem  Zwiespalt  des  Eindrucks  nicht  recht  heraus.  —  Die  Pflege  des 
dramatischen  Vortrags  empfiehlt  Feist  i^)  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Gymnasien 
in  den  mittleren  und  höheren  Klassen  mehr  Zeit  für  das  Deutsche  bekämen;  gewiss 
mit  Recht.  Das  von  E.  vorgeschlagene  Mittel  aber,  nämlich  in  den  unteren  und  mitt- 
leren Klassen  die  Dialoge  prosaischer  Lesestücke  „mit  verteilten  Rollen"  lesen  zu  lassen, 
ist  kaum  mehr  als  eine  Spielerei,  die  vielleicht  gelegentlich  den  Unterricht  beleben,  aber 
schwerlich  zu  dauernden  Ergebnissen  führen  kann.  —  G.  Spengler  i'')  giebt  zum  Ge- 
brauch und  der  Einrichtung  des  Lesebuches  im  Untergymnasium  einige,  wenn  auch  nicht 
neue,  so  doch  praktische  Winke.  Er  befürwortet  einen  engeren  ,,Anschluss  der  Lektüre 
an  die  Jahreszeiten  und  den  gesamten  Unterrichtsgang  der  Klasse".  Dass  hierzu  jedoch 
ein  für  jede  Stunde  des  Schuljahrs  spezifizierter  Lehrplan  am  Beginn  des  ersten  Semesters 
ausgearbeitet  werden  müsste,  wird  man  S.  kaum  glauben.  Durchaus  zu  billigen  dagegen 
ist  die  Warnung  vor  einem  allzu  absichtsvollen  Betonen  ethischer  Motive.  ^^)  — 

In  der  Tendenz  verwandt  ist  der  Jahnschen  Methodik  das  Buch  eines  Schweizer 
Pädagogen,  Florin  19),  das  in  der  Behandlung  von  Schillers  Teil  als  methodische 
Erläuterungsschrift  zugleich  ein  Vorbild  für  die  dramatische  Lektüre  überhaupt  vor- 
zuzeichnen  unternimmt.  Der  massvollen  und  verständigen  allgemeinen  Einleitung  F.s 
kann  man  trotz  einzelner  Abweichungen  beistimmen.  Auch  er  strebt  eine  möglichst  all- 
seitige Durchdringung  des  Lesestoffes  an  und  unterscheidet  dabei  ganz  treffend  zwei 
Stufen  der  Behandlung.  ,,Auf  den  unteren  Stufen  tritt  die  Erfahrung  des  Inhaltes  in  den 
Vordergrund  und  erst  allmählich  werden  die  Schüler  zur  Reflexion  über  die  Handlung, 
die  Motivierung  usw.  hingeführt.  Die  erschöpfende  Behandlung  des  Dramas  auf  der 
obersten  Stufe  bringt  den  Bau  desselben  zum  Verständnis  und  erschliesst  einen  vollen 
Einblick  in  die  sittlichen  Ideale,  welche  der  Dichter  in  sein  Kunstwerk  gelegt  hat." 
(S.  5.)  ,, Namentlich  grosses  Interesse  und  reichen  Gewinn  für  die  Schüler  bietet  der 
Einblick  in  die  Werkstätte  des  Dichters.  .  .  .  Der  Einblick  in  die  Arbeit,  welche  zur 
Schöpfung  eines  Kunstwerkes  von  ewigem  W^erte  auch  dem  Genie  noch  niemals  erspart 
worden  ist,  muss  von  grosser  Wirkung  auf  den  Charakter  der  Jugend  sein."  Die  Me- 
thode Unbescheids  stellt  F.,  obgleich  er  ihre  Einseitigkeit  hervorhebt,  sehr  hoch.  Zu 
welch  wunderbaren  Verirrungen  aber  dies  graphische  Verfalu"en  verleiten  kann,  ersieht 
man  aus  den  Stimmungsskalen  S.  51  und  64,  wo  die  Stimmungen  Stauffachers  und 
Melchthals  genau  nach  der  Methode  verdeutlicht  ist,  nach  welcher  die  modern  graphischen 
Barometer  ihre  Wetterkurven  selbst  zeichnen.  Nimmt  man  noch  die  ebenso  drastische 
wie  überflüssige  Verdeutlichung  hinzu,  die  ein  ganz  einfacher  Satz;  „Wir  wagten  es,  ein 
schwaches  Volk  der  Hirten,  In  Kampf  zu  gehen  mit  dem  Herrn  der  Welt"  (S.  79) 
findet,  so  kommt  man  wirklich  in  Versuchung,  den  ganzen  Inhalt  des  „Teil"  einmal  von  den 
Schülern  mit  Kreide  an  der  Wandtafel  in  lauter  Kurven  und  geraden  Linien  wieder- 
geben zu  lassen,  wodurch  dann  vielleicht  ein  Mittel  gefunden  wäre,  deutsche  Dichter- 
lektüre   und    analytische  Geometrie    zugleich    zu    üben  und  so    die    vielerstrebte  „Con- 

E.  Art  dramat.  Lektüre  im  dtsch.  Unterr.  d.  nnt.  Klassen.  E.  Versuoli:  ZDU.  5,  S.  477—80.  —  17)  G.  Spengler,  Ueber  d. 
Einrichtung  u.  d.  Gebranch  d.  dtsch.  Lesebuches  auf  d.  Unterstufe  d.  Österreich.  Gymn.:  ZOG.  42,  S.  168-7Ö.  —  18) 
X  Bohringe  r,  D.  dtsch.  Unterricht  in  d.  obersten  Kurse  d.  Gymn.:  BUG.  27,  S.  1-lC.  (Enthält  ahnlich  wie  der  JBL.  1890 
besprochene  Vorlr.  B.s  e.  Darstellung  s.  Organisation  d.  dtsch.  Unterrichts  besonders  in  Bezug  auf  Voiträge  u.  Aufsatze.)  — 
19)  A.  Florin,  D.  unterrlchtl.  Behandl.  t.  Schillers  Wilh.  Teil.    E.  Boitr.  z.  Methodik  d.  dramat.  Lektüre.   Daves,  Richter.  156  S. 


133  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  I  7:  20-27. 

centrat ion"  (Ich  Unterrichts  zu  fthdnrn.     Anziehender  ist  es  zu  sehen,    wie  hohen  Wert 
die  Scliwoizer  Sclnilc  dorn  ÖchiUcrschcn  Toll  beiminst:  „Der  Teil  hat  für  die  schweizerischo 
Mittelschule  eine  so  hoho  nationale  Bedeutung,  dass  er  eine  gründlichere  Durcharl)eitung 
verdient    als  jedes  andere  klassische  Stück,    und    wäre    ihm  dasselbe   an   künstlerischer 
Vollendun«^  weit    überlegen."      Mit    dieser  Anschauung,    die    F.  auch    für    die  Lehrer- 
seminarien  und  die  Volksschido  seines  Vaterlandes  gilt,    hängt    nun  freilich    ein  Fehler 
des  Buches  zusammen.     F.  will  die  Behandlung  des  Stoffes  „möglichst  allseitig"  gestalten, 
so  dass  „neben  den  Fingerzeigen   mehr    elementarer  Durcharbeitung"  auch  die  höheren 
Stufen  berücksichtigt  werden  sollen.      Die  Folge  dieser  Tendenz  ist,    dass  das  Elemen- 
tare, das  naturgemäss  einen    breiten  Raum  erfordert  —    z.   B.    die    Anfangsgründe    der 
Metrik,    über  die  der  Schüler  bei  der  Teillektüre  doch  wohl  hinaus  ist  — ,  sich  stärker 
in  den  Vordergrund  drängt,  als  es  für  die  Gesamtanlage  des  Buches  gut  ist.     Mancherlei 
ethnologische  luid  sprachliclie  Bemerkungen  jedoch  wird  der  deutsche  Ausleger  des  „Teil" 
von  dem    sach-  und  sprachkundigen  Schweizer  Kollegen    dankbar    entgegennehmen.    — 
Z(!rgieber^o)    giebt    im  Anschluss    an  einige  methodische  Bemerkungen  in  Deinhardts 
Dispositionslehre    und  Rud.  Lehmainis    „Deutschem  Unterricht"   eine  Lehx7)robe   in  der 
Behandlung  des  „Blinden  Köin'gs",   die  man,  falls  das  leicht  verständliche  Gedicht  wirk- 
lich   erst    in    der    Tertia    gelosen    wird,    im    ganzen    billigen    kann.     Doch  ist  die  auch 
hier  beliebte  graphische  Verdeutlichung  des  Gedankenganges  überflüssig  und  die  Ueber- 
schrift,    die  Z.    dem   Gedichte    geben    will:    ,,'Was  Gott    schickt,  das    ist  wohlgemeint, 
Obgleich     es     uns      oft     anders     scheint",     zum     mindesten     sonderbar     gewählt.      — 
Unter  den  sonstigen    für  den  Lehrer    berechneten  Erläuterungsschriften  21-22^    nimmt  die 
Arbeit  von  Zürn  23)    über  Lessings  .,Dramatiirgie"  eine  beachtenswerte  Stelle  ein.     Die 
Lektüre  dieses  Werkes  gehört  augenblicklich* zu  den  umstrittenen  Punkten  im  Primaner- 
Unterricht.     Mit  Recht    geht  Z.    davon  aus,    dass  die  höchst    spärliche  und  mangelhafte 
Kenntnis  dramatischer  Dichtungen,  mit  welcher  der  Schüler  an  diese  Lektüre  herantritt, 
der  einzige  triftige  Einwand  sei,   der  gegen  dieselbe  erhoben  werden  könne.     Er  macht 
demgemäss    zunächst    in    einem    allgemeinen    Teil    Vorschläge,    um   diesem  Mangel    ab- 
zuhelfen  und  in  Verbindung    damit    zeichnet  er  kurz  die  Auswahl  und  eingehender  die 
Methode  vor,  nach  welcher  die  Lessiiigschen  Kritiken    gelesen  werden  sollen.     Es  folgt 
sodann  eine  ausführliche  Erörterung  der  Kritik  von  ,,01int  und  Soplironia"  und  im  An- 
schluss an  die  Kritik  der  „Semii-amis",  die  ebenfalls  eingehend  behandelt  ist,  eine  Dar- 
stellung des  Vei-hältnisses   Lessings  zu  Voltaire.  —  Die   Fortsetzung  dieser  Arbeiten  2*) 
behandelt  die  Kritik  der  „Zaire"  und  fügt  einen  abschliessenden  Rückblick  auf  die  beiden 
letztgenannten  Recensioneu  (St.  10/2,  15/0)  hinzu.    Was  das  Material  betrifft,  das  Lehrer 
und  Schüler  verarbeiten   sollen,    so    giebt    und    verlangt  Z.    im    einzelnen    unzweifelhaft 
zu  viel.    Weder  hat  der  Lehrer  Zeit,  „Olint  und  Sophronia"  oder  Weisses  „Richard  III.", 
wenn    auch    mit    noch  so    bedeutenden  Kürzungen,    in   der  Klasse   vorzulesen  (I,  S.  7), 
noch  ist  es  überhaupt  möglich,  die  S.  4,  5  aufgezählten  Abschnitte  auch  nur  zu  einem 
grösseren  Teile  mit  der  geforderten  Ausführlichkeit    zu    behandeln,    um  so  weniger  als 
Z.  mit    Recht  der  gesamten    Lektüre  nicht  mein*  als  einen  Zeitx-aum  von  sechs  Wochen 
zumisst  (I,    S.   5).     Alles    z.   B.,  was  das  zweite  Programm  enthält,  die  Kritik  der  Dar- 
stellung   sowie    die    des  Prologs   und  Epilogs   wird    der    Unten-icht    einfach    übergehen 
müssen.     Auf  die  Katharsisfrage,  deren  Erörterung  auch  Z.  oinsclu-änken  ■will,  lässt  man 
sich    am  besten    gar  nicht    ein.     Abgesehen    aber  von  diesem  Zuviel  an  Material  hat  Z. 
methodisch  fast    überall  das  Richtige    getroffen,    und  namentlich    hat   er  den  Wert  der 
Dramatxu'gie    für    die    ästhetische  Bildung  des  Schülers    nachzuweisen  verstanden,   ohne 
dass     er     doch     die     sachliche    Bedeutung     der    Lessingschen    Kritik     einseitig     über- 
triebe oder  dass  er  mit  Laas  in  den  Fehler  verfiele,  den  Primaner    zu  kritischen  Wert- 
iirteilen  nach  Lessing-Aristotelischem    Massstabe  anleiten  zu  wollen.     Eine   selbständige 
Herausgabe  der  Z. sehen    Arbeiten  würde  dem  deutschen    Unterrichte  zu   gute  kommen; 
mir  müsste  auch  Z.  seinen  Stil  einer  Revision  unterziehen  und  namentlich  an  dem  über- 
aus schwülstigen  Periodenbau  bessern.  — 

Wenden  wir  uns  nxnnnchr  zu  einem  kurzen  Ueberblick  tiber  die  Hilfsmittel 
für  den  Unterricht  und  fassen  wir  zunächst  die  Schulausgaben  ins  Auge.  Ihre 
Zahl  hat  seit  dem  vorigen  Jahre  nicht  abgenommen:  die  sämtlichen  dort  genannten 
Sammlungen  haben  sich  durch  neue  Erscheinungen  oder  Auflagen  vermelirt.  Eine  neue 
Sammlung    für  Mädchenschulen    ist    hinzugekommen  26-34)      q^    ^[q    bisher  vorhandenen 

M.  1,60.  -  20)  E.  H.  Zergiebel,  D.  üeliHiidl.  v.  ühlands  (Jedxht  ,D.  blindo  KOnig":  ZDU.  5,  S.  749-55.  -  21-22)  X 
A.  Rausch,  Scliillers  Gösch,  d.  30j.  Kriegs  im  dtsch.  Unterricht  d.  Oborteitia.  JB.  Ober  d  Oymn.  Carolo-Alexandrinum. 
S.  24j7.  Jena.  4''.  (AIr  Anhang  e.  Schema  d.  Komposition.)  —  23)  L.  ZOrn,  D.  Lektüre  d.  Hamburg.  Dramaturgie  Lessings 
in  d.  Obtrprima.  Teil  1-111.  l'rogr.  Rastatt,  Vo^cl.  1884,  85,  Ol.  4".  26,  21,  10  S.  —  24)  id.,  ü.  Lektüre  d. 
Hamburg.  Üraniaturgio  Lessings  in  d.  Oberprima.  15  u.  16  St.:  Voltaires  Zaire:  ZDU.  5,  S.  617—34.  —  25)  X  .Schillers 
Maria  Stuart,  her.  v.  Q.  Ftaumann.  (—  Toubners  Saminl  dontsrh^r  Dicht-  u.  Schriftwerke  f.  höhere  Töchterschulen,  lier.  t. 
G.  Born  hak;  ebenso  N.  26—34;  je  M.  0,80.)  Leipiig,  Teubuer  XXI,  136  S.  —  26)  X  Jungfrau  v.  Orleans  t  .•Schiller, 
her.  V.  G.lJaumannn.    ebda.    XXXI,  123  S.  —  27)  X  Lessings  Minm  v.  Barnhelm,  her.  t.  A.  Hamann,    ebda.    XIX,  101  S.  — 


I  7:  28-67.  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  134 

wirklich,  wie  der  Prospekt  angiebt,  den  Zwecken  der  höheren  Mädchenschule  nicht  ge- 
nügen, vermag  icli  nicht  zu  beurteilen.  Da  aber  die  vorliegenden  Bändchen  hervor 
ragend  gut  ausgestattet  und  nicht  mit  Anmerkungen,  sondern  nur  mit  unschädlichen 
Einleitungen  versehen  sind,  so  werden  die  Schulen,  die  sie  einführen,  jedenfalls  gut 
damit  fahren.  Nur  ist  nicht  recht  einzusehen,  warum  sich  auf  fast  sämtlichen  Titeln 
der  Vermerk  ,, bearbeitet  von"  usw.  findet,  da  doch  ein  grosser  Teil  der  Werke  einfach 
abgedruckt  ist  und  ausser  der  Einleitung  kein  Zeichen  einer  Arbeit  des  Herausgebers 
trägt.  —  Von  den  älteren  Sammlungen  hat  die  Wychgr  am  sehe  35-41)  ihre  Klassiker- 
biographien durch  Abrisse  von  Herders  und  Lessings  Leben  von  R.  Eranz  imd  Lösch- 
horn  3^)  vermehrt,  die  in  einem  Bändchen  vereinigt  sind.  — Hinzugeliefeii;  ist  vonWych- 
gram^ß)  ferner  ein  Bändchen  „Deutsche  Prosa,  I.  Teil.  Rednerische  Prosa",  das  aber  be- 
trächtlich einseitiger  ist,  als  es  dieser  Titel  vermuten  lässt;  denn  er  enthält  fast  nur 
Reden  und  Predigten  offiziellen  Charakters,  die  sich  auf  die  Vorgänge  von  1870/71  und 
die  später  folgenden  Ereignisse  beziehen.  Das  Bändchen  ist  vielleicht  für  den  vater- 
ländischen Geschiclitsunterricht,  nicht  aber  für  den  deutschen  Unterricht  brauchbar.  — 
In  der  Bötticher-Kinzelschen  Sammlung  hat  Neubauer  ^2)  seine  Luther- Auswahl  durch 
ein  zweites  Bändchen  vervollständigt,  dem  dieselben  Vorzüge  nachzurühmen  sind  wie 
dem  ersten.  —  Eine  Einzelausgabe,  die  sich  durch  Eeinsinnigkeit  der  Auswahl  und  Prä- 
cision  der  sachlichen  Erläuterungen  auszeichnet,  ist  Imelmanns  ■*3)  Klopstock.  —  Ln 
übrigen  hat  der  Ref.  im  vorjährigen  Bericht  seinem  prinzipiellen  Standpunkt  Ausdruck 
gegeben,  und  es  kann  nicht  seine  Sache  sein,  bei  jeder  einzelnen  der  zaldreichen  neu 
ei'scheinenden  oder  neu  aufgelegten  Schulausgaben  oder  Klassiker-Präparationen  aufs 
neue  festzustellen,  wie  weit  sie  von  der  dort  aufgestellten  Norm  abweicht  oder  ihr  ent- 
spricht; ebensowenig  wie  es  einen  Zweck  hätte,  jedes  dieser  Heftchen  iind  Bändchen 
mit  der  Censur  ,, sorgfältig"  oder  ,, minder  sorgfältig"  in  die  Welt  zu  begleiten.  Wir 
müssen  uns  daher  gegenüber  der  Meln-zahl  der  Erscheinungen  44-67)  \^{qy  mit  der  blossen 
Nennung  begnügen.  — 

Ebenso    kurz  muss   sich   der   diesjährige  Bericht  hinsichtlich  der  Lesebücher 


28)  X  Nathan  d.  Weise  v.  G.  E.  Lessing,  her.  v.  A.  Hamann,  ehda.  XXVI,  144  S.  —  29)  X  D.  Cid  Nach  span.  Romanzen 
besungen  durch  J.  G.  v.  Herder,  her.  v.  A.  Hamann,  ehda.  XV,  136  S.  —  30)  X  Hermann  u.  Dorothea  v.  Goethe,  her.  v 
G.  Hofmeister,  ebda.  XIV,  68  S.  —  31)  X  Luthers  Schriften  u.  Dichtungen  in  Auswahl,  lier.  u.  bearb.  v.  K.  Staedler.  ebda. 
IX,  100  S.  —  32)  X  Hans  Sachs'  Lieder  u.  Gedichte  in  Ausw.,  her.  v.  K.  Staodler.  ebda.  114  S.  —  33)  X  Homers  Ilias. 
Im  Auszuge  nach  d.  Uebers.  v.  Voss,  her.  v.  E.  Wetzel.  ebda.  XII,  127  S.  —  34)  X  Homers  Odyssee.  Im  Auszüge  nach 
d.  Uebers.  v.  Voss,  her.  v.  E.  Wetzel.  ebda.  VI,  133  S.  —  35)  R.  Franz  u.  H.  L8>chhorn,  Herders  Loben  u.  Werke, 
Lessings  Leben  u.  Werke.  Bielefeld,  Velhagen  &  Kla^ing.  166  S.  M.  0,75.  —  36)  J.  Wychgram,  Dtsch.  Prosa.  1.  TL: 
Kcdnerische  I'rosa.  ebda.  VI,  156  S.  M.  0,75.  —  37)  X  ^  Oberhof  v.  C.  Immerraann,  her.  v.  G.  Carol.  •  ebda.  138  S. 
51.  0,60.  —  38)  X  D-  abenteuerliche  Simplicissimus  v.  Grimmeishausen,  her.  v.  G.  Klee  ebda  132  S.  M.  0,60.  —  39)  X 
Emilia  Galotti  v.  Les.sing,  her.  v.  A.  Thorbecke.  ebda.  VI,  88  S.  M.  0,50.  —  40)  X  Minna  v.  Barnliolm  v.  Lessing  Mt 
Anra.  10.  Aufl.,  her.  v.  Tomas  check.  Stuttgart,  Göschen.  IV,  131  S.  M.  0,80.  —  41)  X  D.  Hennannsschlacht  v. 
H.  V.  Kleist,  her.  v.  H.  Windel.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  XII,  135  S.  M.  0,60.  —  42>  Martin  Luthers  vermischte 
Schriften  weltlichen  Inhalts,  Fabeln,  Dichtungen  usw.,  her.  v.  R.  Neubauer.  i=  Denkmäler  d.  alleren  dtsch.  Litt.,  her  v. 
Kötticher  u.  Kinzel.  III,  3)  Halle,  Waisenhaus.  VI,  252  S.  M  1,50.  —  43)  Klopstocks  Oden,  ausgew.  u.  erkl.  flir  d. 
oberen  Klassen  höh.  Schulen  v.  J.  Imelmann.  Berlin,  Nicolai.  144  S.  M.  1,20.  —  44)  X  Klopstucks  Oden  in  Ausw.  Mit 
erkl.  Anm.,  her.  v.  A.  L.  Back.  3.  Aufl.  Stuttgart.  Göschen.  X,  98  S.  M.  0,80.  —  45)  X  Geibels  Gedichte.  Ausw. 
fllr  d.  Schule,  her.  v.  M.  Nietzki.  Stuttgart,  Cotta.  1890.  XXI,  234  S.  M.  1,00.  —  46)  X  Kabale  u.  Liebe  v.  Schiller, 
her.  V.  K.  A.  Schmidt.  (=  Gräsers  Schulausg.  klass.  Werke,  her.  v.  J.  Neubauer.  Ebenso  N.  47/8,  je  Fl.  0,50.)  Wien, 
Gräser.  XII,  83  S.  —  47)  X  Julius  v.  Tarent  v.  Leisewitz,  her.  v.  Lichtenhold.  ehda.  XVI,  48  S.  — 48)  X  Lemais  Gedichte  in 
Au^w.,  her.  v.  Frosch,  ebda.  XIII,  103  S.  —  49)  X  D  Hermannsschlacht.  E.  Drama  v.  Kleist,  her.  v.  E.  Kamprath. 
{—  Hölders  Klassiker-Ausg.  fllr  d.  Schulgebr.  Heft  24.  Wien,  Holder.)  1890.  XIV,  97  .«.  m.  1  Kart^.  M.  0,50.  — 
50)  X  D-  Räuber  v.  Schiller,  her.  v.  F.  Spengler,  ebda.  1890.  V,  128  S.  M.  0,50.  —  5i)  X  Coriolanus,  Tr.  v.  Shakespeare. 
Nach  e.  Uebers.  L.  Tiecks  u.  anderen  Uobertrr.  Mit  Einl.  u.  Anm.  her.  v.  L.  Wyplel.  ebda.  1890.  XII,  115  S.  M.  0,50.  — 
52)  X  Lessings  Laokoon  f.  d.  Schulgebr.  bearb.  u.  mit  Erl.  versehen  v.  J.  Buschmann.  4.  Aufl.  Mit  2  Holzschn. 
(—  Schöninghs  Ausg.  deutsch.  Klassiker  m.  Komm.  I  Ebenso  N.  53/6)  Paderborn,  Schöningh.  160  S  M  1.20.  —  53)  X 
Wallenstein.  E.  diani.  Ged.  v.  Schiller.  3lit  ausfilhrl.  Erlnut  f.  d  Schulgebr.  u.  d.  Privatstud.  2.  Aufl.  Her.  v.  A.  Funke, 
ebda.  335  S.  M.  l.&O.  —54)  X  Wilh  Teil.  Schauspiel  v.  Schiller.  Mit  auslUhrl.  Erl.  f.  d.  Schulgebr.  u.  d.  Privatstud.,  her. 
V.  A.  Funke.  5.  Aufl.  m.  1  Karte,  ebda.  176  S.  M.  1,20.  —  55)  X  Goethes  Hermann  u.  Dorothea.  Mit  ausfilhrl.  Erl.  f.  d. 
Schulgebr.  u.  d.  Privatstud.,  her.  v  A.  Funke.  6.  Aufl.  ebda  147  S.  M.  1,00.  —  56)  X  Goethes  lyrische  Gedichte  ausgew., 
geordn.  u.  eikl.  f  d.  Schulgebr.  u.  d.  Privatstud.  v.  J  Heuwes.  obda  172  S.  M.  1,20.  —  57)  X  ß-  <-''d.  Nach  sp  n.  Ko- 
manzen  bes.  v.  Herder  m,  1  Titelbild,  her.  v.  K.  Holdermann.  (=;  Meisterwerke  d.  dtsch.  Litt,  in  neuer  Ausw.  u.  Bearb.  f. 
höh.  Lehranst.,  her.  v.  K.  Holdormann,  L.  Sevin,  V.  U  ellner.  Ebenso  N.  58—60.)  Tcrlin,  Eeuther.  116  S.  M.  0,50. 
—  58)  X  Goethe,  Hermann  u.  Dorothea.  Bearb.  v.  L.  Sevin.  2.  Aufl.  ebda.  64  S.  M.  0,30.  —  59)  X  Nathan  d.  Weise 
v.  Lessing,  her.  v.  V.  Uellner.  1  Titelbild,  ebda.  176  S.  M.  O.CO.  —  60)  X  Goetz  v.  Berlichingen  v.  Goethe.  Schulausg., 
her.  V.  V.  Uellner.  ebda.  140  S.  m.  1  Bildn.  M.  0,50.  —  61)  (IV  7  :  51.)  —  62)  X  Schillers  Gedichte  in  Ausw.  Gemein- 
fassl.  erl.  für  Schule  u.  Haus,  her.  v.  F.  K.  Hartert.  3.  Aufl.  Durchges.  v.  A.  Dieter  ich.  Kassel,  Wiegand.  345  S. 
M.  3,00.  —  63)  X  W.  Böhme,  Erl.  zu  d.  Meisterwerken  d.  dtsch.  Dichtkunst  fllr  d.  hllusl.  Vorbereitung  d  Schiller  4  Bdchn. 
Schillers  Willi.  Teil.  Berlin,  Weidmann.  44  S.  M.  0,50.  —  64)  X  C.  Gude,  Eil.  dtsch.  Dichtungen.  Nebst  Themen  zu  schriftl. 
Aufsntzen,  in  T^rori^Ken  u  Ausfllhrgn.  5.  Reihe.  Dichtungen  aus  d.  M.-A.  Unter  Mitwirk.  v.  L.  Voigt.  4.  Aufl.  Leipzig, 
Brandstettor.  VIII,  391  S.  M.  3,00.  —  65)  X  E.  Kuenen  u.  M.  Evers,  D.  dtsch.  Klassiker  erl.  u.  gewUrdigt  f.  höh. 
Lehronst..  sowie  z.  Selbstud  3.  Bdchn.  2  Aufl.  Leipzig,  Bredt.  94  S.  M.  1,00.  —  66)  X  ^-  i'-  Leimbach,  Ausgew. 
dtsch.  Dichtungen,  f.  Lehrer  u.  Freunde  d  Litt.  erl.  8.  Bd.  3.  Ll'g.  (=.  D.  dtsch  Dichter  d.  Neuzeit  u.  Gegenw.  Biographien, 
Charakteri-tlkeu  u.  Au-w.  ihrer  Dichtung.  4.  Bd.  3.  Lfg.).  Kassel,  Kay.  Vll,  321—505  S.  M.  1,50.  Bd.  1-8,  3:  31,50  M.  — 
67)  X  I*-  Uellner  (Tochnikor),  I).  Lied  v.  d  Glocke  tochnich  erl.  iieb>t  e.  Beschreibung  d.  Glockengusses  u.  e.  lithograph. 
Tafel  iu  Farbeudr.  als  Lehrmittel  für  Scliulen  entworfen  u.  erkl.     Düsseldorf,  Michels.    13  S.    M.  1,80.  (E.  eigenartiges,  recht 


135  Rud.  Lehmann,  Litteratur  in  der  Schule.  I  7:68-ioo. 

und  Am tliolof^icn  *"'■■'-)  fassen.  Durch  die  neuen  Lehrpläne  ist  ein  grosser  Teil  der 
im  BoriclitHJalir  gedruckten  und  neugedruckteu  öchullesebüclier  schon  gleich  beim  Er- 
scheinen veraltet,  und  durch  die  gegenwärtig  schwebende  Enquete  tritt  die  Angelegen- 
heit voraussichtlich  wieder  in  ein  neues  Stadium.  Es  erscheint  daher  geraten,  diese 
Wandelung  zunächst  abzuwarten  und  in  einem  der  nächsten  Jahrgänge  der  JBL.  die 
Losobuchlitteratur  einmal  zusammenfassend  und  von  einem  prinzipiellen  Standpunkte  aus 
zu  behandeln,  für  dieses  Jahr  aber  selbst  hervorragendere  Erscheinungen,  wie  Wendts^) 
Deutsches  Lesebuch,  II.  TeU,  imd  R.  Jonas''''')  Musterstücke  deutscher  Prosa,  die  beide  in 
zweiter  Auflage  erschienen  sind,  nur  dem  Titel  nach  anzuführen.  Ohnedies  wäre  der 
Berichterstatter  gegenüber  den  meisten  Büchern  dieser  Gattung,  die  ja  vielfach  Altes  in 
nicht,  immer  neuer  Kombination  zu  Markte  bringen,  in  Verlegenheit,  wenn  er  sagen 
sollte,  worin  sich  denn  im  einzelnen  ein  Fortschritt  kundgiebt.  — 

Dasselbe  gilt  auch  für  die  Mohrzahl  der  „Leitfaden"  und  „Abrisse"  der 
Litteraturgeschichto  \ind  Poetik  "-^-''^O).  Unter  den  neu  erschienenen  oder  neu  auf- 
gelegton Hilfsmitteln  dieser  Art  tritt  das  von  Prosch  ^7)  durch  gediegene  Sachlichkeit 
vorteilhaft  hervor.  Wenn  P.  seine  Arbeit  als  „Hilfsbuch"  bezeichnet  und  im  Gegensatz 
zu  „gewöhnlichen  Lehrbüchern"  stellt,  so  mag  das  den  Umfang  des  Buches  rechtfertigen, 
das  sich  als  eine  zusammenhängende  Litteraturgeschichte  darstellt  und  in  den  Händen 
des  Primaners  als  Lektüre  gute  Dienste  thun  wird.  Wie  freilich  dem  Unterricht  selbst 
ein  Leitfaden  von  dieser  Ausdehnung  zu  Grunde  gelegt  werden  könnte,  ist  mir  nicht 
klar.  —  Zum  Schlüsse  sei  bemerkt,  dass  der  zweite  Teil  des  „Handbuches  der  Deutschen 
Sprache"  von  0.  Lyon  ^^^)  in  zweiter  Auflage  erschienen  ist.  Von  den  drei  Teilen,  die 
es  enthält  —  Stilistik,  Poetik,  Litteraturgescliichte  —  hat  namentlich  der  letzte  Ei-weite- 
rungen  und  Umarbeitungen  erfahren.  — 


brauchbares  Hilfsmittel  z.  Yeransdiaulichung  d.  technischen  Beziehunj^en  d.  Gedichtes.)  —  68)  X  L  Bellerniann,  J.  Imel- 
maun,  P.  Jonas,  15.  Suphau,  Dtsch.  Leseb.  f.  höh.  Lehranst.  Vorschule,  Unterstufe  u.  Oberstufo.  2.  Aufl.  Berlin,  Weid- 
mann. Vni,  224,  V1I1,295S.  M.  3,40  —  69-70)  X  K.  Brandt,  Dtsch.  Loseb.  Ausg.  in  2  Tln.  Hamburg,  Meissner.  1.  XVI,  280  S. 
2.  XVI,  480  S.  M.  3,00.  je  M.  1,80.  —  71)  X  B.  u.  W.  Diotloln,  G.  Schumann,  Dtsch.  Leseb.  filr  sechs- u.  mehrkl.  Schulen. 
Au.sg.  B.  in  7  Tln.  7.  Teil.  Gera,  Hofmanu.  520  K.  M.  1.00.  —  72)  X  H-  v.  Dadelsen,  Dtsch.  Leseb.  f.  höh.  Schulen. 
1.  Tl.  Fllr  vSextiv.  Strassburg,  C.  F.  Schmidt.  XII,  244  S.  M.  2,00.  —  73)  X  A.  Engelien  u.  H.  Fechner,  Bilder  aus 
d.  Loben  D.  M.  Luthers,  d.  dtsch.  reforuiators.  (=^  Ergänzung  (I)  zu  d.  dtsch.  Leseb.  ders.  Autoron).  Berlin,  W.  Schultze. 
3',)  S.  M.  0,25  —  74)  X  H.  Erkelenz,  Dtsch.  Leseb.  f.  höh.  Madchenschulen.  1.  Tl.  (früher  Vorstufe).  FUr  d.  vorbereit. 
Elementarklasseu  (2.  u  3.  Schulj.)  2.  Ausg.  Köln,  M.  du  Mont-Schauberg.  VIII,  260  S.  M.  2,00.  —  75)  X  id.,  Dtsch.  Leseb. 
f.  höh.  Mndchenschulen.  3.  Tl.  (früher  2.  Tl.)  Für  d.  oberen  Klassen  IV,  III,  II  u.  I  m.  Rücksicht  »uf  d.  Unterricht  in  d. 
Litt.-Ge,seh.  3.  Aufl.  ebda.  XXIV,  52S  S.  M.  4,80.  —  76)  X  K.  Hol  dermann,  Dtsch.  Leseb.  f.  höh.  Madchenschulen. 
6.  Schulj.  Nach  d.  Vorhandlng.  d.  bad.  u.  elsa-s-lothring  Zweigvereins  f.  d.  höh.  Madchenschulwesen  her.  Mit  16  Abbildgn. 
Leipzig,  Froytug.  VIII,  183  S.  M.  1.20.  —  77)  X  B-  Jonas,  MusterstUcko  dtsch.  Prosa.  E.  Lesebuch,  f.  d.  oberen  Klasseu 
höh.  Lehranst.  2.  Aufl.  Berlin,  Gaertner.  VIII,  285  S  M.  2,60.  —  78)  X  J-  Kehrein,  Dtsch.  Leseb.  f.  Gymn.,  Semiu., 
Realschulen,  neu  bearb.  v.  V.  Kehrein.  Unt.  Lehrstufe.  9.  Aufl.  Leipzig,  Wigand  XJII,  453  u.  106  8.  M.  3,00.  — 
79)  X  F.  Linnig,  Dtsch.  Leseb.  1.  Tl.  9.  Aufl.  Paderborn,  Schöningh.  XI,  502  S.  M.  2,60.  —  80)  X  H.  J.  LUning- 
Sartori,  Dtsch.  Leseb.  f.  d.  unt.  u.  mittl.  Klassen  höh.  Schulen.  1.  Tl.  3.  Aufl.  v.  K.  Schnorf.  Zürich,  Schulthess. 
XIII.  314  S.  —  81)  X  F.  C.  Paldamus,  Dtsch.  Leseb.  Ausg.  B.  Für  höh.  Mädchenschulen  bearb.  v.  K.  Rohorn. 
6  Tle.  Frankfurt  a.  M.,  Diesterwog.  M.  14,50.  —  82)  X  «•  Schulz,  Dtsch.  Leseb.  t  höh.  Lehranst.  1.  TL  Für  d. 
unt.  u.  mittl.  Klassen.  9.  Aufl.  Paderborn.  Schöningh.  XV,  566  S.  M.  2,65.  —  83)  X  L-  Voigt,  Dtsch.  Lesob.  für 
Handelsschulen.  Dresden,  Hulile.  320  S.  M.  2,00.  —  84-)  X  6.  Wendt,  Dtsch.  Leseb.  2  TL  für  d.  4.  u.  3.  Klasse  d.  Gymn. 
u.  Kealschulrn.  2.  Aufl.  Lahr,  Schauenbnrg.  VI,  225  S.  M.  2,60  —  85)  X  L<hrer  d.  dtsch.  Sprache  an  d.  kgl.  Reil- 
gynin.  zu  Döbeln.  Dtsch.  Leseb.  für  h(ih.  Lehranst.  3.  Tl  :  Quarta.  2.  Aufl.  Leipzig,  Teubner.  X,  350  S.  M.  2,00.  — 
86)  X  A.  Damman,  Dtsch.  Lernstoff.  E.  Au.sw.  v.  Musterstlicken  in  gebund.  u.  ungebund.  Form.  3.  Aufl.  Berlin,  Oehmigke. 
163  S.  M.  0,80.  —  87)  X  E.  Eckhardt,  150  ausgew.  dtsch.  Gedichte,  schulgemäss  u.  eingehend  erl.,  verbunden  m  e.  elemen- 
taren Litt.-Gesch.  u.  Poetik.  4.  Lfg.  Würzen,  Kiesler.  193—256  S.  M.  0.50.  —  88)  X  0.  Köhler,  Nene  u.  neueste  dtsch. 
Kaiserlieder.  E.  Samml.  v.  Gedichten,  z.  Feier  v.  Kaisers  Geburtstag  u.  anderen  Gedenkt,  f.  Schulzwecke  voranst.  Halle, 
MUhlmann.  VI,  162  S.  M.  1,60.  —  89)  X  J-  Nieden,  Dtsih.  Gedichte,  nebst  e.  Anh.  v.  Sprüchen,  Sprüchwörtein  u.  Rätseln 
z.  Auswendiglernen  zusaramcngest.  u.  her.  Slrassburg,  Lindner.  VI,  182  u.  4  S.  M.  1,00.  —  90/1)  X  F-  Otto.  Äusw. 
dtsch.  Gedichte  f.  d  unt.  u.  nvittl.  Klassen  höh.  Knabenschulen.  Berlin,  Herbig.  VI.  94  S.  M.  0,90.  —  92)  X 
Lehrerkollegium  d.  Kgl.  Elisabethscliulo  zu  Berlin,  Dtsch.  Gedichte  f.  d.  Mittel-  u.  Oberstufe.  Berlin,  Hayn.  VII,  159  S. 
—  93)  X  H.  Damm.  Leitfaden  z.  dtsch  Litt.- Ge.-.ch  f.  d.  Schulgebr.  19.  Tausend.  Verm.  Aufl.  Berlin,  G.  W.  F. 
Müller.  64  S.  (Für  d.  Oborklasse  e.  Mittel-  oder  mehrstufigen  Bürgerschule.)  —  94)  X  A.  Frauzem,  Damms  Leitfaden  z. 
dtsch.  Litt.-Gesch.  FUr  kathol.  Schulen  beurb.  Beilin,  G.  W.  F.  Müller.  64  S.  (11:43).  —  95)  X  J-  Kippenberg,  Abriss  d. 
dtsch.  Litt.  D.  dt.-ch.  Dichtg.  uach  ihrer  gesch.  Eutwickl.  in  e.  Ausw.  ihrer  TorzUglichsten  Erzeugnisse  v.  Anfang  bis  auf  d. 
Gegonw.  Hannover,  Nordd.  Verlag.sanst.  1890.  VIII,  328  S.  M.  2,00.  —  96)  X  ß-  Koenig,  Abris .  d  dtseh.  Litt.-Gesch. 
E.  Hilfslnich  fUr  Schule  u.  Haus.  Mit  10  Beil.  u.  50  Abbild.  2  Aufl.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  IX,  202  S.  (I  1  :  42).  — 
97)  F.  Prosch,  Leitfaden  für  d.  litt.-hist.  Unterricht  an  österr.  Lehranst.  u.  f.  d.  Selbststudium.  2.  Heft.  Wien,  Graeser. 
Vlir,  320  S.  M.  2,40;  1.  u.  2.:  3,60  M.  —  98)  X  F.  Schultz,  Merktafel  zu  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  Dessau,  Baumann,  14  S. 
(II  :44).  —  99)  X  H.  Stöhn,  Lehrbuch  d.  dtsch.  Litt,  für  höh.  Mädchenschulen  u.  Lehrerinnen-Bildungsanst,  4.  Aufl  Leipzig, 
Teubner.  VIII,  216  S.  M.  2,80.  —  100)  X  0.  Lyon,  Handbuch  d.  dtsch.  Sprache  für  höh.  Schulen.  2  Tle.  Leip«ig, 
Teubner.     1890.     1.  VIII,  272  S.    2.  IX,  292  S.  M.  2,40.  — 


k 


I  8:  1-2.       H-.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  136 

1,8 

Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

Hermann  Wunderlich. 

Einleitung  N.  1.  —  Konstitutive  Faktoren :  Kanzlei  und  Buchdruck  N.  2;  Mundarten  N.  6;  indi- 
viduelle Einflllsse:  tlicorotische  (Sehottel,  Schupp,  Spraehgesellscliaften  u.  a.)  N.  16,  praktische  (Hütten,  Haller,  Herder,  Goethe, 
Hebel,  Heine)  N.  24.  -  E  rsch  einungsf  orrfl:  Historisches:  Allgemeines  N.  29,  Laut-  und  Formenlehre  N.  30,  Syntax  N.  34, 
Stil  N.  38,  Wortschatz  (Wörterbücher  u.a.)  N.  48;  Polemisches:  Allgemeines  („Papierner  Stil",  „Sprachdummheiten")  N.  56, 
Fremdwörter  N.  CO.  — 

Eine  Einleitung  in  die  Kenntnis  der  bisherigen  Ergebnisse  neuhochdeutscher 
Sprachforschung  und  ihrer  Ziele  bildet  ein  akademischer  Vortrag  von  Bahders  ^).  Wie 
stets  innerhalb  der  germanischen  Philologie  steht  auch  hier  Jacob  Grimm  im  Vordergrunde, 
naturgemäss  aber  in  anderer  Beleuchtung  als  sonst;  denn  die  neuen  Wege,  die  er  als 
Pfadfinder  unserer  Wissenschaft  gewiesen,  sind  für  dieses  Sondergebiet  Beeinträchti- 
gungen gewesen.  Das  Interesse,  welches  das  Mittelalter  in  jeuer  romantisch  gestimmten 
Zeit  auf  sich  lenkte,  wurde  dem  neueren  Sprachleben  entzogen,  und  die  Wegzeiger,  mit 
denen  Jacob  Grimm  in  die  Entwicklungsgänge  unserer  Sprache  zurückwies,  mussten 
für  das  neuere  Sprachleben  wie  Wariumgstafeln  wirken.  B.  legt  diese  Seite  der  Thätig- 
keit  Jacob  Grimms  an  seinen  einzelnen  Werken  eingehender  dar  und  sichert  damit  dem 
zweiten  Teil,  wo  er  die  reichliche  Neubelebiuig  des  lang  verwaisten  Gebietes  schildert, 
die  Empfänglichkeit  und  das  Verständnis  der  Leser.  Allerdings  die  Mundartenforschung, 
die  heute  üppiger  blüht  denn  je,  hat  mit  ihrer  fast  ausnahmslosen  Beschränkung  auf 
Laut-  und  Eormenlehre  bislang  nur  wenige  Arbeiten  zu  Tage  gefördert,  die  das  Wechsel- 
verhältnis zwischen  Mundart  und  Schriftsprache  ernstlicher  ins  Auge  fassen;  um  so  mehr 
hat  die  Litteratur  an  einem  anderen  Punkte  angesetzt,  an  dem  Jacob  Grimm  mit  Be- 
wusstsein  seiner  Eorschung  Halt  gebot,  der  Spraclirichtigkeit.  Die  lebendige  Grammatik, 
die  Jacob  Grimm  in  jedem  Deutschen  verehrte,  lässt  ja  offenkundig  in  der  Piaxis  im 
Stich;  aber  auch  B.  gelangt  hier  nicht  dazu,  die  treibenden  Kräfte  bloss  zu  legen,  die 
gerade  Grimms  Selbstbeschränkung  gegenüber  in  Thätigkeit  traten.  Nicht  nur  „die 
Schriftsprache,  die  der  Erlernung  bedarf",  sondern  gerade  „die  Sprache,  die  wir  von 
Jugend  auf  sprechen",  fordert  zu  Entscheidungen  über  die  Sprachrichtigkeit  heraus,  w^enn 
sie  die  Gewohnheiten  eines  Anderen  durchkreuzt.  Nicht  bloss  die  Schiüe,  sondern  viel 
mehr  noch  das  Leben  mit  seinem  gesteigerten  Verkehr,  der  die  ehemals  geschlossenen 
Sprachkreise  durcheinander  rüttelt,  hat  seinen  Anteil  an  der  anschwellenden  Litteratur 
über  diese  Dinge.  War  Grimm  hier  ablehnend  oder  passiv  gewesen,  so  hatte  er  um- 
gekehrt auf  dem  Gebiete  der  Orthographie-  alte  Gewöhnung  über  den  Haufen  geworfen 
und  damit  den  Anstoss  zu  einer  Verwirrung  gegeben,  die  wir  noch  heute  nicht  überwunden 
haben.  B.  möchte  auf  den  Versuch,  hier  Ordnung  zu  scliatfen,  die  verschiedenen  Ai-beiten  zu- 
rückführen, die  allmählich  dem  Entwicklungsprozess  unserer  Schriftsprache  überliaupt 
zusteuerten.  Der  Einfluss  der  Kanzleisprache,  die  Stellung  Luthers  in  unserer  Sprache, 
beide  Prägen  sind  wiederholt  neuer  Betrachtung  unterzogen  worden  luid  haben  natur- 
gemäss neue  Prägen  angeregt.  Mit  Recht  fordert  B.  auch  hier  eine  lebhaftere  Empfting- 
lichkeit  für  den  Anteil,  den  die  Mundarten  in  wechselseitigem  Vordrängen  einzelner 
Worte,  einzelner  Pügungen  an  unserer  heutigen  Sprache  haben.  Die  Wortforschung 
selbst  hat  die  Bahnen,  die  ihr  die  beiden  Grimm  im  Wörterbuche  gewiesen,  unter  den 
Nachfolgern  entschieden  weiter  gezogen.  In  erster  Linie  ist  das  neuere  Sprachgut  ganz 
anders  in  die  Beachtungssphäre  eingerückt,  sodann  wird  dem  ersten  Vorkommen  eines 
Wortes  seit  Weigand  genauer  nachgespürt  und  Hildebrands  wertvolle  Bausteine  zu  einer 
neuhochdeutschen  Grammatik  ragen  kräftig  aus  dem  Gerüst  des  Wörterbuches  hervor. 
B.  liat,  in  dem  er  diesen  Neuerungen  vollauf  gerecht  wurde,  die  etymologisclien,  kultur- 
geschiclitlichen  und  sprachreinigenden  Bestrebungen,  die  dem  lexikalischen  Gebiet  in 
unserem  Berichte  einen  breiteren  Raum  sichern,  zu  wenig  zum  Worte  kommen  lassen.  — 

Die  Untersuchungen  nun,  über  die  wir  zu  berichten  haben,  grenzen  sich  in  einem 
Punkte  scharf  gegeneinander  ab:  die  einen  fassen  die  konstitutiven  Faktoren,  in  deren 
wecliselseitigem  Zusammenwirken  die  neuhochdeutsche  Spraclie  erstand,  ins  Auge,  die 
anderen  greifen  die  Ersciieinungsformen  dieser  Sprache  selbst  heraus  und  suchen  Pro- 
bleme der  Laut-  und  Formenlehre,  der  Syntax,  der  Wortbildung  zu  lösen.  Als  kon- 
stitutive Faktoren  treten  immer  deutlicher  die  Kanzleisprache  gegen  die  Buchdrucker- 
kunst,  die  Dialektgruppe  gegen  das  Individuum,  die  praktische  Thätigkeit  des  Schrift- 


I)  K.  V.  Bahder,  D    nhd.  SpracMorschung;,    ihre  Ergebnisse  u.   Ziele:    ZDU.   5,    S.  6-23.    —   2)  R.  Nebert,  Z. 


137  fl.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.        I  8:  3-7 

stellors  gogoii  thoorctisclio  FostHetzunßeu  in  den  Vorderginind.  So  knüpfen  denn  ver- 
schiedene Arbeiten  an  die  Knnzloispraclie  an.  Nebert*),  der  die  Kanzleisprache 
von  Speier  mit  der  heutigen  Mundart  dieser  Gegend  vergleicht,  greift  bis  in  die  bischöf- 
liche Kanzlei  der  Staufor  zurück,  und  so  streift  seine  Aufdeckung  schwäbischer  Formen 
in  erster  Linie  das  Problem  einer  mittelhochdeutschen  Schriftsprache,  Aber  die  Linien, 
die  er  zieht,  gelten  doch  wenigstens  als  Parallelen  auch  für  unsere  Zeit.  Methodologisch 
interessiert  vor  allem  der  breite  liistorische  Hintergi-und,  die  lebendige  Anschaulichkeit, 
mit  der  hier  Sprachgescliichte  und  hohe  Politik  in  Verbindung  gesetzt  werden,  eine 
Aufgabe,  die  sich  auch  Steh  lieh  3)  gesetzt  hat.  Ausserdem  leitet  das  Aufblühen 
der  städtischen  Kanzlei  mit  ihrem  Rückschlage  des  heimischen  Elementes  gegen  die 
höfische  Orthographie  des  Adels  auch  chronologisch  in  unser  Gebiet  über.  —  Lulves  ♦) 
hat  dem  gegenüber  sich  ganz  auf  den  politischen  und  diplomatischen  Teil  seiner  Auf- 
gabe eingeschränkt  und  die  Kanzlei  Karls  IV  uns  sprachlich  nicht  näher  gerückt.  —  Da- 
gegen erhalten  wir  ein  erscliöpfendes  Bild  der  Luzerner  Kanzleisprache  vor  dem  Ein- 
dringen des  Nouhoclideutschen  durch  ßrandstetter  ■"'),  der  durch  die  dankenswerte  Be- 
schränkung auf  ein  kleineres  vertrautes  Gebiet  um  so  allgemeiner  gültige  Ergebnisse 
gewonnen  hat.  --  Die  Macht,  die  dieser  Kanzleisprache  ein  Ende  bereitete,  ist  der  Buch- 
druck, der  auch  an  allen  anderen  Orten  die  Kanzleisprache  ablöst.  Früh  schon 
wendet  sich  hier  die  Forschung  den  einzelnen  Faktoren  zu,  mittels  deren  gerade  der  Buch- 
druck die  Mundarten  durcheinander  rüttelte,  bis  jede  von  ihnen  einige  Formen  in  unserer 
Schriftspraclie  abgesetzt  hat.  — 

Unter  den  Forschungen  über  die  Mundarten  ist  namentlich  eine  leider 
nicht  mehr  in  unser  Berichtsjahr  fallende  Arbeit  von  Friedr.  Kauffmann  6)  zu  nennen, 
die  an  die  Beschreibung  des  schwäbischen  Lautstandes  im  Anhang  eine  Ge- 
schichte der  Schriftsprache  in  Schwaben  knüpft  und  hier,  so  ergänzungsbedttrftig 
auch  gerade  die  Einzelheiten  sind,  doch  im  Grossen  die  Linien  klar  und  sicher 
zieht.  —  Noch  bestimmter  treten  diese  in  einer  Recension  Kauffmanns  '')  hervor, 
in  der  er  im  Anschluss  an  H.  Paul  darlegt,  wie  die  Sprache  des  Mittelalters  nur 
durch  Individuen  vermittelt  worden  sei,  während  der  Buchdruck  die  Sprache  vom  In- 
dividuum isoliere,  sie  objektiviere.  Freilich  geht  K.  zu  weit,  wenn  er  erst  hierin  die 
Möglichkeit  erblickt,  die  Sprache  zum  „Gegenstand  des  Nachdenkens,  der  wissenschaft- 
lichen Betrachtung  oder  was  dasselbe  heissen  soll,  vernunftgemässer  Regelung"  zu 
machen.  Denn  diesem  Ziele  sind  die  Sprachen  schon  nahe  gekommen,  auch  ehe  der  Buch- 
druck neue  Mittel  dafür  entwickelte.  Der  prinzipielle  Unterschied  liegt  vor  allem  in 
der  Tliatsache,  dass  mit  dem  Buchdruck  eine  eimnalige  Fassung  für  eine  grosse  Zahl 
von  Exemplaren  Geltung  erhielt;  diese  Thatsache  nötigte  vor  der  endgültigen  Nieder- 
schrift zum  Nachdenken,  sie  entwickelte  in  der  Druckerei  sowolil  als  —  was  K.  zu 
wenig  berücksiclitigt  —  beim  Autor  orthogi-apliische  Begtrebungen ;  sie  nötigte  zu  Aus- 
gleichungen aller  Art,  zur  Unterdrückung  des  heinuschen  Idioms,  wo  eine  weitere  Ver- 
breitung des  Buclies  in  Aussicht  genommen  war.  Der  ausgleichenden  Thätigkeit  der 
Setzer,  die  aus  verschiedensten  Gegenden  an  einem  Druckorte  zusammenströmten,  wird 
K.  gerecht,  weniger  jedoch  der  Thatsache,  dass  die  neue  Kunst  mit  ihrem  umständ- 
licheren Betriebe  auch  eine  centralisierende  Wirkung  ausübt.  Nur  wenige  Städte  sind 
anfänglich  Sitze  einer  Druckerei,  sie  sichern  dadurch  ihrem  heimischen  Dialekte  auch 
Einfluss  auf  die  Werke  eines  weiter  abliegenden  Schriftstellers.  Neben  der  Bedeutung 
der  Buchdruckerkunst  für  tinsere  Spraclie  ist  es  auch  das  Verhältnis  zwischen  Mund- 
artenforschung und  neuhochdeutscher  Sprachgeschichte,  das  in  K.s  Anzeige  treffenden 
Ausdruck  findet  in  den  Worten:  „Ich  wiederhole,  dass  wir  nicht  vorwärts  kommen,  so 
lange  die  Orthogra])hie  nicht  von  den  einzelnen  Mundarten  aus  entwicklungs- 
geschiclitlich  beleuchtet  wird.  Es  muss  erst  die  Bedeutung  der  orthographischen  Zeichen 
in  den  verschiedenen  Centren  festgestellt  werden,  ehe  wir  mit  der  neuhochdeutschen 
Sprachforschung  in  das  Gebiet  der  Lautgeschichte  gelangen."  —  Dies  soll  auch  der 
Standpunkt  sein,  von  dem  aus  unser  Bericht  sich  zu  den  Einzelgebieten  der  Phonetik 
und  Orthographie  einerseits  und  der  Mundartenforschung  andererseits  stellt.  Denn  die 
weitverzweigte  Ausdehnung  gerade  unseres  Berichtsgebietes  nötigt  zur  Einschränkung 
und  Aussonderung,  und  da  überdies  die  ei-wähnten  Disciplinen  ihre  besonderen  Organe 
gefunden  haben,  in  denen  über  die  Einzelleistungen  Buch  gefülu-t  wird,  so  können  wir 
hier  umsomehr  den  Blick  auf  diejenigen  Untersuchungen  eingrenzen,  die  x^örklich  in 
die  Geschichte  unserer  neuhochdeutschen  Schriftsprache  einmünden.  —  Anscheinend  hat 


k 


Gesch.  d.  Speyrer  Kanzleisprache.  Hallenser  Diss.  Halle,  Kaemmerer.  66  S.  —  3)  F.  Stahl  ich,  D.  Sprache  in  ihrem  VerhiUnis 
z.  Gesch.  Leipzig,  Keiiger.  78  S.  M.  1,00.  —  4)  ,1.  Lulvös,  D.  Stinima  Canci^llariae  d.  Johann  v.  Neuraarkt.  berliner  Piss. 
I.erliii,  Mayer  &  MUIl«r.  26  S.  —  5)  B.  B  randste  tter,  D.  Kecoption  d.  nhd.  Schritts  irache.  Einsiedeln,  fenziger. 
i'O  S.  M.  2.00.  |[K.  Weinhold:  ASNS.  86,  S.  309.]i  -  6)  F.  Kauffniiinn,  Gesch.  d.  schwSl.  Mundart.  Strass- 
Inirg.  Trllhner.  1890.  355  S.  M.  8,00.  |[H.  Fischer:  Germania  37,  S.  -iOG;  K.  Weinhold:  ASNS.  85,  S.  62;  A.  Hensler: 
DLZ.  N.  9;  Bohnenberger:    ZDPh.  26,  S.  116;    Franck:  ADA.   17,  S.  98;    LCBl.    1890,    N.  4.]j    -    7j  id.,  K.  t.  Bahder, 


I  8:  8-19.     H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache,  138 

Miehlke  ^)  beabsichtigt,  eine  Geschichte  unserer  Sprachlaute  zu  geben,  aber  der  ge- 
schichtliche Teil  dieser  Arbeit  ist  veraltet  und  schief,  der  Hauptwert  beruht  auf  der 
sorgfältigen  Aufzählung  der  Inkonsequenzen  unserer  Orthographie,  die  über  unseren 
Rahmen  hinausgreift.  —  Auch  die  Mundartenforschung  scheint  ihren  Schwerpunkt  ganz 
auf  ein  Gebiet  verlegt  zu  haben,  das  wir  eben  für  unsere  Betrachtung  ausschliessen 
mussten,  auf  die  statistische  Beschreibung  der  Lautverhältnisse.  Abgesehen  von  einigen 
Arbeiten,  die  wir  weiter  unten  bei  der  Syntax  zu  begrüssen  haben,  sind  im  Berichtsjalir 
wenig  Versuche  gemacht  worden,  Mundart  und  Schriftsprache  in  Beziehung  zu  setzen, 
obwohl  die  Vorjahre  gerade  hier  so  eingreifende  Arbeiten  zu  verzeichnen  hatten.  Die 
Bedeutung  der  Mundartenforschung  allerdings  wird  in  mehreren  Aufsätzen  nach  den  ver- 
schiedensten Seiten  hin  ins  Licht  gesetzt.  Brenner  ^)  weist  im  besonderen  auf  das 
betrübende  Darniederliegen  entsprechender  Studien  in  Bayern  hin  und  erklärt  dieses  mit 
Recht  aus  der  ganz  besonders  mangelhaften  Prüfungsordnung,  die  bei  den  künftigen 
Gymnasiallehrern  Bayerns  jede  Regung  für  die  Muttersprache  mit  Gewalt  nieder- 
zwingt. —  C.  Franke  ^0^  fasst  in  dem  neuen  Sammelorgan,  das  Brenner  für  die  Mund- 
artenforschung des  südlichen  und  mittleren  Deutschlands  begründet  hat,  noch  einmal 
kurz  die  mannigfaltige  Bereicherung  unseres  Anscliauungs-  und  Sprachvermögens  zu- 
sammen, die  er  schon  in  einer  früheren  eingehenderen  Darstellung  ii)  von  der  Mund- 
artenkunde erhofft  hatte.  Schon  dort  war  allerdings  der  Reichtum  nur  theoretisch  zur 
Entfaltung  gekommen,  praktisch  hatte  sich  P.  ganz  auf  den  Wortschatz  beschränkt.  — 
Deshalb  sah  sich  Wunderlich  ^'-)  veranlasst,  andere  Seiten  der  Mundart,  vor  allem 
die  eigenartigen  Satzfügungen  hervorzuheben,  mit  denen  sich  die  auf  lautlichem  Gebiete 
am  meisten  von  einander  abstehenden  Mundarten  zu  einer  Einheit  gegenüber  der  Schrift- 
sprache zusammenschliessen.  Diese  nahe  Verwandtschaft  der  Mundarten  muss  gerade 
die  syntaktische  Erforschung  der  Dialekte  zum  Bewusstsein  bringen,  indess  die  Dar- 
stellung des  Lautstandes  vielmehr  die  trennenden  Punkte  hervorhebt.  Und  mit  der  syn- 
taktischen Seite  nehmen  die  Dialekte  auch  an  der  Schriftsprache  einen  ganz  anderen 
Anteil.  —  Das  Berichtsjahr  hat  hier  gegenüber  der  auffallenden  Dürftigkeit  der  früheren 
Jahre  einige  sehr  erfreuliche  Arbeiten  hervorgebracht.  Neben  einigen  hübschen  Beob- 
achtungen von  P.  Kuntze^^)  über  sprachliche  Neubildungen  im  Südwesten  ist  hier  in 
erster  Linie  eine  Untersuchung  von  Reis  i*)  über  den  Mainzer  Dialekt  zu  nennen,  die 
aus  der  Schule  Behaghels  hervorgegangen  eine  verwandte  frühere  Arbeit  von  Binz  über 
die  Baseler  Mundart  insofern  ergänzt,  als  sie  den  für  Basel  behandelten  Wortklassen 
hier  aus  Mainz  die  Wortformen  in  ihrer  syntaktisclien  Abgrenzung  gegenüberstellt.  — 
Aus  dem  äussersten  Osten,  und  daher  dem  Einfluss  des  Czechischen  auf  die  öster- 
reichische Umgangssprache  sich  zuwendend,  liegt  eine  Untersuchung  von  Tomanek^^) 
vor,  die  uns  im  Gegensatze  zu  Reis  weniger  dvirch  ihre  Methode  als  durch  ihre  Er- 
gebnisse interessiert,  die  hauptsächlich  auf  dem  Gebiete  der  Syntax  liegen.  Andere 
hier  eingreifende  Arbeiten  findön  weiter  unten  Erwähnung,  da  sie  entweder  an  die 
Persönlichkeit  eines  Schriftstellers  (vgl.  N.  28)  anknüpfen  oder  ihre  Beobachtung  zum 
Ausgangspunkt  von  Reformvorschlägen  machen  (vgl.  N.  57).  — 

Das  Individuum  als  konstitutiver  Paktor  in  der  Geschichte  unserer 
Sprache  ist  uns  gegenüber  der  dürftigen  Berück sichtigimg  des  entsprechenden  Einflusses 
der  Mundarten  in  zalilreichen  Beiträgen  näher  gerückt  worden.  Vor  allem  die  theore- 
tische Seite  dieses  Einflusses,  die  grammatischen  Bestrebungen  früherer  Zeit  kommen 
wieder  mehr  in  Geltung.  Nicht  nur  dass  die  für  1891  fälligen  Bände  der  ,, Allgemeinen 
Devitschen  Biographie"  Gelegenheit  gaben,  einen  Namen  wie  Schottelius  zu  wüi'digen, 
dessen  „Ausführliche  Arbeit  von  der  deutschen  Haubtsprache"  freilich  neben  der  knappen 
und  im  Ganzen  treffenden  Charakteristik  von  Waldbergs i^)  längst  eine  eingehende 
gi-ammatische  Würdigung  verdiente.  —  Auch  bescheidenen  Erscheinungen  ist  ebendort 
kurze  Besprechung  zu  teil  geworden:  so  dem  Vf.  eines  frühneuhochdeutschen  Wörter- 
buches des  Clevener  Dialektes,  Schuren  durch  Harless^'')  und  Schwartzenbach,  dem  Vf. 
einer  Nürnberger  Synonymik  aus  der  Mitte  des  16.  Jh.,  durch  Bolte^^),  wobei  deren 
Verhältnis  zu  ihren  Vorgängern  noch  zu  untersuchen  wäre.  —  Bei  Schupp  hätte 
Bertheau^^)   einen  kräftigen  Hinweis   auf  dessen  Bedeutung    gerade    nach    der  sprach- 


Grundlagen  d.  nhd.  Lautsystems.  Strassburg  1890:  LBlGEPh.  12,  S.  290/3.  —  8)  A.  Miehlke,  D.  Gesch.  unserer  Sprachlaute 
u.  Orthographie.  Prog.  d.  höh.  Bürgerschule.  Graudenz,  Röthe.  40.  39  S.  —  9)  0.  Brenner,  D.  dtsch.  Mundartenforschung 
u.  d.  Studienverhllltnisse  in  Bayern:  MUncUNN.  44,  N.  61.  —  10)  C.  Franke,  Uebor  d.  wissenschaftlichen  u.  praktischen  Wert 
d.  Dialektforschungen:  Bayerns  Mundarten  1,  S.  13/9.  —  II)  id.,  Reinheit  n.  Reichtum  d.  dtsch.  Schriftsprache,  gefördert  durch 
d.  Mundarten.  Leipzig,  Teubner.  1890.  142  S.  |[0.  Behaghel:  LBlGEPh.  N.  8;  E.  Naumann:  ZGymn.  NF.  25,  S.  145/7; 
E.  Harich:  ZDU.  5,  S.  362/4.]|  —  12)  H.  Wunderlich,  D.  dtsch.  Syntaxforschung  u.  d.  Schule.  (Zuerst  in  d.  AZgB. 
N.  139):  Verhandl.  d.  41.  Vers,  dtsch.  Philologen.  Leipzig,  Teubner.  1892.  S.  268—77.  —  13)  F.  Kuntze,  Sprachliche  Neu- 
bildungen im  Südwesten :  ZDU.  5,  S.  36-43.  (Vgl.  C.  Menge:  ib.  S.  289;  Kuntze  selbst:  ib.  8.  289— 90.)  — 14)  H.  Reis,  Beitr.  z. 
Syntax  d.  Mainzer  Mundart.  Giesscn,  Ricker.  46  S.  M.  1,00.  |  [  Wu  nderlich:  Germania  37,  11.  4.]|  —  15)  E.  Tomanek, 
Uebor  d.  Eiuüuss  d.  Czechischen  auf  d  dtsch.  Umgangssprache  in  Oostorreichisch-Schlesion.  JB  d.  Gymn.  Troppau,  Drechsler. 
39  S.  —  16)  (I  3:3).-  17)  Harless,  Schuren:  ADB.  33,  S.  81.   —    18)  J.  Bolte,   Schwartzenbach:   ib.  S.  216.   —   19)  (III 


139  H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.    I  8:  ni-->s. 

lirlien  Soito  liiii  golxüi  Holltni.  —  Wie  lebhaft  diese  Bedeutung  sonst  wohl 
eiripfuiHlen  wird,  sollen  wir  /,.  B,  daran,  dass  Bechstein  ilim  in  einer  Anzeige  des  von 
Riogel-ö)  besorgten  Neudruckes  sogar  den  „Teutschen  Sprachvorderber"  zuweisen  möchte. 
B.  weist  darauf  hin,  dass  der  von  ihm  1H()2  besorgte  Neudruck  und  R.s  Ausgabe  auf 
zwei  vorschicdone  Ausgaben  dos  Jahres  iCAii  zurückgehen,  dass  der  „Sj)rarhverderber" 
also  Hchon  im  Jahre  seines  Erscheinens  eine  Nouaufloge  oder  einen  Nachdruck  erfuhr. 
Dio  Voi-fasserfrago  hat  der  neueste  Herausgeber  nicht  berücksichtigt.  —  Die  Sprach - 
goscllschaften,  für  die  vor  allem,  was  das  1 7.  Jh.  betrifft,  eingehende  Untersuchungen 
vorliegen,  werden  heutzutage  namentlich  als  Schild  für  verwandte  Bestrebungen  hervor- 
gezogen, so  von  Pallmann''^i),  der  auf  R.  Schultz  fusst.  —  In  anderem  Zusammenhange 
streift  sie  auch  Berger 22)  wieder  in  einem  rasch  und  gefällig  orientierenden  Aufsatze. 
Wo  B.  dagegen  versucht,  die  Leistungen  dieser  Spracliforscher  in  bestimmten  Einzel- 
heiton festzuhalten,  geht  er  leicht  in  die  Irre.  Wenn  B.  eine  deutsche  Akademie  auch 
für  dio  Zukunft  aus  Furcht  vor  etwaigen  Eingiiffen  in  den  lebendigen  Sprachgebraucli 
schlankweg  vorwirft,  so  geht  er  doch  gar  zu  behutsam  der  Frage  aus  dem  Wege, 
warum  deshalb  nun  auch  die  Geschichte  der  deutschen  Schriftsprache  für  immer  ein 
Stiefkind  der  deutschen  Akademien  bleiben  solle.  Eine  deutsche  Sprachakademie  würde 
jedenfalls  der  Person  Luthers  gegenüber  die  langjährige  Dankespflicht  einzulösen  suchen; 
sie  w  ürdo  in  die  Lutherausgabe  ein  schnelleres  Tempo  bringen  und  für  die  Spraclie  des 
Reformators  Untersuchungen  vox'bereiten  und  initerstützen.  —  Wie  leicht  sich  die  Kraft 
des  Einzelnen  gerade  hier  erschöpft,  wenn  der  allgemeine  Mittelpunkt  fehlt,  war  aus  dem 
Versuche  von  C.  Franke  zu  sehen,  der  auch  neuerdings  von  0.  Erdmann23)  aus  ähn- 
lichen Gesichtspunkten  beurteilt  wird.  — 

Sonst  gewinnt  gerade  der  praktische  Anteil,  den  die  Schriftsteller  durch  ihre 
Werke  auf  die  Gestaltung  unserer  Sprache  gewonnen  haben,  immer  mein*  Interesse. 
Schon  in  Szamat61skis2-i)  Hütten  wird  die  Sprache  straffer,  als  wir  es  gewohnt 
sind,  in  den  Dienst  der  Untersuchung  gespannt,  und  wenn  uns  auch  Stichworte  wie 
J.Kanzleisprache",  „Ritterspraclie",  „Hofsprache"  fast  wie  OflQziere  ohne  Truppen  anmuten 
(vgl.  u.  II,  8),  so  ist  doch  der  Gedanke,  der  hier  Ausdruck  findet,  ein  glücklicher.  Ebenso  fallen 
gute  Bemerkungen  zur  Fremdwörterfrage  ab,  die  Kanzleisprache  führt  auf  die  Formularien, 
die  neuerdings  immer  mehr  Beachtung  gewinnen,  und  der  Kanzlei  stellt  sich 
wirkungsvoll  die  Kanzel  gegenüber.  —  Die  übrigen  Untersuchungen  wenden  sich  dem 
18.  Jh.  zu.  Hall  er  s  Sprache  wird  von  Horak^ö)  dargestellt,  wie  sie  sich  dui-ch  elf 
Auflagen  hindurch  entwickelt,  um  in  der  letzten  neben  interessanten  Verstössen  gegen 
unseren  Sprachgebrauch,  deren  Ursache  vielfach  in  der  poetischen  Tecluiik  liegt,  auch 
Freiheiton  sich  zu  erlauben,  die  wir  der  poetischen  Sprache  noch  heute  zugestehen.  H. 
hat  Lautlehre,  Fonnenlehre,  Wortschatz  und  Syntax  in  gleicher  Weise  von  Auflage 
zu  Auflage  berücksichtigt,  so  dass  der  Loser  die  Züge  sich  erst  selbst  zu  einem  Bilde 
zusammenfassen  muss;  interessant  sind  die  GalUcismen,  die  H.  nachzuweisen  glaubt:  sie 
bestehen  jedoch  teilweise  in  originell  entwickelten  Fügungen  der  heimischen  Umgangs- 
sprache, so  z.  B.  der  Verdrängung  des  Genetivs  durch  präpositionale  Verbindungen.  —  Im 
Gegensatz  zu  Horäk  beschränkt  sich  Längin^o)  bei  Herder  auf  die  Laut-  und  Formen- 
lehre und  den  Wortschatz,  giebt  aber,  namentlich  für  die  ersteren,  ein  abgerundetes 
Bild  des  Verhältnisses,  in  das  sich  Herder  zu  unserer  Scluäftsprache  stellt.  — 
Weiui  Längin  bei  Herder  den  Satzbau  und  die  stilistische  Seite  ganz  ausgeschlossen 
hat,  so  sind  es  gerade  Partion  dieser  beiden,  die  01bricli27)  bei  Goethe  als  unter  dem 
Einfluss  der  Antike  stehend  nachweist.  Die  Wortstellung  und  einiges  aus  dem  Wort- 
gebrauch haben  unter  dem  erweiterten  Gesichtspunkt  zu  einigen  hübschen  und  sicheren 
Ergebnissen  gofiihrt,  während  eine  Untersuchung  der  dichterischen  Sprache  Heines 
durch  M.  Soelig27a)  daran  leidet,  dass  sie  mit  dem  Begriffe  des  Volkstümliclien  auch 
da  wirtschaftet,  wo  archaistische  und  in  der  Sprache  der  Poesie  aufgespeicherte  Formen 
vorliegen.  —  Eigenartig  steht  daneben  der  Versuch  Willomitzers^s)^  die 
Sprache  Hebels  in  ihrem  hochdeutschen  Gewände  zu  erforschen.  Wir  spüren 
gleich  im  Beginne,  dass  w^r  es  mit  einem  gereiften  Manne  zu  thun  haben,  der  sich 
in  seine  Aufgabe  liebevoll  versenkt.  Nicht  nur  die  herkömmlichen  Kategorien  der 
Grammatik  sind  durchgemustert,  sondern  jede  einzelne,  in  erster  Linie    die  Syntax,    hat 


5  :  14.)  —  20)  H.  Siegel,  D.  Unartig  Teutscher  Sprachrerderber:  ZADSprVB.  I.  Brannschweig,  AUg.  deotseh.  Sprachrerein. 
[0.  Lyon:  ZDÜ.  5,  S.  219;  B.  Bechstein:  ib.  S.  316-21.]|  —  21)  H.  Pallmann,  D.  Kampf  um  d.  Beinheit 
d.  dtsch.  Schriftsprach'e :  Didaskalia  N.  57/8,  60/1.  —  22)  A.  Berger,  D.  Gcduoke  e.  dtsch.  Spracbakademie  in  d.  Gesch.  a. 
in  d.  Gegenw.:  Grenzb.  II,  S.  301—21.  |[Fgl.  Grenzb.^II,  S.  486  9.] |  —  23)  0.  Erdmanu,  C.  Franke,  GrundzUge  d.  Schrift- 
spiacho  LuUuTs.  Göililz  1888:  ZDPh.  24,  S.  67-84.  -  24)  S.  S/.ainatölski.  Ulrichs  t.  Hütten  Deutsche  Schriften: 
Ql".  67.  Strassburg,  TrUbner.  IX,  180  S.  M.  4.00.  (Hier  kommen  in  Itetraiht  S.  1—46;  vgl.  auch  II  8.)  —  25)  W.  Horäk. 
I)  Entwicklung  d.  Sprache  Hallers.  Progr.  d.  k.  k.  Oberreal.schuln  Bielilz.  45  8.  -  26)  (IV  8:7). —  27)  C.  Ülbrich,  Goethes  Sprache 
II.  d.  Antike.  Leipzig,  Biedermann.  116  S.  M.  2,00.  —  27a)  M.  Seelig,  D.  dichter.  Sprache  in  Heines  Buch  d.  Lieder. 
Hallenser    Diss.    110  S.     —     28)    F.    Willomitzer,     D.    Sprache     u.     d.    Technik     d.    Dwstellnng     in    J.    P.    Bebeis 


k 


I  8:    29-40.    H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Scliriftsprache.  140 

sich  hier  an  einem  glücklich  gewählten  Stoife  ausgeweitet.  Die  Grundbedingungen 
volkstümlicher  Redeweise,  über  die  sonst  so  gerne  ganz  im  allgemeinen  gesprochen 
wird,  sind  liier  erfasst  und  durch  die  ganze  Litteraturgeschichte  hindurch  an  einzelnen 
Stilmustern  nachgewiesen  worden.  W.s  Darstellung,  wenn  sie  sich  auch  nicht  ohne 
weiteres  in  den  Ralimen  verwandter  Arbeiten  einfügen  lässt,  und  wenn  sie  auch  in  der 
Beurteilung  mancher  Erscheinungen,  z.  B.  der  Auslassung  des  bestimmten  Artikels,  zu 
wenig  auf  die  neuere  Forschung  Rücksicht  nimmt,  sollte  nicht  unbeachtet  bleiben,  vor 
allem  von  denen,  die  Stiluntersuchungen  treiben.  Namentlich  kann  sie  denjenigen 
Litterarhistorikern,  die  sich  gelegentlich  mit  einigen  Schlagern  auf  dieses  Gebiet  ver- 
irren, zu  eifrigem  Studium  nicht  warm  genug  empfohlen  werden.  — 

Auch  die  Arbeiten,  die  den  Erscheinungsformen  unserer  Sprache  nach- 
spüren, lassen  sich  in  zwei  Gruppen  scheiden,  in  solche,  die  die  historische  Entwicklung 
zu  begreifen,  und  solche,  die  in  die  Entwicklung  einzugreifen  suchen.  Zu  den  ersteren 
gehört  als  allgemeine  Darstellung  eine  völlig  dilettantische  Arbeit  von  Hegewald^'J). 
Sonst  unterscheiden  sich  gerade  die  rein  historischen  Arbeiten  von  den  polemischen 
dadurch,  dass  sie  nur  auf  einem  Einzelgebiete  den  Euss  ansetzen,  zumal  auf  demjenigen, 
auf  dem  die  Vff.  wirklich  bewandert  sind.  — 

Die  Lautlehre  wird  meist  in  Untersuchungen  behandelt,  die  unser  Gebiet 
nicht  einmal  streifen,  auch  ein  Problem  wie  das  der  neuhochdeutschen  Dehnung  hält 
sich  bei  Burghauser^o)  rein  auf  phonetischer  Grundlage.  —  Die  Formenlehre  ist 
durch  eine  sehr  erfreuliche  Dissertation  von  Boiunga^i)  vertreten,  in  der  vor  allem 
die  Frage  erhoben  wird,  weshalb  die  Ausgleichserscheinungen  in  der  Weise  sich  voll- 
zogen haben,  die  unser  heutiger  Sprachgebrauch  zeigt.  —  In  einer  ansprechenden 
kleinen  Studie,  die  sich  in  der  Mitte  zwischen  Formen-  und  Wortbildungslehre  hält,  zeigt 
R.  Hildebrand32)^  wie  fest  im  Worte  Deutschland  die  Verschmelzung  der  beiden  Be- 
standteile geworden  ist,  sodass  wir  dem  substantivischen  Träger  der  Komposition  durch 
flexivische  Mittel  gar  nicht  mehr  zu  seinem  Recht  verhelfen  köinien.  —  Zwischen 
Formenlehre  und  Syntax  lässt  sich  die  Untersucliung  Blumers"^'^)  über  den  Geschlechts- 
wandel der  Lehrwörter  setzen,  die  namentlich  durclr  sorgfältige  Zusammenstellungen  die 
Einflüsse  klar  legt,  die  die  äussere  Form  einerseits,  die  Zusammengehörigkeit  zu  einer 
Bedeutungsgruppe  andererseits  ausübten.   — 

Die  Syntax  hat  wiederum  eine  prinzipielle  Erörterung  über  das  Wesen  des  Satzes 
zu  verzeichnen.  Burghauser  3^)  wendet  sich  gegen  Kern  und  sieht  mit  Recht,  in  An- 
lehnung an  H.  Paul,  die  wesentliche  Eigenschaft  des  Satzes  in  der  Verbindung  zweier 
Vorstellungsmassen.  —  Von  Einzelbeiträgen  gehört  hierher  ein  Beweis  Brankys^^),  dass 
der  von  den  Grammatikern  getadelte  Dativ  bei  der  Pi'äparation  „entlaug"  bei  guten 
neueren  Sclu-iftstellern  zahlreich  vorkommt.  —  Ferner  kommt  die  vielbesprochene  In- 
version mit  „und"  wieder  einmal  in  die  Diskussion.  Poeschel^*^)  widmet  ihr  eine  ein- 
gehende historische  Untersuchung,  die  leider  in  der  Mitte  abbricht.  —  Daran  knüpft 
R.  Hildebrand  3'^)  einen  Aufsatz,  der  vor  allem  die  Altertümlichkeit  dieser  Wortstellung 
deutlicher  hervorhebt  und  mit  Recht  die  Voranstellung  des  Verbums  in  der  Asyndesis 
als  Erklärungsgrund  heranzieht  (vgl.  schon  Hildebrandslied  Z.   18).  — 

Stiluntersuchungen  haben,  abgesehen  von  den  oben  (N.  24  ff.)  besprocheneu 
Arbeiten  über  einzelne  Persönlichkeiten,  im  allgemeinen  nichts  Gedeihliches  zu  Tage  ge- 
fördert, vor  allem  fehlt  immer  noch  das  Verständnis  für  die  syntaktische  Grundlage  der 
verschiedenen  Stilformen,  die  Wunderlich  3'^)  in  dem  oben  erwähnten  Vorti'age  niit 
Nachdruck  hervorgehoben  hatte.  —  Ein  Aufsatz  von  Schaff  er  ='8»)  kommt  nicht  über 
das  allgemeinste  Raisonnement  hinaus,  wie  sich  schon  an  dem  ängstlichen  Vermeiden 
jegHchen  Beleges  zeigt.  Ausserdem  leidet  er  an  Ueberschätzung  des  antiken  Stils  und 
an  völliger  Verkennung  deutsclier  Eigenart.  —  Auf  den  Briefstil  wird  uns  die  nun  ab- 
geschlossene Geschichte  des  deutschen  Briefes  von  G.  St  ein  hausen  3^)  in  einer  späteren 
Besprechung  führen.  — 

Ganz  besonders  reich  ist  der  Wortschatz  bedacht  worden.  Schon  die  Ety- 
mologie hat  durch  Kluges  Wörterbuch  einen  Mittelpunkt  gewoinien,  inn  den  sich  na- 
mentlich amerikanische  Arbeiten  gruppieren.  Hierher  gehört  vor  allem  eine  Ueber- 
setzung  der  vierten  Auflage  durch  Davis  •*"),  sodann  Besprechungen,  wie  die  des  neuen 


Rheinland.  Hausfreund.  20.  JB.  d.  k.  k.  Oberrcalschule  Wien  II.  3B  S.  —  29j  Hegewald,  D.  VorzUgo  d.  dtsch.  Sprache. 
München,  Litt.  Institut.  iO.  34  S.  M.  1,00.  —  30)  G.  Burghauser,  D.  nhd.  Dehnung  d.  nhd.  kurzen  Stammvokals  in 
offener  Silbe.  Trogr.  d.  dtsch.  Staatsrealschule  in  Karolineutlial.  26  S.  —  31)  K.  Boiunga,  D.  Entwicklung  d.  nhd. 
Substantivflexion.  Leipziger  Diss.  163  S.  |[0.  Behaghel:  LBlGRPh.  S.  203.]]—  32)  K.  Hildohrand,  Deutschland  gramma- 
tisch, z.  Gesch.  s.  Form:  ZDU.  5,  S  512—20.  —  33)  J.  Blumer,  &.'  (Joschlechtswandol  d.  Lohn-  u  Fremdwörter  im 
Hochdeutschen.  Progr.  d.  Oberrealscliule  Leituieritz.  60  S  —34)  G.  Burghauser,  Z.  Lelire  v  „zusaramengezogenen* 
Satze:  ZDU.  5,  S.  310/9.  —  35)  F.  Braiiky,  D.  Präposition  „entlang"  mit  d.  Dativ:  ib.  S.  755/8.  —  36)  J.  Toesehol, 
D.  sog.  Inversion  nach  „und".  Einladungsschrift  d.  Fllrstenschule.  S.  71—83.  Grimma,  Go:iscl.  —  37)  K.  Ili  Idobrand,  Zu 
d  sog.  Inversion  nach  „und":  ZDU.  5,  S.  792/0.  —  38)  (S.  o.  N.  12.)  —  38a)Th  Schaff  er,  Stil  u.  Stilllbungon:  ZDU.  5,  S.  403-14. 
-  39) XX G.  Steinhau 8 en,  Gesch.  d  dtsch.  Briefes.   Berlin,  Gaertner.  1889— 91.  VII,  190, 111,420  S.  M.  13,50. -40) XF- Kluge, 


141  H.  Wunderlich,  Gescliichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.   18:  41-67». 

Index  von  Janssen  durch  Hempl**)  und  endlich  ein  Versuch  von  Muss-Arnolt*^)^  Er- 
gänzungen zu  Kluge  vor  allem  aus  den  semitischen  Sprachen  zu  geben.  Wo  M.  nicht 
auf  den  Schultern  Lagardes  steht,  bringt  er  nach  dem  Urteil  der  zuständigen  Fachmänner 
wenig  von  Belang.  —  Dagegen  hat  die  fünfte  Auflage  von  Kluges  Buch,  die  im  Er- 
scheinen begriffen  eine  Neubearbeitung  in  Aussicht  stellt,  ebendort*^)  eine  sachkundige 
Besprechung  hervorgerufen.  —  Als  Kuriosum  mag  auch  das  Etymologische  Wörterbuch 
von  Faulmann  •'■')  erwähnt  werden,  der  es  als  „eine  grossartige  Entdeckung  auf  dem  Ge- 
biete der  Sprachwissenschaft"  ausposaunt,  wenn  die  bisherigen  Ergebnisse  der  Wissen- 
schaft zur  Abwechslung  wieder  einmal  auf  den  Kopf  gestellt  werden.  —  Neben  solchen 
Auswüchsen,  die  dazu  mit  grossem  Lärm  in  die  Oenentlichkeit  gezerrt  werden,  berührt 
wohlthuend  das  in  aller  Stille  fodschreilende  Wachstum  des  Grimmschen  Wörterbuches. 
Die  Gelehrten,  die  seit  Grimm  Mitarbeiter  an  dem  grossen  Werke  geworden  sind,  haben 
eine  kurze  aber  warme  Würdigung  erfaln-cn ''•'').  Aus  dem  IV.  Bd.  1.  Abth.  2.  Hälfte 
(Hildebrand  und  K.  Kant)  verzeichnen  wir  die  8.  Lieferung  (genug-geriesel),  aus  dem 
VIll.  Bd.  (Heyne)  die  G.  7.  8.  Lieferung  (rind-ruschbusch);  aus  dem  XI.  Bd.  (Lexer)  die 
3.  Lieferung  (tiennilch-todestag),  und  aus  dem  XII.  Bd.  (Wülcker)  die  4.  Lieferung  (ver- 
luihnen-verleihen)^''*).  —  Einer  der  ältesten  Mitarbeiter  des  „Wörterbuches",  Heyne^'), 
ist  inzwischen  mit  einem  eigenen  Wörterbuch  auf  den  Plan  getreten,  das  in  gedrängter 
Kürze  doch  auch  zugleich  eine  Ergänzung  des  Grimmschen  bilden  soll  und  jedenfalls 
sehr  lange  vor  diesem  fertig  wird.  Erdmann  rühmt  vor  allem  die  umsichtig  getroffene 
Auswahl  der  Composita,  die  die  Hauptzüge  der  Wortbildung  und  der  Bedeutungs- 
entwicklung klar  lege,  und  hebt  hervor,  dass  das  Werk  weit  in  unsere  Gegenwart  hinein- 
greife. —  War  uns  hier  in  der  Komposition  ein  Mittel  entgegengetreten,  mit  dem  die 
Sprache  vor  allem  neue  Wörter  bildet,  so  liegt  ein  anderes,  mehr  in  der  früheren  Zeit 
zxn- Geltung  gekommenes,  in  den  Wortspaltungen,  die  Andresen*^)  im  Zusammenhange 
betrachtet.  Er  sondert  hier  zunächst  die  auf  rein  orthographischem  Wege  entstandenen 
Doppelformen  (vgl.  gar  und  galir)  von  denjenigen,  in  denen  dieDoppelform  auf  phonetischer 
Grundlage  fusst  (fahl  und  falb,  fast  und  fest  usw.),  und  stellt  diesen  endlich  die  Wörter 
entgegen,  die  aus  den  einzelnen  Dialekten  in  verschiedener  Gestalt  in  die  Sprache  ge- 
kommeji  sind  (Staffel  und  Stapel).  —  Es  ist  wohl  ein  Ausfluss  solcher  rastlosen  Thätig- 
keit  an  deutschen  Wörterbüchern,  dass  auch  im  grossen  Publikum  eine  leise  Ahnung 
von  dem  reichen  Schatze  aufdämmert,  der  in  unserem  Wortvori'ate  verborgen  liegt, 
lieber  den  Bedeutungswandel  handelt  Wasserzieher*^),  andere  populäre  Aufsätze  fassen 
das  Zeitungsdeutsch  ^^),  das  Schulbücherdeutsch  ^i),  das  Juristendeutsch  ^2)  vornehmlich 
nach  seiner  lexikalischen  Seite  ins  Auge.  Ja  die  Seemannssprache  ^^)  wird  sogar  recht 
eingehend  erforscht;  eine  wirklich  wissenschaftliche  Darstellung  solch  einer  Berufs- 
sprache werden  wir  aber  doch  erst  im  nächsten  Berichtsjahr  zu  besprechen  haben.  — 
Die  kulturgeschichtliche  Seite  unseres  Wortschatzes  wird  uns  von  dem  unermüfUichen 
R.  Hildebrand  ^)  in  feinsinniger  Weise  vor  Augen  geführt,  wälirend  Göpfert^^)  den 
nicht  ganz  gelungenen  Versuch  macht,  Haus  und  Heim  vor  uns  im  Lichte  der 
Sprachgeschichte  aufzubauen.  — 

Den  Löwenanteil  am  Wortschatz  nehmen  jedoch  die  Fremdwörterverdeutschungen 
in  Beschlag,  und  diese  führen  nun  hinüber  zu  den  polemischen  Arbeiten  und  zu  den 
Bestrebungen  des  deutschen  Sprachvereins.  Beide  stehen  in  engster  Berührung  mit 
einander,  und  es  gehören  nur  wenige  Leistungen  liierher,  die  abseits  vom  Sprachverein 
stehen.  Gleich  M.  Trautmann  ^6),  der  das  Kompositions -„s"  als  Unfug  brandmarkt, 
thut  dies  in  den  wissenschaftlichen  Beiheften  des  Sprachvereins;  seine  leidenschaftlichen 
Anklagen  werden  von  der  einen  Seite  noch  überboten,  von  der  anderen  auf  das  ruhigere 
Mass  der  Erwägung  zurückgefülu-t.  —  Dagegen  steht  Sanders  ^^)  in  seiner  Zeitschrift 
für  deutsche  Sprache  in  der  Mitte  zwischen  dem  Sprachverein  und  seinen  Gegnern. 
Der  5.  Band  erschwert  die  Ausnutzung    des   Inhaltes    gerade    so    wie    seine  Vorgänger 


An  etymological  dictionary  of  the  Oerman  langnag^e;  tranal.  from  the  4th.  ed.  by  J.  F.  Daris.  New-Tork,  MaemfllaD.  4«.  XTI, 
446  S.  M.  12,00.  ^Nation^T.  52,  S.  460;  Atb.  S.  506;  NYCritic.  16,  S.  49—60;  G.  üempl:  Chicago  Dial.  12,  8.  47/8.  — 
41)  X  6-  Hempl,  Janssens  Index  to  Kluges  Dictionary:  MLN.  S.  105/6.  —  42)  X  W.  Muss-Arnolt,  Semitic  and  other 
Glossos  to  Kluge's  Etymologisches  Wörterbuch.  U.:  ib.  S.  9-17.  |[LCB1.S.  721/3;  Härder:  WSKPh.  S.  689.|]  —  43)  X  F.  Kluge, 
Etymologisches  Wörterbuch  d.  dtsch.  Sprache.  5.  Aufl.,  1.  Lief.  ([Nation''^'.  53,  S.  2»6.]j  —  44)  K.  Faulmann,  Etymolo- 
gisches Wörterbuch  d.  dtsch.  Sprache  nach  eigenen  neuen  Forschungen.  1.  Liet  Halle  a./S.,  Karras.  40  S.  M.  1,20.  — 
45)  Grenzb.  II,  S.  388-90.  -  45a)  D.  W.  B.  Leipzig,  S.  Hinel  Bd.  IV.  1.  Abt.  11  U.  8.  Heft  S.  3497-3688;  VllI  6-8  8.  961 
bis  1536;  XI  3  S.  385—576;  XII  4  S.  577-768.  —  46)  X  J-  Köatlin,  Beitrr.  ans  Luther«  Schriften  *.  dUch.  Wörterbuch: 
ZDPh.  24,  S.  87-42.  —  47)  M.  Heyne,  Dtsch.  Wörterbuch.  3  Halbbd,  Leipzig,  HirieU  4«.  639  8.  M.  5,00.  |[0.  Erd- 
mann, ZDI  li.  23,  S.  362/5.]|  —  48)  G.  K.  Andresen,  Wortspaltungen  auf  d.  Gebiet  d.  nhd.  Schrift-  u.  Verkehrsaprache: 
ZDPh.  23,  S.  265/"  —  49)  Wasserzieher,  Ueber  Bedeutungswandel.  E  Sprachwissenschaft!.  Plauderei:  HambCorr.  N.  696. 
—  50)  Zeitungdeutsch:  Gegenw.  40,  S.  389/91.  —  51)  Sehulbücherdeutsch:  Orenzb.  II,  8.  54.  —  52)  Juristendeutsch  n.  deut- 
sches Deutsch:  ib.  S.  389—90.  —  53)  L.  Heiuhold,  D.  Seemaniissprache:  DidaskaliaN.203.  — 54)B.  lHldebrand,Wied.Spracho 
altes  Leben  fortfuhrt  III-VII:  ZDI'.  5.  S.  23/6,  1203,  199—207,  260/7,  307-16.  -  65)  E.  GOpfert,  unser  Haus  u.  Heim 
im  Lichte  d.  Sprachen.  Kulturgesch.:  ib.  S.  386—402.  -  56)  M.  Trautmann,  Der  .s.'-Unfug.  (=  ZADSprV».  I.)  iLHambCorrS. 
N.  17;  Gegenw.  S.  187— 178.]|  —  57)  ZDSpr.  5.  Paderborn,  Schöningh  ihier  kommen  in  Betracht  S.  34/15;  366/7;  432/4).  — 57a) 
£.   Beckmann,  Bemerkungen  %.   Förderung   d.   guten    Geschmacks  d.  dtsch.  Sprache  t.  Altona.    Progr.  d.  Bealschule  sa 


18:  68-63.     H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  142 

durch  das  Aphoristische  der  Darstellung.  Eine  Art  von  Zusammenhang  bieten  uns 
nur  die  in  37  Nummern  abgeteilte  Blüthenlese  und  die  Beobachtungen  über  Austriacismen.  — 
Ganz  unabhängig  vom  Sprachverein  ist  E.  Beckmann  5'^),  wenn  er  ausführlich  die  Fügungen 
zusammenstellt,  mit  denen  das  niederdeutsche  Idiom  einerseits,  die  in  Altona  zusammen- 
strömenden Verkehrsfaktoren  andererseits  die  Schriftsprache  bedrängen.  Seine  Arbeit  hat, 
obwohl  zur  Förderung  des  guten  Gebrauches  der  Sprache  unternommen,  doch  entschieden 
grösseren  Wert  durch  die  Sammlung  von  Belegen,  die  sie  für  die  Dialektforschung  dar- 
bietet. —  Genau  das  Gegenstück  zu  Beckmann  ist  Otto  Schroeder  ^8)^  dessen  Buch  über 
den  papiernen  Stil  auch  in  der  neuen  Auflage  mehr  die  Züge,  die  es  in  der  ersten  ge- 
wiesen hatte,  vertieft,  als  sie  verschiebt.  War  Beckmann  behutsam  darauf  bedacht,  in  der 
Sprache  des  Gebildeten  die  Farben  so  abzutönen,  dass  sie  auch  das  empfindlichste  Organ 
nicht  reizten,  so  dürstet  S.  förmlich  nach  lebendiger  Frische  und  urwüchsiger  Kraft. 
Was  ihm  hier  hemmend  entgegentritt,  wirft  er  mit  staunenswerter  Beharrlichkeit  in  den 
grossen  Topf,  den  er  die  Papiersprache  nennt,  unbekümmert  darum,  ob  er  alteingewurzelte 
Formen  der  Volksdialekte  trifft  oder  ob  er  andere  Fügungen  aus  Schlupfwinkeln  reisst, 
in  denen  sie  gerade  so  viel  Heimatsrecht  haben  wie  die  lebendige  Sprache  im  Munde 
des  Volkes.  Die  Frische  und  Kraft  der  Empfindung,  die  aus  S.s  Darstellung  strömt, 
überträgt  andererseits  auch  stillschweigend  auf  die  Belege,  mit  denen  er  vorgeht,  eine 
Beweiskraft,  die  diesen  von  Natur  nicht  innewohnt.  Trotz  allem  aber  und  in  leb- 
haftestem Widerspruch  wird  doch  gerade  der  Fachmann  das  Buch  mit  urkräftigem  Be- 
hagen lesen.  —  Ganz  anders  dagegen  muss  das  Urteil  über  Wustmanns^^)  ,, Sprach- 
dummheiten" ausfallen.  W.  hatte  auf  Grund  langjähriger  Beobachtungen  eine  grosse 
Sammlung  von  Formen  und  Fügungen  vorbereitet,  die  sein  Sprachgefühl  beleidigt  hatten, 
Provinzialismen,  Nachlässigkeitsfehler,  Neubildungen.  Die  tiefere  fach  wissenschaft- 
liche Bildung  jedoch  mangelte  ihm,  um  diese  Wildlinge  zu  ordnen  und  in  richtiges 
Verhältnis  zur  Sprachentwicklung  zu  setzen,  und  statt  sie  nun  einfach  ohne  Beiwerk 
darzubieten,  Hess  er  sich  durch  die  Lektüre  einiger  neuerer  Schriftsteller  verlocken,  seine 
Lesefrüchte  vornehmlich  auf  den  Gebieten  anzuhäufen,  auf  denen  diese  vorgearbeitet  hatten. 
Dadiu-ch  mussten  notwendig  die  prinzipiellen  Widersprüche,  mit  denen  die  erwähnten 
Schriftsteller  von  einander  sich  abhoben,  nun  vereint  in  W.s  Darstellung  Eingang  finden, 
und  diese  Schwankungen  vermochte  auch  die  gesteigerte  Urwüchsigkeit  des  Tones  nicht 
zu  verdecken.  Immerhin  wären  alle  diese  Schattenseiten  in  den  vereinzelten  Grenzboten- 
artikeln nicht  so  grell  hervorgetreten;  erst  die  Vereinigung  in  einem  Buche  rückte  sie 
so  überraschend  ans  Licht.  Trotzdem  hat  W.s  Buch  warme  Freunde  und  Verteidiger 
gefunden  und  in  erster  Linie  bei  der  so  schlimm  von  ihm  mitgenommenen  Presse, 
während  er  bei  den  Vertretern  der  Sprachwissenschaft  im  allgemeinen  scharfe  Ablehnung 
erfahren  musste.  Dass  er  jedoch  zu  einem  solchen  Mittelpunkt  in  der  Sprachbewegung 
geworden  ist,  wie  ihn  namentlich  das  nächste  Berichtsjahr  zeigen  wird,  das  ist  in  jedem 
Falle  ein  Erfolg,  und  es  wäre  auch  verkehrt,  ihm  das  Verdienst  absprechen  zu  woUen, 
dass  er  mächtig  an  dem  Sprachgewissen  der  Nation  gerüttelt  hat.  Die  verschiedenen 
Irrtümer,  die  der  Einzelne  nun  hierbei  mit  in  den  Kauf  bekam,  waren  auch  wohl 
weniger  die  Ursache,  die  unsere  Gelehrtenwelt  so  sehr  in  den  Harnisch  brachte.  Bei 
den  meisten  war  es  vielmehr  die  Befürchtung,  dass  dieser  neue  „Sprachgewaltige"  aus 
Leipzig,  ohne  es  zu  ahnen,  Fesseln  zu  schmieden  beginne,  in  denen  unsere  Sprache 
verkommen  müsste  —  und  das  eben  im  Augenblick,  da  ihre  freiere  Bewegung  in  dem 
gesteigerten  Verkehr  des  neuen  Reichs  und  in  den  planmässigen  Forschungen  einer  ver- 
jüngten Wissenschaft  Flügel  zu  gewinnen  schien.  — 

Das  Hauptinteresse  des  Sprachvereins  konzentriert  sich  noch  immer  um  den 
Fremdwörterstreit.  Das  heftige  Aufeinanderplatzen  der  Meinungen  hat  wenigstens 
Betrachtungen  angeregt,  die  sich  über  den  Streit  hinaus  zu  erheben  verstehen.  Dass 
das  Wort  nicht  etwas  für  sich  Bestehendes  sei,  nicht  einen  Wert  auspräge,  den  man  be- 
liebig von  einer  Sprache  in  die  andere  rollen  kann,  wie  wir  heutzutage  im  Zeitalter 
der  Wörterbücher  so  gerne  glauben,  das  kommt  allmählich  immer  mehr  zum  Bewusst- 
sein.  Man  lernt  erkennen,  dass  das  Wort  nur  als  Bestandteil  des  Satzes  auftritt,  dass 
es  vom  Satzzusammenhang  die  Färbung  seiner  Bedeutung  erhält,  dass  Gewohiüieit  und 
Ueberlieferung  die  Faktoren  sind,  die  in  bestimmten  Verkelirkreisen  bestimmte  Wert- 
gehalte mit  dem  Worte  verknüpfen.  Solche  Erkenntnisse  werden  wohl  die  wichtigsten 
Ergebnisse  der  ganzen  Polemik  gegen  den  Sprachverein  sein  und  sie  spiegeln  sich  auch 
in  Aufsätzen  wie  denen  von  Rhenius^o)  und  Eckstein*"'^).  —  Dagegen  treten  bei 
anderen  Gegnern  mehr  untergeordnete  Gesichtspunkte  in  den  Vordergi'und.    Hanslick^^^ 


Altona.  27  S.  —  58)  Otto  Schröder,  V.  papiernen  Stil.  2  Aufl.  Berlin,  Walther  *  Apolant.  VI,  102  S.  M.  2,00  — 
59)  G.  Wustraann,  Allerhand  Spraclidummheiten.  Leipzig,  Grunow.  320  S.  M.  2,00.  |  [Behaghel:  Grenzb.  II,  S.  585/7; 
KZg.  N.  962,  983,  1006,  1028,  1051;  0.  Erdmann:  ZDPh.  24,  S.  660/2;  D.  Sanders:  ZDSpr.  5,  S.  461/3,  R.  Bechstein: 
ZDU.  6,  S.  64— 72.]|  —  60)  Rhenius,  Z.  Sprachreinigung:  Zeitgeist  N.  20.  —  61)  E.  Eckstein,  Gedanke  u.  Wort:  DDichter- 
heim  12,  S.  214/6.  —  62)  E.  Hanslick,  Modernes  im  Zeitungs-  u.  Theaterwesen :  NFI'r.  N.  9687.  —  63)  E.  Schiff,  D.  Kultur- 


143  H.  Wunderlich,  Gesch.  d.  neuhochdeutsch.  Schriftspr.    18:  «3-07.  19:  1-4. 

greift  zur  Verteidigung  der  Fremdwörter  ein  Gebiet  heraus,  aus  dem  die  Bewegung  von 
selbst  wieder  zurücktritt,  sobald  die  Hocliflut  abgelaufen  ist.  —  E.  Schiff'«*)  glaubt 
die  Kulturbodeutinig  der  Fremdwörter  hervorzuhenen,  wenn  er  Schmarotzerjjflanzen  vor- 
führt, die  schon  die  vei-wiilschte  Epik  unserer  mittelhochdeutschen  Zeit  verunziert 
haben.  —  Fels**)  endlich  rückt  ein  gutes  Recht  des  Schriftstellers,  seine  Sprache  von 
eigenen  künstlerischen  Gesichtspunkten  auszugestalten,  in  ein  völlig  schiefes  Licht,  indem 
er  dem  8j)rachverein  im  besonderen  verwehren  will,  an  solchem  Kunstwerk  hinterdrein 
Kritik  zu  üben.  —  Demgegenüber  steht  der  Sprachverein  mit  doppelter  Wehr  da.  In 
einem  historischen  Ueberblick  über  die  Thätigkeit  früherer  Sprachgesellschaften  zeigt 
der  sclion  oben  genannte  Pallmann^»),  was  diese  Gesellschaften  trotz  aller  Ungunst 
der  Zeiten  für  unsere  Sprache  geleistet  haben,  und  er  zieht  mit  Recht  ganz  im  Gegen- 
satz zu  manchen  anderen  verwandten  Darstellungen  daraus  den  Schluss,  dass  unter  so 
günstig  veränderten  Verhältnissen  auch  die  Thätigkeit  des  Sprachvereins  Erfolg  haben 
müsse.  —  Aohnlich  kommt  W.  Cremer^'"»!  in  einem  gut  orientierenden  geschichtlichen 
Ueberblick  über  die  Freunde  und  Gegner  der  Sprachbewegung  zu  der  Forderung:  „Kein 
Fremdwort  für  das,  was  deutsch  gut  ausgedrückt  werden  kann".  —  Die  Verdeutschungs- 
bücher des  allgemeinen  deutschen  Sprachvereins ß")  haben  auch  mit  Geschick  diejenigen 
Gebiete  herausgefunden,  auf  denen  vorwiegend  gute  alte  deutsche  Bezeichnungen  mit 
fremden  Eindringlingen  im  Kampfe  liegen,  so  das  häusliche  und  gesellschaftliche  Leben, 
die  Speisekarte,  den  Handel  und  seine  Fachausdrücke,  und  sie  kommen  damit  nur  einem 
Bedürfnis  entgegen,  das  sich  schon  anderweitig  Bahn  gebrochen  hat.  —  Wie  notwendig 
es  ist,  aus  unserer  Sprache  wenigstens  diejenigen  Ausdrücke  zu  entfernen,  die  den  guten 
alten  deiitschen  Besitzstand  verdrängt  haben,  das  zeigen  uns  vor  allem  die  Fremdwörter- 
bücher, die  allmählich  zu  einer  unheimlichen  Fülle  des  WortvoiTates  anschwellen,  wie 
z.  B.  die  zweite  Auflage  von  Sanders"'')  zeigt.  Auch  die  vielen  Auflagen,  die  ähn- 
liche Werke  erreichen,  zeigen  uns  das  betrübende  Bild,  dass  bis  in  die  weitesten  Kreise 
hinunter  die  deutsche  Sprache  auf  Krücken  geht.  — 


1,9 

Metrik. 

Andreas  Heusler. 

Gesamtdarstellangen    der   neudeutschen  Verskunst   N.  1.    —    Allgcmciiies    Über  Versbau  N.  5.    —    Reim  N.  10.  — 
Uhythmus  N.  13.  —  Einzelne  Versarten  N.  17.  — 

In  den  Gesamtdarstellungen  der  neudeutschen  Verskunst  finden 
wir  den  Uebergang  zur  liistorisch-rhythmischen  Behandlung  noch  nicht  vollzogen, 
während  doch  schon  der  antikisierende  Dogmatismus  Minckwitzischen  Stiles  ins  Wanken 
geraten  ist.  Schmeckebiers  älterer  Versuch,  die  deutsche  Verslehre  der  klassischen 
Schemata  zu  entkleiden,  findet  nur  bedingte  Zustimmung  von  Nicklas').  —  Wesent- 
lich auf  antikisierendem  Standpunkt  steht  S.  Mehring  ''^):  er  betrachtet  Opitzens  Reform 
als  erlösend;  die  gi-iechischen  Taktnamen,  auch  der  Spondeus,  Amphimacer  usw.  werden 
beibehahen,  der  Begriff  Auftakt  wird  abgelehnt,  der  altdeutschen  Verskunst  wird  ein 
von  Grund  aus  verscliiedenes  Prinzip  zugeschrieben:  „sie  misst  nur  nach  Hebungen". 
Li  Schillers  Balladen  wird  das  eiste  Neuaufleben  der  freieren  Regung  gefunden,  daneben 
Heine,  nicht  Goethe,  gewürdigt;  die  Nibelungensti'ophe  wird  gelobt.  Unter  „Knüttel- 
versen" versteht  M.  alle  schlechten  Verse.  —  Die  Skizze  von  Tumlirz  3)  geht  noch 
weiter  im  antiken  Schematismus  und  steht  dem  Verständnis  des  altdeutschen  Versbaues 
noch  femer.  —  Sanders  *)  bringt  hauptsäclüich  ausführliche  Zusammenstellungen  über 


bedeutnng  d  Fremdwörter:  Zeitgeist  N.  23.  —  64)  F.  Fels,  Wider  d.  Sprachreinigunggteufel :  ib.  N.  16.  —  Ma)  (S.  o.  N.  21.)  — 
65)  W.  Crem  er,  D.  gegenw.  Stand  d.  Kampfes  ftlr  d  Beinheit  d.  dtsch.  Sprache.  Haiinover-Linden,  Mani  &  lASge.  M  S. 
—  66)  Verdeutschung8w«rterbUrhor  d  allg.  dtsch.  Sprachvereins.  1  u.  2.  Hfl.  (1.  Die  Speioelmrte.  2.  Aufl.  .M  S. 
M.  0,30.  —  2.  Der  Handel.  2.  Aufl.  132  S.  M.  0,60.)  Leipzig,  Hirt  &  Sohn.  12o.  —  67)  D.  Sanders,  Fremdwörterbuch. 
2.    Aufl.     7.— 10.    (8chluss-)Lfg.     (2    «d.  S.  66-616.)    Leipzig,  Wigand.    je  M.  1.20.  — 

I)  J.  Nicklas,  0.  Schmeckebier,  Dtach.  Verslehre:  BBG.  27,  S.  129-30.  —  2)  S.  Mehring,  Dtech.  Verslehre. 
(=  ÜB.  2861;.}.)  Leipzig,  Reclam.  16«.  308  S.  M.  0,60.  —  3)  K.  Tumliri,  GrundzUgo  d.  dtsch.  Metrik.  (=  Anhang  za 
K.  Tumlirz'    Dtsch.  Grammatik  fttr  Gymnasien.)    Prag,  Dominicus.     1890.     16  S.     10  Kr    —  4)  D.  Sanders,    Abriss  d.  dtsch. 


I  9:  5-18.  A.  Heusler,   Metrik.  144 

prosaische  Wortbetonung  und  metrische  Betonungslicenzen;  über  reimlose,  allitterierende 
und  endreimende  Formeln.  Er  stellt  (S.  119)  drei  Eichtungen  des  Versbaues  fest:  die 
altdeutsclie ,  „die  namentlich  von  Opitz  auf  Grundlage  der  romanischen  Sprachen  einge- 
führte "Weise"  und  „die  namentlich  von  Klopstock  und  J.  H.  Voss  auf  Grundlage  der 
lateinischen  und  griechischen  Quantität  eingeführte  Silbenmessung".  — 

Allgemeines  über  Versbau.  Ueber  den  Ursprung  des  poetischen  Rhythmus 
und  das  Verhältnis  von  Dauer  zu  Stärke  verbreitet  sich  Wartenberg  5);  er  glaubt, 
man  könne  bei  der  griechischen  Takteinteilung  stehen  bleiben,  und  giebt  (S.  13)  eine 
eigenartige  Definition  des  Verses,  wonach  sich  Wortfüsse  und  Versfüsse  schneiden 
müssen.  —  Auf  Grund  einer  Betrachtung  der  Wortfüsse  gelangt  H.  Böhm  6)  zu  der 
Ansicht,  dass  der  Ti-ochäus  und  der  Amphibrachys  die  Hauptfüsse  des  deutschen  Verses 
seien;  alle  jambischen  Verse  Hessen  sich  auch  trochäisch  abteilen.  —  Obwohl  L.  Frey- 
tag '')  in  der  quantitierenden  und  der  accentuierenden  Metrik  „unbedingte  Gegensätze" 
erblickt,  hält  er  doch,  da  sich  „das  poetische  und  prosodische  Verständnis"  der  Nation 
seit  der  altdeutschen  Zeit  geändert  habe,  die  bedingte  „Annahme  altklassischer  Metra" 
für  zulässig,  beklagt  aber  den  Schaden,  den  die  Muttersprache  durch  die  Einführung 
der  Daktylen  und  Anapäste  erlitten  habe.  Er  rügt  scharf  die  Gleichsetzung  von  Trochäus 
und  Spondeus,  weshalb  Goethes  und  Schillers  Hexameter  den  Platenschen  nachgestellt 
werden;  doch  baut  er  selber  in  dem  beigegebenen  Probestück  nicht  allzuviele  Verse 
wie :  Kühn  nacheifernd  den  Thaten  der  erdegeborenen  Biesen.  Doch  in  den  sternigen 
Himmel  berief  Zeus  sämtliche  Götter.  —  W.  Jordan  8)  dagegen  erklärt  sich  wider  den 
Spondeus  im  Hexameter;  er  verteidigt  die  Verwendung  nebentoniger  Kompositions- 
und Ableitungssilben  als  leichter  Senkungsteile.  —  Das  Erscheinen  einer  „poetischen 
Schöpferkraft,  welche  uns  für  die  altüberlieferten  Formen,  wenn  sich  denn  einmal 
alles  überleben  soll,  neue  Gebilde  von  urwüchsigem  Wesen  schenkte",  wünscht 
Kastner  9).  — 

Förderlicher  sind  einige  monographische  Untersuchungen.  Den  Reim,  der  von 
S.  Mehringio)  in  der  angeführten  Schrift  und  in  einem  selbständigen  Büchlein  breit 
behandelt  wird,  untersucht  bei  den  namhaftesten  Dichtern  von  Wieland  bis  Heine 
Gottl.  Schneiderei),  indem  er  die  Reinheit  der  Reime  mehr  nach  der  Schreibung  als 
nach  der  Aussprache  bestimmt.  ■ —  R.  Hildebrand  ^2)  vertritt  die  Ansicht:  wie  im 
Endreim  vor  dem  reimenden  Vokal  verschiedene  Konsonanten  gewünscht  werden,  so  im  Stab- 
reim hinter  dem  stabenden  Konsonanteii  verschiedene  Vokale ;  der  Stabreim  ist  also  nicht 
indifferent  den  Vokalen  gegenüber  und  die  Stabreimtechnik  nicht  taub  für  das  Melodische.  — 

Unter  „umgelegtem  Rhythmus"  versteht  R.  Hildebrand^-'^-i*)  die  Accentfolge 
'  ''  '  sowie  '  '  '^  und  '  '  ^  "  im  Gegensatz  zu  dem  „geraden  Rhythmus"  ''  '\  — 
P.  Hoffmannniö)  hebt  aus  Schillers  drei  Prosadramen  Stücke  heraus,  die  sich  jambisch, 
trochäisch,  daktylisch  lesen  lassen,  und  erkennt  eine  verhältnismässige  Häufigkeit  der 
Daktylen.  —  Viel  schwebende  Betonung  in  der  „Jungfrau  von  Orleans"  findet 
Draheimiß).  — 

Einzelne  Versarten.  Brocks^'')  behandelt  die  deutschen  Nachbildungen 
der  sapphischen  Strophe  von  Johann  von  Salzburg  bis  auf  Geliert  und  Gramer,  gi'ossen- 
teils  sich  berührend  mit  Höpfners  bekannter  Arbeit  und  ohne  den  ganz  verschiedenen 
rhythmischen  Typen  der  Nachbildungen  Rechnung  zu  tragen;  es  folgen  die  klassizistischen 
Nachahmungen  in  Klopstocks  und  Vossens  Richtung.  —  In  der  Dissertation  von 
Goldbeck-Loewe  1^)  ist  eine  geschichtliche  und  methodische  Untersuchung,  wie  sie 
der  deutschen  Verslehre  not  thut,  dankbar  zu  begrttssen.  Die  Verse,  die  des  Reimes 
sowie  der  geregelten  Taktzahl  und  Taktfüllung  entbehren,  werden  in  ihrer  Anwendung 
bei  Klopstock,  Ramler,  Willamow,  Goethe  behandelt.  Die  Stellung  dieser  Versart  zu 
den  frühern  metrischen  Grundsätzen  und  zu  den  zeitgenössischen  Verstheorien  wird  im 
ersten  Kapitel  beleuchtet.  — 

Silbenmessung  u.  Verskunst.  Berlin,  Langenschoidt.  133  u.  XIII  S.  Geb.  M.  3,00.  —  5)  W.  Wartenberg,  Bemerkungen  z. 
Khythinik  u.  Metrik  mit  besond.  EUcksicht  auf  d.  Schulunterriclit.  Progr.  Eupen,  Mayer.  4.  18  S.  —  6)  H.  Böhm, 
Z.  dtsch.  Metrik.  Progr.  Berlin,  Gaertner.  18S0.  4.  30  S.  —  7)  L.  Frey  tag.  Einige  Worte  über  d.  Nachbildung  antiker 
Metra  im  Deutschen.  Nebst  o.  Uebortrag.  d.  Batrachomyomachie:  ZDU.  5,  S.  242— CO.  —  8)  W.  Jordan,  Ueber  dtsch.  Vers- 
bau. (=  Episteln  u.  Vorträge  [I  3:24],  S.  244—78.)  —  9)  W.  A.  Kastner,  Metrische  Reformen:  LMerkur.  11,  S.  105/6, 
u.  113/4.  —  10)  S.  Mehring,  D.  Keim  in  seiner  Entwicklung  u.  Fortbildung.  2.  (Titel-)Aufl.  Berlin,  Rosenbaum  &  Hart.  111,  143  S. 
M.  3,00.  —  II)  Gottlob  Schneider,  D.  Reimchaos  in  d.  klassischen  dtsch.  Dichtung:  FrankKurier.  N.  112  u.  114.  (Unter 
d.  Titel  „D.  Keim  in  d.  klass.  dtsch.  Dichtung":  Didaskalia  N.  121/3.)  —  12)  R.  Hildebrand,  Z.  Wesen  d.  Reims,  auch  d. 
Stabreims,  dabei  e.  Berichtigung  W.  Scherers:  ZDU.  5,  S.  577—85.  —  13/4)  id.  V.  uBgelogton  Rhythmus:  ib.  5,  S.  730—41. — 
15)  Paul  Hoffmann,  Metrische  Studien  zu  Schillers  Jugenddramon:  ib.  S.  460/9.  —  16)  H.  Draheim,  Schwebende 
Betonung  bei  Schiller:  ib.  S.  661/6.  —  17)  E.  Br  o  ck  h ,  D.  sapphischo  Strophe  u.  ihr  Fortloben  im  latein.  Kirchenliede  d. 
Mittelalter»  u.  in  d.  neueren  dtsch.  Dichtung.  Progr.  Marienwerder,  Kantersclio  Hofbuchdruckerei.  ISiK).  4.  37  S.  [Diez: 
LMerkur  10,  S.  90.J  18)  A.  G  oldbeck-Loewe,  Z.  Gesch.  d.  freien  Verse  in  d.  dtsch.  Dichtung.  V.  Klopstock  bis  Goethe. 
Diss.    Kiel,  Fiencko.    82  S.    [[Köster:  ADA.  17,  S.  311/4;    Heusler:  LBQRPh.  12,  S.  399— 401.]|  — 


JAHRESBERICHTE 


FÜR 


NEüKRE 

DEUTSCHE  LITTEKAT URGESCHICHTE 


(JAHK  1891.) 

ZWEITER  11  ALBBAND. 


II.  Von  der  Mitte  des  15.  bis  zum  Anfang 
des  17.  Jahrhunderts. 


11,1 

Allgemeines. 

Siegfried  Szamatölski  und  Max  Herrmann. 

Litteratur  N.  1.  —  Geschichte:  Allgemeines  N  4;  katholische  Polemik  N.  13.  —  Kunst  N.  16.  —  Wissenschaft  N.20.  — 

All  die  zahlreichen  und  wertvollen  Studien  zur  deutschen  Litteratur- 
geschichte  des  15./1G.  Jh.  haben  noch  immer  kein  einheitliches  Gesamtwerk  gezeitigt. 
Von  einem  lokalen  Gesichtspunkt  lässt  sich  auch  diesmal  wieder  Wölk  an  ')  leiten, 
indem  er  seiner  böhmischen  Bibliographie  (JBL.  1890  II  1  :  13)  ausgewählte  Texte 
aus  der  deutschen  Litteratur  Böhmens  im  IG.  Jh.  hinterherschickt.  Es  sind  17  Num- 
mern :  abgesehen  von  dem  durch  Wackernagel  wenigstens  teilweise  abgedruckten  Gesang- 
buch des  Ch.  Hecyrus,  dem  ersten  deutschen  Gesangbuch  der  böhmischen  Katholiken, 
lauter  bishernicht  wieder  veröffentlichte  Stücke  und  zugleich  solche,  in  denen  der  Herausgeber 
etwas  Charakteristisches  erblickt.  Geistliche  Lieder  druckt  er  ausserdem  von  Ch.  Hos- 
mann, ein  geistliches  „Haussliedlein"  von  M.  Berthold  und  ein  „Gebet  und  Gesang  wider 
den  Türeken"  von  G.  Spindler.  Zwei  schöne  neue  Lieder  episch-didaktischer  Art,  von 
G.  Brentel  in  Frauenlobs  Spätem  Ton  verfasst,  leiten  über  zu  der  Tageslitteratur:  zwei 
liedmässig  behandelten  Wundergeschichten,  die  sich  zu  Komotau  1574  und  im  Dorfe 
Auhrzitz  158G  zugeti'agen  haben  sollen,  einer  „Wahrhaftigen  und  gewissen  Zeitung",  die 
von  dem  1596  zwischen  Polen  und  Siebenbürgen  tobenden  Kriege  erzählt  und  dem 
Leser  noch  ein  neues  Lied  wider  das  leichtsinnige  Heiraten  in  den  Kauf  giebt,  vor 
allem  aber  zwei  in  Reimpaaren  geschriebenen,  auch  kulturhistorisch  bedeutsamen  Scliil- 
derungen  der  Bergstadt  Joachimsthal  aus  den  zwanziger  Jahren;  die  eine  ist  von  dem 
Augsburger  Hans  Lutz  verfasst.  Nach  Joachimsthal  führen  auch  die  von  W.  gedruckten 
Prosastücke:  ein  „Mandat  Jesu  Christi"  von  Nik.  Hermann  (1524),  in  dem  ein  „Christ- 
licher krieg  wider  den  teüffel  vnnd  sein  hoffgesind  mit  Christlichen  waifen"  abgemalt 
wird,  und  eine  Leichenpredigt  des  Joh.  Mathesius  (1559  zuerst  gedruckt).  Aus  der 
poetischen  Didaktik  bietet  W.  Pleissners  „Ritterorden  des  Podagrischen  Fluss"  (1594), 
interessant  besonders  als  Quelle  Jakob  Ayrers.  Endlich  erhalten  wir  auch  Proben  des 
böhmischen  Dramas.  Den  Ehrenplatz  nimmt  mit  Recht  Clemens  Stephani  ein,  von  dem 
nicht  allein  die  nur  hs.  erhaltene  Uebersetzung  der  terenzischen  ,,Andria"  (1554),  sondern 
auch  ,,Ein  kurtze  vnd  fast  lustige  Satyra  oder  Bawrenspil"  v.  J.  1568  abgedbruckt  ist, 
das  die  auch  durch  Cervantes  dramatisierte  Geschichte  vom  Studenten  als  Schwarzkünstler 
in  fünf  Akten  behandelt.  Ausserdem  finden  wir  M.  Meissners  1579  verfasste,  auch  ins 
Czechische  übersetzte  „Historica  Tragoedia",  deren  Inhalt  der  Untergang  Sodoms  und 
Isaaks  Opferung  bildet;  endlich  eine  stofflich  interessante  „Tragedia",  die  einen  miss- 
lungenen  Anschlag  der  Böhmen  und  Ungarn  gegen  das  Leben  des  Kaisers  auf  die  Bühne 
bringt.  Im  Vorwort  teilt  W.  die  Varianten  einer  in  Ulm  bewahrten  Ausgabe  mit;  text- 
kritisch kommt  wohl  auch  ein  W.  entgangener  Berliner  Druck  (Yq  1521,  s.  1.  1594)  in  Be- 
tracht, der  ebenfalls  beachtenswerte  Abweichungen  bietet.   So  stellt  sich  das  Ganze  als  eine 


I)  R.  Wolkan,    Ausgew.  Texte   aus  d.  dtsch.    Litt.  Böhmens   im  16.  Jh.      (=  Böhmens  Anteil  an  d.  dtsch.  Litt. 
Jahresberichte  fttr  neuere  deatsohe  Litteratargesohiohte  II  (i).  10 


II  1:  2-4.  Szamatölski  und  Herrmann,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrh.  146 

nützliche  Vorbereitung  auf  den  noch  ausstehenden  Hauptteil  des  W.schen  Werkes  dar; 
der  Abdruck  der  Texte  ist,  wie  einige  Stichproben    ergaben,  recht  sorgfältig.  —  In  ein 
anderes  Grenzgebiet  deutscher  Kultur,  nach  Livland,   gelangen    wir    durch    eine    Studie 
von  Riekhoff  s  2),  die,  im  ganzen  nicht  gerade  für  Fachmänner  geschrieben,  doch  auch 
diesen  durch  die  Heranziehung  entlegener  Lokallitteratur  nützlich  wird.   Die  kirclilichen 
und  litterarischen  Missstände  waren    am    Ausgange    des  Mittelalters  im  deutschen  Liv- 
land nicht  andere  als  im  Mutterlande  (1504  trieb  Tetzel  dort  sein  Wesen),  und  so  ver- 
liefen auch  die  neuen  Bewegungen,  Reformation    und    Humanismus,    hier    in    derselben 
Art.     Unter  den  Neulateinern  hebt  R.,  abgesehen   von  Joh.    Lorichius,    der    nur    kurze 
Zeit  in  Riga  sich  aufhielt,  Daniel  Hermann,    ferner  Basilius  Plinius,  den  Vf.  eines  Ge- 
dichtes auf  die  Stadt  Riga,  Rutgerus  Pistoi-ius,  der  z.  B.    eine  Elegie    gegen    den    Adel 
gedichtet  hat,  und  Andreas  Knöpgen  hervor,  der  sonst  mehr  in  der  Geschichte  der  Re- 
formation bekannt  ist.     Letztere  brachte  hier  in  litl  erarischer  Hinsicht  neben  geistlicher 
Lyrik  und    polemischen  Versen    bekannthch    vor    allem    ein    wichtiges    Drama    hervor: 
Waldis'  Spiel  vom  verlorenen  Sohn,  das  R.  eingehend    behandelt,  indem  er  betont,  wie 
wichtig  für  die  Entstehung    des    Stückes    neben  den    eigenen  Schicksalen    des  Dichters 
auch  das  Geschick  des  Andreas  Bomhover  war,  der  in  jenen  kirchlichen  Kämpfen  eine 
bedeutsame  Rolle  spielte.     In  der    späteren    Theatergeschichte    dieser    Gegenden    treten 
dann  besonders  die  sog.  Schwarzenhäupter  in  Reval  und  Riga  hervor;    zwei  Geistliche, 
Teuthorn  und  G.  Marsas,  haben  sich  besonders  um  die  AufFühningen  verdient  gemacht 
und  sind    vielleicht    sogar    selbst    dramatische  Dichter    gewesen.     Besonders  interessant 
für  die  Geschichte  der  nhd.  Schriftsprache  ist  endlich    ein  an  sich  belangloses  „Christ- 
liches Gespräch  von  der  grausamen  Zerstörung  in  Livland    durch    den  Moskoviter"  aus 
dem  Jahre  1579:  hier  entschuldigt  sich  der  V£,  Tilemann  Brakel,  ausdrücldich,  dass  er 
sich  der    hochdeutschen    Sprache    bediene.  —  Oswalds  ^)    Aufsatz    über    den    Einfluss 
Deutschlands  auf  England  im  16.  Jh.  ist  im  Grunde  nichts  als  ein  Auszug  aus  Herfords 
von  0.  mit  Recht  gerühmtem  Werk;  zur  Ergänzung  empfiehlt  0.  Schaibles  „Geschichte 
der  Deutschen  in    England"    und    charakterisiert    die    beiden    Autoren    gegen    einander 
durch  den  Satz:  Herford  hat  immer  die  Bücher  im  Auge,  Schaible  die  Menschen.  — 

Wie    die    allgemeine     Geschichte    des   16.  Jh.  in  manchen  politischen  und 
religiösen  Strömungen  der  Geschichte  unserer  Zeit  parallel   läuft  —  konnte  doch  Hütten 
erst  in  den  Tagen  der  Einheitsbestrebungen    und    des    Kulturkampfes   eine  Gestalt  von 
volkspädagogischem  Wert  sein  — ,  so  bieten  auch  die  socialen  Bewegungen  und  Theorien 
im  Zeitalter  der  Reformation  Parallelen  zur  Gegenwart,  die  zur  gegenseitigen  Erhellung 
ebenso  in  wissenschaftlicher  Forschung  wie  im  praktischen  Leben  dienen  können.     Die 
sociale  Aera  der  inneren  Politik  hat  schon  längst  in  die  Geschichtsschreibung  hinüber- 
gewirkt, so  dass  die  Beachtung    socialer    Faktoren    mehr    und    mehr    wächst.     Gestützt 
auf  derartige  Arbeiten  der  letzten  Zeit    stellt  G.  Winter  *)  Reformationszeit    und    Ge- 
genwart nebeneinander,  um  zunächst  in  einem  abgeschlossenen    Teil    ihre    socialen    Be- 
wegungen zu  vergleichen.     Nachdem  W.  aus  einem  schnellen  Ueberblick  über  die  Ent- 
wicklung   des    modernen  Socialismus  den  Satz  gewonnen  hat,   dass  eine  der  gewaltigen 
Veränderung  der  Produktionsmittel    entsprechende  Veränderung    der    Bedingungen    der 
Produktion  und  Verteilung  der  Güter  herbeizuführen   sei,    ohne    dabei    unsere    gesamte 
historisch  gewordene  politische  und  geistige  Kultur    in    Frage    zu    stellen,    zeigt    er    in 
einem  Rückblick  auf  die  politische  Geschichte  des  vorigen  Jahrhunderts,   dass  eben  im 
Kampf  und  Ausgleich  der  erhaltenden  und    der  vorwärts    strebenden    Kräfte    sich   jede 
historische  Entwicklung    vollzieht,    und  geht  dann  dazu    über,    dies    auch    an    der  wirt- 
schaftlich-socialen    Entwicklung    früherer  Zeiten    zu  erläutern.     Die    sociale    Frage,    die 
freilich  stets  und  überall  lebendig  war,  hat  in  unserer  eigenen  nationalen  Vergangenlieit 
ihren  schärfsten  Ausdruck  in    den    grossen  Bauernkriegen    von    1524/5  gefunden.     Ihre 
Entstehung  verfolgt  nun  W.,  um  durchgehends  mit  einem  Vergleich   an  der  Gegenwart 
beide  Bewegungen  zu  beleuchten.     Ist  der  Träger    der    heutigen    Socialdemokratie    das 
städtische  Proletariat,  so  geht  die  Erhebung  des  15. /16.  Jh.  vom    kleinen    Bauernstand 
aus;  trat  die  lieutige  wirtschaftliche  Krisis  mit  ungealuiter  Plötzliclikeit  auf,    so  ist  die 
des  16.  Jh.    das    Ergebnis    einer  Jahrhunderte    langeii    Entwicklung,    die    W.    in    allen 
Einzelheiten  der  Kolonisationsfragen,  der  Lebensmittelpreise,  des  privaten  und  öffentlichen 
Rechts,  der  Zinsverhältnisse,  der  Grundhörigkeit,    des  Robots    und  des  Gemeindelandes 
erörtert  oder  doch  streift.     Als  Verkörperung  der  bäuerlich  socialen,   zumal  der  im  Ge- 
gensatz   zum    heutigen    Socialismus    stark    religiös    gefärbten    Bewegung    zeichnet  W. 
schliesslich  die  Gestalt  und  das  Schicksal  des  Paukers  von  Niklasliausen,  jenes  cliristlich- 
socialen  Agitators  des  15.  Jh.,  den  er  selbst   früher  eingehend  (Nord  und  Süd   Bd.  50, 


d.  16.  Jh.  2.  TL  Ausgew.  Texte.)  Prag,  Haase.  IX,  205  u.  3  S.  M.  5,20.  —  2)  Th.  v.  Riekhoff,  Studien  z.  Litt.  Alt- 
LivUnds:  BaltMsclir.  38,  S.  47—70.  -  3)  E.  Oswald,  Dtsch.  Einfluss  auf  England  im  16.  Jh.:  AZgn.  N.  289—90.  —  4)  O. 
Winter,  Sociale  Bewegungen  u.  Theorien  im  Zeitalter  d.  Reformation  u.  in  d.  Gegenwart:  VVPK.  112,  S.  1—24,  145-64.    — 


147  Szamat61ski  und  Herrmann,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrh.  n  1:  i-& 

S.  402 — 14)  behandelt  hat,  und  zielxt    daraus    die    Sclilussmoral,    dass    man,    wie    schon 
Luther  erkannte,  durch    rechtzeitige    Nachgiebigkeit    der   bevorrechteten    Klassen  gegen 
die  arbeitende  Bevölkerung  den  gewaltsamen  Ausbruch  hätte  verhindern  können.    Weit 
inhaltreicher  ist  an  sich  der  zweite  Teil  der  Arbeit  mit  seiner  Vergleichung  der  socialen 
Theorien  beider  Zeitalter:    die    Systeme    des    Monis,    den   er  als  Vorläufer  der  Bauern- 
kriege den  Encyclopädisten    in    ihrer    Stellung    zur    grossen  Revolution  vergleicht,   und 
der  Bellamy  und  Hertzka,  in  denen  er  die  Vorbereiter    des  grossen  friedlichen  socialen 
Ausgleichs  sieht,  werden    wirtschaftlich    analysiert   und    in    scharfen    Kontrast    gerückt. 
Aber  abgesehen  von  manchen  Einzelheiten    mehr   politisch-aktueller    Natxir    beruht   ge- 
rade dieser  zweite  Teil    fast    durchweg    unmittelbar  auf   einer,  an  andere    Stelle    (II,  8) 
gehörigen,  Arbeit  Kleinwächters  über  die  Staatsromane,  die    überhaupt    die    eigentliche 
Anregung  zu  W.s  klar  und  gewandt  geschriebenem  Essay  gegeben  zu  haben  scheint.  — 
Der  Anonymus   der   Grenzboten    spinnt    seine    geschichtsphilosophischen    Gedanken    im 
Berichtsjahr  auch  an  die  Frage  „Reformation  und  Freiheit",  wobei  er  die  Fäden  freilich 
überall  auch  weiter  zieht  und  allerlei  historische  Fragen    in    einem    ziemlich  regellosen 
Hinundher    miteinschliesst.     Der  Wert    der   Betrachtungen    liegt   in    der   Freiheit    und 
Nüchternheit,    mit  der  der  Vf.,    ohne    konfessionelle    Brille,    das    Reformationszeitalter, 
seine  Vorbedingungen  und  Folgen  anschaut.     Nicht  in  allen  seinen  Gängen  ihm  folgen, 
sondern  nur  Hauptpunkte  seiner  Wanderung    hervorheben    können    wir    hier.     Für  die 
Sittenverderbnis  der  mittelalterlichen  Geistlichkeit  macht  er  ebenso  wie  sie  selbst  auch 
das  Volk  verantwortlich,  aus  dessen  Schoss  sie  sich  stets  neu  ergänzt.     In    den    kirch- 
lichen   Zuständen    des    ausgehenden    Mittelalters    sieht    er    einen    tragischen    Konflikt 
zwischen  Ideal  und  Wirklichkeit,  der  durch  den  sich  unablässig   aufdrängenden  Gegen- 
satz zwischen  der  Ueberfülle  äusserer  gottesdienstlicher  Formen    und    den    allgemeinen 
inneren    Sittenzuständen     schneidend     fühlbar     wurde;     und    die    Deutschen,    empfind- 
licher   hierfür    als    die    Romanen,    suchten    einen  Ausweg  aus  dem  Konflikt,  aber  nicht 
durch  eine  Erneuerung    des    Urchristentums,    sondern    durch    eine    gründliche  Verwelt- 
lichung des  Lebens,    wie    sie    in    dem    eben    wiedererstandenen    klassischen    Heidentum 
winkte:    Renaissance    und    Humanismus    ohne    Mönchskutten    ist    dem    Vf.    das    Ideal 
Huttens.  und,  in  einiger  Vergröberung,  auch  der  Massen.     Offen    schreitet   der  Vf.  zum 
Angriff  gegen  die  protestantische  Auffassung    der    Reformation    als    dem    grössten  und 
wohlthätigsten  Ereignis  seit  der  Erlösung  und  als  der  Quelle  aller  materiellen,  geistigen 
und  sittlichen  Güter  und  vor  allem  der  Freiheit.     Mit  Anlehnung  an  Buckle  erklärt  er, 
dass  die  Reformation  gleich  jedem  anderen  Ereignis  Ursache    und  Wirkung    ist,    daher 
nur  bei  geistig  hoch  entwickelten  Völkern  eintreten,    aber  auch  nicht  ohne  wohlthätige 
Rückwirkung  auf  die  weitere  Erhebung  der  Geister  bleiben  konnte;  in  der  Freiheit  jedoch 
sieht  er  weit  weniger    eine    Folge    als    vielmehr    eine    unerlässliche  Vorbedingung    der 
grossen  Umwälzung.     Als  schlagende  Beispiele  behandelt  er,    mit    gewandter  Dialektik 
gegen  mögliche  Einwände,  Luthers  Leichenrede  auf  den  Kurfürsten  Johann  und  seinen 
Strauss  mit  Albrecht  von  Mainz  und,  hier  wie  dort  in  stetem  Vergleich  mit  der  Gegen- 
wart, die  allgemeine  Unwirksamkeit  von  Reichs-    und    Privatrecht   gegenüber    der  Be- 
wegung.    Aber  auch  in  wissenschaftlicher  und  litterarischer  Beziehung  war  der  Anfang 
des    16.  Jh.    freier   und    vorurteilsloser    als    der    Schluss:    er    erinnert    an  Huttens  be- 
rühmten Jubelruf  und   vergleicht    das    Scliicksal    des    Kopernikus     mit     dem    Keplers. 
Auch  die  Glaubensfreiheit  war  im  Anfang  des  Jh.  unbeschränkt,  so  lange    man  nur    den 
materiellen  Bestand  der  Monarchie  nicht  bedrohte,  während    am    Ende    katholische    In- 
quisition und  protestantische  Orthodoxie  wüten.     In  diese  Betrachtung  verflicht  der  Vf. 
eine  kluge  und  klare  Kritik  an  Treitschkes  Bild  vom  herrlich  aufblühenden  und  schmäh- 
lich verfallenden  Protestantismus,  das  zwar    von    packender    Tragik    ist,    aber    den    ge- 
schichtlichen Thatsachen  fernsteht.     Weiter    erscheinen  dem  Vf  die  flammenden  ersten 
Streitschriften  Luthers    als    die    höchsten    Blüten    des    freien    Geistes    der   Renaissance 
wegen  ihrer  freien  und  rücksichtslos  kühnen  Kritik;    das    Grosse    an    Luther   ist    ihm, 
dass  er,  der  das  alte  Gebäude  niederlegte,  mit  eigener  Hand  den  Neubau  aufführte,  ein 
Begründer  des  modernen  Polizeistaats  zum  Schutz  gegen  die  Wiederkehr    des  früheren 
gemütlichen  Anarchismus.     Befreiend  aber  habe  die  Reformation  dadurch  gewirkt,  dass 
sie  einen  Teil  der  Christenheit  von  Ceremonien  und  Leistungen  befreite,  die  dem  männ- 
lichen Geist  widerstreben,  und  vorzüglich  durch  die  Spaltung  in  mehrere  Konfessionen: 
die  heutige  Glaubensfreiheit  steht  und  fällt,  "wae  jede  Freiheit,  mit  der  Vielheit  der  sie 
bedrohenden,    aber    einander    gegenseitig    in    Schach    haltenden    Mächte.      Ein    letzter 
grosser  Abschnitt  behandelt  die  Frage  des  Einflusses  der  Reformation  auf  die  politische 
Freiheit  der  Völker.     Nach  der  gemeinen  Meinung  soUe  Luther,    dessen    ganzes  Wesen 
heitere  Freiheit  atme,  die  politische  Knechtschaft^    und   der   finstere  despotische  Calvin 


S)  GeschichUpbilosophischo  Gedanken:  11.  Reformation  u.  Freiheit:  Grenib.  50,  S.  400/5,447—56,495—506.  —  6)  ßriefweehael 
Landgraf  Philipps  d.  GrossmUtigen  v.  Hessen  mit  Buoer.     Her.  n.  erl.  t.  Max  Lent.     3.  Teil.    (=  Publikationen  ans  d.  KgL 

10* 


111:7.  Szamatölski  und  Herrmann,  Allgemeines  des  15f/16.  Jahrh.  143 

die  politische  Freiheit  gebracht  haben.      Des    Rätsels    Lösung    giebt    der  Vf.    dadurch 
dass  er,  fast  überall  im  Gegensatz  zu  Treitschkes   rhetorisch  bestechendem  Essay    über 
die  ßepubhk  der  Niederlande  und  in  Anlehnung  an  Wenzelburgers  Werk,  deutlich  dar- 
legt, wie  in  beiden  Fällen  die  Wirkung  weniger    aus    der    Glaubenslehre,    als    aus   den 
Verhältnissen  der  Länder  und  Völker  hervorging,  in  denen  sie  zur  Herrschaft  gelangte. 
Die  Einzelheiten  dieses  Abschnitts,  der  sich  ausschliesslich  mit  dem  Calvinismus  in  den 
Niederlanden    beschäftigt,    gehören  nicht  in  den  Kreis    unserer    Betrachtung.    —    Auch 
die  historische  Einzelforschung  gewährt  uns  einige  Ausbeute.     Viel  weniger  freilich  als 
seine  beiden  Vorgänger  kommt  der  dritte  Band   des    grossen    Quellenwerkes    von    Max 
Lenz  6)  für  die  allgemeine  Geschichte  der  Reformationszeit  in  Betracht,  er  ist  vielmehr 
in  erster  Reihe  für  die  eigentlich  politische  Geschichte  von  hervorragender  Bedeutung. 
Die  Gestalt  Bucers,  die  den  ersten  Bänden  ein  allgemeines  Interesse  sicherte,   ist   dies- 
mal trotz  des  auch  hier    beibehaltenen    Gesamttitels    ganz  vom    Schauplatz    abgetreten; 
er  erscheint  beinahe  nur  in    den    auf    das    ganze    Werk    bezüglichen    Beigaben:     einem 
Aktenverzeichnis,    das    den    gesamten    Briefwechsel    des    Landgrafen  Philipp  mit  Bucer 
chronologisch  registriert  und  sowohl  die  gefundenen  wie  die  nicht    gefundenen    Stücke 
berücksichtigt,     und     in    dem    höchst    inhaltreichen,    von    H.    Wen  dt    ausgearbeiteten 
Namen-  und  Sachregister.     L.  bietet  diesmal  als  Ergänzung  zum  zweiten  Bande   haupt- 
sächlich politische  Aktenstücke,  die  durch  einleitende  und  erläuternde  Darstellung  ver- 
bunden werden :  es  sind  neben  wenigen  offiziellen  Urkunden  meist  Korrespondenzen  der 
landgräjEichen  Agenten  über  die  Ereignisse  auf  dem  Regensburger  Reichstag    und    dem 
Naumburger  Eürstentag  von  1541,    über    die    Entwicklung    der    Braunschweiger  Fehde, 
über  die  Verhandlungen  mit  Bayern  und    endlich    speciell  Augsburger  Nachrichten    be- 
sonders aus  den  Jahren  1541 — 47.     Natürlich  tauchen  auch    in    diesen   politischen  Mit- 
teilungen gelegentlich  Namen  auf,    die    mit    der    Litteraturgeschichte   mehr  oder  minder 
fest  verknüpft  sind;  wir  gewinnen  Notizen  über  Luther,  Melanchthon  und  Nik,  Amsdorff, 
über  Joh.  Eck,  Albrecht  von  Mainz  und  Heinrich  von  Braunschweig,  den  „Hans  Worst", 
über    Ambrosius    Blaurer,    Joh.    Brenz    und    Heinrich    Bullinger,    über    Jakob    Sturm, 
Sebastian  Schärtlin    und    Julius  Pflug,  endlich  über  Veit  Dietrich  und  Joh.  Zwick;  in 
der  eigentlichen  Hauptrolle  erscheint  die  feine  Gestalt  des  bayerischen    Kanzlers  Leon- 
hard  von  Eck.     Speciell  litterargeschichtlicher  Art  ist  freilich  von  diesen  Notizen  keine 
einzige.     Ganz  leer  geht  aber  auch  die  Litteraturgeschichte  im  engsten  Sinne  nicht  aus. 
Einmal  wird  an  der  beinahe    einzigen  Stelle,    wo  Bucer    im    Text  auftritt,   auf   eine  hs. 
deutsche  Uebersetzung    des  Entwurfs    zum    „Regensburger  Buche"    (1541)    aufmerksam 
gemacht,  in  der  L.  mit    Bestimmtheit    eine    von    Bucer    für    den    Landgrafen    gefertigte 
Arbeit  erkennt;  L.  belltet  als  Historiker  den  Fund  natürlich  nur  für  die  Textkritik  des 
lateinischen  Wortlauts    aus.     Ferner    gehört    zu    Philipps    fleissigsten    Korrespondenten 
Georg  Frölich  (Laetus),    der  alle  die  oben  erwähnten  Augsburger  Nachrichten  geliefert 
hat.     Es  ist  derselbe  Frölich,  den  Goedeke    als    ersten    Uebersetzer    des  Stobaeus  nam- 
haft macht,  der  aber  auch  den  Psalter  verdeutscht,  eine  Uebertragung  des  Isokrates  in 
Angriff  genommen  und  eine  von  L.  S.  529 f.  behandelte    Schrift    „Vom   preis,  lob  vnnd 
nutzbarkeit  der  lieblichen  Kunst  Musica"  verfasst  hat.    Was  L.  nun  für  unsere  Kenntnis 
dieses    Mannes    Neues     beibringt,     ist     zwar     zunächst    wenig    litterarhistorischer    Art, 
und  auch  Frölichs  äussere  Geschichte  wird  nur  durch  die  Aufdeckung  seiner  Beziehungen 
zu  Hessen  (1549 — 1554)  und  durch  den  Nachweis    vermehrt,    dass    sein    Aufenthalt    am 
Lauinger  Hofe  des  Pfalzgrafen  Ottheinrich  vor  seine   endgiltige    Rückkehr    nach    Augs- 
burg (1554)  fällt.     Aber  alle  seine  hier  bekannt  gemachten   Briefe    zeigen  im  Gegensatz 
zu  den  bisher  zugänglichen    trockenen    Notizen    Am  Endes    und   Veiths,    wozu  L.  noch 
den  Hinweis  auf  die  Herbergersche  Publikation    der   Schärtlinkorrespondenz    fügt,    eine 
lebensvolle,  prächtige  Persönlichkeit,  dessen    grossdeutsche    Gesinnung  im  Huttenschen 
Ton  überall  den  trockenen  Nachrichtenton  durchbricht:  „Wurd  sich  teutsche  nacion  nit 
selb  retten  und  erhalten,    so    werden's    die    frembden    nit  thun."    ....    „waruf  warten 
dann  die  Teutschen,  das  sie  nit .  .  .  sich   in  rechte  bruderschaft,  dahere  sie  Germani  ge- 
nennt werden,  begeben  ...?"...  „Wollt  dann  nichts  volgen,  das  alsdann  ain  frumer 
Arminius    verbanden    were     und     stumpf   und    stile    zu    rettung    der    freihält    ankeret; 
dem  wurd  Gott  gluckh  geben,  fried  ze   machen."     Ausserdem    aber    oifenbart    sich    ein 
hervorragender  Stilist,  der  in  schlagenden  Bildern,  in  glücklich  gewählten  Sprichwörtern 
und  biblischen  Anspielungen  und  in  der  Leichtigkeit  des  Satzbaues   die  übrigen  Korre- 
spondenten weit  überragt;    ein  Vergleich  dieser    Schreibweise    mit  dem  Stil  der  Ueber- 
setzungen  wäre  eine  dankbare   Aufgabe.      In    einem    Exkurs    schreibt    L,    dem    Frölich 
gegen  Georg  Voigt  und  Druffel  auch    die  Autorschaft  der  Schrift  vom  Schmalkaldischen 
Kriege  hauptsächlich  aus  inneren  Gründen  zu;    eine    sorgsame  Stilprüfung  könnte  viel- 
leicht die  Entscheidung  bringen.     Endlich  teilt  L.  „carmina"  mit,    die  Frölich  im  April 


PreuM.  SUatsaroUven.    Bd.  47.)    Leipzig,  Hirzel.    638  S.    M.  18,00.  —  7)  G.  Mayer,  J.Komander:  Wetier  u.  Weite,  Kirchen- 


149  Szamatölski  und  Herrmann,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrh.         Ulrs-iz. 

1541  dem  Lamlgrafeii  als  poHtisrliea  Agitatioiisinittol  angefertigt,  hat:  12  Distichen,  in 
denen  die  vier  Elemente  ihren  Zorn  gegen  Heinz  von  Braunschweig  zum  Ausdruck 
hringen.  Mit  einer  unter  gleichem  Gesichtspunkt  entstandenen,  aber  viel  interessanteren 
Dichtung  tritt  nun  auch  der  thätigste  unter  den  landgräilichen  Korrespondent^en,  der 
Augsburger  Stadtarzt  Gereon  Salier  in  die  Litteraturgeschichte  ein.  Das  in  Liliencrons 
Sammlung  IV,  S.  2G9  ff.  gedruckte  umfangreiche  „historische  Volkslied":  „Wie  der 
Herzog  von  Braunschweig  .  .  .  niedergelegen  und  gefangen  worden",  war  bisher  wie  die 
meisten  dieser  Nummern  autorlos.  Am  4.  Nov.  1545  aber  bekennt  sich  Sailer  in  einem 
Brief  an  den  Landgrafen  als  Autor  des  Gedichtes,  und  wir  gewinnen  die  überraschende 
und  lehrreiche  Erkenntnis,  dass  dieses  „historische  Volkslied"  durchaus  weit  vom 
Schuss  entstanden  ist;  sie  wird  durch  Sailers  nächsten  Brief  (15.  Nov.)  noch  schärfer 
hervorgehoben.  Dem  Schreiben  liegt  eine  autorisierte  Abschrift  des  Liedes  bei,  die 
gegenüber  den  Drucken  eine  ganz  abweichende  Strophe  (39)  und  auch  eine  für  die 
Entstehungsart  bedeutsame  Bemerkung  enthält;  L.  teilt  auch  die  gleichfalls  beigefügte 
Melodie,  eine  Variante  des  „Pavialiedes"  in  modemer  Umschrift  mit.  Für  Charakteristik 
und  Biographie  des  neugewonnenen  Dichters  enthalten  alle  drei  Bände  eine  Fülle  des 
Materials.  —  G.  Mayers  ')  kurzer  Artikel  über  den  „sog."  Reformator  Graubündens, 
Zwingiis  Freund  Joh.  Komander,  stellt,  was  bei  Wagenmann  (ADB.  16,  S.  497  f.)  und 
bei  Riggenbach  (Herzog  und  Plitt  8,  S.  130/3)  nicht  zu  finden  ist,  auf  Grund  einer 
jenen  entgangenen  Arbeit  Th.  v.  Liebenaus  fest,  dass  Komander  aus  dem  Luzerner 
Gebiet  stammt  und  in  Escholzmatt  und  Ragaz  Priester  war,  ehe  er  nach  Chur  kam. 
Sonst  bietet  der  Artikel  nur  zwei  neue,  aber  durch  die  angeführten  Quellen  nicht  ge- 
rechtfertigte Behauptungen  über  den  Verlauf  der  Disputation  zu  Jlanz  und  Komanders 
Beziehungen  zu  der  Hinrichtung  des  Abtes  Th.  Schlegel;  über  Komanders  eigentliche 
Wirksamkeit  und  über  die  wichtigste  Litteratur  wird  man  sich  immer  noch  in  den 
beiden  angeführten  Arbeiten  unterrichten  müssen,  von  denen  M.  wenigstens  die 
erste  bestimmt  benutzt,  von  denen  er  aber  keine  citiert  hat.  —  Nicht  un- 
interessant als  ein,  freilich  zunächst  wohl  nur  für  Trivialschulzwecke  be- 
rechneter Versuch,  den  Specialstudien  gegenüber  den  Verlauf  der  weltgeschichtlichen 
Hauptereignisse  ins  Auge  zu  fassen,  ist  eine  Geschichtstafel  ^V  die  das  16.  Jh.  be- 
handelt. Auch  sie  vermag  freilich  nicht,  was  der  anonyme  Vf.  zu  kühn  verspricht, 
„dem  Beschauer  auf  Einen  Blick  ein  klares  Bild  des  Jh.  zu  geben";  aber  indem  sie 
sich  allzu  komplizierter  und  doch  nicht  zum  Ziele  führender  Versuche  anderer  karto- 
graphischer Geschichtsdarstellungen  enthält,  gelingt  ihr  recht  hübsch  die  Vergegen- 
wärtigung der  Gleichzeitigkeit ;  durch  eine  geschickte  Einrichtung  kann  man  sofort  für 
bestimmte  Persönlichkeiten  ersehen,  welches  ihre  wichtigsten  Zeitgenossen  waren  und 
welche  bedeutsameren  Ereignisse  sie  erlebt  haben.  Als  Anhänger  der  vorwiegend  poli- 
tischen Geschichte  rückt  der  Autor  in  die  Mitte  seiner  Tafel  als  die  massgebenden  Ge- 
stalten fast  lauter  Regenten;  zu  ihnen  gesellen  sich  nur  drei  „Persönlichkeiten,  welche 
auf  die  Entwicklung  der  geschichtlichen  Ereignisse  einen  wesentlichen  Einfluss  ausge- 
übt haben".  Auf  diesen  Nebensatz  hin  erwartet  man  natürlich  den  mit  Recht  einge- 
ordneten Luther,  aber  wohl  kaum  Melanchthon  und  noch  weniger  Shakespeare  zu 
finden.  Unter  den  links  nebengeordneten  „kulturhistorischen"  Persönlichkeiten  kommen 
für  Deutschland  in  Betracht  Brant,  Reuchlin,  Sickingen  ^),  der  aber  nicht  „zu  Baden" 
geboren  ist,  Hütten,  Dtirer,  Zwingli,  Erasmus,  Holbein,  Cranach,  Götz  von  Berlichingen 
und  Hans  Sachs.  Für  stille  Mitarbeiter  hat  der  Vf.  viel  Papier  frei  gelassen.  —  Von 
Janssens  lo-n)  Geschichte  des  deutschen  Volkes  sind  im  Berichtsjahr  wieder  zw^ 
Bände  in  neuen  Auflagen  herausgekommen.  Während  der  zweite  Band  sich  selbst  nxur 
als  einen  unveränderten  Abdruck  der  fünfzehnten,  verbesserten  Auflage  bezeichnet, 
fordert  der  dritte  Band  als  fünfzehnte,  vermehrte  Axiflage  einen  Vergleich  mit  der  vor- 
hergehenden Ausgabe,  auf  den  wir  leider  verzichten  müssen,  da  uns  letztere  vorläufig 
nicht  zugänglich  ist:  das  ist  um  so  bedauerlicher,  als  hier  wohl  eine  Ausgabe  letzter 
Hand  vorliegt.  — 

Nur  um  eine  neue  Auflage  scheint  es  sich  dagegen  bei  dem  17 — 19.  Tausend 
derjenigen  Schrift  zu  handeln,  che  Janssen  12)  gegen  den  Ansturm  protestantischer 
Kritik  erliess  und  die  man  wohl  als  Hauptstück  der  neueren  historischen  katholischen 
Polemik  ansehen  darf;  die  unmittelbar  vorangehende  Ausgabe  steht  uns  leider  auch 
hier  nicht  zur  Verfügung.   —    Weit    entfernt    von    dem    gewöhnlichen    Standpunkt   der 


lexikon  7,  S.  941/2.  —  8)  GescMchtsUfel  d.  16.  Jh.  Frankfurt  a.  M.,  Jögel.  M.  0,60.  —  9)  O  Th.  Ton  Lieben««. 
F.  T.  Sickingen  u.  d.  Eidgenossen:  ASohweizQ.  22,  8.  152/4.  —  10)  J.  Janssen,  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes  seit  d.  Ausgang  d. 
HA.  2.  Bd.:  V.  Beginn  d.  politisch-kirchlichen  BeTolution  bis  z.  Ausgang  d.  socialen  ReTolntion  t.  1525.  16.  Anfl.  Unrertnd. 
Abdr.  d.  15.,  yerb.  Aufl.  Freibnrg,  Herder.  XXXII,  613  S.  —  II)  id.,  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes  seit  d.  Ausgang  d.  MA. 
3.  Bd.:  D.  polit.-kirchliche  Revolution  d.  FUr8t«n  u.  d.  Stftdte  u.  ihre  Folgen  fUr  Volk  n.  Reich  bis  z.  sogen.  Angsborger 
Relipionsfrieden  v.  1555.  15.  rerm.  Aufl.  ebda.  XLIV,  792  S.  M.  7.00.  —  12)  id.,  An  meine  Kritiker.  Nebst  Erg&niung«n 
o.  Erltaterungen  an  d.  ersten  3  Bünden  meiner  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes.   Neue  Aufl.  (17—10.  Tausend),  ebda.   227  S.     M.  2,20. 


n  1:  13-15.       Özamatölski  und  Herrmann,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrh.  150 

protestantischen  Kritik,  doch  nahe  der  im  vorigen  Bande  (1890  11  1 :  8)  erwähnten 
Meinung  Ottokar  Lorenz'  steht  das  Urteil  über  Janssens  Werk,  das  der  ßembrandt- 
deutsche  seinem  Buche  neuerdings  eingefügt  hat  und  das  schon  dadurch  bedeutsam 
wird,  dass  die  Historisch-politischen  Blätter  ^3)  es  abdrucken  und  scheinbar  still- 
schweigend anerkennen.  Dem  Rembrandtdeutschen  erscheint  es  bezeichnend  für  die 
jetzige  deutsche  Wissenschaftlichkeit,  dass  man  einen  Forscher  wie  Janssen,  den  gründ- 
licher Eleiss,  Wahrheitsliebe  und  eine  durch  seinen  besonderen  Standpunkt  bedingte 
subjektive  Geschichtsauffassung,  die  —  hier  liegt  eine  über  das  besondere  Urteil  hin- 
ausgehende intime  Berührung  mit  Lorenz  —  dem  Historiker  so  notwendig  ist  wie  die 
Objektivität,  kennzeichnet,  in  ehrenrühriger  Weise  angreift,  ohne  Subjektivität  von 
mala  fides  zu  unterscheiden.  „Der  Unparteiische  wird  es  als  ein  Verdienst  Johannes 
Janssens  ansehen,  dass  er  auch  einmal  die  Kehrseite  des  Reformationszeitalters  auf- 
gezeigt hat;  der  Vernünftige  wird  seine  wie  der  protestantischen  Geschichtsschreiber 
Darstellung  gegen  einander  abwägen  und  sich  selbst  ein  Urteil  bilden;  nur  der  Träge 
und  Voreingenommene  wird  bei  ihm  zu  kurz  kommen."  —  Ein  ebenfalls  von  den 
Historisch-politischen  Blättern  i^)  ergangenes  Urteil  über  den  Streit  zwischen  katho- 
lischer und  protestantischer  Geschichtsschreibung  verdient  Beachtung  weniger  um  der 
Specialdebatte  willen,  in  der  G.  Lösche  und  0.  Kohlschmidt  auf  Grund  ihrer  Beiträge 
zu  dem  von  protestantischer  Seite  gelieferten  „Theologischen  Jahresbericht"  („Kirchen- 
geschichte" bez.  „Interkonfessionelles")  parteiischer  und  unkritischer  Berichterstattung 
angeklagt  worden,  als  wegen  der  prinzipiellen  Erklärung  über  die  Aufgabe  der  Wissen- 
schaften im  allgemeinen  und  der  Jahresberichte  im  besonderen.  Nicht  nur  dass  die 
schweren  Anforderungen  des  „suum  cuique"  und  des  ^^nXrjS^fvtw  iv  icyänri'-'- ^  die  Lösche 
bei  E.  V.  Bezold  bewundert,  aber  selbst  nicht  erfüllt  habe,  aufgenommen  werden,  heisst 
es  in  einem  Abschnitt,  den  die  JBL.  gern  verzeichnen  und  auch  unterzeichnen:  ^^hn 
einem  Lande  wie  Deutschland,  das  nur  äusserlich  geeinigt,  in  dem  das  Misstrauen  der 
einzelnen  Stämme  und  der  verschiedenen  Religionsgesellschaften  unter  einander  fort- 
dauert, hat  die  Wissenschaft  eine  hohe  Aufgabe  zu  erfüllen.  Sie  ist  an  und  für  sich 
geeignet,  das  einigende  Band  zu  sein  und  nicht  bloss  die  verschiedenen  Stämme  eines 
Reichs,  sondern  auch  verschiedene  Rassen,  verschiedene  Religionsgesellschaften  einander 
näher  zu  bringen.  Zu  dem  Zwecke  ist  es  nötig,  Mässigung  und  Milde  im  Urteil 
walten  zu  lassen,  alles  was  dem  Gegner,  den  man  gewinnen  will,  Anstoss  geben  könnte, 
zu  vermeiden.  Unter  allen  wissenschaftlichen  Unternehmungen  können  Jahresberichte 
über  Geschichtswissenschaft,  Theologie,  Philosophie  die  Eintracht  unter  den  Kon- 
fessionen befördern;  auf  der  anderen  Seite  sind  Jahresberichte,  in  denen  Schroff lieit 
und  Fanatismus  geduldet  wird,  ganz  dazu  angethan,  das  schon  begonnene  Friedenswerk 
zu  zerstören."  Mögen  diese  Sätze  auf  allen  Seiten  recht  verstanden  und  auch  zu  Thaten 
werden.  — 

Um  eine  der  bevorzugten  Streitfragen  katholischer  Polemik,  um  den  Wert  der 
Kunst  der  Renaissance,  dreht  sich  ein  anonymes  Heft^^),  freilich  weniger,  um  diese 
Frage  sachlich  zu  erörtern,  als  um  —  wie  schon  der  altertümlich  breite  Titel  verrät  — 
persönlich  einen  Kunsthistoriker  zur  Strecke  zu  bringen,  der  zwei  Capacitäten  katho- 
lischer Kunstgeschichtsauffassung  mit  dem  Feuer  eines  Konvertiten  angegriifen  hatte. 
Lübke  war  bereits  vor  einer  langen  Reihe  von  Jahren  einmal  gegen  Reichensp erger  los- 
gegangen, von  diesem  jedoch  durch  Androhung  unangenehmer  Veröffentlichungen  über 
katholische  Velleitäten  seiner  Frühzeit  zur  Ruhe  gezwungen  worden.  Als  Lübke  den 
Frieden  neuerdings  brach,  brannte  Reichensperger  los ,  und  nun  nimmt  ihn  noch  die 
anonyme  Broschüre  in  ein  lustiges  Kreuzfeuer,  zu  dem  ausser  Reichensperger  und 
Janssen  Ludwig  Pfau,  Hermann  Riegel,  F.  X.  Kraus,  mittelbar  auch  Dohme  und  Bode 
u.  a.  die  Munition  liefern  mussten.  Der  Ruhmestempel  Lübkescher  Kunstweisheit,  für 
deren  Giebel  das  Motto  des  Anonymus  „Ego  sum  Phaetori"  —  so  hatte  der  Viel- 
gewandte einmal  die  Umschrift  eines  Christusbildes  „EGO  SU  AL  PHA  ET  0"  auf- 
gelöst —  ganz  trefflich  passte,  liegt  nun  vor  allem  Volk  in  Trümmern.  Die  Einzel- 
heiten der  vernichtenden  Anklagen  hier  aufzuführen,  ist  nicht  die  Aufgabe  der  JBL., 
da  für  wissenschaftliche  Kreise  all  die  Blossen  Lübkes,  auf  die  hier  von  neuem  mit 
Fingern  gedeutet  wird,  ja  längst  aufgedeckt  sind.  Selbständiger,  wenn  aucli  zum 
grösseren  Teil  auf  Janssen  fussend,  ist  erst  die  zweite  Hälfte  der  Sclu-ift,  wo  im  Gegen- 
satz zu  Lübke  ausgefülirt  wird,  zunächst  dass  die  Bibel  selbst  schon  die  Renaissance 
als  Kunst  der  idealen  Nacktheit  verurteile,  ferner  im  Anschluss  an  W.  Lecky  u.  a.,  dass 
die  religiösen  und  damit  verwandten  Darstellungen,  auf  die  sich  Lübke  gegen  Janssen 
beruft,  nur  zum  Vorwand  für  die  Darstellung    einer  bloss  weltlichen  Schönheit  dienten, 


—  13)  Bembrandt  als  Erzieher.  Z.  37.  Aufl.  noch  einmal:  HPBll.  108,  S.  900-10.  (VgL  hier  S.  906/7.)  —  14)  D.  „Theologisehe 
Jahresbericht"  von  1890 :  ib.  S.  620/9.  —  15)  Eoichcnspergor-Janssen  n.  d.  KunstliistoriVer  Prof.  Dr.  Wilhelm  Lübke.  Z.  Konn- 
zeichnung neuester  Kunstschriftstollerüi,  namentlich  in  Sachen  der  im  16.  Jh.  in  Deutschland  eingeführten  „antikisch-wUlschen 


151  Szamatölski  und  Herrman II,  Allgemeines  des  15./16- Jahrh.        III:  i«-20. 

endlich  mit  zahlreichen  nnd  verschiedenartigen  zeitgenössischen  Belegen,  dass  auch  jene 
Zeit  schon  von  der  „bedenklichen  Prüderie  wie  von    einem    bösen  Aussatz  angesteckt" 
war    gegenüber    denjenigen    Kunsterzeugnissen    der    Renaissance,    von    denen    uns    der 
Anonymus  eine  sorgfältig  für  seine  Zwecke  ausgewälilto  Galerie    zugänglich  macht.    Im 
Verlauf  dieser  Betrachtungen  versteht  er  einen  Satz  aus  dem  „Laokoon"  als  Sprungbrett 
zu  benutzen,  um  sich  an    die  Seite    des    „Berliner    Männerbundes    zur  Bekämpfung  der 
Unsittlichkeit"  zu  bringen.      So  wenig  man  gegen  die  vielfach  treffenden  Ausführungen 
des  Anonymus  das  haltlose  Gerede  Lübkes  vertreten  kann,  so  wenig  wird  man  sich  in 
Sachen   der  Kunst  und  ihrer  Geschichte  auf  die  enge  moralistisch-konfessionelle  Grund- 
lage   stellen    können:    der    Hinweis    der  Broschüre    auf  Janssens    Urteil    über  die  vor- 
bildliche Kunst  des  griechischen  Klassicismus,    wenn  es  auch  in  dieser  Fonn  kaum  an- 
nehmbar ist,  eröffnet  selbst  schon  den  Ausblick  auf   einen  freieren  Standpunkt.  —  Vom 
Herausgeber  einer  grossen  englischen  Zeitschrift  aufgefordert,  gab  Direktor  W.  Bo de '*) 
einen  interessanten  Bericht  über  den  erstaunlichen  Fortschritt  des  Berliner  Renaissance- 
Museums  seit  1870.     Obgleich  unsere  Geldmittel  mit  den  englischen    noch  immer  nicht 
zu  vergleichen  sind,  so  konnten  wir  doch  durch  Scharfblick  der  Leitung  und  dank  der 
Unterstützung  des  späteren  Kaisers  Friedrich  über  diese  mächtige  Konkurrenz  zuweilen 
siegen.     Aus    B.s    Erörterung    der    veränderten     Beziehungen    unseres    Museums    zum 
Publikum  und  zur  Presse,  besonders  aber  zu  den  Künstlern  und  Kunsttheoretikem,  auf 
welch  letztere  beide  ein  Schlaglicht  durch  einen  Vergleich    mit    England   fällt,    ist    die 
runde  Abfertigung  des  romanisierten  schweizerischen  Kunstkritikers  mit  dem  russischen 
Pseudonym  herauszuheben.     Auch  für  die   wichtigen    Katalogarbeiten    hat    B.    England 
als  mustergiltiges  Vorbild  anerkannt,  das  von  Deutschland    nur  durch    die    technischen 
Vorzüge  der  photographischen    Beigaben    übertroffen    werde.     In    aller    Bescheidenheit 
rühmt  sich  B.    der    durch    mühsame    Reisen    erschwerten    Ankäufe    und  Entdeckungen, 
besonders  für  die  Abteilung  italienischer    Skulpturen,  die     sich   jetzt    mit    den    bedeu- 
tendsten Sammlungen  selbst  Italiens  messen  kann.    In  B.s  Ausführungen  über  den  Plan 
der  Einrichtung  des  Museums  verdient  die  Absicht,    die    er    in    einem    Musterstück  für 
das  zukünftige  selbständige  Renaissancemuseum  schon  im    alten  Hause  jüngst  versucht 
hat,    den    Beifall    und    Dank    aller    derer,    die    für    die    Leiden    der  Museumskrankheit 
empfänglich  sind:  B.  will  unter  allen  Kunstwerken  nur  wenige  von  den  besten  Bildern 
wie  Statuen  jeder  Schule  und  Epoche  auswählen  und    sie    in    einem  Räume  aufstellen, 
der  in  jeder  Hinsicht,  in  Architektur,  Möbeln,  Teppichen  usw.  den  Stil  der  besonderen 
Zeit  und  Schule  repräsentieren  soll;    z.  B.    die  Werke    des    18.  Jh.    in  einer  Roccoco- 
gallerie,  Rubens  und  Van  Dyk    in    einem    Barockzimmer,    Botticelli    und    Donatello    in 
einem  Florentiner  Saal  usw.     Es  sind  die  Ideen  des  Kaisers  und  der  Kaiserin  Friedrich, 
die  auch  Kaiser  Wilhelm  II.  für  das    hoffentlich    bald    erstehende  Renaissance-Museum 
annahm.     Den  Aufsatz  beschliesst  ein  stattlicher    namentlicher    Ueberblick    der  Schätze 
des  Museums,  das  wie  in  der  Malerei  so  in  der  Skulptur    seine  Stärke    im  15.  Jh.  hat. 
—  Auch  einige  Einzelheiten  seien  hier    angeführt.     Eine    von    dem    Leipziger  Antiquar 
Hiersemann  ausgebotene  Bilderhandschrift "),  die  ein  Nürnberger  Künstler  um  1565  ge- 
zeichnet \uid  gemalt  und  die  Siegmund    Heldt    mit    erläuterndem  Text  ausgestattet  hat, 
bietet  anscheinend  eine  Fülle    des    Materials    für    die    Nürnberger   Kulturgeschichte  im 
speciellen,  für  die  Geschichte  des  Kostüms  und    der  Trachten,    der    ritterlichen    Spiele, 
der  Volksbelustigungen  und  des  gesellschaftlichen  Lebens  in   Deutschland  während  des 
16.  Jh.  im  allgemeinen;  litterarhistorisch  interessant  scheinen  besonders  Bl.  97 — 107  zu 
sein,    wo    Nürnberger    Fastnachtspiele    abgebildet    sein    sollen.  —  Für  seine  Biographie 
Sebald     Schreyers,     des     Mäcens     nürnbergischer     Kunst     und     Litteratur,     hält     sich 
Mummen  hoff  18)  doch  gar  zu  ängstlich    an    die    Darstellung    B.  Hartmanns    (Celtis  in 
Nürnberg,  1889,  S.  21  ff.);  ergänzt  und  berichtigt  werden  nur    einige  Nebendinge. '9)  — 
Die  Bedeutung  einer  der  Kultur  dieses  Zeitalters,  insbesondere  der  Renaissance 
scheinbar  recht  »fern  stehende  Wissenschaft,  der  Mathematik,  für  die   kulturelle    und 
künstlerische  Entwicklung  erörtert    Rudio20)    mit    fachmännischer    Kenntnis    in    einem 
pojiulären  Vortrag.     Er  zeigt,  wie  durch  die    zu    Beginn    des  Zeitraumes  aufkommende 
Buchdruckerkunst  die  durch  die  Araber  vermittelte  indische  Positionsarithmetik,  deren 
Wert  in  der  Benutzung  einfacher  Zahlzeichen    und    der    Darstellung    beliebiger  Zahlen 
durch  Nebeneinandersetzen  der  zehn  Zeichen  besteht,   und    die    auf   Grund    des    ptole- 
mäischen    Systems  erwachsene  Astronomie,  nachdem    beide  Wissenschaften    schon    seit 
Anfang  des  13.  Jh.  im  Besitz  des  Abendlandes  gewesen  waren,    nun    erst    einen   mäch- 
tigen Aufschwung  nahmen.     R.  weist  femer    darauf  hin,    wie    die    grossen  Meister  der 

Kunstmanier",  genannt  „deutsche  Benaissance«.  Prankfurt  a.  M.,  Foesser.  36  S.  M.  0,60.  —  |6)  W.  Bode,  The  Berlin 
Renaissance  Museum:  FortnightlyReT.  50,  S.  506— 15.  -  17)  E.  Nürnberger  Bilderh».  d.  16.  Jh.:  FrSnkKur.  N.  517.  - 
18)  Mummenhoff,  Seb.  Schreyer:  ADB.  82,  S.  492/4.  -  19)  X  6.  Wolfram,  Nene  Untersuchungen  Ober  d.  Alter  d.  Eeiter- 
statuette  Karls  d.  Grossen:  JbQesLothrG.  3,  S.  321-44.  (S.  340  f.  Über  DOrersche  Omatstudien  z.  Bilde  Karls  d.  Gr.  nach  e 
ihm  als  echt  geltenden  Nürnberger  Schaustück.)  -  20)  P.  Eudio,  Ueber    d.  Anteil    d.  mathematischen  Wissenschaften    an  d. 


111:21-22.112:1-3.    Szamatölski  und  Herrmann,  Allgemeines  d.  15./16.  Jahrh.  152 

Renaissance,  Lionardo,  Rafael,  Dürer,  die  Verwandtschaft  ihrer  Kunst  mit  der  matlie- 
matischen  Erkenntnis  fühlten,  wie  zumal  Lionardo  ein  genialer  Mathematiker  und  Phy- 
siker war  und  wie  nur  aus  dem  Zusammenwirken  mathematischer  und  künstlerisclier  Fak- 
toren die  Ausbildung  der  Lehre  von  der  Perspektive  durch  Lionardo  und  Dürer  sich 
erklären  lässt.  Im  selben  Jahr,  in  dem  Dürers  Werk  über  die  Messung  mit  Zirkel  und 
Richtscheit  erschien,  wurde  auch  von  Melanchthon  am  Nürnberger  Gymnasium  die  erste 
Lehrstelle  für  Mathematik  gestiftet.  Auch  die  Wirksamkeit  des  in  Nürnberg  schaf- 
fenden Eegiomontan  und  seine  „Ephemeriden",  eine  Art  Himmelschronik,  werden  hi 
ihrer  Bedeutung  für  die  Entdeckungen  der  Diaz,  Vasco  de  Gama  und  Columbus  be- 
trachtet und  so  diese  Thaten  als  Früchte  einer  zielbewussten  Gedankenarbeit  erwiesen, 
die  ihren  Ursprung  in  den  exakten  Wissenschaften  der  Renaissance  hatte.  Nachdem  R. 
auch  der  Astrologie  und  ihrer  Bekämpfung  durch  die  Renaissance  gedacht  hat,  schliesst 
er  mit  einem  Hinweis  auf  das  heliocentrische  System  des  Kopernicus,  womit  das  Zeit- 
alter der  Renaissance  endet  und  eine  neue  Weltauffassung  sich  eröffnet.  21-22)  — 


11,2 

Lyrik. 

Georg  Ellinger. 

Geistliche  Lyrik:  Gesaintcliarakteristik  N.  1.  —  Lokale  Gesiclitspunkto  N.  3.  —  Neue  Mitteilungen  N.  6.  — 
Biographien:  Katholiken  N.  7;  Protestanten  N.  9;  Soktirer  N.  16.  —  Verfasserfragen  N.  19.  —  Meistergesang  N.  22.  — 
VolkBgesang  N.  26.  —  Musik  N.  39.  — 

Von  zusammenfassenden  Arbeiten  über  die  Geschichte  der  geistlichen  Lyrik 
und  zumal  des  Kirchenliedes  ^)  ist  in  dem  Berichtsjahre  nur  eine  namhaft  zu  machen, 
die  kurze  Gesamtcharakteristik,  welche  Bäumker  2)  der  Entwicklung  des  katholischen 
und  protestantischen  Kirchenliedes  widmet.  Die  beiden  Teile  seiner  Arbeit  sind  nicht 
ganz  von  gleichem  Werte;  die  Skizze  über  das  katholische  Kirchenlied  giebt  einen  gut 
orientierenden  Ueberblick,  wenngleich  es  der  Vf.  etwas  zu  überschätzen  scheint  und 
Kirchenlied  und  geistliches  Lied  nicht  immer  sorgfältig  genug  auseinanderhält.  Seine 
Darstellung  der  Geschichte  des  protestantischen  Kirchenliedes  dagegen  beruht  nicht  in 
demselben  Masse  auf  umfassender  Herrschaft  über  das  gesamte  Material;  deshalb 
begnügt  sich  B.  auch,  die  Thatsachen  in  der  herkömmlichen  Reihenfolge  und  Beleuchtung 
zu  geben,  und  so  kommt  es,  dass  man  über  wichtige  Punkte,  z.  B.  über  die  Anregungen, 
die  am  Ende  des  17.  und  zu  Beginn  des  18.  Jh.  auch  dem  Kirchenliede  der  Orthodoxie 
aus  dem  Pietismus  zuflössen,   gar    keine    oder  doch  unzureichende  Auskunft  erhält.    — 

Von  Arbeiten,  die  das  Kirchenlied  untel*  lokalen  Gesichtspunkten  behandeln, 
ist  zunächst  eine  wertvolle  Darstellung  Wolkans  •'^)  zu  nennen.  Der  Vf.  betrachtet 
nacheinander  die  Gesangbücher  der  böhmischen  Brüder,  zunächst  die  von  Michael 
Weisse  1531  herausgegebene  Sammlung.  Die  hier  vereinigten  157  Lieder  unterzieht 
W.  einer  eingehenden  Untersuchung,  er  weist  nach,  wie  Weisse  sich  in  ihnen  teils  an 
ältere  lateinische  Hymnen,  teils  an  Luthers  Lieder  und  gelegentlich  auch  an  andere 
protestantische  Dichter,  Adam  Reusner,  anlehnt;  er  versteht  die  poetiscli^  Individualität 
Weisses  in  ihren  Vorzügen  und  Mängeln  fein  zu  charakterisieren.  Eine  neue  Ausgabe 
(Ulm  1538)  ist,  wie  W.  im  Gegensatze  zu  Wackernagel  darlegt,  um  ein  Lied  vermehrt 
worden.  Einsclmeidende  Aenderungen  erlitt  Weisses  Werk  durch  die  Umarbeitung,  die 
1544  Joh.  Hörn  vornahm.  Die  Veranlassung  zu  dieser  Umgestaltung  gab  die  veränderte 
Stellung  der  Brüder  zu Lutlier,  dessen  Abendmahlsbegriff  sie  sich  angenähert  hatten.  Die 
Folge  davon  war,  dass  alle  Stellen,  in  denen  Weisse  seine  im  wesentlichen  mit  Zwingiis 
Auffassung  sich  deckende  Anschauung  vom  Abendmahl  zum  Ausdruck  gebracht  hatte, 
entweder  nach    der  Lutherschen  Lehre  umgebildet  oder  überhaupt  weggelassen  wurden. 


KnltuT  d.  Renaissance.  Bathausvortrag.  (Bef.  v.  E.):  NZOrchZg.  t.  26.  März.  —  21)  X  Domanorszski,  Gesch.  d.  Philosophie 
d.  Benaissanse.  Budapest  (Franklingesellschaft)  1891.  489  S.  Fl.  4,00.  (In  ungarischer  Sprache):  ThLBL.  12,  S.  276.  — 
22)  XX  (I  5  :  22.)  - 

I)  X  G.  Backhaus,  Etwas  t.  kath.  Kirchenliede:  KZEU.  40,  S.  333—40.    (Populärer  Auszug  ans  N.  2  mit  prakt. 
Absichten.)  —  2)  W.  Bttumker,  Kirchenlied:  Wetzer  u.  Weite,   Kirchenlexikon   7,  S.  600-23.  —  3)  B.  Wolkan,  D.  Kirchen- 


153  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./1G.  Jahrhundert«.  II  2:  4-». 

Auch  zwei  vollständige  Lieder  sind  aus  dieBem  Grunde  auHgeschieden  worden,  während 
in  der  Auslassung  zweier  anderer  eine  bestimmte  dogmatische  Absicht  nicht  zu  erkennen 
ist.  Neu  uufgonommen  sind  im  ganz(Mi  :i2  Lieder,  als  deren  Vf.  bis  jetzt  Job.  Hörn 
angesehen  wunhi.  W.  versucht  nun  den  Nachweis,  dass  aucli  diese  Täeder  von  Weisse 
herrühren,  an  dessen  ganze  Art  sie  allerdings  in  Inhalt  und  Form  gemahnen;  die  für 
diese  Hypothese  beigebrachten  Belege  können  indessen  nicht  als  ganz  einleuchtend  und 
zwingend  bezeichnet  werden.  Auf  Horns  Sammlung  folgt  im  Jahre  1500  das  Kirchen- 
gesangbuch der  böhmischen  Brüder,  die  „Kirchengesänge";  es  ent-hült  überhaupt 
450  Lieder,  von  denen  108  im  Anhang  abgedruckt  sind.  Diese  stammen  meist  von 
protestantischen  Liederdichtern  Deutschlands,  u.  a.  von  Erasmus  Albeiois,  Ambr.  und 
Thom.  Bleurer,  Justus  Jonas,  Schneesing,  Hans  Sachs,  Spengler,  Speratus,  Burkard 
Wuldis  und  Zwick.  Li  dem  Hauptteil  des  Buches,  der  348  Lieder  umlasst,  finden  wir 
142  Lieder  aus  dem  Gesangbuch  Weisses  (15  sind  also  nicht  aufgenommen)  und  26  aus 
der  Hornschen  Ausgabe  von  1544,  aus  der  nur  zwei  fehlen.  18Ö  Lic(?er,  über  deren 
poetischen  Gesamtwert  W.  kein  günstiges  Urteil  abgiebt,  sind  neu  Idnzugekommen. 
Von  den  Dichtern  dieser  Lieder  werden  die  bedeutenderen,  Joh.  Geletzky,  Michael 
Tham  und  der  ihnen  freilich  keineswegs  gleichzustellende  Petrus  Herbert  sorgfältig  und 
treffend,  die  weniger  hervorragenden  Mitarbeiter  (Joh.  Girck,  Paulus  Klantendorifer, 
Joh.  Korytanski,  Centurio  Sirutschko,  Valentin  Schultz,  Martin  Cornelius,  Lucas  Libanus 
und  Georg  Vetter)  kurz  charakterisiert.  Mit  einer  für  die  Gescliichte  des  böhmischen 
Kirchenliedes  ganz  besonders  wichtigen  Untersuchung  schliesst  V/.  den  darstellenden 
Teil  seines  Buches  ab.  Bis  jetzt  herrschte,  namentlich  auf  Grund  einer  Notiz  in  dem 
Gesangbuch  der  böhmischen  Brüder  von  1039,  allgemein  die  Ansicht,  dass  die  meisten 
Lieder  Weisses  aus  dem  Czechischen  übersetzt  seien;  W.  weist  nach,  dass  Weisse  nur 
in  16  Stücken  czechische  Lieder  und  auch  diese  sehr  frei  nachgedichtet  hat;  in  den  neuen 
Nummern  des  Hornschen  Gesangbuches  lehnen  sich  vier  sehr  eng  an  czechische  Lieder 
an,  während  fünf  andere  nur  im  allgemeinen  czechischen  Vorlagen  folgen.  Grösser 
ist  die  Zahl  der  entlehnten  Lieder  in  den  „Kirchengesängen"  von  1566;  es  sind  77 
unter  348,  von  denen  auf  Herbert  30,  auf  Geletzky  9,. auf  Girck  3,  auf  Cornelius,  Vett«r 
und  Sirutschko  je  2,  auf  Klantendorffer  und  Kortyanski  je  1  kommen,  während  für 
21  Umdichtungttii  die  VfF.  unbekannt  sind.  Das  Gesamtergebnis  ist,  dass  die  weitaus 
überwiegende  Mehrzahl  der  Lieder  der  böhmischen  Brüder  unzweifelhaft  echte  deutsche 
Kirchenlieder  sind.  Der  Darstellung  lässt  W.  endlich  noch  ein  vortrefflich  gearbeitetes 
Verzeichnis  folgen,  aus  dem  hervorgeht,  dass  im  Laufe  des  16.  Jh.  die  Lieder  der 
böhmischen  Brüder  in  die  meisten  protestantischen  Gesangbücher  Deutschlands  ein- 
drangen. Zu  W.s  Ausführungen  steuert  G.  Kawerau  einige  nützliche  Bemerkungen 
bei;  er  bestreitet  Einzelheiten,  berichtigt  einen  kleinen  Iri'tum  und  giebt  wertvolle  An- 
rogimgen,  deren  Ausführung  sicherlich  eine  fördernde  Arbeit  liefern  würde:  er  wirft  die 
Frage  auf,  wie  es  zu  erklären  sei,  dass  diese  Lieder  besonders  zalil  reich  in  Nieder- 
deutschland eingedrungen  sind.  Die  Vermutung  liegt  nahe,  dass  es  in  Niederdeutsch- 
land noch  an  Ausgange  des  10.  Jh.  hussitische  bezw.  täuferische  Traditionen  gab,  denen 
durch  die  Uebernahme  dieser  Lieder  Rechnung  getragen  wurde.  Für  die  Sektengeschichte 
wäre  eine  Untersuchung  der  Frage  gewiss  von  Bedeutung;  aber  auch  dieLitteraturgeschichte 
würde  dabei  nicht  leer  ausgelien,  denn  über  die  eigentümlichen  Wanderungen  litterari- 
schen  Gutes  könnte  dadurch  neues  Licht  verbreitet  werden.  —  Eine  zweite  frühere  Dar- 
stellung des  Kirchenliedes  einer  bestimmten  Landschaft,  Odingas  „Kirchenlied  in  der 
Schweiz"  erscheint  in  einer  Besprechung  K.  Meyers  *)  nicht  in  allzu  günstigem  Lichte; 
M.  hebt  hervor,  dass  Odinga  über  seine  Vorgänger  im  wesentlichen  nicht  hinausge- 
gekommen  sei,  auch  die  meisten  Irrtümer  von  ihnen  mit  übernommen  habe.  Anerkannt 
werden  gelegentliche  kleine  Hinweise  und  Charakterisierungsversuche  sowie  der  Anhang 
von  fünfzehn  bisher  unbekannten  Liedern.  —  0.  Ackermann  5)  erwähnt  zwei  in  der 
Pfarrmatrikel  der  Stadt-  und  Frauenkirche  zu  Meissen  vorhandene  Verzeichnisse  der 
Gesangbücher,  die  der  Rat  von  Meissen  für  Kirche  und  Schide  verordnet  hatte.  Mit 
einem  darin  genannten  Buche  ist  wahrscheinlich  ein  jetzt  in  Dresden  befindliches,  ge- 
schriebenes und  mit  Noten  versehenes  „Antiphonale"  (1546)  identisch,  das  eine  Reihe 
lateinischer  Hymnen  und  deutscher  Lieder,  darunter  nur  neun  von  Lutlier  enthält. 
Eine  Bereicherung  unserer  Kenntnis  erhalten  wir  jedoch  allein  durch  das  Lied:  „Gott 
dem  Vater  sey  Lob  und  dem  Sohn",  das  in  starken  Farben  Christi  Leiden  ausmalt  und 
zum  Schluss  an  mehreren  alttestamentlichen  Beispielen  darthut,  dass  Christus  al'e 
diese  Leiden  aus  Liebe  zur  Menschheit  auf  sich  genommen  habe;  der  Vf.  des  zwanzig- 
strophigen  liiedes  war  M.  Alexius  Prätorius  (f  39  Jahre  alt  am  14.  Okt  1563  als 
Superintendent  in  Meissen).     Das  Fehlen    vieler  Lieder,    z.  B.  „Ein  feste    Burg",  von 


lied  d.  böhm.  BrUder  im  16.  Jb.    Prag,  Haase.     178  S.     M.  3,00.     \[G.  Kawerau:   ThLBL  12,   S.  469—71.]!    —    4)  K.  Meyet, 
Odinga,  l).  deutsche  Kirchenlied  in  d.  Schweis:  ADA.  17,  S.  309—11.  —5)  0.  Ackermann,  Z.  Gesch.  d.  ev.  Kirchengesangea 


II  2:  6-10.  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  154 

dem  sich  jedoch  in  dem  Antiphonale  die  bekannte  Zusatzstrophe  findet,  erklärt  A. 
daraus,  dass  der  Sammler  bei  den  zahlreichen  in  Meissen  verbreiteten  Gesangbüchern 
bekanntere  Lieder  nicht  aufgenommen  habe.  — 

Von  ungleichem  Werte  sind  die  neuen  Mitteilungen,  die  Englert^)  aus  dem 
Material  der  Zweibrückener  Gymnasialbibliothek  macht.  Die  grösste  Bedeutung  darf 
der  erste  Teil  beanspruchen,  in  dem  ein  hs.  Gebet-  und  Liederbuch,  „Bethgesang- 
büchle",  unter  Abdruck  wichtiger  Teile  beschrieben  wird.  Die  Papierhs.  stammt  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jh.  und  enthält  neben  Gebeten,  Stellen  aus  der  Bibel  und 
den  Kirchenvätern  ungefähr  sechzig  Lieder,  meist  in  vierzeiligen  Strophen  abgefasst 
und  paarweise  gereimt.  Doch  ist  der  Reim  mit  grosser  Freiheit  behandelt,  zuweilen 
fehlt  er  ganz.  Die  mitgeteilten  Stücke,  die  wie  die  übrigen  Lieder  offenbar  von  dem 
Sammler  verfasst  worden  sind,  legen  von  der  Begabung  des  Dichters  kein  ungünstiges 
Zeugnis  ab.  Der  Ausdruck  zeichnet  sich  durch  eine  gewisse  Schlichtheit  vorteilhaft 
aus;  in  Aufzählungen,  in  zwei  Naturbildern  und  in  naiven  Einkleidungen,  so  namentlich 
in  dem  Liede,  worin  die  Seele  von  dem  Leibe  Abschied  nimmt,  tritt  eine  unver- 
kennbare volkstümliche  Kraft  zu  Tage.  Die  übrigen  Teile  der  Arbeit  kommen  diesem 
ersten  an  Wert  nicht  gleich ;  der  zweite  Abschnitt  bringt  Nachrichten  über  ein  ge- 
schriebenes Gebetbuch  aus  den  zwanziger  Jahren  des  17.  Jh.,  das  ausser  einer  Reihe 
von  gereimten  Gebeten  und  Sprüchen  zahlreiche  fast  durchweg  bekannte  und  sehr  flüchtig 
abgeschriebene  Lieder  enthält.  Den  beigegebenen  Varianten  kommt  für  die  Besserung 
der  Texte  nirgends  Wert  zu;  unter  den  bisher  unbekannten  Liedern  ist  das  von  einer 
Dichterin  verfasste  „Ach  Gott  vom  Himmelreich"  um  seines  volkstümlichen  Schlusses 
und  ein  recht  ungelenkes  Lied  auf  den  Tod  Herzog  Ludwigs  von  Württemberg  um  seines 
Stoffes  willen  bemerkenswert.  Auch  die  Angaben  über  das  von  Wackernagel  nicht  be- 
nutzte Coburger  Gesangbüchlein  von  1621  tragen  nicht  sonderlich  zur  Vermehrung 
unserer  Kenntnis  des  Kirchenliedes  bei,  da  die  abgedruckten  Lieder  bis  auf  zwei  akro- 
stichische,  Fürstinnen  gewidmete  Stücke  in  gleicher  oder  ähnlicher  Fassung  bereits  bekannt 
sind.  Von  den  kleineren  Beiträgen,  die  die  Schrift  giebt,  sei  noch  der  Hinweis  auf  die 
Wackernagel  entgangene  erste  Ausgabe  der  „Chronica  der  alten  römischen 
Kaiser"  von  Adolarius  Roth  (1582)  und  die  Mitteilung  eines  akrostichischen  Kirchen- 
liedes von  W.  Böhme  (f  wahrscheinlich  1621  oder  1622)  hingewiesen;  auch  die  Ver- 
'mutungen  über  den  Vf.  des  Liedes:  „Ich  hoff  allein  zu  Gott",  seien  den  Hymnologen 
zur  Beachtung  empfohlen.  — 

Eine  Reihe  kurzer  biographischer  Darstellungen  hat  die  Allgemeine  Deutsche 
Biographie  verschiedenen  Liederdichtern  gewidmet.  lieber  diese  Arbeiten  lässt  sich  im 
allgemeinen  sagen,  dass  in  ihnen  das  Biographische  nach  den  gangbaren  Quellen  und 
Hilfsmitteln  zwar  richtig  angeführt  wird,  dass  aber  fast  nirgends  der  Versuch  gemacht 
worden  ist,  die  poetische  Thätigkeit  der  behandelten  Dichter  zu  charakterisieren.  So 
behandelt  Bäumker'')  den  katholischen  Liederdichter  Christoph  Schweher  (Cliristo- 
phorus  Hecyrus).  Er  stellt  die  dürftigen  Notizen  zusammen,  die  über  sein  Leben  sich 
gewinnen  lassen;  danach  kann  man  ungefähr  berechnen,  dass  er  zwischen  1520  und  30 
geboren  ist;  1581  lebte  er  als  Pfarrer  zu  Caden  in  Böhmen;  1594  erschien  noch  eine 
lateinische  Schrift  von  ihm.  Ueber  sein  Werk  bringt  B.  nur  bibliographische  Angaben, 
trotzdem  gerade  dieser  Dichter,  der  mit  einer  selbst  für  das  sechzehnte  Jh.  auffallenden 
Ungelenkigkeit  in  der  Form  seine  Lieder  zurechtzimmerte,  zu  stilistischen  Beobachtungen 
reichlich  Veranlassung  bietet;  der  Hauptzug  seines  Charakters  scheint  eine  schlechte 
und  rechte  Frömmigkeit  gewesen  zu  sein.  Von  seinen  Liedern  wird  man  sich  am 
meisten  durch  das  „Klagelied  eines  büssenden  Sünders"  angesprochen  fühlen,  in  dem 
auch  eine  gewisse  Individualität  sich  geltend  macht.  —  Eine  kurze  Notiz  über  einen 
älteren  geistlichen  Dichter  giebt  P.  Beck  8);  sie  betrifft  den  1483  zum  Abt  des  Prämon- 
stratenserstiftes  Weissenau  gewählten  Plebanus  Gässler  und  erwähnt  dessen  aus  Ravens- 
burg stammende  FamUie.  — 

Von  protestantischen  Kirchenliederdichtern  hat  A.  Schumann  ^)  Joh. 
Schneesing  behandelt,  der,  am  Ende  des  15.  Jh.  geboren,  1567  als  Pfarrer  zu  Friemar 
in  Thüringen  starb.  Der  Vf.  bejaht  ganz  mit  Recht  die  Frage,  ob  Schneesing  der 
Dichter  des  schönen  Liedes  „Allein  zu  Dir  Herr  Jesu  Christi"  ist.  —  Bertheau^o) 
widmet  dem  wenig  bekannten  Schütz  eine  Notiz  und  erwähnt  das  einzige  Lied,  durch 
das  er  uns  bekannt  ist,  das  in  einem  Augsburger  Einzeldruck  von  1524  vorliegende 
Stück:  „Christenheit  hat  den  höchsten  Preis".  Für  die  Persönlichkeit  des  Vf.  lässt  sich 
indessen  aus  diesem  Liede  doch  mehr  folgern,  als  B.  thut.  Er  war  ein  Süddeutscher 
und  wahrscheinlich  in  einer  grossen  Stadt,  vielleicht  in  Augsburg  selbst,  zu  Hause.     Er 


in  Meissen:  JIVGMeisson  2,  S.  207—316.  —  6)  A.  Englert,  Beitrr.  z.  Litt.  d.  goistl.  Liedes.  Progr.  d.  k.  Kreisrealschule. 
München,  KrSmer.  46  S.  -  7)  W.  Bäumker,  Christoph  Schweher:  ADB.  33,  S.  329.  -  8)  P,  Beck,  E.  alt.  geistl. 
Liederdichter:  DiöcesanASohwabenS,  S.  64.  —  9)  A.  Schumann,  Joh.  Schneesing:  ADB.  33,  S.  99—101.    —    10;  Bertheau, 


155  0.  Ellinger,  Lyrik  des  15./1^>.  Jahrhunderts.  If  2:   u-io. 

nimmt  entschieden  Stellung  gogen  den  Papst;  sein  25strophiges  Gedicht  bekämpft  in 
kräftiger  und  volkstümlicher  Sprache  die  Missbräuche  der  katholischen  Kirche  mid  weist  auf 
JeFus  als  das  alleinige  Heil  hin.  —  Ein  Artikel  über  Johann  Schönbrunn"]  (gest.  Nov.  1566 
als  Diakonus  in  (Chemnitz)  giebt  nur  biographische  Notizen,  ohne  aul  die  durch  ihren 
kräftigen  Ton  sich  auszeichnenden  Lieder,  die  sich  auch  in  künstlichen  Strophenformen 
nicht  ohne  Gewandtheit  bewegen  iind  in  ihren  Stoffen  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit  ver- 
raten, näher  einzugehen.  —  Petrus  Schumann,  auch  Schuhmann  (Hypodemander)  hat  in 
Bertheaui2)  einen  Biographen  gefunden,  der  die  Lebensdaten,  so  weit  es  möglich  ist, 
feststellt;  er  ist  in  einem  der  vielen  Eisenberg  geboren  (vielleicht  Hesse  sich  durch  die 
Sprache  des  Dichters  über  seine  Heimat  etwas  Näheres  ermitteln) ;  wahrscheinlich  1555 
in  Wittenberg  immatrikuliert,  15G2  Präceptor  in  "Ulm,  das  er  wegen  eines  Streites  mit 
Martinus  Balticus  verlässt,  1565  Pfarrer  zu  Küchen,  1576  Hospitalpfarrer  in  Ulm; 
hier  stirbt  er  1589.  Seine  Lieder,  meist  Überarbeitungen  von  Psalmen,  werden  kurz 
erwähnt.  —  Herverzuheben  ist  der  biographische  Teil  der  von  A.  Schumann  13)  verfassten 
Darstellung  des  Lebenslaufes  von  Cyriacus  Schneegass  (geb.  5.  Okt.  1546,  gest.  23.  Okt. 
1597);  die  Lebensgeschichte  des  wackeren  Mannes,  der  als  Pfarrer  in  Friedrichsroda 
eine  segensreiche  Thätigkeit  entfaltete,  wird  anmutend  erzählt,  die  von  ihm  heraus- 
gegebenen Schriften,  zum  Teil  musikwissenschaftlichen  Lihaltes,  wie  er  denn  auch  als 
Komponist  thätig  war,  werden  genannt,  auch  die  vier  Sammlungen  seiner  geistlichen 
(zwei  1595,  zwei  1597)  nach  ihren  Bestandteilen  beschrieben.  Die  Lieder  Schneegass'  nehmen 
in  Inhalt,  Ton  und  Form  eine  durchaus  bedeutende  Stellung  innerhalb  der  geistlichen 
Poesie  des  16.  Jh.  ein.  Formell  sind  sie  sorgfältig  und  sauber  gearbeitet;  im  Ton  zeigt  sich 
eine  überaus  wohlthuende  herzliche  Einfalt  und  rührende  Kindlichkeit,  Eigenschaften, 
die  namentlich  in  seinen  Weihnachts-  und  Dankliedern,  aber  auch  in  anderen  Gedichten  her- 
vortreten. Den  Einfluss  des  Volksliedes  glaubt  man  in  dem  lebhaften  Eingange  des 
Liedes  „Ein  Dancklied  für  des  Herrn  Christi  Wohlthat"  zu  spüren.  Sehr  viele  Lieder  sind 
Psalmen  nachgedichtet,  andere  knüpfen  an  die  Feste  an.  Doch  auch  Zeitfragen  kommen 
zu  Wort:  die  Ttirkengefahr  giebt  mehrfach  zu  Liedern  Veranlassung,  und  wie  öfter  im 
16.  Jh.  begegnet  uns  die  eindringliche  Mahnung  an  die  Obrigkeit,  gerecht  zu  richten. 
Auch  die  Hymnendichtung,  Prudentius,  und  die  gleichzeitige  neulateinische  Dichtung 
liefern  Schneegass  für  seine  Dichtung  Stoff.  —  Vincentius  Schmuck  (geb.  17.  Okt.  1565  in 
Schmalkalden ;  gest.  als  Professor  der  Theologie  und  Superintendent  in  Leipzig  2.  Febr.  1628; 
seine  Lieder  erheben  sich  selten  über  trockene  Reimereien)  ist  von  Froelich  l*),  Georg 
Christoph  Schwämlein  (1632 — 1705)  von  Brummer  ^S)  kurz  behandelt  worden.  — 

Von  den  täuferischen  und  sektirerischen  Liederdichtern  hat  Hans  Schweintzer 
(Schweinitzer,  Schwintzer)  Behandlung  durch  F.  Otto  i^)  gefunden.  Er  ist  wahr- 
scheinlich zu  Schweidnitz  in  Schlesien  geboren,  Anhänger  Schwenkfelds,  nachher  Drucker 
in  Strassburg,  und  lebte  noch  1556.  Neben  einigen  andern  Schriften  und  Uebersetzungen 
hat  er  vier  Lieder  verfasst;  drei,  in  dem  Strassburger  Gesangbuch  von  1537  erhalten, 
sind  nicht  ohne  Formgewandtheit  und  zeugen  von  einer  schlichten  religiösen  Empfin- 
dungsweise; die  mystischen  Neigungen  des  Vf.  zeigen  sich  in  einen  gewissen  innigen 
Tone,  wie  er  sonst  im  16.  Jh.  nicht  häufig  ist.  Grössere  Ansprüche  stellt  das  in  der 
Sudermannschen  Liederhs.  von  1596  erhaltene  Lied  „0  Jhesu  Christ,  mein  Gott  und 
Herr";  es  ist  länger  als  die  übrigen  und  weist  auch  durch  die  Herbeiziehung  bib- 
lischen und  kirchengeschichtlichen  Materiales  einen  anderen  Charakter  auf,  wenngleich 
an  der  Autorschaft  Schweintzers  nicht  zu  zweifeln  ist.  —  Eisenhart  i'')  giebt  eine 
kurze  Notiz  über  Valentin  Schulz,  geb.  in  Posen,  wie  man  aus  dem  ersten  Druck  der 
Lieder  erschliessen  kann,  etwa  um  1549,  gest.  1574  als  Studiosus  in  Eibenschütz;  aus 
dem  Ausdruck  „exstinctus"  braucht  man  aber  durchaus  nicht  mit  dem  Verfasser  zu 
schliessen,  dass  Schulz  den  Märtyrertod  erlitten  hat;  ,, exstinctus"  bedeutet  nur  „ge- 
storben". Schulzens  Lieder  erheben  sich  weder  im  Inhalt  noch  im  Ausdruck  über  das 
Mittelmass.  —  lieber  Jörg  Blaurock  vom  Hause  Jacob,  den  Vf.  des  kraftvollen  Liedes 
„Herr  Gott,  dich  wil  ich  loben",  liefert  Jecklin^^)  sehr  anziehende  Mitteilungen;  er 
schildert  auf  Grund  urkundlichen  Materiales  eingehend  das  Auftreten  Jörg  Blaurocks 
als  Täufer  in  Zürich,  seinen  Konflikt  mit  Zwingli,  seine  mehrfache  Gefangenschaft  und 
endliche  Vertreibung  sowie  seine  Verurteilung  und  Hinrichtung  in  Tirol  (1529).  — 

Mit  einer  der  interessantesten  Verfasserfragen  der  protestantischen  Hymno- 
logie  beschäftigt  sich  ein  Aufsatz  von  Biltz^^),  der  die  Gründe  fiir  die  sehr  häufig 
vorkommende  Thatsache  darlegt,  dass  Fürsten  als  Verfasser  von  Kirchenliedern  genannt 
werden,  die  thatsächlich  von  ihnen  nicht  gedichtet  sein  können.     Als  Beispiele  führt  er 


Schutz:  ib.  S.  115.  —  II)  R.,  SchCnbrunn:  ib.  32,  S.  283.  —  B)  Bertheau,  Petrus  Schumann:  ib.  33,  S.  43/4.  —  13) 
A.  Schumann,  Cyr.  Schneegass:  ib.  82,  S.  92/6.  —  |4)  H.  Froelich,  Vincentius  Schmuck:  ib.  S.  62/3.  —  15)  F.  BrOmmor, 
Georg  Christoph  Schwämlein:  ib.  33,  S.  176.  -  16)  F.  Otto,  Schweintzer:  ib.  S.  264/5.  —  17)  Eisenhart,  V.Schulz:  ib.  32, 
S.  751/2.  —  18)  F.  Jecklin,  Jörg  Blaurock  v.  Hause  Jacob.  E.  Märtyrer  d.  Wiedertäufer.  Kirchengesch.  Skizze:  JBHGQran- 
bttnden  21,  S.  1—20.  -  19)  K.  Biltz,  Üeber  d.  fUrstl.  Vflf.  t.  Kirchenliedern.  =;  Neue  Beitrr.   usw.  (s.  o.  I  3:130.)  S.  39-63. 


II  2:  20-28.  G.  Ellin g er,  Ljnrik  des  15./ 16.  Jahrhunderts.  156 

hauptsächlich  den  Markgrafen  Albrecht  von  Brandenburg-Kulmbach,  die  Gemahlin  des 
grossen  Kurfürsten,  Luise  Henriette,  und  die  Königin  Maria  von  Ungarn  an;  dass  die 
unter  dem  Namen  dieser  fürstlichen  Personen  gehenden  Lieder  von  ihnen  unmittelbar 
nicht  herrühren  können,  wird  durch  eine  Eeihe  von  Beweisen  dargethan.  J^eues  Material 
bringt  B.  im  wesentlichen  nicht  bei,  sondern  er  wiederholt  die  bekaiiaten  und 
längst  allgemein  angenommenen  Argumente  gegen  die  Autorschaft  der  fürstlichen  Per- 
sonen. Dagegen  zeigt  er  sehr  richtig  darauf  hin,  auf  welche  Weise  die  Uebertragung 
derartiger  Lieder  auf  jene  Namen  zu  stände  gekommen  ist.  Zweifellos  sind  bestimmte 
Lieblingslieder  einzelner  Pursten  und  Fürstinnen  nicht  selten  als  deren  „eigene"  Lieder 
bezeichnet  und  mit  dem  Zusätze  des  Namens  versehen  worden;  der  eigentliche  Sinn 
war  wohl  der,  dass  gerade  dieses  Lied  die  Glaubenssätze  der  Fürstin  oder  des  Fürsten 
am  entsprechendsten  wiedergäbe.  Einige  recht  charakteristische  Beispiele  aus  dem  grossen 
Lüneburger  Gesangbuch  von  1625  führt  B.  an. —Anders,  wenn  auch  ähnlich  liegen  die 
Verhältnisse  bei  den  unter  dem  Namen  der  Königin  Maria  von  Ungarn  gehenden  Liedern, 
für  die  Bolte^O)  unter  Beibringung  neuen  Materials  eine  ähnliche  Erklärung  ihrer 
Entstehung  giebt.  B.  fügt  zu  den  bekannten  unter  dem  Namen  Marias  verbreiteten 
Liedern  „Mag  ich  Unglück  nit  widerstan"  und  „Ach  Gott,  was  soll  ich  singen"  noch 
ein  drittes  hinzu.  Dass  an  eine  Autorschaft  der  Königin  selbst  nicht  zu  denken  ist, 
zeigt  B.  daran,  dass  Marias  Kenntnis  des  Deutschen  wohl  sehr  gering  war,  da  ihre 
Briefe  nur  französisch  abgefasst  sind  und  auch  unter  den  nachweislich  von  ihr  ge- 
lesenen Büchern  sich  keine  deutschen  befinden.  Wie  Biltz  nimmt  B.  an ,  dass  nach  der 
Schlacht  bei  Mohacz,  als  sich  in  Deutschland  die  allgemeine  Teilnahme  für  Maria  regte, 
ein  mitfühlender  Zeitgenosse  aus  dem  Geiste  der  Königin  heraus  das  Trauerlied  um 
ihren  Gatten  und  ein  anderer  das  Trostlied  für  sie  dichtete.  Das  von  B.  neu  mitge- 
teilte Gedicht  stammt  aus  einem  musikalischen  Quartheft  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Brüssel, 
das  früher  im  Besitze  der  Königin  war;  es  ist  ein  Liebeslied  ohne  sonderliche  indivi- 
duelle Färbung,  das  die  Strophenform  des  Liedes:  .,Mag  ich  Unglück  nicht  widerstan" 
mit  kleinen  Aenderungen  kopiert  und  ebenso  wie  dieses  arkrostichisch  den  Namen  Maria 
wiedergiebt.  —  Ueber  Nik.  Hermans  in  vieler  Hinsicht  bemerkenswertes  Lied: 
„Wenn  mein  Stündlein  vorhanden  ist"  giebt  Biltz  21)  neue  Aufschlüsse.  Erführt 
einen  älteren  Druck  an,  dessen  beide  ersten  Strophen  sich  im  wesentlichen  mit  den 
gleichen  Strophen  in  Hermans  Lied  decken,  wenn  auch  starke  Abweichungen  vorhanden 
sind;  die  letzte  Strophe  hat  mit  den  beiden  letzten  in  Hermans  Lied  nichts  gemein, 
sondern  stellt  sich  als  eine  Form  der  sog.  Doxologie  dar.  Man  wird  B.  zustimmen 
können,  wenn  er  den  Druck  etwa  zwischen  1625  und  1635  setzt,  obgleich  die  ange- 
führten Gründe  nicht  durchweg  stichhaltig  sind.  Chronologisch  wäre  es  nun  nicht  aus- 
geschlossen, dass  auch  diese  frühere  Fassung  des  Liedes  von  Herman  selbst  herrührte, 
indessen  nimmt  B.  wohl  mit  Recht  au,  dass  das  ältere  Lied  von  einem  unbekannten 
Dichter  verfasst,  von  Herman  bloss  umgearbeitet  und  hierauf  in  seiner  „Historien  von 
der  Sindfludt"  (1562)  in  der  neuen  Form  mitgeteilt  worden  ist.  — 

Dem  Meistergesang  hat  Weddigen  22)  eine  gut  gemeinte,  aber  gänzlich  wert- 
lose Abhandlung  gewidmet,  ein  grosser  Teil  der  wichtigsten  Quellen  ist  nicht  benutzt, 
ein  anderer  vielfach  missverstanden  worden. — Einzelne  Meistersänger  hatRoethe23-25)  k^irz 
behandelt.  Onophrius  Schwarzenbach,  Meistersängerin  Augsburg,  ein  Lehrer  Buschmanns, 
dichtete  in  den  fünfziger  und  sechziger  Jahren  des  16.  Jh. ;  seine  Texte,  die  meist  geist- 
liche Stoffe  behandeln,  sind  fast  immer  wertlos,  dagegen  gewinnt  er  musikalisch 
eine  gewisse  Bedeutung  wegen  seiner  zahlreichen  Töne,  die  von  R.  aufgezählt  werden. 
Balthasar  (Balzer)  Schreyer  aus  Elbing  dichtete  1596  mehrere  geistliche  und  weltliche 
Meisterlieder;  von  Jonas  Schreiber  ist  nur  ein    1603   verfasstes   Morgenlied  bekannt.  — 

Eine  umfänglichere  Darstellung  hat  Roethe^ß)  Martin  Schrot  zu  teil  werden 
lassen,  der  eine  Art  Mittelglied  zwischen  Meister-  und  Volksgesang  bildet.  Er  war 
wahrscheinlich  Goldschmied  in  Augsburg  und  starb  kurz  vor  1576.  Seine  Meister- 
gesänge, namentlich  aber  seine  Volkslieder,  mit  denen  Schrot  in  und  nach  dem  schmal- 
kaldischen  Kriege  für  den  Protestantismus  und  gegen  Karl  V.  Stellung  nimmt,  werden 
vortrefflich  charakterisiert,  kürzer  die  prosaischen  Werke,  die  meist  die  gleiche  Tendenz 
wie  die  poetischen  vertreten.  Der  Annahme,  dass  die  Türkenschrift,  die  unter  Schrots 
Namen  lange  nach  dessen  Tode  erschien  (1595):  „Kurze  Beschreibung,  wie  mächtig,  weit 
und  breit  sich  das  H.  röm.  Reich  erstreckt  hat",  uns  nur  in  U  eberarbeitung  vorliegt, 
ist  durchaus  zuzustimmen.  —  Unsere  Kenntnis  des  Volksgesanges  hat  durch  A.  Hart- 
m'anns  27-28)  Ausgabe  der  Lieder  Hans  Hessellohers  eine  dankenswerte  Bereicherung  er- 
fahren. .  ^Zwar    von    den    Liedern    selbst    waren    die    drei    ersten    schon  durch  Boltes 


—  20)  J.  Bolte,  Eanigin  Maria  v.  Ungarn  u.  d.  ihr  zugeeigneten  Lieder:  ZDA.  35,  S.  435/9.  -  21)  K.  Biltz,  Z.  Gesch.  des 
Liedes  „Wenn  mein  StUndlein  vorhanden  ist."  Nouo  Beitrr.  (s.  o.N.  19.  S.  64-71.)  —  22)  0.  Weddigen,  Z.  Gesch.  d.  dtsch.  Meister- 
gesanges. Progr.  Leipzig,  Fock.  1890.  4".  18  S.  —  23)  G.  Roetho,  Schwarzenbach:  ADB.  33,  S.  259.  —  24)  id.,  Balth. 
Schreyer:  ib.  32,  S.  492.  —  25)  id.,  Jonas  Schreiber:   ib.  S.  476.   —  26)  id.,  Martin  Schrot:   ib.  S.  666/8.  -  27-28)  A.  Hart- 


If)?  G.  Ein n gor,  Lyrik  des  15./in.  Jahrhunderts.  II  2:  »-si. 

„Bauer  im  deutschen  Liede",  das  letztere,  auch  sonst  mehrfach  bekannt,  allein  H.  be- 
gleitet seinen  Abdruck  der  Stücke  mit  einer  Reihe  von  recht  wertvollen  Mitteilungen. 
Zunächst  weist  er  Hesselloher  als  Pfleger  zu  Päl  und  Landrichter  zu  Weilheim  nach 
(Hessellüher  scheint  beide  Aemter  zugleich  bekleidet  zu  haben,  da  die  beiden  Orte  nur 
eine  kurze  Strecke  auseinander  liegen;  übrigens  wird  auch  sein  Bruder  Andreas  als 
Pfleger  zu  Päl  genannt)  und  bringt  urkundliche  Belege  für  sein  Leben  von  1460 — 83; 
zwischen  1483  und  1486  muss  Hesselloher  gestorben  sein.  Die  Frage,  ob  es  sich  bei 
diesen  Notizen  etwa  um  zwei  verschiedene  Hans  Hesselloher  handele,  da  eine  aus 
dem  IG.  Jh.  stammende  Notiz  1470  als  Todesjahr  angiebt,  ist  gewiss  zu  verneinen; 
elier  kann  man  annehmen,  dass  der  Chronist  des  16.  Jh.  sich  geirrt  hat.  Femer  macht 
der  Herausgeber  darauf  aufmerksam,  dass  das  von  ihm  unter  Nr.  3  mitgeteilte  Lied  im 
„Neithart  Fuchs"  wörtlich  benutzt  ist,  bringt  auch  sonst  noch  manche  neuen  Belege 
zur  Quellenkunde  des  „Neithart  Fuchs"  bei  und  teilt  schliesslich  ein  bereits  früher  ge- 
drucktes Lied  mit,  das  in  Inhalt,  Metrum  und  Sprache  den  Liedern  Hessellohers  auf- 
fallend ähnelt,  aber  doch  wohl  nicht  von  Hesselloher  selbst,  sondern  von  einem  Nach- 
ahmer herrührt.  Weiter  setzt  sich  H.  mit  den  Litterarhistorikem  auseinander,  die  bis- 
her über  Hesselloher  kürzer  oder  eingehender  gehandelt  haben  und  bringt  auch  hier 
noch  manchen  nützlichen  Nachweis.  Eine  Besprechung  von  Zwierzina  hebt  mehrere 
Unterschiede  zwischen  Boltes  und  Hartmanns  Text  hervor,  kntipft  daran  einige  Besse- 
rungsvorschläge und  tadelt,  dass  die  Ueberarbeitung  des  dritten  Liedes  im  „Neit- 
hart Fuchs"  nicht  zur  Textbesserung  benutzt  und  dass  das  vierte  Lied  nur  nach  der 
Wiener  Hs.  mitgeteilt  worden  ist,  da  doch  mit  Hilfe  der  vorhandenen  alten  Drucke 
des  Liedes  eine  kiitische  Ausgabe  herzustellen  wäre;  er  sucht  das  von  Hartmann  Ver- 
säumte nachzuholen  und  macht  einige  recht  beachtenswerte  Vorschläge.  In  der  von 
H.  angeführten  Stelle  aus  Ulrich  Füetrers  Epilog  zu  „Abenteuer  von  Herrn  Loher- 
grim",  in  der  ein  Hesselloher  erwähnt  wird,  hatte  H.  eine  Konjektur  Docens  über- 
nommen (,.der  andre  Hesselloher"  für  „vnnd  Andre  Hesenlocher");  die  Richtigkeit  dieser 
Aenderung  wird  von  Z.  bezweifelt;  ebenso  bestreitet  er  die  Echtheit  der  S.  63  von  H. 
ihitgeteilten  Strophe:  „Es  taget  von  dem  Holenstain",  die  sich  allerdings  durchaus  als 
ein  modernes  Machwerk  herausstellt.  —  Auf  die  Zähigkeit,  mit  der  sich  Motive  aus  der 
Bauerndichtung  des  14.  und  15.  Jh.  in  den  folgenden  Jhh.  erhalten  haben,  weist 
Heinzel29)  in  einer  Recension  von  Boltes  „Bauer  im  deutschen  Liede"  (JBL.  1890 
n  2  :  23 ;  III  2  :  22)  hin;  auch  bringt  er  manche  bemerkenswerten  Winke  zur  Besserung 
der  von  Bolte  gedruckten  Texte.  —  Für  das  schweizerische  Volkslied  des  16.  Jh.  kommt 
Odingas  3")  Sammlung  der  Lieder  des  Berner  Volksdichters  Benedikt  Gletting  in  Be- 
tracht. 0.  hat  den  25  Liedern  eine  kurze  Einleitung  vorangeschickt.  Der  Vf.  lebte 
um  die  Mitte  des  16.  Jh.,  er  war  nicht  in  Bern  zu  Hause,  sondern  wahrscheinlich  in 
einem  der  katholischen  Kantone,  aus  dem  er  wohl  um  seines  evangelischen  Glaubens 
willen  nach  Bern  auswanderte.  Seine  Lieder  beschäftigen  sich  teils  mit  Schweizer 
Verhältnissen  oder  Tagesereignissen,  z.  B.  der  Auffindung  eines  Salzbrunnens,  teils 
polemisieren  sie  gegen  Unsitten  der  Zeit,  wie  den  Aberglauben,  teils  ergehen  sie  sich 
in  schlichter  Betrachtung.  Vor  allem  aber  zieht  den  Dichter  der  religiöse  Stoff  an,  wie 
denn  die  meisten  seiner  Gedichte  in  irgend  einer  Weise  religiöse  Färbung  tragen.  Glet- 
ting führte,  wie  aus  verschiedenen  Stellen  hervorgeht,  das  Leben  eines  wandernden 
Spielmanns.  Eine  gewisse  volkstümliche  Kraft  ist  denn  auch  in  seinen  Liedern  nicht 
zu  verkennen,  sie  äussert  sich  meist  in  derb  originellen  Bildern:  so  wenn  er  Gott  mit 
einem  Maurer  oder  Tischler,  die  Engel  mit  Spielleuten  vergleicht,  die  sich  ein  Fürst  zu 
seinem  Vergnügen  hält;  auch  in  gelegentlichen  schönen  volkstümlichen  Wendungen  tritt 
diese  Kraft  hervor.  Dagegen  leiden  viele  seiner  Lieder  unter  einer  gewissen  Unklarheit; 
sie  verlaufen  ohne  jede  Disposition,  was  wohl  zum  Teil  aus  dem  Mangel  an  Bildung, 
zum  Teil  aus  dem  schlechten  Gedächtnis  zu  erklären  sein  wird,  über  das  der  Dichter 
selbst  klagt.  Auch  seine  erzählenden  Gedichte  werden  oft  durch  religiös-didaktische  Aus- 
führungen oder  polemische  Ergüsse  gegen  das  Papsttum  unterbrochen.  —  Von  sonstigen 
Beiträgen  zur  Geschichte  des  Volksliedes  seien  Boltes  "'i)  Mitteilungen  über  ein  Amster- 
damer Liederbuch  hervorgehoben,  die  recht  interessante  Analogien  zwaschen  dem  Zu- 
stande der  niederländischen  und  deutschen  Volkspoesie  ergeben.  Die  auf  der  Danziger 
Stadtbibliothek  befindliche  Sammlung  aus  dem  Jahre  1589  enthält  136  Lieder,  von  denen 
indessen  14  mit  einem  ausgefallenen  Bogen  verloren  gegangen  sind;  33  Nummern  sind 
sind  schon  aus  dem  Antwerpener  Liederbuch  von  1544  bekannt.  Die  Sammlung  trägt 
denselben  Charakter  wie  die  gleichzeitigen  deutschen  Liederbücher.  Neben  älteren 
Volksliedern  steht  eine  Mehrzahl    anderer  Stücke,   die    dxirch  künstlichen  Strophenbau, 


mann,  Hans  HesseUoliers  Lieder.  Erlangen,  Junge.  1890.  70  S.  M.  1,80.  |[K.  Zwierxina:  ADA.  17,  S.  213-20.]|  —  29) 
R.  Heinzel,  Bolte,  d.  Kauer  im  dtsch.  Liedo:  ADA.  17,  S.  4-5.  —  30)  Th.  Odinga,  Benedikt  Oletting.  E.  Bemer  Volka- 
dichter  d.  16.  Jh.    Bern,  Wyss.     115  ö.  M.  1,80.  —  31)  J.  Bolte,  E.  uubet  Amsterdamer   Liederbuch  t.  1689:  TNTLK.  10,  S. 


II  2:  32-44.  113:1-2.        G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  158 

Fremdwörter,  zuweilen  auch  durch  Melodienangabe  kunstmässig  geschulte,  zum  Teil 
unter  fremden  Einfluss  stehende  Verfasser  verraten.  —  Einzelbeiträge  32-34-)  bringt 
Puls  35)^  der  nach  einem  Druck  von  1520  eine  niederdeutsche  Fassung  des  Tannhäuser- 
liedes, die  älter  ist  als  die  beiden  bisher  bekannten,  und  eine  weite  niederdeutsche 
Fassung  des  Liedes  „Maria  zart,  von  edler  Art"  veröffentlicht;  beide  sind  unvoll- 
ständig erhalten. —  Edw.  Schröder  36)  bringt  einen  neuen  Text  des  bänkelsängerischen 
Liedes  Jakobs  von  Ratingen  auf  das  Breslauer  Hostienmirakel  von  1453.  —  Hänsel- 
mann 37)  teilt  eine  Reihe  von  unbekannten  Stücken  aus  Hss.  des  14.  und  15.  Jh.  mit; 
es  sind  teils  geistliche  Lieder,  unter  denen  ein  Sankt  Annen-Preis  historisch  be- 
so  nders  wichtig  ist,  teils  kleinere  weltliche  Stücke ;  nicht  ohne  Wert  ist  auch  eine  von 
den  bekannten  Texten  abweichende  niederdeutsche  Fassung  des  Liedes  „Wo  soll  ich  mich 
hinkehren".  — Üeber  einzelne  Liedgattungen  38)  ist  keine  fördernde  Arbeit  zu  verzeichnen. — 
Die  musikalische  Seite  des  deutschen  Volksgesanges  findet  jetzt  melir  und 
mehr  die  gebührende  Beachtung;  in  einer  vortrefflichen  Arbeit  hat  E.  Radecke  3^)  über 
die  Übertragungen  deutscher,  weltlicher  Lieder  des  16.  Jh.  für  die  Laute  gehandelt  und 
namentlich  die  Bedeutung  der  dreistimmigen  Bearbeitungen  für  die  Weiterentwicklung 
der  Musik,  den  Uebergang  vom  kontrapunktischen  zum  harmonischen  Stil  dargelegt. 
Für  die  Litteraturgeschichte  liegt  der  Hauptwert  der  Arbeit  in  dem  Nachweis,  einer 
wie  grossen  Beliebtheit  sich  die  Melodien  der  Lieder  erfreuten ;  ein  nutzbringendes  Ver- 
zeichnis, das  die  Lieder,  die  für  die  Laute  bearbeitet  worden  sind,  nach  Fundort  und 
Komponisten  aufzählt,  schliesst  die  Arbeit  ab.  —  Eine  Reihe  von  Komponisten  des 
16.  Jh.  hat  Eitner  40-45)  kurz  behandelt;  es  sind  Jörg  oder  Georg  Schönfelder,  der 
im  Anfang  des  16.  Jh.  lebte  und  einfache,  aber  zu  Herzen  gehende  mehrstimmige  Lieder 
verfasst  hat;  Valentin,  in  manchen  Drucken  auch  Veit  oder  N.,  Schnellinger,  eiji  eben- 
falls in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jh.  lebender,  seinen  Lebensumständen  nach  unbe- 
kannter Komponist,  dessen  Quodlibets  manche  verschollene  Melodien  aufbewahren  und 
von  dem  eine  eigentümliche,  an  den  Nachtwächterruf  anknüpfende  Komposition:  „Das 
ander  Feuerrufen",  herrührt;  die  beiden  Schwartz  (um  1550),  über  die  wir  von  E.  nicht 
viel  Näheres  erfahren;  L.  Schröter,  der,  geboren  in  Torgau  in  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jh.,  an  der  altstädtischen  Schule  in  Magdeburg  angestellt,  noch  vor  1600  gestorben 
ist  und  in  Weihnachtsliedern,  Motetten,  Hymnen,  einer  Passion  und  einem 
Tedeum  eine  ungewöhnliche  Kraft  entfaltete;  schliesslich  Melchior  Schramm,  geboren 
in  Münsterberg,  seit  1574  im  Dienste  des  Grafen  Karl  von  Hohenzollern,  1595  in  Offen- 
burg, dessen  bekannt  gewordene  Werke,  zwei  Motettensammlungen  von  1576  und  1606, 
eine  Sammlung  deutscher  Lieder  von  1579  und  aus  demselben  Jahre,  hs.  in  Wien,  ein 
„Officium  nuptiale  Octavio  II.  Fuggero",  E.  aufzählt,  ohne  indessen  den  Versuch  zu 
machen,  der  Individualität  des  Komponisten  irgendwie  näher  zu  treten.  — 


11,3 

Epos. 

Philipp  Strauch. 

Erzithlung:  Hans  Sclineeperger  N.  1;  Wittenweiler  N.  2.  —  Ältere  Volk .sbUe hör:  Eulenspiogol  N.  4.  — 
Tierepos:  Beinke  de  Vos  N.  7.  —  SchwankbUcher:  V.  Schumann,  Kirchhof  N.  17;  Niederländisches  Schwankbuch 
N.  20.  —  Fischart  N.  21.  —  Jüngere  Volksbücher:  SchildbUrger  N.  24;  Faust  N.  31;  Ewiger  Jude  N.  39.  —  Legende: 
hl.  Meinrad  N.  40.  —  Prosaroman:  Morgant  der  Riese  N.  41.  —  Historische  Litteratur:  J.  Oldecop  N.  43;  Hans 
V.  Schweiniehen  N.  44.  — 

Erzählung.  Dem  Dichter  Hans  Schneeperger  hat  Roethe  ^)  einen  kleinen 
Artikel  gewidmet.  Unter  diesem  Namen  ist  uns  aus  dem  15.  Jh.  ein  Gedicht  über- 
liefert (Keller,  Erzählungen  aus  altd.  Hss.  S.  242  ff.),  das  einen  auch  sonst  beliebten 
Schwankstoff  in  reizloser  Breite  behandelt  und  mit  didaktischem  Pro-  und  Epilog  ver- 


'  175—202.  —  32)  X  J-  Bolte,  Du  bist  min:  ADA.  17,  S.  343.  (Nachträge  zu  B.s  alterer  Arbeit  [JBL.  1890  II  2:38;  III 
2:21.])  -  33)  OX  Edw.  Schröder,  Mitt.  über  hess.  Volkslieder  d.  15.  Jh.:  MHanauerV.  S.  XXXII.  —  34)  O  X  X 
J.  J.  Ammann,  D.  ursprtingl.  Druck  d.  Jorig  Pleyerschen  Liedes  auf  d.  Tod  Kaiser  Maximilians  I.:  ZOG.  42,  S.  8G5— 81.  — 
35)  A.  Puls,  Tannhauserlied  u.  Maria  Tzart:  JbVNiederdSpr.  16,  S.  65/8.  —  36)  Edw.  Schröder,  Jacobs  v.  KatIngen  Lied 
auf  d.  Breslanor  Hostienmirakol  v.  1453:  ib.  S.  41/4.  —  37)  L.  Ilänselmann,  Braunschweiger  Findlinge:  ib.  S.  69—80.  — 
38)  X  A.  Biese,  D.  politische  Lied  in  alter  u.  neuer  Zeit:  IlambCorr«.  1890,  N.  17/9.  (Populäre  Übersicht.)  —  39)  E.  Ka- 
decke,  D.  dtsoh.  weltl.  Lied  in  d.  Lautenmusik  d.  16.  Jh.  Berliner  Diss.  Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel.  52  S.  —  40)  K.  Eitner, 
Sohönfelder:  ADB.  32,  S.  303.  —  41)  id.,  Schnellinger:  ib.  S.  167/8.  —  42)  id.,  A.  Schwartz:  ib.  33,  S.  205.  —  43)  id.,  A. 
Schwartz:  ib.  S.  204/5.    —   44)  id.,  L.  Schröter:  ib.  32,  S.  572.  —  45)  id.,  Melchior  Schramm:  ib.  S.  446.  — 

I)  G.  Koethe,  Hans  Schneeperger:   ADB.  32,  S.  99.  —  2)  E.  Bleisch,    Z.  Ring    Heinrich  Wittenweilers.    Diss. 


159  Ph.  Strauch,  Epos  des  15./10.  Jahrhunderts.  IT  3:  3-4. 

sieht.  Des  Dichters  Quelle  war  Boccaccios  Decamerone  113,3,  doch  hat  er  nicht  die 
Uebersetzung  des  Arigo  benutzt.  Der  Vf.  könnte  aus  einem  der  zahlreichen  fränkischen 
oder  mitteldeutschen  Schneeberg  stammen,  falls  sich  nicht  unter  dem  Hans  Schneeperger 
der  Hs.  der  bekannte  Dichtername  Hans  Schnepperer  (Rosenplüt)  versteckt,  womit  frei- 
lich noch  durchaus  nicht  erwiesen  wäre,  dass  das  Gedicht  wirklich  von  Rosenplüt  her- 
rührt. „Schnepperer  war  eine  namentlich  in  Nürnberger  Hss.  mit  Anonymität  nahezu 
gleichbedeutende  Unterschrift."  Vielleicht  hat  das  Gedicht  denselben  Vf.  wie  der  Spruch 
„Wie  ein  Muoter  ir  Dochter  lernet  puolen"  im  Liederbuch  der  Hätzlerin  S.  305.  — 

Dem  „ältesten  deutschen  komischen  Epos",  Wittenweilers  „Ring",  ist  durch 
Bleis  eil  2)  eine  Betrachtung  zu  teil  geworden,  die  im  wesentlichen  die  kulturhistorische 
Seite,  des  Gedichts  ins  Auge  fasst,  ohne  dass  der  Vf.  den  Versuch  gemacht  hätte,  seine 
Materialsannnlungeu  (Sprichwörter  und  volkstümliche  Sentenzen,  Kulturgeschichtliches, 
Personennamen)  durch  Vergleichen  zu  beleben,  aus  ihnen  weitere  Schlüsse  zu  ziehen. 
Er  kommt  fast  nirgends  über  ein  Registrieren  hinaus.  Es  hätte  sich  doch  wohl  ver- 
lohnt, den  Beziehungen  zwischen  dem  ritterlichen  Neidhart,  der  als  Gumpelpfaffe  die 
Beichte  abnimmt  (vgl.  Neidhart  Tuchs  in  Bobertags  Narrenbuch  S.  174),  und  seinem 
älteren  Namensvetter  3)  nachzuspüren,  das  schon  hier  so  eingehend  behandelte  und  dann 
später  mit  besonderer  Vorliebe  erörterte  Thema,  ob  es  einem  Manne  gezieme,  ein  ehelich 
Weib  zu  nehmen,  auf  seine  Tradition  hin  näher  zu  untersuchen,  sowie  der  Quelle  für 
die  im  Ring  (S.  113fi'.)  vorgetragene Gesundlieitslehre  (vgl.  die  pseudo-aristotehschen  Secreta 
Secretorum)  nachzugehen.  Dem  Abschnitt  (S.  203  ff.),  in  dem  Witten weiler  mit  Länder- 
kunde prunkt,  liegt  sicher  eiive  direkte  Vorlage  zu  Grunde.  Im  Eingang  seiner  Disser- 
tation befasst  sich  B.  im  Anschluss  an  Baechtolds  Ausführungen  mit  der  Person  des 
Dichters  utkI  seiner  Heimat,  die,  wie  auch  der  Schauplatz  des  Gedichtes,  im  Thurgau 
zu  suchen  ist;  er  stellt  den  alemannischen  Grundcharakter  in  Wittenweilers  Sprache 
fest  und  sucht  als  Abfassungszeit  des  Gedichtes  das  erste  Viertel  des  15.  Jh.  zu  erweisen; 
doch  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  das  Gedicht  sogar  noch  am  Ende 
des  14.  Jh.  entstand.  Gegen  die  Annahme,  der  Dichter  sei  mit  dem  um  134(3  geborenen, 
zum  Jahre  1426  urkundlich  nachgewiesenen  Heinrich  von  Wittenwile  genannt  Müller, 
Bürger  zu  Liechtensteig,  identisch,  habe  ich  nur  das  eine  Bedenken,  dass  trotz  den 
zahlreichen  Unflätigkeiten  und  Grobianismen,  die  im  „Ring"  begegnen,  der  Vf.  doch  an 
manchen  Stellen  entschieden  geistliche  Bildung  zeigt.  Es  Hesse  dieser  Umstand  viel- 
leicht doch  auf  einen,  wenngleich  durch  und  durch  verdorbenen  Kleriker  schliessen,  wo- 
für auch  die  Hs.  einen  Anhaltspunkt  bietet,  in  der  eingangs  neben  dem  Wittenweiler 
Wappen  das  Brustbild  eines  Klerikers  dargestellt  ist.  Die  gelegentlich  wörtliche  Be- 
nutzung des  Gedichtes  von  Metzen  Hochzeit  in  Wittenweilers  Ring  hat  B.  in  einem 
besonderen  Abschnitt  übersichtlich  veranschaulicht.  Er  hätte  bei  Erwähnung  des  älteren 
Gedichtes  an  den  leider  verlorenen  Druck  „Von  Mayr  Betzen"  (Germania  13,  S.  505, 
Briefwechsel  der  Grimms  mit  Meusebach  S.  341)  erinnern  dürfen.  Der  Abschnitt 
„Parodistische  Behandlung"  erschöpft  das  Thema  bei  weitem  nicht:  die  Travestierung 
geistlich -kirchlicher  Gebräuche  und  Satzungen,  der  höfisch -ritterlichen  Ideale  und 
Institutionen  (weibliches  Schönheitsideal,  Tischzucht,  Wappen-  und  Tumierwesen) 
wäre  hier  im  einzelnen  darzulegen  gewesen.  Auch  der  Abschnitt  „Allegorisches"  leidet 
an  unvollständiger  Materialausnutzung.  Anhangsweise  hat  B.  eine  Reihe  von  übrigens 
nicht  immer  überzeugenden  Textänderungen  beigesteuert.  Eine  Kollation  des  in  jeder 
Bezieluing  unzulänglichen  Abdrucks  mit  der  Hs.  wäre  die  erste  Vorbedingung  für  eine 
erspriessliche  textkritische  Behandlung  des  bei  aller  Roheit  interessanten  und  wichtigen 
Gedichtes.  Beiläufig  sei  hier  auf  eine  Bemerkung  von  Sohns  (Die  Parias  unserer  Sprache, 
1888,  S.  5)  hingewiesen,  der  in  dem  um  Dresden  beliebten  Volksausdruck  (es  geht  zu) 
„wie  auf  Matzens  Hochz't"  (d.  h.  es  geht  hoch  her)  eine  letzte  Erinnerung  an  Witten- 
weilers Ring  (oder  an  Metzen  Hochzeit?)  vermuten  möchte.  So  wenig  glaublich  es  nun 
auch  von  vornherein  ist,  dass  von  dem  in  der  Schweiz  entstandenen  Gedichte  des  15.  Jh., 
das  zudem  nur  in  einer  Hs.  auf  uns  gekommen  ist,  sich  in  Norddeutschland  eine 
Tradition  bis  in  unsere  Tage  erhalten  haben  sollte,  so  ist  andererseits  zuzugeben,  dass 
eine  Deutung  auf  Matthäus  in  diesem  Falle  ausgesclüossen  scheint.  Der  Matz  von 
Dresden,  über  den  man  das  Deutsche  Wörterbuch  G,  S.  17G8,  und  Wackernagel,  Kleinere 
Schriften  3,  S.  169,  nachschlagen  mag,  sowie  der  Ausdruck  „Matthes  Hochzeit",  unter 
dem  gerade  im  Gegensatz  zu  der  von  Sölins  belegten  Redensart  ein  Fest  verstanden 
werden  muss ,  auf  dem  Schmalhans  Küchenmeister  ist  (vgl.  ZDPh.  26,  S.  41  f.),  stehen 
ausser  Vergleich.  — 

Altere  Volksbücher.  Zur  Kompositionsfrage  des  „Eulenspiegel"  haben 
Edw.  Schröder  und  C.  Walther  einen  Beitrag  *)  geliefert.     S.  meint,  die  13.  Historie 


Ualle,  HofbucMruokerei  Kaeminerer  &  Co.  CO  S.  —  3)  X  E.  Sievera,  Zu  Neidhart:  BGDS.  15,  S.  567/8.  —  ♦)  Bericht  Über  die 
16.  Jahrearorsammlung  [d.  niederd.  Sprachvereias]  zu  LUbeck:  KBlVNiederdSpr.   15,  S.  33—42.   (Darin  S.  37  f.  Edw.  Schröder 


II  3:  5-13.  Ph.,  Strauch,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  160 

dürfe  nicht  wohl  als  Beleg  für  die  Auifülirung  von  Osterspielen  in  norddeutschen 
Dörfern  herangezogen  werden;  sie  sei  entschieden  eine  aus  Strassburg  stammende  süd- 
deutscl.a  Einfügung  in  den  ursprünglichen  Text:  in  den  beiden  vorhergehenden  Ge- 
schichten werde  der  Pfarrer  stets  „Pfaff"  genannt,  in  dieser  aber  „Pfarrer";  „Pfaffe" 
sei  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  im  Hochdeutschen  schon  ein  Wort  mit  üblem  Sinne 
gewesen,  dagegen  habe  „Pape"  im  Niederdeutschen  damals  noch  die  gute,  alte  Bedeutung 
gehabt.  Sodann  finde  sich  bereits  um  1500  im  Quodlibet  ,,De  fide  concubinarum  in  sacer- 
dotes"  (ed.  Zamcke,  S.  96,  20),  einem  in  Süddeutschland  erschienenen  Buche,  eine  An- 
spielung auf  diese  13.  Historie.  Sie  müsse  also  in  die  Strassburger  Uebersetzung  des 
Eulenspiegels  erst  eingeschoben  sein.  Gegenüber  diesen  Bemerkungen,  die  sich  auf 
eingehende,  noch  unveröffentlichte  (doch  s.  DLZ.  1889,  S.  721  f.)  Studien  über  das  Volks- 
buch von  Eulenspiegel  stützen,  behauptet  W.,  und  man  wird  ihm  einstweilen  zustimmen 
dürfen,  den  niederdeutschen  Ursprung  der  Historie  und  die  Benutzung  Eulenspiegels 
durch  den  Vf.  des  Quodlibets,  indem  er  in  dem  dortigen  Citat  „wen  suchen  ir  hie,  ir 
beschlepten  frowen"  ein  niederdeutsches  „beschlipt"  erkennt  und  auf  den  von  der 
Trauertracht  der  Ditmarscherinnen  gebrauchten  Ausdruck  „den  hoiken  umme  dat  hövet 
slippen"  bei  Neocorus  sowie  auf  die  noch  im  vorigen  Jh.  in  Ditmarschen  gebräuchliche 
Bezeichnung  ,,slippte  Eruens"  für  die  der  Leiche  nachfolgenden  Erauen  verweist.  — 
Aus  den  auf  der  Marburger  Bibliothek  hs.  befindlichen  Ephemerides  des  Mediziners 
Joh.  Lithodius  (geb.  1510)  teilt  Edw.  Schröder  ß)  eine  Notiz  über  Eulenspiegels 
Grabstein  mit,  die  vermutlich  aus  dem  Jahrzehnt  1554 — 64  stammt.  Die  Nachricht  Hegt 
der  bisher  ersten  authentischen  Beschreibung  des  Grabmals  bei  M.  Heberer  von  Bretten 
(1592)  etwa  ein  Menschenalter  voraus  und  ist  nächst  dem  Volksbuch  die  einzige,  die 
uns  eine  Beschreibung  des  alten  Denkmals  vor  seiner  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jh. 
vorgenommenen  Erneuerung  giebt.  Danach  musste  der  Grabstein  durch  ein  Staket 
geschützt  werden,  da  so  mancher  Besucher  sich  von  ihm  ein  Stück  zum  Andenken  mit- 
zunehmen pflegte.  Das  Relief  bild  war  nicht  mehr  erkennbar.  Statt  der  späteren,  sechs- 
zeiligen  Inschrift  stand  ursprünglich  eine  zweizeilige,  wie  sie  auch  der  Schluss  des 
Volksbuchs,  von  dem  Lithodius  jedoch  unabhängig  ist,  kennt:  „Anno  1350  ys  dyssen 
steen  opgehauen  vnd  Tile  Vlenspeigel  vnder  begrauen".  —  Ohne  irgend  ein  erläuterndes 
Wort  veröffentlicht  De  Mont^)  einige  Eulenspiegeleien  in  niederländischer  Sprache, 
die  er  vermutlich  aus  dem  Volksmund  gesammelt  hat.  Die  fortlaufende  Erzählung  ver- 
wertet vier  auch  sonst  bekannte  Schwankmotive,  für  die  ich  dank  der  Hilfe  J.  Boltes 
folgende  Parallelen  zur  Orientierung  anführen  kann:  zu  1  vgl.  Haltrich,  Deutsche  Volks- 
märchen aus  dem  Sachsenlande  in  Siebenbürgen  1877  N.  66;  zu  2  vgl.  Schildbürger 
Kap.  32,  Kuhn- Seh wartz.  Norddeutsche  Sagen  S.  152,  Simrock,  Deutsche  Märchen  N.  1 
(nach  Ereys  Gartengesellschaft  N.  20);  zu  3  und  4  vgl.  Cosquin,  Contes  populaires  de 
Lorraine  N.  10  und  20  mit  den  Anm.  Weiteres  hierzu  wird  Bolte  in  seinem  demnächst 
erscheinenden  Neudruck  von  V.  Schumanns  Nachtbüchlein  zu  N.  6  bringen.  — 

Das  Ti er ep OS  behandelt  eine  populäre  Skizze  von  Nover ''),  die  durch  eine  in- 
zwischen erschienene  neuere  Arbeit  desselben  Vf.  veraltet  ist.  —  Ein  Aufsatz  von 
H.  Brandes  ^)  über  Hermen  Botes  „Boek  van  veleme  rade"  verdient  auch  an  dieser 
Stelle  Erwähnung,  da  er  sich  mit  dem  Drucker  des  „Reinke  Vos"  von  1498,  dem  sog. 
Mohnkopfdrucker,  Matthäus  Brandis,  der  auch  die  Illustrationen  zu  dem  mit  Typen  des 
Steffan  Amdes  gedruckten  „Boek  van  veleme  rade"  geliefert  hat,  beschäftigt.  —  Mit  der 
Textkritik  des  „Reinke  Vos"  (zu  V.  6030  ff.)  und  der  älteren  Glosse  (zu  III,  14)  befassen 
sich  zwei  kleinere  Aufsätze  Sprengers  ^-lo).  —  2ur  Geschichte  der  Tiernamen  hat 
Glöde  11)  einen  Beitrag  geliefert,  in  dem  er  sich  auch  über  einige  zuerst  im  „Reinke 
Vos"  begegnende  Namen  auslässt,  über  Lutke,  Bartold,  Marquart,  Alheit,  Metke,  die  Vor- 
namen für  den  Kranich,  Storch  und  Häher,  für  die  Gans  und  Ziege,  und  für  sie  den 
inneren  Zusammenhang,  der  zwischen  dem  Vornamen  und  dem  Tiernamen  besteht,  auf- 
zudecken sucht.  —  Dem  Hasennamen  Lampe,  der  gleichfalls  kein  Appellativum,  sondern 
Eigenname,  die  nd.  Verkürzung  von  Lamprecht  ist,  hatte  Glöde  ^2)  schon  vorher  einen 
kleinen,  wenig  Neues  bringenden  Artikel  gewidmet,  für  den  er  E.  Voigts  Anmerkung  zum 
Ysengrimus  IV  911  f.  nicht  hätte  übersehen  sollen.  Eranz.  lapin,  das  nichts  mit  Lampe 
zu  thun  hat,  hält  er  für  eine  Zusammenziehung  von  franz.  galopins.  —  Damköhler  i3) 
giebt  der  nicht  einwandsfreien  Vermutung  Raum,  der  Uebersetzer  des  „Reinke  Vos"  habe 
für  seinen  Helden  die  um  1500  allgemein  gekannte  md.  Eorm  Reinke  statt  nd.  Renke 
gewählt.  —  Nachdem    die  sog.  katholische  Glosse  der  ersten  und  zweiten  Ausgabe  des 


und  C.  Walther  zu  Eulenspiogel  Hist.  13.)  —  5)Edw.  Scliröde  r,  Euloiispiogels  Grabstein:  JbVNiederdSpr.  l«,  S.  110/1.  — 
6)  P.  D[e]  M[ont],  Een  domme  Uilenspiegel:  Volkskunde,  TNederlFolklore.,  S.  44/7.  —  7)  J.  Nover,  D.  Tiersago:  UhBIlEU. 
65,  8.  662-70.  —  8)  H.  Brandes,  Hennen  Lotes  Boek  van  velemo  rade:  JbVNiederdSpr.  16,  S.  1—41.  (Hier  vgl.  S.  5—7.)  — 
9)  K.  Sprenger,  Zu  Reinke  de  Vos:  KBlVNiederdSpr.  15,  S.  52.  -  10)  id.,  Zu  Reinke  Vos:  Germania  30,  S.  193/5.  —  II)  0. 
Glöde,  lieber  Tiernamen  im  Volksmund  u.  in  d.  Dichtung:  ZDU.  5,  S.  741/9.  —  12)  id.,  Z.  Erklärung  d.  Hasennameus  Lampe: 
ib.  S.  5b5/8.  —  (Vgl.  auch  U.  Glöde,   V.  Osterhasen:    ib.  S.    702/3.)    —    13)  E.  Damköhler,    Regeusteiu,   Roinstoin,    Reinke: 


161  Ph.  Strauch,  Epos  des  16./16.  Jahrhunderts.  II  3:  u. 

„Reinke  Vos"  (1498,  1517)  bereits  durch  Lttbben  und  Prien  weiteren  Kreisen  wieder  zu- 
gänglich gemacht  worden  war,  erhalten  wir  nun  auch  den  so  erwHnschten  Neudruck 
der  seit  der  dritten  Auflage,  Rostock  1539,  dein  „Reinke"  beigegebenen  sog.  protestan- 
tischen Glosse,  die  dem  Werke  eigentlich  erst  zu  seiner  Popularität  verholfen  und  doch 
bisher  verhältnismässig  nur  wenig  Beachtung  gefunden  iiat.  Die  Ausgabe  von 
H.  Brandes''')  darf  in  jeder  Beziehung  eine  mustergiltigo  genannt  werden.  Er  legt 
\ms  nicht  nur  einen  sorgfältig  revidierten  Text  vor,  sondern  hat  ihm  auch  einen  mit 
grösstem  Fleisse  zusanunengetragenen,  fortlaufenden  Kommentar  hinzugefügt,  sowie  in 
einer  umfangreiclten  Einleitung  die  zahlreichen  Fragen  und  Probleme,  die  sich  an  diese 
jüngere  Glosse  anknüpfen,  zu  beantworten  gesucht.  Im  ersten  Kapitel  führt  B.  zunächst 
den  Nachweis,  dass  der  Gegensatz  beider  Glossatoren  kein  rein  konfessioneller  ist,  dass 
er  sich  vielmehr  aus  der  verschiedenen  Stellung  erklärt,  die  sie  der  Dichtung  gegenüber 
einnehmen.  Während  die  ältere  Glosse  stets  in  engstem  Zusammenhang  mit  ihrem 
Texte  bleibt  und  diesen  nicht  überwuchert,  stützt  sich  unser  Glossator  auf  die  ältere 
Erklärung  und  berücksichtigt  seinen  Text  nur  in  soweit,  als  sie  ihm  zur  Verwirklichung 
seines  eigentlichen  Zweckes  dient;  dieser  aber  ist  ein  zweifacher;  er  will  einmal  nach 
dem  Vorbild  eines  A.  von  Pfore,  Brant  und  J.  von  Morsheim  allen  Ständen,  insbesondere 
den  Fürsten  einen  Spiegel  vorhalten,  dann  aber  auch  der  sich  steigernden  Vorliebe 
seiner  Zeitgenossen  für  Sprichwörter-  und  Reimspruchsammlungen  Rechnung  tragen. 
Mit  einem  evangelischen  „Reinke",  falls  der  Wunsch  nach  einer  solchen  Bearbeitung  der 
allein  massgebende  gewesen  wäre,  würde  man  zudem  schwerlich  bis  1539  gewartet 
haben.  So  richtig  nun  diese  Erwägungen,  um  derenwillen  B.  die  Bezeichnung  „pro- 
testantische" Glosse  durch  , jüngere"  Glosse  ersetzt  sehen  möchte,  auch  sind:  die  alte 
Bezeichnung  kann  trotzdem,  wie  auch  bereits  mehrere  Recensenten  von  B.s  Buch  be- 
tonten, fortbestehen,  da  thatsächlich  die  ältere  Glosse  der  Zeit  vor,  die  jüngere  der  Zeit 
nach  der  Reformation  angehört  und  von  einem  nicht-katholischen  Vf.  herrührt.  Im 
folgenden  behandelt  B.  dann  die  Verfasserfrage  auf  Grund  von  RoUenhagens  bekannten 
Angaben,  für  die,  wie  B.  wahrscheinlich  macht,  Peter  Lindeberg  der  Gewährsmann 
gewesen  sein  dürfte.  Indem  er  die  Irrtümer,  an  denen  Rollenliagens  Bericht  über  Ni- 
kolaus .Baumann  als  vermeintlichen  Vf.  der  Dichtung  leidet,  auf  ihren  Ursprung  hin 
prüft  und  die  aus  trüben  Quellen  abgeleiteten  Folgerungen  gleichsam  chronologisch  vor 
uns  entwickelt,  zeigt  er,  dass  RoUenhagens  Mitteilung  immerhin  grösseres  Vertrauen 
verdient,  als  Zarncke  annalini,  und  dass  man  wegen  seiner  irrtümlichen  Auslassungen 
über  den  Dichter  noch  nicht  ohne  weiteres  berechtigt  ist,  auch  die  Behauptung,  L.  Dietz, 
„welcher  ein  Oberländer  von  Speyer  und  ein  guter  Reimer  war",  sei  der  Urheber  der 
jüngeren  Glosse,  zu  verdächtigen.  Vielmehr  „liegt  die  Glosse  durchaus  in  den  Grenzen 
der  Befähigung  dieses  Mainies",  an  den  deshalb  schon  Wiechmann,  Meklenburgs  alt- 
nieders.  Litteratur  I,  S.  176,  gedacht  hatte.  Für  den  Oberdeutschen  Dietz  als  Kom- 
mentator spricht  auch,  wie  C.  W^alther  hervorhebt,  dass  die  Quellen  seines  Kom- 
mentars fast  sämtlich  hochdeutschen,  insbesondere  oberdeutschen  Ursprungs  sind. 
Einen  weiteren,  freilich  nicht  näher  begründeten  Beweis  möchte  W.  daraus  ableiten, 
dass  die  Sprache  der  Glosse  nicht  selten,  auch  wo  nicht  der  Reim  die  Veranlassung 
war,  also  im  prosaischen  Teil,  einen  aus  Oberdeutschland  gebürtigen  Vf.  erkennen  lässt. 
Dem  gegenüber  hat  K.  E.  H.  Krause  in  seiner  gehaltvollen  Anzeige,  „so  plausibel 
auch  ihm  B.s  Annahme  im  ersten  Augenblick  schien",  nicht  mit  gewichtigen  Bedenken 
gegen  Dietz  als  Vf.  zurückhalten  können,  und  es  ist  zuzugeben,  dass  die  Nachweise  von 
Erzeugnissen  der  Dietzschen  Presse,  die  Dietz  selbst  verfasst  hätte,  so  sein*  Wiechmann 
zu  dieser  Annahme  neigte,  durchaus  nicht  als  gesichert  gelten  dürfen.  Ebenso  versagen 
einstweilen  auch  alle  anderen  Versuche,  den  Vf.  der  Glosse  mit  Sicherheit  zu  ermitteln 

—  K.  hat  verschiedene  Möglichkeiten  erwogen,  doch  eingestandenermassen   ohne  Erfolg 

—  und  es  bleibt  somit  nichts  tibrig  als  zu  warten,  bis  einmal  ein  glücklicher  Fund  von 
dem  am  Schluss  der  Glosse  versprochenen,  bisher  unbekannten  „Bock  Plutarchi  van 
dem  Gemeinen  besten  in  Sassyscher  sprake"  uns  den  Vf.  verräth.  Das  zweite  Kapitel, 
das  sich  mit  den  Quellen  der  Glosse  befasst,  ist  der  bedeutendste  Abschnitt  des  Werkes. 
Hatte  man  bisher  in  der  Glosse  eine  wohl  citatenreiche,  in  der  Hauptsache  aber  originale 
Leistung  gesehen,  so  legt  B.  nun  die  grosse  Unselbständigkeit  des  Vf.  dar,  indem  er 
nachweist,  dass  „der  Glossator  vom  Titel  bis  zum  Schlusswort  nach  zum  grössten  Teil 
vorhandenen  und  nachweisbaren  Vorlagen  gearbeitet  hat",  die  er,  bald  sklavisch  treu, 
bald  in  freier  Wiedergabe,  planmässig  und  gescliickt  in  einander  zu  verweben  gewusst 
hat.  Unter  den  Quellen  steht  in  erster  Reihe  die  ältere  Glosse,  sie  gab  die  „Ecksteine" 
für  den  umfangreichen  Neubau  her;    was  aus  religiösen  Bedenken,    aus  Walirheitsliebe, 


JbVNiederdSpr.  17,    S.  136-4().  -  14)  H.  Brandes,    D.  jüngere    (>los.<e    x.   R«inke   de   Yos.     Halle,    Niemeyer.    LXI,  314  S. 

M.  10,00.    i[LCBl.  1892,    S.   37112;    K.    E.    U.    Krause:    LBlGBPh.    1892,    S.  75/9;    A.    Hofmeister:    DLZ.    13,     S.   435/7; 

E.SehrtJder:  HZ.  68,  S.  331/2;  F.Prion:  ADA.  18,  S.  261  6;  J.  Bol  te:  ASMS.  87,  S.  280/1 ;  0.  Walt  her:  GGA.  N.  15.  S.  558|67; 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte  II  d).  11 


II  3:  15.  Ph.  Strauch,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  162 

die  ein  Verschleiern  des  Thatbestandes  verschmähte,  oder  um  Wiederholungen  zu  ver- 
meiden unterdrückt  wurde,  ist  nicht  gar  viel  (S.  XXI  f.)  Nächst  der  Glosse  sind  noch 
zwei  andere  Verlagswerke  des  Lübecker  Anonymus  vom  Glossator  benützt  worden:  das 
Fastnachtspiel  ,,Henselin"  und  die  niederdeutsche  Bearbeitung  des  Brantschen  Narren- 
schiifs,  letztere  in  der  zweiten  von  L.  Dietz  gedruckten  Ausgabe  von  1519,  ersteres, 
nach  B.,  in  einem  jüngeren,  nach  dem  hochdeutschen  Original  interpolierten  Druck 
(S.  XXin  £)  während  Walther  in  einem  ausführlichen  Excurs  seiner  Eecension  in  einer 
für  mich  überzeugenderen  Weise  wahrscheinlich  macht,  dass  jene  in  der  Glosse  I  21,  35  ff. 
mit  „Henselin  sprecht"  eingeleiteten  Verse,  die  sich  in  der  uns  bekannten  Henselin- 
fassung  nicht  finden,  dieses  Citat  irrtümlich  tragen  und  vielmehr  aus  dem  unmittelbar 
vorher  angezogenen  Gedichte  des  Schweizers  „Von  der  Welt  Untreue"  stammen.  Ausser 
diesen  drei  nd.  Vorlagen  hat  der  Glossator  nun  aber  noch  eine  grosse  Reihe  anderer, 
hochdeutscher  Werke  excerpiert:  B.  hat  sich  nicht  mit  den  einfachen  Nachweisen  dieser 
Werke  begnügt,  sondern  ist  auch  bemüht  gewesen,  in  jedem  einzelnen  Falle  womöglich 
diejenige  Ausgabe  zu  ermitteln,  die  dem  Glossator  vorlag.  Es  sind  folgende  Werke: 
die  Fabelsammlung  des  Joh.  Adelphus,  Agricolas  Sprichwörter  (1534),  des  Erasmus 
Alberus  Esop  (1534),  die  von  Joh.  Brenz  verfasste  Erklärung  des  Prediger  Salomo, 
Brants  Ausgaben  des  Clagspiegels  und  des  Freidank,  Cyrills  Spiegel  der  Weisheit, 
S.  Francks  Geschichtbibel ,  Weltbuch  und  Bearbeitungen  von  Schriften  des  Erasmus 
und  Cornelius  Agrippa,  Huttens  Römische  Dreifaltigkeit,  Joh.  v.  Morsheims  Spiegel  des 
Regiments  (1534),  Frau  Untreuen  Dienst  von  einem  Unbekannten,  des  Schweizers  Gediclit 
Von  der  Untreue  der    Welt    —    über    die    beiden    letztgenannten    Dichtungen    stellt    B. 

5.  XXX  &.  eine  eigene  Untersuchung  an  —  Antonius  von  Pfores  Buch  der  Beispiele  (1536), 
Joh.  von  Schwarzenbergs  Teutsch  Cicero  (besonders  stark  benutzt  ist  das  Memorial 
der  Tugend,  s.  S.  XXXVII  if.)  und  seine  Bearbeitung  der  Officia,  Ulrich  Tenglers  Laien- 
spiegel mit  den  Vorreden  Brants  und  Gregorius  Wickrams  Uebertragung  der  Ars  bibendi 
des  Vincentius  Obsopoeus,  In  den  Anmerkungen  zum  Text  hat  B.  die  Belege  für  die 
Resultate  seiner  Quellenuntersuchung  gegeben.  Nur  an  wenigen  Stellen  blieb  es  dem 
Spürsinn  des  Herausgebers  versagt,  die  Vorlage  zu  ermitteln;  so  bei  I  26,  5 — 26  und 
in  12,  201 — 247,  die  ich  als  Excerpte  aus  des  Eberlin  von  Günzbiirg  Schrift  „Mich 
wundert  dass  kein  gelt  im  lant  ist"  (1524  Bl.  A  2  b,  3  a,  B  3  a — 4a,  vgl.  Schade,  Satiren 
und  Pasquille  2,  S.  291  f.)  feststellen  konnte.  Für  die  Vorlage  der  zweiten  Vorrede  des 
zweiten  Buches  V.  42 — 191  fand  seitdem  Roethe  (ADA.  18,  S.  265  f.)  das  lateinische 
Original  in  des  Erasmus  von  Rotterdam  Schrift  De  ratione  conscribendi  epistolas.      Für 

III  12,  11 — 47  sei  auf  des  Rodericus  Zamorensis  Speculum  humanae  vitae  I  32 
verwiesen,  dessen  Inlialt  in  der  Glosse  zwar  nur  auszugsweise,  aber  getreuer  als  von 
Steinhöwel  in  seiner  öfter  gedruckten  Verdeutschung  wiedergegeben  ist.  In  ähnlicher 
Weise  steht  III  3,  48 — 98  der  Originalfassung  des  Theophrasti  de  nuptiis  liber  aureohis 
(Patrologiae  cursus  lat.  ed.  Migne  23,  276  ff.,  Gualteri  Burlaei  Liber  de  vita  et  moribus 
philosophorum  ed.  Knust  S.  286  ff.)  —  danach  heisst,  beiläufig  bemerkt,  Theophrastus 
in  Ingolds  Goldenem  Spiel  16,  21  „Aureolus  der  mayster",  wodurch  sich  Edw.  Schröders 
Anmerkung  berichtigt  —  näher  als  der  Uebersetzung  in  der  Grisardis  des  Erhart  Gross, 
die  in  ihrer  ersten,  in  der  Breslauer  Hs.  vorliegenden  Redaktion  (ZDA.  29,  S.  386,  8 — 387, 

6,  vgl.  ebenda  36,  S.  250)  eine  Parallele  zum  ganzen  Stück  des  Glossators  bietet.  Vgl.  auch 
A.  V.  Eybs  Ehebüchlein,  Neudruck  S.  6,  19  ff.,  16,  17  ff.,  49,  20  ff.,  H.  Sachs,  Werke  20, 
S.  526  ff.  Auf  Grund  solcher  Fälle,  die  sich  wohl  noch  vermehren  Hessen,  darf  vielleicht 
die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  nicht  der  Glossator  gelegentlich  lateinische  Quellen 
direkt  zu  Rate  gezogen,  sie  excerpiert  und  übersetzt  hat.  Freilich  nur  für  Excerpte 
grösseren  Umfanges  scheint  mir  diese  Vermutung  berechtigt;  betreffs  der  kürzeren  Citate 
pflichte  ich  durchaus  B.s  Ausfühmngen  auf  S.  XLIV  f.  bei.  Das  dritte  Kapitel  be- 
handelt den  Einfluss,  den  die  Glosse  auf  die  spätere  Litteratur  ausgeübt  hat.  Es  wird 
zuerst  bis  ins  einzelne  gezeigt,  wie  das  von  W.  Seelmann  edierte  niederdeutsclie 
Reimbüchlein,  aus  dem  die  „Schönen  Künstliken  Werldtspröke"  zumeist  eine  Auswahl 
sind,  im  wesentlichen  planlos  aus  der  jüngeren  Glosse  und  dem  niederdeutschen  Narren- 
schiff von  1519  kompiliert  ist,  dass  nur  ca.  1000  Verse  unabhängig  von  diesen  beiden 
Werken  sind,  sodann  die  Benutzung  der  Glosse  im  Kurtzweilig  Reysebüchlein  (Dresden 
1584),  in  einer  poetischen  Bittschrift  eines  Stoibergers  aus  der  Zeit  um  1580  und  in 
Rollenhagens  Froschmeuseler  (s.  JbVNiederdSpr.  14,  S.  1  ff.)  nachgewiesen.  Im  letzten 
Kapitel  seiner  Einleitung  berichtet  B.  über  das  von  ihm  bei  seinem  Neudruck  befolgte 
Verfahren.  Selbstverständlich  wai-d  der  Dietzsche  Druck  von  1539  zu  Grunde  gelegt, 
von  den  Lesarten  der  elf  übrigen  Ausgaben  sind  nur  die  wichtigeren  verzeichnet. 
Berichtigte  Druckfehler  wurden  angemerkt,  einige  sonstige  Abweichungen  vom  Original 
gerechtfertigt.     Die  Randbemerkungen  zur  Dichtung  wie  zur  Kapitelglosse  haben  ihren 


H.  E.  Moltzer:  TNTLK.  10,  S.  241/9.]|  -  15)  C.  Walt  her,  D.  Inschriften  an  d.  ThUr  d.  Audienzsaales  im  Eathause:  MVLUbeckG. 


168  Ph.  Strauch,  Epos  des  15./1G.  Jalxrhunderts.  II  8:  i«-2i. 

Platz  unter  dem  Texte  erhalten.  Die  auf  den  Text  (S.  1 — 235)  folgenden  Anmerkungen 
(Ö.  239 — 300)  geben  nicht  nur  die  Quellenbelege  zur  Glosse,  sondern  verfolgen  auch  im 
einzelnen  die  Benutzung  des  Kommentars  in  späteren  Sammlungen  und  bilden  somit 
eine  Ergänzung  zum  dritten  Kapitel.  Es  fehlt  aber  auch  nicht  an  Wort-  und  Sach- 
erklärungen, wo  sie  dos  Verständnis  des  Textes  erleichtern,  sowie  an  litterarhistorischen 
Aufsclilüsson:  auf  den  für  die  Entstehungsgeschichte  des  Reinke  Vos  wichtigen  Nach- 
weis (zu  IV  U,3 — 12),  dass  der  ältere  Glossator  seine  Bearbeitung  des  Narrenschiifes 
nicht  inu-  auf  die  Dichtung,  sondern  auch  auf  die  Glosse  hat  einwirken  lassen,  hat 
bereit.s  Prien  nachdrücklicli  aufmerksam  gemacht.  Ein  alphabetisches  Verzeichnis  der 
in  der  jüngeren  Glosse  auftretenden  Reim8])rüche  und  gereimten  Citate  beschliesst  das 
auch  äussorlich  vortrefflich  ausgestattete  Werk.  —  In  den  von  Brandes  gegebenen 
zahlreichen  Belegen  für  die  erst  durch  die  Glosse  erzielte  Popularität  des  Reinke  Vos 
hat  C.  Walther  15)  in  seiner  Anzeige  noch  zwei  nicht  litterarische  Verwendungen  bei- 
gebracht, der  einen  davon  auch  einen  besonderen  Aufsatz  gewidmet.  Von  den  sieben 
Inschriften  der  1573  von  Tönnies  Evers  dem  Aelteren , kunstvoll  geschnitzten  Einganga- 
thüre  zum  Audieiizsaale  des  Lübecker  Rathauses  stammen  sechs  aus  der  jüngeren 
Glosse,  „welche  sie  woiil  alle  selbst  schon  entlehnt  hat,  möglicherweise  einige  aus  der 
Bibel".  Sodann  haben  die  Verse  I  1,29  ff.  dem  Maler  Daniel  Frese  im  Jahre  1576 
das  Motiv  zu  dem  allegorischen  Bilde  in  der  grossen  Ratsstube  des  Lüneburger  Rat- 
hauses geliefert,  s.  Albers,  Beschreibung  der  Merkwürdigkeiten  des  Rathauses  zu  Lüne- 
burg S.  35.  —  Nagls  anmutige  Umdichtung  der  Reinekesage  in  niederösterreichischer 
Mundart  hat  durch  Brenner  i**)  eine  anziehende  Besprechung  erfahren.  — 

Schwankbücher.  Wustmanns '^)  Artikel  über  den  Leipziger  Buchdrucker 
und  Buchhändler  Valentin  Schumann  mag  auch  hier  um  des  gleichnamigen  Sohnes, 
des  bekannten  Schwankbuchverfassers,  willen  verzeichnet  werden.  —  Ueber  H.  W. 
Kirchhof  teilte  Könnecke  i''^)  in  einem  Vortrage  neues  Material  mit,  das  A.  Wyss  i') 
in  einer  inzwischen   erschienenen  grösseren  Abhandlung  verwertet  hat.  — 

Von  niederländischen  Schwankbüchern  des  IG.  Jh.  war  bisher  nur  eins 
und  auch  dies  nur  dem  Titel  nach  aus  dem  Antwerpener  Index  von  1570  (Reusch, 
Die  Indices  librorum  prohibitorum  des  IG.  Jh.  S.  311)  bekannt:  es  enthielt  Ueber- 
setzungen  aus  Paulis  „Schimpf  und  Ernst"  und  aus  Bebeis  Facetien.  Bolte^o)  fand 
nun  jüngst  in  einem  Danziger  Sammelbande  ein  weiteres  Schwankbuch,  das  157G  bei 
Heyndrick  Heyndricsen  zu  Antwerpen  erscliienen  ist  und,  obwolil  es  von  dem 
älteren  Werke  schon  dadurch  abweicht,  dass  der  Titel  jeder  Angabe  über  die 
benutzten  Quellen  entbehrt,  dennoch  bei  genauerer  Prüfung  des  Inhalts  einen 
Zusammenhang  mit  der  älteren  Sammlung  eikennen  lässt.  Wie  B.  Jiämlich  nach- 
weist, treffen  wir  unter  den  157  erhaltenen  Erzählungen  die  grössere  Hälfte,  80  an 
der  Zahl,  übereinstimmend  in  Paulis  „Schimpf  und  Ernst"  wieder,  einige  Stücke 
stammen  direkt  oder  indirekt  aus  Bebeis  Facetien.  Ausserdem  hat  der  Kompilator 
auch  französische  Schwankbücher  benutzt;  so  z.  B.  für  14  Nummern  des  Bonaventure 
Des  Periers'  ,,Nouvelles  recreations  et  joyeux  devis"  (1558).  Es  hat  also  wohl  der 
Herausgeber  der  jüngeren  Sammlung  die  ältere,  verbotene  zu  Grunde  gelegt,  „indem 
er  alle  der  Censur  anstössig  erscheinenden  Geschichten  von  Mönchen  und  Nonnen  fort- 
liess  und  ferner  Zusätze  aus  anderen,  namentlich  französischen  Anekdotensammlungen 
machte".  Doch  fehlt  es  auch  nicht  an  Schwänken,  die  schon  durch  das  Lokal  der  Hand- 
lung ihren  niederländischen  Ursprung  verraten ;  bei  vieren  der  fünf  ausgewählten  Stücke 
ist  dies  der  Fall.  Dass  der  Buchhändler  Heyndricsen  die  benutzten  Quellen  verschwieg, 
erklärt  der  Umstand,  dass  Paulis  ,, Schimpf  und  Ernst",  seine  Hauptfundgrube,  1570  auf 
den  Index  gesetzt  worden  war  (Reusch  a.  a.  0.  S.  315).  Fünfzehn  Schwanke  sind  mit 
ziemlich  guten,  wohl  Originalholzschnitten  geschmückt.  In  das  Verzeichnis  der  Ueber- 
schriften  der  einzelnen  Erzählungen  hat  B.  den  Quellennachweis  vuid  einige  Bemerkungen 
eingetragen,  die  den  Inhalt  genauer  andeuten  sollen.  Erwähnung  verdient  noch  die  Be- 
richtigung eines  Irrtums  in  Lappenbergs  Ulenspiegel  S.  378:  Jan  de  Brunes  Apophthegmen- 
sammlung  ,,Jok  en  Ernst"  ist  keine  Uebersetzung  nach  Pauli;  beiden  Werken  ist  auch 
nicht  eine  Erzählung  gemeinsam.  — 

Für  Fis Charts  Beinamen  Mentzer  und  etwaige  Beziehungen  der  Fischarts  zu  Mainz 
haben  auch  die  neuerdings  (vgl.  JBL.  1890  II  3  :  20/1)  aufgefundenen  urkundlichen  Belege 
über  Fischart  und  seine  Familie  keine  Aufklärung  zu  bringen  vermocht.  Um  so  will- 
kommener ist  daher  ein  kleiner  Beitrag  G.  Schenks  zu  Schweinsberg 2i).  Er  weist 
zu  den  Jahren  1618  luid  1G21  urkundlich  einen  Maurer  Veit  Visscardt  (Wiesskart), 
Bürger  zu  Mainz,  nach,  der   dorthin   von  Wälschland    eingewandert    war,    während    wir 


3,  S.  33/5.  —  16)  0.  Brenner,  A.  W.  Nagl,  D.  Fuchs  Roauer.  A  lelirreichs  und  karzweiligs  Oleiehnnsi  ans  derselbigen  Zeit, 
wo  d'Viecher  noch  hab'n  red'n  kUnna.  Wien,  1888:  AZg".  N.  171.  —  17)  (I  4  :  23 )  —  «)  G.  KOnnecke,  Mitteil,  aber  H.  W. 
Kirchhof.  (Ref.):  MVHessG.  S.  XXXII.  —  19)  XX  A.  Wyss,  H.  W.  Kirchhof:  CBlBibl.  9,  S.  57—87.)  Mit  Nachtr.  v.  C.  Scherer  ib. 
S.265/6.)  —  20)  J.  Bolte,  E.  Antwerpener  Cluchtboeok  v.  1576:  TNTLK.  10,  S.  127— 43.  -  21)  G.  Schenk  tu  Seh  weiusberg, 

11* 


II  3:  22-24.  Ph.  Strauch,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  164 

seine  Greschwister  im  Misoccothal  im  Kanton  Graubünden  wohnhaft  finden.  Sehr  wohl 
möglich  wäre  es,  dass  auch  unseres  Fischarts  Vater  als  wälscher  Würzkrämer  zu  Mainz 
thätig  war  und  später  nach  Strassburg  übersiedelte.  Der  Name  (Wisigard)  könnte  auf 
germanische  Abstammung  der  Familie  liindeuten,  näher  liegt  aber,  wie*  S.  mit  Recht 
betont,  der  normannische  Beiname  Guiscard,  den  Fischart  selbst  mit  Vischart,  Gwischard, 
Fischart  wiedergiebt  (Gargantua,  Neudruck  S.  293,  353,  Bienenkorb,  Vilmars  11.  Ausg. 
Bl.  138  ^  und  im  Index),  wie  er  sich  andererseits  selbst  Wischhart,  Wickartus  und 
Gwischart,  Guicciard  nennt  (Wackernagel,  Joh.  Fischart  S.  8,  84  Anm.  184).  „Eine  Hin- 
deutung auf  wälsche  Herkunft  könnte  das  Pseudonym  von  1588,  M.  Adamus  Nachen- 
moser von  Brandenwalden  aus  Chirrland  enthalten,  da  das  Thal  Misocco  zum  Bistum 
Chur  gehörte  (anders  deutet  Meusebach,  Fischartstudien  ed.  Wendeler  S,  101,  271). 
Auch  sonst  kommen  die  Churwalen  bei  Fischart  vor"  (Gargantua  S.  31,  38,  165).  Auf 
welche  Ausgabe  beziehen  sich  S.s  Gargantuacitate  ?  Ich  habe  des  leichteren  Auffindens 
wegen  nach  dem  von  AI  sieben  22)  besorgten  Neudruck  citiert,  der  nun  abgeschlossen 
vorliegt,  nachdem  die  erste  Hälfte  (S.  1—242)  bereits  1887  erschienen  war.  A.  giebt 
einen  synoptischen  Abdruck  der  bei  Fischarts  Lebzeiten  erschienenen  Gargantua-Bear- 
beitungen  von  1575,  1582  und  1590.  Zu  Grunde  gelegt  ist,  wie  auch  Meusebach 
(Fischartstudien  S.  19)  es  plante,  der  Text  von  1590  als  Ausgabe  letzter  Hand;  das 
schwarz  und  rot  ausgeführte  Titelblatt  ist  im  Faksimile  beigegeben.  Um  aber  zugleich 
die  Arbeitsweise  Fischarts  an  seinem  W^erke,  die  Textgeschichte  desselben  zu  veran- 
schaulichen, wurde  auf  Grund  einer  genauen  Vergleichung  des  Textes  von  1590  mit 
den  Fassungen  von  1575  und  1582  alles  das,  was  schon  in  der  ersten  Ausgabe  von 
1575  (a)  stand,  mit  grösserer  Schrift  gedruckt,  während  die  Zusätze  der  zweiten  Aus- 
gabe von  1582  (b)  in  Petitschrift  und  die  der  dritten  Ausgabe  von  1590  (c)  in  gesperrter 
Petitschrift  gesetzt  sind.  Alle  nicht  bloss  orthographischen  Abweichungen  der  Ausgaben 
„ab"  sind  als  Varianten  unter  den  Text  gesetzt.  Da  die  Ausgabe  von  1594  (d)  im 
wesentlichen  nichts  Anderes  ist  als  ein  neuer  Satz  des  Druckes  von  1590,  so  wurde  sie 
gleichfalls  mit  zur  Vergleichung  herangezogen.  Wird  man  nun  auch  gerne  zugeben, 
dass  bei  solcher  Anordnung  jedem  die  Möglichkeit  geboten  ist,  sich  einen  Ueberblick 
über  das  eigenartige,  sich  zumeist  in  weiter  ausmalenden  Zusätzen  gefallende  Verfahren 
Fischarts  zu  verschaffen  und  dass  für  den  aus  drei  Ausgaben  kombinierten  Text  ein 
verhältnismässig  nur  knapper  Raum  in  Anspruch  genommen  worden  ist,  so  bringt  die 
buntscheckige  Textgestalt,  deren  Herstellung  gewiss  keine  mühelose  war,  andererseits 
doch  den  Nachteil  mit  sich,  dass  sie  bei  zusammenhängender  Lektüre  verwirrend  wirkt. 
Schärfer  noch  würde  meines  Erachtens  das  Bild  der  Textgeschichte  hervortreten,  wenn 
man  vom  Drucke  des  Jahres  1575  ausginge,  der,  wie  Camillus  Wendeler  mir  vor  Jahren 
schrieb,  wohl  der  einzige  ist,  den  Fischart  selbst  korrigierte.  Störend  empfindet  man 
sodann  die  allzu  getreue  Reproduktion  von  „c",  auch  da  nämlich,  wo  dieser  Druck 
thatsächlich  Fehlerhaftes  bietet,  wähi'end  die  richtige  Lesart  von  „a"  sich  unter  dem 
Text  im  Variantenapparat  findet.  Wohl  hat'  A.  S.  XVIII — XXI  eine  grössere  Reihe 
von  sofort  in  die  Augen  fallenden  Druckfehlern  in  „c"  verzeichnet  und  sie  auf  Grund 
der  anderen  Drucke  verbessert:  allein  noch  an  manchen  Stellen  sonst  zeigt  der  Text 
eine  fehlerhafte  Lesart,  die  man  sich  nun  selbst  aus  dem  Apparat  berichtigen  muss;  so 
z.  B.  um  nur  einiges  anzudeuten,  S.  11^,  37*,  432,  80*,  81*,  113^,  129i.^  134^,  150i,  162", 
225*,  247^^.  S.  5^,  248*  zeigen  die  Varianten  keine  Abweichung  vom  Text.  In  der 
Einleitung  hat  A.  die  von  ihm  benutzten  Drucke  einer  sehr  genauen  Beschreibung 
unterzogen,  dabei  auch  in  dankenswerter  Weise  die  Holzschnitte  berücksichtigt.  Auf 
die  Abweichungen  der  späteren  Ausgaben  von  1600,  1605,  1617,  1631  ist  er  nicht  näher 
eingegangen.  Ich  bemerke  bei  dieser  Gelegenheit  unter  Hinweis  auf  Meusebachs 
Fischartstudien  S.  220,  318  f.,  dass  die  Tübinger  Universitätsbibliothek  aus  Uhlands 
Nachlass  eine  Ausgabe  des  Fischartschen  Gargantua  besitzt,  die  obwohl  sie  die  Jahreszahl 
1651  so  deutlich  zeigt,  dass  jeder  Zweifel  ausgeschlossen  ist,  trotzdem  mit  der  Ausgabe 
von  1631  identisch  ist;  man  muss  also  schon  annehmen,  dass  einzelne  Exemplare  wirklich 
mit  dem  fehlerhaften  Titelblatt  in  den  Handel  gekommen  sind.  Uebrigens  steht  auch 
im  Druck  von  1631  „Nullate^nenten"  (nicht  „Rullate=nenten",  wie  A.  S.  XXI  angiebt)  auf 
dem  Titel.  —  Die  Redensart  „auf  eignen  Zaum"  belegt  Pulses)  aus  dem  Gargantua 
(Neudruck,  S.  435)  und  deutet  sie  als:  „nach  meinem  eigenen  Kopf,  auf  meine  eigene 
Hand."  — 

JüngereVolksbücher.  Eine  gelegentlicli  ausgesprochene  Ansicht  0.  M  ü  1 1  e  r  s  2*), 
dass  das  Wort  Schildbürger  seit  jeher  mit  Spiess-  und  Pfahlbürger  identisch,  stets 
nur  ein  Gattungsname  gewesen    sei,    nie    aber    die  Bewohner   des    sächsischen  Schiida 


D.  Herkunft  Fischarts:  ZDA.  35,  S.  255/6.  —  22)  Joh.  Fischarts  Qeschichtklitterung  (Gargantua).  Synopt.  Abdr.  d.  Bearbeit  v.  1575, 
1582  u.  1590.  Her.  v.  A.  Alslebeu.  (=  Neudrucke  dtsch.  Litteraturwerko  d.  16.  u.  17.  Jh.  N.  65—71.)  Eallo,  Niomeyer.  XXVIII,  460  S. 
M.4,20  —  23)  A.  Puls,  Auf  eignen  Zaum:  ZDU.  5,  S.  703/5.  —  24)  C.  Müller,  D.  Verwertung  d.  Redensarten  im  Unterricht: 


165  Ph.  Strauch,  Epos  des  16./16.  Jahrhundert«.  II  8:  »-84. 

bezeichnet  habe,  widerlegt  Jeep  25)  mit  den  bereits  in  seiner  Monographie  entwickelten 
Gründen  (JBL.  1890  II  3  :  25).  —  Uober  Abderiten  von  heute  (zu  Halbun 
bei  Damascus,  in  Handschulisheim,  Fockbeck  bei  Rendsburg,  Büsum)  handeln  vier 
kleinere  Aufsätze  2ö-30),  — 

Das  Faustbuch  von  1587  erzählt,  dass  Faust  als  Sohn  eines  Rodaer  Bauern 
gebüi'en  sei.  Daran  anknüpfend  meldet  eine  Zeitungsnotiz^*):  „In  Boda,  einem  Städtchen 
des  Altenburger  Kreises,  stellt  ein  altes,  auf  einem  Felsblock  erbautes  Haus,  welches 
als.Gieburtsstätte  des  berühmten  Schwarzkünstlers  Dr.  Faust  bezeichnet  wird.  Nun  ist 
dieses  altertümliche  Bauwerk  von  der  dortigen  Gemeindebehörde  behufs  Strasseu- 
erweitorung  angekauft  worden."  —  Die  deutschen  Faustbücher  hat  Dumcke^^)  einer 
Betrachtung  unterzogen,  die  als  Zusammenstellung  des  in  ihnen  niedergelegten  Geschichten- 
materiales  gelten  mag,  sonst  aber  wenig  in  die  Tiefe  dringt.  Die  Berichterstattung  hat 
an  dieser  Stelle  sich  niu-  mit  dem  Volksbuch  und  Widmans  Bearbeitung  zu  befassen. 
Hinsichtlich  des  ersteren  wird  unsere  Erkenntnis  durch  D.  nicht  gefördert.  Für  Wid- 
man  sucht  D.  das  Volksbuch  in  den  Fassungen  A  und  C  als  Quelle  nachzuweisen,  doch 
vermag  kaum  das  geringe  Variantenmaterial  die  Frage  endgtUtig  zu  entscheiden,  denkbar 
wäre  auch,  dass  nur  C  die  Vorlage  war.  D.  gewährt  zunächst  eine  schematische  Dar- 
stellung des  Verhältnisses  zum  Volksbuch,  dann  Inhaltsangaben  der  von  Widman  fortge- 
lassenen und  hinzugefügten  Kapitel,  endlich  eine  Analyse  jener  Partien,  in  denen  Wid- 
man sich  den  StoiFdes  Volksbuches  angeeignet  hat.  lieber  eine  äusserliche  Vergleichung, 
deren  Resultate  S.  G3  kurz  zusammengefasst  sind,  ist  D.  aber  nicht  hinausgekommen; 
Faligan33)  hat  in  seinem  Faustbuch,  das  neuerdings  Minor  verwarf,  Szamatölski  in 
seinen  Vorzügen  anerkannte,  um  vieles  schärfer  zu  charakterisieren  verstanden.  Anhangs- 
weise ergänzt  D.  den  Neudruck  von  Widmans  Bearbeitung  in  Scheibles  Kloster,  indem 
er  das  Widmungsschreiben  an  den  Grafen  Hohenlohe,  die  im  Kloster  fortgelassenen 
Verse  und  Randglossen  —  von  letzteren  nur  jene,  die  etwas  Neues  sagen  und  nicht  nur 
einfache  Textverweisungen  sind  —  zum  Abdruck  bringt.  —  Zu  dem  in  letzter  Zeit 
mehrfach  behandelten  Kapitel  der  Entlehnungen  im  ältesten  Faustbuch  sind  einige 
weitere  Beiträge  zu  verzeichnen.  L.  Fränkel^*)  hat  das  Sprichwörter-Kapitel  (65)  in 
eindringender  Weise  auf  seine  Quellen  hin  xmtersucht  auf  Grund  einer  schon  von 
Szamatölski  (VLG.  1,  S.  182  Anm.)  ausgesprochenen  Vennutung,  wonach  jener  Abschnitt 
wohl  aus  der  sog.  Egenolifschen  Sprichwörtersammlung  entlehnt  sei.  F.  führt  zunächst 
den  bei  Agricola,  S.  Franck  uiid  in  der  Egenolifschen  Sammlung  nachweisbaren  Apparat 
des  Faustbuch-Kapitels  gliederweise  neben  seinen  Mustern  auf  und  lässt  dann  An- 
merkungen zu  einzelnen  Sprüchen  folgen.  Das  Ergebnis  der  Vergleichung  ist  folgendes: 
da  eine  einzige  Quelle  für  den  vom  Anonymus  des  Faustbuches  verwerteten  Sprich- 
wörterschatz nicht  ausfindig  zu  machen  ist,  so  bleiben  nur  zwei  Möglichkeiten:  entweder 
hat  der  Kompilator  aus  verschiedenen  Sammelwerken  gleichzeitig  geschöpft  —  und  dies 
würde  ganz  zu  dem  auch  sonst  von  ihm  befolgten  schriftstellerischen  Verfahren  stimmen 
—  oder  die  von  ihm  beinitzte  einzige  Vorlage  muss  als  verloren  oder  noch  unbekannt 
gelten,  was  bei  dem  reich  vorliegenden  Material  von  Sprichwörtersammlungen  nicht 
gerade  wahrscheinlich  ist,  wiewohl  F.  selbst  während  seiner  Arbeit  ein  ähnlich  kompen- 
diarisches Werk  des  Jahres  1587  gefunden  hat,  das  allen  Bibliographen  bisher  entgangen 
war.  Die  erstere  Annahme,  das  65.  Kap.  sei  stückweise  [aus  Rohstoffen  verschiedener 
Herkunft  zusammengeschweisst,  weiss  F.  mit  guten  Gründen  zu  stützen,  indem  er  betont, 
„wie  der  Anonymus  zur  Beschaffung  allerhand  untergeordneter  Requisiten  seiner  Er- 
zählung auch  noch  anderswo  Umschau  gehalten  hat",  und  die  Aufmerksamkeit  auf  bis- 
her nicht  ausgenutzte  jüngere,  doch  mit  den  Sammlern  des  16  Jh.  vertraute  Sprich- 
wörterkompendien lenkt,  insbesondere  auf  die  verbreitetste  und  am  häufigsten  neu  (zuerst 
1654)  aufgelegte  Sammlung  des  J.  G.  Seybold  (ADB.  34,  S.  80),  die  gleichfalls  Parallelen 
zu  dem  in  Rede  stehenden  Faustbuchkapitel  bietet;  so  können  z.  B.  auch  aus  dieser 
Sammlung  und  den  älteren  Apophthegmata  Zincgrefs  die  bereits  früher  von  anderen  aus 
Luther  nachgewiesenen,  von  Zincgref  irrtümlich  dem  Geiler  von  Keisersberg  zuge- 
sclmebenen  acht  Verszeilen  im  Eingang  des  65.  Kapitels  belegt  werden.  —  A.  Bauer**), 
der  auch  an  den  eben  erörterten  Untei'suchungen  beteiligt  ist,  zeigt,  dass  für  Kap.  7 
des  Faustbuches  die  Ueberschriften,  je  drei  Verse,  von  drei  Kapiteln  des  Brantschen 
NaiTenscliiffes  (Kap.  3,  43,  45;  bei  letzterem  hatte  schon  Zarncke  die  Uebereinstimmung 
erkannt)  herangezogen  und  verarbeitet  worden  sind.  Derselbe  Forscher  hatte  bereits 
VLG.  1,  S.  192  ff',  auf  Benutzung  des  Petrus  Dasypodius  durch  den  Anonymus  des  Faust- 


ib.  8.  88—123.  (Darin  S.  114  Lnicht  116]  über  d.  Wort  „SchiltbBrger".)  —  25)  E.  Jeep,  SohildbUrger:  ib.  S.  355/7.  —  26-27) 
R.  Andrea,  Abdoriten  t.  heute:  ür-Quell  2,  S.  117/9.  —  28)  F.  Höft,  Abderiten  t.  heute:  ib.  S.  154/5.  —  29)  H.  Volks m »an, 
Abderiten  V.  heute:  ib.  S.  169—70.  —30)  R.  Ofterding,  Abderiten  v.  heute:  ib.  S.  19i;2.  —  31)  Faastj  Geburtshaus:  FZg.X.31. 
— *32)  J.  Dumckc,  D  dtsch.  FaustbUcher.  Nebst  e.  Anhange  t.  Widmanschon  Faustbucho.  Diss.  Leipzig-Reudniti,  Draek 
T.  0.  Schmidt.  101  S.  M.  1.50.  —  33)  E.  Faligan,  Histoire  de  la  legende  de  Faust  Paris  18S7:  Minor:  GGA.  1890. 
N.  26,  S.  1012/5;  S.  Szamatdlski:  ASNS.  86,  S.  412/5.  —  34)  L.  Fränkel  u.  aT  Bauer,  Entlehnungen  im  ältesten  Faust- 


II  3:  35-41.  Ph.  Strauch,  Epos  des  15./16-  Jahrhunderts.  166 

buches  hingedeutet.  Er  weist  ein  gleiches  jetzt  auch  für  das  16.  Kapitel  „Von  der 
Hell  Gehenna  genandt"  nach  und,  doch  nicht  in  gleichem  Masse  überzeugend,  für  eine 
Stelle  im  27.  Kapitel  „Vom  Paradeiss."  VLGr.  1,  S.  183f.  hatte  H.  Hartmann  bemerkt, 
dass  die  Aufzählung  der  Länder  bei  der  ersten  Reise  Eausts  im  26.  Kapitel  (S.  57)  im 
wesentlichen  übereinstimme  mit  der  Aufzählung  der  Länder  in  den  Kapitelüberschriften 
von  S.  Münsters  „Mappa  Europae".  Dem  gegenüber  konstatiert  B.  nun  dieselbe 
Uebereinstimmung  zwischen  dem  Faustbuche  und  dem  auch  sonst  vom  Anonymus  aus- 
geschriebenen Elucidarius  (Ausgabe  zwischen  1572  und  1589;  vgl.  Szamatölski  a.  a.  0.), 
welches  Werk  an  dieser  Stelle  offenbar  aus  Münster  geschöpft  hat^^-^s),  — 

Mit  der  Sage  vom  ewigen  Juden  beschäftigt  sich  Morpurgo^^)  an  einer  mir 
leider  noch  nicht  zugänglichen  Stelle.  — 

Von  einer  der  ältesten  Ausgaben  der  Legende  des  heiligen  Meinrad*o)^ 
die  im  16.  Jh.  ja  auch  dramatisch  behandelt  worden  ist,  wurde  ein  trefflich  gelungener 
Faksimiledruck  veranstaltet:  es  ist  die  äusserst  seltene,  mit  38  Holzschnitten  und  einem 
Buchdruckerzeichen  geschmückte  Ausgabe,  welche  Michel  Furter  zu  Basel  gedruckt  hat, 
vgl.  Serapeum  20,  S.  76  f  N.  4,  Stargardt,  Verzeichnis  einer  Schlossbibliothek  (Kat.  189) 
N.  489.  Eine  Jahresangabe  fehlt  diesem  wie  einem  anderen  Drucke  (Serapeum  a.  a.  0. 
N.  3)  derselben  Offizin.  Wenn  im  Neudruck  1496  auf  den  Schmutztitel  gesetzt  ist,  so 
ist  dieses  Jahr  für  die  deutsche  Ausgabe  etwas  voreilig  aus  der  in  jenem  Jahre  eben- 
falls bei  Furter  gedruckten  lateinischen  „Passio  s.  Meynrhadi",  die  Seb.  Brant  besorgte, 
gefolgert  worden,  vgl.  über  letztere  Serapeum  a.  a.  0.  N.  2  und  Gall  Morel  im  Geschichts- 
freund (Einsiedeln  1857)  13,  S.  165.  Die  wenigen  Druckfehler  hätten  vielleicht  anhangs- 
weise berichtigt  werden  können.  — 

Das  Gebiet  des  deutschen  Prosaromans  hat  durch  A.  Bachmann  ^i) 
eine  Bereicherung  erfahren.  Dank  seiner  sorgfältigen,  vom  Stuttgarter  Litterarischen 
Verein  herausgegebenen  Publikation  reiht  sich  jetzt  einem  Thüring  von  Ringoltingen, 
Wilhelm  Ziely  und  Joh.  Wetzel  ein  vierter  Schweizer  als  Uebersetzer  ausländischer 
Litteratur  an,  dessen  Name  freilich  einstweilen  unbekannt  bleibt.  Dieser  hat  im  Jahre 
1530  Luigi  Pul  eis  „Mor  gante"  nach  französischer  Vorlage  in  die  deutsche  Sprache  über- 
tragen. Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  uns  in  der  Aarauer  Hs.,  die  noch  eine  zweite 
Uebersetzung  vom  gleichen  Autor  enthält,  eine  eigentümliche  Darstellung  der  Geschichte 
von  den  Haimonskindern,  ebenfalls  nach  französischer  Quelle,  das  Autogramm  des 
Uebersetzers  vorliegt.  Eine  zweite  Hs.  in  Zürich  aus  dem  Jahre  1551  (s.  Deutsche 
Volksbücher  her.  von  Bachmann  und  Singer,  185.  Publ.  des  Litterarischen  Vereins  S.  XII) 
ist  lediglich  Abschrift  des  Aarauer  Textes.  Pulcis  ,,Morgante"  wurde  schon  früh  ins 
Französische  übersetzt  und  in  dieser  Gestalt  durch  zahlreiche  Drucke  verbreitet.  B.  war 
nur  eine  Ausgabe  von  1596  zugänglich,  doch  ergaben  Stichproben,  dass  diese  mit  zwei 
in  Paris  befindlichen  Drucken  aus  dem  Jahre  1517  im  ganzen  genau  übereinstimmt. 
B.  hat  in  der  Einleitung  dem  Verhältnis  des  deutschen  Textes  zu  seiner  Vorlage  eine 
erschöpfende  Untersuchung  zu  teil  werden  lassen.  Obwohl  eine  nahe  Verwandtschaft 
zwischen  dem  französischen  Druck  von  1517  (F)  und  der  deutschen  Uebersetzung  (D) 
herrscht,  die  zum  grossen  Teil  bis  zu  wörtlicher  Uebereinstimmung  geht,  kann  F  doch 
nicht  die  direkte  Quelle  von  D  gewesen  sein,  denn  oft  stimmt  D  gegenüber  F  näher 
mit  Pulci  (P)  überein.  Noch  zahlreicher  sind  die  Fälle,  wo  F  gegen  D  mit  P  stimmt. 
Nach  B.  muss  F  Umarbeitung  einer  älteren  französischen  Fassung  (A)  sein;  aber  auch 
aus  A  kann  D  nicht  geflossen  sein,  vielmehr  ist  eine  weitere  französische  Bearbeitung 
(V),  die  mit  F  auf  A  zurückgeht,  vorauszusetzen.  Ich  glaube  nun  mit  dem  Eecensenten 
S.  Singer,  dass  B.  unnötige  Mühe  aufgewandt  hat,  um  zu  scheiden,  was  als  Aende- 
rung  von  D  selbst  zu  betrachten  sei;  es  benötigt  kaum  eines  hypothetischen  V,  viel- 
mehr dürfte  D  im  wesentlichen  aus  A  geschöpft,  an  jenen  Stellen  aber,  wo  D  von  P 
sowie  von  F  abweicht,  selbständig  geändert  haben.  Auf  Rechnung  von  D  kommen, 
wie  übrigens  auch  B.  annimmt,  Aenderungen  und  Auslassungen  aus  antikatholischer 
Tendenz,  sodann  das  ganze  zweite  Kapitel,  das  auf  Einhart  und  Pseudoturpin  (4,  5 — 10 
stammt  nach  Singer  aus  Sueton,  Titus  8)  beruht,  sowie  wohl  auch  der  Einschub  S.  336  f., 
der,  wie  gleichfalls  S.  bemerkt,  der  Fassung  im  ,, Karlmeinet"  am  nächsten  steht.  Wo 
der  deutsche  Uebersetzer  absichtlich  von  seiner  Vorlage  abweicht,  „thut  er  es  zumeist  im 
Interesse  einer  gedrängteren  Darstellung,  dann  auch,  weil  er  als  Protestant  alles  Katho- 
lische   auszumerzen    oder    als    nüchterner  Mensch    allzu  sentimentale    und    wunderbare 


buch.  1.  D.  Sprichwörter-Kapit«l.  2.  Brant  u.  noch  einmal  Dasypodius:  VLG.  4,  S.  361—83,  ygl.  635.  —35-86)  X  Bhrhart, 
Marlowe  u.  sein  Faust.  (Eef.):  KBlGRSWUrtt.  88,  S.  188/9.  —  37)  X  P-  Machule,  Bemerkungen  zu  Marlowes  Faustus: 
ASNS.  86,  S.  227-58.  -  38)  X  L.  Frankel,  Zu  Doktor  Fausts  Fortleben  in  England:  GoetheJb.  1>,  S.  256/8.  -  39)  X  X 
S.  Morpurgo,  Un  nuovo  documento  suU'  Ebreo  Errante:  RiCrLI.  7.  —  40)  Von  sant  Menrat  ein  hUpsch  lieplich  lesen  was 
eilend  vn  anuut  er  erlitten  hat.  GetrUckt  zu  Basel  by  Michel  furter  1496.  Faksui.-Neudr.  Berlin,  Stargardt.  1890.  48  S. 
mit  Abbild.  M.  10,00.  —  41)  Morgant  d.  Riese  in  dtsch.  tj'bersetzung  d.  16.  Jh.  her.  v.  A.  Bachmann.  (=  Bibliothek  d.  Litt. 
Vereins    in  Stuttgart  CLX  XX IX.)    Tübingen.    1890.    LXXV,  424  S.    |  [AZg".  1892,  N.  63;   S.Singer:    ADA.  18,  S.  295/6.]  |  - 


167  PH.  Strauch,  Epos  des  16./16.  Jahrhunderts.  11  8:  42-48, 

Stellen  zu  beseitigen  sucht.  Aber  immer  geschieht  dies  in  ganz  äusserlicher  Weise; 
eigene  Zuthaten  von  Bedeutung,  tiefer  greifende  Aendeningen  m  Hinsicht  auf  den  Ver- 
lauf oder  die  Motivierung  der  Begebenheiten  lassen  sich  kaum  irgendwo  nachweisen. 
Auch  in  der  Form  zeigt  er  sich  fast  durchweg  abhängig  von  seinem  Original,  und  An- 
sätze zu  freier,  selbständiger  Wiedergabe  desselben  sind  im  allgemeinen  nicht  häufig." 
Die  Persönlichkeit  des  Uebersetzers  tritt  uns  nirgends  greifbar  entgegen.  Anlass  und 
Zweck  seiner  Aibeit  bleiben  uns  verborgen.  Abgesehen  davon,  dass  sein  Dialekt  ihn 
als  schweizerischer  Herkimft  erkennen  lässt,  sind  wir  auf  blosse  Vermutungen  ange- 
wiesen. Ein  hohes  Ziel  hat  er  sich  kaum  gesteckt.  „Man  darf  vermuten,  dass  er,  ein 
wohlhabender  und  gebildeter  Bürger,  bloss  zum  eigenen  Vergnügen  die  Arbeit  unter- 
nahm, und  man  muss  gestehen,  dass  er  sie  mit  grosser  Ausdauer  und  Gewissenhaftigkeit 
durchführte",  so  wenig  hervorragend  seine  Leistung  ftuch  ist.  „Immerhin  verdient  sie 
unsere  Beachtung  als  neues,  bisher  fast  unbekannt  gebliebenes  Zeugnis  für  eine  litte- 
rarische Richtung,  die  im  15.  und  16.  Jh.  auch  in  der  Schweiz  eifrig  gepflegt  wurde, 
selbst  dann  noch,  als  der  Kampf  um  Sieg  oder  Untergang  der  kirchlichen  Reform  das 
ganze  Interesse  der  Mitlebenden  auf  sich  zog."  Dem  sehr  korrekten  Textabdruck  (5,38 
wird  „houchen",  177,25  „touber"  zu  lesen  sein;  13,22  lies  „an  den";  97,  6  „erstunnet" ; 
210,8.  241,30  „zegwünnen"  =  „zegwinnen",  vgl.  243,32;  einigemal  scheint  „r"  und  „n" 
verlesen,  vgl.  21,  3.  fiO,  12.  7ß,  14.  187,  34)  folgen  besonders  den  Wortlaut  der 
Vorlage  berücksichtigende  Anmerkungen  sowie  ein  treffliches  Glossar,  das  dem  Schweizer 
Idioticon  ein  wohl  gesichtetes  Material  zur  Verfügung  stellt.  — 

Obwohl  die  eigentlich  historische  Litteratur ^2)  ausserhalb  des  Bereichs 
dieser  Berichte  liegt,  mag  doch  Eulings  *^)  Edition  der  bisher  nur  in  Auszügen  be- 
kannten Chronik  des  Hildesheimer  Bürgers  und  Dekans  Job.  Oldecop  (1493 — 1574) 
mit  einem  kurzen  Worte  auch  hier  berührt  werden.  Der  Vf.,  der  als  Wittenberger 
Student  bei  Luther  hörte  und  bei  ihm  zur  Beichte  ging,  ist  trotzdem  dem  alten  Glauben 
treu  geblieben  und  benutzt  in  seinen  Aufzeichnungen  jede  Gelegenheit,  um  darzulegen, 
dass  mit  Luthers  Auftreten  alles  Unheil  in  die  Welt  gekommen  sei,  ja  sogar  für  den 
Hosenteufel  macht  er  ihn  verantwortlich  (385,  29  ff.).  Erensdorff  hat  in  einer  ein- 
gehenden Besprechung  die  Denkwürdigkeiten,  die  die  Jahre  1501 — 73  umfassen,  auf 
ihren  historischen  Wert  untersucht  und  gezeigt,  dass  wenn  Oldecops  Werk  auch  nicht 
als  eine  zuverlässige  Geschichtsquelle  zu  gebrauchen  ist,  es  doch  einen  hohen  Wert 
als  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Stimmungen  und  Urteile,  wie  sie  in  den  katholisch  ge- 
bliebenen Kreisen  Norddeutschlands  herrschten,  beanspruchen  darf.  F.  hat  gleichzeitig 
auch  einer  litterarhistorischen  Würdigung  der  Aufzeichnungen  vorgearbeitet,  fast  mehr 
noch  als  der  Herausgeber,  der  sich  des  Raumes  wegen  tiberwiegend  auf  Hervorheben 
ihrer  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  beschränken  musste.  Oldecop  weiss  gewandt  und 
anziehend  zu  erzählen,  seine  Rede  durch  sprichwörtliche  Wendxingen  und  volkstümliche 
Ausdrücke  anschaulich  zu  machen,  sie  gelegentlich  durch  trockenen  Humor  zu  würzen. 
Einzelne  Abschnitte  (Euling  S.  VÜ  f.,  GGA.  S.  983  f.)  lesen  sich  wie  kleine  in  sich  ab- 
gerundete Novellen  und  gehören  zu  den  besten  Proben  mittelniederdeutscher  Prosa. 
Oldecop  ist  ein  Mann  von  gelehrten  Neigungen,  hat  Ereude  an  treffenden  Sinnsprüchen, 
die  er  auf  seinen  Reisen  an  Gebäuden,  an  Wappen  findet  (110,  27  ff.,  503,  28  f.),  be- 
schreibt neue  Bücher  „Epistolae  obscurorum  virorum"  50,  15,  C.  Spangenbergs  „Die  bösen 
Sieben  ins  Teufels  Kamöffelspiel'^  192,  2.  490,  21  ff.  495,  32  A.  531,  5  ff.,  Musculus' 
,, Hosenteufel"  385,  29),  „Elugblätter  nach  ihrer  Ausstattung,  insbesondere  den  Holz- 
schnitten, womit  die  Drucker  die  Aufmerksamkeit  des  Publikums  zu  erregen  suchen". 
Namentlich  häufig  begegnen  Citate  historischer  Volkslieder  (13, 27.  57,  19  f.  69, 10. 
71,  19  ff.  271,  13  ff.  305,  1  f.  335,  11  ff.  vgl.  29,1.  91,2).  Auch  den  dramatischen 
Aufführungen  in  Hildesheim  bringt  der  Vf.  Interesse  entgegen,  wenn  er  zum  Jahre  1517 
verzeichnet  „in  dussem  jare  ward  passio  Johannis,  dat  lident  Christi,  to  Hildensem  up 
dem  markede  gespelet"  und  eine  eingehende  Schildennig  folgen  lässt  (52,  11  ff.).  Um 
so  auffallender  ist  es,  wie  F.  hervorhebt,  dass  der  Chronist  nicht  auch  jenes  Fastnachts- 
spieles gedacht  hat,  das  der  Hildesheimer  Bischof  Johann  zur  Verhöhnung  des  Stiffe- 
adels  1520  auf  dem  Bischofshofe  aufführen  Hess.  Oldecops  Abwesenheit  von  Hildes- 
heim wälirend  dieser  Zeit,  \'ielleicht  auch  seine  Parteinahme  für  den  Bischof  mögen  die 
Erwähnung  des  „Scheveklot  oder  De  Brilmaker"  (Goedeke*  2,  S.  335:  Seelmann,  Mittel- 
niederd.  Fastnachtsspiele  S.  XXXV  ff.  49  ff. ;  KBlVNiederdSpr.  13,  S.  4),  der  viel  böses 
Blut  unter  dem  Adel  erregte,  verhindert  haben.      Uebrigens    findet  sich  die  dem  ersten 


42)  X  A-  Sohultx,  D.  Weissknnig.  Nach  d.  Diktaten  u.  eigenhlnd.  Anfkeichnnngen  KaiMr  Muimilians  I.  (usamineDKeaL  t. 
M.  Treitisauerwein  v.  Ehrentreitz.  Mit  238  Holischnitten  nach  Zeichnungen  t.  H.  Bnrgkmair,  L.  Beck,  H.  Springinklee  u. 
Schaufelein,  abgedr.  unmittelbar  nach  d.  Original-HoUtafeln  v.  J.  1516,  u.  19  linkograph.  Tafeln.  [Aus:  JKSAK.]  Wien, 
Tempgky  in  Eomm.  Iinp.  4».  XXVIII,  558  S.  M.  60,00.  (Ist  nur  e.  neue  Titelaasgabe  d.  1888  erschieuenen  Werke«  mit  her- 
abgesetztem Preise.)  —  43)  K.  Ettling,  Chronik  d.  Johan  Oldecop.  (=  Bibliothek  d.  Litt  Vereins  in  Stuttgart  CXC.)  Tübingen. 
VIII,  720  S.     i[AZg».  1892,  N.  63;  F.  Frensdorff:  GGA.  1892,  S.  969-87  ]i    (Vgl.   aooh   K.    Euling,   Hüdesheimer   Land    n. 


II  3:  44.  II  4:  1-5.         Ph,  Strauch,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  168 

Titel  zu  Grunde  liegende  Redensart  auch  bei  Oldecop  372,  10  vgl,  435,  31,  und  F.  be- 
merkt dazu,  dass  von  philologischer  Seite  (vgl.  KBlVNiederdSpr.  14,  S.  67)  bisher  nicht 
des  rechtshistorischen  Interesses  gedacht  wurde,  das  sich  mit  dem  Worte  verbindet 
(s.  Homeyer  in  seiner  Ausgabe  des  Richtstei^  Landrechts  1857,  S.  42  ff.).  Schliesslich 
sei  noch  die  kultiu-historische  Bedeutung  dieser  Publikation  erwähnt.  In  E.s  Einleitung 
finden  sich  gelegentlich  falsche  Citate,  die  sich  daraus  erklären,  dass  er  die  Seiten-  und 
Zeilenzahl  des  Originals  nicht  nachträglich  auf  Grund  seiner  Ausgabe  abänderte.  Da 
E.  übrigens  die  Seiten  des  Originals  im  Texte  verzeichnet,  so  kann  auch  so  jeder  leicht 
die  betreffende  Stelle  auffinden.  — 

Aus  dem  Gebiet  der  geschichtlichen  Prosa  ist  noch  anzuführen,  dass  Wutke**) 
dem  Leben  und  der  litterarischen  Thätigkeit  des  Hans  von  Schweinichen  (f  23, 
[nicht  13.]  Aug.  1616)  einen  Artikel  gewidmet  hat.  — 


11,4 

Drama. 

Johannes  Bolte. 


(ieistliche  Schauspiele  des  Mittelalters  N.  1.  —  Fastnachtspiele  N.  9.  —  Schulkomödien  N.  11.  —  Einzelne  Dra- 
matiker des  16.  Jh.:  Schweiz  N.  13;  Sachsen  N.  15;  Hessen  N.  20;  Franken  (Hans  Sachs)  N.  21;  Bayern  N.  31;  Württemberg 
N.  32;  Elsass  N.  33;  Oesterreich,  Böhmen,  Schlesien  N.  37;  Niederdeutschland  N.  40.  — 

Neue  Gesamtdarstellungen  der  dramatischen  Litteratur  des  16.  Jh.  haben  wir 
für  das  Berichtsjahr  nicht  zu  verzeichnen;  dagegen  zeigt  sich  das  fortdauernde  Interesse 
an  der  Erforschung  dieses  Gebietes  in  einer  Reihe  von  Einzelarbeiten,  denen  sich  plan- 
mässig  ausgewählte  Erneuerungen  einzelner  Stücke  oder  ganzer  Gruppen  in  willkommener 
Weise  anschliessen.  Dem  geistlichen  Schauspiele  des  Mittelalters,  dessen  Ent- 
wicklung sich  bis  tief  ins  16.  Jh.  fortsetzt,  gelten  mehrere  beachtenswerte  Arbeiten. 
Schon  vor  zwei  Jahren  hat  sich  L.  Wirth,  wie  Bechstein  i)  und  Holstein  2)  in 
ausführlichen  Referaten  darlegen,  bestrebt,  die  von  Milchsack  und  Lange  be- 
gonnenen Untersuchungen  über  die  Entstehung  und  Entwicklung  der  Oster-  und  Passions- 
spiele weiterzuführen  und  durch  sorgfältige  Vergleichungen  der  gemeinsamen  Verse  das 
Abhängigkeitsverhältnis  der  einzelnen  Spiele  aufzuhellen.  Wenn  auch  die  als  Resultat 
dieser  Arbeit  ermittelten  Stammbäume  sich  schwerlich  als  untrüglich  herausstellen 
werden,  können  doch  die  beigegebenen  tabellarischen  Nachweise  und  die^  Analyse  der 
Stilemente  und  Motive  als  willkommene  Grundlage  für  fernere  Eorschungen  dienen.  — 
Eine  umfangreiche  Sammlung,  die  neben  bekanntem  giuch  neues  Material  zu  allgemeiner 
Kenntnis  bringt,  Eronings^)  Drama  des  Mittelalters,  kann  ich  an  dieser  Stelle  nur 
erwähnen,  um  mir  eine  Besprechung  für  das  nächste  Jahr  vorzubehalten.  —  Das  dich- 
terisch wertvollste  unter  den  Osterspielen,  das  1464  zu  Redentin,  einem  dem  Cister- 
cienserkloster  Doberan  gehörigen  Hofe  bei  Wismar,  in  niederdeutscher  Mundart  auf- 
geschrieben wurde,  hat  C.  Schröder  4)  zum  Gegenstande  eines  in  Lübeck  gehaltenen 
Festvortrages  gemacht,  in  dem  er  die  Ergebnisse  seiner  früheren  Forschungen  wieder- 
holt und  erweitert.  Als  den  Dichter  oder  Redaktor  betrachtet  er  den  1465  als  Magister 
curiae  zu  Redentin  erscheinenden  Cistercienser  Peter  Kalf  und  möchte  die  einzelnen  der 
mecklenbiu'gischen  Mundart,  fremden  Formen  des  Textes  aus  der  niedersächsischen 
Heimat  des  vermutlichen  Vf.  erklären;  die  erste  Aixfführung  fand  wohl  nicht  in  dem 
kleinen  Redentin,  sondern  in  der  angesehenen  Hausestadt  Wismar  statt.  —  Zu  dem- 
selben Denkmale  giebt  C.  Walther  5)  eine  Reihe  scharfsinniger  und  durch  reiche  Ge- 
lehrsamkeit gestützter  Besserungsvorschläge;  abweichend  von  Schröder  nimmt  er  für 
einige  Stellen  Entlehnung  aus  mitteldeutschen,  wahrscheinlich  mittelrheinisclien  Quellen 
an.  —  Zwei  anderen  niederdeutschen  Dramen,  dem  „Sündenfalle"  Arnold  Immessens  und 


Leute   d.   16.  Jh.   in    d.    Chronik     d.  Dcchanten    Johan    Oldecop.     liildosheim,     ßorgmeyer.     1892.     100  S.    M.  1,00.)   —   44) 
0.  Wutke,  Hans  t.  Schweinichen:  ADB.  33,  S.  360/1.  — 

I)  R.  Bechstein,  L.  Witth,  Oster-  u.  Passionsspiele:  Germania  86,  S.  96—100.  —  2)  H.  Holstein,  L.  Wirth,  Oster- 
u.  Passionsspiele:  ZÜPh.  22,  S.  378—81.  -  3)  R/  Froning,  D.  Drama  d.  Mittelalters:  DNL.  14,  1—3.  Stuttgart,  Union,  o.  J. 
VIII,  1008  S.     M.  7,50.     (In  3  Bdn.)    —   4)  C.  Schröder,  D.  Bedentiner  Osterspiel:  KorrBlVNiederdS.  15,  S.  33/8.  —  5)  C. 


169  J.  Bolte,  Drama  des  1B,/16.  Jahrhunderts.  II  4:  «-13. 

dem  Theophilus,  widmet  Sprenger"-'')  textkritische  Bemerkungen,  zu  denen  auch 
Walthor  einiges  beigesteuert  hat.  Er  verheisst  eine  genauere  Untersuchung  der  Mundart 
des  ersteren  Denkmals,  dem  man  bald  Eirabeck,  bald  andere  Orte  als  Heimat  zugewiesen 
hat.  Den  Theophilus  besitzen  wir  bekanntlich  in  drei  ver.schiedenen  Fassungen,  unter 
denen  Sass  1879  die  Helmstädter  für  die  älteste  und  beste  erklärte,  während  die  Stock- 
holmer und  Trierer  Hs.  näher  mit  einander  verwandt  seien.  S.  widerlegt  diese  Grup- 
pieiung  der  Hss.  und  zeigt,  dass  jede  derselben  der  Vorlage  gegenüber  selbständig  ver- 
fahre. —  Eine  erwünschte  Klärung  hat  die  Frage  nach  der  litterarhistori sehen  Stellung 
von  Scherubergs  Spiel  von  Frau  Jutten  durch  Haage  8),  einen  Schüler  Edward  Schrö- 
ders, erfahren.  Er  weist  t\berzeugend  nach,  dass  der  während  der  Jahre  1483  -1502  im 
thüringischen  Mühlhausen  thätige  Priester  und  Notar  die  ihm  durch  Johannes  Rotiies 
thüringische  Chronik  vermittelte  Sage  von  der  Päpstin  Johanna  oder  Jutta  ohne  jede 
satirisch»  Tendenz  zur  Verherrlichung  der  gnadenvollen  Gottesmutter  dramatisch  ge- 
staltete und  dabei  nicht  nur  die  meisten  Motive  der  älteren  profanen  und  geistlichen 
Spiele  mit  vielseitiger  Belesenheit  vereinigte,  sondern  auch  viele  Stellen  wörtlich  aus 
dem  Theophilus,  dem  Künzelsauer  Fronleichnamspiele,  der  Vorlage  des  Alsfelder  Passions- 
spieles u.  a.  entlehnte.  Dieser  geschickten  Zusammenschweissung  des  traditionellen 
Materiales  steht  eine  auffällige  Ungeschickhchkeit  im  eigenen  dichterischen  Ausdrucke 
gegenüber,  die  H.  durch  eine  Zusammenstellung  der  hierbei  verwandten  Flickwörter  und 
Formeln  treffend  illustriert.  Gut  ist  auch  der  verhältnismässig  decente,  nicht  ausgelassen 
possenhafte  Charakter  der  Teufelsscenen  dargelegt;  gegen  einzelnes,  z.  B.  gegen  die 
Behauptung,  dass  Schernberg  in  bewusstem  Gegensatze  zum  Drama  von  de»i  zehn  Jung- 
frauen die  Milde  und  das  Erbarmen  Gottes  mit  den  sündigen  Menschen  betonen  wollte, 
wird  man  Bedenken  erheben  können.  Dass  der  protestantische  Herausgeber  vom  Jahre 
15G5,  Hieronymus  Tilesius,  nicht,  wie  Goedeke  meinte,  das  Sttick  ungehörig  interpolierte, 
will  H.  auch  in  einer  kritischen  Ausgabe   des  Dramas  darthun.  — 

Den  von  A.Keller  gesammelten  Fastnachtspielen  des  1.5.  Jh.  gilt  ein^kurzer 
Aufsatz  Holsteins  9),  der  auf  die  verstreuten  Ortsnamen  aufmerksam  macht,  um 'daraus 
Schlüsse  auf  den  Entstehungsort  der  einzelnen  Stücke  zu  ziehen.  Wenn  er  die  zald- 
reichen  Erwähnungen  von  Strassen  und  Wirtshäusern  Nürnbergs  und  von  nahe  gelegenen 
Dörfern  als  Beweis  für  den  nürnbergischen  Ursprung  anführt,  so  sagt  er  uns  freilich 
nichts  Neues;  anderes  scheint  nach  Bayern  zu  weisen;  wichtig  ist  jedenfalls  die  für  das 
Spiel  vom  Meister  Aristoteles  (Keller  N.  128)  aus  den  um  Erfurt  heimischen  Dorfnamen 
gezogene  Folgerung  eines  thüringischen  Ursprunges,  zumal  da  sie  durch  die  Mundart 
des  Stückes  bestätigt  wird.  —  Ein  Artikel  von  Sach^o)  scheint  auf  das  Fastnachtspiel 
vom  Herzog  von  Burgund  (Keller  N.  20)  Bezug  zu  nehmen.  — 

Wir  kommen  zu  dem  unter  dem  Einflüsse  der  Reformation  in  rascher  Fülle 
emporgeblühten  protestantischen  Drama  des  16.  Jh.,  dem  sich  seit  Goedekes  und  Scherers 
Vorgange  die  Forschung  immer  eifriger  zugewendet  hat.  Leider  nicht  stets  mit  Glück.  So 
reiht  eine  zusammenfassende  Arbeit  über  die  deutsche  Schulkomödie  von  Rache  *i-'2) 
auf  30  Seiten  nur  Citate  aus  bekainiten  neueren  Werken  an  einander,  ohne  den  Gegen- 
stand irgendwie  zu  erschöpfen  oder  von  einem  neuen  Gesichtspunkte  aus  darzustellen. 
Ebensowenig  kann  die  angehängte  Besprechung  der  Schauspiele  aus  dem  Schulleben  als 
eine  Förderung  der  Wissenschaft  gelten:  R.  giebt  nichts  als  trockene  Analysen  von 
teils  leicht  zugänglichen,  teils  durch  andere  Forscher  schon  besser  charakterisierten 
Dramen  von  Wickram,  Pondo,  Ayrer,  Murer,  Hayneccius,  Mauricius  und  Lese- 
berg. 12a)   — 

Die  einzelnen  Dramatikern  des  16.  Jh.  gewidmeten  Arbeiten  wollen  wir 
wiederum  nach  der  durch  Goedeke  eingeführten  landschaftlichen  Gruppierung  durch- 
gehen. Aus  den  schweizerischen  Schauspielen  unseres  Zeitraumes  hat  Baechtold '3) 
eine  Reihe  der  bedeutendsten  ausgewälilt  und  durch  seine  Schüler  zum  Abdrucke  be- 
arbeiten lassen.  Dem  ersten  Bande  dieser  dankenswerten  Sammlung  (vgl.  JBL,  1890 
II  4  :  11)  ist  schnell  ein  zweiter  gefolgt,  in  dem  uns  Gessler  zwei  in  Basel  von  Nicht- 
schweizern  verfasste  Dramen  darbietet:  die  1532  gedichtete  „Susanna"  des  Augsburgers 
Sixt  Birck  und  den  1550  erschienenen  „Weltspiegel"  des  Elsässers  Valentin  Boltz.  Die 
„Susanna"  wirkt,  wie  schon  Pilger  hervorhob,  in  der  sprachlich  und  metrisch  un- 
beholfenen Form  weit  weniger  günstig  als  die,  inzwischen  vom  Ref.  in  den  von  Herr- 
mann und  Szamatolski  herausgegebenen  „Lateinischen  Litteraturdenkmälern  des 
15./16.  Jh."  erneuerte,  weitverbreitete  lateinische  Bearbeitung,  die  Birck  später  von  dem- 

Walther,  Z.  Redentiner  Spiel:  JbVNiederdS.  16,  S.  44—53.  —  6)  R.  Sprenf^er,  Bemerkongen  u.  Besserungen  x.  SOndeD- 
fall:  ib.  S.  116-28.  —  7)  id.,  Z.  Kritik  u.  Erklärung  d.  Theophilu»:  ib.  S.  128—39.  —  8)  R.  Haage.  Dietr.  Schemberg  u.  «. 
an  Spiol  V.  Frau  Jutten.  Dias.  Marburg.  Pfeil.  III,  108  S.  —  9)  H.  Holstein,  Z.  Topographie  d.  FastnachUspiele : 
ZDPh.  23,  S.  104/8.  -  10)  O  A-  Saoh,  Sibylla  u.  Kaiser  Äugustus  in  d.  kirchl.  Sage:  HambNachr».  N.  11.  -  II)  F.  B.  Bach*. 
D.  dtsch.  Schulkomtidie  u.  d.  Dramen  t.  Schul-  u.  KnabenspiegeL  Diss.  Leipaig,  Baldamus.  79  S.  |[F.  Spengler: 
ADA.  17,  8.  338.]|  -  12)  id.,  D.  dtsch.  Schnlkomödie:  LZg».  S.  441,3.  (Auszug  aus  N.  12.)  —  12a)  (I  6  :  221.)  - 
13)  Schweizerische  Schauspiele  d.  16.  Jh.    Bearb.  durch  d.  dtsch.  Seminar  d.  ZOricher  Hochschule  unter  Leitg.  t.  J.  Bichtold 


II  4:  14-20.  J.  Bolte,  Drama  des  15. /16.  Jahrhunderts.  170 

selben  Stoife  lieferte;  doch  existiert  auch  ehie  später  von  einem  unbekannten  Zürcher 
Dichter  abgefasste  Umgestaltung  des  deutschen  Textes,  die  den  Ausdruck  bessert  und 
durch  Einschiebsel  den  Umfang  um  die  Hälfte  vermehrt.  G.  hat  diese  Varianten  sorg- 
fältig unter  dem  Texte  verzeichnet  und  in  der  knappen  Einleitung  einige  biographischen 
Thatsachen,  wie  das  Geburtsdatum  (24.  statt  21.  Februar),  richtig  gestellt.  Der  „Welt- 
spiegel", bei  dessen  Abdruck  die  zweite  Ausgabe  von  1551  zu  Grunde  gelegt  wurde,  ist 
eine  dramatische  Busspredigt  für  alle  Stände,  formlos,  aber  lebendig.  Unter  den  158 
Personen  treten  auch  biblische  und  allegorische  Gestalten  warnend,  lockend  und  strafend 
auf;  Bruder  Klaus  mahnt  die  Schweizer  an  die  ruhmreichen  Thaten  ihrer  Vorfahren. 
Die  sechs  Akte,  deren  Auiführung  auf  zwei  Tage  berechnet  war,  werden  durch  Chor- 
lieder abgeschlossen,  deren  Melodien  beigedruckt  sind.  —  Für  die  beste  Komödie  des 
16.  Jh.  erklärte  vor  kurzem  Bächtold  ein  hs.  in  SchafFhausen  aufbewahrtes  Lustspiel 
des  Malers  und  Fischart-Illustrators  Tobias  Stimmer  „Von  zwei  jungen  Eheleuten". 
Jetzt  liegt  uns  dasselbe  in  einem  von  Oerii*)  besorgten  zierlichen  Liebhaberdrucke  mit 
den  Federzeichnungen  Stimmers  und  einer  biographischen  Einleitung  zur  Prüfung  vor. 
Und  in  der  That  rechtfertigt  der  frische  Ton,  die  auch  im  Vergleich  mit  Hans  Sachs  vortreiF- 
lich  zu  nennende  Komposition  und  die  trotz  des  verfänglichen  Ehebruchsthemas  gesunde 
Lebensanschauung  wohl  ein  so  hohes  Lob.  Eine  lüsterne  junge  Bürgersfrau  und  ein 
buhlerischer  PfafF,  der  sich  mit  Hilfe  der  kuppelnden  Magd  in  Abwesenheit  des  Ehe- 
manns als  Bauer  verkappt  einschleichen  will,  stehen  dem  Hausherrn  und  einem  ehr- 
baren wirklichen  Bauersmann  gegenüber,  den  die  Magd  mit  dem  Pfaifen  verwechselt. 
Der  böse  Anschlag  misslingt,  da  der  Mann  den  Pfaffen,  ohne  ihn  zu  erkennen  und  seine 
Absicht  zu  ahnen,  fortprügelt  und  daim  vom  Bauern  Aufklärung  erhält.  Ueber  die 
Quelle  dieser  Verw^echslungskomödie  hat  der  Herausgeber  nichts  ermitteln  können;  ich 
glaube  sie,  wie  ich  nächstens  darlegen  werde,  im  ,,Esop"  des  Burkard  Waldis  gefunden 
zu  haben,  während  die  Figur  des  geprellten  Pfaffen  möglicherweise  aus  einer  italienischen 
Komödie  von  Giancarlo  herstammt.  — 

Aus  Sachsen  haben  wdr  gleichfalls  einen  Neudruck  zu  verzeichnen.  0.  Haupt^^) 
hat  den  „Almansor"  des  Grimmaer  Rektors  Martin  Hayneccius,  der  1578  lateinisch  und 
1582  deutsch  erschien,  nach  der  ersten  deutschen  Ausgabe  wortgetreu  wiederholt.  Das 
Stück  ist  eine  Verherrlichung  des  Schulmeisters  und  befolgt  in  der  metrischen  Form 
Rebhuns  Vorschriften.  Almansor  ist  ein  Quacksalber,  der  dem  einfältigen  Bauer,  dessen 
Sohn  der  Lehrer  innerhalb  einer  Stunde  zum  Gelehrten  hatte  machen  sollen,  einen 
Nürnberger  Trichter  verkauft.  H.  hebt  weder  die  Vorbilder  noch  die  Nachwirkungen 
des  Stückes  hervor,  weiss  auch  nichts  von  den  Aufführungen  (z.  B.  Wittenberg  1580, 
Bautzen  1610)  zu  berichten;  sein  Aufsatz  über  Hayneccius  im  „Praktischen  Schulmann" 
1891  ist  mir  nicht  zugänglich.  —  Die  Schulauflführungen  in  Chemnitz,  wo  Hayneccius 
eine  Zeit  lang  thätig  war,  behandelt  Uhle^^)  in  etwas  flüchtiger  Weise ;  für  das  16.  Jh. 
fusst  er  auf  Straumers  Programm  von  1888,  für  das  18.  Jh.  giebt  er  manche  beachtens- 
werte Notizen.  —  Einen  national-sächsischen  Stoflf,  die  Geschichte  des  Altenburger 
Prinzenraubes,  haben  zwei  Dramatiker  unsres  Zeitraumes  zum  Vorwurf  genommen,  1589 
Nikolaus  Roth  in  Weimar  und  1593  Daniel  Cramer  in  Wittenberg.  Beide  benutzten,  wie 
P.  Franz  1'')  in  seiner  umsichtigen  Doktorschrift  nachweist,  die  meissnische  Chronik  des 
Petrus  Albinus;  das  deutsche  Volksstück  Roths  blieb  bis  in  die  neueste  Zeit  ungedruckt, 
während  das  in  Frischlins  Spuren  wandelnde  lateinische  Drama  Cramers,  durch  geschickte 
Komposition  und  treffende  Charakteristik  hervorragend,  verschiedene  Ausgaben  und 
Verdeutschungen  erfuhr.  F.  untersucht  eingehend  diese  Uebersetzungen  von  Henrici, 
Ringwaldt,  Sommer  und  Abele,  betrachtet  auch  Cramers  zweites  Drama  „Areteugenia" 
und  giebt  im  Anhange  einige  Notizen  über  das  Theatrum  academicum  in  Altdorf,  über 
das  ich  eine  ausführlichere  Zusammenstellung  längst  vorbereitet  habe.  —  Ein  anderer 
sächsischer  Nachahmer  Frischlins  ist  der  aus  Wittenberg  gebürtige  Schulmeister 
Christian  Schön,  der  1599  eine  von  Bolte  ^8)  kurz  charakterisierte  Verdeutschung  seiner 
„Rebecca"  veröffentlichte,  während  sein  gleichzeitig  herausgegebener,  wohl  von  Macro- 
pedius  abhängiger  ,,Asotus"  ebenso  wie  das  unter  dem  Namen  „Dominicus"  erschienene 
und  von  Spengler '9)  erwähnte  Prodigusdrama  des  Remkerslebener  Pfarrers  Johannes 
Schrader  als  verloren  zu  gelten  hat.  — 

Ueber  den  Anteil  Hessens  an  der  Entwicklung  des  Dramas  hat  Edw.  Schröder20), 
der  eine  Publikation  darüber  vorbereitet  und  mehrere  jüngere  Gelehrte  auf  dies  Feld  ge- 
wiesen hat,  in  einem  Vortrage  gehandelt.  — 


2.  Bd.  Frauenfeld,  Huber.  VII,  355  S.  M.  4,00.  —  14)  Tob.  Stimmer,  Comedia.  Mit  18  Federzeichn.  desselben  z.  erstenmal 
her.  V.  J.  Oeri.  ebda.  XX VII,  58  S.  M.  4,00.  —  15)  M.  Hayneccius,  Almansor,  d.  Kinder  Schulspiegel.  Mit  e.  Einl.  her.  v. 
Otto  Haupt.  (=  Neudrr.  pHd.  Schriften,  her.  v.  A.  Richter.  N.  5.)  Leipzij?,  R.  Richter.  131  S.  M.  0,80.  —  16)  P.  Uhle, 
Z.  Gesch.  d.  SchulkomOdie  u.  andrer  theatral.  Aufführungen  in  Chemnitz:  MVChemnitzG.  7,  S.  129—47.  —  17)  P.  Fran  z,  D. 
attchsische  Prinzenraub  im  Drama  d.  1(>.  Jh.  Marburger  Dias.  Essen,  Baedeker.  4*>.  37  S.  —  18)  J.  Bolte,  Christian  SchOn: 
ADB.  32,  S.  244/5.  —  19)  F.  Spengler,  Johannes  Sehrader:  ib.  S.  430.   —   20)  QEdw.  Schröder,    Hessische  Schauspiele 


171  J.  Bolte,  Drama  des  16./16.  Jahrhundert«.  II  4:  21-31. 

Franken.  Unter  den  Hans  Sachs  gewidmeten  Arbeiten  ei^wähiie  ich  zu- 
niiclist  die  von  dem  jüngeren  Frommann  21)  besorgte  Neubearbeitung  von  Lfttzel- 
hergers  1H74  erschienener  Auswahl  22),  Allerdings  verfolgt  das  BOfhlein  ähnlich  Genees 
Work  hauptsächlich  populäre  Zwecke,  hat  aber  durch  die  Mitteilung  einiger  bisher  un- 
gednickter  Meisterlieder  aus  den  Nürnberger  Abschriften  und  durch  die  Aufnahme  der 
1557  enstandenen  Himmelfahrt  des  Markgrafen  Albrecht  von  Brandenburg  auch  für  den 
Forsclier  Wert.  F.  hat  die  alte  Schreibweise,  die  sein  Vorgänger  modernisierte,  wieder 
eingeführt  und  die  Worterklärungen  sowie  die  Einleitxnig  berichtigt  und  ergänzt.  — 
Die  Kenntnis  der  in  den  Dramen  des  Nürnberger  Dichters  benutzten  Quellen  hat 
Stiefel  23)  in  einer  ausführlichen  Untersuchung,  von  der  bisher  nur  der  erste,  die  85 
Fastnachtspiele  behandelnde  Teil  erschienen  ist,  um  ein  gutes  Stück  gefördert.  Den 
Erwä/^mgen  über  des  Dichters  Verhältnis  zu  Steinhftwels  „Decameron"  und  „Aesop",  Paulis 
„Schimpf  und  Ernst",  dem  „Ritter  vom  Thurn"  u.a.,  die  auch  die  wörtlichen  Berührungen  und 
die  vermiitlichen  Gründe  der  Abweichungen  berücksichtigen,  wird  man  meist  zustimmen 
können,  wenn  auch  manches  noch  unaufgeklärt  bleibt.  Neu  ist  z.  B.  der  NachweiH 
einer  Verdeutschung  der  Melanchthonschen  Fabel  von  den  ungleichen  Kindern  Eva. 
durch  Stephan  Vigilius  von  1541,  aus  der  Hans  Sachs  den  Stoff  seines  Fastnachtsspieles 
schöpfte,  während  die  Vergleichung  -'*)  des  „Schülers  im  Paradies"  mit  dem  1535  ge- 
druckten „Clericus  eques"  des  Neulateiners  Placentius  nicht  zu  der  Aufdeckung  der 
gemeinsamen  Quelle  führt.  —  Fast  gleiclizeitig  mit  diesem  Aufsatze  ist  eine  Fortj?etzung 
von  Dreschers -5^  Studien  zu  Hans  Sachs  (vgl.  JBL.  IWK)  114:30)  erschienen, 
in  denen  der  Vf.  hinsichtlich  einiger  Fastnachtspiele  unabhängig  zu  denselben  Resultaten 
wie  Stiefel  gelangt.  Die  übrigen  Abschnitte  des  Buches  behandeln,  unter  sich  kaum 
zusammenhängend,  ähnliche  Quellenfragen  für  die  Spnichgedichto  vom  Turnier  und  von 
den  römischen  Kaisern,  für  die  hauptsächlich  nach  Boccaccios  „De  claris  mulieribus"  ge- 
arbeitete „Tragedia  von  den  zwölf  argen  Königinnen"  und  für  die  aus  Ovids  Metamor- 
phosen entlelniten  Stücke,  von  denen  dreissig  Meisterlieder  im  Anhange  aus  der  Hand- 
schrift des  Dichters  zum  ersten  Male  mitgeteilt  werden.  Sorgfältig  wird  der  Beweis 
dafür  erbracht,  dass  Hans  Sachs  vor  dem  Erscheinen  der  Wickramschen  Ovidverdeutschung 
(1545)  die  Erzählungen  des  römischen  Dichters  durch  die  Vermittlung  verschiedener 
Bearbeiter,  wie  Boccaccio,  Polydorus  Vergilius,  Sebastian  Franck,  Christoph  Bruno 
von  Hyrtzweil,  kennen  lernte  und  nicht  etwa  das  Original  oder  eine  verlorene  Ueber- 
setzung  der  Metamorphosen  benutzte.  —  Aus  einer  knapp  gehaltenen  Uebersicht,  die 
Max  Koch  26)  über  die  neuere  Hans  Sachs-Litteratur  gab,  hebe  ich  eine  von  ihm  wieder- 
holte Nachricht  des  Zwickauer  Wochenblattes  hervor,  die  tiber  die  Art,  wie  die  eigen- 
händigen Manuskriptbände  des  Dichters  in  den  Besitz  des  Zwickauer  Rates  gelangten, 
Aufschluss  gewährt.  Danach  hat  sie  vorher  der  1633  in  Zwickau  verstorbene  Gastwirt 
Johann  Pregell,  ein  Enkel  und  Patenkind  des  Hans  Sachs  und  Sohn  des  Hans  Pregel 
und  der  Margarete  Sachs,  besessen.  —  Mit  Uebergehung  27)  einer  anonymen  Schilderung  28) 
von  Nürnberger  Fastnachtlustbarkeiten,  die  auf  einer  sehr  verdächtigen,  von  Vulpius 
erfundenen  oder  interpolierten  Selbstbiographie  U.  Wirschungs  (vgl.  ZDA.  32,  S.  21)  beruht, 
führen  wir  noch  eine  auf  genauer  Sachkenntnis  beruhende  Charakteristik  des  Nürnberger 
Rechenmeisters,  Kornschreibers  und  Meistersängers  Peter  Probst  durch  L.  Lier29)  an. 
Seine  acht  in  den  Jahren  1540 — 1556  entstandenen  Komödien,  deren  baldigen  Abdruck 
L.  in  Aussicht  gestellt  hat,  zeigen  Gemeinsamkeiten  mit  Rosenplut  und  Folz  einerseits 
und  mit  Hans  Sachs  andererseits  in  stofflicher  und  technischer  Beziehung;  auf  Waldis' 
„Esop"  fusst  das  Spiel  vom  Müller  und  seinem  Weibe,  sowie  das  von  den  Landsknechten 
und  dem  Pfaffen.  —  Der  aus  Spelt  gebürtige  Leonhard  Schwartzenbach,  dem  ein  Artikel 
Boltes  30)  gewidmet  ist,  gehört  zu  dem  Durchschnittsschlage  der  zeitgenössischen 
Dramatiker;  sein  ,,Titus  und  Gisippus"  verwendet  bekannte  Motive,  Gerichtssitzung, 
terenzianische  Charakterrollen  und  zeitgenössische  Landsknechtsfiguren.  Besondere  Unter- 
suchung verdient  seine  1554  erschienene  Synonymik.  — 

Aus  Bayern  ist  der  Augsburger  Dramatiker  Sebastian  Wild  schon  durch 
Goedekes  und  Hartmanns  Veröffentlichungen  dem  allgemeinen  Interesse  nahe  gerückt 
worden;  ob  Radlkofers  ^i)  Vortrag  wesentlich  Neues  über  ihn  brachte,  lässt  sich  aus 
dem  kurzen  Referat,  das  mir  vorliegt,  nicht  erkennen.  — 

Die  dramatische  Thätigkeit  des  Württembergers  Balthasar  Schnurr  be- 
schränkt   sich    auf  zwei    Uebersetzungen   aus  dem  Lateinischen    des  Schonäus    und    ist 


d.  15./17.  Jh.:  CasselerAZg.  N.  215/6.  (Ref.  Ober  e.  Vortrag.)  —  21)  E.  K.J.  LB  tselberger,  H.  Sachs.  8.  Leb«D  u.  s.  Dichtumg. 
2.  Aufl.  neu  boarb.  u.  venu.  y.  C.  Frommann.  Nürnberg,  Ballhorn.  -XII,  283  S.  M.  3,00.  -  22)  (I  7  :  32.)  —  23)  L.  Stiefel 
Quellen  H.  Sachsschor  Dramen:  Germania  36,  S.  1—60.  —  24)  id.,  D.  Clericus  eqnes  d.  Joh.  Placentius  u.  d.  22.  Fastnachts- 
spiel d.  H.  Sachs:  ZVLK.  NF.  4,  S.  440/5.  —  25)  C.  Drescher,  Studien  lu  H.Sachs.  NF.  Harburg,  Elwert.  7.102.  LIV  S. 
M.  4,00.  -  26)  M.  Koch,  Aus  d.  neueren  H.  Sach<-Litt:  AZg".  N.  278.  —  27)  O  K.  üeberhorst,  H.  Sachs:  DBBhneng. 
20,  S.  78/9,  86;7.  -  28)  Nürnberger  FastnachtsbelusUgungen  vor  300  J.:  FrlnkKurier  Sa  Jg.,  N.  73.  —  29)  H.  Lier,  Peter 
Probst,  e.  Zeitgenosse  u.  Mitbürger  d.  H.  Sachs:  AZg".  N.  161.  -    30)  (I  8  :  18.)  -  31)   M.  Badlkofer,    Seh.  WUd:    DiOcA 


II  4:  32-39.  J.  Bolte,  Drama  des  15. /16.  Jahrhunderts.  172 

daher  von  seinem  Biographen  M.  von  Waldberg  32)  nicht  besonders  charakterisiert 
worden.  — 

In  der  elsässischen  Reichsstadt  Strassburg  sammelten  sich  seit  ihrer  förm- 
lichen Lossagung  von  der  römischen  Kirche  i.  J.  1529  Vorkämpfer  der  reformato- 
rischen Ideen,  um  von  hier  aus  durch  Wort  und  Schrift  auf  viele  Gegenden  Ober- 
deutschlands mahnend  und  befruchtend  zu  wirken.  Unter  ihnen  hat  der  Mainzer  Jakob 
Cammerlander  schon  vor  mehr  als  dreissig  Jahren  Zarnckes  und  Goedekes  Aufmerksam- 
keit durch  die  eigentümliche  Art  erregt,  in  der  er  als  Verleger  deutscher  Volksschriften 
für  die  protestantische  Sache  Propaganda  machte.  Seine  Verlagsartikel  sind  selten 
Originale,  aber  auch  keine  eigentlichen  Nachdrucke,  sondern  sprachlich  und  sachlich  oft 
tiefgehende  Ueberarbeitungen  älterer  Werke.  B.  Wenzel  33)  hat  nun  in  einer  recht 
beachtenswerten  Promotionsschrift  eine  Liste  von  43  Verlagswerken  Cammerlanders  auf- 
gestellt und  die  Art  der  Umarbeitung  durch  Vergleichung  mit  den  Originalen  charakte- 
risiert. Als  eigentlicher  Bearbeiter  ist  nach  seinen  Darlegungen  Cammerlanders 
Korrektor,  der  gleichfalls  aus  Mainz  stammende  philologisch  und  medicinisch  gebildete 
Magister  Jakob  Vielfeld  anzusehen,  als  dessen  Kennzeichen  in  den  anonymen  Schriften 
die  Partikel  blan,  eine  bestimmte  Schlussformel  und  die  Vorliebe  für  Horazcitate  auf- 
treten. Uns  interessieren  hier  seine  konfessionellen  Umgestaltungen  des  „Decamerone", 
des  „Ritters  vom  Thurn",  der  „Gesta  Romanorum",  des  ,, Narrenschiffes"  u.  a.  weniger 
als  seine  Erneuerungen  von  fünf  satirischen  Dichtungen  Ecksteins,  Gengenbachs, 
Manuels  und  eines  Unbekannten,  die  er  in  den  Jahren  1539  —  44  der  veränderten 
kirchenpolitischen  Lage  anpasste  und  in  strengere  dramatische  Form  brachte,  sowie 
seine  Dramatisierung  von  Murners  ,,Schelmeiizunft".  Am  selbständigsten,  wenn  auch  nicht 
mit  sonderlicher  poetischer  Begabung  ist  er  mit  Manuels  ,, Badenfahrt  der  Messe"  um- 
gegangen, —  In  dieselbe  Zeit  fällt  die  von  Bolte  34)  besprochene  merkwürdige  Moralität 
des  württembergischen  Arztes  Alexander  Seitz,  der  sich  an  den  Bauernaufständen  gegen 
den  Herzog  Ulrich  beteiligte  und  gegen  Ende  seines  unruhigen  Lebens  in  Strassburg 
ein  Unterkommen  fand.  Seine  1540  hier  erschienene  Behandlung  der  neutestament- 
lichen  Parabeln  vom  grossen  Abendmahl  und  den  zehn  Jungfrauen  ist  ein  Protest  gegen 
die  gewaltsame  Verfolgung  der  Evangelischen,  die  man  von  Karl  V.  schon  vor  dem 
schmalkaldischen  Kriege  befürchtete.  —  Gleichfalls  ein  Schwabe  ist  der  Strassburger 
Schulmeister  Hieremias  Schütz,  dessen  „Bei  zu  Babel"  vom  Jahre  1572  kürzlich  durch 
Strauch  und  neuerdings  durch  Holstein  35)  behandelt  worden  ist:  eine  nicht  unge- 
schickte Bearbeitung  von  Chryseus'  „Hofteufel",  die  in  dem  Propheten  Daniel  ein  Vorbild 
Luthers  darstellen  will.  —  Bolte  36)  hat  die  bisher  nur  dem  Titel  nach  bekannte  Ver- 
deutschung von  Macropedius'  „Hecastus"  aufgefunden  und  besprochen,  die  1589  der 
„teutsche"  Schulmeister  Johannes  Schi-ecken berger  zu  Weissenburg  a.  Rh.  nach  einer 
wahrscheinlich  prosaischen  Uebersetzung  abfasste.  Dies  Verfahren  des  offenbar  im 
Latein  nicht  sehr  bewanderten  Nachdichters  verdient  bei  der  Beurteilung  ähnlicher 
Arbeiten  des  Hans  Sachs  beachtet  zu  werden.  Die  Sprache  zeigt  Gewandtheit  im 
pathetischen  Ausdruck,  die  Handhabung  des  Metrums  weist  auf  das  Muster  von 
S  chreckenbergers  Amtsvorgänger  Zyrl  hin.  — 

Unter  den  österreichischen  Dramatikern  hat  der  Erzherzog  Ferdinand  II. 
von  Tirol,  der  1584  ein  noch  ganz  im  Banne  der  mittelalterlichen  Tradition  stehendes 
Prosadrama  „Speculum  vitae  humanae"  schrieb,  neuerdings  in  Hirn  einen  sorgsamen 
Biographen  und  in  Minor  einen  kundigen  Herausgeber  gefunden.  Dagegen  bringt  die 
Programmabhandlung  Kluibenschedls  37)^  abgesehen  von  einigen  Zusammenstellungen 
über  Sprache  und  Orthographie  des  Stückes,  kaum  etwas  Neues;  sachliche  Irrtümer 
enthalten  die  einleitenden  Bemerkungen  über  die  Entwicklung  des  Schauspieles  im 
16.  Jh.  —  Aus  Böhmen  liefert  die  wohlüberlegte  Auswahl  Wolkans38)  vier  Dramen  in 
sorgfältigem  Abdrucke  als  Proben  der  Leistungen  der  Deutschböhmen  auf  diesem  Ge- 
biete: 1)  Clemens  Stephanis  Verdeutschung  der  terenzianischen  „Andria"  (1554),  2)  des- 
selben Posse  „Von  einer  Mülnerin  vnd  jren  Pfarrherr"  (1568),  deren  Stoff  von  Waldis 
bearbeitet  und  auch  von  Hans  Sachs  und  Peter  Probst  auf  die  Bühne  gebracht  wurde, 
3)  Meissners  Tragödie  vom  Untergang  Sodoras  und  Gomorras  (1580),  4)  die  anonyme 
,, Tragedia  von  Zweyen  Böhmischen  Landherren"  (1594).  Als  Quelle  eines  A;yTerschen 
Fastnachtspieles  ist  ferner  das  von  Wolkan  in  demselben  Bande  wiedergegebene  Gedicht 
Georg  Fleyssners  „RitterOrden  des  Podagrischen  Fluss"  (1594)  bemerkenswert.  —  Unter 
den  nicht  sehr  zahlreichen  schlesischen  Bühnendichtern  hat  A.  Müller  3»)  zwei  heraus- 
gegriffen, um  sie  einer   monographischen  Behandlung    zu    unterziehen,    Zacharias  Lieb- 


Schwaben  8,  S.  91/2.  (Ref.  Ubor  e.  Vortr.)  -  32)  M.  r.  Waldberg,  Balth.  Schnurr;  ADB.  32,  S.  196.  -  33)  B.  Wenzel', 
Ciiramerlander  u.  Vielfeld.  E.  Beitr.  z.  Litt.-Gesch.  d.  16.  Jh.  Rostocker  Dias.  Berlin,  KnoU  &  Wtilbling.  72  S.  —  34)  J. 
Bolte,  Alex.  Seitz:  ADB.  33,  S.  654/5.  —  35)  H.  Holstein,  llierem.  Schütz:  ib.  S.  126.  —  36)  J.  Bolte,  Schreckenberger: 
ib.  32,  S.  467.  —  37)  H.  Kluibensche  dl ,  Erzherzog  Ferdinand  II.  v.  Tirol  als  Schauspieldichter.  Progr.  Görz,  Seitz.  42  S. 
—  38)  (II  1:1.)  —  39)  Ant.  Müller,  D.  Theaterdichter  Zach.  Liebholdt  aus  Silberbrrg  u.  Hieron.  Lingk  aus  Qlatz.J  I.Teil. 


173  J.  Bolte,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts.      H4:  40-«.  115. 116:  i. 

holdt  und  Hieronymua  Lingk;  doch  liefert  er  in  dem  ersten  Teile  seines  Versuches 
nichts  als  eine  dürftige  Inhaltsangabe  von  Liebholds  Drama,  das  auf  der  auch  Shake- 
speares „Cymbeline"  zu  Grunde  liegenden  Erzählung  des  „Decamerone"  beruht.  — 

Aus  dem  niederdeutschen  Sprachgebiete  ist  uns  durch  Spengler *<•)  ein 
sorgfältiger  Neudruck  d«!r  ein  echtes  Talent  verratenden  Komödie  des  Pölit-zer  Pastors 
Ludwig  HoUonius  vom  träumenden  Bauern,  betitelt  „Somnium  vitae  humanae",  be- 
schert worden.  S.  macht  mit  Recht  auf  die  lebensvolle  Charakteristik  und  den  Humor, 
der  sich  in  den  niederdeutschen  Bauernscenen  und  in  der  Figur  des  Fraters  Antonius 
ausspricht,  aufmerksam  und  vervollständigt  nebenher  die  von  Minor  in  seinem  Abdrucke 
von  Ferdinands  II.  „Speculum  vitae  humanae"  gegebene  Litteraturübersicht  t\ber  das 
Schauspiel  unseres  Zeitraumes  durch  die  wichtigeren  Erscheinungen  der  letzten  Jahre.  — 
Dagegen  ist  es  Bolte  *>)  nicht  geglückt,  einer  von  Goedeke  benutzten  Weihnachts- 
komödie  des  Ratzeburger  Pastors  Antonius  Schwabe  habhaft  zu  werden;  zur  Biograpliie 
wären  noch  die  Notizen  bei  Burmeiater,  Beiträge  zur  Kirchengeschichte  von  Lauenburg 
(1882.  S.  60,  85)  nachzutragen.  —  Wieweit  ein  mir  nicht  zugängliches  Werk  von 
Claeys*2)  über  die  Theatergeschichte  Gents  die  niederländischen.  Aufführungen  des 
ItJ.  Jh.  berücksichtigt,  vermag  ich  nicht  anzugeben.  —  Nach  dem  interessanten  Berichte 
über  zwei  am  2.  April  l'A\)  in  Brüssel  vor  Karl  V.  und  Philipp  von  Spanien  gespielte 
Possen,  den  DisteH^)  aus  dem  Dresdener  Archive  mitgeteilt  hat,  verdient  das  nieder- 
ländische Schauspiel  dieser  Zeit  weit  mehr  Aufmerksamkeit,  als  ihm  in  Deutschland 
bisher  zu  teil  geworden  ist.  In  beiden  Stücken  tritt  uns  ein  ehebrecherisches  Paar 
entgegen,  das  durch  die  zurückgelassenen  Hosen  des  Buhlers  dem  betrogenen  Gatten 
verraten  wird  und  dennoch  diesen  durch  eine  neue  List  zu  bethören  weiss;  ein  in  zahl- 
reichen Variationen,  wie  im  französischen  Fabliau  „La  culotte  des  cordeliers"  und  in 
Poggios  „Braccae  divi  Francisci"  verbreiteter  Schwank.  Der  Astrolog  und  die  Ver- 
kleidung des  Buhlers  als  Ai-zt  im  ersten  Stücke  scheint  auf  italienischen  Ursprung  hin- 
zudeuten. — 


11,5 

Didaktik. 

Gustav  Roethe. 
(Der  Bericht  über  die  Ej'Sfheinungen  des  Jahres  1891  wird  im  dritten  Bande  nachgeliefert.) 


11,6 

Luther. 

Gustav  Kawerau. 

Werke:  Ausgaben  N.  1.  —  Neue  Funde  N.  6.  —  Einzelne  Schriften  N.  13:  Bibolübersetiunj  N.  20;  Katechismus 
N.  25;  Sprachliches  N.  32.  —  Biographie:  Gosaratdarstellungen  N.  35;  neue  Quellen,  Untersaebangen  Ton  Eiiizelh«it>-D 
N.  43.  —  Freunde  und  Feinde  N.  64;  Forscher  N.  75.  —  Theologie  und  Weltanschauung  N.  77.  —  Festspiele  N.  95.  — 

Das  Berichtsjahr  hat  von  Luthers  Werken  den  im  Jahre  vorher  vergeblich 
erwarteten  neuen  Band  der  Weimarer  Ausgabe  i)  gebracht.  Derselbe  enthält  die 
Schriften  Luthers  vom  Frühjahr  1523  bis  zum  Schluss  des  Jahres,  von  G.  Kawerau 
bearbeitet,  und  sodann  die  Predigten  des  ganzen  Jahres  1523  von  ßuchwald  her- 
ausgegeben. In  letzterem  Teile  wird  hs.  Material  zum  ersten  Male  verwertet  und  dadurch 
die  Reihe  der  noch  erhaltenen  Predigten  dieses  einen  Jahres  auf  die  stattliche  Zahl  40 
gebracht     Ganz    neu    sind    darunter    die   Predigten    21/2,  24,  27/8,  29  z.  T.,  30  6,  38; 


Progr.  Strehlen.  36  S.  |[L.  Hölscher:  ASNS.  87,  S.  358/9.];  —  40)  L.  HoUonias,  Somnium  Tit«e  humanae.  E.  Dram» 
1605.  Her.  v.  F.  Spengler.  (=  Neudrucke  dtsch.Litt-Wk.  d.  16/7.  Jh.  N.  95.)  Halle.  Xiemeyer.  VI,  73  S.  M.O.CO.  —  ♦l)J.  Bolte, 
Anton.  Schwabe:  ADB.  33,  S.  158.  —  42)  O  P-  Claeys,  Histoire  du  thöAtre  de  Oand  Gand,  Vuylateke  A  Bd«.  XII.  256.  442, 
448  S.  Fr.  10,00.  —  43)  Th.  Distel,  Inhalt  zweier  1549  iu  Brüssel  aufgoföhrter  TheaterstOeke:  ZVLR.  NF.  4,  S.  355;».  — 
I)   H.  Luther,   Werke.     Krit  GesamUusg.    12.  Bd.    Weimar,  BOhUn.    Ifi.    XVI,  706  S.    M.  18,00.    {[Th.  Kolde: 


II  6:  2-3a.  G.  Kawerau,  Luther.  174 

freilich  stehen  für  sie  nur  die  wenig  geniessbaren  Rotlischen  Nachschriften  aus  Zwickau 
zur  Verfügung.  Dankenswert  ist  es,  dass  andere  von  B.  in  doppeltem  Text,  teils  in  der 
zwiefachen  Recension  alter  Drucke,  teils  in  Nachschrift  und  Bearbeitung  für  den  Druck, 
uns  mitgeteilt  werden.  Unter  den  Einleitungen  zu  den  Schriften  seien  die  zur  Leisniger 
Kastenordnung,  zur  lateinischen  Messe  und  zu  der  Schrift  „An  die  Herren  Deutsch 
Ordens"  besonders  hervorgehoben.  Für  letztere  hat  K.  ein  erheblich  späteres  Datum, 
als  gewöhnlich  angenommen  wurde,  nachzuweisen  gesucht  und  dadurch  der  Schrift 
selbst  eine  ganz  neue  geschichtliche  Beleuchtung  gegeben,  indem  sie  nun  nicht  mehr 
als  der  eigenen  Initiative  Luthers  entsprungen,  sondern  als  Ergebnis  der  mit  dem 
deutschen  Hochmeister  geführten  Verhandlungen  und  damit  als  ein  Versuch  erscheint, 
für  die  Pläne  Albrechts  unter  den  Ordensrittern  und  in  weiteren  Kreisen  den  Boden 
vorzubereiten.  Bei  diesem  Bande  ist  zum  ersten  Male  die  Mitarbeit  des  von  der 
Kommission  für  die  Herausgabe  als  Sekretär  berufenen  Germanisten  P.  Pietsch  in 
Anwendung  gekommen.  Sie  zeigt  sich  in  Erörterungen  über  den  Sprachcharakter  der 
einzelnen  Drucke,  die  P.  den  Einleitungen  beigefügt  hat,  und  einer  planmässigeren  Ver- 
gleichung  der  "Wittenberger  Drucke  wie  einzelner  Nachdrucke  für  die  Variantenver- 
zeichnisse. Die  dadurch  abermals  in  die  Editionsprinzipien  gebrachten  Modifikationen, 
die  Betonung  der  germanistischen  Interessen  als  der  specifisch  „nationalen",  sowie  die 
Verlangsamung,  welche  die  Herausgabe  unter  Einfluss  dieser  Aenderungen  erfahi'en 
habe,  sind  für  Kolde  Anlass  zu  einem  scharfen  Angriff  auf  die  Kommission  und  ihren 
Sekretär  geworden,  der  nicht  ohne  Replik  (und  Duplik)  geblieben  ist.  Es  geziemt  dem 
Ref.  als  Mitarbeiter  am  Werke  nicht,  in  diese  Debatte  hier  einzutreten.  —  Auch  die 
amerikanische  Lutherausgabe,  eine  Erneuerung  der  Walchschen,  hat  einen  nevien  Band 
gebracht,  den  20.,  entsprechend  dem  gleichen  Bande  jener  alten  Ausgabe;  der  Heraus- 
geber Hoppe  2)  hat  wie  früher,  so  auch  hier,  durchaus  selbständig  die  Einleitungen 
bearbeitet  und  Walchs  Text  in  kritischer  Berichtigung,  bei  lateinischen  Stücken  in  z.  T. 
neuer  Uebersetzung  reproduziert.  Auf  Sp.  2386 — 2404  hat  er  ein  Register  seltener  bei 
Luther  vorkommender  Wörter  beigesteuert.  —  Auch  die  Braunschweiger  Ausgabe  •^)  ist 
im  Berichtsjahre  ein  gutes  Stück  vorwärts  gekommen,  indem  Band  4  die  in  Band  3 
begonnene  Auswahl  aus  den  reformatorischen  und  polemischen  Schriften  zu  Ende 
geführt,  und  Band  5  eine  Auslese  aus  den  Predigten  des  Reformators  passend  in  der 
Weise  gegeben  hat,  dass  zunächst  eine  Reihe  geschichthch  denkwürdiger  Predigten  zu- 
sammengestellt und  darauf  in  einer  zweiten  Reihe  Predigten  nach  dem  Kirchenjahr 
geordnet,  übrigens  hier  mit  Verkürzungen,  mitgeteilt  sind.  Der  5.  Band  ist  ganz  von 
Buchwald  bearbeitet,  bei  dem  4.  dagegen  finden  wir  neben  diesem  auch  Rade,  Her- 
mens,  H.  Scholz  und  Albrecht  beteiligt.  Eine  Fülle  von  geschichtlichen  und  sach- 
lichen Erläuterungen  dient  namentlich  bei  den  polemischen  Schriften  der  Erleichterung 
des  Verständnisses  und  giebt  dieser  Volksausgabe  Wert  auch  für  diejenigen,  denen  die 
grösseren  Ausgaben  zur  Verfügung  stehen.  —  Für  Kürschners  Sammelwerk  hat  Eugen 
Wolff  3a)  eine  Auswahl  aus  Luthers  deutschen  Schriften  hergestellt,  die  neben  Stücken, 
die  man  in  jeder  derartigen  Auslese  antreffen  kann  (An  den  christlichen  Adel,  Freiheit 
eines  Christenmenschen,  An  die  Ratsherren,  Lieder) ,  doch  aiich  manches  weniger 
bekannte,  interessante  Stück  bietet,  so  z.  B.  die  erst  1884  durch  Buchwald  vollständig 
edierte,  freilich  auch  nicht  von  Luther  selbst  zum  Druck  bearbeitete,  Predigt  „Von  den 
Fischen."  W.  geht  im  allgemeinen  auf  den  ersten  Druck  zurück,  bei  den  Briefen  nur 
auf  die  Recension  von  de  Wette,  bei  den  Liedern  auf  das  Gesangbuch  von  1545. 
Luthers  Fabeln  hat  er  nach  dem  Thieleschen  Abdruck  des  Originalms.  redigiert.  Die 
Texte  sind,  abgesehen  von  der  Verwendung  der  T^P©^!  ^?  '^j  "^  nach  heutigem  Gebrauch, 
möglichst  getreu  dem  Urdruck  nachgebildet,  auch  in  der  Interpunktion  schliesst  W.  sich 
den  Wittenberger  Drucken  an;  dass  diese  Zeichensetzung  „unter  Luthers  Aufsicht 
gewählt"  sei,  dürfte  freilich  nach  Ausweis  des  Fundes  in  der  Danziger  Stadtbibliothek 
(s.  u.  N.  13)  eine  nicht  haltbare  Annahme  sein.  Einige  sprachliche  und  sachliche  Er- 
läuterungen sind  unter  dem  Text  gegeben,  für  den  Leserkreis  jenes  Sammelwerks 
meines  Erachtens  zu  wenige,  und  mehr  gelegentlich  und  zufällig  als  nach  klarem 
Prinzip.  Ist  z.  B.  erklärt,  wen  Luther  mit  „Rotzlöflfel"  meint,  so  müsste  gleich  daneben 
auch  gesagt  werden,  wen  er  unter  „Schmid"  versteht.  Die  kurze  Einleitung  orientiert, 
meist  in  Anschluss  an  die  Weimarer  Ausgabe,  über  den  Anlass  für  die  einzelnen 
Schriften;  W.s  Blick  ist  hier,  wie  auch  schon  in  der  Auswahl  atis  Luthers  Briefen  uud 
Tischreden,  besonders  auf  die  volkstümliche  Ader,  die  deutsche  Art  in  Humor  und  Ge- 


QGA.  1892,  S.  568—79;  Replik  v.  P.  Pietsch:  ib.  S.  997/9;  Duplik  v.  Kolde:  S.  999— 1000.]|  —  2)  id.,  Sttmtl.  Schriften, 
lier.  V.  .1.  Q.  Walch.  20.  Bd.  Reformations-Sehriften.  Streitigkeiten  mit  d.  Sakramentierern  u.  anderu  Schwärmern.  Neue 
reT.Ster.-Au8g.{T.Hoppe)St.  Louis,  Mo.  (Dresden,  H.J.  Naumann).  40.  VIII,  70  S.  u.  2407  Sp.  M.  18.00.  |[B.:  ThLBl.  12,  S.  437.]| 
—  3)  id.,  Werke  für  d.  christl.  Haus.  Her.  v.  Buo  h  wald,  G.  Kawerau ,  Kö  stlin,  Rade,  E.  Schneider  u.  a.  4.  Bd. 
2  Folge:  Reformator,  u.  polem.  Sclirifton.  5.  Bd.  Predigten  u.  erbauliche  Schriften.  Braunschwoig,  Schwetschke  &  Sohn. 
482  u.  XVI,  571  S.    M.  1,80  u.  2,10  (bez.  feine  Ausg.  M.  8,00   u.  3,50).     |[G.  Bessert:  ThLBl.  12,  S.  163/4,  443/4.]|  —  3a)  id., 


175  Ö.  Kawerau,  Luther.  U  6:  4-8 

mtitstiefe  und  die  dichterische  Begabung  des  Reformators  gerichtet.  Etwas  weniger 
Pathos  und  ein  weniger  mit  Bildern  überladener  Stil  (vgl.  den  3.  Satz  der  Einleitung) 
wäre  hier  erwünscht.  „Autliontische"  Bilder  und  verkleinerte  Nachbildungen  der  Titel- 
blätter der  Originaldrucke  schmücken  die  Sammlung;  auch  die  Nachbildung  eines  Blattes 
aus  der  Hs.  der  Bibelübersetzung.  Die  Texte  sind,  so  weit  ich  verglichen  habe,  treu 
und  sorgfältig  redigiert.  —  Unt« »-  den  für  Schulzwecke  veranstalteten  Ausgaben  nimmt 
die  von  Neubauer  *)  bearbeitete  J^uswahl,  die  nun  abgeschlossen  vorliegt,  einen  her- 
vorragenden Platz  ein.  Der  zweite  Teil,  der  die  Auswahl  zum  Abschluss  bringt,  bietet 
vermischte  Schriften  weltlichen  Inhalts:  Fabeln,  Gleichnisse,  Sprüche  und  Reime; 
einige  Gedichte  und  Briefe  und  scliliesslich  unter  der  Aufschrift  „Aus  der  Lebensweisheit 
Luthers"  eine  besonders  aus  den  Tischreden  herau.sgehobene  hübsche  Auswahl  sinn- 
voller Aussprüche  und  Betrachtungen,  in  denen  ebenso  die  praktische  Weltbeurteilung  wie  die 
Gemütstiefe  und  nicht  zum  mindesten  auch  die  plastische  Ausdrucksweise  Luthers  zur 
Anschauung  kommen.  Die  Beifügung  eines  grammatischen  Anhangs  über  Luthers  Sprache 
in  ihren  wichtigsten  Abweichungen  vom  heutigen  Sprachgebrauch  ist  eine  jedem  nicht 
germanistisch  geschulten  Leser  der  Werke  Luthers  angenehme  Beigabe.  —  Erheblich 
kürzer  ist  die  für  Töchterschulen  berechnete  Auswalü,  die  Stadler*)  redigiert  hat. 
Von  Schriften  sind  hier  nur  „An  den  christlichen  Adel",  „An  die  Ratsherren"  und  das 
„Sendschreiben  vom  Dollmetschen",  z.  T.  stark  verkürzt,  mitgeteilt,  ausserdem  einige 
Briefe,  Fabeln,  eine  kleine  Probe  aus  den  Predigten  und  die  Lieder  von  den  zwei 
Märtyrern,  „Nu  freut  euch  lieben  Clu'isten  g'mein",  „Ach  Gott  vom  Himmel  sieh  darein", 
und  „Frau  Musika";im  übrigen  ist  auf  das  Gesangbuch  venviesen.  Die  Texte  sind  teils 
ganz  modernisiert,  teils  wörtlich  getreu,  aber  in  moderner  Ortliographie  gegeben. 
Sprachliche  und  sachliche  Erläuterungen  sind,  statt  unter  den  Texte  gestellt  zu  wer- 
den, in  eckigen  Klammern  in  den  Text  eingeschoben.  Die  Rücksicht  auf  das  zarte 
Geschlecht  wirkt  auf  die  Textverkürzungen  stark  ein,  daneben  wohl  auch  die  Rücksicht 
paritätischer  Schonung  nichtevangelischer  Schülerinnen;  daher  ist  die  kurze  Biographie 
möglichst  farblos  gehalten,  und  es  wird  z.  B.  im  „Sendschreiben  vom  Dollmetschen"  der 
Satz  unterdrückt,  der  von  den  langen  Ohren  der  Papisten  redet,  und  hier  durch  die 
vorsichtigen  Kürzungen  der  Charakter  des  Schreibens  nicht  unwesentlich  abgeblasst 
Der  Luther  dieser  Sammlung  ist  daher  nur  ein  schwächliches  Abbild  des  echten. 
Charakteristisch  ist,  dass  die  Einleitung  Luther  als  einen  der  grössten  deutschen 
Humanisten,  seine  Bibelübersetzung  als  die  grösste  Leistung  des  deutschen  Humanismus 
„in  sprachlicher  wie  sachlicher  Hinsicht"  bezeichnet.  Ganz  verfelilt  ist,  was  S.  über  die 
95  Thesen  erzählt,  dass  Luther  hier  mit  der  Lehre  von  der  Gerechtigkeit  aus  dem 
Glauben  allein  zuerst  hervorgetreten  sei,  irreleitend,  dass  er  Luther  sich  mit  „Katharina 
von  Bora  (und  Züllsdorf)"  verheiraten  lässt.  Auch  sollte  er  doch  die  Titel  Lutherscher 
Schriften  nicht  willkürlich  ändern.  Die  berühmte  Schrift  „An  die  Ratsherrn"  heisst  das 
eine  Mal:  „An  die  Bürgermeister  und  Ratsherren",  also  nicht  nach  dem  Titel,  sondern 
jiacli  der  Widmung,  das  andere  Mal:  „Von  Aufrichtung  christlicher  Schulen  in  den 
Städten".  Als  verkehrt  muss  ich  es  auch  bezeichnen,  dass  Luthers  Kämpfe  eingeteilt 
werden  in  die  gegen  seine  Feinde,  die  Römischen,  und  gegen  seine  „unverständigen 
Freunde",  Bilderstürmer,  Wiedertäufer,  Bauern,  Erasmus,  Schweizer.  — 

Auch  für  die  Mehrung  unserer  Kenntnis  des  litterarischen  Nachlasses  Luthers 
ist  das  Berichtsjalir  nicht  ertraglos  geblieben.  Buchwald  ^)  erzählt  uns  von  seinen 
neuen  Funden  auf. der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek;  wie  er,  durch  eine  alte  brief- 
liche Notiz  geleitet,  mit  gutem  Erfolge  nach  alten  Drucken  gesucht,  die  einst  der 
Bibliothek  Luthers  angehört  haben  und  von  diesem  mit  Randbemerkungen  versehen 
sind.  An  solchen  Schi'iften,  deren  Benutzung  durch  Luther  der  ältesten  Zeit  seiner 
Studien  angehören  und  eben  dadurch  für  die  Erforschung  seiner  theologischen  Entwicklung 
von  Wert  sind,  sind  glücklich  wieder  aufgefunden:  eine  Ausgabe  des  Petrus  Lombardus 
von  1489,  die  Luther  noch  in  Erfurt  1509  if.  benutzt  hat.  Taulers  Predigten  in  der 
Ausgabe  von  1508  (Benutzungszeit  wohl  151G  if.),  ferner  verscliiedene  Schriften  Augustins 
in  Ausgaben  von  1489  mit  Randbemerkungen,  die  teilweise  auf  das  Jahr  1509  führen, 
sowie  Opusciila  des  Anselm  (darunter  auch  Cur  deus  homo)  und  ein  Werk  Tritheims, 
das  freilich  nur  ganz  wenige  Bemerkungen  von  Lutliers  Hand  aufweist.  —  Aus  den 
Randnotizen  zu  Petrus  Lombardus  und  Tauler  hat  Buchwald  '')  inzwischen 
bereits  Stücke  publiziert.  —  Auch  in  Nordhausen  erfolgte  der  Fund  eines  noch  der 
vorreformatorischen  Zeit  angehörigen  Luthermanuskriptes  8).  Es  wurde  nämlich 
bemerkt,  dass  das  dortige  städtische  Museum  im  Besitz  eines    der    beiden  Blätter    war. 


Schriften,  her.  v.  Eug.  Wolf  f:  (=  DNL.  15).  Stuttgart,  Union.  XV,  434  S.  M.  2,50.  —  4)  (I  7  :  42.)  |[G.  Kawertu:  ZDPh.  24. 
S.  l!n/9.]|  —  5)  (I  7  :  31.)  —  6)  G.  Buchwald,  Aus  D.  M.  Luthers  BOcherei:  MAVZwickau  3,  S.  82/ß.  —  7)  Id.,  Aus  Luthers 
Randbemerkungen  zu  d.  Sentenzen  d.  Petrus  Lombardus  n.  an  d.  Predigten  J.  Taulers:  BSlchsKG.  5,  S.  67-90.  —  8)  Lnther- 
fund   in   Nordhausen.    (Bl.  \LI  d.  WoUenbUtteier  Psalters.)    UVgl.    H.  Beineok:    Sammler   18,   S.   141;    BraunschwMgTBL  t. 


II  6:  9-13.  Gr.  Kawerau,  Luther.  176 

die  im  18.  Jh.  dem  berühmten  Wolfenbüttler  Psalter  Luthers  (vgl.  Weimarer  Ausgabe 
III,  S.  328  und  358)  gestohlen  worden  sind.  Der  glückliche  Fund  ist  inzwischen  durch 
Tausch  an  die  Wolfenbüttler  Bibliothek  zurückgelangt  und  wird  demnächst  in  einem 
Supplementband  der  Weimarer  Ausgabe  berücksichtigt  weiden.  —  Auch  der  Brief- 
wechsel Luthers  hat  wieder  einige  Bereicherung  erfahren.  Enders  ^-^o)  j^^t  nicht  allein 
den  4.  Band  seiner  Ausgabe  des  Briefwechsels,  vom  4.  Sept.  1522  bis  27.  August  1524, 
vollendet  und  hier  die  Fachgenossen  mit  allerlei  Briefnummern  erfreut,  die  bisher  in 
keiner  Sammlung  zu  iiiiden  waren,  sondern  hat  auch  drei  Briefe  Luthers  aus  späterer 
Zeit  an  Sixt  Oelhafen  den  Jüngeren  in  Leipzig  vom  Jahre  1539,  —  alle  drei  betreffen 
die  Unterstützung  bedürftiger  Studenten  und  Prediger,  —  einstweilen  durch  den  Abdruck 
in  einer  Zeitschrift  den  Pachgenossen  zugänglich  gemacht.  Zwar  bringt  sein  4.  Band 
nur  einen  einzigen  Brief  Luthers,  der  ganz  neu  zum  erstenmale  aus  der  Hs.  (Hamburger 
Stadtbibliothek)  hier  erscheint,  gerichtet  an  Herzog  Johann  von  Sachsen,  die  Empfehlung 
eines  Predigers  enthaltend,  der  durch  seine  Verheiratung  um  Amt  und  Brot  ge- 
kommen war.  Aber  manche  andere  Nummer  jenes  Bandes  darf  einem  neuen  Punde  gleich- 
geachtet werden,  indem  Briefe  hervorgeholt  sind,  die  zwar  schon  irgendwo  gedruckt, 
aber  bisher  unbeachtet  und  unbenutzt  geblieben  waren;  so  vor  allem  ein  Schreiben  der 
Aeltesten  der  böhmischen  Brüder  an  Luther,  das  in  einem  böhmischen  Druck  von 
1523  sich  findet  und  hier  zum  ersten  Male  in  deutscher  Uebersetzung  zugänglich  gemacht 
wird.  —  Das  Kollektivschreiben  an  Herzog  Heinrich  von  Sachsen,  welches  P.  Vetter  ii) 
veröffentlicht  hat,  enthält  die  Pürbitte  für  einen  unter  Herzog  Georg  um  seines  evan- 
gelischen Bekenntnisses  willen  vertriebenen  Bürgermeister,  dass  er  wieder  in  sein 
Amt  restituiert  werde.  —  Als  ein  schmählicher  Schwindel  wurde  dagegen  bald  ein  Fund 
erkannt,  der  in  den  ersten  Wochen  des  Berichtsjahres  viel  von  sich  reden  machte  ^^^^ 
Für  zehntausend  Mark  hatte  ein  Studiosus  in  Münster  von  einem  Gastwirt  ein 
„Betrachtungsbuch  über  das  Leiden  Christi"  erworben,  welches  Kurfürst  Joachim  von 
Brandenburg  zwischen  1522  und  1524  bei  dem  Soester  Goldschmidt  Aldegrever  für 
Luther  bestellt  und  ihm  geschenkt  haben  sollte.  „Hiernach  wird  sich  die  bisherige 
geschichtliche  Beurteilung  des  Kurfürsten  ändern",  meldete  bereits  eine  voreilige 
Zeitungsnotiz,  während  doch  jeder,  der  Kurfürst  Joachims  Stellung  zu  Luther  nur 
einigermassen  kannte,  die  ganze  Geschichte  von  dem  Funde  nur  mit  äusserster  kritischer 
Reserve  lesen  konnte.  Gar  bald  kam  denn  auch  ans  Licht,  dass  der  Verfertiger  des 
Ganzen  ein  Graveur  in  Münster  war,  der  schon  ähnliche  „Altertümer"  für  gute  Bezahlung 
angefertigt  zu  haben  bekannte  und  dem  jener  findige  Wirt  als  Kommissionär  gedient 
hatte.  Unsere  geschichtliche  Beurteilung  des  Kurfürsten  wird  somit  unverändert 
bleiben.  — 

Einzelne  Schriften.  Zu  den  glücklichen  Funden  darf  aber  noch  gerechnet 
werden,  dass  auf  der  Danziger  Stadtbibliothek  Luthers  Originalhandschrift  seines  Buches 
von  den  guten  Werken  (1520)  sowie  seine  Uebersetzung  des  Urteils  der  Pariser  Theo- 
logen nebst  seinem  „Gegenurteil"  (1521)  aufgefunden  wurde^^).  Leider  geschah  die 
Entdeckung,  bez.  die  Benachrichtigung  der  dafür  Interessierten  über  diesen  Fund  erst 
damals,  als  eben  der  Druck  der  Schrift  von  1521  für  die  Weimarer  Ausgabe  Bd.  8 
vollendet  war;  es  konnte  daher  dort  eine  Verwertung  der  Hs.  nicht  mehr  geschehen. 
Nun  hat  aber  N.  Müller  i^)  zunächst  den  Traktat  von  1520  genau  nach  der  Hand- 
schrift unter  sorgfältiger  Kollationierung  der  Wittenberger  editio  princeps  herausgegeben 
und  gewährt  damit  eine  sichere  Unterlage  zur  Beurteilung  der  Frage,  inwieweit  die 
Wittenberger  Drucke  Luthers  eigene  Sprache  und  Schreibweise  wiedergeben.  Es  kann 
sich  jeder  jetzt  überzeugen,  dass  die  Orthographie  der  Lutherdrucke  nicht  die  Luthers, 
sondern  die  der  Druckerei  bezw.  die  der  einzelnen  Setzer  ist,  dass  von  einer  Korrektur 
Luthers  an  seinen  Schriften  in  Bezug  auf  die  Schreibweise  nicht  füglich  geredet  werden 
darf,  dass  aber  auch  die  Drucke  in  Beziehung  auf  die  Laute  keineswegs  Luthers  Ms. 
getreu  wiedergeben,  dass  sie  auch  am  Texte  sich  hier  und  da  Abweichungen  gestatten, 
die  neben  Flüchtigkeitsfehlern  der  Setzer  wohl  auf  die  Thätigkeit  eines  von  Luther  ver- 
schiedenen Korrektors  schliessen  lassen.  Interessant  ist  ferner  hier  zu  erkennen,  wie 
Luther  selbst  am  Texte  gearbeitet  und  einzelne  Stücke  der  ersten  Niedersclirift  wieder 
getilgt  und  überarbeitet  hat;  interessant  auch  zu  seilen,  wie  so  manche  der  vorsich- 
tigen Korrekturen,  welche  der  Herausgeber  i:i  der  Weimarer  Ausgabe  dem  Original- 
druck gegenüber  versucht  hatte,  jetzt  durch  die  Originalhs.  als  verfehlte  Konjekturen 
erkannt    sind.     Der  Fund    dieser  nach  Ausweis  der  Randbemerkungen  in  der  Druckerei 


27.  Juli;  ThLBl.  12,  S.  328.] |  —  9)  M.  Luther,  Sämmtl.  Werke.  (Sog.  Erlanger  Ausg.)  Briefwechsel,  hearb.  u.  mit  Erllut. 
vera.  v.  E.  L.  Enders.  Bd.  4.  Calw  u.  Stuttgart,  Vereinsbuohhandl.  VIU,  383  S.  M.  4,50.  —  10)  E.  L.  Enders,  3  Luther- 
hriefe:  ThStK.  S.  370/4.  —  II)  P.  Vetter,  Luther,  Jonas  u.  Melauchthon  an  Herzog  Heinrich  v.  Hachsen,  Wittenberg, 
d.  25.  Nvbr.  1539:  ZKG.  12,  S.  620/1.  —  12)  Luthers  eigenhändiges  BctracUtungsbuch  Über  d.  Leiden  Christi:  ThLBl.  11, 
S.  448;  12,  S.  14,  42,  50,  88;  FZg.  N.  (i,  9;  SchwltbMerk.  9.  Jan.;  HambCorr.  N.  35.  —  13)  M.  Luther,  V.  d.  guten  Werken. 
(1520.)    Aus  d.  Origha.  her.  v.  N.  MUllor.    (=  Noudrr.  dtsch.  Litteraturwerke  d.  16./7.  Jh.  N.  93/4).    Halle,  Niemeyer.    111  S. 


177  G.  Kawerau,  Luther.  11  6:  i4-i'0. 

als  Drurkvorlage  benutzten  Hh.  darf  das  Interense  des  Lutherforschers  wie  des  Germa- 
nisten in  gleicher  Weise,  wenn  auch  unter  verschiedenen  Gesichtspunkten,  bean- 
spruchen. —  Für  Hendels  Bibliothek  der  Gesamtlitteratur  hut  H.  Wittenberg'*-'**) 
drei  Hefte  Lutherscher  Schriften  sprachlich  bearbeitet  (modernisierter  Text),  mit  Ein- 
leitungen versehen  und  teilweise  auch  mit  Anmerkungen  ausgestattet.  An  allerlei  Mühe 
hat  er  es  dabei  .ücht  fehlen  lassen,  so  z.  B.  in  den  anscheinend  selbständig  zusammen- 
getragenen Erläuterungen  zu  der  Schrift  „An  den  christlichen  Adel".  Die  bereits  vorhandenen 
trefflichen  HCilfsmittel  scheinen  ihm  hierbei  unbekainit  geblieben  zu  sein.  Er  würde 
z.  B.  sonst  auch  für  das  Heft,  welches  den  „Sendbrief  an  Leo  X.''  und  die  Schrift  „Von 
der  Freiheit  eines  Christenmenschen"  bietet,  Knaakes  vortrefflichen  Neudruck  der  wirk- 
lichen Originale  zu  Grunde  gelegt  haben,  anstatt  zwei  Drucke  von  1520  zu  wälden,  die 
trotz  des  „Wittenberg"  auf  dem  Titel  doch  nur  ein  Augsburger  und  ein  Leipziger 
Nachdruck  sind.  Das  dritte  Heft  bietet  die  geistlichen  Lieder,  genau  in  der  Reihen- 
folge wie  in  Danneils  Sammlung  (Frankfurt  a.  M.  1883),  also  dem  W^ackemagelschen 
Versuch  einer  chronologischen  Ordnung  im  wesentlichen  folgend ;  von  „Aus  tiefer  Noth" 
giebt  W.  gleich  Danneil  nur  die  umgearbeitete,  nicht  die  erste  Form.  Bedenklich  ist 
hier  S.  23  die  Umsetzung  der  Worte:  „Das  lass  ich  dir  zu  letze"  in  „Das  lass  ich  dir 
zur  Lehre".  Auch  sonst  zeigt  sich  der  Herausgeber  bei  im  ganzen  sorgfältiger  Arbeit 
seiner  Aufgabe  nicht  überall  gewachsen ;  verfehlt  ist  z.  B.  in  Heft  515,  S.  12  die  Anm.  2, 
wo  Luthers  Ausdruck  falsch  verstanden  ist;  in  sachlicher  Beziehung  ist  S.  07  Anm.  1 
die  Erklärung  zu  „Pikarden"  zu  beanstanden,  da  der  Herausgeber  nicht  ahnt,  dass 
Luther  die  böhmischen  Brüder  so  benennt,  und  sich  dafür  aus  Gottfr.  Arnold  (!)  eine 
Erklärung  des  Wortes  herbeiholt.  Die  Einleitung  zu  Heft  515  überschätzt  die  Bedeutung 
der  Romreise  für  Luthers  innere  Entwicklung  ganz  erheblich  und  drückt  sich  so  un- 
vorsichtig aus,  dass  der  Leser  meinen  muss,  die  Schrift  ,,An  den  christlichen  Adel"  wäre 
der  Verbrennung  der  Bannbulle  erst  nachgefolgt.  Jedem  der  drei  Hefte  ist  eine  Nach- 
bildung des  schönen  Schnorr  v.  Carolsfeldschen  Lutherbildes  beigegeben,  welches  durch 
Köstlins  kleine  Jubiläumsschrift  (Halle  1883)  zuerst  bekannt  gemacht  wurde.  — 
Mit  Dank  wird  jeder  die  Vollendung  der  bereits  JBL.  181)0  II  6  :  14  genannten 
Sammlung  der  zwischen  Luther  und  Emser  1521  gewechselten  Streitschriften 
begrüssen.  Enders 'ö)  hat  durch  zuverlässige  Neudrucke  uns  hier  die  seltenen 
Emserschen  Schriften  leicht  zugänglich  gemacht;  auch  für  die  Lutherschen  felilt  uns  zur 
Zeit  noch  der  kritische  Abdruck  der  Weimarer  Ausgabe,  so  dass  auch  ihr  Neudruck 
willkommen  geheissen  werden  muss.  Gern  würde  man  freilich  neben  der  knappen,  aber 
zuverlässigen  Einleitung  auch  noch  Erläuterungen  für  den  Text  selbst,  besonders  Nach- 
weisungen der  Stellen,  auf  welche  der  Gegner  jedesmal  Bezug  nimmt,  von  E.  sich  haben 
geben  lassen.  —  Ueber  die  Schrift  „De  captivitate  babylonica"  giebt  Krummacher") 
—  es  war  die  letzte  Arbeit  des  inzwischen  Verstorbenen  —  eine  übersichtliche  Analyse 
des  Inhalts,  bei  welcher  er  mit  Recht  hervorhebt,  dass  es  sich  für  Luther  nicht  in 
erster  Linie  um  Berichtigung  von  Irrtümern  oder  Widerlegung  falscher  Lehrmeinungen 
handelt,  sondern  darum,  dass  das  Evangelium  von  der  Gnade  Gottes  von  allen  Ver- 
dunklungen frei  erhalten,  den  Christen  ihr  freier  Zugang  zu  Gott  und  die  Freiheit  ihres 
Urteils  in  religiösen  und  ethischen  Dingen  durch  hierarchische  Mittlerschaft  und  hier- 
archische Gewissensherrschaft  nicht  verdunkelt  werde.  —  In  diesem  Zusammenhange 
sei  aiich  der  aus  der  vatikanischen  Bibliothek  von  Brieger'8)  hervorgezogene  Brief 
Aurifabers  ai\  Gasser  von  1559  erwähnt,  weil  er  uns  schätzenswerten  Einblick  in  die 
Arbeit  des  Briefschreibers  an  der  Herausgabe  der  Predigten  sowie  der  Tischreden 
Luthers  gewährt.  —  Für  Luthers  Tischreden  ist  aus  dem  Berichtsjahr  nur  die  wert- 
volle Recension  zu  verzeichnen,  welche  Enders  '*)  der  schon  1888  erschienenen  Pre- 
gerschen  Ausgabe  der  von  Schlaginhaufen  gesammelten  l^schreden  gewidmet  hat  Sie 
bietet  fl\r  die  Erklärung  des  Einzelnen  eine  Reihe  schätzenswerter  Beiträge.  — 

Zu  den  bedeutendsten  Arbeiten  gehört  das  mit  reichen,  trefflich  ausgeführten 
Kunstbeilagen  würdig  geschmückte  Werk  W.  Walthers  20)  über  die  deutsche  Bibel- 
übersetzung des  Mittelalters.  Hat  dieses  es  auch  mit  Luther  direkt  nicht  zu  thun, 
so  liefert  es  doch  die  unerlässliehe  Vorarbeit  für  die  Beurteihuig  dessen,  was  Luther 
auf  diesem  Gebiete  geleistet    hat.     Ist    auch    im    vorigen    und    in    diesem    Jahrhundert 


M.  1,20.  ilLZg".  S.  167/8.]  I  —  14)  id.,  An  d.  ehristl.  Adel  dtsch.  Nation  von  d.  chrisU.  Standes  Besserang.  Eingel.  n.  her.  r. 
H.  Wittenberg.  (=  Bibl.  d.  Gesamt-Litt.  N.  515.)  Halle.  Hendel.  82  S.  M.  0,25.  —  15t  id.,  E.  Sendbrief  an  d.  Papat 
Leo  X.  u.  V.  d.  Freiheit  e.  Christenmenschen.  Zwei  Reformationaschriflen.  (—  Bibl.  d.  Oemmt-Litt  N.  514.)  ebda.  45  S. 
M.  0,25.  -  15a)  id.,  GeisU.  Lieber  her.  v.  U.  Wittenberg.  (=  Bibl.  d.  OesamUitt  X.  509.)  ebda.  72  S.  M.  0,i5.  — 
16)  Luther  u.  Emser.  Ihre  Stroitschriaen  aus  d  J.  1521,  her.  r.  L.  Enders.  2.  Bd.  (=  Neadrr.  dtsch. 
Litteratnrwerke  d.  16./7.  Jh.  N.  96/8.  Flugschriften  aus  d.  Befonnationsieit  N.  '.».)  Halle,  Niemoyer.  XII,  223  S.  je  M.  O,*». 
—  17)  H.  Krummacher,  Luthers  Schrift:  V.  d.  babyl  Gefangenschaft  d.  Kirche:  DEBll.  16,  S.  191-201.  —  18)  Th.  Brieger. 
E.  Brief  Joh.  Aurifabers  an  Achilles  Pirmin  Gasser,  Weimar,  28.  Nov.  155«:  ZKG.  12,  S.  624'6.  —  19)  L.  Enders,  W.  Prejer, 
Lutliers  Tischreden  aus  d.  J.  1531  2  nach  d.  AufieichnungfR  v.  Joh.  .Schlaginhaufen.  Leipzig  1888:  ThLZ.  lt>.  .>^.  522  4.  — 
20)  W.  Walther,  D.  dtsch.  BibelBbersetiung  d.  Mittelalters.  3.  Tl.  Braun.schweig,  Wollermann.  1889-92.  4».  IV,  7t}6  S. 
JahrMberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  II  (>>.  12 


II  6:  21-22.  Gr.  Kawerau,  Luther.  178 

schon  von  manchem  Antiquarius,  von  Germanisten  und  Theologen  an  diesem  Gegen- 
stand gearbeitet  worden,  so  ist  doch  hier  zum  ersten  Male  die  Aufgabe  in  ihrem  ganzen 
Umfange  und  mit  sicherer  Methode  angefasst  worden.  In  rastloser  Umschau  auf 
Deutschlands  Bibliotheken,  deren  er  viele  persönlich  aufgesucht  hat,  hat  W.  einen 
Ueberblick  über  den  Vorrath  von  Hss.  und  Drucken  gewonnen  wie  keiner  vor  ihm; 
durch  mühsame  Vergleichungen  ist  es  ihm  gelungen,  die  Masse  nach  Uebersetzungs- 
zweigen  zu  ordnen,  diese  teilweise  in  verschiedenen  Redaktionen  zu  verfolgen.  Durch 
vergleichende  Tabellen  mit  gut  ausgewählten  Textproben  aus  den  verschiedenen  Ueber- 
setzungszweigen  macht  er  es  allen,  die  nun  hinter  ihm  her  arbeiten  wollen,  leicht,  etwa 
neu  gefundenes  Material  einzuordnen  und  zu  bestimmen.  Besonnenheit  und  Vorsicht 
in  Schlussfolgerungen  und  Kombinationen  zeichnen  durchweg  die  Arbeit  aus.  Er  hat 
seine  Untersuchungen  so  angelegt,  dass  er  von  der  bekannten,  am  meisten  schon  bisher 
behandelten  gedruckten  Bibel  des  MA.  ausgeht,  die  14  Drucke  derselben  richtig  ordnet; 
er  weist  schlagend  nach,  dass  selbst  diese  bibliographische  Frage  bisher  ganz  unge- 
nügend gelöst  gewesen  war:  so  erweist  sich  die  sog.  1.  Bibel  vielmehr  als  die  2.,  die 
5.  als  die  4.  Es  zeigt  sich  ferner,  dass  die  Bücher  der  Makkabäer  einer  anderen  Ueber- 
setzung  entnommen  sind  als  die  Hauptmasse,  u.  dgl.  Von  den  Drucken  schreitet  die 
Untersuchung  zu  den  Hss.  desselben  Uebersetzungszweiges  vor;  die  fremden  Bestand- 
teile aus  anderen  Uebersetzungen,  die  W.  in  Drucken  oder  Hss.  dieses  Zweiges  antrifft, 
leiten  ihn  zur  Aussonderung  weiterer  Uebersetzungszweige.  So  bahnt  er  sich  einen 
Weg  auf  noch  fast  ungeebnetem  Boden,  sichtet  dann,  was  er  weiter  gefunden,  z.  T. 
nach  neuen  Gruppierungsprinzipien  (z.  B.  Psalmen,  salomonische  Schriften).  Endlich 
werden  auch  noch  die  holländischen  Uebersetzungen  so  weit  berücksichtigt,  als  es  die 
Geschichte  der  niederdeutschen  Bibeln  erfordert.  Schliesslich  überschauen  wir  einen 
Vorrath  von  18  vollständigen  Bibeldrucken,  einem  holländischen  A.  T.,  31  Drucken  ein- 
zelner biblischer  Bücher,  sowie  202  Hss.  grösseren  und  geringeren  Umfangs,  in  denen 
sich  ausser  32  Psalmenübersetzungen  40  unterscheidbare  Uebersetzungsversuche,  teils 
der  ganzen  Bibel,  teils  einzelner  Stücke  uns  darbieten.  Dabei  stellt  sich  heraus,  dass 
die  überwiegende  Mehrzahl  der  Hss.,  also  auch  wohl  das  lebhaftere  Bedürfnis  nach 
einer  deutschen  Bibel,  dem  Ende  des  MA.  von  etwa  ]  340  an  zugehört.  Dass  nun  aber 
immer  wieder  neue  Uebersetzungen  gemacht  werden,  zeigt,  dass  unter  den  Bibelfreunden 
wenig  Zusammenhang  besteht,  dass  jenes  Bibelverbreiten  einen  mehr  privaten  Charakter 
trägt.  Nicht  gerade,  dass  es  als  ketzerisch  gilt;  nur  vereinzeilte  Spuren  führen 
darauf,  dass  diese  oder  jene  Hs.  einem  Waldenser  angehörte,  während  für  eine  grössere 
Zahl  gut  katholische  Verfertiger  oder  Besitzer  nachweisbar  sind.  Aber  es  handelt  sich 
hier  doch  um  eine  von  der  offiziellen  Kirche  nicht  begünstigte,  nicht  autorisierte,  oft 
scheel  angesehene  Arbeit;  die  Freunde  der  deutschen  Bibel  bilden  eine  Unterströmung, 
die  der  offiziellen  Kirche  leicht  verdächtig  werden  konnte  und  auch  mehrfach  verdächtig 
wurde;  Bibelverbreitung  von  katholisch  -  kirchlicher  Seite  erfolgte  erst  in  der  Refor- 
mationszeit als  notgedrungene,  auch  jetzt  nur  ungern  ausgeführte  Gegenwirkung  gegen  die 
rapide  Verbreitung  der  Bibel  Luthers.  Es  ist  nicht  möglich,  die  Fülle  interessanter 
Ergebnisse,  welche  W.s  auch  mit  bemerkenswerter  konfessioneller  Unbefangenheit 
geführte  Untersuchungen  zu  Tage  gefördert  haben,  hier  wiederzugeben.  Jedenfalls 
ist  das  Material  jetzt  in  einer  Vollständigkeit  wie  nie  zuvor  zusammengetragen  und 
klassifiziert;  mögen  spätere  Forschungen  noch  manche  Lücke  ausfüllen,  manche  Einzel- 
fragen in  helleres  Licht  setzen,  so  wird  doch  alle  weitere  Arbeit  auf  den  Schultern 
dieses  Vorarbeiters  ruhen.  —  Die  Frage  nach  dem  Verhältnis  der  Bibelübersetzung  Luthers 
zur  gedruckten  deutschen  Bibel  des  MA.  hat  durch  Biltz^i)  eine  neue  Beleuchtung 
gefunden.  Es  ist  ihm  nämlich  wirklich  gelungen,  einige  wenige  Stellen  bei  Luther  zu 
entdecken,  in  denen  sich  gelegentliche  sprachliclie  Bemerkinigen  auf  die  vorlutherische 
gedruckte  Bibel  zu  beziehen  scheinen.  Damit  wäre  wenigstens  für  spätere  Jahre  in 
Luthers  Leben  ein  gewisses  Mass  von  Bekanntschaft  mit  dieser  Uebersetzung  erwiesen. 
Dass  aber  durch  solche  Nachweisungen  die  Frage  nach  der  Selbständigkeit  und  Unab- 
hängigkeit seiner  eigenen  Uebersetzung  nicht  entschieden  werden  kann  und  dass  die 
methodische  Untersuchung  dadurch  nicht  beseitigt  wird,  welche  Walther  jüngst 
(vgl.  JBL.  1890  II  6:23)  dieser  Frage  gewidmet  hat,  wird  wohl  auch  B.  sich  nicht 
verhehlen.  Der  Schluss,  den  er  sofort  auf  Grund  jener  wenigen  Stellen,  an  denen 
Luther  einzelne  Uebersetzungsformen  der  mittelalterlichen  Bibel  erwähnt,  zu  ziehen 
wagt:  „Also  kannte  er  diese  Uebersetzung  nicht  nur,  sondern  benutzt«  sie  auch  kritisch", 
ist  in  dieser  Allgemeinheit  richtig  oder  falsch,  je  nachdem  man  den  Ausdruck  versteht. 
Er  kann  sehr  viel  sagen  und  kann  unendlich  wenig  bedeuten;  wie  wenig  er  aber  nur 
zu  besagen  hat,  das  hat  Waither  mit  aller  Klarheit  nachgewiesen.  Es  verdient  hier 
auch  Erwähnung,  dass  B.  fast  gleichzeitig  mit  Walther,  und  mit    ganz  ähnlichen  Argu- 


M.  28,00.    l[G.  Kawer»u:  TliLBl.  1890,  N.  13/4, 18H2,  N.  31/8.]|  — 21)  (I  3:  130;  S.  97-148.)  -  22)  J.  Luther,  Mircusevangelioii 


179  G.  Kawerau,  Luther.  II  A:  ts-u 

menten,  die  Wahriiehnmng  gemarht  hat,  dass    die  bisher    al8    erste    deutsche   Bibel  be- 
trachtete vielmehr  der  zweite  Druck  ist    und  das«  die  sogenannte  zweite  den  Ruhm  der 
editio  princeps  verdient.     Dass  ß.   jetzt    für  seine  Entdeckung    den  Ruhm  der  Priorität 
für  sich  in  Anspruch  nimmt,  ist  nur  in  dem  Sinne  richtig,  dass    er    in  einem  Zeitungs- 
artikel etwas  früher  damit  vor  das  Publikum  gekommen  ist  als  Walther  mit  der  Ausgabe 
seines    grossen  Werkes.     Es    darf  aber    daran    erinnert   werden,    gerade    weil    B.    hier 
ängstlicli  für  sich  Ansprüche  geltend  zu  maclien  sucht,  dass  das  Vorwort  des  betreffenden 
Teiles  der  Walterschen  Arbeit  vom  Juli  18H9,  der  B.sche,    hier  neugedruckte  Zeitungs- 
aiiikel  vom  September    desselben    Jahres    stammt.     Man    wird    mit  Vergnügen    die    bei 
Walther  nur  kurz  skizzierte  Beweisführung  bei  B.    weiter    ausgeführt    und    durch  zahl- 
reichere Beispiele  erhärtet  sehen.     Schade,    dass    der    fleissige  Vf.  den    bösen  Tick  des 
Privatgelehrten  gegen   sämtliche    berufsmässigen  Vertreter    der    Wissenschaft    so    wenig 
überwinden  kaiui  und    seine  wertvollen  Arbeiten,    wenigstens    für    unseren    Geschmack, 
durch  Zuthateii  verbissener  Anerkennungsbedürftigkeit  verunziert.  —  Die  sehr  sorgsame 
Recension,    welche    J.    Luther ^2)     der    Reifferscheidschen    Ausgabe     des     Markusevan- 
geliums Luthers  gewidmet  hat,  zeigt  bei  aller  Anerkennung    der    Sorgfalt,    die  auf  jene 
kritische  Ausgabe  vei-wendet  ist,  dass  auch  hier  der  Mangel  einer  zuverlässigen  Luther- 
bibliographie bemerkbar  wird;    denn  weder    sind    die    noch    existierenden   Wittenberger 
Originalabdrucke  vollständig  zur  Benutzung  gekommen,  noch    ist    dem  Herausgeber  der 
Fehlgriff  erspart  geblieben,  einen  Nachdruck,    weil    er    verführerisch    ein    „Wittenberg" 
auf  dem  Titel  zeigte,  für  eine  Originalausgabe    zu    nehmen.     Auch    was  L.    hier    gegen 
Reifferscheid  über  den  Charakter  der  Lottlierschen  Drucke   bezüglich    der    Verwendung 
der  Umlaute  geltend  macht,  muss    ich    nach    meiner    Bekanntschaft    mit   jenen    als    zu- 
treffend anerkennen.  —  Besonderer  Beachtung  wert  scheint  mir    die  Recension  zu  sein, 
welche  H.  Brandes  23)  jetzt  noch  der  Studie  von    E.  Scjiaub    über    die    niederdeutsche 
Bibel  in  ihrem  Verhältnis  zu  der  Lutherschen  gewidmet  hat,  indem  hier  Bugenhagens  Anteil 
an  der  niederdeutschen  Bibel  wesentlich  anders,    und    meines    Erachtens    richtiger,   be- 
stimmt wird,  als  Schaub  gethan  hatte.    Während  letzterer  Bugenhagens  bekanntes  Von^'ort 
so  interpretiert,  als  wenn  dieser  dem    des  Griechischen  unkundigen  Uebersetzer  an  allen 
schwierigen  Stellen  seine  Hülfe  geliehen,  und  unter  diesen  schwierigen  Stellen  solche  ver- 
standen wissen  will,  an  denen  Luthers  Version  nach  dem  Grundtexte  berich tigt  werden  musste, 
zeigt  B.,  dass  es  sich  nach  Bugenhagens  Worten    nur  um  das  Germgere  handelte,  dem 
Vf.  zu  helfen,  wo  Luthers  hochdeutsche  Rede  schwierig    im  Niederdeutschen  wiederzu- 
geben war.     Auch  in    anderen  Beziehungen    verdient  diese    sorgsame  Recension  beson- 
ders notiert  zu  werden. ^^a)  —  Das  Programm  vonKolbe^^)  wendet  sich  nicht  au  Fach- 
genossen,   sondern  an    die  Schüler    und  deren  Eltern,    um    etliche    sprachliche  Erläute- 
rungen zum  Wortverständnis  der  Lutherschen  Bibeltibersetzung  und  seines  Katechismus - 
textes  zu  bieten.     Ich  hebe  hervor,  dass  K.  Luthers  .,ich  bin  ein  guter  Hirte"  (onotftiy) 
gegen  die  Bibelrevisoren  in  Schutz  nimmt    unter  Berufung    auf   den    auch    sonst  nach- 
weisbaren demonstrativen  Charakter    des  „ein",  und  dass    er  in  Luthers    Erklärung  des 
ersten  Artikels    des  Katechismus    in    der    neuerdings    melirfach    behandelten   Streitfrage 
nach  der  richtigen  Konstruktion  des  betreffenden  Satzes  und  dem  richtigen  Verständnis 
des  Wortes  „versorget"  den  lateinischen  Uebersetzungen  folgt,  welche  hier  „versorgen" 
ungewöhnlich  gleich  „largiri"  fassen,  so  dass  es  ,  jemandem  etwas"  von  Luther  konstruiert 
sein  müsste.     Es    werden    sich  gegen    diese  ungewöhnliche  Auffassung    trotz  des  Zeug- 
nisses der  alten  lateinischen  Versionen  mancherlei  Einwendungen  geltend  machen  lassen.  — 
Auch  sonst  ist  für  Luthers  kleinen  Katechismus  wieder  manches  gearbeitet, 
es  kann   aber  nur    solches    hier    erwähnt  werden,    das  über  den  Rahmen    der    vulgären 
Katechismuserläuterung    für    Schulzwecke    liinaus    geht.      Die  Publikation    von   G.  Ka- 
werau 25)  beabsichtigt,  das  Material  der  Katechismusversuche  zu  vervollständigen,  welche 
schon  vor  1529   auf  Grund  eines  allgemein  empfundenen  Bedürfnisses  von  Mitarbeitern 
Luthers  hier  und  dort  veröffentlicht  worden    sind.     Mehrere  solcher    Vorarbeiten    hatte 
einst  Hartmann  1844  in  seiner  Schrift  ,,Aelteste  katechetische  Denkmale  der  evangelischeu 
Kirche"    leicht?  zugänglich    gemacht.      Auch    die    Katechismen  der    böhmischen   Brüder 
waren  seitdem  durch  v.  Zezschwitz  und  durch  Joseph  Müller  in  bequemen  Ausgaben  vor- 
gelegt.    Hier  sind  nun  zwei  bisher  ganz  ausser  Betracht  gebliebene   katechetische  Ver- 
suche jener  Jahre   aus  der  Vergessenheit   gezogen:    der  Katechismus  eine^    sonst    ganz 
unbekannten  Petrus  Schultz  von  1527  und  eine  ähnliche,  nur  ungefalir  datierbare  Arbeit 
des  bekannten  Christoph  Hegendorf.     Die  Ausgabe    selbst  lässt  es  sich  angelegen  sein. 


M»rt.  Luthers,  her.  v.  AI.  Reifferscheid.  HeUbronn  1889:  ADA.  17,  S.  127-3»'..  —  23)  H.  Brandes,  K.  E.  Schaub,  t^r  d. 
nd.  Üebertrag.  d.  Lutherschen  febers.  Greifswald.  Dissert  1889:  ZDPh.  24,  S.  132  6.  -  23a)  X  F-  Martin,  D.  Psalmen 
Davids.  Kurze  Erkl.  v.  ö4  ausgew.  Psalmen.  Nebst  >>.  Anhang:  Dr.  M.  Luthers  Summarien  Über  d.  Psalmen.  2.  AafL  bnntlan, 
Kreuschner  III,  162  S.  M.  2,00.  —  24)  A.  Kolbe,  Beitrr.  x.  WOrdigung  d.  dtseh.  Bibel  u.  d.  kleinen  Katechismus  Dr.  M.  Luthers. 
Progr.  Treptow  a  R.  Leipzig,  Fock.  40.  lUS.  M.  0,60.  {[ThLBl.  12,  S.  118.]  -  25)  Zwei  tlteste  Katechismen  d.  lutber.  Reformation. 
Neu    her.    v.    0.  Kuwerau.     (=    Neudrr.    dtseh.    Litteraturwerke    d.    16.  7.  Jh.    N.    92.)     Halle,    Niemeyer.     60   S.      M.   0,«ii. 

12* 


II  6:  2fi-35.  G.  Kawerau,  Luther.  180 

die  Abhängigkeit  des  erstgetiaiuiten  Vf.  von  Luther  zu  konstatieren  und  im  einzehien  nach- 
zuweisen und  sodann  in  der  Einleitung  möglichst  vollständig  das  bisher  bekannte  Ka- 
techismusmaterial jener  Jahre  übersichtlich  zusammenzustellen.  —  Die  Arbeit  von  Nebe26), 
gleich  einer  etwas  älteren  von  Hardelands^),  ist  dem  Ref.  leider  nicht  zu  Gesichte  ge- 
kommen ;  was  beide  wollen,  sagt  der  Titel,  und  gegenüber  der  allmählich  eingedrungenen 
Behandlung  des  Katechismus  unter  Gesichtspunkten,  welche  Luther  selbst  fern  gelegen 
haben,  darf  jeder  Versuch,  den  Katechismus  aus  den  Schriften  seines  Vf.  selbst  zu  ver- 
stehen, Luther  aus  Luther  interpretieren  zu  wollen,  als  eine  heilsame  Auffrischung  be- 
grüsst  werden.  Ich  verweise  für  die  Beurteilung  des  von  N.  Geleisteten  auf  die  Be- 
sprechung von  E.  Ch.  Achelis.  —  Die  Schrift  von  Dörries  28^  hat  in  theologischen  Kreisen 
viel  von  sich  reden  gemacht,  da  sie  ein  hervorragender  Versuch  ist,  den  Katechismus 
mit  den  Anschauungen  der  Ritschlschen  Theologie  in  Einklang  zu  bringen  und  von 
diesem  Standorte  aus  schulgemäss  zu  behandeln,  wobei  es  denn  ohne  Umdeutungen 
nicht  abgeht,  so  energisch  auch  D.  bemüht  ist,  Luther  aus  Luther  selbst  zu  verstehen, 
und  so  häufig  er  der  Tradition  gegenüber  im  Rechte  ist.  —  Graues)  dagegen  benutzt 
Luthers  kleinen  Katechismus,  um  nach  dem  Schemi  desselben  eine  Reihe  biblisch- 
theologischer Spekulationen  ziim  Vortrag  zu  bringen,  lehrreich,  um  die  persönliche 
Gedankenwelt  des  Vf.,  aber  weniger  brauchbar,  um  die  Gedanken,  welche  Luther  selbst 
im  Katechismus  zum  Ausdruck  hat  bringen  wollen,  zu  erkennen.  —  A.  Ebelings,  JBL. 
1890116:30  erwähnter.  Versuch,  durch  sprachliche  Ueberarbeitung  und  Modernisierung 
den  Katechismustext  der  Schuljvigend  leichter  zugänglich  zu  machen,  hat,  soweit  dem 
Ref.  bekannt  geworden,  in  den  nun  vorliegenden  Besprechungen  ^o)  doch  nur  geteilte 
und  verklausulierte  Zustimmung ,  häufig  auch  Zurückweisung  gefunden.  —  Auch 
Knoke^i)  kommt  in  seinen  Erörterungen  zu  einzelnen  Katechismusstellen  auf  die  von 
Kolbe  behandelte  Schwierigkeit  betreffs  der  richtigen  Konstruktion  der  Erklärung  zum 
ersten  Artikel  zu  sprechen  und  will  sich  im  gleichen  Sinne  wie  Kolbe  entscheiden.  Im 
übrigen  behandelt  er  aus  Fragen  des  Wortverständnisses  besonders  noch  die,  was 
Luther  wohl  im  dritten  Artikel  unter  den  Worten  „der  heil.  Geist  hat  mich  mit  seinen 
Gaben  erleuchtet"  gemeint  habe,  verwirft  mit  vollem  Recht  die  traditionelle  Be- 
ziehung auf  Gesetz  und  Evangelium  oder  auf  Busse  und  Glauben  und  erklärt  wohl  zu- 
treffend unter  Berufung  auf  verschiedene  parallele  Aussprüche  Luthers  den  Ausdruck 
von  den  Gnadengaben  des   heiligen  Geistes.  — 

Die  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  hat  die  im  vorigen  Jahrgang  begonnenen 
sprachliclien  Beiträge  zur  Erläuterung  von  Besonderheiten  in  Luthers  Schriften  in 
lexikalischer  oder  grammatischer  Beziehung  weiter  fortgesetzt.  Köstlin^s)  erörterte  die 
Redeweise  „mit  lungen  auswerfen"  (=  pilis  ex  stercore  equino  confectis),  „spielen  tragen" 
(=  aufziehen,  sich  lustig  machen),  ,, Quecksilber  in  den  Teich  werfen"  (=  ?).  Auch 
lieferte  K.  neue  Beispiele  zu  dem  JBL.  1890  II  6  :  2  erwähnten  Gebrauch  des  „thät" 
in  Konditionalsätzen  in  der  negativen  Bedeutung  „wenn  nicht  vorhanden  wäre".  —  Bir- 
linger  ^^a)  brachte  für  letzteren  Gebrauch  seine  in  der  ZDPh.  16,  S.  374  aus  S.  Franck  und 
C.  Dieterich  schon  früher  gesammelten  Beispiele  in  Erinnerung  und  fügte  neue  hinzu.  — 
G.  Kawerau  33j  machte  daneben  auf  die  bei  Luther  mehrfach  wiederkehrende  Redensart 
in  bus  correptam  {—  es  nimmt  mit  jemand  ein  Ende  mit  Schrecken)  aufmerksam;  ver- 
schiedene Deutungen  wurden  versiicht  und  auch  mit  Hülfe  der  lateinischen  Grammatik 
jener  Zeit  und  der  Annahme  eines  Schülerwitzes  einiges  Licht  in  die  Entstehung  des 
bei  anderen  Schriftstellern  unseres  Wissens  noch  nicht  nachgewiesenen  Ausdrucks  ge- 
bracht. Das  Wort  „Pappenblume"  bei  Luther  wird  von  K.  als  von  pappus  abgeleitet, 
als  Blume  mit  Federkrone  (nicht  Papierblume)  erklärt.  —  Auch  lieferte  G.  Kawerau**) 
weitere  Belege  für  die  überraschend  weite  Verbreitung  jenes  Gebrauches  von  „thät" 
bei  Luther  und  in  der  Litteratur  des  16.  Jh.  — 

Wenden  wir  uns  zur  Biographie.  Auf  deutschem  Boden  sind  evangelischer- 
seits  nur  ältere  Gesamtdarstellungen  in  Neixauflagen  erschienen.  Köstlins^^)  illu- 
strierter Luther  hat,  wie  man  mit  Freuden  konstatieren  darf,  nun  bereits  die  9.  Auflage 
und  das  37.  Tausend  erlebt.  —  Sehr  viel  grösser  noch  ist  die  Verbreitung,  die  ein  paar 


|[Q.  Muller:  ThLBl.  12,  S.  I15/6.]|  —  26)  O  A.  Nebe.  D.  kleine  Katecliisinus  Luther»,  ausgelegt  ans  Luthers  Werken.  Stuttgart, 
Greiner  &  Pfeitfer.  IX, 397  S.  M.  4,80.  |tE.  Ch.  Achelis:  TliLZ.  1893,  S.  115/7.J  |  -  27)  O  Th.  Hardeland,  D.  kleine  Katechismus 

D.  M.  Luthers  lUr  d.  üemeine-Pfarrherrn  u.  Prediger  nach  Luthers  Schriften  ausgelegt  u.  mit  Auszügen  aus  Luthers  Schriften  vers. 
ßOttingeu,  Vandenhoeck  &  Ruprecht.  1889.  VI,  230  S.  M.  3,00.  —  28)  B.  Dorries,  Erklärung  d.  kleineu  EateclUsinas 
Dr.  M.  Luthers.  E.  Beitr.  /,.  Reform  d.  Katechismusunterrichts.  1.  Tl.  D.  Glaube,  ebda.  VI,  312  S.  M.  4,00.  |[Bornemaun: 
ThLZ.  1893,  S.  119— 20.]|  —  29)  K.  F.  Grau,  Luthers  Katechismus,  orkl.  aus  biblischer  Theologie.  E.  kuize  Glaubenslehre. 
Gttlersloh,  Bertelsmann.     VIII,  112  S.    M.  1,40.    —   30)  A.  Ebeling,  Ur.  M.  Luthers   kleiner    Katechismus:    EKZ.    1890,  N.  23; 

E.  Höhne:  ThLBl.  ö.  299-300;  J.  Heideraann:  ZGymn.  Okt.;  Kloppenburg:  SchleswHolstSchulZg.  39,  S.  51/2.  — 
31)  K.  Knoke,  Einige  Winke  für  e.  richtige  Deutung  einxoluor  Stellen  in  Luthers  Erklärungen  zu  s.  kleinen  Katechismus: 
Z.  evang.  Religionsunterricht  2,  S.  107—30.  —  32)  J.  Köstlin,  Beitrr.  aus  Luthers  Schrillen  z.  dtsch.  Würterb.:  ZDPh.  24. 
S.  87—42,  425/6.  —  S2a)  A.  Birlinger,  Thete  da»,  thet,  thate  —  rahd.  entete:  ib.  S.  43.  —  33)  G.  Kawerau,  ,In  bus 
correptam"  —  e.  Anfrage:  ib.,  S.  42/3,  424/6.  —  34)  id.,  Z.  dtsch.  Wörterb.  —  Nochmals  thät  in  Bedingungssätzen  bei  Luther.  — 
Neue  Belege  mr  d.  Gebrauch  T.  th»t«  :=:  mlid.  eutete  bei  Luther:    ib.  23,  S.  293/3;    24,  S.  201/2:    -    35)  J.  Kfist  1  i  n ,  Luthers 


181  G.  Kaworau,  Luther.  1(  6:   3«)-44 

kleine  volkstninliche,  zum  Lutherjubiläum  18ft3  eiiiHt  entstaiulene  iSchrifteii  gefunden 
haben.  Disselhoffs  ä"')  frisch  geschriebene,  reich  illustriert«  und  fabelhaft  billige 
Schrift  ist  nun  bereits  m  mehr  als  700(XX)Exemi)laren  verbreitet,  und  wenn  Völters'') 
noch  kleinere  Volksschrift  jetzt  bereits  in  51.  Auflage  ausgeht,  so  lässt  auch  das  eine 
ansehnliche  Verbreitung  erkeinion.  —  Doch  dass  wir  nicht  vergessen,  ein  deutscher 
Biogi-aph  Luthers  hat  ja  nun  seine  Arbeit  abgesclilossen :  der  letzte  Band  von  Evers''^) 
„Martin  Luther"  ist  erschienen,  und  in  ihm  sind  die  ftir  die  fiJinnesweise  des  Vf.  höchst 
dankbaren  Kajjitel  über  Landgraf  Philipps  Doppelehe  und  über  die  letzten  Lebensjahre 
und  das  Ende  Luthers  behandelt.  E.  schwelgt  denn  auch  in  seiner  Darstellung  der 
Verworfenheit  und  Verkommenheit  jener  sogenannten  Reformatoren  und  zerpflückt  ihren 
Heiligenschein,  dass  man  ordentlich  fühlt,  wie  wohl  das  seinem  Konvertitenherzen  thut. 
Freilich,  trotz  aller  Anstrengung  und  allem  gelehrten  Aufputz  wird  E.  nicht  erreichen, 
dass  man  ihn  als  Historiker  ernst  nimmt.  Vor  einer  solchen  Verkennung  bewahrt  ihn 
schon  sein  Pamphletstil,  den  er  virtuos  handhabt.  Vm  von  dem  Scliinutz  zu  schweigen, 
den  er  z.  B.  S.  (589  mit  unreiner  Phantasie  auf  geradezu  widerliche  Weise  in  Luthers 
Briefe  hineinliest,  ist  sclion  sein  Stil  völlig  ausreichend  zur  Charakteristik  der  Qualität 
dieser  Geschichtswissenschaft.  Man  braucht  eben  nur  statt  Luther  konsequent  zu  schreiben 
„der  Irrtumslose",  „die  wittenbergische  Heiligkeit",  „der  saubere  Geselle",  „der  witten- 
berger Papst",  „der  Papstfresser"  u.  a.,  oder  wenn  er  aus  schwerer  Krankheit  genesen 
ist,  „der  glücklich  wieder  urinierende  Gewaltige",  statt  Friedrich  der  Weise  und  anderen 
Fürsten  „die  Kirchenhäuptlinge",  „die  Apostasierten",  „die  Landespäpste";  wo  man  von 
Luthers  Schriften  redet,  immer  „das  Machwerk",  ,,das  unendliche  Geschwätz",  „das 
Phrasengeklingel",  „die  Schmutzschrift",  „das  ermüdende  Gewäsch"  u.  a.  zu  sagen,  seine 
Freunde  als  seine  „Kneipgesellen"  zu  bezeichnen  oder  mit  „Ehren-Jonas",  ,,Ehren- 
Butzer"  usw.  zu  titulieren,  wo  man  Luthers  lateinische  Briefe  übersetzt  und  er  von 
seiner  uxor  redet,  das  immer  wiederzugeben  mit  dem  wirkungsvollen  „das  Weib",  und 
schliesslich  statt  Küstlin  immer  nur  zu  schreiben  „der  hallische  Geschichtsverständige'' 
oder  „der  Hallenser",  so  wird  es  ja  wohl  Leser  geben,  nach  deren  Geschmack  derartige 
litterarische  Roheiten  sein  mögen,  ernsthafte  Leute  nehmen  aber  die  Lehre  daraus, 
dass  der  Vf.  von  dem  Ernst  einer  historischen  Aufgabe  noch  keine  Ahnung  hat,  und 
legen  den  bändereichen  Polterer  .und  Schmähredner,  dem  die  Ruhe  fehlt,  um  die  ein- 
fachsten Texte  noch  verstehen  zu  köinien,  —  wiederholt  er  doch  z.  B.  S.  520  abermals 
das  sinnlose  angebliclie  Lutherdictiun  „ich  heuciile  dem  lieben  Gott",  obgleich  Köstlin 
längst  gezeigt  hat,  dass  hier  ,, befehle  |e8|"',  zu  lesen  sei  —  mit  dem  Bedauern  beiseite, 
dass  der  moderne  Ultramontanismus  Historiker  von  dieser  armseligen  Gestalt  produziert 
und  nicht  Disciplin  genug  übt,  solchen  Leuten  ihr  unwürdiges  Gewerbe  zu  verleiden.  — 
Eine  eigentümliche  Ueberraschung  hat  uns  das  katholische  Kirchenlexikon  mit  der  nun- 
mehr dort  erschienenen  Bearbeitung  des  Artikels  , .Luther"  gebracht.  Man  durfte  ja 
gespannt  darauf  sein,  durch  wen  und  in  welchem  Tone  dieser  Aufsatz  verfasst  werden 
würde.  Die  Redaktion  hat  es  sich  aber  sehr  bequem  gemacht  und  zugleich  an  einem 
grossen  Verstorbenen  einen  Akt  der  Ungerechtigkeit  geübt;  sie  hat  nämlich  Döllingers 
berüchtigten  Aufsatz,  den  er  einst  vor  40  Jahren  für  die  1.  Auflage  beigesteuert,  in- 
zwischen aber  läng.st  desavouiert  hatte,  fast  unverändei"t  unter  seinem  Namen  neu  ab- 
gedruckt. Die  Verändennigen  beziehen  sich  auf  die  Berichtigung  eines  falschen  Datums, 
die  Streichung  seiner  Klage,  dass  genügende  Lutherbiographien  bis  jetzt  noch  nicht 
existierten,  und  dergleichen  Kleinigkeiten;  ausserdem  sind  Litteraturangaben  aus  den 
letzten  40  Jahren  ergänzend  hinzugefügt  worden.  Hier  finden  wir  denn  auch  die  Auf- 
zählung der  ,, befriedigenden"  und  „vollständigen"  Darstellungen,  die  Luthers  Leben 
seither  gefunden,  nämlich  dm'ch  Janssen,  Hergenröther  und  Evers  (!),  denen  prot«8tan- 
tischerseits  Ranke,  Köstlin,  Plitt  und  Kolde  gegenübergestellt  werden.  Wie  wenig 
man  dabei  wirklicli  die  Lutherlitteratm-  kennt,  ven-ät  die  Angabe  über  die  Weimarer 
Lutherausgabe,  von  welcher  bis  jetzt  „7  diverse  Bände  deutscher  (!)  Schriften"  aus- 
gegeben worden  seien.  —  Die  Biographie  des  Italieners  (Waldensers)  Pons  <^)  ist  ein  Aus- 
zug aus  der  grossen  Biographie  von  Kuhn,  in  Anlage  und  Ausstattung  unserem  illustrierten 
Köstlin  vergleichbar.  —  Die  Arbeit  des  Ungarn  Farkas*')  kann  nach  den  darüber  ver- 
lautenden Urteilen  der  Sprachkundigen  wissenschaftlichen  Wert  nicht  beanspruchen, 
nimmt  aber  luiter  den  Arbeiten  in  ungarischer  Sprache  einen  hervorragenden  Platz  ein.*^)  — 


Leben.  Mit  authent.  Illustr.  9.  Aufl.  (34/7.  Tausend).  Leipzig.  Keisland.  XVI,  623  S..  65  Abbild,  u.  8  Beil.  M.  8,00.  —  36) 
J.  Disselhoff,  JubelbOchlein  zu  Dr.  M.  Lntbera  400j.  Oeb.  in  Wort  a.  Bild  fUr  Alt  u.  Jung.  16.  Anfl.  Kaicerswertb,  Di«kon.- 
Aust.  \il  S.  M.  0,30.  (.Bis  jetit  770000  ExempL)  —  37)  J.  E.  VOlter,  Dr.  M.  Lutber.  E.  Jubelbild  xa  «.  400.  Geb.  5L  Aafl. 
Ludwigsburg,  Qreiner  &  Ungeheuer.  M.  0,20.  —  38)  G.  G.  Evers,  M.  Luther.  Lebens-  u.  Charkt«rbild,  v.  ihm  seibat  g»- 
zwcbnet  in  s.  eigenen  Sclirifteii  n.  Korrespondenzen.  14.  (Schluss-)  Lfg.  Mainz,  Kirchheim.  VIII,  369—760  S.  M.  3,75.  (Cplt 
M.  37,3.'>.  6  Bde.)  — 39)  .1.  Dfilli  nger.H.  Lutber:  Welzer  u.  Walte,  Kircbenlexikon  2.  Aufl.  8,  .'<.  308-47.  —  40)  Bart.  Poos. 
Martine  Lutero  Kiformatore.  La  sua  viU  et  le  sue  opere  Fireuze,  tipogr.  Claudiana.  1890.428  8.  L.  3,50.  |[ThLBI.  IS,  .'^.  89— W; 
Italia  evangelica  v.  19.  Jau.]|  —  41)  Parkas,  Dr.  M.  Luther.  E.  Biogr.  Kr  d.  er.  Volk.  (In  nngarischer  Sprache.)  Tjrnun. 
1890.    208  S.     FL  1,20.    ,[M.  .StUvik:  ThLBL  12,    S.  308,9.]|  -  42)   (I  7:73.)  -   43)   Gl  3:43.)    —   44)    G.    Buihwald, 


IT  6:  46-49.  G^'  Kawerau,  Luther.  182 

Eine  neue  Quelle  zeitgenössischer  Aufzeichnimgen  und  Urteile  über  Liither 
fliesst  uns  jetzt  in  der  von  Euling  ^'■^)  herausgegebenen  Chronik  des  Hildesheimer 
Prälaten  Joh.  Oldecop.  Zwar  war  dieselbe  in  einzelnen  Teilen  schon  längst 
der  Lutherforschung  bekannt.  Der  später  der  Reformation  feindlich  gesinnte  Vf.  hatte  selbst 
in  Wittenberg  studiert  und  diente  uns  gerade  für  die  ersten  Jahre  von  Luthers 
Docententhätigkeit  als  wertvoller  Berichterstatter.  Nun  liegt  das  Ganze  seiner  Auf- 
zeichnungen vor,  aber,  soviel  ich  erkennen  kann,  ohne  wesentliche  Bereicherung 
für  die  anderen  Teile  aus  Luthers  Leben.  Der  Vf.  steht  im  Banne  der  Fabeln 
und  feindseligen  Gerüchte,  wie  sie  seit  des  Cochläus  Biographie  auf  litterarischem  Wege 
im  katholischen  Deutschland  verbreitet  wurden;  auf  selbständiger  Kunde  beruhen 
fast  nur  jene  schon  längst  bekannten  Mitteilungen.  Doch  steckt  auch  wohl  noch  Wahr- 
heit in  seinem  drastischen  Bericht  über  die  Verlegenheit  der  Wittenberger  Theologen, 
als  einst  Abendmahlswein  verschüttet  war.  Wer  Luthers  unklare  Haltung  gerade  in 
diesem  Punkte  genauer  beachtet,  wird  der  Scene,  die  uns  Oldecop  schildert,  einen 
Wahrheitskem  nicht  abzusprechen  vermögen.  —  Eine  ganze  Reihe  von  Beiträgen  bringen 
Untersuchungen  von  Einzelheiten  der  Lutherbiographie  und  teilweise  neues 
Material  herbei.  So  teilt  uns  Buchwald44)  aus  einer  hs.  Aufzeichnung  Poachs  ein 
Wort  Melanchthons  mit,  aus  dem  wir  ersehen,  dass  Luther  eine  Zeit  lang  als  Mönch 
die  Pfarre  Dobrun  zu  verwalten  gehabt  hat.  —  Wichtiger  sind  die  neuen  Aufschlüsse, 
welche  N.  Paulus  4^)  für  Luthers  Romreise  uns  gebracst  hat.  Die  neue  Quelle,  die  er 
uns  erschliesst,  ist  die  Schrift  des  italienischen  Augustiners  Felix  Milensius  über  die 
deutschen  Augustinerklöster  vom  Jahre  1613.  Hier  erfahren  wir  nicht  allein  die  freilich 
teilweise  verstümmelten  Namen  der  7  Konvente,  welche  damals  mit  Staupitz  in  Streit 
geraten  waren,  und  lernen,  dass  Erfurt  zu  den  sich  auflehnenden  Klöstern  gehörte ; 
wir  hören  auch,  dass  jene  7  Klöster  infolgedessen  von  Rom  aus  am  1.  Oktober  1511 
exkommuniziert  und  dass  Luther  darauf  als  ihr  Abgesandter  nach  Rom  geschickt 
worden  sei.  Andererseits  bringt  er  aus  Cochläus  die  wunderliche  Nachricht  bei,  dass 
Luther  damals  von  den  7  Konventen  „zu  Staupitz  abgefallen"  sei.  Danach  scheint  mir 
wahrscheinlich  zu  sein,  dass  Luther  als  Vertrauensmann  beider  Teile  seine  Romreise  an- 
getreten und  thatsächlich  auch  mit  Erfolg  an  der  Beseitigung  des  Konfliktes  gearbeitet 
hat;  höchst  wahrscheinlich  wird  aber  auch,  dass  seine  plötzliche,  so  wenig  aufgeklärte 
Rückversetzung  von  Wittenberg  nach  Erfurt  im  engsten  Zusammenhange  mit  der  Ver- 
schärfung des  Konfliktes  der  Klöster  mit  Staupitz  gestanden  hat.  —  Einen  neuen  An- 
haltspunkt für  die  Bestimmung  der  Reiseroute  Luthers  auf  seiner  Romfahrt  könnte  eine 
Notiz  uns  bieten,  welche  von  Bolte  *^)  in  dem  Reiseberichte  des  Präceptors  F.  Gerschow 
aufgefunden  ist,  der  1603  einen  pommerschen  Herzog  nach  München  begleitete.  Dort 
zeigte  man  ihm  in  der  Augustinerkirche  den  Predigtstuhl,  „auf  welchem  Dr.  Luther  gut 
päpstlich  soll  geprediget  haben".  Das  könnte  ja  nur  bei  Gelegenheit  der  Romreise  ge- 
wesen sein.  Leider  aber  verliert  die  Notiz  ihren  Wert  durch  die  daran  angeschlossene 
weitere  Kunde,  dass  dort  auch  ein  Stuhl  sich  finde,  „auf  welchem  er  gemeinlich  zu 
sitzen  pflegte"  und  dass  er  sich  aus  dem  naheliegenden  Nonnenkloster  seine  Frau  ge- 
holt habe.  Mit  Recht  verweist  B.  letztere  Angaben  in  das  Gebiet  der  Küster- 
legenden; damit  schwindet  aber  doch  wohl  auch  der  Wert  der  Notiz  über  die  Predigt 
in  München.  —  Was  uns  Gess  *'')  über  Tetzel  und  über  das  Ablassgeschäft  der  Jahre 
1516  und  17  mitteilt,  erläutert  zwar  nicht  direkt  den  Jubelablass,  der  zu  Luthers  Thesen 
den  Anlass  gab,  gewährt  aber  interessanten  Einblick  in  die  Verhandlungen,  wie  sie 
zwischen  ablassbedürftigen  Ortschaften  und  Rom  über  die  Geschäftsbedingungen  geführt 
wurden,  unter  welchen  dieses  Ablassprevilegien  erteilte,  und  zeigt  uns  Tetzel  als  den 
Sachverständigen  in  diesen  Dingen,  der  die  Stadt  Annaberg  hierbei  mit  giitem  Rate  be- 
diente. —  An  die  Kontroverse,  welche  Kawerau  im  Jahre  vorher  mit  dem  Passauer  Dom- 
kapitular  Röhm  über  Tetzels  Diktum  vom  „Groschen  im  Kasten"  geführt  hatte  (vgl. 
JBL.  1890  II 6  :  49 — 50),  hat  sich  ein  Scharmützel  zwischen  letzterem  und  dem  ge- 
lehrten Württemberger  Landpfarrer  Bossert^s)  angeschlossen,  in  welchem  der  zuletzt 
Genannte  mit  überlegenem  Wissen  und  sittlichem  Ernst  das  Verfahren  des  ultramontanen 
Polemikers  nach  den  verschiedensten  Seiten  hin  aufdeckt  und  vor  dem  öffentlichen  Ur- 
teil blossgelegt  hat ;  auch  formell  eine  der  besten  Streitschriften,  welche  der  Verstoss 
gewisser  römischer  Polemiker  als  Reaktion  zu  Tage  gefördert  hat.  —  Die  Nachlese, 
welche  der  gelehrte  katholische  Pfarrer  F.  Falk  49)  zu  Bd.  2  von  Janssens  Geschichte 
des  deutschen  Volkes  gehalten  hat,  bietet    ein    buntes  Allerlei,  Bekanntes  und  weniger 


E.  Episode  aus  Luthers  Mönchszeit:  ZKG.  12,  ».  619—20.  —  4S)  N.  Paulus:  Zu  Luthers  Bomreise:  HJb.  12,  8.  68—75, 
Nachtrag  S.  314  f.  |[Th.  Kolde:  GGA.  1893,  S.  87/9.]|  -  46)  J.  Bolte,  F.  Gerschow  Über  München  (1603):  JbMUnchG.  4, 
S.  423/7.  —  47)  F.  QesH,  E.  Gutachten  Tetzels  nebst  anderen  Briefen  u.  Instruktionen  d.  Ablass  auf  N.  Ännaberg  betr. 
1616/7:  ZKG.  12,  S.  534—62.  —  48)  (G.  Bossert],  Offenes  Sendschreiben  e.  ^dummen  Pradikanten"  u.  „Minister  communis 
rusticus"  an  d.  liochwUrdigen  u.  hocligelalirte  .  Herrn  Domkapitular  .loh.  Bapt.  Rfiiim  in  Passau.  Leipzig,  Buchh.  d.  Et.  Bunde.s. 
96  S.    M.  1,00.    |[C.  Fey:  ThLBl.  12,  S.  134/5.] |    -    49)   F.   Falk,  Curae  posteriores  z.  2.  Bd.  d.  Gesell,  d.  dtsch.  Volkes  ?. 


18;^  O.  Kawerau,  Luther.  II  6:    ■•<•''• 

Bekanntes.  Was  et  über  die  95  Thesen  mitteilt,  ist  im  wesentlichen  aus  Knaakes  Ein- 
leitung in  der  Weimarer  Ausgabe  Bd.  1  entlehnt.  Was  er  über  Luthers  Brief  an  Erz- 
bischof Albrecht  vom  31.  Okt.  1517  (Enders  I,  S.  113  ff.)  zu  sagen  weiss,  iöt  weit 
weniger  reichhaltig,  als  was  bei  Enders  darüber  zu  lesen  ist.  Das  Weitere  über  den 
Schriftenwechsel  zwischen  Luther  und  Tetzel  ist  wieder  Knaake  entnommen.  Sodann 
erhalten  wir  die  Angaben  des  bekannten  Pirnaischen  Mönches  Lindner  über  Tetzel, 
dessen  Aufzeichnungen  F.  für  bisher  wenig  benutzt  hält;  er  zieht,  da  hier  das  scharfe 
Urteil  des  Dominikaners  über  den  eigenen  Ordensgenossen  vorliegt,  den  sehr  verstän- 
digen SchluHs:  „Halten  wir  und  verteidigen  wir  nicht,  was  unhaltbar  ist,  auch  Tetzeln 
nicht!  Und  leugnen  wir  ja  nicht  die  trostlosen  Zustände,  in  welche  die  Kirche  durch 
menschliche  Armseligkeit  der  Priesterschaft  geraten  war!  Ein  Mann  mehr  oder  weniger, 
was  thut  das  zur  Sache!"  Weitere  chronikalische  Beiträge  über  die  Sittenverderbnis 
infolge  (?)  der  Reformation  und  Bemerkungen  über  „Götzenkammern"  im  protestantischen 
Norden  interessieren  uns  hier  nicht  weiter.  Es  thut  mir  leid,  anmerken  zu  müssen,  dass 
aucii  dieser  Gelehrte,  dessen  treffliche  Forschungen  zur  Bibliographie  der  religiösen 
Litteratur  am  Ende  des  MA.  unvergessen  bleiben  werden,  liier  gelegentlich  sich  die 
tendenziösen  Urteile  aneignet,  die  bei  Behandlung  der  Refonnation  auf  katholischer  Seite  jetzt 
übb'ch  sind,  —  Durchaus  verunglückt  ist  das  Schriftchen  von  Bernhardt^);  denn  der  Neu- 
druck der  Bainibulle  gegen  Lutlier,  den  wir  hier  erhalten,  ist  trotz  seiner  hübschen 
typographischen  Ausstattung  inkorrekt,  die  hinzugefügte  deutsche  Uebersetzung  aber 
wimmelt  von  Fehlern  und  Missverständnissen  der  .schlimmsten  Art.  —  Eine  sehr  gute 
Arbeit  hat  0.  Redlich ''')  über  das  Marburger  Religionsgespräch  geliefert,  indem  hier 
aus  genauer  Kenntnis  ebenso  der  politischen  Faktoren  wie  der  religiösen  Verschieden- 
heiten Anlass,  Vei'lauf,  Ausgang  und  Bedeutung  jenes  missglückten  Verein igungs Ver- 
suches zwischen  Wittenberg  und  Zürich  weiteren  Kreisen  anschaulich  erzälilt  wird.  — 
Brieger  ^-)  teilt  uns  aus  einer  dem  Nachlass  Joli.  Fabris  angehörigen  Wiener  Hs.  den 
Entwurf  eines  Ediktes  mit,  das  die  katholische  Partei  im  Verlauf  des  Augsburger 
Reichstages  1530  Karl  V.  unterbreitete,  eine  beabsichtigte  Neuauflage  des  Wormser 
Ediktes,  die  in  erster  Linie  gegen  Luthers  Person  gerichtet  war  und  mit  aller  Schärfe  sein 
Sündenregister  zusammenstellte.  Des  Kaisers  Politik  hat  die  Vollziehung  dieses  Akten- 
stückes verwehrt  und  einen  weit  massvolleren  Abschluss  jenem  Reichstage  gegeben.  — 
Zu  der  in  den  letzten  Jahren  so  viel  behandelten  Stellungnahme  Luthers  in  Sachen  der 
Doppelehe  des  Landgrafen  Philipp  hat  ein  Anonymus S'*)  einen  scharfsinnigen,  aber 
schwerlich  befriedigende  Lösung  bietenden  Beitrag  geliefert.  Er  bemüht  sich,  Luthers 
Verhalten  in  diesem  traurigen  Handel  von  dem  aller  anderen  zeitgenössischen  Theologen 
zu  isolieren,  den  Nachweis  zu  bringen,  dass  es  von  kirchenpolitischen  Erwägungen  sich 
durchaus  frei  gehalten,  lediglicli  seelsorgerisch  motiviert  gewesen  sei  und  daher  auch  bei 
näherer  Erwägung  als  .sittlich  korrekt  sich  erweise.  Es  ist  unmösrlich,  in  kurzen 
Worten  hier  den  Nachweis  zn  führen,  an  welchen  Punkten  nach  meiner  Ueberzeugung 
dieser  scharfsinnige,  aber  etwas  advokatenhafte  Rechtfertigungsversucli  zu  beanstanden 
ist.  Gewiss  wird  er  Recht  haben  in  der  starken  Betonung  der  seelsorgerischen  Seite 
der  Sache  für  Luthers  Urteil;  aber  es  wird  ihm  schwer  gelingen,  das  Mitwirken  der 
nahe  liegenden  politischen  Rücksichten  von  Luthers  Verhalten  völlig  abzuwehren.  Das 
Verkehrte  von  Luthers  Rat  leuclitet  doch  wohl  ein,  sobald  man  die  Rolle  bedenkt,  die 
er  der  als  „das  kleinere  Uebel"  zugestandenen  „Nebenfrau"  zumutete,  die  ja  vor  der 
Welt  als  Konkubine  gelten  sollte;  und  jene  Lehre  vom  kleineren  Uebel  hat  Luther  an 
anderen  Stellen  mit  vollem  Rechte  von  allen  Fragen  ausgeschlossen,  die  dem  sittlichen 
Gebiete  angehören,  und  sie  nur  auf  die  res  corporales  beschränkt.  Dass  Luthers  Beicht- 
rat auf  sittlich  abschüssigen  Weg  führte,  zeigte  sich  ja  sofort  darin,  dass,  als  nun  die 
Doppelehe  doch  ruclibar  wurde,  er  nur  noch  „eine  gute  starke  Lüge"  als  Hilfe  in  der 
Not  zu  raten  wus.ste.  Von  diesem  Punkte  aus  stürzt  meines  Erachtens  der  kunstvolle 
theologische  Rettungsversuch  zusammen.  —  Majunkes  Selbstmordmär,  die  im  vorigen 
Berichtsjahre  eine  ganze  Litteratur  erzeugt  hatte,  hat  noch  weiter  nachgewirkt.  Zu- 
nächst hat  Majunke'^-^)  selbst  das  Thema  unverdro.ssen  weiter  moduliert,  besonders 
nach  den  zwei  Seiten  hin,  den  offiziellen  evangelischen  Bericht  über  Luthers  Tod  zum 
tendenziösen  Lügenberichte  zu  stempeln  und  die  im  Jahre  1545  erschienene  „welsche 
Lügenschrift"  über  Luthers  Tod  als  von  Luther  oder  von  Landgraf  Philipp  oder  von 
beiden  gemeinsam  fabriziert  zu  erweisen.     Er  greift    dabei    immer  tiefer  in  das  Arsenal 


Janssea:  Katholik  l.  S.  481— 501.  —  50)  M.  Bernhardt,  D.  Bannbulle  Leo  X.  ge»;en  Luther  im  Orig.-Text,  nach  d.  im  Luthar- 
hause  befindl.  Ausgabe  v.  17.  Juli  1520.  Nebst  d.  dtsob.  Uebersetzung.  Wittenberg,  Senf.  Ißo.  68  S.  M.  1,00.  |  [Sammler  13, 
S.  143;  G.  Kawerau:  ThLZ.  1892,  S.  596/7.]|  —  51)  0.  Redlich,  D.  Marburger  Reügionsgesprlch  im  J.  1529:  ChristlWelt 
S.  123/6,  14719,  166/9,  211/6.  —  52)  Tb.  Brieger,  E.  unvollendeter  Entwurf  e.  kaiserl.  Ediktes  gejen  Luther:  ZKO.  1?, 
S.  178—87.  —  53)  Luther  u.  d.  Bigamie:  ThStK.  S.  564-86.  —  54)  P.  Majanke,  Luthers  Testament  an  d.  dUch.  Nation. 
S.  letzten  Worte  u.  s.  letzte  —  Thaf.  Mainz,  Knpfej-berg.  IV,  272  S.  M.  5,00.  ][HPBU.  108,  S.  695-700;  Kneocker: 
PKZ.  38,  S.  817.]j  —  SS)  id.,  D.  angebl.  r.  Rom  ausgegangene  welsche  LBgenschrift  ttber  Luthers  Tod  t.  J.  1545:  HPBll.  107, 


11  6:  56-66.  Gr.  KL  a  wer  au,  Luther.  184 

der  Scliinählitteratur  vergangener  Zeiten  hinein  und  hat  z.  B.  neuerdings  nicht  Bedenken 
getragen,  jene  gehässigsten  Verzerrungen  des  sittlichen  Charakters  Luthers,  mit  denen 
August  in  Theiner  einst  seinen  Uebergang  ins  römische  Lager  signalisierte,  wieder  auszu- 
graben. Wie  leichtfertig  seine  Beweisführungen  sind,  möge  man  an  der  verblüffenden 
Findigkeit  erkennen,  mit  welcher  er  jetzt  uns  mit  dem  Quellennachweis  üben-ascht,  dass 
Ijuther  auch  italienisch  gesprochen  und  geschrieben  habe.  Macht  Liebe  zum  Gegen- 
stand den  Historiker  leicht  blind,  so  der  Hass  nicht  minder.  —  Dass  ein  so  nüchterner 
Forscher  wie  Knaake  ^s)  in  diesem  Streithandel  durchaus  die  Koldesche  Beweisführung 
gegen  Majunke  anerkennen  würde,  war  nicht  anders  zu  erwarten;  und  mit  Genugthuung 
darf  man  es  begrüssen,  dass  nun  auch  die  katholische  Historik  durch 'den  Mund 
Grauerts  ^7)  die  bündige  Erklärung  abgab:  „Kein  fachmännisch  gebildeter  Historiker 
werde  sich  zu  Gunsten  der  Majunkeschen  These  aussprechen."  Verwunderlich  ist  es 
dann  nur,  dass  ein  Organ  wie  die  Historisch-politischen  Blätter  trotz  dieses  Votums  für 
die  Fortführung  eines  wissenschaftlich  so  haltlosen  Handels  sich  zur  Verfügung  stellt.  — 
Auch  dass  Majunke  abermals  ein  arges  Falsum  in  seiner  Berichterstattung  nachgewiesen 
wurde,  von  Thenn  °^),  scheint  keinen  Eindruck  auf  ihn  gemacht  zu  haben;  übrigens 
handelte  es  sich  hier  um  einen  Fall,  in  welchem  die  Annahme,  dass  seine  Eilfertigkeit 
u^d  sein  Mangel  an  Sprachkenntnissen  die  gröbliche  Entstellung  des  Sachverhaltes 
verschuldet  habe,  wohl  näher  liegt  als  die  von  seinem  Kritiker  ihm  beigemessene  Ab- 
sicht bewusster  Verdrehung  des  Thatbestandes.  —  Wie  weit  hinaus  aber  es  Majunke 
geglückt  ist,  mit  seiner  Entdeckung  Aufsehen  und  Beunruhigung  zu  erregen,  zeigt  sich 
darin,  dass  auch  der  gelehrte  amerikanische  Theologe  Schafft»)  sich  veranlasst 
sah,  in  englischer  Sprache  über  diesen  deutschen  Handel,  über  den  Angriff  und  die  er- 
folgreiche Abwehr,  ausführlichen  Bericht  zu  erstatten.  —  Auch  eine  Gegenwirkung 
gegen  Majunke  war  es,  dass  Rietschel  ^o^  in  demselben  Schriftencyklus,  für  den  er 
schon  früher  sein  prächtiges  und  ausserordentlich  weit  verbreitetes  Schriftchen  über 
Luthers  häusliches  Leben  geschrieben  hatte,  nun  auch  sein  Lebensende  schlicht  nach 
den   Berichten  der  Augenzeugen  dem  deutschen  Volke  erzählte.  ^i-ßS)    — 

Zur  Lutherlitteratur  im  weiteren  Sinne  müssen  auch  diejenigen  Arbeiten 
gezählt  werden,  die  uns  über  seine  Freunde  wie  über  seine  Feinde  unter  seinen 
Zeitgenossen  Bericht  geben,  da  ja  eine  jede  solcher  Arbeiten  auch  die  Beziehungen  zu 
Luther  selbst  mehr  oder  weniger  eingehend  berührt.  Nur  unter  diesem  speciellen  Ge- 
sichtspunkt kann  auf  diese  Publikationen  hier  eingegangen  werden.  Die  Arbeit  von 
N.  Paulus*^*)  über  Staupitz  bemüht  sich,  den  katholischen  Charakter  der  Theologie  und 
Gesinnung  dieses  Freundes  Luthers  nachzuweisen  und  hat  damit  auch  in  gewisser  Ein- 
schränkung unzweifelhaft  Recht,  vergisst  nur,  dass  in  einem  Zeitpunkte  wie  der,  in 
welchen  das  Leben  dieses  Mannes  fällt,  Uebergänge  von  katholischer  Theologie  zu 
evangelischeu  Erkenntnissen  in  mannichfacher  Abstufung  stattfinden.  Mit  Recht  erinnert 
ihn  Kolde  daran,  dass  Staupitz  zwar  unzweifelhaft  als  guter  Katholik,  der  kirchlichen 
Autorität  sich  beugend,  gestorben  ist,  seine  evangelische  Stellung  hinsichtlich  der  Lehre 
vom  Glauben  aber  nicht  aufgegeben  hatte.  Gegenüber  einem  jetzt  doch  nicht  mehr  die 
Herrschaft  führenden,  ungeschichtlichen  Bilde  von  der  Persönlichkeit  imd  Geistesart 
dieses  katholischen  Mystikers  macht  der  Aufsatz  immerhin  sehr  viel  Richtiges  geltend.  — 
Ein  populärer  Aufsatz  über  Tetzel  ^^)  zeigt  denselben  in  beliebter  römisch-apologetischer 
Schönfärbung,  auch  das  beigefügte  Bild  bringt  ein  ganz  anderes  Gesicht  als  die  uns 
sonst  überlieferten  Porträts.  —  Schneid  ^6)  hat  gi'osse  Sorgfalt  darauf  verwendet,  die 
„grosse  Persönlichkeit"  Joh.  Ecks  von  dem  Flecken  zu  reinigen,  als  ob  er  Verteidiger 
der  Erlaubtheit  des  Wuchers  in  jener  bekannten  Disputation  zu  Bologna  gewesen  sei. 
Mit  vollem  Recht  kann  er  geltend  machen,  dass  es  sich  nicht  um  das,  was  wir  heute 
Wucher  nennen,  dabei  gehandelt,  sondern  nur  um  die  Durchbrechung  der  älteren, 
kirchlichen  Satzungen,  welche  überhaupt  das  Zinsnehmen  ausschlössen.  Mit  Recht 
kann  er  hervorheben,  dass  an  diesem  Punkte  Luther  als  der  Vertreter  der  scliolastischen 
Tradition,  Eck  dagegen  als  der  Vertreter  des  wirtschaftlichen  Fortschrittes,  der  unter  neuen 
wirtschaftlichen  Verhältnissen  gegen  veraltete  Traditionen  ankämpfte ,  dasteht. 
Ob  letzterer  dabei  freilich  das  Lob  einer  „bewunderungswürdigen  Unbefangenheit"  ver- 
dient  oder  nicht  vielmehr  im  Solde  der  Kaufmannschaft  als  ihr  bezahlter  Sachwalter  in 


S.  500—19.  —  56)  K.  Knaake,  Koldo,  Luthers  Selbstmord:  DLZ.  11,  S.  1713.  -  57)  H.  Grauert,  Kolde,  Luthers  Selbst- 
mord n.  Noch  einmal  Luthers  Selbstmord:  HJb.  11,  S.  375  u.  811/2.  —  58)  A.  Thenn,  Majunke  am  Pranger!:  ChristlWelt 
S.  86/8.  —  59)  Ph.  Schaff.  Did  Luther  commit  suicide?:  The  magazine  of  Christian  literature  3,  S.  161/7.  —  60) 
G.  Eietschel,  Luthers  seliger  Heimgang:  (=  Schriften  fUr  d.  dtsch.  Volk,  her.  t.  Verein  f.  Kef.-Gesch.  Heft  12.)  Halle,  Nie- 
meyer.  35  S.  M.  0,1B.  —  X  61)  0.  A.,  Welsche  Lügenschrift  v.  D.  M.  Luthers  Tod  zu  Rom  ausgegangen.  1545:  ChristlWelt 
S.  143/7.  —  62)  X  K-  Sallmann,  Luthers  angebl.  Selbstmord  nach  P.  Majunkes  QeschichtslUge.  2.  durch  e.  Nachwort 
verm.  Aufl.  Kassel,  Brunnemanu.  18  S.  M  0,50.  \[Vf.  Walther:  ThLBl.  21,  S.  27;8.]|  —  63)  X  Schild,  D.  Lutherhaus 
u.  d.  Lntherstube  zu  Wttenberg:  Didaskalia  S.  526.  —  64)  N.  Paulus,  Joh.  v.  Staupitz.  S.  vorgebl.  protest.  Gesinnungen: 
HJb.  12,  S.  309-46.  j  [T  h.  Kohle:  GGA.  1893,  S.  89—90.]!  —  65)  .loh.  Tetzel:  Sterne  u.  lilumen  (Hadischer  Beobachter».)  S.  345/6. 
—    66)   J.    Schneid,    Dr.    Joh.   Eck    u.    d.  kirchl.    Zinsverbot:    UPlill.    108,    S.  241— 59,    321-35,  473-96,570-89,659-81, 


185  G.  Kaweran,  Luther.  11  6:  67-7». 

diese  Debatte  eingetreten  war,  ist  eine  andere  Frage.  Uebrigens  ist,  was  8.  zur  Beur- 
teilung jener  Disputation  beibringt,  in  der  Hauptsache  nichts  Neues;  nützlich  aber 
ist  die  detaillierte  Ausführung  der  verscliiedenen,  einander  bekämpfenden  Theorien  und 
das  Einzelmaterial ,  das  er  zusammenträgt.  —  Die  drei  Briefe  Bugenhagens,  welche 
Thommen'5'')  aus  einer  Baseler  Hs.  veröffentlicht  hat,  sind  als  Ergänzung  zu  Vogts 
Briefwechsel  Bugenhagens  willkommen  zu  heissen,  gewähren  aber  für  Luther  keine 
nennenswerte  Ausheute.  — Die  Dissertation  von  Mosen^«)  über  „Luthers  hartnäckigen 
Gegner"  Emser  bemüht  sich  besonders,  den  Geist  seiner  gegen  jenen  gerichteten  Schriften 
zu  charakterisieren,  bringt  auch  zur  Biographie  schätzbare  Notizen  und  im  Anhange 
eine  Ol  Nummern  umfiassende  Bibliographie  seiner  Schriften;  leider  fehlt  der  Arbeit  ebenso 
die  stilistische  Feile  wie  die  Sorgfalt  in  der  Korrektur,  daher  wird  gerade  die  Biblio- 
gi-apliie  nur  mit  Vorsicht  benutzt  werden  dürfen.  — W.  Kawerau  ♦**)  hat  seiner  Schrift 
über  „Thomas  Murner  und  die  Kirche  des  Mittelalters"  ein  zweites  Heft  über  „Mumers 
Stellung  zur  Reformation"  folgen  lassen,  aus  welchem  hier  besonders  das  2.  Kapitel 
„Murner  und  Luther"  und  das  4.  „Vom  grossen  lutherischen  Narren"  in  Betracht 
kommen.  Es  galt,  in  diesem  Hefte  den  Umschlag  des  Satirikers,  der  so  stark  auch 
die  kirchlichen  Schäden  gegeisselt  und  bespottet  hatte,  in  den  Eiferer  für  die  Kirche 
gegen  Luther  psychologisch  verständlich  zu  machen.  Die  gegen  Luther  und  seine 
Refonnation  gerichteten  Schriften  finden  ihre  Charakterisierung  und  Würdigung  in  der 
leidenschaftslosen  und  unbefangenen  Art,  welche  Licht  und  Schatten  gerecht  zu  ver- 
teilen und  auch  den  Gegner  zu  verstehen  bemüht  ist.  Mit  Recht  wird  aber  der  Mangel 
echter  religiöser  Begeisterung  und  untadeliger  Lauterkeit  als  der  Grund  bezeichnet, 
warum  der  „behendeste,  witzigste  und  gröbste"  Gegner  Luthers  im  eigenen  Lager  weder 
damals  noch  jetzt  Dank  geerntet  hat  und  warum  auch  die  Wirkung  seiner  Schriften 
auf  die  Gegner  so  völlig  ausgeblieben  ist.  —  Aus  den  umfassenden  Studien,  welche 
Tschackert ''•^)  zur  Reformationsgeschichte  des  Herzogtums  Preussen  in  den  letzten 
Jahren  angestellt  hatte,  ist  ein  frisch  geschriebenes  Heft  über  den  evangelischen  Bischof 
von  Pomesanien,  Paul  Speratus,  hervorgegangen,  welches  uns  den  Gehilfen  Luthers  bei 
der  Verdeutschung  seiner  Schriften,  den  Mitarbeiter  am  deutschen  Kirchenliede  und  den 
Organisator  evangelischen  Kirchenwesens  unter  mannigfaltigen  Schwierigkeiten  in  liebe- 
voller, vielleicht  etwas  zu  lichter  Zeichnung  vor  Augen  führt.  —  Auch  einige  Artikel 
der  Allgemeinen  deutschen  Biographie  seien  wenigstens  kurz  genamit.  In  Jakob  Schorr, 
dem  Zweibrückischen  Rat  luid  Kanzler,  zeigt  uns  Ney''^)  einen  warmen  Freund  des 
Reformators,  der  seine  Schriften  eifrig  studiert  und  seine  Stellung  nach  Kräflen  zur 
Förderung  der  evangelischen  Saclie  benutzt.  —  Einen  fast  unbekannten  litterarischen 
Gegner  Luthers  hat  Georg  Müller  ''''*)  aus  der  Vergessenheit  hervorgeholt,  den  Dresdener 
Franziskaner  Schwederich,  der  1525  Luther  mit  einer  Sclirift  über  das  Mönchtum  be- 
kämpfte. —  Weit  bekannter  ist  der  Jurist  H.  Schurff,  dessen  Veriiältnis  zu  Luther 
ebenso  in  seinem  warmen  Anschluss  an  die  Reformation,  wie  hernach  in  dem  eigen- 
artigen Konflikt  juristischen  Festlialtens  an  dem  überlieferten  Recht  mit  Luthers  auf 
ethische  Erwägungen  basiertem  Durchbrechen  des  kanonischen  Eherechtes  von 
Landsberg ''3)  unbefangen  und  dalier  aucli  mit  kräftiger  Betonung  des  auf  Schurffs 
Seite  anzuerkennenden  guten  Rechtes  gezeichnet  ist.  —  Auch  der  Aufsatz  von  P.  Vetter'*) 
über  den  mit  Luther  in  schweren  Streit  geratenen  Freiberger  Theologen  Jakob  Schenck 
und  dessen  Verhandlungen  mit  den  evangelischen  Geistlichen  in  Leipzig,  nachdem  er 
1541  dortliin  übersiedelt  war,  sei  hier  erwähnt.  Spielt  auch  liuther  persönlich  in  diesen 
Ereignissen  nicht  mit,  so  beleuchten  die  hier  geschilderten  Vorgänge  doch  grell  die 
geistige  Abhängigkeit,  in  welcher  Luthers  Schüler  und  nächste  Anhänger  diesem  gegen- 
über sich  befanden.  Der  Konflikt,  in  den  Schenck  mit  Melanchthon  und  Luther  geraten, 
machte  es  für  ihn  unmöglich,  in  diesen  Kreisen,  die  das  überlegene  Talent  des  An- 
kömmlings instinktiv  fürchteten,  unbefangenes  und  gerechtes  Gehör  zu  finden.  Die 
Anstrengungen,  die  man  machte,  um  dem  unbecjuemen,  freilich  auch  hochmütigen  Manne 
den  Druck  seines  Buches  zu  verhindei'n,  in  dem  man  doch  eigentlich  nichts  Anstössiges 
finden  konnte,  sind  lehrreich,  aber  freilich  auch  recht  unerfreulich.  Seidemanns  ältere 
Arbeit  über  Schenck  findet  hier  aus  Materialien  des  Dresdener  Archivs  willkommene 
Ergänzung.  — 

Auch  zwei  Männer,  welche  als  Forscher  über  Luthers  Geschichte  sich  ujiver- 
gängliche  Verdienste  erworben  haben,  sind  im  Berichtsjahre  biographisch  behandelt 
worden:  der  alte  treffliche  Seckendorf  durch  Kolde"^),  dessen  Artikel  freilich  nur  eine 

789-810.  —  67)  R.  Thommen,  3  Briefe  d.  Job.  Bugenhagen:  MIOG.  12,  S.  IM/».  —  68)  P.  Mose d,  Hi«r.  Emter,  d.  Vor- 
kllmpfer  Roms  gegen  d.  Reforrnation.  Leipziger  Diss.  Halle,  Kilmmerer,  1890.  78  S.  —  89)  W.  Kaweran,  Th.  Momer  u. 
d.  dtech.  Belinnation.  (=  Schriften  d.  Vereins  fUr  Ref.-Gesch.  Heft  32.)  Halle,  Niemever.  III.  109  S.  M.  13.  —  78) 
P.  Tschackert,  l'aul  Speratus  t.  ROtlen,  evangel.  Bischof  v.  Pomesanien  in  Marlenwerder.  (=  Schriften  d.  Vereins  f. 
Ref.-Ge8(-I:.  N.  33.)  obda.  V,  101  S.  M.  1,20.  —  71)  J.  Ney,  Jakob  .Schorr:  ADB.  32,  S.  384'«  —  72)rt.  MOller 
.1.  Schwedetich:  Ib.  33,  .«!.  325.  —  73)  E.  Landsberg,  H.  Schurff:  ib.  !^.  8»l— 90.  —  74)  P.  Vetter,  Jakob  Schenk  n.  d. 
Prediger  «u  Leipzig.    1541i3;   NASächsG.  12.   S.  247-71,  —  75)  Th.  Kojde,  V.  L.  t.  .Seekeadorf:   ADB.  3«,   .S.  519-21.  - 


II  6:    76-84.  G.  Kawerau,  Lnthef.  186 

etwas  abgekürzte  neue  Fassung  seines  früher  für  die  Herzogsche  Realencyklopädie  ge- 
schriebenen Aufsatzes  ist,  und  J.  K.  Seidemann,  der  sächsische  Landpfarrer,  der  mit 
unermüdlichem  Fleisse  vor  50  Jahren  den  Rückgang  auf  die  unmittelbaren  Quellen  der 
Reformationszeit  und  die  Verwertung  archivalischer  Materialien,  besonders  für  die  sächsische 
Reformationsgeschichte,  erfolgreich  betrieb,  dessen  schlichte,  originelle  Persönlichkeit 
und  dessen  arbeitreiches  Leben  G.  Müller 'ß)  in  zutreffender  Weise  charakterisiert  hat.  — 
Luthers  Theologie  imd  Weltanschauung  gilt  zunächst  eine  Schrift  von 
Bahlo  w  ''''),  mit  ihrer  fleissigen  Materialiensammlung  eine  schätzenswerte  Ergänzung  zu  der 
Arbeit  von  Fr.  Nitzsch  über  „Luther  und  Aristoteles".  Freilich  scheint  mir  B.  den  Einfluss 
des  Nominalismus  auf  Lutliers  Entwicklung  und  Stellungnahme  in  den  grossen  religiösen 
Fragen  zu  hoch  anzuschlagen;  auch  scheint  mir  die  Debatte  unserer  Tage  zwischen 
den  Ritschlianern  und  den  Vertretern  einer  spekulativen  Theologie,  in  welcher  B.  ganz 
auf  Seiten  der  letzteren  steht,  ihn  in  der  Darstellung  des  Kampfes  Luthers  gegen  die 
„Vernunft"  in  Glaubenssachen  nicht  unbefangen  in  seinem  Urteil  gelassen  zu  haben.  — 
Der  Rückgang,  den  die  Ritschlsche  Theologie  auf  die  reformatorischen  Gedanken  Luthers 
genommen,  hat  naturgemäss  auch  den  Streit  um  den  „echten"  Luther  und  um  das  richtige 
Verständnis  seiner  Worte  nach  sich  gezogen.  So  kämpft  Gottschick ''8)  gegen  Frank 
über  die  richtige  Exegese  eines  Briefes  Luthers  (de  Wette  2,  S.  125),  um  dadurch  die 
Frage  zu  entscheiden,  ob  für  Luther  innere  Erfahrung  der  Höllenschrecken  conditio 
sine  qua  non  für  den  Gnadenstand  sei,  und  weist  meines  Erachtens  mit  Recht  nach, 
dass  die  betreffende  Stelle  nur  von  ausserordentliclien  Erfahrungen  redet,  die  man  von 
denen  fordern  müsse,  die  eine  aussergewöhnliche  Autorität  in  der  ('hristenheit  bean- 
spruchen wollten,  ohne  damit  freilich  die  viel  tiefer  greifende  Kontroverse  über  Luthers 
Auffassung  der  Busse  schon  zur  Entscheidung  bringen  zu  köinien.  —  Andererseits  wird 
Ritschis  Schüler  W.  Herrmann  wegen  seiner  Verwendung  des  Lutherwortes  von  einem 
Vertreter  der  Rechten,  Kohlrausch ''^),  scharf  angegriffen,  der  ihm  im  voll  stand  ige  und 
Wesentliches  beiseite  lassende,  also  inirichtige  Verwertung  und  daher  einen  tendenziösen 
Gebrauch  desselben  nachsagt,  eine  Controverse,  die  wohl  ergebnis-  und  zwecklos  bleibt, 
solange  die  Streitführenden  darüber  nicht  einig  sind,  was  ihnen  an  Luthers  Lebenswerk 
wertvoll  und  für  die  Gegenwart  besonderer  Betonung  bedürftig  erscheint.  Doch  muss 
anerkannt  werden,  dass  in  Herrmann  der  für  sein  eigenes  System  interessierte  Systema- 
tiker in  der  Analyse  und  Verwertung  Lutherscher  Worte  dem  Dogmenhistoriker  ge- 
filhrlich  wird.  —  Das  macht  sich  avich  in  der  scharfsinnigen  Studie  bemerkbar,  die 
W.  Herrmann ''ö)  der  Busse  des  evangelischen  Christen  unter  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Gedanken  Luthers  gewidmet  hat.  Hier  ist  ein  gelegentlich  in  dem 
„Sermo  de  poenitentia  1518"  ausgesjn'ochener  Gedanke,  der  aber,  wie  H.  selbst  zugestehen 
muss,  bei  Luther  weder  im  Mittelpunkt  steht,  noch  überhaupt  weiter  verwertet  ist, 
gleichwohl  als  der  reformatorische  und  echt  evangelische  Gedanke  Luthers  in  den  Mittel- 
punkt gerückt,  und  so  können  dann  ganz  moderne,  8])ecifisch  H.sche  Gedanken  mit  dem 
Anspruch  auftreten,  die  Enthüllung  des  genuinen  Lutherschen  Gedankens  zu  sein.  — 
Der  Aufsatz  von  G.  Kawerau  ®o)  greift  in  diese  Kontroverse  des  Tages  mit  ein,  insofern 
er  daran  erinnert,  dass  kein  Mensch  in  der  Gegenwart  im  Ernste  den  ganzen  Luther 
wieder  erwecken  möchte,  es  also  verkehrt  ist,  wenn  die  einen  sich  „des  ganzen"  rühmen 
und  die  anderen  wegen  ,,des  halben"  bemitleiden;  ohne  die  Scheidung  zwischen  dem 
Reformator,  oder  besser  dem  Propheten  Deutschlands  und  dem  in  diesem  noch  nach- 
wirkenden Scholastiker  werde  keine  Lutherbetrachtiuig  aiiskommen.  —  Auch  in  dem 
mit  besonderer  Lebhaftigkeit  geführten  Kampfe  um  die  LiS])irationslehre  konnte  die 
Berufung  auf  Luther  nicht  ausbleiben.  Der  kleine  Aufsatz  von  G.  Kawerau  ^i)  (als  Bei- 
gabe zu  Kiers  Vortrag  über  die  Inspirationslehre)  erimiert  daran,  wie  bei  Luther  neben 
der  überkommenen  Betrachtung  der  ganzen  Bibel  als  heiligen  Buchstabens  alle  Ansätze 
einer  neuen  Betrachtungsweise  auftauchen,  nach  welcher  ihm  Wertunterschiede  der  ein- 
zelnen Teile  nicht  nur  nach  religiösem  Masse  gemessen,  sondern  auch  Wertunterschiede 
in  Bezug  auf  geschichtliche  Zuverlässigkeit,  Sprachcharakter  und  dgl.  ins  Bewusstsein 
treten  und  dann  mit  der  ihm  eigenen  Unbefangenheit  auch  unerschrocken  ausgesprochen 
werden. 82-83^  —  Dag  Progi'amm  von  R.  Lorenz  ^4)  bereitet  insofern  eine  Enttäuschung, 
als  es  zunächst  nur  einleitende  Untersuchungen  bietet,  das  auf  dem  Titel  genannte 
Thema  selbst  aber  noch  gar  nicht  anrührt,  vielmehr  nur  die  Scliriften  bis  1520  auf  ihre 


76)  G.  MUller,  J.  K.  Seidein»nn:  ib.  S.  627— 30.  —  77)  F.  Bahlo  w,  Luthers  Stellung  z.  Philo».  .lenaer  Diss.  60  8.  M.  1,20. - 
78)  J.  GottBchick,  D.  Erfahrung  d.  Hollenschrecken  u.  ä.  Christenstand  nach  d.  Urteile  Luthers:  ZTh&Kirohe  1,  S.  255/8 
-  79)  A.  Kohlrausch,  Prof.  Hernnanns  Luthereitate  dargest.:  Beweis  d.  Glaubens  S.  209—26,  257—74.  -  79a)  W.  Herr- 
niann,  D.  Busse  d.  evangel.  Christen:  ZTh*Kirche  1,  S.  28—81.  —  80)  G.  Kawerau,  Rttckkehr  zu  Luther:  ChristlWelt 
S.  1044/9.  —  81)  N.  0.  Hier,  Bedarf  es  e.  besond.  Inspirutionslelire?  Vortr.  Mit  e.  Naehw.  v.G.Kawerau  über  Luthers  St«llun(r 
z.  heil.  Schrift.  Kiel,  Honiann.  32  S.  M.  0,60.  |[Lob8tein:  ThLZ.  16,  S.  .'S73/4.]i  —  82)  O  X  J-  F-  Asti6,  La  fin  des 
dogmes?  IV.  Luther:  KThPh.  S.  352—78.  —  83)  O  X  Hörn,  Luther  on  the  principles  and  order  of  Christian  worship: 
LuthChurchBev.  S.  217—56.  —  84)  R.  Lorenz,  Luthers  Einfluss  auf  d.  Entwickl.  d.  evang.  Kirchenxegimentes  in  Deutschland. 


187  G.  Kaworan,  Luther.  11  6:  85-»7. 

Polemik  gegen  da«  römisclie  Kirclieiiregiment  zur  Besprechung  bringt.  Wir  werden 
also  auf  weitere  Fortsetzung  dieser  Studien  zu  warten  haben.  —  Mit  jenem  Thema 
selbst  berührt  sich  nahe  der  Aufsatz  von  P.  Fischer 85)  über  Luthers  Lehre  von  der 
Obrigkeit,  insofern  er  besonders  auch  die  Frage  nach  den  Kompetenzen  der  Obrigkeit 
kirchlichen  Dingen  gegenüber  behandelt.  Man  wird  dem  Vf.,  dem  offenbar  die  Quellen- 
schriften nur  schwer  zugängHch  sind  —  er  citiert  nach  den  verschiedensten  Ausgaben, 
z.  T.  nur  iia:h  Volksausgaben,  und  überschaut  daher  das  Material  nicht  vollständig  — 
die  Anerkennung  zollen  müssen,  dass  er  völlig  zutreffend  die  zwei  verschiedenen  Ge- 
sichtspunkte erkannt  hat,  unter  denen  für  Luther  Staat  und  Kirche  in  Berührung 
kommen:  als  Obrigkeit  gilt  für  den  Staat  auch  der  Kirche  gegenüber  Schutz  und  Er- 
haltung des  Friedens  und  unter  diesen  Gesichtspunkten  ein  bestimmt  bemessenes  Ein- 
g'eifen  in  die  kirchlichen  Verhältnisse ;  ausserdem  aber  kommt  der  Landesherr  in  seiner 
oppeleigenschaft  als  Kirchenglied  und  als  Inhaber  der  Macht  als  derjenige  in  Betracht, 
der  in  der  Notlage  der  Kirche  nach  dem  Notrecht,  welches  die  Liebe  lehrt,  sich  der 
kirchlichen  Dinge  annimmt  und  den  Gemeinden  zu  Ordnungen  verhilft.  F.  ist  somit 
trotz  seines  beschränkten  Materials  durchaus  auf  dem  richtigen  Wege.  —  Auch  bei 
P.  rischers*^')  Studie  über  Luther  als  Seelsorger  muss  man  bedauern,  dass  sie  nur  mit  zu- 
fälligem Quellenmaterial,  nämlich  einem  beschränkten  Teil  der  Briefe  Luthers  gearbeitet 
ist.  8'')  -^  Den  Interessen  des  evangelischen  Bundes  dient  die  Auswahl  von  Sätzen 
Luthers  über  das  Papsttum,  welche  C.  Fey^)  in  neun  verschiedenen  Rubriken  dem 
Leser  vorfülirt.  —  Warum  gerade  Luther  und  Rabelais  für  pädagogische  Vergleichungen 
geeignete  Objekte  sehi  sollen,  ist  mir  durch  die  Ausführung  von  0.  Haupt ^)  nicht 
einleuchtend  geworden.  Die  für  solche  Vergleichungen  doch  notwendig  zu  fordernde 
Aehnlichkeit  muss  hier  teils  in  durchaus  selbstverständlichen  und  daher  trivialen  Be- 
rührungspunkten, teils  in  solchen  Dingen  gesucht  werden,  wie  dass  Luther  gern  mit 
seinen  Kindern  kindliche  Spiele  trieb,  Rabelais'  Pädagog  dagegen  mit  seinem  Schüler 
gern  Karten  spielte.  —  Weit  interessanter  ist  die  Studie  von  Lezius^)  über  Luthers 
Stellung  zur  türkischen  Weltmacht,  insofern  hier  nicht  nur  Luthers  Kampf  gegen  den 
Nationalfeind  des  damaligen  deutschen  Reiches,  sondern  auch  in  so  manchem  Lob-  und 
Tadelspruch,  den  er  dem  Türken  zu  teil  werden  lässt,  sein  Staatsideal  und  seine  poli- 
tischen Anschauungen  ihre  charakteristische  Beleuchtung  finden.  Auch  auf  diesem  Ge- 
biete ist  es  leicht,  Luther  mit  Luther  in  schroffen  Widerspruch  zu  bringen,  und  das  ist 
gerade  auch  auf  diesem  Gebiete  genug  geschehen  und  tendenziös  verwertet  worden. 
Um  so  anziehender  ist  die  nüchterne  und  auch  die  Schwankungen  in  Luthers  Urteil  ins 
Licht  setzende  Behandlung  durch  L.  —  Luthers  Humor,  wie  er  grade  in  seinen  Briefen 
harmlos  und  ungesucht  sich  fort  und  fort  Ausdruck  schafft,  ist  durch  Buchwald  8')  in 
einer  guten  Auswahl  von  Beispielen  anschaulich  gemacht  worden.  ^2-94^  — 

Dass  auch  die  Versuche,  Luthers  Bild  in  Festspielen  wie  im  Volksdrama ^5) 
oder  hl  mehi-  kirchlichen  Formen ^ö)  oder  durch  das  Oratorium''")  dem  deutschen  Volke 
vorzuführen,  ihren  Fortgang  nehmen,  wobei  teils  Aelteres  mit  neuer  Freude  ziu-  Auf- 
führung gebracht,  teils  neue  Dichtungen  versucht  werden,  dafür  hat  auch  das  Berichts- 
jahr mancherlei  Beweise  geliefert.  — 


Progr.  Gumbinnen.  4».  27  8.  -  85)  P.  Fis  ch  e  r,  Luthers  Lehre  v.  d.  Obrigkeit:  DEBll.  16,  8.  318—45.  -  88)  id..  Luther 
»Is  Seelsorger  nach  d.  dlsch.  Briefen  aus  d.  J.  1517—30:  Halt«  was  du  hast  14,  S.  527—38.  —  87)  X  Th.  F.  Mayer,  Luther 
in  d.  Politik.  (=  Flugschriften  d.  Ev.  Bundes.  Heft  52.  V.  Reihe,  Heft  4.)  Leipzig,  Buchli.  d.  Er.  Bundes.  25  8.  M.0,20. — 
88)  C.  Fey,  Urteile  Dr.  M.  Luthers  über  d.  Papsttum.  Aus  s.  Schriften  znsammengetr.  Leipzig,  Buchh.  d.  Et.  Bundes.  III, 
50  S.  M.  0,50.  l[ThLBl.  12,  S.  366.1i  -  89)  0.  Haupt.  Luther  n.  Rabelais  in  ihren  päd  Beziehungen.  Leipiiger  Diss. 
Langensalza.  1890.  48  S.  -  90)  F.  Le  z  ins,  Luthers  .Stellung  i.  türkischen  Weltmacht:  BaltMschr.  38,  S.  263—80.  —  90  O. 
Buchwald,  D,  Humor  in  Luthers  Briefen:  ChristlWelt  S.  1049—52,  1138—42,  1179-82.  —  92)  O  i'-  Nielsen,  Lather  og 
Qrundtvig.  En  Kirkelig  Lejligheds  betragtning.  Kjobenhavn,  Schonberg.  96  S.  Kr.  1,50.  —  93)  O  X  D  0.  Kellogg, 
M.  Luther  and  Savonarola:  CriticNY.  18.  S.  99—100.  —  94)  O  X  W.  B.  Robertson,  M.  Luther,  German  Student  etc. 
London,  Macmillan.  M.  3,50.  —  95)  W.  Grüneberg,  Martin  Luther,  Hist  Schauspiel  in  5  Aufx.  Dresden,  Pierson.  1890. 
131  S.  M.  2,00.  —  96)  W.  Knöll,  E.  kirohl.  L\itherfeier.  Luthers  Leben  in  Chor-  (Kircheu-  u.  Knabenchor)  u.  Sologesingen, 
Deklamationen  u.  Erzählungen.  VolkstUml.  dargest.  fUr  d.  OTang.  Christenheit.  Gotha,  Perthes.  44  §.  M.  0,40.  —  97)  Hans 
Schneider,  Ludw.  Meinardus  u.  s.  Oratorium  «Luther  in  Worms":  Bohemia'^.  N.  123.  — 


n  7:  1-12.  V.  Mich  elf:,  Reform  ationslitteratur.  188 


11,7 

Reformationslitteratur. 

Victor  Michels. 

Allgemeineres  N.  1.  —  Einzelne  Landschaften  und  Städte:  Bayern  N.  12;  Schwaben  N.  15;  Waldshut,  Joachims- 
thal u.  a.  N.  17.  —  Darstellungen  unter  litterarischen  Gesichtspunkten:  Religiöse  Volkslitteratur  N.  30;  Katechismuslitteratur 
N.  31;  Polemische  Litt erafur  N.  34;  Bilderpolemik  N.  38;  Neudrucke  N.  40.  —  Einzelne  Wortführer:  Katholiken:  Stanpitz 
N.  43 ;  Emser  N.  45;  Mumer  u.  a.  N.  47.  —  Protestanten  N.  57 :  Melanchthon  N.  60;  Bugenhagen  N.  65;  Bucer  N.  69;  Zwingli  u.  a 
N.  83;  Paul  Speratus  u.  a.  N.  89;  Sektierer  u.  a.  N.  96.  — 

Das  Berichtsjahr  hat  an  Schriften,  die  die  Ke-hntnis  der  Reformationslitteratur 
zu  fördern  geeignet  sind,  erheblich  mehr  zu  Tage  gebracht  als  das  vorhergehende. 
Freilich  die  Schriften  allgemeineren  Inhalts  treten  diesmal  zurück  gegen  die  Mono- 
graphien. W.  Möllers  i)  Lehrbuch  der  Kirchengeschichte  schneidet  noch  gerade  un- 
mittelbar vor  der  Reformation  ab. 2-4)  —  Mejers  ^)  Abhandlungen  zum  Kirchenrecht  — 
Anfänge  des  Wittenberger  Konsistoriums;  Errichtung  des  Konsistoriums  in  Rostock; 
Ziir  Geschichte  des  ältesten  protestantischen  Eherechtes  —  zeichnen  sich  zwar  dut-ch 
ihre  fesselnde  Darstellungaweise  vor  ähnlichen  Arbeiten  aus  und  werden  aus  diesem 
Grunde  auch  ausserhalb  der  Eachkreise  dankbare  Leser  finden,  fördern  den  Litterar- 
liistoriker  aber  in  erheblich  geringerem  Grade  als  den  Theologen  und  Juristen.  —  Ein  Auf- 
satz von  Nik.  Müller  6),  der  sich  inhaltlich  an  die  erste  und  dritte  Abhandlung  Mejers 
anschliesst,  ist  deshalb  zu  erwähnen,  weil  er  einen  Kommentar  zu  drei  Schreiben 
Melanchthons  an  den  Propst  und  Pfarrer  Christophorus  Eischer  in  Jüterbogk  (Corpus 
Reformatorum  6,  S.  405,  423,  450)  bietet.  Es  handelt  sich  um  die  Ehescheidungsklage 
eines  gewissen  Vincentius  NeudorfF,  der  seine  Konkubine  zu  ehelichen  wünscht,  nach- 
dem seine  Ehefrau  durch  böswillige  Verlassung  die  Ehe  faktisch  gelöst  hat.  Johann 
Wagemann,  Caspar  Cruciger,  Georg  Major  und  Philipp  Melanchthon  sprechen  in  einem 
Erkenntnis  vom  23.  April  1547  die  Scheidung  aus.''-ii)  — 

Von  den  Schriften,  die  die  reformatorische  Bewegung  in  einzelnen  Land- 
schaften und  Städten  verfolgen,  rücke  ich  Knöpflers  ^2)  Darstellung  der  Kelch- 
bewegung in  Bayern  unbedenklich  in  den  Vordergrund.  Mit  Hilfe  archivalischer  For- 
schungen giebt  K.  von  der  Stellungnahme  Albrechts  V.  zu  den  religiösen  Zeitfragen 
ein  sympathischeres  Bild,  als  es  protestantische  und  katholische  Forscher  bisher  ge- 
zeichnet haben.  Janssens  Vorwurf  des  religiösen  Indifferentismus  und  Sugenheims 
Vorwurf  des  Fanatismixs  weist  er  in  gleich  überzeugender  Weise  zurück.  Herzog 
Albrecht  erscheint  von  vornherein  als  überzeugter  Katholik,  der  aber  einsichtsvoll  genug 
ist,  um  die  Beseitigung  schreiender  Uebelstände  auch  gegen  den  passiven  Widerstand 
der  Bischöfe  zu  versuchen,  und  tolerant  genug,  um  den  Forderungen,  die  seiner  Meinung 
nach  das  feste  Gefüge  katholischer  Lehre  nicht  gefährden,  des  Frieden  wegen  entgegen- 
zukommen. Diese  irenischen  Bestrebimgen  gipfeln  in  der  fakultativen  Einführung  des 
Laienkelches  im  Jahre  1504  auf  Grund  päpstlicher  Konzession.  Von  dem  Augenblick 
an,  wo  der  Herzog  einsieht,  dass  die  Zulassung  des  Kelches  nicht  völlige  Befriedigung 
schafft,  und  die  Ueberzeugung  gewinnt,  dass  er  mehr  dem  Schlagwort  einer  kleinen, 
rührigen  liberalen  Partei  als  lebendiger  religiöser  Ueberzeugung  nachgegeben  hat,  sucht 
er  mit  derselben  ruhigen  Energie  den  Laienkelch  wieder  abzuschaffen  und  mit  Hilfe  der 
Jesuiten  die  kirchliche  Autorität  zu  sichern.  Ob  freilich  für  die  Wendung  seiner  Pohtik 
nicht  neben  den  inneren  psychologischen  Gründen,  die  K.  blosslegt,  auch  noch  äussere 
Einflüsse  anziniehmen  sind,  etwa  die  Bemühungen  der  Herzogin,  wie  Sugenheim  be- 
hauptete, oder  des  Kanzlers  Simon  Eck,  wie  neuerdings  Manfred  Mayer  vermutet, 
bleibt  eine  ofFefte  Frage.     Kulturhistorisch    Interessantes    fördern    die    Akten    über    die 


I)  W.  Möller,  Lehrh.  d.  Kirchengesch.  II:  d.  MA.  (:=  Samml.  theol.  Lehrbb.)  Freihurg,  Mohr.  XII,  560  S.  M.  12,«0. 
—  2)  X  Viot.  Schultze.  K.  v.  Hase,  Kirchengesch.  auf  Grundl.  akad.  Vorlas.  11,2.  1890:  ThLBl.  12,  S.  131/2.  —  3-4)  X 
J.  C.  V.  Hefele,  Konziliengeseh.  Bd.  9.  Freiburg  1890:  t>.  Braunsberger:  StML.  40,  S  233/6;  Th.  Kolde:  HZ.  «7,  S.  505/8.  — 
6)  0.  Mejer,  Z.  Kirchenrechte  d.  Refomationsjh.  3  Abhdlgen.  Hannover,  C.  Meyer.  III,  210  S.  M.  5,00.  [[ThLBl.  12, 
S.  809—10;  LZgii.  N.  298;  H.  Sachsse:  DLZ.  LS.  S.  923/4;  ThLZg.  1892.  S.  248;  LCBL  1892,  S.  483/4;  G.  Loescho:  ThJB. 
11,  8.  214;  K.  Köhler:  ZPTb.  14,  S.  182/4.]|  —  6)  Nikolaus  MllUer,  E  Beitr.  z.  Gesoh.  d.  ältesten  Protestant.  Eherechts : 
ThStK.  64,  I,  S.  374-83.  —  7)  X  Gesch.-Bll.  d.  dtsch.  Hugenotten-Vereins.  Heft  3.  Magdeburg,  Heinrichshofen.  22  S. 
M.  0,80.  (Enthalt:  D.  Waldenser  u.  ihre  Kolonie  Walldorf  v.  Konsistorialrat  Robort  u.  Pfarrer  Di ttraar.)  —  8)  X  G.  Kawerau, 
Z.  Gesch.  d.  Waldenser:  ThLBl.  12.  S.  1/3.  —  9)  X  Funk,  Kryplocalvinisten :  Wetzer  u.  Weites  Kirchenlexikon.  2.  Aufl.  7, 
8.  1284/7.  —  10)  X  H.  T.  Soden,  Reformation  u.  sociale  Frage.  (=r  Ev.  soc.  Zeitfragen  N.  6.)  Leipzig,  Grunow.  40  S.  M.  0,50. 
ItJ.  Etck]:  ChristL  Welt  5,  H.  321/3.]|  -  11)  O  X  W.  Beyschlag,  Reformation  u.  sociale  Frage.  (=  Flugschriften  d.  ev.  Bundes 
N.  50.)  Leipzig,  Braun.  24  S.  M.  0,25.  -  12)  A.  Knöpf  1er,  D.  Kelchbewegung  in  Bayern  unter  Herzog  Albrecht  V.  E. 
Bejtr,  X,  R.  formationsgesch.   d.    16.  Jh.    aua   archival.  Quellen.      München,    Stahl  sen.      VII,.  228,  120  S.  mit  Tafel.    M.  6,00. 


189  V.  Micheln,  Ref'ormatiouHlitteratur.  11  7:   i3-2i 

Kirclieiivisitatiouen,  die  herzogliche  Bttchercensur  und  die  Neuordnung  des  Schulwesens 
zu  Tage.  FreiUch  hat  K.  den  gew<)iinlichen  Fehler  derartiger  Archivstudien  nicht 
vermieden:  allzusehr  mit  den  Augen  der  Regierung  zu  sehen.  Ein  unbefangener  Leser 
wird  nicht  umliin  können,  gelegentlich  zwisclien  den  Zeilen  zu  lesen.  Ausserordentlich 
schlagend  thut  K.  hei  Gelegenheit  der  Kirchenvisitationen  dar,  dass  „die  scientifische 
Unfähigkeit  des  Klerus"  in  erster  Linie  „als  Quelle  und  Ursache  der  ethischen  Ent- 
artung" anzusehen  sei.  Die  Einsicht,  dass  die  reformatorische  Bewegung  zu  gutem  Teil 
identisch  ist  mit  Aufklärung,  wird  durch  das  Buch  —  ich  glaube  gegen  den  Wunsch 
seines  Vf.  —  in  ein  helles  Licht  gestellt.  Demi  weit  peinlicher  noch  als  die  Borniert- 
heit des  niederen  berührt  in  diesen  Darstellungen  die  Einsichtslosigkeit  des  höheren 
Klerus,  der  den  sehr  berechtigten  Reformbesti-ebungen  des  Herzogs  gar  keine  Unter- 
stützung, sondern  nur  Widerstand  entgegenbringt.  Bei  den  Kirchen  Visitationen  drängt 
sich  die  Frage:  rechtgläubig  oder  nicht?  in  den  Vordergrund,  während  Unwissenheit 
und  anstössiger  Lebenswandel  sichtlich  von  den  Visitatoren  mit  erheblich  grösserem 
Gleichmut  hingenommen  werden.  Auch  kann  man  schwerlich  mit  K.  sagen,  dass  die 
Schulen  leidlich  in  Ordnung  gewesen  seien.  Hat  Sugenheim  zweifellos  zu  schwarz  ge- 
malt, so  ist  das  Bild,  das  K.  giebt,  wie  man  auf  Grund  seines  eigenen  Materiales  be- 
haupten darf,  bei  allem  Streben  nach  Objektivität  noch  immer  zu  freundlich  gehalten. 
An  Einzelheiten  ist  beachtenswert,  dass  die  Visitationen  der  Münchener  Schulen  im 
Jahre  1560  häufiger  hervorheben:  „hat  nie  keine  Commedias  gehalten  „(S.  171);"  hält 
keine  Commedie"  (S.  180);  „hält  keine  Spiel"  (S.  182)  u.  dgl.  Der  Zusammenhang,  in 
dem  diese  Bemerkungen  erscheinen,  ergiebt,  dass  darin  ein  Lob  liegt,  die  Anerkennung 
gutkatliolischer  Gesinnung.  Aus  den  Beilagen  von  Archivpublikationen  kommt 
in  Betracht  die  Nr.  III  „Ain  gar  schön  ney,  warhaftiges  Lied  von  dem  waren  Anti- 
christ" usw.,  ein  Meisterlied  von  1562  „in  der  weiss  von  dem  Ritter  auss  Steyermarch". 
Es  beginnt:  „Nun  merckhent  auf  ir  frummen  all".  Die  Reime  sind  sehr  ungenau, 
übrigens  durch  die  Ueberlieferung  hier  und  da  gänzlich  zerstört  (II  13  lies  Ion  statt 
sünd,  V  13  reich  statt  lanndt,  IX  6  eben  statt  gleichen,  IX  9  herdt  statt  hendt,  IX  11 
gebert  d.  i.  gewert  statt  gebeut  u.  a.).  Der  Verfasser  ist  wohl  durch  die  Singschule 
gelaufen,  aber  ungewandt  geblieben.  Ein  Nummer  IX  mitgeteilter  Dialog  zwischen 
einem  Utraquisten  Johannes  und  einem  orthodoxen  Katholiken  Christus  über  das  Abend- 
mahl ist  ästhetisch  wertlos.  Aus  Nr.  VII,  der  Schulordnung  von  1569,  hat  die  inter- 
essanteste Stelle,  an  der  von  den  in  Klöstern  und  Schulen  erlaubten  und  beanstandeten 
Büchern  gehandelt  wird,  bereits  Reusch  in  seiner  Ausgabe  der  „Indices  librorum  pro- 
lübitorum"  abdrucken  lassen.  13-14)  — 

Ein  ähnliches  Bild  wie  Knöpfler  für  Bayern  geben  für  einen  Teil  Schwabens 
Bosserts^s)  Auszüge  aus  den  schon  von  Gmelin  benutzten  Visitationsakten  der  Diöcese 
Konstanz.  —  Als  Gegenstück  aber  erscheint  ein  Aufsatz  von  N.  Paulus  ^^)  über  die 
Reformation  in  Pfalz  -  Zweibrücken,  schwarz  in  schwarz  malend,  mit  dem  Leitmotiv 
„Deformierung  hat  gefolgt  der  neuen  Reformierung".  Kern  ist  die  Analyse  von  Capitos 
„Responsio  de  missa",  die  den  Zwang  in  Glaubenssachen  sehr  naiv  befürwortet.  Die 
Tendenz  P.s  ist  unverkennbar,  doch  kann  die  Wissenschaft  durch  Breschen,  die  in  die 
pastorale  Legende  gelegt  werden,  nur  gewinnen.   Erst  die  Schatten  beleben  Porträts.  — 

Weit  erfreulicher  berührt  die  streng  objektive  Behandlung  der  reformatorischen 
Bewegung  in  Waldshut  durch  Loserth  •''),  der  zum  Teil  mit  dem  Material  von  Beck 
arbeitet.  Wir  erhalten  reiche  Beiträge  zum  Leben  Balthasar  Hubmeyers  von  Friedberg.  — 
Kommt  diese  Arbeit  mehr  für  die  Einzelforschung  in  Betracht,  ebenso  wie  Looses'^)  Mit- 
teilung von  28  Reforraationsurkunden  der  Stadt  Meissen,  unter  denen  zwei  bisher  un- 
genau gedruckte  Empfehlungsbriefe  von  Jonas  und  Spalatin  so  erhebt  die  erweiterte 
Dekanatsrede  des  um  Mathesius  verdienten  Lösche  i^)  Anspruch  auf  mehr  allgemeine 
Bedeutung.  Hier  wird  an  der  Hand  der  Joachims  thaler  Kirchen-  und  Schulordnung 
versucht,  die  Kulturverhältnisse  und  das  geistige  Leben  in  Böhmen  zu  schildern.  Aber 
das  Bild,  das  auf  diese  Weise  entsteht,  ist  doch  gar  zu  mosaikartig  zusammengesetzt: 
die  Fülle  von  Einzelheiten  gäben  wir  gerne  preis  gegen  ein  paar  grosse  und  sichere 
Linien.  20-24^  —  Im  Anschluss  an  das  vorjälu-ige  Referat  (JBL.  1890  117:34)  sei  femer 

[H.  Weber:  Kath.  71,  II,  S.  371/8.]{  —  13)  X  Joh.  Janssen,  Janssen  gegen  d.  MUnchener  Prof.  KlOpfler  über  Heiiog 
Albrecht  V.  v.  Bayern:  Kath.  71,  II,  S.  477—80.  —  U)  X  A.  Knöpfler,  Herzog  Albrecht  V.  u.  Joh.  Jwuseu:  ib.  8.  571/6.— 
18)  G.  Bessert,  D.  Visitationsprotokolle  d.  Diöcese  KonsUni  v.  1574—81:  BWKG.  6,  .S.  1/5,  9—14,  17/»,  25—30,  36/8,  43«, 
61/3,  59-(>2.  -  16)  N.  Paulus,  D.  Einführung  d.  Reformation  in  Pfalz  -  ZweibrBoken :  HPBU.  107,  S.  651—71,  793—819, 
887—905.  —  17)  J.  Loserth,  D.  SUdt  Waldshut  u.  d.  vorderösterreich.  Regierung  in  d.  J.  1523«.  E.  Beitr.  z.  Oesch.  d. 
Bauernkriegs  u.  d.  Reformation  in  Vordei Österreich:  AÖG.  77,  .S  1 — 149.  —  18)  W.  Loos«,  D.  Reformationsurkunden  d.  Stadt 
Meisseu:  MVGMeissen  2,  8.  357—404.  —  19)  (I  6  :  129.)  —  20)  X  H.  GradI,  D.  Reformation  d.  Egerlandes :  JGGPÖ.  11, 
fi.  166—223;  12,  S.  79-144  u.  196—233.  —  2l)OXFScheichl,  Bilder  aus  d.  Zeit  d.  Gegenreformation  in  Oesterreich 
Vl564— 1618).  Gotha,  Perthes.  1890.  V,  51  8.  M.  0,60.  ([Loesche:  JGGPÖ.  12,  8.  14«.]|  -  22)  X  Th.  Elze,  Z.  Gesch.  d. 
Reformation  iu  Krain:  JGGPÖ.  12,  8.  171/9.  —  23)  X  U.  F.  Kühne,  Urkundl.  Beitrr.  i.  Gesch.  d.  Evangel.  in  d.  Alpenl&ndera : 
ib.  8.  180—95.  —  24)  X  W.  Burghard,  D.  Gegenreformation  auf  d.  Eichsfelde  1574.  Tl.  1.  D.  Gegenreformation  a.  d.  Eiohs- 
fulde  bis  z.  Schlüsse  d.  Regensburger  Kurtages  1575.    Marburger  Diss.     Hannorer,  Hofbnchdr.  d.  Gebr.  J&necke.      1890.    52  S 


II  7;  25-83.  V,  Mi  eil  eis,  Reformati  onslitteratiir.  190 

hier  auf  Tschackerts  26)  Selbstanzeige  seines  wichtigen  Werkes  verwiesen,  die  von 
entschiedenem  Interesse  ist,  insofern  sie  die  Anfänge  und  den  konsequenten  Fortgang 
seiner  archivalischen  Forschungen  zur  preussischen  Reformationsgeschichte  schildert. 
Das  Neue  ist  hier  in  knapper  Uebersicht  klar  hervorgehoben,  so  dass  diese  Anzeige  für 
die  Orientierung  vortrefflich  geeignet  ist.  26-29)  — 

Von  den  Darstellungen  unter  litterarischen  Gresichtspunkten  hat 
sich  Becks  30)  „Religiöse  Volkslitteratur"  den  weitesten  Rahmen  gespannt.  Von 
der  Reformation  bis  zur  Aufklärung,  von  Luther  bis  Zschokke  wird  die  evangelische 
Erbauungslitteratur  mehr  namhaft  gemacht  als  charakterisiert.  Denn  wenn  auch  eine 
Charakteristik  versucht  ist,  so  hält  sie  sich  doch  in  sehr  unbestimmten  Farben.  Ur- 
teile wie  das  gern  verwertete  „wahrhaft  salbungsvoll"  sagen  uns  allzu  wenig.  Der 
panegyrische  Schwung,  der  freilich  dem  ganzen  Buch  eine  wohlthuende  Wärme  ver- 
leiht, entschädigt  dafür  nicht.  Auch  die  Gruppierung  ist  merkwürdig  ungeschickt; 
stellenweise  ist  die  Litteratur  nach  Landschaften  geordnet,  ohne  dass  man  den  Eindruck 
hätte,  innerlich  Zusammengehöriges  vereint  zu  sehen.  „Aus  .  .  .  nennen  wir"  lautet 
dann  die  ständige  Uebergangsform.  Das  Buch  ist  also  ein  Mittelding  zwischen  einer 
Litteraturgeschichte  und  einem  Grundriss;  wir  sähen  lieber,  wenn  es  ganz  Grundriss 
wäre.  Denn  namentlich  in  den  ersten  beiden  Abschnitten,  die  das  Zeitalter  der  Refor- 
mation und  die  unmittelbar  nachreformatorische  Zeit,  ferner  die  Zeit  der  lutherischen 
Orthodoxie  behandeln,  zeigt  B.  eine  sehr  grosse  und  mindestens  für  den  Nichttheologen 
erstaunliche  Belesenheit,  die  man  schon  in  dem  älteren  und  breiter  angelegten  Werk 
„Die  Erbauungslitteratur  der  evangelischen  Kirche  Deutschlands,  Band  1"  (Erlangen 
1883)  anzuerkennen  Gelegenheit  hatte.  Die  erste  Partie  des  neuen  Buches  ist 
geradezu  ein  Auszug  aus  dem  alten;  ganze  Stellen  sind  wörtlich    herübergenommen.  — 

Die  Forschung  über  die  Katechismuslitteratur  wird  eifrig  fortgesetzt 
durch  Kawerau,  Müller  und  Schweizer.  G.  Kawerau^i)  macht  vier  Ausgaben  des 
Katechismus  der  böhmischen  Brüder  namhaft:  eine  Erfurter  von  1522,  in  Kiel  befindlich, 
im  Lutherschen  Sinne  purifiziert;  eine  Ausgabe  ohne  Ortsnennung  von  1523,  nach 
Wellers  „Repertorium  typographicum"  No.  2594  citiert,  unbekannten  Aufbewahrungs- 
ortes; einen  niederdeutschen  Rostocker  Druck  von  1525,  von  sprachgeschichtlichem 
Interesse  und  sorgfältiger  hergestellt  als  die  Magdeburger  Ausgabe  in  Wolfenbüttel; 
endlich  einen  niederdeutschen  Wittenberger  Druck  von  1526  im  Halleschen  Waisen- 
haus. —  Georg  Müller  •'^s)  bringt  in  einer  Recension  von  G.  Kaweraus  Neudruck  der 
Katechismen  des  Schultz  und  Hegendorf  den  Hinweis,  dass  Christophorus  Hegendorf, 
identisch  mit  Chr.  Hegendorfinus ,  der  Sohn  des  Hans  Hegendorfer  war,  eines  Leipziger 
Seidenstickers,  der  aus  Bamberg  stammte.  Die  Angabe  in  Otto  Günthers  Dissertation 
über  Plautuserneuerungen,  der  Sohn  habe  sich  wie  der  Vater  geschrieben,  werde  durch 
den  Katechismusdruck  als  falsch  erwiesen.  Dass  Hegendorfs  Verteidigung  gegen  den 
Vorwurf,  „er  habe  alle  christliche  Kirchen  zerstören  wollen",  nicht  unnötig  war,  belegt 
M.  aus  dem  Traktate  „Der  Vralten  und  gar  neuen  Leerern  Vrtail,  das  man  die  jungen 
kindlen  nit  tauffen  solle,  biss  sy  im  glauben  vnderricht  sind"  (1526  von  Balthasar 
Hubmör  [Hubmeyer]  aus  Friedberg).  —  K.  Schweizer 33)  charakterisiert  recht  gut  die 
Bemühung  der  Bernischen  Regierung,  auch  in  Religionssachen  die  unbedingte  Autorität 
zu  behalten  und  den  schweizerischer  Art  so  homogenen  neuen  Glauben  nötigenfalls  zu 
oktroyieren.  Zu  diesem  Zwecke  ist  die  Regierung  schon  1532  bedacht,  durch  einen 
Katechismus  Jugend  und  Landvolk  mit  der  neuen  Lehre  vertraut  zu  machen.  Den  ersten 
Katechismus  lieferte  Caspar  Grossmann  (Megisander)  1536,  von  dem  Ende  1889  durch  den 
Sekretär  des  Bernischen  Staatsarchivs  ein  Züricher  Druck  neben  dem  längst  bekannten 
Baseler  aufgefunden  ist.  S.  hält  den  Züricher  für  die  Vorlage  des  Baseler,  „das  echte 
Exemplar".  Megisanders  Katechismus  hat  vier  Teile:  Dekalog,  Glaubensbekenntnis, 
Vaterunser,  Sakramente.  Infolge  der  angestrebten  Konkordie  mit  der  Strassburger 
Kirche  ändert  ßucer  1537  den  Katechismus  um.  Abgesehen  von  einer  Umstellung  der 
Teile  schneidet  diese  Umänderung  aber  nur  in  die  Sakramentslehre  tiefer  ein:  „cate- 
chismus  variatus".  Da  die  Einführung  namentlich  auf  dem  Lande  böses  Blut  macht, 
wird  1545  auf  den  Invariatus  zurückgegriffen.  1581  entsteht  der  „Grosse  Berner  Kate- 
chismus", von  dem  kein  Exemplar  vorhanden    ist  und    von    dem    man    genaueres    nicht 


M.  0,80.  —  25)  P.  Tschackert,  Tschackert,  Urkundenbuch  z.  Reformationsgesch.  d.  Herzogtumes  Preussen.  I — III.  1890: 
GQA.  S.  108—12.  —  26)  Tschackert,  Urkundeub.  z.  Reformationsgesch.  d.  Herzogtums  Preussen.  Leipzig  1890:  II.  Kiewning: 
MHL.  19,  S.  154—60,  229-31  (lobt  d.  Einleit.,  tadelt  d.  Urkundenbände);  K.  Lohmeyer:  HZ.  67,  S.  313'8.  -  27)  O  X 
Mlrkiache  Kirchengescb.  Zusammengest.  a.  6  Vortrr.  geh.  v.  Nagel  u.  Biehler,  Seidel,  Schöne,  Plenz  u.  Burgdorf, 
T.  A.  Burgdorf.  Cottbus  u.  Fürstenwalde,  Christophorus-Verl.  V,  138  S.  mit  (>  Bildnissen.  M.  1,00.  —  28-29)  X  Haupt, 
Waldensertum  u.  Inquisition  im  sUdöstl.  Deutschland.  Freiburg  1890:  B.  Bless:  HZ.  67,  S.  528-30;  L.  Viereck:  MHL.  19, 
S.  312/4.  —  30)  H.  Beck,  D.  religiöse  Volkslltt.  d.  evangel.  Kirche  Deutschlands  in  e.  Abriss  ihrer  Gesch.  (=  Zimmers 
Handbibliothek  d.  praktischen  Theologie  Xc.)  Gotha,  Perthes.  X,  291  .'*.  M.  5,00.  |[G.  Loesche:  ThJB.  11,  S.  213/4 
(wann  lobend);  LCBl.  1898,  S.  236/6.]|  —  31)  0.  Kawerau,  Vier  bisher  unbekannte  Ausgaben  d.  Katechismus  d. 
böhm.  Brüder:  Th?tK.  64,  I,  S.  172/9.  -  32)  (11  6  :  25.)  -  33)  K.  Schweizer,  D.  Berner  Katechismen  im  16.  .Th.:  ThZSchw. 


191  V.  MiolielB,  Reformationslitteratur.  TI  7:  34-30 

weiss.  Daraus  scheint  der  „Kleine  Berner  Katechismiis"  verkürzt.  Der  Vergleich  mit 
dem  Megisanderscheii  Invariaius  ergab:  dieselbe  Anordnung  aber  Kürzung,  passendere 
Fassung,  Milderung  und  Annäherung  an  den  Kalvinismus.  Ein  paar  nahezu  wört- 
liche llebereinstimmungen  mit  dem  Heidelberger  Katechismus  werden  durch  Nebenein- 
anderstellung auffallig  gemacht,  andererseits  aber  wird  bemerkt,  dass  eine  dieser  lleber- 
einstimmungen auch  der  Megisandersche  Katecliismus  zeigt,  dessen  Woi-tlaut  leider  dabei 
nicht  vollständig  angegeben  ist.     8.  lässt  die  Frage  nach  dem  Verhältnis  offen.  — 

Ein  Bild  von  der  polemischen  Litteratur  unmittelbar  vor  Ausbruch 
des  dreissigjährigen  Krieges  sucht  R.  Weitbrecht 3'*)  zu  entwerfen,  indem  er  sich  vor- 
nehmlich auf  die  Monographie  von  R.  Krebs  3^)  stützt,  die  schon  vor  Jahresfrist  hätte 
Erwähnung  finden  sollen.  Verfuhr  K.,  der  speciell  die  politische  Publizistik  mit  aus- 
gezeichneter Belesenheit  ins  Auge  fasste  und  auch  das  Au.sland  hineinzog,  streng  ob- 
jeJitiv,  so  ergeht  sich  W.,  durch  politische  Konstellationen  der  Gegenwart  veranlasst, 
in  scharfer  Polemik  gegen  die  Jesuiten.  Dadurch  wird  verschleiert,  was  in  K.s  Buch 
überall  hervortritt,  dass  bei  der  klotzig  geführten  Polemik  die  Parteiverblendung,  die 
sich  bis  zum  krassesten  Aberglauben  versteigt,  auf  beiden  Seiten  gleich  gross  ist.  Nur 
wenig  Schriften  zeigen  originellere  Betrachtungsweise  wie  das  Gespräch  zweier  früheren 
Jesuiten  in  Wangers  „Paraleipomena  ad  Amphitheatrum  Honoris  Jesuitarum"  von  158<) 
oder  patriotische  Besonnenheit  wie  der  „Wohlmeinende  Discurs,  warum  die  Römisch- 
Katholischen  in  Deutschland  sich  von  Spaniern  und  Jesuiten  absondern  sollen"  aus 
dem  Jahre  1618.  K.  führte  aus,  wie  die  jesuitischen  Heisssporne  durch  ihre  extremen, 
keineswegs  offiziell  anerkannten,  Theorien  die  Protestanten  immer  mehr  erbittern,  bis 
schliesslich  die  böhmische  Revolution  die  Ausweisung  des  Ordens  veranlasst,  der  mit 
frohen  Hoffnungen  dem  Beginn  des  Krieges  entgegen  sieht.  Ueber  die  „Monita  secreta" 
äusserte  sich  K.  mit  anerkennenswerter  Vorsicht,  während  W.  sie  zwar  nicht  für  er- 
wiesen echt,  aber  jedenfalls  für  keine  Satire  hält.^ö-37j  — 

Ein  kleiner  Aufsatz  von  Gerland^^)  wendet  sich  der  Bilderpolemik  zu: 
er  handelt  über  eine  ehemals  in  der  Kapelle  des  Schlosses  Wilhelmsburg  befindliche 
Gegenüberstellung  Christi  und  des  Papstes,  die  sich  an  den  mit  zwei  Antithesen  ver- 
mehrter! Nachdruck  des  Cranachschen  Passionais  durch  Michael  Sachse  in  Erfurt,  viel- 
leicht auch  an  die  Bearbeitung  des  Zacharias  Durantius  anschliesst.  Die  Bilder  sind 
verloren,  nur  die  Unterschriften  erhalten.  —  Einen  anderen  Beitrag  zur  Bilderpolemik 
der  Reformationszeit  verdanken  wir  Konr.  Lange '^^).  Der  in  der  Streitschrift  der 
beiden  grossen  Wittenberger  Reformatoren  „Deutung  der  zwei  greulichen  Figuren 
Papstesels  zu  Rom  und  Münchkalbs  zu  Freiberg  in  Meissen  funden"  1523  von  Melanch- 
thon  antikatholisch  ausgedeutete  Papstesel  hat  nach  L.  wunderbare  Geschicke  gehabt. 
Im  Januar  1496  war  in  Rom  und  Venedig,  wie  aus  Malipieris  „Annali  Veneti"  nach- 
gewiesen wird,  die  Nachricht  von  der  Auffindung  eines  Monstrums  nach  der  Tiber- 
ttberschwemmung  vom  Dezember  1495  verbreitet,  das  neben  sonstigen  Deformitäten  den 
Kopf  eines  Esels  auf  dem  Leib  eines  Weibes  gezeigt  hätte  und  als  ein  Zeichen  gött- 
lichen Zornes  aufgefasst  ward.  L.  macht  wahrscheinlich,  dass  eine  Abbildung  dieses 
Ungetüms  1497,8  in  Italien  zu  einer  persönlichen  Satire  gegen  Alexander  VI.,  den 
Zwingherrn  Roms,  verwertet  wurde  mit  der  Inschrift  „Roma  caput  mundi".  Dieser 
Halbvers,  schon  bei  den  karoliiigischen  und  ottonischen  Dichtern  vorkommend,  begegnet 
als  Schlagwort  in  der  späteren  Pasquillenlitteratur  häufig;  unter  anderem  auch  bei 
Hütten.  Ein  Relief  aus  Como  zeigt,  dass  das  Bild  in  Italien  bekannt  war  und  uJ'- 
■sprünglich  eine  antikatholische  Bedeutung  nicht  hatte.  Der  Meister  W  (Wenzel  von 
Olmütz)  bildete  das  verlorene  römische  Original,  wie  des  weiteren  ausgeführt  wird, 
wahrscheinlich  1498  nach,  als  in  Olmütz  schwere  kirchliche  Streitigkeiten  herrschten, 
denen  wohl  auch  ein  deutsch-lateinisches  Klagegedicht  fiber  den  Verfall  der  Kirche, 
gedruckt  1499,  seinen  Ursprung  verdankt.  Luther  lernte  Wenzels  Reproduktion  oder 
eine  weitere  Nachbildung,  wie  zu  vermuten,  durch  die  böhmischen  Brüder  kennen  und 
verwertete  die  Figur  1523  und  zu  noch  viel  massloserer  Satire  1545.  1570  w\u*de  sie 
umgekehrt  von  den  Katholiken  auf  Luther  gedeutet,  und  noch  1683  spukt  sie  nach,  in 
ein  Symbol  —  weiblicher  Unbeständigkeit  verkehrt.  Im  Anhang  von  L.s  Schrift  ist  das 
Gedicht  ,,Planctus  ruine  ecclesie"  (1499)  und  die  Schrift  LutJiers  und  Melanchthons 
von  1523  abgedruckt.  — 


8,  S.  87-105.  -  34)  R.  Weitbrecht,  D.  Federkrieg  iw.  Katholiken  u.  ProtesUnten  Tor  Ausbruch  d.  30j.  Krieges:  DEBll. 
16,  8.  Iö4— 71,  230—45.  —  3S)  R.  Krebs,  D.  polit.  Publizistik  d.  Jesuiten  u.  ihrer  Gegner  in  d.  letzten  Jahrzehnten  vor  Aus- 
bruch d.  30j.  Krieges.  (=  Hallische  Abhandl.  z.  neueren  Gesch.  2h.)  Halle,  Niemeyer.  1890.  24«  S.  M.  6,00.  —  36)  X 
LoBsen,  2  Streitschriften  d.  Gegenreformation :  1.  D.  Autonomia.  2.  D.  Incendiam  Calrinisticum :  SBAkMUnchenii.  S.  128—72. 
—  37)  X  J.  Ficker,  D.  Konfutation  d.  Augsburgischen  Bekenntnisses.  Ihre  erste  Gestalt  u.  ihre  Uesch.  Leipzig,  Barth. 
CXXXIV,  194  S.  |[G.  Kawerau.  GQA.  S.  893-903;  G.  K[aweran]:  ChrWelt  5,  S.  931/4,  955  7,  972/4,  997  9.]|  -  38)  0.  Ger- 
land, D.  Antithesis  Christi  et  l'apae  in  d.  Schlosskirche  zu  Schmalkalden :  ZVHessG.  NF.  16,  S.  189— 201.  —  39)  Konr. 
Lange,  D.  Papftesel.    E,  Beitr.  z.  Kultur-  u.  Kunstgesch.  d.  Reformations-Zeitalters.    Mit  4  Taf.     GOttingen,  Vandenlioeck  Je 


II  7:  40-50.  V.  Michels,  Reformationslitteratur.  192 

Von  selbständigen  Neudrucken  reformatorischer  Schriften  sind  diesmal  nur 
zwei  zu  verzeichnen:  der  der  Bremischen  Kirchenordimng  von  1534  mit  einer  ausführ- 
lichen Einleitung  über  Entstehung,  Verfasser  (Johann  Timann),  Inhalt,  Zusammenhang 
mit  anderen  Ordnungen,  Einführung  und  weitere  Geschichte  ^o)  und  der  schlichtere  des 
„Büchleins  vom  Brotbrechen"  4i-42^.  — 

Wenden  wir  uns  zu  den  biographischen  Arbeiten,  zusammenfassenden  Dar- 
stellungen oder  einzelnen  Beiträgen  zur  Charakteristik  und  zum  Leben  der  im  Schrift- 
kampf des  Zeitalters  thätigen  einzelnen  Wortführer,  so  ist  vom  litterarhistorischen 
Standpunkt  aus  erfreuhch  der  Zuwachs  an  brauchbaren  Schriften  über  die  Katholiken. 
Der  grosse  Aufsatz  über  Staupitz  von  N.  Paulus ''3)  ist  schon  an  anderer  Stelle  ge- 
würdigt.—  In  einem  interessanten  Nachtrag  bringt  N.Paulus**)  ein  theologisches  Gut- 
achten über  einen  ungläubigen  Augustiner  vom  Jahre  1533,  in  dem  Staupitz,  indirekt, 
der  katholischen  Kirche    das  Recht  der  Entscheidung    über  ihre  Dogmen  zuerkeinit.  — 

Langer  *5)  trägt  zu  Emsers  Beurteilung  einige  Züge  bei  in  einem  anderen 
Zwecken  dienenden  Aufsatz.  Er  behandelt  Emsers  Bemühungen  um  die  Kanonisation 
Bennos  von  Meissen,  die  Herzog  Georg  der  Bärtige  von  Sachsen  mit  zäher  Energie 
betrieb.  Emsers  „Vita"  des  heiligen  Benno,  führt  L.  aus,  sei  eine  mit  Hülfe  des 
Meissner  Domdechanten  Hennig  und  des  Hildesheimer  Professors  Rose  verübte  bewusste 
Fälschung  zu  nennen.  Die  deutsche  Bearbeitung  von  1517  hatte  nach  L.s  Darstellung 
den  Zweck,  dem  sehr  lebhaften  kecken  Skeptizismus  der  Massen  entgegenzutreten.  Es 
wird  weiter  gezeigt-,  wie  sich  Emser  durch  Luthers  Polemik  gegen  die  Heiligenverehrung, 
obwohl  nicht  genannt,  besonders  getroffen  fülalen  musste:  daher  1524  die  „Antwort  auf 
das  Lutherische  Buch  wider  Bischof  Benno  von  Meissen".  Auch  sonst  wird  auf  die 
Schriften  zu  Ehren  und  Schanden  des  heiligen  Benno  eingegangen,  z.  B.  auf  die  beissenden 
Epigramme  des  Euricius  Cordus.  4^)  — 

Seine  biographische  Behandlung  Murners  setzt  W.  Kawerau*.')  fort  und 
schildert  zunächst  knapp  die  Strassburger  Reformation,  analysiert  dann  die  ersten 
Schriften  gegen  Luther  bis  zur  Abfertigung  in  der  Antwort  „Auf  das  überchristliche 
Buch  Bock  Emsers".  Er  geht  auf  den  Streit  mit  Gnidius,  Rhegius  (?),  Styfel,  die  Reise 
nach  England  ausführlich  ein  und  giebt  eine  Inhaltsangabe  von  Murners  „Grossem 
lutherischen  Narren",  dem  der  Mangel  einer  ,, klaren  positiven  religiösen  Stellung",  einer 
„grossen,  leitenden,  begeisternden  Idee"  vorgeworfen  wird.  ,,Ein  Talent,  aber  kein 
Charakter",  lautet  des  Endurteil  der  kenntnisreichen  und  gutgeschriebenen  Darstellung. 
Eine  Fortsetzung  scheint  nicht  beabsichtigt.  —  In  einer  Recension  von  Kaweraus  früherer 
Schrift  über  Murner  hebt  Seeberg  *8)  hervor,  dass  die  gelegentliche  Betonung  der 
Nichtigkeit  alles  menschlichen  Verdienstes  und  der  alleinigen  Wirksamkeit  der  Gnade 
noch  nicht  auf  reformatorische  Neigungen  weisen.  Eine  Gedankenreihe  wie  Narren- 
beschwörung 77,  6 — 21  lässt  sich  in  der  praktischen  Litteratur,  speciell  bei  den  Mystikern, 
oft  genug  nachweisen.  Aus  der  „Badenfahrt"  wird  als  Gegenstück  VIII,  5 — 11  der 
Martinschen  Ausgabe  herausgehoben,  um  die  Verherrlichung  des  Werkdienstes  erkennen 
zu  lassen.. —  Drei  anderen  Mönchen,  die  innerlich  dem  kecken  Franziskaner  sehr  unverwandt, 
haben  v.  Druffel  und  Paulus  biographische  Darstellungen  gewidmet,  von  Druff eH^-^^a) 
schildert  den  bairischen  Minoriten  Kaspar  Schatzger,  der  1514 — 1523  Provinzial  der 
oberdeutschen  Franziskaner  von  der  Observanz,  dann  bis  zu  seinem  Tode  1527  Guardian 
in  München  war  und  in  ausgebreiteter  Polemik,  anfangs  in  lateinischen,  seit  1523  auch 
in  deutschen  Schriften  die  lutherische  Lehre  bekämpfte,  als  einen  anständigen  und  trotz 
seines  entschiedenen  Standpunktes  im  Grunde  milden  Charakter.  Mochten  auch  die 
Feinde  seinen  Namen  in  Schatzgeyer,  Thesaurivora  verdrehen,  so  versagt  ihm  doch  ein 
Eberlin  von  Günzburg  bei  aller  Heftigkeit  der  Polemik  nicht  eine  gewisse  Achtung.  Er 
ist  nach  D.s  Darstellung  nicht  blind  gegen  die  Gebrechen  der  Geistlichkeit,  voll  Hoff- 
nung auf  die  Besserung  durch  ein  Konzil,  aber  weder  ein  konsequenter  Denker  noch 
ein  origineller  Schriftsteller.  —  N.  Paulus  ^<^)  hat  über  den  besonders  als  Prediger  hervor- 
ragenden Augustinermönch  Johannes  .Hoffmeister  (geboren  zu  Oberndorf  1509  oder  1510, 
seit  1542  Provinzial  von  Rheinland  -  Schwaben,  gestorben  1547)  ein  erschöpfendes  und 
sehr  beachtenswertes  Buch  erscheinen  lassen.  Es  zerfällt  in  die  Darstellung  des  Lebens 
und  der  Lehre,  einen  historischen  und  einen  systematischen  Teil,  woraus  man  erkennen 


Ruprecht.  VIII,  118  S.  M.  4,00.  —  40)  D.  bremische  Kirchenordnung  v.  1B34.  Kearb.  v.  J.  Friedr.  Iken.  Her.  v.  d.  hist. 
Geseils.  d.  KUnstlervereins.  Bremen,  C.  Ed.  Müller.  LXXXVII,  116  S.  —  41)  D.  BUohlein  v.  Krotbrechen  (Heidelberg,  Joh. 
Mayer  1563).  Neue  Ausg.  (Mit  2  Fakbimiles).  V.  J.  J.  Doedes.  Utreciit,  Kernink  &  Zoon;  Gotha,  F.  A.  Perthes.  XVI, 
23  8.  M.  1,00.  |[ThLBl.  12,  S.  139  f.] |  —  42)  X  M  ay  r-Deisiuger,  D.  Index  librorum  prohibitorum,  -edr.  zu  Padua  1580. 
Her.  V.  F.  H.  ReuBch,  Bonn  1889:  HZ.  66,  S.  101/2.  —  48)  (II  6  :  64.)  —  44)  N.  Paulus,  E.  Gutachten  v.  Staupitz  aus  d. 
Jahre  1623:  HJb.  12,  S.  773/7.  —  45)  0.  Langer,  Bischof  Benno  v.  Meissen.  Sein  Lcbeo  u.  seine  Kanonisation.  II:  MVG. 
Meissen  2.  S.  99—144.  —  46)  (II  6  :  68.)  —  47)  (II  6  :  69.)  — 48)  R.  Seeberg,  W.  Kawer»u,  Thomas  Murner  u.  d.  Kirche  d. 
M.-A.  Halle  1890:  ThLBl.  12,  S.  426/8.  —  49)  A.  v.  Druffel,  D.  bairische  Minorit  d.  Observanz  Ka-tpar 
SehatBger  u.  g.  Schriften:  SBAkMünchen''''.  1890,  11,  S.  398—432.  -  49a)  id.,  Kaspar  (Johann)  Schatzger:  ADB. 
31,  S.  783/4.  —  50)  N.  Paulus,  D.  AugustinermOnch  Job.  Hoffnieister.    E.  Lebensbild  aus  d.  Keforimitionszeit.     Freiburg  i./li., 


193  V.  Michels,  Reformntionslitteratur.  II  7:  61-67. 

wird,  Hass  das  Interesse  dos  kaiholischen  Theologen  mit  dem  des  Historikers  vermischt 
ist.  Ein  Anhang  bietet  eine  Uebersicht  über  die  Schriften  Hoffmeisters ;  ein  zweiter 
ergänzt  v.  Drviffels  1878  erschienene  Publikation  der  Briefe  Hoffmeisters  an  den  Ordens- 
general Seri{)an(lo  durch  Mitteilung  der  Antworten  Seripandos,  —  Schun  benutzt  ist  in 
Paulus'  Bucli  die  Veröffentlichung  von  vier  Briefen  Hoffmeisters  (1545/())  durch  Wald- 
ner ^i).  Aus  dem  ersten  Briefe  sei  die  Bemerkung  ausgehoben:  „Dem  Herren  Hiero: 
Boner  sagend  die  Cronick  des  Krantzen  sei  im  Truck  ausgangen,  do  mit  er  nit  ver- 
gebens arbeite".  Woraus  sich  ergiebt,  dass  auch  Boner  die  von  Eppendorf  verdeutschte 
„Dänemarkische  Chronik"  (Strassburg  1545)  zu  tibersetzen  gedachte.  —  Derselbe  eben 
genflnnte  N.  Paulus  •''2)  stellt  dann  in  einem  kleinen  Aufsatz  zusammen,  was  sich  über  das 
Leben  des  humanistisch  angehauchten  Dominikanermönches  Wilhelm  Hammer  beibringen 
Hess,  den  Bcatus  Rhciionus  in  einem  Brief  an  Hoffmeister  „einen  kenntnisreichen  Lehrer 
der  schönen  Wissenschaften"  nennt,  „eine  Zierde  des  Predigerordens".  —  Von  den 
späteren  katholischen  Schriftstellern  ist  dem  milden  und  geschickten  Prälaten  Johannes 
Leisentritt  von  Juliusburg  (1527 — 1586)  ein  biographischer  Artikel  von  Kerker^)  zu 
teil  geworden,  auch  eine  Art  „Rettung"  im  katholischen  Sinne.  Die  Angabe,  dass  er 
wegen  der  Aufnahme  protestantischer  Lieder  in  sein  Gesangbuch  mit  dem  Bannstrahl 
bedroht  worden  sei,  wird  als  irrig  abgewiesen  und  zugleich  ein  offenbar  richtiger 
Fingerzeig  über  die  Entstehung  dieser  Nachricht  gegeben.  Seine  Hauptschriften  werden 
knapp  charakterisiert.  —  Den  Jesuiten  Jakob  Keller,  Jakob  Baldes  Lehrer,  behandelt 
sein  Ordensgenosse  Duhr^),  indem  er  im  Gegensatz  zu  dem  unzulänglichen  Artikel 
der  „Allgemeinen  Deutschen  Biographie"  so  ausführlich,  wie  es  im  Rahmen  eines  lexika- 
lischen Artikels  möglich  war,  auf  Kellers  Schriften  eingeht  und  bemerkt,  dass  Keller 
die  unter  dem  Namen  Laurentius  Silvanus  erschienenen  Schriften  selbst  abgelehnt  hat. 
Ein  entliusiastisches  Urteil  über  ihn  wird  einem  Briefe  des  Pater  Jakob  Bidermann  an 
P.  Rader  entnommen.  Auf  hs.  Material  („V'ita  Canisii",  „Comment.  in  Aristotelem") 
in  der  Münchener  Bibliothek  ist  ebenfalls   aufmerksam  gemacht. ^^-Sß )  — 

Für  die  Protestanten  kommen  meist  kleinere  Aufsätze,  namentlich  Artikel  in 
der  „Allgemeinen  Deutschen  Biographie"  in  Betracht.  Wenn  A.  Henschel^')  eine 
Sammlung  %»olkstümlich  gehaltener  biographischer  Aufsätze  veranstaltet  hat,  aus  der  uns 
etwa  die  fünf  oder  sechs  ersten,  Johannes  Laski,  Georg  Israel,  Samuel  Dombrowski, 
Valerius  Herberger,  Johann  Herrmann  und  Arnos  Comenius  angehen  würden,  so  hat  er 
erbauliche,  nicht  wissenschaftliche  Zwecke  im  Auge  inid  schöpft  aus  sekundären  Quellen; 
namentlich  sind  populäre  Aufsätze  aus  Bocks  „Evangelischem  Kalender  für  die  Provinz 
Posen"  mit  Hülfe  anderer  Schriften  verarbeitet. ^8)  —  Ein  wunderliches  Sammelsurium 
von  Excerpten  und  Dokumenten  zur  Lebensgeschichte  Strassburger  Reformatoren  rührt 
von  Horning^ö)  her;  darin  unter  anderem  vier  Briefe  Bucers,  drei  an  Capito  (1520/1) 
und  einer  an  den  Pfarrer  Hubert  in  Strassburg  (Canterbury,  14.  Okt.  1550),  aus  dem 
Lateinischen  liberseizt.  — 

Für  Melanchthon  ist  ein  bibliographischer  Beitrag  L.  Neubauers  ß*^)  zu  ver- 
zeichnen. N.  weist  im  Anschluss  an  das  „Corpus  Reformatorum"  und  an  Hartfelders 
Verzeichnis  in  seinem  „Melanchthon  als  Praeceptor  Germaniae"  eine  Reihe  kleinerer 
Melanchthoniana  nach:  Briefe,  Dedikationen,  Gedichte.  Die  „Disputatio  de  Invocatione", 
die  Hartfelder  nur  aus  zwei  Katalogen  kannte,  das  „Corpus  Reformatorum"  12,  S.  560  6 
dem  Inhalt  nach  erwähnte,  ferner  ein  Brief  an  Andreas  Münzer  (Januar  1551),  enthal- 
tend eine  Danksagung  für  die  Uebersetzung  der  Elegie  auf  den  Tod  der  Anna  Sabinus, 
sind  darunter  die  bedeutendsten.  —  In  einer  „Ratio  discendi"  Melanchthons,  die  nebst 
vier  anderen  Stücken  ohne  Ort  und  Jahr  gedruckt  woirde,  der  „frühesten  Zusammen- 
fassung von  Melanchthons  methodischen  Prinzipien",  sieht  Hartfelder ^i)  auf  Grund 
eines  hs.  Fundes  (Cgm.  980)  die  Niederschrift  eines  Kollegs  durch  einen  sonst  unbe- 
.  kannten  Magister  Georg  Ebner.  ^2-64)  — 

Von  Bugenhagen    teilt    Virck^S)    ein    interessantes    Schreiben    an    Kurfürst 


Herder.  12«.  XX,  444  S.  H.  4,00.  |[H.  Weber:  Kath.  71,  II,  662/6;  Funk:  DLZ.  13,  S.  1161/2.]|  -  51)  E.  Waldner, 
Vier  Briefe  v.  Job.  Hofmeister:  ZGORh.  6,  S.  172(7.  —  52)  N.  Panlus,  Wilh.  Hammer  v.  Neuss.  E.  Dominikanermönch  d. 
Reformationszeit:  HPßU.  108,  S.  429—38.  —  53)  Kerker,  Job.  Leisentritt  v.  Julinsberg:  Wetzer  u.  Weite,  Kircbenlexikon  7, 
S.  1701/5.  —  54)  Duhr  S.  J.,  Jak.  Keller  S.  J.:  ib.  S.  361/J.  -  55)  X  Streber,  Konr.  Köllin:  ib.  S.  821/2.  —  56)  X  «d., 
Kilian  Leib:  ib.  S.  1643/4.  —  57)  A.  Henschel,  Evai.geliscbe  Lebenszeugen  d.  Posener  Landes  aus  alter  n.  neuer  Zeit  Posen, 
Decker  &  Co.  XXIV,  465  S.  M.  7,50.  —  58)  O  X  Scheichl,  Glauben.sflUcbtlinge  im  16.  Jh.  Linz,Fink.  26  S.  \[Q.  Loesche: 
JQQPÖ.  12,  S.  146.JJ  —  59)  W.  Horning,  Kirchenhist.  Nachlese  oder  Nachtrr.  zu  d.  .Beitrr.  i.  Kircbengesch.  d.  Elsasses" 
(,7  Jahrg.)  u.  Biograpbieen  d.  Strassburger  luth.  Theologen:  Marbacli,  Pappas,  J  Schmidt,  Dannhauer,  Dorsch,  Bebel,  S.Schmidt, 
Spener  etc.  Strassburg,  Heitz.  X,  164  S,  M,  4,50.  \[ßg:  LCßl.  1892,  S.  138|9.]i  — 60)  L.  Neubauer,  E.  Nachtr.  z.  Corpus 
Reformatorum  [Melanchthon]:  AltprMschr.  28,  S.  246—75;  643  5.  —  61)  K.  Hartfelder,  üeber  Melanchthons  Ratio  discendi: 
ZGK.  12,  S,  562,6.  —  62)  Q  XX  id.,  Aus  e.  Vorlesung  Melanchthons  über  Ciceros  Tnsculanen:  MGSchuIG.  1,  S.  168-77. 
—  63)  X  K.  Knaake,  Melanchthons  Loci  communes  ed  Plitt-Kolde  (JBL.  1890  II  7  :  39):  ThStK.  64,  S.  601-17.  —  64)  X 
E.  Troeltsch,  Vernunft  u.  Offenbarung  bei  Joh.  Gerhard  u.  Melanchthon  OOttingen,  Vandenhoeck  £  Ruprecht.  M.  4,60. 
I[G.  Loesche:  ThJB.  11,  S.  211;  G.  Kawerau:  DLZ.  12,  S.  1738-40;  Kastan:  ThLZ.  17.  S.  208-12;  ThLBl.  189-.',  S.  247.]! - 
65)U.  Yirck,  Lübeck  im  J.  1536.  Nebst  e.  Brief  Bugenbigens :  ZKG.  12,  S.  566— 75.  —  66)  (II  6  ;  07.)  —  67)  R.  Thommen,Bagen< 
Jahresberichte  fUr  neaere  deutsche  Litteratargeschiohte  II  (>),  13 


II  7:  68-83.  V.  Michels,  Reformationslitteratur.  104 

Johann  vom  6.  Juli  1536  aus  Schloss  Pretz  mit,  das,  der  Aufforderung  des  Kurfürsten 
entsprechend,  eine  Schilderung  Jürg  Wullenwevers  und  seiner  Revolution  enthält.  — 
Thommenß*^)  bringt  drei  Briefe  an  Spalatin  (1523  Juni  13?;  1524  Juli  10;  zwischen 
1541  und  44?),  von  denen  uns  der  dritte  mit  einer  Tochter  Elisabeth  Bugenhagen  be- 
kannt macht.  —  Thommen  6^)  berichtigt  auch  in  einer  Recension  von  Vogts  Ausgabe  der 
Briefe  Bugenhagens  ein  Versehen  (S.  124  al.  2:  ükolampad  starb  am  23.  Nov., 
nicht  am  5.  Dez.)  und  giebt  einige  Nachträge  zum  Verzeichnis  Bugenhagenscher 
Schriften.  68)  _ 

Eine  ganze  Reihe  von  Arbeiten  über  Bucer  hat  uns  natürlich  die  vierliundert- 
jährige  Wiederkehr  seines  Geburtstages  beschert,  ß^*)  Eine  sorgfältige  Zusammen- 
stellung seiner  Schriften  und  Briefe  durch  Mentz  und  Erichson  '^O)  und  ein  getreuer 
Abdruck  seiner  Schrift  „An  ein  christlich  Rath  vnd  Gemeyne  der  Stat  Weissenburg"  ist 
dankbar  zu  begrüssen.  —  Sehr  erfreulich  ist,  dass  durch  Aufsätze  und  Festreden  der 
Wunsch  geht,  gegenüber  der  einseitigen  theologischen  Betrachtungsweise  den  Mann  mit 
seinen  Vorzügen  und  Fehlern  wirklich  zu  charakterisieren.  0.  Winckelmann ''i) 
findet  hier  das  richtige  Wort,  wenn  er,  die  Bezeichnung  Bucers  als  „eines  Diplomaten 
unter  den  Reformatoren"  bei  Seite  schiebend  oder  vielmehr  durch  eine  umfassendere 
ersetzend,  sagt:  „er  war  unter  den  protestantischen  Theologen  der  einzige  Staatsmann 
neben  Zwingli,  dem  er  insofern  überlegen  war,  als  er  die  Verhältnisse  nüchterner  und 
besonnener  beurteilte."  Von  der  Erwägung  dieser  staatsmännischen  Begabung  aus 
muss  man  der  „Zweideutigkeit",  der  „mehr  diplomatischen  als  offenen  und  gewissen- 
haften" Methode  seiner  Vermittlungspolitik  und  auch  seiner  Intoleranz  gerecht  werden, 
nicht  vertuschend,  nicht  entschuldigend,  sondern  erklärend.  —  Wenn  daher  N.  Paulus ''^), 
um  den  Bucerverehrern  Wasser  in  ihren  Wein  zu  giessen,  im  engsten  Anschluss  an 
seinen  schon  genannten  Aufsatz  über  die  Einführung  der  Reformation  in  Pfalz-Zwei- 
brücken und  zum  Teil  mit  denselben  einseitig  verwerteten  Citaten  Bucers  Intoleranz 
festnagelt,  die  der  Obrigkeit  naiv  genug  das  Recht  vindizierte,  gegen  die  sogenannten 
Gotteslästerer  einzuschreiten,  so  ist  die  unwissenschaftliche  Tendenz  des  sonst  recht 
dankenswerten  Aufsatzes  leider  nicht  zu  verkennen.  Hoffmeisters  Wort:  „ein  grösserer 
Zwang  ist  nie  gewesen  oder  geschehen  als  in  dem  evangelischen  Glauben",  möchte  P. 
durch  den  Aufsatz  beweisen  und  analysiert  dazu  besonders  Bucers  Dialog  vom  Jahre 
1535.  —  Mit  Recht  haben  sich  aber  Reuss'''^)  und  ein  ungenannter  Strassburger''^)  in 
ihren  Reden,  für  die  begreiflicherweise  die  Eeststimmung  den  Grundton  abgiebt,  die 
Ausführungen  von  Paulus  für  die  Charakteristik  Bucers  nicht  entgehen  lassen:  „Sans 
deute,  il  a  ignore  ce  que  nous  appelons  la  liberte  de  conscience".  75-82)  — 

Zwingiis  Anschauungen  über  Staat  und  Kirche  stellen  zwei  Arbeiten  zusammen. 
Oechsli^)  führt  aus,  dass  Zwingiis  Theorien  auf  dem  Studium  der  Bibel,  des  Alter- 
tums und  der  Gegenwart  beruhen.  Zwingli  fasse  den  Staat  nüchtern,  realistisch  im 
Gegensatz  zu  den  idealistischen  Forderungen,  die  er  an  den  Menschen  als  solchen  stellt. 
Deshalb  verteidigt  er  die  Obrigkeit,  das  Recht  zu  strafen,  auch  mit  dem  Tode,  auch 
das  Recht  Kriege  zu  führen.  Er  gesteht  andererseits  im  Gegensatz  zu  Luther  den 
Unterthanen  das  Recht  der  Erhebung  gegen  die  ungerechte  Obrigkeit  zu.  ,,Er  ist", 
so  sagt  0.,  ohne  des  Vorgangs  von  Thomas  Aquinas  und  Roger  Baco  zu  gedenken, 
,,wohl  einer  der  frühesten,  wenn  nicht  der  früheste  Vertreter  von  der  Lehre  der  unbe- 
dingten Souveränität  des  Volkes  in  jedem  Staat."  Von  den  verschiedenen  Staats- 
formen erscheint  ihm  die  Republik  die  beste  und  zwar,  was  er  eine  aristokratische 
Verfassung  nennt,  eine  ,, gemässigte  oder  repräsentative  Demokratie".  Die  innere  Ein- 
heit bildet  die  religiöse  Gemeinschaft:  die  Kirche  ist  die  Seele  der  menschlichen  Ge- 
sellschaft, der  Staat  gewissermassen  der  Körper.  Gerade  deshalb  darf  die  Kirche  nicht 
die  äussere  Herrschaft  in  Händen  haben.    Ö.  führt  mit  einem    etwas    gar    zu  weit  aus- 


higens  Briefwechsel,  her.  v.  Vogt.  Stettin  1888:  MIÖG.  12,  S.  191/3.  —  68}  X  E.  T.  Hörn,  Bugenhagens  Order  of  Service  of  1524: 
Lntheran  Church  Review,  Octob.  S.  288-93.  —  69)  (II  1:6.)  |[LCbl.  1892,  S  277/8;  Ho  Ilaende  r:  DLZ.  13,  S.  195/7.]|  -  70)  Z.  400j. 
Geburtsfeier  M.  Butzers.  (M.  Butzers  an  ein  christlieh  Eath  vnd  Gemeyno  der  Stat  Weissenburg  Summary  seiner  Predig  da- 
selbst gethon.  [Neudruck].  —  F.  Mentz.  Bibliograph.  Zusammenstell.  d.  gedr.  Schriften  Butzers.  —  A.  Erichson.  Ueber 
d.  hs.  Nachl.  n.  d  gedr.  Briefe  Butzers.  Verzeichnis  d.  Litt,  über  Butzer.  Strassburg,  Heitz.  VI,  180  S.  M.  6,00.  |[M.  Lenz: 
DLZ.  13,  S.  533/5.]|  -  71)  0.  Winckelmann,  M.  Bucer:  AZgß.  N.  280.  -  72)  N.  Paulus,  M.  Butzer  n.  d.  Gewissens- 
freiheit: K»th.  71,  n.  S.  44—71.  —  73)  R.  Reuss,  Z.  Gedächtnisse  M.  Butzers,  d.  Strassburger  Refonnatirs.  Rede.  Strass- 
burg, Heitz.  30  S.  M.  0,20.  \\ß<;:  LCBl.  1892,  S.  42.]|  -  74)  Th  G.,  M.  Butzer,  le  Röforraateur  de  l'Alsace.  A  1'  6cole  dn 
dimanihe  de  Saint-Nicolas  souvenir  du  1er  Novembre  1891  ebda.  18  S.  M.  0,20.  [[ßg:  LCBl.  1892,  S.  42.]|  —  75)  O  X 
A.  Erichson,  M.  Bncer,  d.  elsäss.  Reformator.  Zu  dessen  400j.  Geburtsfeier  d.  elsäss.  Protestanten  gewidmet.  3  Aufl. 
ebda.  VI,  76  S.  |[M.  Lenz:  DLZ,  13,  S.  533/5;  PKZ.  38,  S.  1045/6.]!  -  76)  O  X  E.  Stern,  M.  Bucer,  E.  Lebensbild  aus  d. 
Gesch.  d.  Strassburger  Reformation.  Gedacht nisbll.  z.  400 j.  Jubelfeier  s.  Geburtstages.  Strassburg,  Stnissb.  Druckerei  u.  Ver- 
lagsanst.  87  S.  mit  Bild.  M.  0,50.  -  77)  X  M.  Bui  er  d.  Reformator  Strassburgs:' AELKZ.  5,  S.  1121.  —  78)  O  X  K-  Conrad, 
M.  Butler,  e.  Reformator  Strassburgs.  Zu  dessen  400.  Geburtstag  dem  protest.  Volk  in  Elsass-Lothringcn  erzillilt.  (=  Schriften 
d.  Protest  liberalen  Vereins  in  Els.-Lothr.  35.)  Strassburg,  (Druck  v.  Heitz  &  MUndel),  [Treuttel  *  WUrtz.]  JI.  0,25.  — 
79)  X  C.  Werckshagen.  M.  Butzer,  d.  Reformator  d.  Elsäss:  Didaskalia  S.  1064/5.  —  80)  X  C.  W  [e  rokshageu]  ,  Z. 
RefonnationsjnbiUum:  SchwabKron.  N.  266.  (=  N.  79.)  -  81)  X  E.  ReformationsjubilSnm  d.  Elsass:  VZg.  N.  527. 
—    82)    X    N.  W[tiis8j,    M.  Bncer.      Le  quatrieme  centenaire  de  sa  naissance:  BHLPFr.  40,  S.  614/6  u.   672.    —    83)  X  W. 


10- 


V.  Michels,  Reformationslitteratur.  n  7:  84-97. 


sohauenden  Schluss  auf  den  Gnimlgedaiiken  der  schweizerischen  Kirchenroform  ZwingUs 
und  Calvins  die  republikanisch-demokratische  Verfassung  der  Niederlande,  die  republi- 
kanischen Ideen  der  Hugenotten,  der  Puritaner,  Nordamerikas  und  zuletzt  der  fran- 
zösischen Revolution  zurück.  —  Bachofen  ^)  leitet  im  ersten  Teil  seiner  Dissertation 
Zvinglis  KiicluMilehro  aus  dem  Gottesbegriff  desselben  dialektisch  ab.  Aus  der  allei- 
nigen Kausfilität  Gottes  folge  die  Prädestinationslehre,  aus  ihr,  dass  das  Heil  der 
Menschheit  lediglich  von  Gott  abhängt,  nicht  von  der  Kirche.  Die  katholische  Lehre 
ist  als  gottlos,  die  wiedertäuferische  als  utopistisch  za  verwerfen.  Zwingli  lehrt  eine 
unsiolitbare  Kü-che,  der  die  durch  Christus  Erretteten  angehören.  Daraus  folge  mit 
Notwendigkeit  die  Lehre  ehier  sichtbaren  Kirche,  der  alle  angehören,  die  sicli  der 
Sakramente  bedienen.  Im  zweiten  Teil  legt  B.  die  Organisation  dieser  sichtbaren  Kirche 
dar,  die  natürlich  eine  rein  praktische  ist  und  nicht  nur  die  im  engeren  Sinne  kirclüiche, 
sondern  auch  die  staatliche  Organisation  umfasst,  das  Verhältnis  der  Gläubigen  zur 
weltlichen  Obrigkeit  und  zu  ihrem  geistigen  Hirten  feststellt.  Die  Betrachtung  gescliieht 
etwas  aus  der  Vogelperspektive  und  geht  nicht  ins  DetaiL^^ij)  —  Wenn  dem  Reformator 
Hessens,  Franz  Lambert,  Schrödl^ß)  einen  Artikel  zu  teil  werden  lässt,  der  nicht 
bloss  verdrossen,  sondern  auch  dürftig  genannt  werden  muss  im  Vergleich  zu  Wage- 
manns warmer  Darstellung  bei  Herzog  und  Plitt  und  der  kühleren' Stieves  in  der  „All- 
gemeinen Deutschen  Biographie";  wenn  J.  Schneider ^fj  für  Schweblin  ein  Zeugnis 
von  C.  Glaser  beibringt  zum  Beweis  der  ersten  Ehe  auf  Burg  Landstulü  im  Jahre 
1521;  wenn  F.  Braun  8^)  Aktenmaterial  (Briefe  und  Auszüge  aus  einer  Predigt)  für  die 
Beziehungen  Blaurers  zu  Memmingen  aus  der  Münchener  Bibliothek,  der  Dekanats- 
registratm-  und  dem  Stadtarchiv  in  Meiiuningen  schöpft:  so  hat  das  alles  verhältnis- 
mässig beschränktes  Interesse.  — 

Wichtiger  ist  uns  der  preussische  Reformator  Paul  Speratus,  für  den 
Tschackert  89-90)  [i^  seinem  „Urkundenbuch"  so  viel  Neues  beibringen  konnte  (s.  JBL. 
1890  II  7:34)  und  dem  nun  ders(ilbe  Gelehrte  auch  eine  zusammenfassende,  auf  weitere 
Kreise  berechnete  Biographie  gewidmet  hat.  T.  hat  noch  einmal  soviel  Handschriften 
benutzen  können,  als  Cosack  zu  Gebote  standen,  dessen  Buch  seinen  Wert  durch  die 
mannigfaltigen  Ausblicke  behält.  Von  den  49  Liedern,  die  Cosack  dem  Speratus  zu- 
schrieb, erkennt  T.,  wie  Ph.  Wackernagel  und  Goedeke,  nur  fünf  geistliche  und  ein 
weltliches  als  „nachweislich  echt"  an;  wenn  er  die  Frage  nach  seiner  Beteiligung  am 
Königsberger  Gesangbuch  von  1527  aufwirft,  so  wird  im  nächsten  Berichtsjahr  auf  die 
Lösung  einzugehen  sein,  die  diese  Frage  gefunden  hat.^^-^*)  —  Eine  kurze  Skizze  eines 
Ungenannten ö&)  über  den  Wiener  Blutzeugen  Caspar  Tauber,  die  sich  als  Hauptquelle 
der  „wahrhafftigen  geschieht,  wie  Caspar  Tauber,  Burger  zu  Wienn  in  Oesterreich  für 
ein  ketzer  vnd  zu  dem  todt  verurteylt  vnd  ausgefürt  worden  ist",  bedient,  möge  zu  den 
Arbeiten  über  die  Sektierer  überleiten.  — 

Sektierer.  L.  Schwabens)  nennt  vier  Bändchen  mit  Schriften  von  Hans  Denck 
auf  der  Oeffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden,  von  denen  das  vierte  das  wichtigste  ist,  weil 
es  eine  vollständige  Sammlung  sämtlicher  bis  jetzt  bekannt  gewordener  Schriften  Dencks 
enthält  mit  dem  Titel  „Geistliches  Blumengärtlein  .  .  .  ."  (1680).  Darin  bafindet  sich 
unter  anderem  ein  besonders  paginierter  Traktat  „Schriftmässiger  Bericht  und  Zeug- 
nusse  Betreffend  der  rechten  Christen,  Tauffe,  Abendmahl,  Gemeinschaft,  Obrigkeit  etc. 
und  Ehestandt  etc."  Durch  ihn  werden  Kellers  Ansichten  berichtigt  Denck  steht  auf 
dem  Standpunkt  der  späteren  mährischen  Brüder.  Er  ist  Kommunist,  statuiert  für  jeden 
Ehegatten  das  Recht,  sich  von  dem  ungläubigen  Teil  scheiden  zu  lassen,  hält  das 
Abendmahl  für  ein  blosses  Erinnerungsmahl,  widerspricht  dem  Recht,  Kriege  zu  führen, 
und  betont,  dass  man  der  Obrigkeit  nur  so  weit  zu  folgen  habe,  als  es  mit  dem  Christen- 
tum vereinbar  sei.  Auf  Grund  dieser  Ausführungen  ist  ihm  auch,  gegen  Keller,  der 
Schluss- der  Schrift  „Von  der  wahren  Liebe"  zuzusprechen.  —  Eine  ausführliche  liebe- 
volle Charakteristik  Michael  Sattlers''')  möchte  die  landläufigen  harten  Bem-teüungen, 
die  nur  auf  Unkenntnis  bei-uhen,  verdrängen.  Wenn  schon  Bock  in  den  „Fontes  Rerum 
Austriacarum.  Diplomata  et  Acta"  43,  S.  37  Anm.  offenbar  dazu  neigte,  das  schöne  Leidens- 
lied   „Als    Christus    mit   seiner   waren   ler  Versamlet   hat   ein    kleines  beer"      wirklich 


Oechsli,  Zvingli  als  politischer  Theoretiker:  Turicensia  S.  87— 113.  —  84)  Ch.  Bacho  fen,  Essai  sar  I'Eeclteiologie  de 
Zwingle.  Tht^se  thöolog.  Gen^ve,  Impr.  Kivera  &  Dubois.  80  S.  M.  2,0a  —  85)  XTh.  Vetter,  Joh.  Hooper,  Bisehof  r. 
Gloucester  u.  Worcester  u.  s.  Beziehungen  zu  BuUinger  u.  Zürich:  Tnricensia  S.  130—44  —  86)  Schrödl,  Franz  Lambert: 
Wetzer  u.  Weite.  Kirchenloxikon  7,  S.  1343/4.  —  87)  J.  Schneider,  Joh.  Schweblin  (Schwebel):  ADB.  33,  S.  318—22.  - 
88)  F.  Braun,  Nachtrr.  zu  Blaurers  Leben:  BWKG.  6,  S.  54,5,  62/4,  69—72.  (Fortsetzung  BWKO.  7  [1892].)  —  89-90)  (II 
6  :  70.)  Zu  vergl.  K.  Budde,  P.  Speratus  als  Liederdichter:  ZPTh.  14  (1892),  S.  1  —  16.  —  91)  (II  6:  74)  —  92)  X  0-  Möller. 
Jak.  Schenck:  ADB.  31,  S.  47/9.  —  93)  X  H.  Holstein,  Erasmns  Sarcerius:  ADB.  33,  S.  727/9.  —  94)  X  B.  Spiegel,  Herrn. 
Bonnus.  Erster  Superinlendeut  v.  Lübeck  u.  Befonnator  v.  Osnabrück,  nach  s.  Leben  u.  s.  Schriften  dargesi  Nebst  Bildnis. 
2.  Aufl.  Göttingen.  Vandenhoeck  &  Ruprecht,  VIII,  212  S.  M.  4,00.  [G.  Kawerau:  DLZ.  13,  S.  522'5.]|  (Vermehrt,  berichtigt; 
doch  ist  manches  übersehen.)  —  95)  Dr.  F.  S.,  Caspar  Tauber:  Wiener  Kommunal-Kalender  S.  376—83.  —  96)  L.  Schwabe, 
Ueber   Hans  Denck:    ZKG.  12,  S.  452— 93.  -  97)  [G.  Bessert],  Michael  t>attler.  d.   Mtrtyrer  t.  Bottenburg.    (—  Die  Tanfer- 

13* 


II  7:  98-106.  II  8.  V.  Michels,  Reformation slitteratur.  196 

Sattler  zuzuschreiben,  Keller  in  der  „Allgemeinen  Deutschen  Biographie"  (s.  JBL.  1890 
II  7  :  57)  und  neuerdings  der  Vf.  unseres  Aufsatzes  es  mit  grosser  Bestimmtheit,  freilich 
ohne  Angabe  von  Gründen,  für  Sattlerisch  erklären,  so  treffen  sie  wohl  das  Richtige. 
Unbefangener  Vergleichung  wird  die  Fassung  bei  Wackernagel  3,  N.  405  ursprünglicher 
erscheinen  als  die  unter  N.  404  gegebene.  Hat  so  der  „Ausbund  etlicher  schöner 
Gesang"  von  1583  die  ältere  Form  bewahrt,  so  liegt  keine  Veranlassung  vor,  seine 
Angabe  des  Verfassers  zu  bezweifeln.  ^8-99^  —  Unter  den  Arbeiten,  die  sich  mit  den 
kleineren  im  Dienste  der  Reformation  thätigen  Männern  beschäftigen,  verweise  ich  be- 
sonders auf  die  beiden  kleinen  Artikel  von  Roethe  loo-ioi^  ^ber  den  Pamphletisten 
Cjrriacus  Schnauss  und  den  Meistersinger  Michael  Schrot.  Schnauss  (1512 — 1565  oder 
später),  Inhaber  einer  kleinen  Druckerei,  die  nach  R.  an  dem  Blattornament  und  dem 
Wahlspruch  „Will  mich  Gott  erhören,  kann  ihm  niemand  wehren"  erkennbar  ist,  wird 
vortrefflich  charakterisiert  als  gesund  protestantische  Natur  voll  lutherischer  Grobheit, 
Nachahmer  Hans  Sachsens,  aber  ohne  dessen  Grazie  und  künstlerischen  Blick.  Seine 
Streitschriften  werden  analysiert;  seine  selbständige  Gesinnung  wird  hervorgehoben. 
Für  Schrot,  ,, einen  überzeugten,  höchst  bibelkundigen,  gottvertrauenden  Protestanten'*, 
thut  R.  die  Angabe,  dass  er  Landsknecht  war,  zunächst  als  dichterische  Fiktion  ab 
und  vermutet,  er  habe  den  Beruf  eines  Goldschmieds  gehabt;  seine  dichterische  Thätig- 
keit  legt  er  zwischen  1545  und  1552,  den  Tod  (nach  der  Vorrede  des  „Wappenbuches") 
vor  dem  21.  Juli  1576  fest.  Als  ältestes  Lied  setzt  R.  sein  „Schön  News  Christiichs 
Lied  Von  der  ietzt  schwebenden  gefärligkeit"  an;  die  ,,Kurtze  Beschreibung  Wie 
mächtig,  weit  und  breit  sich  das  H.  Rom.  Reich  erstreckt  hat"  (Frankfurt  a.  M.  1545) 
spricht  er  ihm  zwar,  wenn  auch  zweifelnd,  zu  auf  Grund  des  Vergleichs  des  Kaisers 
mit  einem  Adler,  hält  sie  aber  für  überarbeitet.  —  Aus  J.  Werners  1^2^  Schrift  über 
Eberlin  von  Günzburg  ist  wenig  zu  holen.  Mehr  panegyrisch  als  charakterisierend 
wird  seine  Stellung  in  Erfurt  1524/5  betont,  offenbar  mit  einem  schielenden  Seiten- 
blick auf  moderne  Parteibestrebungen.  Es  werden  zwei  Richtungen  unter  den  Prädi- 
kanten  unterschieden,  von  denen  neben  Eberlin  Johann  Lange  und  sonderbarerweise 
Gengenbach  namhaft  gemacht  werden:  eine  „reformatorisch-konservative"  und  eine 
„demagogisch-humanistisch-revolutionäre".  W.  kontrastiert  in  schiefer  Weise  Eberlins 
chrisllich-sociale  Agitation  und  die  Bestrebungen  des  Erfurter  Socialismus,  schildert 
sein  beherztes  Auftreten  vor  den  aufständischen  Bauern  nach  seiner  Selbstaufzeichnung 
und  stellt  dazu  Erasmus',  Reuchlins,  Pirckheimers  weniger  mutiges  Verhalten  in  un- 
günstige Parallele.  103-104^  —  Von  den  Männern  der  späteren  Zeit  endlich,  in  der  das 
Luthertum  verknöcherte,  wird  Nicolaus  Selneccer  durch  von  Egl  off  stein  ^^^)  behandelt 
und  überaus  ungünstig  beurteilt.  Auf  die  Thätigkeit  Selneccers  als  Liederdichter  ist 
gar  nicht  eingegangen;  nur  die  Streitschriften  sind  in  die  biographische  Darstellung 
verwebt.  —  Den  Abraham  Scultetus  nimmt  Cunos  lo^)  Aufsatz  gegen  die  Angriffe,  die 
ihn  der  Unduldsamkeit  und  Bilderstürmerei  beschuldigen,  in  Schutz  unter  Hinweis  auf 
seine  Predigt  gegen  die  Bilderstürmer.  — 


bewegnng  in  d.  Herrschaft  Hohenberg.  2):  BWKG.  6,  S.  67/9;  72/5;  81/3;  89-90  u.  7  (1892),  1-4;  9—10.  —  98)  X 
D.  Erdmmn,  Kasp.  y.  Scliwenkfeld:  ADB.  33,  S.  403—12.  —  99)  X  Fechtrup,  Karlstadt:  Wetzer  n.  Weite, 
Kirchenlexikon  7,  S.  181/6.  —  100)  Roetlie,  Cyriacus  Schnauss:  ADB.  32,  S.  84/6.  —  101)  id.,  Martin  Schrot:  ib. 
S  556/8.  —  102)  J.  Werner,  D.  ehristlich-sociale  Agitator  Johann  Eberlin  v.  Günzburg  im  Kampfe  mit  d.  freisinnigen 
Humanisten  u.  revolutionären  Bauern:  KM.  10,  S.  473—82.  —  103)  X  Brecher,  Erhard  Schnepff:  ADB.  32,  S.  168—72.  — 
04)  Geo.  MUller,  Georg  Schönichen :  ib.  S.  308/9.  —  105)  v.  Eglof  fg  tein ,  Nicol.  Selneccer:  ib.  33,  S.  687— 92.  — 
106)  C  u  n  0 ,  Abrah.  Scultetus  (Schnltetus) :  ib.  8.  492/6.  — 


11,8 

Humanisten  und  Neulateiner. 

Siegfried  Szamatölski  und  Max  Herrmann. 
(Ueber  den  Ausfall  dieses  Berichts  vgl.  die  Vorrede.) 


III.  Vom  Anfang*  des  17.  bis  zur  IVfitte  des 

IH.  .Talirlmnderts. 


111,1 

Allgemeines. 

Alexander  Reifferscheid. 

Politische  und  wirtschal tlithe  Verbaltnisse  N.  1.  —  Geistesleben  N.  14.  —  GefShUleben  N.  21.  —  Hoflaben  and 
geselliichaftliche  Zustande  N    24.  — 

Die  politischen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  Zeitraums  be- 
handelten die  Fortsetzungen  der  Werke  von  M.  Ritter  i),  H.  von  Zwiedineck- 
Südenhorst  2),  Erdmannsdörffer  3)^  über  die  aber  nicht  zu  berichten  ist,  da  sie  noch 
nicht  zum  Abschlüsse  gelangt  sind.  —  Der  erste  Band  des  v.  Zwiedineckschen  Werkes 
wurde  eingehend  besprochen  von  Pribram  *).  Dieser  lobte  die  sorgfältige  Zusammen- 
fassung der  Ergebnisse  der  Forschung,  sowie  die  umfangreiche  Benutzung  zahlreicher 
Flugschriften,  tadelte  vor  allem  die  zu  grosse  Vorliebe  für  den  Kurfürsten  Friedrich 
Wilhelm  und  die  offenbare  Abneigung  gegen  den  Kaiser  Leopold  I.  und  die  Politik  des 
Wiener  Hofes;  es  sei  unstatthaft,  um  die  Person  Friedrich  W^ilhelms,  so  gross  und 
bedeutungsvoll  auch  seine  Erscheinung  sei,  die  Geschichte  Deutschlands  jener  Zeit  zu 
gi'uppieren.  —  Eine  volkstümliche  Behandlung  der  Brandenburgisch-Preussiachen  Ge- 
sclnchte  in  Einzeldarstellungen,  die  das  Volk  für  die  vaterländische  Vergangenheit  er- 
wärmen sollen,  beabsichtigt  auf  Grund  der  vorhandenen  gelehrten  Hülfsmittel  ein  Unter- 
nehmen, von  dem  der  erste  Teil  aus  der  Feder  W.  Bonnells^)  vorliegt.  Er  ist  wohl 
geeignet,  das  Andenkeiv  an  die  Thaten  des  Grossen  Kurfürsten  in  den  weitesten 
Kreisen  neu  zu  beleben  und  festzuhalten.  In  wohlabgerundeten  Kapiteln  wird  die  poli- 
tische Geschichte  der  Zeit  unter  gebührender  Berücksichtigung  der  Kulturgeschichte 
zur  Darstellung  gebracht.  •'')  —  Die  Drangsale  des  deutschen  Volkes  unter  dem  Druck 
von  Hunger  und  Seuchen  in  den  Jahren  IGUO — 1048  ''■'^)  behandelte  ein  medizinischer 
Forscher,  Lammer t  ^),  in  einem  umfangi-eichen  Buche,  das  er  als  Teil  seiner  langjährigen, 


I)  M.  Ritter,  Deutsche  Gesih.  im  Zeitalter  d.  Gegenreformation  n.  d.  30j.  Krieges  (1555-1648)  II.  (=  Ribl. 
deutscher  Gesch.)  Stuttgart,  Cotta  Nacbf.  1—160  S.  i\  Lfif.  M.  1,00.  (2  Lieferungen,  die  erste  noch  18W).)  —  2)  II. 
V.  Zw  iodi  neck-SOdenhorst.  Deutsche  Gesch.  im  Zeitraum  d.  Gründung  d.  preuss.  Königtums  11.  ^=  Bibl.  deutscher  Gesch.) 
Stuttgart,  Cotta  Nachf.  1  —  192  S.  b.  Lfg.  M.  1,00  (3  Lieferungen,  v.  denen  d.  erste  .seh' n  1890  erschienen)  —  3)  H.  Erd- 
mannsdS  rf  fer,  Deutsche  Gesch.  v.  westfttl.  Frieden  bis  z.  Regierungsantritt  Friedrichs  d.  Gr.  Vit  Portr.,  lUustr.  u.  Karten.  I. 
(=  Allgem.  Gesch.  in  Einzeldarst.  her.  v.  Oncken,  III,  7.  Abt.)  Berlin,  Grote.  S.  466—608  ä  Lfg.  M.  6,00.  (1  Lfg.)  — 
4)  A.  Pribram,  v.  Zwiodineck.  Deutsche  Gesch.  usw.  1,  0890):  HZ.  66,  S.  559— 65,  —  5)  W,  Bonnell,  D.  Jahr- 
hundert d.  Grossen  Kurfürsten.  (=  Bilder  aus  3  Jhh.  Brandcnburgisch-Preussischcr  Gesch.  1.)  Berlin,  Zillessen.  X,253  S. 
M.  2,40.  (Als  Fortsetzung  werden  erscheinen:  11.  D.  Jh.  Friedr.  d.  Gr  111.  D.  Jh.  Kaiser  Wilhelms  1.)  —  6t  X  Annegarn, 
Weltgeschichte  in  8  Rdd.  6.  Aufl.  n- u  bearbeitet  und  bis  zur  Gegenwart  ergänzt.  7.  Bd.  HDnster  i.  W.,  Theissing.  3S9  ü. 
M.  2,00.  (Umfasst  d  2.  Teil  d.  neuen  Zeit,  t.  westf.  Frieden  bis  i.  Befreiung  Europas  v.  d.  franx.  Fremdherrschaft.)  — 
7)  (1,3  N.  332,  341a,  344,  344a,  3ß4a.l  —  8)  X  K.  Jentsch,  Aus  d.  Zeit  d.  Erniedrigung  Deutschlands,  (üeber:  0.  Klopp, 
1)  30j.  Krieg  b.  z.  Tode  Gustav  Adolfs  1632.  2.  Ausg.  von:  Tilly  im  30j.  Kriege.  I.)  --  9)  G.  Lammert  Gesch.  d.  Seuchen, 
Hungers-  u.  Kriegsnot  s.  Zeit  d.  30j. Krieges,    Wiesbaden,  Bergmann,  1890,  Ylll,  291  S,  M.  8,00  l[E.  Fischer:  HZ.  66,  S.  528; 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Lilteraturgescbichte  II  •-i-  1 


III  1:  10-20.        AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.  2 

die  ganze  Seuchengeschichte  umfassenden  Stvidien  vorlegt,  geleitet  von  der  berechtigten 
Ueberzeugung,  dass  die  Geschichte  des  Leidens  eines  Volkes  mit  seiner  Kulturgeschichte 
innig  verwoben  ist.  Den  gewaltigen  Stoff,  den  er  durch  nie  ermüdende  Nachforschung 
aus  schriftlichen  Aufzeichnungen  aller  Art  sorgfältig  gesammelt,  ordnete  er  übersichtlich, 
indem  er  annalistisch,  Jahr  für  Jahr,  nach  kurzen  Notizen  über  Witterungsverhältnisse 
und  Ernteerträge  alles  zusammenstellte,  w^as  er  über  Seuchen,  Hungers-  und  Kriegsnot 
gefunden,  in  den  meisten  Fällen  unter  genauem  Hinweis  auf  die  benutzten  Quellen. 
Seine  Sammlungen  besitzen  einen  hohen  Wert  für  die  Erforschung  der  gesamten 
Geschichte  jener  S'^hreckensjahre.  —  Eine  Nachwirkung  des  30j.  Krieges  ^o),  den  Bauern- 
krieg 1653  in  der  Schweiz  und  das  Auftreten  des  Bauernführers  Adam  Zeltner  stellte 
Jäggi^i)  dar  nach  den  Vorarbeiten  von  E.  Zingg  und  Urs  Vigiers.  Während  des 
30j.  Krieges  musste  die  Schweiz  ihre  Grenzen  besetzen  und  die  Kosten  dafür  durch 
Steuern  aufbringen,  die  besonders  auf  dem  Landvolk  lasteten.  Die  Söldner,  kehrten  nach 
dem  Kriege  verwildert  und  der  Arbeit  entfremdet  aus  Deutschland  in  die  Schweiz  zurück; 
sie  schürten  die  Unzufriedenheit  der  Bauern  gegen  die  Städter,  die  sich  den  Allein- 
verkauf von  Pulver  und  Salz  vorbehielten  und  alle  Staatsämter  durch  Bürgersöhne  be- 
setzten. Der  Aufstand  der  Bauern  missglückte  gänzlich.  Der  edle  Adam  Zeltner,  dessen 
Bild  H.  Zschokke  in  seinem  historischen  Roman  „Addrich  im  Moos"  zur  Karikatur  ent- 
stellt hat,  wurde  am  2.  Juli  1653  hingerichtet,  als  Opfer  für  die  Freiheit  des  Volkes. 
Nach  der  Niederwerfung  des  Aufstandes  erklärte  der  Solotlnu-ner  Magistrat,  in  Zu- 
kunft werde  er  jeden  Zuschuss  für  die  Volksschulen  verweigern:  man  habe  gesehen, 
wohin  das  Lesen  und  Schreiben  bei  den  Bauern  führe.  Eine  Zugabe  beleuchtet  an 
einer  Episode  aus  dem  Solothurner  Bauernkrieg  das  politische  Doppelspiel  der  Berner 
und  Solothurner  Aristokratie  und  teilt  ein  neues  „Tellenlied"  über  den  Zwischenfall 
mit.  12-13)  _ 

Ueber  die  Geschichte  des  deutschen  Geisteslebens  in  dieser  Zeit  liegen  keine 
neuen  grösseren  Arbeiten  i*)  vor.  An  kleineren  Beiträgen  sind  die  folgenden  zu  ver- 
zeichnen. Von  dem  Aberglauben  1^)^  der  im  17.  Jh.  auch  die  höchsten  Stände  beherrschte, 
legt  Zeugnis  ab  der  von  Vollert^^)  besprochene  Prozess  wegen  Magie  gegen  Herzog 
Johann  Friedrich  von  Weimar.  Der  unglückliche  Fürst,  der  sich  leidenschaftlich  mit 
alchimistischen  Studien  beschäftigte,  wurde  trotz  seiner  wiederholten  Beteuerungen,  dass 
er  nichts  mit  dem  Teufel  zu  schaffen  gehabt,  1627  eingekerkert  und,  da  man  ihn  seines 
Standes  wegen  nicht  zum  Feuertode  verurteilen  wollte,  im  Oktober  1628  heimlich  im 
Kerker  erdolcht.  —  Die  hausbackene  Moral  der  Zeit  erhellt  aus  den  Eintragungen  eines 
Albums,  das  sich  ein  Königsberger  Student  1648  angelegt.  R.  M.  Werner^')  veröffent- 
lichte einige  dieser  Eintragungen,  darunter  mehrere  von  litterarisch  nicht  unbedeutenden 
Personen,  von  A.  von  Kainein,  J.  Loesel,  Simon  Dach,  der  sich  selbst  charakterisierte 
mit  dem  Satze  „miser  est  qui  nunquam  miser  fiiit",  J.  Frentzel,  K.  Seyffart.  i^-^^)  —  Ueber 
die  Entwickelung  der  Tagespresse  in  Schlesien,  besonders  in  Breslau,  orientierte  ein 
lesenswerter  Aufsatz  von  Weigelt^o),  Seit  1632  erschien  in  Breslau  eine  handschrift- 
liche Zeitung  in  zweihundert  Exemplaren,  das  „Schlesische  Journal",  das  die  Stadt- 
ereignisse einer  l'reimütigen  Kritik  unterzog  und  schonungslos  die  Religionsparteien,  die 
Obrigkeiten  xmd  die  Einzelnen  angriff.  Seit  1656  wurden  gedruckte  Zeitungen  von 
Breslauer  Buchhändlern  herausgegeben:  die  „WöchentHche  Post"  von  1656 — 1690  von 
G.  Jenisch,  der  „Ordinari  Courrier"  von  1690 — 1702  von  G.  Seydel,  unter  strenger 
Censur  und  mit  dem  kaiserlichen  Privileg  zum  Schutze  gegen  die  Konkurrenz.  Da  die 
Censur  alles  Missliebige  strich,  wurden  trotz  des  Privilegs  immer  aufs  neue  von  Leipzig 
und  Hamburg  fremde  Zeitungen  mit  wahrheitsgetreueren  Berichten  eingeschmuggelt. 
Auch  mit  einheimischer  Konkurrenz  sowie  mit  der  Aufsichtsbehörde  bestand  ein  steter 
Kampf,  der  durch  konfessionelle  Gegensätze  verschärft  wurde.  Seit  1725  forderte  der 
Fiskus  eine  jährliche  Abgabe  von  800  Gulden.  Eine  neue  Zeit  begann  für  das  Zeitungs- 
wesen in  Schlesien  mit  den  Unternehmungen  des  Breslauer  Buchhändlers  J.  J.  Korn, 
eines  Kurbrandenburgers,  der  1741  von  Friedrich  dem  Grossen  selbst  verfasste  Berichte 
über  die  preussischen  Kriegsthaten  als  Flugblätter  verbreitete  und  vom  Januar  1742  an 
die  regelmässig  erscheinende  „Schlesische  Zeitung"  herausgab.  — 


LCBI.  8.  186/7.]|  —  10)  (1,3  N.  867a.)  —  II)  Jaggi.  D.  liauornkrieg  u.  Adam  Zollner  v.  NiodorbueUsiten.  Aarau,  SauorlBnder. 
1889.  16  S.  M.  0,80.  -  12)  X  F.  Böhm,  D.  sogen.  Kasernonstuben  z.  Neu-Ruiipin,  na:h  d.  Akten:  ZHVKuppin.  2,  S.  1-22. 
13)  (1,3  N.  106,  152.)  -  14)  X  AI.  Rei  ff  er  scheid,  Quellen  z.  Gesch.  d.  geistigen  Lebens  in  Deutschland  wahrend  d.  17.  Jh. 
nach  Hss.  her.  u.  erl.  I.  (=  Briefe  G.  M.  Lingelsheims,  M.  Berneggers  u.  ihrer  Freunde.)  Leipzig,  Reisland.  XIX,1048  S. 
M.  18,00.  (Vgl.  JBL.  1890,  III  1  :  6.  Neue  Ausgabe  d.  neuen  Verlegers  zu  bedeutend  ermSssigtem  Preise,  der  d.  Anschaffung 
wesentlich  erleichtert.)  -  15)  (1,3  N.  68,  216;  143,  144.)  —  16)  A.  Volle  rt,  Herzog  Johann  Friedrich  v.  Weimar.  Pro/.ess 
wegen  Magie,  1627  u.  1628:  NPitaval,  NS.  24,  S.  86-99.  —  17)  R.  M.  Werner,  Aus  einem  Stammbuch  d.  17.  Jh.:  VLG.  4, 
S.  156/6.  —  18)  X  Mitteilung  d.  Herrn  Dr.  Buchwald  über  ein  1696  beginnendes  Fremdenbuch  d.  Schneekoppe  :  MAVZwickau. 
3.5  S.  XV.  —  19)  X  Beck,  D.  hss.  Briefschatze  d.  Zwickauer  Ratsschulbibliothek  aus  d.  17.  Jh.:  ib.  S.  XIII— XIV. 
(Referat  Über  e.  Vortrag.)  -  20)  C.  Weigelt,  D.  Tagespresse  in  Schlesien  bis  z.  preuss.  Besitzergreifung :  SchlesZg.  N.  16,  19. 


3  AI.  Reifferscheid,  AllgnTnoinos  <los  17./18.  .Tahrhundorts.  III  1:  20-24. 

Wichtig  für  die  Erforschung  dis  ( Jtistislcbens  und  besonders  des  Gefühls- 
lebens sind  die  Veröffentlichungen  von  \t  iiraulii  licii  Briefen  und  von  Denkwürdigkeiten. 
Vertrauliche  Briefe  eines  höheren  österreichi.schen  Offiziers,  des  Feldmarschalls  Ernst 
Rüdiger  Grafen  von  Starheinberg,  aus  der  Zeit  der  Türkenkriege,  den  Jahren  1GH2 — 99, 
gab  von  Rennerei)  getreu  nach  den  Hss.  mit  erläuternden  Anmerkungen  heraus. 
Einst  Rüdiger  ist  darauf  bedacht,  die  Armee  kriegstüchtig  zu  erhalten ;  er  ist  empört 
über  die  Intriguen  seiner  Widersacher  am  Hofe,  die  ihn  überall  hemmen,  besonders 
über  die  „gar  zu  nasweisen  jungen  Ministri,  die  von  allem  raisoniren  wollen".  Man 
solle  die  Sachen  „forhei'o,  ehe  mann  sie  fornimd,  woll  überlegen  und  nicht  gleich  so 
liederlicher  weis  die  reputation  der  waffen  durch  einen  schbetlichen  Abzug  in  gefar 
sezen."  Er  sagt  offen  und  deutlich  seine  Meinung,  führt  aber,  wenn  man  ihm  nicht 
folgt,  den  gegebenen  Befehl  aus,  anderen  die  Verantwortung  zuweisend.  Unverhohlen 
spottet  er  über  die  Anwesenheit  der  „Heiligen",  d.  h,  der  Geistlichen  im  Kriegslager,  die 
,,Stadsmirakel"  haben  wollen.  Der  grossen  „Circumspection"  des  Kaisers,  auf  dessen 
Gerechtigkeitssinn  er  unerschütterlich  baut,  freut  er  sich,  lässt  aber  doch  die  diplo- 
matischen Schachzüge  der  Alliierten  nicht  aus  den  Augen.  Das  Leben  am  Hofe,  be- 
sonders die  an  demselben  beliebten  theatralischen  Aufführungen  sagen  dem  alten  Hau- 
degen nicht  zu  (S.  294).  Er  ist  empört,  dass  man  in  Wien  „nichts  anderes  redet  als 
von  balleten,  Verkleidungen  und  commedien",  und  dass  einer,  „der  eine  commedi  agirt, 
mer  gilt,  als  einer  so  eine  festung  oder  batallia  erhalten  had".  —  Lehrreich  ist  eine 
Vergleichung  dieser  Privatbriefe  mit  den  französisch  geschriebenen  Denkwürdigkeiten 
zweier  brandenburgischer  Staatsmänner  aus  dem  Ausgange  des  17.  Jh.,  des  Nik.  Barth. 
Danckelmann  und  des  Leberecht  von  Guericke,  von  denen  Breysig22)  grössere  Bruch- 
stücke veröffentlichte.  Während  der  Oesterreicher  geistig  geweckt  ist  und  rückhaltlos 
Kritik  tibt,  verrät  sich  bei  den  Brandenburgern  eine  auffallende  Beschränktheit;  sie 
haben  nicht  das  geringste  Urteil  über  die  Motive  und  den  inneren  Zusammenhang  der 
Politik  ihres  Staates,  der  sie  kritiklos  gegenüberstehen.  Auch  darin  zeigt  sich  ein 
gi'osser  Unterschied,  dass  der  Oesterreicher  uns  in  ein  entwickeltes  Gemütsleben  blicken 
lässt,  während  uns  bei  den  Brandenburgern  eine  gewisse  Starrheit  und  Unaufgeschlossen- 
heit  des  Empfindungslebens  entgegentritt.  Mit  Unrecht  nennt  B.  dieselbe  die  innere 
Unaufgeschlossenheit  der  Deutschen  jener  Tage.  Es  bekundfet  sich  hier  die  Lidivi- 
dualität  nicht  der  Personen,  sondern  der  Volksstämme,  denen  sie  angehören:  das  Ge- 
fühlsleben war  in  den  verschiedenen  Gegenden  Deutsclilands  durchaus  verschieden  ent- 
wickelt. —  So  finden  wir  auch  ein  überaus  reich  entfaltetes  Gefühlsleben  und  das 
Bedürfnis,  es  zur  Geltung  zu  bringen,  bei  dem  damaligen  Kaiser  Leopold  I.  Das  er- 
giebt  sich  aus  der  Abhandlung  Pribrams^s)  über  die  Heirat  des  Kaisers  mit  Maria 
Theresia,  für  die  er  die  zahlreichen,  bisher  nur  unzulänglich  benutzten,  vertraulichen  Briefe 
Leopolds  an  seinen  Ereund  und  Gesandten,  den  Grafen  Eusebius  von  Pötting,  aus  den 
Jahren  1663 — 74  verwertete.  Möchte  P.  recht  bald  Zeit  und  Müsse  für  die  in  Aussicht 
gestellte  Herausgabe  dieser  wertvollen  Urkunden  finden,  die  ebenso  ergiebig  für  die 
Zeitgeschichte  wie  für  die  Geschichte  des  deutschen  Gefühlslebens  sind.  — 

Ueber  das  Hofleben  und  die  gesellschaftlichen  Zustände  dieses  Zeit- 
alters liegen  verhältnismässig  die  meisten  Arbeiten  vor.  Einen  ausführlichen  Bericht 
über  die  Feier  einer  Kindtaufe  im  Jahre  1616  am  herzoglicheii  Hofe  zu  Stuttgart,  deii 
der  gelelirte  Augsburger  Kunstkenner  Phil.  Hainhofer,  geb.  21.  Juli  1578,  gest.  23.  Juli 
1647,  dem  Herzog  Philipp  IL  von  Pommern  erstattet,  veröffentlichte  von  Oechel- 
häuser24).  In  einer  umfangi-eichen  Einleitung  gab  er  Aufschluss  über  den  Bericht- 
erstatter und  seine  vielseitige  Thätigkeit  als  politischer  Agent  und  Unterhändler  in' 
Kunst-  und  kunstgewerblichen  Sachen.  Hainhofer  stand  in  den  Diensten  verschiedener 
Fürsten ;  einen  besonders  lebhaften  Verkehr  hatte  er  mit  dem  kunstliebenden  Pommeni- 
herzog.  Seine  Korrespondenz  ist  eine  der  wertvollsten  Quellen  für  die  Geschichte  seiner 
Zeit  in  kunst-  und  kulturgeschichtlicher  Hinsicht.  Hainhofers  Berichte  über  seine  ver- 
schiedenen Missionen  sind  uns  meist  in  Abschriften  erhalten;  ein  genaues  Verzeichnis 
derselben  giebt  0.  S.  258  ff.  Ihr  Hauptwert  liegt  in  den  lebendigen  und  genauen  Schil- 
derungen der  Zustände  der  damaligen  Zeit.  0.  benutzte  ftir  seine  Ausgabe  zwei  gleich- 
zeitige Abschriften  des  Hainhoferschen  Berichtes,  von  denen  die  eine  in  der  Wolfen- 
büttler,  die  andere  in  der  Heidelberger  Bibliothek  bewahrt  wird.  Letztere  zeigt  mehrfache 
Abweichungen  von  der  ersteren,  Aenderungen,  Zusätze  und  Streichungen.  0.  hält  die 
Heidelberger    für    die    Abschrift,    die  Hainhofer    dem    Kurfürsten  Friedrich  V.    von  der 


—  21)  V.  V.  Renner,  Vertrauliche  Briefe  Ernst  Rüdigers  an  seinen  Vetter  Gundaeker  t.  Slarheuberg,  1682 — 1699:  Wiener 
Kommunal-Kalender  NF.  18.  (1890),  S.  253-350.  NF.  19.  (1891),  S.  291—374.  —  22)  C.  Breysig,  Ans  d.  Denkwürdigkeiten 
zweier  brandenburg.  Staatsmänner.  BruchstOcke  ans  d.  Memoiren  v.  N.  B.  Danckelmann  n.  L.  t.  Guericke:  FBPG.  4,  S.  177  bis 
•212.  —  23)  A.  Pribram,  D.  Heirat  Kaiser  Leopold  I.  mit  Margaretha  Theresia  v.  Spanien:  AÖG.  77,  S.  319—75.  —  24)  A. 
V.  Oechelhauser,  Philipp  Hainhofers  Bericht  Ober  d.  Stuttgarter  KindUufe  im  ,1.  1616:  NHeidelbJbb.  1,S.  254—335.  (Mit  e. 

1* 


ni  1:  25.  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.  4 

Pfalz,  der  mit  seiner  Gemahlin  bei  der  Kindtaxife  zugegen  gewesen,  auf  dessen  Ersuchen 
übersandte.  Er  wurde  zu  seiner  Ansicht  geführt  durch  Zusätze  wie  S.  299,4  „uberauss". 
Dieses  Wort  steht  aber,  wie  es  scheint,  nur  durch  ein  Versehen  des  Abschreibers  an 
dieser  Stelle.  Es  heisst  dort  von  dem  Grafen  von  Solms,  er  sei  „gar  ein  verständiger 
und  uberauss  freundlicher  Herr".  0.  übersah,  dass  „gar"  bei  ,, verständiger"  dem  ,, uber- 
auss" bei  „freundlicher"  entspricht,  „verständiger"  also  keiner  Verstärkung  mehr  bedarf 
und  dass  nur  durch  Nachlässigkeit  des  Schreibers  zu  „gar  ein"  noch  „uberauss"  ge- 
treten ist.  Die  Heidelberger  Hs.  kommt  nach  meiner  TJeberzeugung  dem  Original  am 
nächsten,  von  dem  die  Wolfenbüttler  nur  eine  ungenaue,  zum  Teil  durch  Schuld  des 
Abschreibers  entstellte  und  verkürzte  Abschrift  ist.  Das  ist  leicht  nachzuweisen.  Mit 
Recht  vermutet  0.  aus  dem  Vorhandensein  verschiedener  Abschriften,  dass  Hainhofer 
den  für  Herzog  Philipp  11.  bestimmten  Bericht  noch  anderen  Fürsten  zugänglich  gemacht 
habe.  Der  Bericht  sollte  die  ausführliche  Beschreibung  des  Ceremoniells,  der  Einzel- 
heiten bei  den  Festmahlen,  Ritterspielen  und  Aufzügen,  der  Besonderheiten  der  Hofhaltung 
enthalten,  um  dem  Pommernherzog  ein  anschauliches  Bild  von  den  Verhältnissen,  Ge- 
wohnheiten und  Sitten  eines  der  vornehmsten  Höfe  zu  gewähren  und  für  ähnliche  Vor- 
kommnisse als  Anhalt  zu  dienen.  Sorgfältige,  ins  einzelne  gehende  Erläuterungen  und 
eine  Lichtdrucktafel,  die  den  Schauplatz  der  festlichen  Ereignisse  bei  der  Kindtaufe 
wiedergiebt,  erleichtern  das  Verständnis  des  reichhaltigen  Berichtes.  —  Die  wertvollste 
und  wichtigste  Veröffentlichung  ist  die  reiche  Auslese,  die  Bodemann^s)  aus  den  fast 
zahllosen  Briefen  der  Herzogin  Elisabeth  Charlotte  von  Orleans  an  ihre  Tante,  die  Kur- 
fürstin Sophie  von  Hannover,  aus  den  Jahren  1G72 — 1734  nach  den  Originalen  im  Staats- 
archiv und  in  der  Bibliothek  zu  Hannover  veranstaltet  hat.  Schon  Ranke  hatte  aus 
diesen  Briefen  das  auf  französische  Geschichte  Bezügliche,  aber  in  einer  durch  zahl- 
reiche Lesefehler  entstellten  Form  mitgeteilt.  B.  gab  zuerst  alle  historisch  bemerkens- 
werten und  charakteristischen  Stücke,  im  ganzen  837,  mit  fortlaufenden  Erläuterungen 
und  einem  umfangreichen,  fleissig  gearbeiteten  Inhaltsverzeichnis,  das  trotz  aller  seiner 
Vorzüge  doch  die  Fülle  des  kulturhistorischen  Materials  der  Briefe  nicht  erschöpfen 
konnte.  Ihre  sprachliche  Form  ist  durchaus  volkstümlich,  gewürzt  durch  Sprichwörter 
und  sprichwörtliche  Redensarten.  Manchmal  hat  die  Briefschreiberin  im  Eifer  des 
Schreibens  das  eine  oder  das  andere  Wort  ausgelassen,  aber  bei  weitem  nicht  so  oft, 
wie  B.  angenommen,  der  an  unzähligen  Stellen  unberechtigte  Zusätze  gemacht  hat, 
allerdings  nach  dem  unkritischen  Vorgang  L.  Hollands.  In  der  kurzen  Einleitung 
weist  B.  auf  die  Fülle  des  Anziehenden  hin,  das  die  Briefe  bieten,  auf  die  unge- 
schminkten Schilderungen  der  Persönlichkeiten  und  Zustände  am  französischen  Hofe, 
die  rückhaltlosen  Urteile  über  verschiedene  deutsche  Höfe.  Die  Unbefangenheit  und 
Derbheit,  mit  der  Elisabeth  Charlotte  alles,  selbst  die  anstössigsten  Dinge,  schreibt,  ist 
nicht,  wie  B.  mit  Vischer  behauptet,  blos  Zeugnis  für  die  sittliche  Gesundheit,  die  sich 
in  der  verdorbenen  Anstandswelt  rein  bewahrt  hat,  sondern  beweist  zugleich  die  Un- 
geniertheit, man  kann  auch  sagen  Schamlosigkeit,  die  wirklich  grobianische  Art  der 
höchsten  Gesellschaftskreise,  der  Männer  so  gut  wie  der  Frauen,  in  Frankreich  sowohl 
wie  in  Deutschland.  Die  Kurfürstin  wartete  gelegentlich  auch  mit  solchen  Derbheiten 
auf  (1,  S.  116,  226),  später  wollte  sie  freilich  nicht  mehr  über  Unartiges  lachen.  Die 
Königin  von  Frankreich  sprach  an  offener  Tafel,  ohne  Scheu  wie  alle  Damen,  vor 
Herren  von  ,jungfer  Caterin"  (1,  S.  23).  lieber  die  fürstlichen  knallenden  Konver- 
sationen (1,  S.  174  f),  über  die  unnatürliche  Befriedigung  der  Wollust  bei  Männern  und 
Frauen,  über  alle  möglichen  Wüstereien  selbst  der  jungen  Mädchen  lesen  wir  mehr 
als  zu  viel.  Die  jungen  Herren  am  Hofe  sind  ohne  politesse  wie  die  rechten  Bauern, 
alle  feine  Unterhaltung  bei  Hof  hört  auf,  die  Mode,  dass  Männer  und  Frauen  zusammen 
sprechen,  ist  abgekommen.  Wer  sein  Kind  wohl  erzogen  haben  will,  darf  es  nicht  nach 
Paris  schicken,  dort  lernt  es  nur  Brutalität,  Desbauchen  iind  italienische  Laster.  Oft 
vergleicht  Elisabeth  Charlotte  die  französischen  Moden  mit  den  deutschen.  Da  man  am 
Brandenburger  Hofe  in  allem  ä  la  mode  sein  wolle,  so  solle  man  dort  bedenken,  dass 
man  in  Frankreich  garnicht  öffentlich  küsse.  Kein  Seelenmensch  trage  in  Paris  aigretten 
auf  dem  Hute,  wie  der  Kurfürst  von  Brandenburg  es  wolle,  höchstens  ein  boucle  von 
diamant  briUant.  Sehr  oft  spottet  sie  über  die  Vorliebe  des  Königs  von  Preussexi  für 
Ceremonien :  sie  seien  sein  bester  regal.  Sie  gesteht  zu,  dass  in  Frankreich  mehr  Zwang 
bei  den  grossen  Ceremonien  sei  als  in  Deutschland.  Entrüstet  ist  sie  über  das  Vor- 
wiegen der  französischen  Sprache  an  den  deutschen  Höfen  (1,  S.  193;  2,  S.  142),  über 
das  Eindringen  französischer  Hofsitte  in  Deutschland,  über  die  Verblendung  der 
deutschen  Fürsten,  über  das  rasche  Verbauern  der  deutschen  Edelleute.     Mit  Verachtung 


Lichtdrucktafel:  „fürstlicher  Lustgarten  zu  Stuettgart"  gez.  t.  E.  t.  Hülsen,  gest.  v.  M.  Merian.)  —  25)  E.  Bodemann,  Aus 
d.  Briefen  d.  Herzogin  Elia.  Chart,  v.  Orleans  an  d.  KurfUrstin  Sophie  t.  Hannover.  E.  Beitr.  z.  Kulturgesch.  d.  17.  u.  18.  Jh. 
Hannover,  Hahn.    I  :VIII,    43Ü;  11:412  S.    M.  20,00.  |[J.  Wille:  DLZ.  12,  S.  H16/7:    K.  Br.:    LCBl.  S.  ir>82/3.]i      (Vgl.  o.  1,3 


5  AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.        m  1:  2«-88. 

spricht  sie  von  den  französischen  Kleiderraoden ;  in  Paris  sei  man  allerdings  noch  toller 
darin  alH  am  franzöHischen  Hofe.  Unbegreiflich  ist  ihr  die  Vorliebe  der  französischen 
Damen  für  dunkle  Zimmer:  sie  schliessen  sich  von  aller  Luft  ab  und  delicatieren  sich 
so.  Fast  übertrieben  ist  ihr  Adelsstolz.  Voll  Verachtung  blickt  sie  auf  das  peuple- 
volk,  das  geadelte  Lumpenzeug.  Den  Deutschen  spricht  sie  mehr  wahre  granaeur  zu 
als  den  Franzosen,  deini  die  Deutschen  (sie  denkt  nur  an  den  höchsten  Adel)  haben 
keine  Bürger  zu  Verwandten,  dienen  nicht  und  sind  keine  sujetten;  entsetzlich  ist  ihr 
das  Eindringen  Unebenbürtiger  in  alte  Geschlechter,  sie  hasst  den  Mischmascli,  den 
Mäusedreck.  Zu  ihrem  Aerger  encanaillieren  sich  auch  die  Deutschon,  sehen  nicht  mehr 
auf  Ahnen,  sondern  nur  auf  Geld.  Dieser  Auffassung  entspricht  es,  dass  sie  40  Thaler 
für  einen  auf  der  Wildschweinsjagd  angeschossenen  Bauern  „vor  so  ein  mensch  grosses 
present"  nennt.  Hoch  tiberragte  sie  dagegen  ihre  Zeit  durch  ihre  religiöse  Toleranz, 
die  bei  ihr  aus  wirklicher  Ueberzeugung  hervorgegangen.  Sie  war  der  Meinung,  dass 
in  der  Welt  nur  Eine  rechte  Religion  sei,  die  von  den  ehrlichen  Leuten;  sie  stand  hoch 
über  allem  Konfessionalismus,  sie  wollte  nur  Christin  sein.  Sie  hielt  es  für  eine  grosse 
Thorheit,  dass  man  alle  Gemüter  zwingen  wolle,  nur  einen  Glauben  zu  haben;  gegen  die 
Anmassung  der  Pfaifen,  mochten  sie  einer  Konfession  angehören,  welcher  sie  wollten,  war 
sie  gleichmässig  eingenommen.  Sie  war  „persuadirt,  dass  einer,  so  nichts  glaubt  und 
wol  lebt,  eher  selig  wird  als  einer,  so  alles  glaubt  und  übel  lebt".  So  mochte  sie 
glauben,  dass  sie  „bald  un  petit  religion  apart  moy"  habe.  Sie  wie  ihre  Tante  waren 
der  Ansicht,  dass  die  Menschen  „unsers  herrgotts  marionetten  sein",  dass  alles  in  der 
Welt  ein  Verhängnis  sei.  Auf  diese  Weise  konnte  sie  nicht  begreifen,  dass  die  Lutheri- 
schen Mühe  hatten,  katliolisch  zu  werden,  da  sie  ja  doch  die  katholischen  Ceremonien 
glaubten:  der  Unterschied  im  Glauben  sei  so  gering,  dass  es  der  Mühe  nicht  wert  sei, 
darüber  zu  disputieren.  Nach  alle  dem  darf  man  Elisabeth  Charlotte  nicht  gerade  wegen 
ihrer  evangelischen  Glaubensstärke  feiern,  wie  das  meistens  geschieht,  auch  von  Bode- 
mann26)  in  seiner  ausführlichen  Charakteristik  der  Herzogin,  deren  edlen,  echt  deutschen 
Tugenden  er  sonst  durchaus  gerecht  wird. 27)  —  Eine  Reihe  kleinerer  Aufsätze  be- 
schäftigen sich  mit  dem  Hofleben  der  damaligen  Zeit,  auf  Grund  zeitgenössischer  Be- 
richte. Nähere  Mitteilungen  iiber  das  Leben  am  dänischen  Hofe  gab  Chr.  Meyer  28) 
nach  den  Aufzeichnungen  der  Leonore  Christine  von  Schleswig-Holstein,  Tochter 
Christians  IV.  von  Dänemark,  vermählt  mit  dem  dänischen  Reichsstatthalter  Corfitz  Ul- 
feldt.  —  Pribram^»)  veröffentlichte  den  politischen  Bericht  eines  unbekannten  Fran- 
zosen über  den  Wiener  Hof  nach  einer  alten  Abschrift,  nicht  nach  dem  Original,  was 
dem  Herausgeber  entgangen.  Der  Franzose  schilderte  seiner  Regierung  unbefangen, 
was  er  gesehen  und  gehört,  er  war  wohl  vertraut  mit  allen  Verhältnissen  der  leitenden 
Persönlichkeiten  und  mit  Jen  socialen  Zuständen  Wiens.  Besondere  Hervorhebung  ver- 
dienen die  Nachrichten  über  das  sittlich  i-eine  Privatleben  Leopolds  L,  seine  zärtliche 
Liebe  zu  seiner  Gattin  und  seine  Vorliebe  für  Musik.  Der  Kaiser  unterhielt  danach 
eine  zahlreiche  Kapelle,  welche  auflftihrte  „des  mysteres  qu'il  compose  lui-meme".  Wenig 
entzückt  war  der  Franzose  von  der  einzigen  öffentlichen  Lustbarkeit,  den  Theatervor- 
stellungen („la  com^die  allemande"),  in  die  man  nur  gehe,  tun  sich  zu  treffen,  nicht  der 
Aufführungen  wegen.  Vortrefflich  fand  er  die  Erziehung  der  jungen  Adligen,  die 
lateinisch,  französisch,  italienisch  und  spanisch  sprechen  lernten,  aber  trotz  aller  ihrer 
Kenntnisse  später  bald  A'erbauerten.  Die  Vorliebe  des  Kaisers  für  theatralische  Auf- 
führungen bei  Hofe  (vgl.  o.  N.  21)  spricht  sich  auch  aus  in  einer  gelegentlichen  Aeusse- 
rxmg  Leopolds,  die  in  Pribrams  Abhandlung  (s.  o.  N.  23)  S.  364  angeführt  ist:  „Den 
Geburtstag  meines  Gespons  haben  wir  sollemnissime  celebrirdt  mit  einer  Comedi,  Gala 
und  ein  Ballet,  welches  Prinz  Karl  von  Lotringen  sambt  etlichen  mein  Kämmerern  ge- 
danzt  hat,  und  ist  ein  so  galantes  festl  gewest,  als  eines  dahie  gesehen."  —  üeber 
Berlin^O)  und  das  Leben  am  Berliner  Hofe  zur  Zeit  des  Kurfürsten  Friedrichs  III.  geben 
erwünschte  Nachricht  Mitteilungen  aus  Denkwürdigkeiten  eines  italienischen  Edelmannes, 
des  Fra  Allessandro  Bichi3i-32)^  (Jer  nach  eigener  Anschauung  rückhaltlos  und  frei- 
mütig, aber  mit  Anerkennung  aller  Vorzüge  der  Fremde  und  wahrheitsgetreu  berichtet. 
Besonders  eingehend  bespricht  er  die  Lebensweise  des  Herrscherhauses,  die  Morgen- 
tafel des  Kurfürsten,  die  Mittagtafel  der  Kurftii-stin  und  die  Reiherbeize.  —  Eine  Schil- 
derung Berlins  von  einem  Sachsen  aus  der  Umgebung  des  Grafen  Flemming,  der  sich 
1723  einige  Zeit  in  Berlin  aufgehalten,  machte  Schmoller  *!*)  bekannt.  Sie  ist  voll  Spott 
über  den  König  Friedrich  Wilhelm  I.;   die  Stadt  vergleicht  sie  einer  Grenzfestung,    wo 


N.  415.)  —  26)  id.,  Elisabeth  Charlotte  v.  d.  Pfal«,  Hewogin  von  Orlöans:  HTb.  VI.  F.,  11,  S.  1—76.  (Vgl.  o.  U  N.  416.) 
27)  X  A.  Beneke,  E.  deutsche  Frau  in  Frankreich:  B»r  17,  S.  176/8,  192/5.  —  28)  Chr.  Heyer,  Ans  d.  Memoiren  ». 
KSnigstochter  d.  17.  Jh  :  HambNachrS.  N.  23,  24.  —  29)  A.  Pribram,  Aus  d.  Bericht  e.  Franzosen  Ober  d.  Wiener  Hof 
in  d.  Jahren  1671  u.  VI:  MIÖQ.  12,  S.  270—96.  —  30)  (1,3  N.  309a)  —  31)  Berlin  n.  sein  Oof  im  J.  1696.  Reiseerinnerungen 
d.  Fra  Älessandro  Biohi  aus  Siena:  Orenzb.  50,  I,  S.  20—30,  71—81.  (Uebersetzt  ans  d.  Rassena  nazionale  r.  Febr.  1888. 
Vgl.  0.  1,3  N.  311.)  —  32)  (1,3  N.  310.)  -  33)  G.  Schmoüer,  B.  Schilderung  BerUns  »us  d.  J.  1723:  FBPG.  4,  S.  213(6.  (Tf|. 


k 


n  1:  3a-42.         AI.  Relfferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.  6 

die  Garnison  die  Hauptsache  ist,  der  alle  übrigen,  Männer  und  Trauen,  zu  Diensten 
stehen.  Erwähnenswert  ist  die  Nachricht,  dass  bei  den  Hoifesten  Herren  und  Damen 
nach  der  Art  der  Juden  3^)  getrennt  sässen:  bei  grossen  Essen  der  Bürger  zeige  sich 
keine  Erau.  —  Geiger  3^)  gab  als  Probe  aus  seinem  umfangreichen  Werke,  welches  die 
Geschichte  des  geistigen  Lebens  der  preussischen  Hauptstadt  von  dem  Regierungsantritte 
Eriedrichs  I.  bis  zum  Regierungsantritte  Eriedrich  Wilhelms  IV.  behandelt,  einen  Abschnitt 
aus  dem  1.  Halbbande,  der  der  Zeit  des  Erscheinens  nach  in  den  nächstjährigen  Bericlit 
gehört.  —  lieber  die  Eeier  der  Vermählung  des  Markgrafen  Karl  Eriedrich  von  Ansbach 
mit  Eriederike,  der  älteren  Tochter  König  Eriedrich  Wilhelms  I.  veröiFentlichte 
Chr.  Meyer  36)  Tagebuchaufzeichnungen  des  Herrn  von  Nostiz,  der  im  Gefolge  des 
Markgrafen  gewesen.  M.  leitet  seine  Veröifentlichung  ein  durch  Nachrichten  über  das 
vermählte  Paar.  Politische  Berechnung  hatte  sie  zusammengeführt,  sie  traten  sich  nie 
gemütlich  näher  und  wurden  ruich  der  Geburt  des  zweiten  Sohnes  einander  ganz  ent- 
fremdet. Nostiz  giebt  eine  genaue  Schilderung  der  Hoffestlichkeiten.  Bemerkenswert  ist 
die  Art,  wie  Braut  und  Bräutigam  vom  König  und  von  der  Königin  zum  Paradebett 
gebracht  und  vor  demselben  ausgekleidet  wurden.  ^'')  —  Vier  Studien  über  Erscheinungen 
aus  dem  Gesellschaftsleben ^8)  ^qi-  damaligen  Zeit  sind  anonym  erschienen:  1.  über  das 
Tabaksdöschen  39),  Der  Tabak  hat  sich  im  17.  Jh.  seinen  Weg  von  unten  nach  oben 
gebahnt,  von  den  rohen  Kriegsknechten  zu  den  feinen  Herrschaften.  In  der  schönen 
Litteratur  fand  er  besonders  von  1690 — 1730  begeisterte  Verehrer.  Auf  das  gesellige 
Leben  übte  er  eine  einseitige  Wirkung,  er  blieb  auf  die  Männerwelt  beschränkt,  die  er 
in  der  Tabagie,  im  Tabakskollegium  vereinte,  da  sich  dem  Tabaksgeruch  die  Räume  für 
feinere  Geselligkeit  verschlossen.  Als  Schnupftabak  drang  das  neue  Reizmittel  auch  in  die 
höhere  Gesellschaftswelt  und  erlangte  darin  solche  Bedeutung,  dass  die  zierliche  Tabaks- 
dose in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jh.  zu  den  beliebtesteii  Prunkstücken  gehörte,  die 
artig  zur  Schau  getragen  wurden.  Das  Döschen  spielte  sogar  eine  vertrauliche  Mittler- 
rolle in  der  Beziehung  der  Geschlechter  zu  einander.  —  2,  lieber  die  Musche,  das 
Schönheitspflästerchen 40),  jj^  'QHß^  und  Wort  hat  sich  das  Andenken  der  Herrschaft 
dieses  Schönheitsmittels,  die  von  1640 — 1780  dauerte,  erhalten.  Die  Sucht  der  Ver- 
kleidung, der  Verwischung  aller  individuellen  Züge  musste  in  dem  Zeitalter  des  höfischen 
Absolutismus  reiche  Nahrung  finden.  Die  Geschichte  des  Schminkpflästerchens  ist  daher 
für  diese  Zeit  recht  bezeichnend.  Zuerst  wurde  es  zum  Verdecken  von  Hautschäden 
gebraucht,  später  ohne  diese  Veranlassung  allein  kontrastierend  zur  wirkungsvolleren 
Hervorhebung  schöner  Gesichtsfarbe.  Die  Mode  verbreitete  sich  von  Erankreicli  aus 
über  England  und  Deutschland  und  erhielt  sich  trotz  aller  Angriffe  und  Verbote.  Die 
galante  Dichtung  der  Zeit  fand  in  der  neuen  Zier  einen  dankbaren  Stoff  für  witzige 
Spielereien.  Das  Muschenschächtlein  gehörte  damals  zur  unentbehrlichen  Ausrüstung 
der  Putztische.  Die  moralischen  Wochenschriften,  die  in  Erauenkreisen  viel  gelesen 
wurden,  eiferten  sehr  gegen  die  Musche.  Sie  verschwand  in  Deutschland,  als  sich  in 
der  Mitte  des  18.  Jh.  der  Sinn  für  edle  Natürlichkeit  regte.  —  3.  lieber  das  L'Hombre^i). 
Auch  die  Geschichte  dieses  Spiels  ist  charakteristisch  für  die  Zeit  seiner  besonderen 
Beliebtheit.  Es  ist  spanischen  Ursprungs,  gewann  erst  in  Erankreich  volle  Ausbildung 
und  kam  gegen  Ende  des  17.  Jh.,  als  es  in  Erankreich  schon  an  Ansehen  verloren, 
nach  Deutschland,  wo  es  als  das  sinnreichste  und  lustigste  Kartenspiel  eifrig  gepflegt 
wurde.  Die  Kenntnis  des  Spiels  gehörte  zu  den  unerlässlichen  Eorderungen  galanter 
Bildung  bei  Männern  und  Eraiien,  adligen  und  bfirgerlichen  Standes.  Durch  das  Zu- 
sammenspiel von  Männern  und  Erauen  gewann  das  L'Hombre  direkten  Einfluss  auf  die 
Bildung  eines  feineren  gesellschaftlichen  Tons.  Die  genaue  Kenntnis  der  Spielregeln 
ist  erforderlich  zum  vollen  Verständnis  der  litterarischen  Schöpfungen  aus  der  Zeit  der 
höchsten  Beliebtheit  des  Spiels.  —  4.  Heber  artig  und  galant*^).  Diese  Lieblingswörter 
des  18.  Jh.  enthüllen  uns  in  ihrer  Bedeutung  ixnd  Geltung  die  letzten  Ziele  geselliger 
und  aesthetischer  Kultur  der  Rokokozeit,  deren  Wesenseigenheiten  darin  zum 
Ausdruck  gelangt  sind.  Die  Geschichte  des  Wortes  „galant"  wird  im  Anschluss  an 
R.  Hildebrands  Ausführungen  im  Deutschen  Wörterbuche  gegeben.  „Galant",  seit  1670 
in  Gebrauch,  erhält  immer  volleren  Klang,  bis  es  allmählich  von  „artig",  das  sich  ilim 
zuerst  zugesellt,  verdrängt  wird;  eine  Zeitlang  half  man  sich  gedankenlos  mit  der  Ver- 
bindung beider  Ausdrücke.  Am  freiesten  entwickelte  sich  die  „artig-galante"  Kultur 
in  Kursachsen.  — 


0.  1,8  N.  812.)  -  34)  (1,3  N.  174.)  -  35)  L.Geiger,  Am  Berliner  Hofe  vor  200  Jahren.  Hofdicliter  u.  Holfeste:  FZg. 
N.  57  n.  58.  —  36)  Chr.  Meyer,  Am  Hofe  Friedrich  Wilhelms  L:  VossZgS.  N.  33,  34,  36.  -  37)  (1,3  N.  32,  323.)  —  38)  (1,3 
N.  488,  127.)  —  39)  1).  TabaksdOsthen.  E.  Kokokostudie:  Grenzb.  50,  1,  S.  322—30.  (Vgl.  lUr  N.  39-42  o.  1,3  N.  24.  Vf.  d. 
4  Artikel  ist  Paul  Hof  mann.)  —  40)  Kokokostudien.  2.  D.  Musche:  ib.  S.  510/8.  -  41)  Rokokostudien.  3.  D.  L'Hombre: 
ib.  50,  II,  S.  192-202.  -  42)  Rokokostudien.    4.  Artig  u.  galant:  ib.  S.  571—81.  — 


M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  HI  2:  1-3. 


III.3 

Lyrik. 

Max  f^reiherr  von  Waldberg. 

Woltliclio  Lyrik:  Allgemeines  N.  1.  —  Neue  Mitteiluugeii  N.  2.  —  Biographisches:  Weckberlin  N.  18;  Zink- 
Krofu.  a.  N.  14;  Dach  N.  10;  Uitit  u.  a.  N.  22;  Hofmannswaldau  N.  25;  Kayger  u.  a.  N.  29.  —  Geistliche  Lyrik:  Samm- 
liiii){vn  N.  3U.  —  Biographisches:  Schnurr  u.  a.  N.  4r>;  Schinolck  u.  a.  N.  51;  Schottelius  n.  a.  N.  54.  —  Komponisten: 
Seile  u.  a.  N.  66;  H.  Schütz  N.  70.  - 

Der  Ueberblick  über  die  der  Lyi-ik  des  17.  und  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jh. 
gewidmete  Litteratiir  bietet  aucli  in  diesem  Jahre,  soweit  die  weltliche  Dichtung  in 
Betracht  kommt,  ein  bis  auf  einige  Punkte  wenig  erfreuliches  Bild.  Abgesehen  von 
einer  Eeihe  kürzerer  lebensgeschichtlicher  Darstellungen,  wie  sie  namentlich  von  der 
ADB.  geboten  werden,  und  vereinzelten  fördernden  Untersuchungen  sind  zumeist 
kümmerliche  Wiederholung  des  Allbekannten  oder  dürftige  Mitteilungen  neuer  Mate- 
rialien die  alleinigen  wissenschaftlichen  Ergebnisse  des  Berichtsjahres.  Für  allgemeine 
Gesichtspunkte  kommt  höchstens  eine  Arbeit  in  Betracht.  Sokolowsky  i)  hat  sich 
die  Aufgabe  gestellt,  das  Aufleben  des  altdeutschen  Minnesangs  in  der  neuen  Litteratur 
zu  verfolgen,  und  führt  uns  in  dem  bisher  veröffentlichten  ersten  Kapitel  das  Wiederer- 
waclien  der  Minnedichtung  in  der  Wissenschaft  bis  1759  vor.  Gehören  auch  seine  Resultate 
mehr  der  Gescliichte  der  deutschen  Philologie  und  Litteraturgeschichte  im  weiteren 
Sinne  an,  so  fallen  doch  auch  einige  Bemerkungen  für  die  Geschichte  der  Lyrik  unseres 
Zeitraumes  ab,  die  man  willkommen  heissen  kann,  zumal  eine  durch  v.  Waldberg 
(Galante  Lyrik,  1885,  Vorrede)  in  Aussicht  gestellte  Darstellung  der  inneren  Beziehungen 
zwischen  der  Lyrik  der  mhd.  Zeit  und  der  des  17.  Jh.  bisher  nicht  vorgelegt  wurde.  Es 
ist  zweifellos,  dass  bei  den  stark  entwickelten  national-antiquarischen  Neigungen  des 
17.  Jh.  die  wenigen  bekannt  gewordenen  Bruchstücke  der  mhd.  Lyrik  eifriger  auf- 
genommen wvu'den,  als  es  die  spärlich  erhaltenen  Zeugnisse  beweisen  können.  Die 
Hauptquelle  für  die  mit  polyhistorischer  Hast  und  Oberflächliclikeit  zusammengeraffte 
Kenntnis  vom  deutschen  Altertum  war  Goldasts  1604  erschienene  Publikation  „Paraene- 
ticorura  veterum  pars  prima".  Als  ein  hierher  gehöriges  Ergebnis  der  Untersuchung 
S.  s  sei  mitgeteilt,  dass  unter  den  deutschen  Dichtern  des  17.  Jh.  nicht  nur  Opitz 
bis  an  sein  Lebensende  der  mhd.  Lyrik  lebhafte  Teilnahme  widmete  und  sich  von  ihr 
beeinflusst  zeigt,  ja  einzelne  von  Goldast  nicht  abgedruckte  Strophen  und  Verse  kennt, 
sondern  dass  auch  Moscherosch,  Harsdörffer,  Buchner  und  Neumark  Kenntnis  dieser 
Litteratur  veiTaten  und  dass  auch  viele  Theoretiker  der  Zeit  mit  diesem  Wissen  gerne 
gelelu'ten  Prunk  treiben.  Erst  mit  Bodmers  und  Breitingers  Veröffentlichungen  aus  dem 
grossen  Codex  beginnen  die  Einflüsse  der  mhd.  Lyrik  allgemein  sich  deutlich  bemerkbar 
zu  machen,  während  sie  früher  wohl  vorhanden  sind,  aber  nur  erst  bei  schärferem 
Zusehen  bemerkt  werden  können.  — 

Auch  die  Mitteilung  2)  bisher  unbekannter  oder  neu  aufgefundener  Dichtungen 
hat  sehr  bescheidenen  Ertrag  gebracht.  Der  einzige  Fund  von  einiger  Bedeutung,  die 
Hs.  der  Schallenbergschen  Dichtungen  und  Volkslieder,  über  die  Hurch2»)  berichtet, 
kann,  da  ihre  Entstehung  in  das  16.  Jh.  fällt,  hier  nur  soweit  erwähnt  werden,  als 
sie  durch  einige  Fäden  mit  der  Lyi'ik  des  17.  Jh.  verbunden  ist.  So  durch  den  Titel, 
den  ein  in  ihr  enthaltenes  Buch  deutscher  Lieder  trägt:  „Christofen  von  Schallenberg 
deutsche  Poeterey",  der  fast  50  Jahre  später  von  Opitz  für  seine  theoretische  Sclmft 
gebraucht  wurde,  ferner  durch  den  Umstand,  dass  nach  der  Mitteilung  des  Finders  der 
Hs.  das  Opitzische  Betonungsgesetz  hier  fast  ganz  durchgefülirt  erscheint,  und  endlich 
durch  den  Beweis,  dass  der  in  Zinkgrefs  „Auserlesenen  Gedichten  deutscher  Poeten"  ab- 
gedruckte „Lobgesang  von  dem  Warmen  Bad  in  Baden  in  Oestereich",  den  v.  Wald- 
berg in  seiner  Schrift  über  die  Renaissancelyrik  in  einer  tiroler  Hs.  aus  dem  Jahre 
1603  nachgewiesen  hat,  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jh.  vorkommt.  —  Ueber 
hs.  erhaltene  Lieder  des  1 7.  Jh.  empfangen  wir  femer  in  der  Berliner  Dissertation  von 
Niessen  ^)  Kunde.  N.  macht  eingehende  Mitteilungen  über  das  auf  der  Kgl.  Bibliothek 
in  Berlin  aufbewalu-te,  hs.  Liederbuch  des  Leipziger  Studenten  Clodius  vom  Jahre  1669, 

I)  R.  Sokolowsky,  D.  Aufleben  d.  altdeutschen  Minnesangs  in  d.  neueren  deutschen  Litt.  1.  Kapitel.  Jenaer 
Diss.  (S.  0.12:3.)  —  2)  X  L-  Fränkel,  Hayn,  Bibliotheca  Germanorum  Nuptialis:  CBlBibl.  8,  S.  57/8.  (Hinweis  auf 
F.  Bienemauns  Nachtrage  BLU.  1890.)  —  2a)  H.  Hureh,  Ueber  d.  Fond  e.  Volksliederhs.  ans  d.  16.  Jh.:  DentsehZg. 
N.   7024    u.    25.    —    3)   W.    Niessen,    D.    Liederbuch   d.    Leipziger    Studenten    Clodius    y.  J.  1669.    E.  Beitr.   s.  Gesch.  d. 


III  2:  4-10.  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17. /18.  Jahrhunderts,  8 

das  die  Signatur  Ms.  Germ.  8°  231  trägt  und  aus  108  Blättern  besteht,  von  denen  92 
beschrieben  sind.  Es  enthält  eine  Sammlung  von  Studentenliedem  und  volkstümliclien 
Kunstliedern.  Im  ersten  Teile  der  Arbeit,  der  dem  litterarischen  Inhalt  der  Hs.  ge- 
widmet ist,  werden  die  Autoren  der  einzelnen  Lieder,  Simon  Dach,  Ph.  Zesen,  Gabriel 
Voigtländer,  Christian  Weise  usw.  nachgewiesen  und  einige  nicht  gerade  tiefgehende 
Bemerkvmgen  über  die  einzelnen  Texte  gemacht.  Der  zweite  Teil  ist  der  Untersuchung 
der  Melodien  gewidmet,  dem  sich  dann  ein  Register  der  alphabetisch  geordneten 
Liederaiifänge  anschliesst.  Die  Initialen  des  Titels:  „C:  C:  N:  M.  Hymnorum  Studio- 
sorum Pars  Prima"  sind  auf  der  Rückseite  des  Titelblattes  als  „Christian  Clodius  Neo- 
stadensis  Missnicus"  aufgelöst.  N.  hat  ermittelt,  dass  der  Sammler  am  18.  Okt.  1647 
zu  Neustadt  bei  Dresden  geboren  wurde.  Clodius'  Vorrede  wimmelt,  dem  damaligen 
Studententon  entsprechend,  von  Unflätigk ei ten;  ebenso  sind,  neben  ganz  sinnigen  Liedern 
der  schon  erwähnten  Autoren  und  einzelnen  noch  heute  in  leicht  veränderter  Gestalt 
gesungenen,  auch  noch  ganz  im  Geschmacke  der  Zeit  derbe  zotige  Dichtungen  enthalten.  — 
Ernsteren  Charakter  trägt  die  Hs.,  über  die  R.  von  Liliencron  *)  berichtet.  Es  sind  vor- 
wiegend lateinische,  aus  Fragmenten  des  Hohenliedes  zusammengesetzte,  und  nur  wenige 
deutsche  Gesänge,  die  übrigens  alle  schon  deswegen  nur  einen  bescheidenen  Wert  haben, 
weil  sie  uns  fragmentarisch  überliefert  sind.  Die  43  Lieder  der  Hs.,  die  der  Quinta 
Pars  des  „Theatrum  musicum"  von  Orlandus  Lassus  beigebunden  ist,  bieten  nämlich 
nur  die  fünfte  bezw.  sechste  Stimme  der  Gesänge,  und  erst  mit  der  Auftindung  der 
anderen  Stimmen,  die  durch  Veröffentlichung  dieser  Fragmente  angeregt  werden  sollte, 
würde  eine  Vervollständigung  und  damit  die  wissenschaftliche  Abschätzung  des  Fundes 
möglich  sein.  —  Damit  ist  der  Vorrat  an  Mitteihmgen  neuer  volkstümlicher  Lieder  er- 
schöpft, denn  in  dem  sonst  noch  bekannt  gewordenen  Hinweis  von  Mülinens^)  auf 
zwei  historische  schweizer  Volkslieder  aus  dem  Vilmerger  Kriege  von  1712  ist  nur  er- 
wähnt, dass  das  eine  sich  in  spöttischer  Weise  gegen  Bern,  das  andere  in  demselben 
Tone  gegen  die  Stadt  Baden  nach  ihrer  Kapitulation  wende,  ohne  dass  wir  näheres 
über  Aufbewahrungsort  oder  Form  der  Lieder  erfahren.  —  Aber  auch  für  die  Kunst- 
dichtung fliessen  die  Quellen  diesmal  sehr  spärlich.  Die  von  R.  M.  Werner  6)  mit- 
geteilten Auszüge  aus  einem  Stammbuch  des  17.  Jh.  sind  litterarisch  wertlos,  weil  sie 
meist  bekannte  Citate  fremder  Autoren  bringen,  und  haben  nur  insofern  Interesse,  als 
sich  einige  Namen  litterarisch  nicht  unbekannter  Persönlichkeiten  darin  finden.  —  Aus 
dem  18.  Jh.  wird  uns  wohl  mehr  Stoff  geboten,  er  ist  aber  gleichfalls  künstlerisch  un- 
bedeutend. Ein  im  Kgl.  sächsischen  Hauptstaatsarchive  in  Dresden  von  Distel  '')  auf- 
gefundenes Gedicht  von  J.  U.  König,  eine  poetische  Begrüssung  bei  einer  1722  für 
14  der  ältesten  „respektive  Ministers  und  Cavaliers  aufs  magnificeste  veranstalteten 
Tafel",  hat  fast  nur  sittengeschichtliche  Bedeutung  als  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Treibens 
am  Hofe  Augusts  II.  Die  25  vierzeiligen  Strophen  sind  von  einer  forcierten  Lustigkeit, 
wie  sie  sich  in  den  heiter  sein  sollenden  Gelegenheitsdichtungen  des  vorangegangenen 
Jh.  findet.  —  Ein  ähnlicher  „Pritschmeisterton"  erklingt  auch  in  den  aus  einem  Sammel- 
bande der  Rostocker  Universitätsbibliothek  von  F.  Lindner  *^)  abgedruckten  Gevatter- 
briefen und  Danksagungen  desselben  Dichters,  die  höchstens  für  den,  wohl  nicht  zu  er- 
wartenden, Biographen  Königs  von  Nutzen  sein  könnten.  In  demselben  Bande  und  von 
gleicher  Hand  geschrieben  findet  sich  noch  ein  Württembergischer  Hochzeitsbrief  an 
den  König  August,  den  Distel  auch  in  einem  Einzeldruck  auf  dem  Dresdener  Haupt- 
staatsarchiv entdeckt  hat.  L.  vermutet,  da  das  Gedicht  ganz  den  Stil  und  das 
geistige  Gepräge  J.  U.  Königs  zeigt,  dass  dieser  die  Verse  für  den  unterzeichneten, 
aber  nicht  weiter  nachweisbaren  J.  G.  Bulissus  gedichtet  habe.  Mehr  Aufmerksamkeit 
verdient  eine  in  der  gleichen  Hs.  befindliche,  aber  von  einer  anderen  Hand  herrührende 
poetische  Spielerei,  „Derer  meisten  Europaeisclien  Höfe  ä  l'Hombrespiel",  die  aus  der 
Zeit  des  polnischen  Erbfolgekrieges  1733 — 35  heiTührt  und  eine  in  den  Flugschriften  und 
in  obscönen  Liedern  des  17.  Jh.  beliebte  Einkleidung  der  Satire  in  die  Bilder  und  Be- 
zeichnungen des  Kartenspieles  verwendet.  —  Genau  aus  derselben  Zeit  stammen  aucli 
drei  in  der  Hamburger  Stadtbibliothek  aufbewahrte  Festgedichte  auf  die  Vermählung 
Friedrich  des  Grossen,  von  denen  F.  Winter  9)  das  dritte,  von  der  Neuberin  verfasste, 
Stück  für  litterarhistorisch  bemerkenswert  genug  hält,  um  es  durch  einen  Neudruck 
wieder  bekamit  zu  machen  und  durch  genaue  Angaben  über  die  darin  erwähnten  Per- 
sonen zu  erläutern.  Es  ist  im  üblichen  Stile  der  Casualdichtungen  gehalten,  nur  noch 
nüchterner  und  unbeholfener  als  derartige  Arbeiten  aus  dem  ausgehenden  17.  Jli.,  die 
wenigstens  durch  Metaphernpomp  und  Prunkworte  Poesie  heuchelten.  —  Wie  verkntichert 
die  Formen  der  Gelegenheitsdichtungen  ^o)  waren,  bekundet  auch  ein  fast  gleichzeitiges, 

deutschon  Liodes  d.  17.  Jh.  Leipzig,  Druck  von  Ureitkopf  &  Hartol.  6('>  u.  2  unp.  S.  —  4)  R.  v.  Liliencron,  E.  hs.  Samm- 
lung V.  Gesängen  aus  d.  17.  Jh.:  MhMusikG.  23,  S.  129—39.  —  5)  v.  Mlllinen:  AHVBern  13,  S.  XXXIII.  (Nach  mündlicher 
Mitteilung.)  —  8)  R  M.  Werner,  Aus  o.  Stammbuch  d.  17.  Jh.:  s.  o.  111  1  :  17.  —  7)  Th.  Distel,  E.  Gedicht  Ulrich 
Königs:  VLG.  4,  S.  578—82.-8)  F.  Lindnor,  Rostocker  Findlinge:  ib.  S.  582— 9i.  —  9)  F.  Winter,  E.  Gedicht  d.  NBuborin 
auf  d.  Vermahlung  Friedrichs  d.  Grossen:  ib.  S.  159— 06.  —  10)  X  F.  Otto,  E.  Reim  Hellraunds  auf  sieh  selbst:  AnnVNassauG. 


'.»  M.  Frhr.  v.  Waldborg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  HI  2:  n-ie. 

im  Jaliio  17iil  oiitstandoiieH,  nacli  (kiiii  im  Besitze  des  Prof.  L.  Hirzel  befindlichen 
Original  wieder  abg(Klrucktes  Grabgedicht,  wo  die  „höchst  beliebte  Ehren-Porsohn  des 
unvergleichlichen  Herrn  Christoph  Steigers  bcy  Lebzeiten  Ruhmwürdigst  gewesenen 
Hen-n  Schultheisson  der  hohen  Stands  und  Souverainen  Republic  Bern"  als  Christlicher 
Regenten-Spiegel"),  bis  aufs  kleinste  nach  den  älteren  Mustern  dieser  Gattung  gebildet, 
vorgeführt  wird.  —  Nur  als  ein  Beh^g  dafür,  dass  auch  im  Elsass  die  Litteratur  zur 
Zeit  Gottscheds  genau  auf  dem  künstlerischen  Niveau  des  übrigen  Deutsclüand  stand, 
haben  auch  ausserhalb  des  Elsasses  Martins  ^2)  Mitteilungen  einigen  Wert.  Es  werden 
Ergänzungen  inid  Ausführungen  zu  seinen  JbGElsLothr.  4,  S.  58  f.  abgedruckton 
Annun-kungen  über  die  Strassburger  Dichterin  Frau  Professor  Katharina  Salome 
Linck,  dann  aus  Bielefelds  „Progres  des  Allemands"  ein  Bericht  über  die  Privat- 
aufluhrung  iiirer  Polyeuktübersetzung  und  endlich  aus  Megalissus'  Deutscher  Jesuiten- 
poesie die  Titel  und  Anfangsverse  der  aus  dem  Elsass  stammenden  fünf  Dichtungen 
veröffentlicht.  Eine  Bemerkung,  dass  der  streitbare  und  gelelxrte  Herausgeber,  der 
Litzel  hiess,  bei  dieser  Sammlung  von  der  Absicht  geleitet  worden  sei,  die  Jesuiten 
lächerlich  zu  machen,  und  daher  die  schlechtesten  Dichtungen  ausgewählt  habe,  wäre 
wohl  zur  richtigeren  Beurteilung  der  verzeichneten  Werke  wünschenswert  ge- 
wesen. — 

Etwas  reicher  als  für  die  Vermehrung  der  Litteraturdenkmäler  hat  die  Forschung  für 
die  biographische  Ermittlung  der  Lebensverhältnisse  deutscher  Dichter  dieses  Zeit- 
rainnes  gesorgt.  Hier  hat  aber  fast  nur  die  ADB.  wirksam  eingegriffen;  ausserhalb 
dieser  Quelle,  deren  Versiegen  beim  nahen  Abschluss  des  Werkes  ja  bevorsteht,  locken 
nur  zwei  Arbeiten  zu  ernsterer  Durchforscliung:  die  beiden  Pole  der  weltlichen  Lyrik 
des  17.  Jh.,  Wcckherlin  und  Hofmannswaldau,  haben  beide  im  Berichtsjahr  eine  treff- 
liche monogi-aphische  Behandhuig  gefunden.  Weckherlin  hat  sein  Landsmann  Her- 
mann Fischer'^)  ein  würdiges  Denkmal  gesetzt.  Zu  den  älteren  Darstellungen  von 
Conz,  Höj)fner,  Goedeke,  den  aus  englischen  Quellen  stammenden  Mitteilungen  von 
W.  Brinchley  Rye,  sowie  den  interessanten  Nachrichten,  die  Althaus  in  der  AZg.  ver- 
öffentlicht hat,  tritt  nun  F.s  Biographie,  die  nicht  nur  das  Bekannte  zusammeufasst, 
sondern  auch  reichlich  Neues  bietet.  Unter  anderem  Avird  durch  Boltes  Vermittlung 
der  Name  von  Weckherlins  Frau  als  Elisabeth,  Tochter  von  Francis  Raworth  Esq.  of 
Dover,  festgestellt.  Wir  werden  dann  genauer  als  bisher  fiber  die  Stellungen  unter- 
richtet, die  der  weltgewandte  Schwabe  in  England  erlangt  hat.  Aus  dem  Jalire  1625 
stammt  die  erste  Notiz,  in  der  er  als  in  englischen  Diensten  stehend  erscheint.  1644  ist 
er  Secretarv'^  for  foreign  tongues  des  Commithee  of  the  two  Kingdoms.  Nach  einer 
anderen  Angabe,  die  sich  aiif  das  folgende  Jahr  bezieht,  soll  er  auch  die  Stellung  eines 
Censors  der  officiellen  Presse,  „Licenser  of  the  Press",  innegehabt  haben.  Ganz  eigen- 
artig berührt  es,  unsem  schwäbischen  Dichter  in  amtlichen  Beziehungen  zum  Vf.  des 
„Verlorenen  Paradieses"  zu  sehen.  1(549  scheint  Milton  Weckherlins  Nachfolger  zu  sein. 
1()52  wird  der  durch  Undank  und  Missgunst  gebeugte  deutsche  Dichter  dem 
inzwischen  erblindeten  Milton  als  assistierender  Sekretär  beigegeben;  diese  Stellung  aber 
hatte  er  nur  kurze  Zeit  inne,  da  drei  Monate  vor  seinem  1653  erfolgten  Tode  schon  ein 
anderer  als  sein  Nachfolger  genannt  wird.  Ln  Anschluss  an  die  biographischen  Mit- 
teilungen hat  F.  ein  ebenso  feinsinniges  als  zutreffendes  Bild  von  dem  Dichter  Weckherlin 
entworfen,  das  sich  von  landsmannschaftlicher  Ueberschätzung  ganz  freihält.  Die 
Charakteristik  gipfelt  in  der  Bemerkung,  dass  Weckherlins  Dichtungen  nicht  Kon- 
fessionen, sondern  Stil  und  Konvention  darstellen,  und  die  Streiflichter,  die  in  F.s  Aus- 
einandersetzung auf  Weckherlins  litterarisches  Wirken  fallen,  erhellen  auch  das  Bild  der 
Renaisskncelyrik,  für  die  der  Autor  mit  Wärme  gegen  Goedekes  etwas  einseitige  Ueber- 
schätzung der  Reformationslitteratur  eintritt.  — 

Der  auf  den  3.  Juni  des  Berichtsjahres  gefallene  300j.  Geburtstag  J.  W.  Zink- 
grefs  hat  weder  in  der  Litteratur  noch  in  der  Tagespresse  besondere  Beachtung 
gefunden.  Der  einzige  ihm  gewidmete  Aufsatz'-*)  bringt  nur  eine  Zusammenstellung  der 
durch  die  Arbeiten  Schnorrs  u.  a.  bekainiten  Daten.  Ueber  einen  anderen  Dichter  derselben 
Zeit,  J.  M.  Schneuber,  einen  elsässischen  Poeten,  der  zwar  ein  Vertreter  der  neuen 
Opitzischen  Kunstrichtung  war,  aber  nicht  die  Krafl  besass,  auch  auf  seine  Umgebung 
zu  wirken,  hat  Martin if')  eine  knappe  biographische  Notiz,  über  die  „Pommersche 
Sappho"  Sibylla  Schwarz,  deren  frühes  Hinscheiden  angesichts  ihrer  poetischen 
Begabung    tragisch    anmutet,    hat    Häckermanniß),   über    den   jugendlichen   Opitzianer 


I 


•_'3,  S.  114.  (Nichtssagender  ^Sclilussroim"  anf  seine  eigene  Offontliclie  TbXtigkcit.)  —  II)  Cbriftlichnr  Regenten-Spiegel:  BernTB 
S.  101/8.  —  12)  E.  Martin.  ElsHssischn  LiU.  z.  Zeit  Gottscheds:  JbGEIsL..thr.  7.  S  117—22  —  I3)H.  Fischer,  Georg 
Rudolf  Weckherlin  (=  Beitrr.  z.  Litt-Gpsch.  Schwabens.  Tubingen,  Laupp.  VI,  246  S.  M.  4.00.  S.  1-40).  —  14)  H.  Gr., 
D.  Gedächtnisse  W.  Zinkgrefs.  Z.  300j.  Geburtstage  d.  Uicht«rs  am  5.  Juni  1891:  VossZg.  N.  251.  —  15)  E.  Martin,  Joh. 
Mathias  Schneuber:  AU;.  32,  S.  172/3    -    16)  Hlckormann,  Sibylla  Schwärt:   ib.  33,  S.  248/9.    —    17)  J.  Bolte,   Michael 


in  2:  17-25.  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  10 

Michael  Schneider,  der  sich  mehr  durch  vielseitige  Bildung  und  Sprachgewandheit  als 
durch  Selbständigkeit  auszeichnete,  Bolte^'^)  biographisches  Material  beigebracht.^^)  — 

Die  auf  Opitz  gerichtete  Forschung  hat  diesmal  geruht,  dagegen  tritt  mit  fast 
gesetzmässiger  Regelmässigkeit  wieder  Dachs  „Aennchen  von  Tharau"  auf  den 
Plan.  Müsiol^S)  -^iU  die  für  ihn  noch  immer  nicht  gelöste  TrageSO)  nach  der  Autor- 
schaft des  Dachschen  Gedichtes  zu  beantworten  suchen.  Bei  dieser  Gelegenheit  teilt 
er  Dachs  Leben  im  Auszuge  mit;  seine  Quelle  ist  „Der  vortreff liebsten  Teutschen  Poeten 
verfertigte  Meister-Stücke,  wobei  jedesmahl  das  Leben  eines  solchen  Tichters,  der  den 
Nahmen  eines  vortrefflichen.  Bei  der  galanten  Welt  durch  seine  Geschicklichkeit  ver- 
dienet" (Rostock  und  Parchim  1721  und  1724).  Sodann  wird  die  Geschichte  des  viel 
umstrittenen  Gedichtes  erzählt.  M.  zweifelt  wegen  der  in  Alberts  Arien  dem  Abdrucke 
beigefügten  Ueberschrift  „Aria  incerti  autoris"  Dachs  Urheberschaft  an,  was  schon 
W.  Tappert  früher  bezüglich  der  Melodie  bei  Albert  gethan  hat.  Dann  wird  der  Charakter 
des  Liedes  als  Hochzeitsgedicht  geleugnet  und  endlich  die  Hypothese  aufgestellt:  „Eher 
lässt  sich  annehmen,  dass  Dach,  der  fortwährend  Kränkelnde,  aber  gewiss  im  Umgang 
geistreiche  und  berühmte  „Con-Rectoris"  (!!),  ein  Liebesverhältnis  mit  Anke  hatte  und 
das  immer  Schmollen,  immer  Grollen  auch  bei  ihnen  nicht  ausgeblieben  sein  mag.  Man 
versöhnte  sich  wieder  und  infolge  dessen  entstand  das  Gedicht."  Einfacher  lässt  es  sich 
allerdings  nicht  machen  !2i)  — 

Ueberflüssige  Mühe,  längst  Pestgestelltes  von  neuem  zu  beweisen,  giebt  sich 
Detlefsen22)  in  seinem,  dem  geschäftlichen  Treiben  J.  Rists  gewidmeten  Schriftchen. 
Nach  der  von  Prick  allerdings  verstümmelt  überlieferten  Mitteilung  der  Urkunde,  mit  der 
Rist  dem  Georg  Struve  die  Würde  eines  gekrönten  Poeten  verlieh,  nach  v.  Waldbergs 
und  Draesekes  Aeusserungen  (vgl.  JBL.  1890)  war  es  unnötig,  einen  so  reichen  Apparat^ 
von  Urkunden  zu  entwickeln,  um  die  unwiderleglich  feststehende  Thatsache  abermals 
festzustellen,  dass  sich  Rist  geschäftliche  Nebenvorteile  bei  den  von  ihm  verliehenen 
Auszeichnungen  zu  verschaffen  wusste.  Der  Wissenschaft  ist  auch  nicht  viel  gedient, 
wenn  wir  ermitteln,  dass  Gottfried  Treuer,  Johannes  Georgias  ihre  Dichterkrone  dem 
„Rüstigen"  danken.  —  Mehr  als  ein  bescheidenes  Plätzchen  in  der  ADB.  verdienen  alle 
diese  Dichter  nicht,  die  nur  das  schwache  Echo  der  grösseren  und  auch  nicht  grossen 
poetischen  Stimmführer  jener  Zeit  sind.  Deshalb  hat  auch  von  Waldberg^s)  das 
Leben  und  Wirken  eines  Mannes  wie  G.  H.  Schreiber  nur  mit  einigen  Zeilen  abgethan,  und 
vielleicht  ist  damit  bei  dieser  jeder  individuellen  Pärbung  entbehrenden  Persönlichkeit 
schon  zu  viel  des  Guten  geschehen.  —  Anders  verhält  es  sich  bei  einem  Namen  wie 
J.  Schwieger,  an  den  sich,  wie  Reiff erscheid  s^*)  biographischer  Artikel  zeigt,  interessante 
litteraturgeschichtliche  Probleme  knüpfen.  Jakob  Schwieger,  der  „Flüchtige"  der  Zesen- 
schen  „Teutschgesinnten  Genossenschaft",  ist  nach  R.s  Ausführungen  zuerst  von  Moller 
in  der  „Cimbria  litterata",  dann  von  den  meisten  Litterarhistorikern  bis  auf  die  jüngste 
Zeit  mit  „PiUdor  dem  Dorferer",  dem  Dichter  der  „Geharnschten  Venus"  und  dem  V£ 
verschiedener  Rudolstädter  Pestspiele  aus  den  Jahren  1665/7  identifiziert  worden. 
Dagegen  wollte  Goedeke  diejenigen  Schriften,  die  nach  R.s  Bemerkungen  Schwiegers 
geistiges  Eigentum  sind  und  durchaus  das  Gepräge  seiner  Persönlichkeit  tragen,  zwei 
verschiedenen  Autoren  gleichen  Namens  zuschreiben,  von  denen  der  eine  ein  Theologe 
gewesen  sein  könnte.  Jedenfalls  ist  hier  noch  vielerlei  zu  suchen  und  zu  finden.  Ueber 
Schwiegers  Leben  ist  nur  sehr  weniges  bekannt,  und  so  sind  auch  die  Forschungen  sehr 
erschwert,  die  sich  an  die  ihm  zugeschriebenen  Werke  knüpfen.  R,  führt  aus,  dass  die 
Moller  allgemein  nachgebetete  Behauptung,  die  „Geharnschte  Venus"  sei  ein  Werk 
Schwiegers  durch  nichts  begründet  werde.  Das  Werk  zeige  sich  vielmehr  als  eine 
der  besten  lyrischen  Leistungen  des  17.  Jh.,  ist  aus  einem  ganz  anderen  Kreise,  aus 
ganz  anderer  Anschauungsweise  und  anderer  Stilrichtung  entstanden,  als  sie  etwa 
Schwiegers  geistige  Atmosphäre  darstellt.  Dass  der  Rudolstädter  Filidor  nichts  mit 
Schwieger  gemein  habe,  ist  schon  von  Martin  nachgewiesen,  und  so  schälen  sich  nun 
aus  diesem  einen  Namen  drei  durchaus  verschiedene  Dichterindividualitäten,  von  denen 
leider  die  bedeutendste,  der  Vf.  der  „Geharnschten  Venus",  der  unbekannteste  ist.  — 

Scherer  hat  wohl  auch  den  Vf.  dieses  Werkes  gemeint,  wenn  er  Schwrieger 
den  eigentlichen  Minnesänger  des  17.  Jh.  nennt,  und  an  diesen  muss  man  denken,  wenn 
man  ihn  als  einen  Vorläufer  der  späteren  schwülstigen  Lyrik  bezeichnete.  Wendungen 
wie  ,,Printz  der  Silberknechte"  für  ,,Mond"  hätten  auch  Lohenstein  oder  Hofmanns- 
waldau  gebrauchen  können,   und  Ettlinger^s)  hat    in    seiner  schon  erwähnten  Mono- 

Schneider:  ib.  32,  S.  142.  —  18)  X  Flemming-DeDkmal :  HambCorr.  N.  185.  (Notiz.)  —  19)  B.  Müsiol,  Aennchen  t.  Tharau: 
NZMusik.  87,  S.  365/6,  372/5.  —  20)  X  J.W.Braun,  Aennchen  v.  Tharau:  Didask.  N.  29.  (Altes  korrekt  wieder- 
holend.) —  21)  O  XX  F.  W.  Seraphin,  E.  Gedicht  d.  Petrus  Mederus:  KBlVSiebenbL.  14,  S.  42/3.  —  22)  Detlefsen, 
Johann  Rists  geschäftliches  Treiben  als  gekrönter  Poet  u.  kaiserlicher  Pfalz-  u.  Hofgraf:  ZGSchleswG.  21,  S.  245—93.  — 
23)  M.  V.  Waldberg,  Georg  Heinrich  Schreiber:  ADB.  32,  S.  472.  —  24)  AI.  Reifferscheid,  Jakob  Schwieger:  ib.  33, 
8.  443/7.  —  25)  J.  Ettlinger,  Christian  Hofmann  v.  Hofmannswaldau.  E.  Beitr.  z.  Litt.-Gesch.  d.  17  Jli.  Hallo,  Niemeycr. 
128  n.  2  unpag.  S.  M.  2.80.  |LW.  Kawerau:  AZg».  N.  186;  Grenzb.  50,  IV.  S.  246/8;  LCBl.  1892,  S.  574.] |    (Auch  als  Heidel- 


11  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  ni  2:  2tt-29. 

graphie  über  den  letsitgeiuuinteu  Dichter  gerade  die  „Gehamschte  Venus"  zum  Vergleich 
herangezogen,  als  er  den  Beweis  antrat,  dass  die  deutsche  Litteratur  schon  vor  Hof- 
inaniiswaldau  sich  dem  gezierten  Schwulste,  der  sprachlichen  Ueberwürze  zuneigte. 
Hoiinannswaldiius  Stil  erscheint  hier  mit  vollem  Recht  nicht  als  ein  plötzlich  auftauchendes 
Phänomen,  sondern  als  ein  allmählich  gewordenes  Produkt  der  fremden  und  einheimischen 
geistigen  Strömungen.     Mit  historischem  Verständnis    und  gründlicher  Belesenheit  setzt 

E.  auseinander,  wie  sich  diese  Geschmacksrichtungen  und  Stilformen  in  Hofmanns- 
waldau  als  ihrem  typischen  Vertreter  vereinigen.  Bei  aller  Fülle  der  Belege  behält  E. 
doch  noch  die  Herrschaft  über  den  Stoff.  Er  wägt  kritisch  vorsichtig  seine  Funde  ab, 
und  so  gelangt  er  beispielsweise  trotz  der  starken  Uebereinstimmung  in  Hofmanns- 
waldaus  und  Marinos  Dichten  zu  dem  Ergebnis,  dass  wohl  der  Einfluss  des  Italieners 
ein  starker  und  ausgedehnter  war,  dass  aber  Hofmannswaldau  trotzdem  frei  vor 
sklavischer  Nachahmung  gewesen  sei.  Er  hat  vielmehr  Marinos  barocke  Darstellungs- 
weise selbständig  entwickelt  und  dieses  Stilprinzip  in  seiner  Art  konsequenter  angewendet 
als  das  Vorbild.  Ueberhaupt  ist  die  Arbeit  reich  an  neuen  Ergebnissen.  Für  den 
schwächsten  Teil,  den  biographischen,  standen  E.  viele  an  Hofmannswaldau  gerichtete 
Briefe  der  Breslauer  Stadtbibliothek,  für  andere  Abschnitte  des  Buches  eine  Dresdener 
Hs.  der  lyrischen  Gedichte  zur  Verfügung.  Auf  die  Biographie  folgt  in  der  Unter- 
suchung eine  Besprechxing  der  Hofmannswaldauschen  Dichtungen.  Bei  den  weltlich 
erotischen  Gedichten  werden  die  stofflichen  Einflüsse  Marinos  und  der  Franzosen,  bei 
den  Epigrammen  Loredanos  Einwirkung  auf  diese  Gattung  behandelt.  Gelegentlich  der 
Besprechung  der  Heldenbriefe  wird  gegen  v.  Waldbergs  Vermutung,  dass  Voiture  mit 
einem  Scherzbriefe,  und  Triebes  Anschauung,  dass  Caspar  Barlaeus  der  Anreger  dieser 
Gattung  bei  H.  sei,  mit  viel  Wahrscheinlichkeit  dem  englischen  Dichter  M.  Dray- 
ton  und  mit  triftigen  inneren  und  äusseren  Gninden  dessen  „Englands  Heroicall 
Epistles"  (London  1G30)  diese  Einwirkung  auf  Hofmannswaldau  zugesprochen.  Die 
folgenden  Kapitel,  die  der  inneren  Form  der  Hofmannswaldauschen  Dichtung  gewidmet 
sind,  bieten  interessante  stilgeschichtliche  Untersuchungen;  das  ganze  Buch  giebt  ein 
zutreffendes  litterarisches  Bild  der  Barockzeit  in  der  deutschen  Litteratur.  W.  Kaweraus 
Anzeige  dieser  Monographie  bringt  anknüpfend  an  E.s  Vergleich  Hofmannswald  aus  mit 
Wieland  eine  recht  originelle,  wenn  auch  nicht  in  allen  ihren  Teilen  gleich  überzeugende 
Parallele  zwischen  Hofmannswaldau  und  dem  „dicken  Lebemann  an  der  Alster",  IViedrich 
V.  Hagedorn.  Derartige  Parallelen  sind  ja  nicht  ganz  ohne  Wert,  weil  sie  eine  Art  von  „gegen- 
seitiger Erhellung"  der  verglichenen  Objekte  bewirken  können.  Einen  anderen  Vergleich 
versucht  der  anonyme  Recensent  der  „Grenzboten",  der  Hofmannswaldau  zu  Friedrich 
von  Speeä'')  in  Beziehung  bringt.  Nicht  um  diesen  als  ein  Vorbild  des  „galanten" 
Dichters  hinzustellen,  sondern  um  zu  zeigen,  „dass  diese  gekünstelte  Sprache  schon  vor 
der  Mitte  des  Jh.  Deutschland  nicht  fremd  war  und  daher  Hofmannswaldau  nicht  der 
Vorwurf  zu  machen  sei,  dass  er  sich  mit  fremden,  mit  welschen  Federn  geschmückt 
habe".  —  Fast  gleichzeitig  entstanden  und  früher  erschienen  als  Ettlingers  Untersuchung 
ist  ehie  Abhandlung  von  M.  H.  Jellinek^«),  die  sich  mit  Hofmannswaldaus  Helden- 
briefen beschäftigt.  Sie  werden  mit  den  Ovidischen  Heroiden  verglichen;  dann  sind 
treffende  Bemerkungen  gemacht,  die  sich  auf  die  Einkleidung  beziehen,  die  Einwirkungen 
der  Metrik  auf  die  Form  des  Ausdrucks,  die  stilistischen  Kunstmittel  Hofinannswaldaus 
besprochen,  und  am  Schlüsse  wird  eine  sehr  hübsche  Auseinandersetzung  über  die  Con- 
cetti  geboten.  J.  ist  auch  der  Erste,  dem  die  Thatsache  aufgefallen  ist,  dass  alle 
28  Heroiden  Hofmannswaldaus  genau  hundert  Verse  zählen,  und  er  bespricht  hier  die 
Wirkung  dieses  Urastandes  auf  die  Komposition  dieser  Gedichte.  — 

Vergleicht  man  die  geistig  so  bewegte  und  erregbare  Individualität  Hofmaims- 
waldaus  mit  der  eines  Zeitgenossen,  den  der  Lokalpatriotismus  der  verdienten  Ver- 
gessenheit entrissen  hat,   des  clevischen  Dichters  J.  Kayser,    so    mutet    uns    der    von 

F.  Schröder '-Ö)  erzählte  Lebenslauf  des  Letzteren  fast  wie  ein  kleinstädtisches  Idyll  an. 
Dort  der  weitgereiste,  welterfahrene  und  hochgestellte  Breslauer  Ratsherr,  an  den  die 
hochgehenden  Wogen  eines  lebhaft  bewegten  geistigen  Lebens  heranstürmen,  hier  das 
friedliche,  in  enger  Umgebung  dahinfliessende  Kleinleben  eines  Pastor  primarius  in 
Cleve.  Von  der  neuen  Weise,  die  draussen  im  Getümmel  der  Welt  gesungen  wird, 
dringen  nur  gedämpfte  Klänge  nach  Cleve  hinüber,  und  während  Hofmannswaldau  seine 
kurzen  lasciven  Stachelverse  schrieb,  müht  sich  der  Vf  des  in  drei  Bändchen  erschieneneu 
„Parnassus  Clevensis"  ab,  seine  hannlosen  „Beischriften"  in  langatmigen,  zu  Abhand- 
lungen sich  erweiternden  Anmerkungen  zu  kommentieren.  Nur  im  Lobe  seiner  Amts- 
stadt klingen  galantere  Wendungen  durch,  auch  von  dem  grossen  Ttirken-  und  Franzosen- 


berger  Dissertation  in  gleichem  Umfang  erschienen.)  —  26)  id.,  Briel'wechsel  zwischen  Hofmannswaldau  u.  HarsdOrffor:  ZYLR. 
NF.  4,  S.  100/3.  —  27)  X  H.  Gruber,  Friedrich  von  Spe.  Z.  300 j.  Qedächtnistage  am  25.  Febr.  1891:  Post  t.  24.  Febr. 
(DUrftige  biographische  Skizze.)  —  28)  M.  Jellinek,  Hofmannswaldaus  Heldenbriefe :  VL6.  4,  8.  1—40.  —  29)  F.  Schröder, 


III  2:  so-36.  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17.  18.  Jahrhunderts.  12 

krieg  kann  man  stark  gemilderte  Reflexe  in  seinen  Dichtungen  finden.  Sein  Witz  er- 
schöpft sicli  in  kühnen  Anagrammen  („Germanikus  —  Nase  im  Krug"),  und  der  in 
Lippstadt  in  der  Mark  geborene  Autor  weiss  schon  prophetisch  Berolinum  als  ,,orbi 
himen"  zu  preisen.  Hochzeits-  und  Leichen carmina  werden  angestimmt  und  Gedichte 
auf  ruhmreiche  Potentaten  und  „remarquable  Begebenheiten"  in  loyaler  Gesinnung  ver- 
fasst.  Am  besten  gelingen  ihm  die  „Carmina  figurata"  nach  der  Art  der  Nürnberger 
Spielwaarendichter,  und  wenn  er  wirklich  einmal  in  sanfte  Leidenschaft  gerät,  so  geschieht 
es  im  Eifer  gegen  die  „Gut  und  Blut  verderbenden  Debauchen",  wie  das  Gesundlieits- 
trinken,  oder  gegen  Kaffee,  Thee  und  Chokolade.  Ueberall  ersichtlich  ist  der  Zug  zu 
bessern  und  zu  belehren,  und  der  etwas  naive  Biograph  meint  mit  Recht:  „An  Inno- 
cence  lassen  seine  Gedichte  nichts  zu  wünschen  übrig."  —  Eine  interessante  Gegenfigur 
zu  dem  stillen  im  engen  Kreise  behaglich  dichtenden  Geistlichen  ist  sein  Berufsgenosse 
Pastor  Daniel  Schönemann  30-3i")^  (jgj.  durch  seine  infolge  nervöser  Kränklichkeit  noch 
gesteigerte  Gabe  des  Improvisierens  aus  ruhigen  Verhältnissen  herausgerissen  und  in 
den  Wirbel  der  grossen  Welt  gestürzt  wurde.  In  der  bekannten  Sammlung  ,,Des  Herrn 
von  Hofmanns wald au  und  anderer  Deutschen  auserlesene  Gedichte"  wird  zwar  etwas 
ironisch  erzählt,  dass  Schönemann,  „dies  Wunderwerk  der  Welt",  noch  zuletzt  die  Gassen 
Berlins  mit  Reimen  pflastern  werde,  aber  Friedrich  der  Grosse  und  die  gelehrten  Kreise 
schätzten  ihn  dennoch.  Allmählich  durch  Erfolg  und  Eitelkeit  auf  Abwege  gebracht, 
ergiebt  sich  Schönemann  dem  Trünke  und  sinkt  von  Stufe  zu  Stufe.  Erst  später  scheint 
der  Verlorene  durch  Anschluss  an  die  Böhmischen  Brüder  und  den  Grafen  Zinzendorf 
die  Ruhe  gefunden  zu  haben,  die  ihm  bis  dahin  gefehlt  hatte.  Seine  weltlichen  Dich- 
tungen sind  im  Gegensatz  zu  den  geistlichen  nicht  gesammelt.  Schönemann  geniesst 
den  zweifelhaften  Ruhm,  das  längste  geistliche  Poem  geschaffen  zu  haben,  ein  Passions- 
lied in  724  Strophen.  —  Eine  gleich  unglückliche  Vereinigung  von  Begabung  und  Leicht- 
sinn, nur  noch  gesteigert,  tritt  in  J.  Chr.  Günther  zu  Tage,  und  ihre  tragische  Wirkung 
hat  wie  schon  öfters  auch  in  diesem  Jahr  einen  dramatischen  Dichter  verlockt,  dies  eigen- 
artige Dichterleben  auf  die  Bühne  zu  bringen.  Zwar  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausge- 
schlossen, dass  ein  bedeutender  Dichter  uns  auf  poetischem  Wege  ein  Charakterbild 
vergegenwärtigt,  das  an  innerer  Wahrheit  einem  durch  biographische  Kunst  hervor- 
gegangenen nicht  nachsteht,  jedenfalls  aber  ist  von  solchem  Ziele  Oekanders^ä)  d.  h.  G. 
Hausmanns  jüngste  Tragödie  in  5  Akten  „Christian  Günthers  Genius  und  Schuld"  weit  ent- 
fernt, die  trotz  allen  Poeten,  die  darin  eine  Rolle  spielen,  und  trotz  den  zugestutzten 
Einlagen  Güntherscher  Verse  ebensowenig  poetisch  wie  biographisch  wahr  ist.  —  Ueber 
Günthers,  auch  in  seinen  äusseren  Schicksalen  ihm  nicht  unähnliclien,  Landsmann 
Sperontes,  dessen  bürgerlichen  Namen,  Joh.  Sigismund  Scholze,  Spitta  ermittelt  hat, 
berichtet  R.  Kade'^3)  und  fasst  alles  bisher  von  Spitta  und  ihm  Gefundene  von  neuem 
zusammen.  Am  Schlüsse  deutet  er  die  Fragen  an,  welche  die  Forschung  bei  Sperontes 
noch  zu  lösen  hat.  —  Ueber  einen  Hamburger  Litteraten  aus  der  ersten  Hälfte  des 
18.  Jh.,  den  unter  Richeys  und  Brockes'  Einfiuss  stehenden  G.  Chr.  Schreiber,  bringt 
von  Waldberg  34)  einige  Nachrichten.  Viel  war  über  sein  Leben  und  Schaffen  nicht  zu 
ermitteln.  Er  ist  nur  durch  seine,  „Proben  der  Niedersächsischen  Poesie"  betitelte, 
Anthologie  bekannt,  die  wieder  nur  dadurch  einiges  Interesse  beansprucht,  dass  in  ihr 
eine  Polemik  Schreibers  gegen  Gottscheds  Bemerkungen  über  gewagte  Wendungen  in 
Brockes'  Dichtungen  enthalten  ist.  Es  gehörte  grosser  Mut  dazu,  gegen  Gottsched  auf- 
zutreten, der  damals  auf  der  Höhe  seines  Einflusses  stand,  fast  ebensoviel  wie  bald 
darauf,  sein  Freund  zu  sein.  —  Chr.  0.  von  Schönaich,  dessen  Lebensbild  uns  Jentsch^ö) 
liefert,  hat  die  Folgen  Gottschedscher  Gunst  erfahren.  Sein  Leben  und  Streben  ist 
trotz  aller  Lächerlichkeit,  in  der  ihn  seine  Zeitgenossen,  Lessing  voran,  sahen,  doch 
von  tragischen  Zügen  nicht  frei.  Seine  dichterische  Thätigkeit  gehörte  einer  Richtung 
an,  deren  Geltung  bei  seinem  Auftreten  bereits  erschüttert  war,  und  der  von  Gottsched 
unter  dem  Gelächter  Deutschlands  zum  Dichter  gekrönte  Vf.  des  ,,Hermaiui"  hat 
als  lebendig  Toter  die  ganze  Entwicklung  der  deutschen  Dichtung  bis  zu  ihrer 
klassischen  Höhe,  Schillers  Tod  und  Kleists  Schaffen  erlebt.  Ein  Jahr  nach  Schönaichs 
Tode  schrieb  Kleist  seine  Hermannsschlacht.     Eine  Welt  liegt  zwischen  beiden!  — 

Bei  der  Charakteristik,  die  H.  Fischer  (s.  o.  N.  13)  von  der  Dichtung  Weckher- 
lins  entwirft,  macht  er  die  zutreffende  Bemerkung,  dass  bis  ins  18.  Jh.  das  Neben- 
einander von  geistlicher  und  weltlicher  Dichtung  allgemein  üblich  war  und  dass  man 
an  Klopstock  und  Schubart  erinnern  müsse,  wenn  man  zeigen  will,  wie  Form  und  Stil 
der  geistlichen  Lyrik  neben  der    weltlichen  Poesie   einhergeht,    ohne    dass    sie    ein- 


E.  clerischer  Dichter  vor  200  Jahren:  AnnHVNiederrli.  61,  S.  1  — 19.  —  30)  Pastor  Daniel  Schönemann,  e.  Herlinor  Improvisator 
d.  18.  Jh.:  NorddAZgS.  N.  39-  (Ausfuhrlicher  als  N.  31.)  —  31)  1.  u.,  Daniel  Schönemann:  ADB.  32,  S.  288/9.  (Höchst  dtirftif;.) 
—  32)  G.  H.  Oekander,  Christian  Günther  oder  Genius  u.  Schuld.  Tragödie  in  5  Aufzügen.  Leipzig,  Elischers  Nachf. 
170  S.  M.  3,00.  -  33)  R.  Kade,  Johann  Sigismund  Scholze  (Sperontes):  ADB.  32,  S.  231/3.  —  34)  M.  v.  Waldherg, 
Georg  Christoph  Schreiber:  ih,  S,  472.  —  35)Jentsch,  Christoph  Otto  Freiherr  vou  Schönaich;  ib.  S.  253/4.  —  36)  J.  Zahn, 


IS  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  ITI  2:  »«-88. 

ander  berühren  oder  beeinflussen.  Vielleicht  deuten  diese  Ausführungen  auch  den  Grund 
an  für  die  merkwürdige  Erscheinung,  dasH  die  Litteraturgescliichte  bisher  mit  einer 
auffallenden  Verblendung  ihr  Augenmerk  fast  nur  auf  die  weltliche  Lyrik  gerichtet  hat 
und  die  Erforschung  der  geistlichen  Lyrik  meist  dilettantischen  oder  von  ausschliesslich 
musikalischen  luid  religiösen  Gesichtspunkten  geleiteten  Forschern  überliess.  Und  doch 
ist,  weini  im  17.  Jh.  irgendwo  Unvergängliches  geleistet  wurde,  es  fast  nur  liier  zu 
suchen,  und  nirgends  haben  sich  die  Dichterindividualitäten  so  frei  und  so  wenig  berührt 
von  Tagesströnunigen  und  Moden  entfaltet  wie  in  der  geistlichen  Lyrik.  So  lange  die 
methodische  Forschung  nicht  schärfer  zusieht,  werden  wir  immer  nur  ein  halbes  und 
schiefes  Bild  von  der  Lyrik  des  17.  Jh.  haben.  Während  die  weltliche  Lyrik  alle  wahre 
Empfindung  und  auch  die  äusseren  Erlebnisse  unterdrückt,  während  sogar  der  „blut- 
leckende Krieg"  kaum  irgend  eine  Beachtung  findet,  sind  in  den  gleichzeitigen  geist- 
lichen Liedern  die  Not  und  der  Jammer  der  Zeit,  alle  Gemütserschütterungen,  bange 
Zweifel  und  felsenfeste  Glaubenszuversicht,  oft  wahrhaft  ergreifend  und  künstlerisch 
dargestellt.  Es  ist  daher  ei-freulich,  dass  sich  in  jüngster  Zeit  die  hymnologische 
Forschung  wieder  ernsthaft  um  diesen  Zweig  der  Litteratur  bemüht,  und  daher  soll 
auch  eine  Arbeit,  der  sonst  alle  litterargeschichtlichen  Zwecke  fern  lagen,  hier  erwähnt 
werden.  Bei  den  engen  Beziehungen,  die  zwischen  der  geschichtlichen  Erforschung  der 
Weise  und  des  Textes  bestehen,  kann  ein  so  monumentales  Werk  wie  das  von  Zahn  3«) 
von  weitgehendem  Nutzen  sein.  Da  die  früheren  Bände  dieses  Werkes  in  den  JBL. 
noch  nicht  erwähnt  wurden,  so  ist  es  vielleicht  nützlich,  einen  Ueberblick  über  die 
Absichten  des  Herausgebers  zu  liefern.  Z.  will  sämtliche  Melodien  der  deutschen 
evangelischen  Kirche  von  1523  an  bis  in  die  neueste  Zeit,  sowohl  die  aus  früheren  Jhh. 
überkommenen  oder  aus  anderen  Kirchen  entlehnten  als  auch  die  neu  entstandenen, 
und  zwar  in  genauer  Wiedergabe  ilu-er  ursprünglichen  Form  bezüglich  ihres  melodischen 
Ganges  und  ihres  Rhythmus  mit  unterlegter  erster  Strophe  des  Liedes  mitteilen,  ferner 
Angaben  über  ihre  frühesten  bis  jetzt  bekannten  gedruckten  oder  geschriebenen  Quellen 
liefern,  die  Namen  der  Erfinder  der  Melodie  nennen,  die  wesentlichsten  Varianten  bei- 
bringen und  endlich  jene  Werke,  durch  welche  die  Melodien  auf  längere  oder  kürzere 
Zeit  bekannt  wurden,  beifügen.  Daran  soll  sich  ein  chronologisches  Verzeichnis  aller 
von  ihm  benutzten  Gesangmelodien  und  Choralbücher  anschliessen ;  auch  werden  die 
Fund-  und  Aufbewahrungsorte  dieser  Sammlungen  angegeben  werden.  Da  ein  litte- 
rarischer Gesichtspunkt  die  Anordnung  der  Melodien  bestimmt,  indem  ihre  Reihenfolge 
nach  dem  Metrum  der  Liedertexte  oder  deren  Verszahl  eingerichtet  ist,  so  ergiebt  sich 
schon  daraus  der  Wert  dieses  Werkes  für  den  Litterarhistoriker.  Der  erste  Band  ent- 
hält die  Melodien  und  die  ersten  Textstrophen  der  zwei-  bis  fünfzeiligen,  der  zweite, 
1890  erschienene.  Band  die  der  sechszeiligen,  der  dritte,  jetzt  herausgegebene,  die  der 
siebenzeiligen  und  jambischen  achtzeiligen  Lieder.  Wer  die  Einflüsse  der  italienischen 
Melodien  auf  die  Entwicklung  der  deutschen  weltlichen  Lyrik  kennt,  der  wird  auch 
keinen  Augenblick  im  Zweifel  sein,  welch  bedeutendes  Hilfsmittel  für  die  Erkenntnis  der 
durch  die  Weise  beeinflussten  evangelischen  Lyrik  in  diesen  drei  Bänden  geboten  wird.  — 
Auf  eine  schon  früher  abgeschlossene  Sammlung  evangehscher  Lieder,  auf  den  bekannten 
„Evangelischen  Liederschatz"  von  Knapp,  macht  eine  warm  gehaltene  Anzeige 3")  auf- 
merksam. Auch  hier  wird  auf  die  Langlebigkeit  der  geistlichen  Volksheder  gegenüber 
den  nun  zumeist  verklungenen  weltlichen  hingewiesen.  —  Als  einen  würdigen  Schluss- 
stein zu  seinem  trefflichen  Werke  „Das  katholische  deutsche  Kirchenlied  in  seinen  Sing- 
weisen" (Bd.  I:  188G,  II:  1883)  bringt  Bäumker  3^)  riun  den  dritten  und  letzten  Band. 
Führte  uns  der  zweite  bis  an  das  Ende  des  17.  Jh.,  so  werden  wir  im  dritten  durch 
das  18.  Jh.  geleitet.  Milde,  vorurteilsfrei,  von  religiöser  Engherzigkeit  unbeirrt  winl 
uns  die  lehiTeiche  und  interessante  Entwicklung  des  katholischen  deutschen  Kirchen- 
liedes vor  Augen  geführt.  Weit  länger  als  im  weltlichen  Liede,  ja  selbst  als  im  evan- 
gelischen Kirchenliede,  dauern  hier  die  Nachwirkungen  des  17.  Jh.  fort.  Noch  die  ganze 
erste  Hälfte  des  nächstfolgenden  Jh.  steht  unter  dem  Einflüsse  der  älteren  Tradition; 
massgebend  ist  wesentlich  Angelus  Silesius  gewesen.  Das  mystisch  subjektive  Andachts- 
lied mit  seiner  „Herzenssüssigkeit",  wie  sie  in  geradezu  erdrückender  Weise  das  pro- 
testantische Kirchenlied  beherrscht,  ist  auch  der  Leitstern  ftir  die  Liederdichtung 
der  Katholiken;  die  „Heilige  Seelenlust"  mit  ihrer  süsslich  tändelnden  Schäferspielerei 
ist  das  magnetisch  wirkende  Vorbild  der  katholischen  Liederdichter  bis  in  die  Mitte  des 
18.  Jh.  Um  diese  Zeit  wird  daini  plötzlich  mit  der  Tradition  gebrochen.  Mit  dem,  unter  dem 
Namen  „Tochter  Sion"  bekannten,  Liederbuche,  das  H.  Lindenbom  in  Köln  1741  heraus- 
gegeben hat,  begann  die  neue  Strömung,  die  sich  in  einer  immer  wachsenden  Abneigung 
gegen     die    bisher    herrschende     subjektive    lyrische    Art     der  Poesie    geltend    machte. 


D.  Melodien  d.  dentschen  evangel.  Kirchenlieder  aus  d.  Quellen  geschöpft  u.  mitget.  4.  Band  (D.  Melodien  Ton  den  acht- 
zeiligen trochaischen  bis  zu  d.  zehuzeiligen  inklus.  enthaltend.)  Gtttersloh,  Bertelsmann.  670  S.  M.  16,00.  —  87)  S.,  D.  evangeL 
Litdersihalz :  AZ(>h-  N.  90    —  38)  W.  1'.  Bumkcr,  P.  katholische  deuUche  Kirchenlied  in  seinen  Singweisen,  3.  (Schluss-)Band. 


ni  2:  39-49.  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./ 18.  Jahrhunderts.  14 

Der  seichte  Rationalismus,  der  auch  die  kerjiige  protestantische  Dichtung  zu  verderben 
suchte,  hatte  sich  mit  grossem  Erfolge  an  die  Zerstörung  der  alten  Sangesweise  gemacht. 
Klarheit  und  Deutlichkeit  ist  die  erste  Anforderung,  die  nun  an  ein  katholisches  Kirchen- 
lied gestellt  wird,  und  nach  Mögliclikeit  wird  Vermeidung  poetischer  oder  erhabener  Aus- 
drücke erstrebt.  In.  dieser  Entwicklung  spiegelt  sich  auch  die  geistige  Bewegung  in 
Deutscliland  paeder,  und  gerade  hier  tritt  deutlich  zu  Tage,  wie  wenig  eine  Gescliichte 
des  deutschen  Geistes  die  Beachtung  der  rehgiösen  Lyrik  entbehren  kann.  Höchst  lehr- 
reich sind  die  von  B.  wiederabgedruckten  Vorreden  zahlreicher  Gesangsbücher.  Aus 
einzelnen  ist  deutlich  der  wachsende  Einfluss  der  Aufklärung  zu  erkennen;  ja  die  Vor- 
rede aus  dem  Gesangbuche  zum  Gebrauche  der  herzoglich  württembergisch  katholischen 
Hof-Kapelle  vom  Jahre  1784  beruft  sich  geradezu  auf  den  „Geist  der  Aufklärung",  der 
tiefer  in  die  katholischen  Provinzen  Deutschlands  eindringe,  und  begründet  damit  und 
mit  dem  Wunsche  des  Herzogs,  die  Sammlung  solcher  Gesänge,  die  das  „praktische 
Christentum  empfehlen  „und  von  allen  Christen  unseres  Vaterlandes  mitgesungen  werden 
sollen".  Ein  charakteristisches  Seitenstück  zu  den  Versuchen,  die  Basedow  mit  seinem 
„Allgemeinen  christlichen  Gesangbuch  für  alle  Kirchen  und  Secten"  und  endlich  in  der 
letzten  Station  der  religiösen  Entwicklung  vom  Universalchristentum  zur  Universal- 
religion in  seiner  Liedersammlung  „Einer  Philadelphischen  Gesellschaft  Gesangbuch  für 
Christen  und  für  philosophische  Christengenossen"  (Germanien  zur  Zeit  Kaiser  Josefs  II, 
1789)  gemacht  hat.  Für  die  Richtung,  die  das  katholische  geistliche  Lied  jener  Zeit 
genommen,  ist  es  auch  bezeichnend,  dass  in  einem  von  Hogen  und  Clemens  herausgegebenen 
katholischen  Gesangbuche  als  Zweck  der  Sammlung  nicht  nur  der  Gebrauch  beim  öifent- 
lichen  Gottesdienst  und  bei  der  Privaterbäuung  angegeben,  sondern  auch  betont  wird, 
dass  es  als  moralisches  Lesebuch  für  Bürger-  und  Landschulen  dienen  könne.  Volks- 
lieder werden  beigegeben,  damit  in  der  Brust  eines  jeden  Jünglings  und  jeder  Jungfrau 
wahre  Ereude  und  Eröhlichkeit  erregt  werde.  Der  Band  des  B. sehen  Werkes,  der  uns 
diesen  Entwicklungsgang  vor  Augen  führt,  enthält  im  ersten  allgemeinen  Teile  eine 
Reihe  lehrreicher  Bemerkungen  über  das  katholische  Kirchenlied  des  18.  Jh.  und  über 
dessen  Stellung  zur  Litteratur  des  Zeitraumes,  bibliographische  Notizen  über  die  wich- 
tigsten Gesangbücher,  und  einen  Abdruck  der  bedeutsamsten  Vorreden  der  Liedersamm- 
lungen sowie  einiger  darauf  bezüglicher  Aktenstücke.  Im  besonderen  Teil  endlich  werden 
uns  251  Lieder  (Melodie  und  erste  Textstrophe  mit  speziellen  Nachweisen)  mehrfache 
Register  und  Nachträge  zu  allen  drei  Bänden  geboten.  —  Sonst  ist,  abgesehen  von 
Steiffs^s)  kurzem  Nachtrag  zu  einer  früheren  Mitteilung  in  der  Germania,  in  welchem 
er  Anark  Herrn  zu  Wildenfels  als  Vf.  des  Liedes  „0  Herre  Gott,  dein  göttlich  Wort" 
bezeichnet,  und  einem  Bericht  über  einen  Vortrag,  den  Pastor  Becker  in  Kiel  über 
Georg  Neumark^O)  und  sein  Lied  „Wer  nur  den  lieben  Gott  lässt  walten"  gehalten  hat, 
wenig  Bemerkenswertes  erschienen.  41-44)  — 

Um  so  reicher  sind  die  Beiträge  biographischen  Charakters,  welche  die 
ADB.  bietet.  Eine  lange  Reihe  geistlicher  Liederdichter  wird  uns,  meist  in  knapper 
Skizzierung  ihres  Lebens  und  Schaffens,  vor  Augen  geführt.  Das  eigenartige  Verhältnis, 
in  dem  diese  Dichter  zum  geniessenden  Publikum  stehen,  und  der  Umstand,  dass  den 
gelungenen  Leistungen  der  geistlichen  Lyrik  durch  den  konservativen  Zug  des  kirch- 
lichen Lebens  eine  längere  Lebensdauer  beschieden  ist  als  weltlichen  Dichtungen,  liaben 
zur  Folge,  dass  auch  Namen  von  Autoren,  die  nur  Weniges,  oft  nur  ein  einziges  Lied 
gedichtet  haben,  der  Beachtung  wert  erscheinen.  Balthasar  Schnurr  z.  B.,  den 
von  Waldberg  4S)  behandelt,  gehört  in  die  Geschichte  des  Kirchenliedes  fast  nur  dvircll 
Ein  Lied,  das  ihm  übrigens,  wenn  auch  ohne  Begründung,  abgesprochen  wurde;  von 
dem  fanatischen  Separatisten  Johann  Jakob  Schütz,  dessen  Biographie  kurz  von  D  e  c  h  e  n  t  *^) 
erzählt  wird,  ist  gleichfalls  nur  Ein  Lied,  „Sei  Lob  und  Ehr  dem  höchsten  Gott",  bekannt, 
und  von  den  drei  Liedern,  die  unter  J.  G.  Schuberths  Namens  im  Budissinschen  Ge- 
sangbuch erhalten  sind,  wird  ihm  von  seinen  Biographen 4'^)  eines  abgesprochen  und 
Rüdiger  zugewiesen.  G.  L.  Semler  4^)  ist  gleichfalls  nur  wegen  Eines  Kirchenliedes  bekannt, 
und  auch  die  in  jungen  Jahren  gestorbene  Juliane  Patientia  von  SchvJt*^),  die  gelehrte 
Poetin  und  Gehülfin  Franckes  in  Halle,  hat  ihre  Stellung  in  der  Geschichte  des  evan- 
gelischen Kirchenhedes  nur  einigen  kleinen  Liedern  zu  danken.  —  Da  dieser  Ruhm  oft 
an  so  winzige  Leistungen  gebunden  ist,   so  ist  auch  besonders  grosse  Vorsicht  bei  der 


Mit  Nachtrr.  zu  d.  2  ersten  Banden.  Freiburg.  Herder.  XII,  360  S.  M.  8,00.  —  39)  K.  Steiff ,  Nachtrag  zu  d.  „Mitteilungen 
aus  d.  kOnigl.  üniversitaisbibl.  Tübingen"  im  2:i.  Jabrg.  S.  481  ff.:  Germania  30.  S.  316/8.  —  40)  E.  F.  W.,  Georg  Neumark  u. 
sein  Lied:  „Wer  nur  den  lieben  Gott  Ittsst  walten":  KielZg.  N.  14,098.  —  41)  XX  K.  Heine,  Z.  Gesch.  d.  Dorfes  Erdeborn: 
MansfeldBll.  5,  S.  1-05.  (Mitteilungen  über  M.  Rinkart.)  —  42)  XX  D.  Dibelius,  D.  Salzburgor  Emigranten  iu  Sachsen: 
BSttchsKG.  6,  S.  129-38.  (S.  136  Über  Lyrik.)  —  43)  XX  R-  (Kade?).  David  Schirmer  aus  Papondorf:  MFreibergerAY.  27, 
S.  54.  —  44)  X  Blanckmei  ster,  Christiane  Eberhardine,  d.  letzte  evangel.  KurfUrstin  v.  Sachsen  u.  d.  konfessionellen 
KUmpfe  ihrer  Tage:  BSttchsKG.  6,  S.  1-84.  (Geht  u.  a.  S.  53  f.  auf  geistliche  Lyrik  (1697)  u.  S.  47  auf  Gottsched  (1727)  ein.) 
—  46)  M.  V.  Waldberg,  Balthasar  Schnurr:  ADB.  32,  S.  196.  —  46)  Doeheut,  Johann  Jakob  Schütz:  ib.  33,  S.  129—32.  — 
47)    1.  u.,    Johann   Georg   Schubert:    ib.    32,    S.  638.    —    48)  id.,  Gerhard  Levin  Semler:  ib.  33,  S.  689.     —     49)  id.,  Juliane 


15  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhundert«.  III  2:  60-6I. 

Ermittlung  der  Autoren  anonymer  Gesangsbuchlieder  geboten.  Chr.  Schumann  hat 
mau  durch  falsche  Deutung  der  Anfangsbuchstaben  die  Autorschaft  seines  besten  Liedes, 
„Dem  Herrn  der  mich  regieret",  abgenommen  und  es  Cyriacus  Schneegass  zugewiesen; 
dieser  Irrtum  wird  jetzt  von  Schumanns  Biographen*^)  berichtigt.  — 

In  ausführlicher  Würdigung  wird  uns  Leben  und  Dichten  Benjamin  Schmolcks 
von  D,  Erdmann-''^)  vorgeführt.  Eine  feine  psychologische  Analyse  des  Dichters  erhebt 
diese  Skizze  weit  über  die  bisherigen  biographischen  Darstellungen.  Die  tiefe  Innerlich- 
keit in  Schmolcks  Empfinden,  die  in  seinen  ergreifenden  Liedern  zum  Ausdruck  gelangt, 
stellt  ihn  über  Rist,  zu  dem  ihn  die  zu  solchen  litterarischen  Vergleichen  geneigten  Zeit- 
genossen durch  die  Bezeichnung  „der  schlesische  Rist"  in  Beziehung  brachten.  E.  weist, 
soweit  es  der  knapp  bemessene  Raum  gestattet,  nach,  dass  Schmolcks  Dichtungen  im 
Gegensatze  zur  gleichzeitigen  weltlichen  L)rrik  durchaus  erlebt  sind  und  dass  seine 
Lieder  einen  Niederschlag  seines  mit  gläubiger,  lebendiger  Theologie  ausgestatteten 
Empfindens  bilden.  Schmolcks  tief  bewegtes  inneres  Leben,  die  geistigen  Anfechtungen, 
mit  denen  er  ringt,  geben  ihm  etwas  vom  Charakter  eines  Märtyrers,  und  die  ihm  eigen- 
tümliche Freudigkeit  im  Schmerze,  wie  sie  sich  in  seinen  Dichtungen  zeigt,  ist  wohl 
darauf  zurückzuführen.  Schmolck  hat  1188  Lieder  gedichtet,  die  ihm  zwar  „aus  eilender 
Feder  geflossen"  sind,  dennoch  aber  gefälligen  Wohlklang  und  Rhythmus  zeigen.  E.  hebt 
die  Vorzüge  und  Mängel  in  Schmolcks  Schaffen  deutlich  hervor  und  grenzt  seine 
Stellung  zum  Pietismus  genau  ab,  mit  dem  Schmolck  die  Betonung  des  persönlichen 
Verhältnisses  zu  Gott  gemeinsam  hat.  Für  die  Geschichte  der  pietistischen  Richtung 
in  der  Litteratur,  die  trotz  Tholuk  und  Ritschi  noch  zu  schreiben  ist,  sind  derartige 
Hinweise  auf  Vorläufer  und  Quellen  dieser  eigenartigen  geistigen  Bewegung  von  grossem 
Wert,  und  deshalb  wäre  es  auch  erwünscht  gewesen,  wenn  Bäumker^^^  in  seiner  Bio- 
graphie des  Laurentius  von  Schnüffis,  der  merkwürdigerweise  trotz  Weller  auch  in  der 
zweiten  Auflage  des  Goedekeschen  Grundrisses  nicht  genannt  wird,  sich  nicht  nur  auf 
die  Mitteilung  biographischer  Daten  beschränkt,  sondern  auch  darauf  hingewiesen  hätte, 
dass  Schnüffis  verwandte  pietistische  Elemente  zeigt.  Es  ist  zweifellos,  dass  sich  über- 
haupt litterarische  Beziehungen  zwischen  den  katholischen  Poeten  und  der  pietistischen 
Liederdichtung  feststellen  lassen  könnten.  Schon  in  der  „Oosterlichen  Triumphposaune" 
des  von  Lessing  in  seiner  Finderfreude  so  überschätzten  Andreas  Scultetus  finden  sich 
Spuren  inniger  Beziehungen  zu  Gott  und  Christus;  in  seiner  Biographie^^)  aber  wird  das 
gleichfalls  nicht  bemerkt.  — 

Dagegen  hat  von  Waldberg^*)  in  seiner  biographischen  Darstellung  des 
Schottelius  auf  diese  Frage  geachtet  und  dabei  betont,  dass  Schottelius  in  seinen 
geistlichen  Gedichten  zwar  oft  nach  Art  der  weltlichen  Renaissancelyrik  mythologische 
Elemente  mit  christlichen  vermische,  andrerseits  aber  dem  fast  blasphemisch  vertrauten 
Tone  der  späteren  Pietisten  sich  stark  nähere.  In  seinen  geistlichen  Werken  werden  oft 
Dantesche  Stoffe  in  einem  erbärmlichen  Gemisch  von  marinistisch-schwülstiger  Sprache 
und  süsslicher,  spielender  Empfindung  behandelt,  und  abgesehen  von  den  etwas  nüchternen 
Proben  in  seiner  .,Verskinist"  sind  aUe  geistlichen  Dichtungen  Schotteis  schon  erfüllt 
von  jener  Innigkeit  und  gesteigerten  Subjektivität,  die  sich  in  der  kirchlichen  Poesie 
beim  Uebergang  aus  dem  davidischen  Psalmenton  in  den  Ton  des  salomonischen  Hohen 
Liedes  zeigt  und  bereits  eine  Vorstufe  der  pietistischen  Dichtung  bedeutet.  Was  sonst 
in  dieser  Skizze  über  Schottelius,  „diesen  Jakob  Grimm  des  17.  Jh.",  gesagt  wird,  gehört 
zur  Geschichte  der  deutschen  Philologie  und  Poetik.  —  Andere  Biographien,  wie  die  von 
E.  L.  Semperö'^),  ferner  die  von  Bolte^)  gelieferte  des  Chrysostomus  Schnitze  oder  die 
Arbeit  A.  Schumanns^'')  über  J.  G.  Seebach,  bieten,  der  geringen  Bedeutung  der 
behandelten  Persönlichkeiten  entsprechend,  wenig  Bemerkenswertes,  ebenso  die  Lebens- 
beschreibung G.  Schöbers^*^),  eines  gelehrten  Kaufmanns,  der  nur  wegen  seiner,  nach 
Materien  geordneten,  1735  und  öfter  ersclüenenen  Liedersammlung  „Geistlicher  Lieder- 
segen" hier  genannt  werden  soll.  —  In  den  Lebensbeschreibungen  anderer  Dichter  wie  z.  B. 
des  Chr.  Schütz  von  Bertheau^ö),  des  J.  G.  Schupart  von  Bess^O)  und  des  J.  H.  Schröder**) 
interessiert  nvu"  die  Parteinahme  der  Helden  in  dem  alle  Gemüter  bewegenden  Kampfe 
zwischen  Pietisten  und  Orthodoxen.  Der  Letzterwähnte,  der  in  der  zweiten  Hälfte  des 
17.  Jh.  wirkte,  irrtümlich  auch  Schröter  genannt,  ist  im  Sinne  der  Pietisten  kein  unbe- 
gabter Dichter.  Eines  seiner  Lieder,  „Jesu  hilf  siegen",  w\irde  von  der  Wittenberger 
Fakultät  wegen  der  erkeinibaren  Neigung  zum  Cliiliasmus  verworfen.  Schupart  hingegen 
wird,  weil  er  den  chilialistischen    Schwärmereien    Petersens    in    Giessen    nicht  folgt,  in 


Patientia  t.  Schult:  ib  32,  S.  703 ,'4.  —  50)  id.,  Cliristian  SchumaDn :  ib.  33,  8.  39.  —  51)  D.  ErdmaDn,  Benjamin  Schmolck: 
ib.  32,  S.  53/8.  —  52)  W.  BSunker,  Laurentius  vonSchnUffis:  ib.  S.  194/5.—  53)Hkgf.  (Markgraf?),  Andreas  Scultetus : 
ib.  33,  S.  496/7.  —  54)  M.  v.  Waldberg,  Justus  Georg  Schottelius:  ib.  32,  S.  407-12.  —  55)  1.  u.,  Ernst  Leberecht  Semler: 
ib.  33,  S.  706.  —  56)  J.  Bolte,  Chrysostomus  Schultzo:  ib.  32,  S.  733.  —  57)  A.  Schumann,  Johann  Georg  Seebach:  ib. 
.1:1,  S.  556/7.  —  58)  1.  u.,  David  Gottfried  Schöber:  ib.  32,  S.  208.  —  59)  Bertheau,  Christoph  Schütz:  ib.  33,  S.  n5;6.  — 
60)  B.  Bess,  Jobann  Gottfried  Schupart:  ib.  S.  65'7.  —  61)  1.  n.,  Johann  Heinrich  Schröder:  ib.  32,  S.  518  9.  —  62)  BrBmmer, 


m  2:  62-70.  M.  Frhr.  v.  Waldberg,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  16 

Gegensatz  zu  der  ihm  sonst  ziisagenden  Geistesrichtung  gebracht.  Aber  diese 
Opposition  bedeutete,  wie  Bess  richtig  bemerkt,  das  Ende  der  Herrschaft  des  Pietismus 
an  der  Universität  Giessen;  Schupart  selbst  sei  der  erste  offene  Zeuge  für  den  Nieder- 
gang der  ganzen  Bewegung.  Der  Separatist  Schütz,  der  bis  in  die  Mitte  des  18.  Jh. 
hineinragt,  sucht  zwar  noch  den  Chiliasmus  zu  rechtfertigen,  aber  sein  grosses  Sammel- 
werk mystischer  und  separatistischer  Lieder  „Würtz  Kräuter  und  Blumengarten  oder 
Universalgesangbuch"  (Homburg  1728 — 40,  drei  Teile)  bildet  nur  noch  den  Epilog  der 
pietistischen  Strömung.  —  Aber  auch  die  Gegenrichtung,  die  Orthodoxie,  ist  in  der 
Forschung  des  Berichtsjahres  nur  durch  unbedeutende  Liederdichter  vertreten.  Von 
J.  Chr.  Schwedler  weiss  der  Biograph  Brumm  er  *52)  nichts  anderes  zu  berichten,  als  dass 
er,  der  Zögling  Weises,  ein  fruchtbarer  Dichter  gewesen  sei  und  dass  von  den  806 
Liedern  einer  von  Schwedler  veranstalteten  Sammlung  462  von  ihm  gedichtet  worden 
sind.  —  Ein  anderer  Schüler  Weises,  J.  M.  Schumann'^ä^^  bewegt  sich  ganz  in  den 
Bahnen,  die  Neumeister  und  Löscher  ausgetreten  haben;  T.  H.  Schubart^^)  igt  nüchtern 
und  farblos,  was  vielleicht  Gottsched  bewogen  haben  mag,  in  das  Universalgesangbuch 
28  seiner  Lieder  aufzunehmen;  J.  H.  Schramm  endlich,  der  bis  in  die  Mitte  des  18.  Jh. 
lebte,  vertrat,  wie  Cunoß^)  ausführt,  die  gemässigt  reformierte  Orthodoxie,  die  in  wissen- 
schaftlicher Beziehung  coccejanisch,  in  praktischer  pietistisch  gefärbt  war.  — 

Bei  der  Bedeutung,  die  die  Sangbarkeit  der  Lieder  für  Form  und  Inhalt  der 
Lyrik  der  Zeit,  sei  sie  weltlich  oder  geistlich,  besass,  bei  der  Wichtigkeit,  welche  oft 
die  Kenntnis  der  Melodie  oder  des  Komponisten  für  die  Bestimmung  der  Autor- 
schaft eines  Gedichtes  hat,  ist  es  für  den  Litterarhistoriker  von  Wert,  auch  über  die 
Komponisten  unterrichtet  zu  sein,  wenigstens  soweit  sie  in  unmittelbarer  Beziehung 
zur  Dichtung  stehen.  Ueber  einige  teilt  uns  R.  Eitner^ß-^o)  biographische  Nachrichten 
mit,  so  über  Th.  Seile,  den  Hamburger  Stadtkantor  und  Musikdirektor,  den  Johann  Rist 
zur  musikalischen  Mitarbeit  herangezogen  hat.  Wie  E,  angiebt,  stammen  110  Melodien 
der  „Sabathischen  Seelenlust"  und  der  „Neuen  musikalischen  Textandachten"  von  Seile 
her.  Auch  Johann  Schop,  der  „kundige  Instrumentalist",  hat  für  Ristsche  Lieder  die 
Weisen  geschaffen,  unter  anderen  auch  für  dessen  berühmte  Kirchengesänge  „Ermuntre 
dich  mein  schwacher  Geist"  und  „0  Ewigkeit  du  Donnerwort".  Schop  hat  auch  einige 
Lieder  Zesens  komponiert.  Ein  dritter  Tonsetzer,  den  E.  behandelt,  Johann  Sebastiani, 
hat  die  Melodien  zu  den  Texten  von  Gertrud  Möller  und  zu  einem  Rölingschen  Buss- 
liede  geliefert;  in  der  von  dem  gleichen  Vf.  stammenden  Biographie  von  Johann 
Schultz  endlich  interessiert  nur  die  Warnung,  ihn  nicht  mit  dem  Komponisten  Jakob 
Praetorius  zu  verwechseln,  der  in  Rists  „Himmlischen  Liedern"  mit  den  Buchstaben 
J.  S.  bezeichnet  wird.  — 

Den  würdigsten  Abschluss  des  33.  Bandes  der  ADB.,  der  diese  Musiker- 
biographien bietet,  bildet  die  Lebensbeschreibung  des  gi'ossen  deutschen  Meisters 
H.  Schütz  von  Ph.  Spitta™).  Der  Komponist  von  Opitzens  „Daphne",  deren  Partitur 
leider  verloren  gegangen  ist,  hat  sich  auch  selbst  dichterisch  in  deutscher  und  lateinischer 
Sprache  versucht  und  seine  Poesien  mit  eigenen  Weisen  versehen.  Aber  seine  Bedeutung 
für  die  Litteratur  ist  nicht  hier  zu  suchen,  sondern  in  dem  Einflüsse,  den  er  als  mäclitige 
künstlerische  Individualität  auf  die  Gestaltung  der  Texte  übte,  bei  den  Psalmen  gerade 
nicht  im  günstigen  Sinne,  und  darin,  dass  er  die  Wirkung  der  Texte  erhöht  durch  das 
musikalische  Aufgehen  in  die  Vorstellungen  und  Anschauungen,  die  ihm  die  Poesie  bot. 
Lehrreich  sind  auch  S.s  Mitteilungen  über  Schütz'  Bestreben,  die  Bemühungen  seines 
Schwagers  Caspar  Ziegler  um  die  Einführung  des  Madrigals  in  Deutschland  zu  unter- 
stützen. Es  ist  ein  wahrer  Genuss,  auch  in  den  Teilen  der  Biographie,  die  litterar- 
historischen  Zwecken  nicht  dienen,  der  trefflichen  Fülu-ung  S.s  zu  folgen  und  zu 
beobachten,  wie  die  Gestalt  des  Meisters  zu  immer  klarerer,  fast  greifbarer  Lebendigkeit 
emporwächst.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  diese  musterhafte  biograpliische  Leistung 
auch  auf  die  Litterarhistoriker  vorbildlich  wirken  möchte.   — 


Johann  Christoph  Sehwedler:  ib.  33,  S.  326/7.  —  63)  1.  u.,  Johann  Michael  Schumann:  ib.  S.  40/1.  —  64)  id.,  Toblas  Heinrich 
Schubart:  ib.  32,  S.  602.  —  65)  Cuno,  Johann  Heinrich  Schramm:  ib.  S.  442/4.  —  66)  R.  Eitner,  Thomas  Solle:  ib.  3.% 
S.  684/5.  -  67)  id.,  Johann  Schop:  ib.  .•(2,  S.  329-30.  -  68)  id.,  Johann  Sebastiani:  ib.  33,  S.  50.5/6.  —  69)  id.,  Jolianii 
Schultz:  ib.  32,  S.  716.  —  70)  Spitta,  Heinrich  Schütz:  ib.  33,  S.  753-79.  — 


I 


17  J.  Elias,  Epos  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  3:  i-4. 

III,:t 
Epos. 

Julius  Elias. 

Otto  UryphiuB  N.  1.  —  Griinmel«b«uaon  N.  3.  —  ChrisUan  Reat«r  N.  4.  —  FauRt  N.  5.  —  Robinson  N.  6 

Kaum  mehr  als  der  Name  einesEpikers  kommt  Otto  Gryphius  zu,  einem  schwäch- 
lichen Neulateiner,  dessen  „Wirtembergias",  ein  recht  seltenes,  nicht  einmal  von  Goedeke 
(vgl.  Grundriss  2,  S.  111/2)  verzeichnetes  Buch  Sixt  ')  sehr  vorsichtig  analysiert.  Es  ist 
ein  vergilischer  Centn,  den  der  Regensburger  Rektor  zum  Preise  des  schwäbischen 
Fürstenhauses  IfiOJ)  zusammenschlug,  wie  er  sechszehn  Jahre  früher  mit  denselben 
Fertigkeiten  dos  Philologengedächtnisses  das  Leben  Jesu  dargestellt  hatte.  Von  Eberhard 
im  Barte  beginnt  die  Geschichtsklitterung,  und  beim  Herzog  Johann  Friedrich,  der  am 
5.  November  IGOU  sich  mit  Barbara  Sophia  von  Br.andenberg  verheiratete,  endigt  sie  in 
das  verstiegene,  mythologisierende  Hochzeitsgedicht  der  Zeit.  Durch  die  breite  Schil- 
derung schlingen  sich  allerlei  geographische,  kulturhistorische,  heraldische  Exkurse.  Das 
Gi'undmotiv:  die  Empfehlung  der  eigenen  kleinen  Persönlichkeit,  Die  gelehrten 
Schrullen  des  gewöhnlichen  Renaissancepoetasters  fehlen  nicht:  das  Geschlecht  der 
Württemberger  wird  geraden  Weges  auf  Aeneas  zurückgeführt,  die  Römer  sind  nach 
Vergil  troischer  Abstammung,  und  die  Herren  von  Teck  (Teccii)  leiten  ihren  Namen 
von  den  Decii  her.  Tübingen,  das  grosse  Männer  auswirft,  vergleicht  Gryphius  mit  dem 
trojanischen  Pferde.  Immerhin  gewährt  es  einigen  Reiz,  zu  sehen,  wie  er  z.  B.  aus  den 
Werken  des  alten  Römers  die  Beschreibimg  eines  modernen  Feuerwerkes  zwanglos  her- 
vorholt. Gryphius  ist  ein  geborener  Rheinländer;  mit  dem  schlesischen  Dichter  ver- 
bindet ihn  nichts.  — 

Während  den  Simplicius-Roman  des  Grimmeishausen,  offenbar  nach  Bober- 
tags  Ausgabe,  Klee-)  für  pädagogische  Zwecke  zurüstet,  eine  litterarhistorische  Ein- 
leitung auf  Grund  der  Arbeiten  Scherers,  Erich  Schmidts,  Hettners  gewandt  dazu 
schreibt  xmd  in  zweckdienlichen  Noten  sich  über  sprachliche  Dinge,  Realien,  litterarische 
und  politische  Verhältnisse  jener  Epoche  äussert,  fängt  Amersbach^)  an,  die  Haupt- 
sclirifteu  des  ausgezeichneten  Prosaisten  auf  das  kulturgeschichtlich  wichtige  Element 
des  Aberglaubens  durchzusehen.  Der  Versuch,  in  Grimmeishausen  eine  Quelle  der 
volkstümlichen  Lügendichtung  offenzulegen,  war  schon  Tittmann  (1874)  als  lohnend 
erschienen.  Was  A.  bietet,  ist  eine  gründliche  Zusammenstellung  und  Gruppierung. 
Dem  Forscher,  der  die  Ergebnisse  in  den  grossen  Zusammenhang  der  vergleichenden 
Sagenkunde  rückt,  bleibt  allerdings  noch  genug  zu  thun.  Wohl  wird  in  grossen  Zügen 
die  gelehrte  Litteratur  angedeutet,  aus  der  Grimmeishausen  einen  beträchtlichen  Teil 
seiner  Kenntnisse  holte;  doch  nur  des  Theophrastus  Paracelsus  „De  Nymphis,  Sylphis, 
Pygmaeis  et  Salamandris  etc."  und  H.  Kornemanns  ,,  De  monte  Veneris"  werden  be- 
sonders angezogen,  und  zwar  an  der  Stelle,  wo  über  die  Geister  des  Mummelsees  ge- 
handelt wird.  Der  Dichter  erscheint  als  Samiider  und  Systematiker:  eine  ganze  Reiiie 
von  Motiven  hat  er  selbst  der  mündlichen  Ueberlieferung  entnommen  und  nachweislich 
zum  ersten  Male  aufgezeichnet,  und  doppelt  ist  hier  wiederum  die  Art  seiner  Mitteilung: 
einerseits  schichtet  er  Sagenmagazine  auf,  andererseits  benutzt  er  Sagengruppen  rein 
technisch  als  Kompositionsmittel  für  seine  Romane.  Das  persönliche  Verhältnis  des 
Darstellers  zu  den  dargestellten  Dingen  giebt  sich  so:  Grimmeishausen  bekämpft  den 
Aberglauben,  aber  nicht  als  überzeugter  Rationalist,  nicht  weil  er  die  infolge  des 
entsetzlichen  Kriegselendes  weit  verbreitete  und  tief  eingewurzelte  Plage  durchschaut 
und  verachtet,  sondern  im  Gegenteil,  von  gewissen  übertriebenen  Ammenmärchen 
abgesehen,  weil  er  durchdrungen  ist  vom  Dasein  überirdischer  gefährlicher  Mächte. 
Er  bekämpft  nicht  die  Mächte  selbst,  vor  denen  ihn  schaudert,  er  bekämpft  die  armen 
verblendeten  Menschen,  die,  Gott  und  der  Sittlichkeit  vergessend,  sich  ihnen  ergeben, 
um  in  den  Besitz  der  Zauberkraft  zu  gelangen.  Aus  i'rommen  und  etlüschen  Gründen 
also  bringt  er  als  Pädagog  und  Didaktiker  alles,  was  er  über  den  Aberglauben  gefunden 
hat,  in  ein  bestimmtes  System  der  Verwarnung.  Der  gereifte  Simplicius  ist  des  Verkehrs 
mit  Dämonen  kundig  und  weiss  die  Mittel,  sich  vor  ihnen  zu  schützen.  A.s  Unter- 
suchung, die    in    diesem    Sinne  auch    einen  biographischen    Wert  beansprucht,    ist   bis 

I)  G.  Sixt,  D.  Wirtembergias  d.  Otto  Grjphius:  LBSW.  S.  138—44.  -  2)  D.  abenteuerliche  Simplicissimus  d.  Hans 
Jacob  Cliristoifel  v.  Grimmelshaugcn.  Im  Auszuge  her.  r.  G.  Klee.  (=  Velbagen  u.  Klasings  Samml.  Deutscher  Schulaus- 
gaben. 43.  Lief.)  Bielefeld  u.  Leipzig,  Velhagen  &  Klasing.  XII,  132  S.  M.  u,60  —  3)  K.  Amersbach,  Aberglaube,  Sage 
u.  Märchen  bei  Qrimiuelshausen.  I.  Progr.  d.  Grossh.  Gjmn.  Baden  -  Baden,  E.  Kölblin,  t.  Hagensche  Hof-  Buchdr.  40. 
32  S.  —  4)  E.  Ge  hm  lieh,  Christian  Reuter,  d.  Dichter  d.  Schelmuffsky.  E.  Lebensbild  aus  d.  17.  Jh.  Leipzig,  R.  Richter. 
IT,  59  S.  M.  1,20.  {[L.  Lier:  BLU.  S.  296(6;  t.  Waldberg:  DLZ.  12,  S.  1002;  E.  Zarnoke:  LCBL  S.  507/8.)| 
Jahresberichte  fltr  neuere  deutsche  Litteratorgeschiohte  n  t**  2 


ITI  3:  6.  J.  Elias,  Epos  des  17./18.  Jahrhunderts.  18 

jetzt  zu  den  drei  Kapiteln  „Teufel",  „Geister  und  gespenstige  Wesen",  „Zauberer  und 
Hexen"  gediehen.  — 

Christian  Reuter  hat  in  Gehmlich  *)  einen  volksmässigen  Biographen  und 
sehr  freundlichen  Anwalt  gefunden,  der  das  Material  Zarnckes  und  Ellingers  gründlich 
benutzt,  dabei  allerdings  über  einen  wichtigen  Nachtrag  sorglos  hinwegfährt.  Zarncke 
hatte  nämlich  (Berichte  d.  kgl.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.,  1888,  H.  83/4)  als  den  Autor 
des  Bettelgedichtes  an  den  Kurfürsten  Eriedricli  August  den  Grafen  Ehrenfried  von 
Lüttichau,  das  Urbild  des  ßeuterschen  Lustspieles,  genannt  i;nd  dieses  Ergebnis  als  ein 
biographisches  Motiv  von  Bedeutung  betrachtet,  später  aber  (Berichte,  1889,  S.  32/5)  auf 
Grund  eines  sicheren  Dokuments  die  Mitteilung  widerrufen  und  den  Dichter  in  dem 
unglücklichen  Poeten  Augustus  von  Lüttichau  vermutet.  G.  nun  lässt  (S.  46/7)  die 
Klageepistel  als  eine  charakteristische  Aeusserung  des  Grafen  ruhig  weiter  gelten. 
G.  will  nichts  Neues  bieten;  er  möchte  in  weiteren  Kreisen  seinen  Helden  zu  einem 
Ansehen  bringen,  wie  es  etwa  der  kongeniale  Christian  Günther  geniesst.  Das  Büchlein 
bildet  auch  eine  Art  von  analytischer  Erklärung  der  ßeuterschen  Neudrucke,  die  nicht 
jedem  zugänglich  sind.  Die  ausführliche  Inhaltsangabe  des  ,,Schellmuifsky"  lässt  den 
wesentlichen  Gehalt  dieses  ausgezeichneten  Sittenromanes  klar  und  anschaulich  hervor- 
treten. Urteil  und  Charakteristik  freilich  sind  schwach,  da  sie  fast  nichts  als  die  An- 
sichten der  Vorgänger  bieten.  — 

Die  Charakteristik  ist  das  Stärkste  und  Anziehendste  in  dem  Beitrage,  den 
Szamatölski  ^)  zur  Geschichte  des  epischen  Eaust  veröffentlicht.  Das  letzte  Ergebnis 
der  Prosa-Ueberlieferung  war  im  Eaustbüchlein  des  „Christlich  Meynenden"  enthalten, 
einer  matten  Contamination  des  Pfitzer,  über  den  ein  unfreiindlicher  Verstandesmensch 
gekommen  war.  Dieser  poesiearme,  charakterlose  Auszug  ward  in  zahlreichen  Editionen 
auf  die  Jahrmärkte  geworfen  und  fand  dort  schnellen  Absatz.  Die  litterarisch  und 
dichterisch  wertlose  Ware  nun  würde  in  der  Geschichte  xniseres  Schrifttums  zu  besonderer 
Bedeutung  gelangen,  wenn  sich  ein  unerschütterliches  Zeugnis  dafür  beibringen  liesse, 
dass  sie  auf  Goethes  Faustkonzeption  eingewirkt  habe.  Diese  Frage  ist  keineswegs 
sicher  zu  beantworten.  S.s  Einleitung  enthält  im  wesentlichen  ein  sehr  redliches  und 
überaus  gewandt  geschriebenes  Urteil  über  den  nüchternen  Aufldärer  und  eine  durch 
philologische  Schärfe  und  Klarheit  ausgezeichnete  Betrachtung  der  Ausgaben.  Es  ge- 
lang S.,  einen  Druck  vom  Jahre  1725  aufzudecken,  während  bisher  als  das  Jahr  der 
ersten  Veröffentlichung  1728  angesehen  wurde.  Es  steht  so  gut  wie  fest,  dass  man  es 
hier  mit  dem  frühesten  Drucke  zu  thun  hat,  denn  die  Ausgaben  nach  1725  laufen  sämt- 
lich auf  ihn  zurück.  Von  diesen  Ausgaben  wurden  S.  neun  bekannt;  sie  lassen  sich 
in  zwei  bestimmte  Familien  scheiden,  von  denen  die  eine  sich  unmittelbar  vom  Muster 
ableitet,  die  andere  zwei,  durch  den  „Christlich  Meynenden"  vielleicht  selbst  eingefügte, 
Zusätze  aus  dem  Volksbuch  vom  Famulus  Wagner  (nevi  aufgelegt  1712)  umfasst.  Diese 
Gruppe  beginnt  bereits  mit  1726,  jene  erst  mit  1727.  Bedeutender  war  die  thätsächliche 
Ausbeute,  die  S.  auf  dem  Nebengebiete  der  Faustikonographie  erzielt  hat.  Er  stellt 
nach  „Pierre  Yver,  Supplement  au  catalogue  raisonne  de  M.'  M.  Gersaint,  Helle  et  Glomy, 
Amsterdam  1756"  (S.  123)  das  Originalblatt  der  als  Rembrandts  Faustkopf  gehenden 
Kopien  fest.  Nicht  Rembrandt  nun  ist  der  Schöpfer  dieser  Vorlage,  sondern  sein  Schüler, 
Joris  van  Vliet,  der  nach  des  Meisters  Angaben  gearbeitet  hat.  Auch  erhebt  S.s  feine 
Betrachtung  die  Annahme  zur  Gewissheit,  dass  nicht  Rembrandt-van  Vliet,  sondern  die 
späteren  Kunstverleger  nach  den  Bedürfnissen  des  Tages  den  Stich  auf  den  Namen  Faust 
getauft  haben.  Das  Stück  gehört  demgemäss  wohl  in  eine  Sammlung  von  Studienköpfen 
nach  der  Natur,  die  ein  seelisches  Interesse  boten  und  daneben  auch  dem  Künstler  als 
dankbare  Objekte  für  Beobachtungen  des  gebrochenen  Lichtes  erschienen  sein  mögen. 
Das  Königliche  Kupferstichkabinet  zu  Berlin  gewährte  S.  einen  Abdruck  des  um  1630 
entstandenen  Orighiales,  das  zunächst  dem  Fauststich  des  F.  L.  D.  Ciartres  (Franz  Lang- 
lois)  zum  Muster  diente.  Das  Blatt  des  Ciartres  benutzte  liinwiederum  der  Illustrator 
des  „Christlich  Meynenden".  Avis  dem  slumpfen,  vergi-ämten  Greis  des  Originales  ent- 
wickelt sich  ein  überlegener  Pfiffikus  und  hieraus  ein  empfindungsloser,  zufriedener  Weit- 
ling. Noch  eine  zweite  Gruppe  von  Faustblätteni  stammt  von  Ciartres  ab:  der  Stich 
in  Haubers  „Bibliotheca  Magica"  (1739),  der  vor  dem  Funde  S.s  für  das  älteste  Bild- 
ins  galt.  Hauber  seinerseits  rief  zwei  neue,  untereinander  im  Ausdruck  der  Stirn  und 
der  Augen  geschiedene  Blätter  hervor.  Sie  sind  beigegeben:  der  Müller- Arnimschen 
Uebersetzung  von  Marlowes  Faust  (1818)  und  dem  Abdruck  des  „Christlich  Meynen- 
den" in  Scheible's  „Kloster"   (1847).     An  Hauber    lehnt    sich  mittelbar  das    indifferente 

5)  D.  FaustLuch  d.  Christlich  Meynenden.  Nach  d.  Druck  v.  1725  her.  v.  S.  S  zamatölski.  Mit  3  FaustporlrUts  nach  Kembrandt. 
(DLD.  N.  39.)  Stuttgart,  Güselieii.  XXVI,  30  S.  M.  1,C0.  |[LCB1.  1SÖ2,  S.  1663;  E.  Jeep:  DLZ.  1892,  S.  1139-40;  K.  Biltz: 
ASNS.  1892,  S.  86/7;  0.  F.  Walzel:  ZOG.  1892,  S.  531/3;  M.  Koch:  LUlGRPh.  1892,  S.  191/2 ;  S.  Szamatölski,  Erklllruiig 
gegen  Koch:  ib.  S.  325/6;  Jl'.GPh.  1892,  S.  275,  G.  Elliuger:  NatZg.  1892,  N.  7;  K.  Engel:  ZVLR.  1892,  S.  139—40;  MLN. 
1892,    April;    AKunstChr.    N.    26;     ta.    (Erich    Schmidt):    DRs.  1893;   Nedprlnnd    Spcct.    S.   372;    BLF.     1892,    .«.  134] 


19  J.  Elias,  Epos  des  17./IB.  Jahrhiinderte.  III  3:  e-ii. 

Bild  ans  dem  Volksschausiiiol,  das  Engel  1H7!>  herausgegeben  hat.  Abseits  dieser 
zweifellos  feststehenden  l)(iKC«iidonz  bringt  der  Ikonogranh  noch  aus  der  letzten,  ohne 
Jahreszahl  erschienenen  Ausgaben-Gruppe  des  „Christlich-Meynenden"  ein  den  älteren 
Motiven  entfremdetes  Porträt  hei,  dessen  Urheber  unbekannt  geblieben  ist:  Faust  als 
betagter  Gelehrter,  in  wallendem  Haar  und  mit  spitzem  Barte.  Im  wesentlichen  also 
charakterisiert  sich  die  Entwicklung  der  Bilder  dadurch,  dass  eine  Wendung  von  der 
Natiu'  zur  Karikatur,  von  der  naiven  Anschauung  zu  einer  lehrhaften  Stilistik  entsteht. 
Von  Rcmbr.andt-van  Vliets  menschlicher  Höhe  gleitet  der  Porträtist  herab,  um  in  be- 
wusstor  und  abschreckender  Entstellung  zu  enden.  Zu  einer  Geschichte  der  Faust- 
bildnisse hat  S.  den   (Irund  gelegt.  — 

Die  Entfaltiuig  der  Robinson -Li  tteratur  nach  der  pädagogischen  Seite  beleuchtet 
H.  F.  Wagner").  Der  Wert  des  Aufsatzes  beruht  freilich  mehr  in  der  rein  historischen 
Feststellung  dessen,  was  erstrebt  worden  ist,  als  im  Urteil.  In  diesem  einschränkenden 
Sinne  wird  der  Stoff  durchaus  erschöpft.  Die  Arbeit  leitet  mit  einem  Ausblick  auf 
J.  Vernets  und  J.  J.  Rousseaus  bestimmende  Anregungen,  von  der  ältesten  Fassung 
l'iir  die  deutsche  Jugend,  die  im  philanthropistischen  „Leipziger  Wochenblatt  fCir  Kinder" 
den  Alexander  Selkirk  des  Defoe  als  neuen  Helden  empfing,  hinab  bis  zu  unseren  aller- 
jtingsten  Robinsonaden  und  übergeht  kein  Land,  wo  deutsch  geschrieben  wird.  So  bietet 
sie  eine  wegweisende  Vorstudie  für  eine  umfangreiche  Darstellung  des  Gegenstandes.  — 
Johann  Gottfried  Schnabel,  der  begabteste  und  am  meisten  gelesene  unter  den  Nach- 
dichtern des  Robinson,  hat  in  Erich  Schmidt ')  einen  trefflichen  Richter  erhalten,  der 
die  in  die  „Insel  Felsenburg"  einfliessenden  litterarischen  Elemente  scharf  bestimmt  und 
des  Romanes  eigene  Nachwirkungen  anziehend  kennzeichnet.  S.  sieht  zwei  ganz 
ungleichwertige  Hälften,  und  stellt  unter  den  vier  Teilen,  litterarisch  wie  künstlerisch, 
den  ersten  und  dritten  Teil  immer  über  den  folgenden.  In  der  vielfach  gemischten, 
das  Edelste  wie  das  Niedrigste  berührenden  Komposition  werden  die  Grundzüge  der 
Utopie  und  des  Staatsromanes  mit  besonderem  Interesse  aufgewiesen  und  charakterisiert. 
Der  reichbegabten  Erscheinung  Schnabels  felilen  „Einheitlichkeit"  und  Halt:  das  Talent 
verirrt  sich  von  der  Dichtung  in  Lohnschreiberei  und  Pornographie.  —  Ziu*  Lebensge- 
schichte des  Mannes  vermag  Kleemann  ^)  einzelne  neue  Nachrichten  beizusteuern,  die  auf 
archivalischen  Nachforschungen  beruhen.  Aus  dem  Kirchenbuche  der  Gemeinde  Sanders- 
dorf bei  Bitterfeld  stellte  er  den  Geburtsort  und  auch  den  Geburtstag,  7.  Nov. 
1792,  sicher  fest.  Der  Vater,  Pfan-er  Johann  George  Schnabel,  hat  mit  eigener  Hand 
die  Personalien  eingetragen.  Die  Mutter  hiess  Hedwig  Sophie  und  war  eine  geborene 
Hammer.  Am  10.  des  Monates  wurde  das  Kind  getauft.  Die  Eltern  starben  zwei  Jalire 
nach  Johann  Gottfrieds  Geburt.  K.  ist  geneigt,  die  Knabenjahre  nach  der  Lebensge- 
schichte des  Chirurgus  Kramer  in  der  Insel  Felsenburg  (Bd.  II)  darzustellen.  Die  Kämj>fe 
des  Prinzen  Eugen  in  den  Niederlanden  machte  Schnabel  als  Feldscheer  mit.  Als  „Hot- 
balbier"  und  Chirurgus  steht  er  im  Bürgereid-  und  Kirchenbuche  von  Stolberg.  Am 
4.  August  1724  ward  er  dort  zum  Büi'gereide  zugelassen;  1725,  1727,  1729  luid  1731 
werden  ihm  Kinder  geboren.  Ein  Sohn,  Johann  Heimich  (geb.  12.  Juni  1725)  scheint 
später  in  Stolberg  Küster  gewesen  zu  sein.  K.  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  Schnabels 
letzter  Aufenthaltsort  Helmstedt  gewesen  sei,  keineswegs  aber  Halberstadt,  wie  Strauch 
und  Erich  Schmidt  annehmen.  Dann  giebt  K.  einen  trefflich  unterrichtenden  Ueber- 
blick  über  das  geschickt  redigierte  Blättchen  des  Stoiberger  Litteraten,  die  „Sammlung 
Neuer  und  Merckwürdiger  Weltgeschichte",  auf  die  sich  u.  a.  die  Stoffe  einzelner  Romane 
zxirückführen  lassen,  wie  der  „lesen^würdigen  Geschichte  des  tapferen  Prinzen  Cilindo" 
(1735),  „des  im  Irrgarten  der  Liebe  hintaumelnden  Cavaliers"  (1738),  „des  aus  dem 
Mond  gefallenen  und  nachhero  zur  Sonne  des  Glücks  gestiegenen  Printzen"  (1750). 
Nach  K.s  Ansicht  werden  sich  bei  einem  tieferen  Eindringen  in  die  Lebensgeschichto 
Schnabels  und  in  die  Verhältnisse  der  Landgebiete,  wo  er  lebte,  mancherlei  Beziehmigen 
zwischen  der  W^irklicldceit  und  dem  Hauptwerke,  der  „Insel  Felsenburg",  aiifliellcn 
lassen.  Die  Identität  des  „Chirurgus"  mit  dem  Verfasser  ist  berührt  wonlen;  Magister 
Schmelzer  deckt  sich  vermutlich  mit  dem  Stoiberger  Superintendenten  Wiedemann:  für 
Peter  Morgenthals  Dasein  bieten  die  Kirchenbücher  von  Zörbig  und  Radegast  Zeugnisse; 
die  Oertlicldceit  der  Heimkehle  bei  Uftrungeli  lässt  Vergleiche  mit  gewissen  Natur- 
schilderungen des  Romanes  zu.     K.  beabsichtigt,  seine  Studien  fortzusetzen,  ^-i')  — 


—  6)  H.  F.  Wagnor,  Robinson  in  d.  deutschen  Jugendlitt.:  ZSalzburgLV.  N.  5 — 0.  —  7)  Erich  Schmidt, 
J.  G.  Schnabel:  AüB.  32,  S.  76'9.  —  8)  S.  Kleemann,  J.  G.  Schnabel,  d.  Vf.  d.  , Insel  Felsenburg*:  MagdebZgn.  S.  362  ö.  - 
9)  X  Edw.  Schröder,  Mitt.  über  e.  jüdisch-deutsches  Wigaloisepos  aus  d.  17.  Jh.:  HHanauBVHessO.  XXXI.  (E.  gewisser 
Josel  V.  WitzenhauBen,  d.  im  2.  Jahrzehnt  d.  17.  Jh.  lebte,  hat  d.  Wigalois  unter  d.  Titel  ,Wieduwilt"  in  jtldisch-deutschc 
Verse  gebracht.)  —  10)  X  W.  Qolther,  Volksbuch  t.  d.  Haymonskindem  ed.  F.  Pfaff:  ZVLB.  4,  S.  137,9.  —  II)  X  H.  Kör- 
ting, Gesch.  d.  firanz.  Bomans  im  17.  Jh.  2.  Ausg.,  2  Bd«.  XXIY,  601  S.  n.  XIV,  285  S.  M.  10,00.  (Titelanflage  d.  Buche«,  d 
1885j7  erschienen  ist)  — 

2* 


III  4:  1-12.  W.  Creizenach,  Drama  des  17. /18.  Jahrhunderts.  20 


111,4 

Drama. 

Wilhelm  Creizenacli. 

Allgeraeines  N.  1.  —  Dramatiker  der  Ueliergangszeit  N.  3.  —  Das  Drama  an  den  deutsclieu  FUrslenliOfen  N.  9.  — 
Dramatiselio  Dichtung  von  Schulmännern  und  Jesuiten  N.  13.  —  WandertTiippen  N.  10.  —  Theatergeschiehto  einzelner  SlUdte 
(Hamhurg,  Berlin)  N.  18.  —  Volkssehauspiel :  Allgemeines  N.  27  ;  Dokt;.r  Fausst  N.  30 ;  Don  Juan  N.  32 ;  Braut  der  Hölle  N.  35. 
—  Oberammergauer  Passionsspiel  N.  36.  — 

Von  Arbeiten  allgemeiner  Art  ist  aus  dem  Berichtsjahr  nur  wenig  zu  melden. 
Die  Studie  W.  Ulrichs i)  über  das  deutsche  Drama  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jh. 
ist  eine  populäre  Zusammenstellung  bekannter  Thatsachen.  —  Den  dramatischen  Sammel- 
band der  Kopenhagener  Universitätsbibliothek,  der  schon  JBL.  1890  III  4 :  23  erwähnt 
wm-de,  hat  Paludan2)  inzwischen  ausführlich  besprochen.  Der  Band  enthält  18  Stücke: 
1 — 2)  Opitzens  „Trojanerinnen";  3)  den  „Schwärmenden  Schäfer"  nach  Thomas  Corneille 
von  Grryphius  und  zwar,  wie  J.  Bolte  schon  früher  (ASNS.  82,  S.  128)  nachgewiesen  hatte, 
in  der  bisher  unbekannten  ersten  Ausgabe;  4)  Hallmanns  „Sopliie";  5)  Thomaes  „Titus 
und  Tomyris":  P.  bespricht  bei  dieser  Gelegenheit  auch  das  Puppenspiel  „Titus 
Andronicus",  das  1719  in  Kopenhagen  aufgeführt  wurde;  6 — 9)  Komödien  Filidors: 
P.  hat  bei  seinen  Erörterungen  über  den  Vf.  die  Programmabhandlung  Rudolphis  iiber 
Kaspar  Stieler  (Erfurt  1872)  unberücksichtigt  gelassen;  10)  das  Singspiel  „der  Hoffmann 
Daniel"  (1GG3);  11)  das  JBL.  1890  a.  a.  O.  erwähnte  „Ereudenspiel  von  des  Ulysses 
Wiederkimft" ;  12)  „Die  wiedererirungene  Freiheit"  (ir)79);  13)  „Der  betrogene  Betrug" 
von  Pilidor;  14)  „Das  Eriedejauchzende  Eiu'opa"  (1G79),  eine  von  den  Litterarhistorikern 
bisher  noch  nicht  angeführte  Nachahmung  des  bekannten  Ristschen  Dramas;  15)  „Mon- 
archia  optima  republicae  forma"  (1679);  IG)  die  JBL.  1890  a.  a.  0.  erwähnte  Wochen- 
komödie; 17)  „Die  steigende  und  fallende  Athenais"  von  dem  gräflich  Rudol städtischen 
Informator  Magister  Michael  Hörnlein:  bisher  unbekannt;  18)  Gryphius'  „Papinianus" 
o.  0.  u.  J. :  mit  interessanten  Abweichungen  von  dem  ursprünglichen  Text.  — 

Einige  Dramatiker  der  Uebergangszeit  zwischen  den  11,4  und  111,4  behandel- 
ten Epochen  hat  Bolte3-5)  gewürdigt:  Schwanberger,  Vf.  einer  gereimten  Komödie  „Der 
Engel  Raphael  wider  Asmodeum  den  Eheteuffel",  die  an  ältere  Tobiasdramen  anknüpft; 
Scholvin,  der  eine  lateinische  Tragikomödie  „Aetliiopissa"  dichtete,  und  Schwalbach,  in 
dessen  Tragödie  „Antipater"  sich  der  Einfluss  des  Strassburger  akademischen  Theatars 
zeigt.  —  Reifferscheid  6)  bespricht  den  gekrönten  Poeten  Johannes  Seger,  aus  dessen 
Weil m ach tsdrama  bereits  Gottsched  im  „Nöthigen  Vorrath"  eine  Probe  mitgeteilt  hat.  — 
Ein  merkwüi'diges  Dokument  zur  Geschichte  der  italienischen  Litteratiir  in  Deutschland 
ist  der  „Aminta",  den  der  Stettiner  Arzt  Andreas  Hiltebrand  nach  Tassos  Original 
lateinisch  bearbeitet  hat  (gedruckt  Frankfurt  a.  0.  161G).  Holstein'^)  macht  einige 
kurze  Mitteilungen  über  diesen  Druck  und  den  Uebersetzer,  der  eine  Zeit  lang  in  Padua 
studierte.     Ein  paar  Proben  seiner  Arbeit  wären  selir  willkommen  gewesen.  8)  — 

Ferner  erschienen  einige  kleinere  Beiträge  zur  Geschichte  des  Dramas  an  den 
deutschen  Fürstenhöfen,  an  welchen  das  Theaterwesen  durch  die  Wanderzügo  der 
englischen  Komödianten  9)  einen  neuen  Aufschwung' nahm.  Hohn  st  ein  ^O)  entwirft  eine 
novellistische  Schilderung  von  einer  Aufführung  des  „Vincentius  Ladislaus"  am  Hofe 
des  Herzogs  Heiin-ich  Julius  von  Braunschweig.  —  Behandelt  wurden  ferner  die  dra- 
matischen Versuche  zweier  Marburger  Gelehrten,  die  ohne  Zweifel  durch  die  drama- 
turgischen Liebhabereien  ihres  Landesherrn,  des  Landgrafen  Moriz  von  Hessen-Cassel 
mit  angeregt  witrden.  Edw.  Schröder^i)  bespricht  die  deutsche  „Comoedia  de  Latino 
et  Hadriana",  die  der  Jurist  P.  E.  Schröter  IGIG  in  Marburg  aufführen  Hess.  S.s  An- 
gaben beruhen  auf  der  Hs.,  die  der  Dichtei-  dem  Landgrafen  Otto,  dem  ältesten  Sohne 
seines  Landesherrn  widmete  luid  die  sich  jetzt  in  der  Casseler  Bibliothek  befindet. 
Schröters  Vorbild  war  die  Tragödie  „La  Adriana"  des  Italieners  Luigi  Groto,  die  ihrer- 


I)  W.  Ulrich,  Ueher  d.  Zustand  d.  dramatischen  Poesie  Deutschlands  in  d.  zweiten  Hülfte  d.  17.  Jh.  Leipzig, 
Friedrich.  44  S.  M.  1,00.  i[L.  Li  er:  BLU.  S.  295.]  |  —  2)  J.  Paludan,  Aeltere  dtsch.  Dramen  in  Kopenhagener  Biblio- 
theken: ZDPh.  23,  S.  226-40.  —  3)  J.  Bolto,  O.  Schwanberger:  ADB.  33,  S.  183.  —  4)  id.,  .T.  Scholvin:  ib.  32,  S.  226.  - 
5)  id.,  J.  G.  Schwiilbach:  ib.  33,  S.  175/6.  —  6)  AI.  Re  i  f  ferscho  id  ,  Joh.  Seger:  ib.  S.  59214.  —  7)  H.  Holstein,  Zu 
Tassos  Aminta:  VL(;.  4,  S.  508— 12.  —  8)OXXEdw.  Schröder,  [Mitteilung  tiber  Cramers  sächsischen  Prinzenraub]: 
MHanauBVHssG.  S.  XXXIV.  —  9)  X  M.  M.  A.  Schröer,  Uober  Titus  Andronicus.  Z.  Kritik  d.  neuesten  Shakspereforschung. 
Marburg,  Elwert.  VI,  140  S.  M.  3,20.  (Enthalt  auch  einige  gelegentliche  Bemerkungen  über  d.  deutschen  „Titus  Andronicus".) 
—  10)  0.  Hohn  stein,  Braunschweig  in  d.  Zeit  vor  d.  30j.  Kriege.  Braunschweig,  Appelhans  &  Pfenuingsdorl".  VII,  253  S. 
M.  3,00.  —  II)  Edw.  Schröder,   Peter   Elias   Schröter:  ADB.  32,  S.  573/4.  —  12)   Th.  Odinga,   Hennann  Kirchners   Corio- 


21  W.  Croizonach,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderte.  III  4:  I3-I8, 

seits  auf  Baudellos  Novelle  von  Romeo  und  Julie  beruht.  Doch  hat  er  die  italienische 
IVa^ödio  ^rob  uin^ostaltct:  die  Liobondon  nehm«in  anstatt  des  Giftes  einen  Schhiftrunk; 
nachdem  sie  erwacht  sind,  worden  sie  ein  ^ICicklichos  Paar.  Wie  8.  bemerkt,  ist  die 
Wahl  des  Stoffes  charaktoristisdi  f(ir  das  Interesse  an  der  italienischen  Litteratur  (vgl. 
o.  N.  7),  das  damals  in  den  Hesson-Casselschen  Hof  kreisen  herrschte.  —  Odinga'2)  gjebt 
eine  Analyse  dos  lateinischen  Dramas  „Coriolanus",  das  der  Marburpcor  Professor  Her- 
mann Kirchner  KilO  veröffentlichte;  sie  beruht  auf  einem  Kxomplar  der  Züricher  Stadt- 
bibliothok.  Die  Beurteilung,  die  0.  beifügt,  ist  sehr  allgemein  gehalten,  eine  genauere 
Vergleichung  mit  Sliakosj)eare  und  eingehendere  Mitteilungen  über  die  Form  wären  sehr 
erwünscht  gewesen.  Merkwürdig  ist  es,  dass  Kirclujor  die  bekannte  Geschichte  von  der 
römischen  Weiberrovolution  als  Episode  in  sein  Drama  verwoben  hat.  — 

Der  Einfiuss  der  englischen  Komödianten  auf  die  dramatische  Dichtung 
der  Schulmänner  zeigt  sich  in  den  Stücken  des  Schlesiers  (Jhrj'sostomus  Schnitze, 
der  a.s  Professor  am  Elisabethaninn  in  Breslau  der  Lehrer  von  Scultetus  und  Schefflcr 
war.  Seine  „Esther",  die  sich  hs.  in  Breslau  befindet,  hat  Bolte**')  untei*sucht  und 
nachgewiesen,  dass  sie  auf  dem  gleichnamigen  Drama  in  den  „englischen  Comödien*' 
horulit.  Ein  anderes,  ebenfalls  hs.  erlialtenes  Drama  Schnitzes  behandelt  Kriegsscenen 
im  Stile  Rists.  —  In  Schwenters  Biogi-aphie  von  Cantor'^)  wird  hauptsächlich  seine 
Wirksamkeit  als  Mathematiker  besprochen,  das  Verhältnis  des  „Peter  Scpienz"  zu  der 
ungedruckton  Komödie  „von  Seredin  und  Violandra*'  (vgl.  DNL.  23,  S.  XXXIX)  bleibt 
inierörtert.  —  Ueber  das  poetische  Ehepaar  Martin  und  Sibylla  Schuster  berichtet 
Holsteini^*)  mit  Benutzung  neuen  archivalischen  Materials;  von  Schusters  Oper 
„Lavinia"  hat  inzwischen  auch  Sittard  (vgl.  JBL.  1890  III  4:20)  einen  Auszug  nebst 
Proben  mitgeteilt.  —  L.  Frank el^")  behandelt  mit  gebührender  Ausführlichkeit  die 
Dramen  des  Danzigei's  Salomon  Seemann,  der  bisher  nicht  die  verdiente  Beachtung  ge- 
funden hat.  Sein  „Turnus"  (gedruckt  1729)  ist  das  erste  deutsche  Stück  in  fünffüssigen 
Jamben.  Ausserdem  vei'fasste  er  noch  zwei  satirische  Stücke  und  ein  Singspiel 
..Orpheus''.  —  Reichhaltige  Mitteihnigen  zur  Geschichte  des  Jesuitendramas  sind  in  einer 
Monographie  von  Z  ei  dl  er  i«^*)  enthalten,  der  fünf  Dramen  des  Jesuiten  Joseph  Simon 
(darunter  einen  „Leo  Armenius")  anah-siert  imd  sich  ausserdem  „über  Typus,  Grundlage 
inid  W^eltanschauung  des  Ordensdramas"  in  einer  ausfühi'lichen  Abhandlung  verbreitet.  — 
Bahlmann'^'')  berichtet  über  Jesuitendramen  in  Aachen,  wo  die  Patres  schon  lf)02, 
also  ein  Jahr  nachdem  sie  den  öffentlichen  Unterricht  übernommen  hatten,  theatralische 
AutführuTigen  veranstalteten.  Von  einem  Drama  ,,Trebellius,  rex  Bulgarorum",  das 
1(544:  zur  Darstellung  kam,  wird  das  deutsche  Argumentum  mitgeteilt.'^«*)  — 

Einen  interessanten  Beitrag  zur  Geschichte  der  W^andertruppen  gegen  Ende  des 
17.  Jh.  liefert  Dessoffi^).  Er  untersuclit  in  erster  Linie,  inwieweit  die  Repertoirstücke 
dieser  Tiuppen  auf  spanische  Dramen  ziu-ückgehen,  wobei  jedoch  in  den  meisten  Fällen 
französische,  italienische  oder  niederländische  Bearbeitungen  als  Mittelglieder  anzunehmen 
sind.  So  stellt  D.  z.  B.  fest,  dass  das  von  C.  Heine  analysierte  Stück  „Aurora  luid  Stella" 
mit  Quinaults  Bearbeitung  von  Calderons  „Lances  de  amor  y  fortuna"  iibereinstimmt. 
Auch  für  mehrere  Stücke  im  Re[)ertoir  des  wandernden  Schauspielers  Drey  und  in  dem 
von  Meissner  veröffentlichten  Weimarer  Verzeichnis  weist  er  spanisclie  Vorbilder  nach. 
Er  gewinnt  einen  Anhaltspunkt  für  die  Datierung  dieses  Verzeichnissos,  indem  er  dar- 
thnt,  dass  das  Drama  „Alexanders  Glücks-  und  Unglücksprobe"  sich  auf  den  Sturz 
Mentschikoffs  (1727)  bezieht.  —  Paludani")  hat  einen  Autsatz  veröffentlicht,  der  sich 
auf  die  Geschiclite  der  deutschen  Schauspielkunst  in  Schweden  bezieht.  P.  untereucht  die 
Frage,  ob  der  Magister  Velthen  mit  seiner  TVup])e  in  Stockholm  aufgetreten  ist,  und 
kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  er  jedenfalls  nicht  Führer  der  deutschen  Schauspieler  ge- 
wesen sein  kann,  die  1090  inul  1(591  nach  Schweden  kamen.  Aus.serdem  bespricht  P. 
den  Aufenthalt  von  Velthens  Wittwe  in  Kopeidiagen  1707  luid  die  unverbürgten  Nach- 
richten über  die  Schicksale  ihrer  Truppe  in  Schweden.  — 

Noch  sind  ein  paar  kleine  Beiträge  zur  Theatergeschichte  einzelner 
Städte  zu  verzeichnen.  O.  Rüdiger  i*^)  berichtet  über  einen  Quacksalber,  der  um  1(550 
in  Hamburg  sein  W'escn  trieb.  In  den  Einnahmequellen  des  Waiseidiauses,  dem 
er  eine  Abgabe  entrichten  musste,  wird  er  als  ..Comödion-Doctor''  bezeichnet;  er  hat 
also  wohl  auch  possenhafte  Scenen  aufgeführt,   um  die  Menge  anzulocken.     Das  Treiben 


lanus:  VL(t.  4,  S.  560—78.  —  13)  J.  Holto,  Chrysoistomus  Sclmlt/.o:  API'..  3J,  S,  7;i:».  —  M)  M.  Ciiiitor,  Uaniol  Scliwontor: 
ib.  83,  S.  4l3f4.  —  14a)  U.  Holstoin,  Martin  Schuslfr.  Sil.jlla  Soliuster:  il>.  S.  104  7.  -  15)  L.  Krankol,  Salomon  Se»>- 
raann:  il>.  S.  584  0.  —  15a)  J.  Zoiillor,  .Sliulion  n.  üeitrSgc  /-.  riosdi.  tl.  .Ipsuitcnkomiidic  ii.  d.  Klo:-tordnnna.'<.  (r=  Tlioati-r- 
gesch.  Korsohungoii.  llor.  v.  B.Li  t /man  n.  4.)  llamburn  n.  Lolpziir.  VotiS.  12'J  S.  M.  2,80.  —  15b)  P.  Itahlinann. 
Aachener  Jesuitendramen  d.  17.  Jh.:  ZAacheuGV.  IH,  S.  175-80.  -  I5c)  (I  ö:  224,226).  —  16)  A.  Pcssoff.  Uober 
spanischo,  italionisi-Ue  u.  französische  Dramen  in  d.  Spielvor/.oichnisson  dtsch.  Wandertruppen:  ZVI.R.  NF.  4,  S.  1—14.  — 
17)  J.  Paludan,  Har  mag.  Johann  Voltens  sVadespelortrupp  upptrHdt  i  Stockholm?:  Samlaren  11  (1800),  S.  76-83.  (Im 
Anschluss    au    e.    Arbeit    Silverstolpos    Über    deutsche    Schauspieler    in    Schweden    ib.    1889.)    —    18)    0.     KlIdiKcr.    !>. 


III  4:  19-30.  W.  Creizenach,  Drama  des  17. '18.  Jahrhunderts.  22 

dieser  Quacksalber  erläutert  R.  durch  eine  Stelle  aus  Schupps  Schriften  (Ausgabe 
V.  1677,  S.  851).  —  Beiträge  zur  Geschichte  der  Hamburger  Oper  bringen  Eitneri^) 
in  seiner  Biograpliie  des  Komponisten  Schürmann  und  Beneke^^*)  in  seiner  Biographie 
des  Ratsherrn  Gerhard  Schott.  —  Lieboldt^O)  teilt  mit,  dass  das  Modell  zum  Salo- 
monischen Tempel  (vgl.  JBL.  1890  III  4 :  21),  welches  Gerhard  Schott  anfertigen  Hess, 
sich  jetzt  im  Museum  des  sächsischen  Altertumsvereins  zu  Dresden  befindet.  22-23-j  — 
Für  die  Berliner  Theatergeschichte  im  Zeitalter  Friedrich  Wilhelms  I.  ist  ein  Theater- 
zettel24)  von  Interesse,  der  mit  der  damals  üblichen  Weitläufigkeit  eine  „lustige  Haupt- 
Aktion  betitelt :  der  verliebte  Franzos  in  Sachsen"  ankündigt.  Die  lustige  Haviptperson 
ist  Hanswiu'st,  „eines  Sauschneiders  Sohn  aus  Salzburg",  also  der  richtige  Wienerische 
Hanswurst.  Auch  wird  auf  dem  Zettel  bemerkt,  dass  das  Stück  „mit  neu  verstärkten 
Wienerischen  Acteurs"  gegeben  werde;  damit  wird  von  neuem  die  bekannte  Thatsache 
bestätigt,  dass  zur  Zeit  Friedrich  Wilhelms  I.  österreichische  Schauspieler  nach  Berlin 
berufen  wurden.     „Componirt"   ist  das  Stück  von   Andreas  Weidner. ^^-26»)  — 

Zur  Kenntnis  des  Volksschauspiels  im  allgemeinen  hat  Schlossar^^) 
einen  sehr  dankenswerten  Beitrag  geliefert.  Die  von  ihm  veröifentlichten  Spiele  stammen 
zum  grössten  Teile  aus  Steiermark.  Der  erste  Band  enthält:  1)  ein  Paradiesspiel:  hier 
ist  die  Gescliichte  des  Sündenfalls  verbunden  mit  dem  Streit,  den  die  beiden  allegorischen 
Gestalten  Gerechtigkeit  und  Barmherzigkeit  vor  dem  Thron  Gottes  führen,  ein  Motiv, 
das  bekanntlich  in  den  Mysterien  des  Mittelalters  häufig  vorkommt;  2)  ein  Schäfer- 
spiel, das  mit  Anklängen  an  die  Manier  des  Jesuitentheaters  ein  gleichfalls  aus  dem 
Mittelalter  stammendes  Motiv  behandelt:  Jesus  und  die  menscUiche  Seele  als  ein  Liebes- 
paar; 3)  ein  Krippelspiel ;  4)  Geburt  Christi;  5)  Leiden  Christi;  6)  ein  Nikolausspiel, 
eigentlich  kein  Drama,  sondern  bloss  Verse  zu  einem  Umzug  am  Nikolausabend;  7)  Ge- 
novefa.  Der  zweite  Band  enthält:  1)  Judith  und  Holofernes:  die  Scenen  am  Hofe  des 
Königs  Nabucodonosor  sind  Prachtstücke  im  Stil  der  Haupt-  und  Staatsaktionen,  dazwischen 
erscheint  Hanswurst  als  Briefträger;  2)  Hirlanda:  ebenso  wie  Genovefa  eine  imschuldig 
leidende  Frau,  wie  sie  das  Volksschauspiel  so  gerne  vorführt;  3)  St.  Barbara:  auch 
hier  ist  der  Vergleich  mit  den  mittelalterlichen  Dramatisierungen  derselben  Legende  von 
Interesse.  Hanswurst  erscheint  als  Diener  des  Königs  Dioscorus  und  wird  in  ein  paar 
lustigen  Scenen  von  den  Freiern  der  Königstochter  Barbara  umschmeichelt;  4)  Susanna: 
darin  eine  rülirende  Scene  zwischen  Susanna  und  ihrem  Kind  nach  der  Verurteilung; 
5)  Der  bayrische  Hiesel:  wie  S.  nachweist,  nahe  verwandt  mit  dem  von  Kralik  und 
Winter  herausgegebenen  Puppenspiel;  6)  Der  gefoppte  Geizhals:  hier  ist  ein  gangbares 
Motiv  der  römischen  Komödie  verwertet;  der  junge  Leobinus  im  Verein  mit  seinem 
Diener  Hanswurst  betrügt  seinen  geizigen  Vater  um  fünfhundert  Dukaten,  um  damit 
eine  Türkensklavin  loszuJf aufen ;  7)  ein  Nachspiel:  bäuerliche  Brautwerbungsscene  mit 
Anklängen  an  Reuters  Singspiel  „Harlekins  Hochzeit".  Angehängt  ist  noch  ein  Spiel 
vom  Leiden  Christi  aus  dem  Gurkthal  in  Kärnthen.  So  mannigfach  wie  die  Motive 
sind  auch  die  Stilarten:  neben  Knüttelversen  in  der  Art  des  16.  Jh.  finden  sich  Alexan- 
driner, wie  man  sie  in  der  Zopfzeit  in  österreichischen  Landen  baute.  Die  Anmerkungen 
des  Herausgebers  beziehen  sich  hauptsächlich  auf  die  Herkunft  der  Texte  und  auf  die 
Dialektausdrücke;  den  litterarischen  Einflüssen  ist  er  nicht  nachgegangen.  —  Kollmann  2^), 
gleichfalls  ein  eifriger  und  erfolgreicher  Sammler,  hat  von  einer  geplanten  grösseren 
Textpublikation  das  erste  Heft  veröffentlicht,  das  ein  Spiel  von  Judith  und  Holofernes 
entiiält.  Die  Einleitung  verrät,  dass  der  Herausgeber  in  jahrelangem  Verkehr  mit  den 
falu-enden  Leuten  viel  beobachtet  und  sich  eine  genaue  Kenntnis  des  Puppentheaters 
erworben  hat.  Doch  hätte  er  seine  Bemerkungnn  kürzer  und  präciser  fassen  sollen. 
Litterarische  Untersuchungen  über  die  Quellen  kann  man  von  ihm  als  einem  Nicht- 
fachmann  unmöglich  verlangen;  es  wäre  daher  am  geratensten,  wenn  er  sich  auf  Mit- 
teilung des  Selbstbeobachteten  und  Selbstgesammelten  beschränkte.  Den  Schluss  des 
Heftes  bildet  eine  Plauderei  über  das  Puppenspiel  vom  Doktor  Faust.  —  Tille  2»)  ver- 
breitet sich    in  lebendiger  und  anziehender  Darstellung  über  den    gegenwärtigen  Stand 


Komödioiidoktor  auf  d.  llopfenmarkt :  .MVIIamburgG.  13,  S.  19— 21.  —  I9)R.  Eitner,  Georg  Kaspar  SchUrmann :  ADB.  33, 
S.  94/0.  —  19a)  Jfoneko,  Gerhard  Schott:  ib.  32,  S.  397/8.  —  20)  J.  Lioboldt,  D.  Verbleib  d.  alten  Hamburg.  Opern- 
dokoratiou  „d.  Tempel  Salomonis" :  MVHamburgG.  13,  S.  128/9.  (Mit  Kezugnahrae  auf  e.  Artikel  d.  Dresdener  Journals  v. 
25.  Okt.)  —  21)  X  1>.  alte  Hamburger  Oper:  DMusikZg.  22,  S.  118,  227/8.  —  22)  X  F.  Chrysander,  D.  Hamburger  Oper  Tor 
200  Jahren :  llaniliCorr.  N.  138.  —  23)  X  I).  Verbleib  d.  alten  Hamburg.  Operndekoration  „d.  Torapol  Salomoni.s" :  ib.  N.  47.  — 
24)  A.  dcN.,  E.  Theaterzettel  aus  d.  Zeit  Friedrieh  Wilhelms  I:  Bar  17,  S.  278/9.  —  25)  (II  4:  16).  —  26)  X  0.  Panizza,  Theater- 
Cuups  u.  Machiuationes:  GesoUsehaft  I,  S.  592-G14,  80«— 29.  (Hehandelt  hauptsaehlith  d.  geistl.  Drama  d.  MA.).  —26a) 
(1  5:  05).  —  27)  A.  Sclilossar,  Dtsth.  Volksschauspiole.  In  Steiermark  gesammelt.  Mit  Anram.  u.  Erläuterungen  nebst 
e.  Anhange:  das  Leiden  C'hristi-Spiel  aus  d.  Gurkthale  in  Kärnthen  her.  2  lido.  Halle,  Niemeyor.  343,  404  S.  M.  10,00.  |[L. 
Fräukel:  liLU.  H.  414;  U.  Waizer:  Carintliia  81,  S.  153/5;  G.  Elliuger:  NatZg.  N.  172;  K.  Weiuhold:  ZVVolksK. 
1,  S.  215/C.J,  —  28)  A.  K  oll  mann,  Deutsehe  Puppenspiele.  Gesammelt  u.  mit  erläuternden  Abhandlungen  u.  Anm.  her.  I. 
Leii>zig,  Grunow.  111  S.  M.  1,Ü0.  |[0.  Ellinger:  NatZg.  N.  485;  A.  Schlossar:  BLU.  S.  670/1;  A.  Tille:  ML.  60. 
S.  495/6;  J.  K.:  LZgB.  N.  117.J|    —    29)  A.  Tille,  Fahrende  Leute:    NorddAZg.  N.  450,  454.  -  30)  A.  Fiel  sehe  wsky,  D. 


23  W.  Creizenach,  Drajua  des  17./18.  Jahrhunderte.  III  4:  31-36. 

des  Puppoiitheaters  in  Sachsen,  über  die  Lebeuaführung  der  wandernden  Puppenspieler 

1111(1   (Uier  ihr  Vorhältnis  zu  den  Bohördon.  — 

Die  (T(3Sf'hi(lito  des  VolksHchauspiolH  vom  Doktor  Faust  wird  in  einem  Auf- 
satz von  Biclnc  ho  wsky  *')  hohandolt,  welcher  die  Ansicht  vertritt,  dass  dieses  Volks- 
schanspiol  schon  vor  Marlowes  „Faust",  ja  sogar  vor  dem  deutschen  Volkshuch  (1587) 
eiitstaiidon  sei.  B.  suclit  diese  Behuiiptung  dadurch  zu  beweisen,  dass  er  in  den  ver- 
schiedonon  Versionen  des  Volksschauspiels  einzelne  ZCijjjo  aufsucht,  die  in  ähnlicher  Weise 
schon  vor  dem  Erscheinen  des  Volksbuchs  vorkommen,  wobei  die  Frage  ganz  unerörtert 
gelassen  wird,  ©b  diese  Motive  nicht  auch  weiterhin  in  der  traditionellen  Litteratur 
wirksam  blieben.  Die  Verfehltheit  eines  solchen  Verfahrens  bedarf  keiner  weiteren  Aus- 
flihniiig,  zumal  da  sonst  nicht  der  geringste  Umstand  vorgebracht  werden  kann,  der 
das  Vorhandensein  eines  Faustdramas  vor  1587  wahrscheinlich  machte.  Allerdings  weist 
n.  darauf  hin,  dass  seit  der  Mitte  des  18.  Jh.  der  Hof,  an  welchem  Faust  seine  Zauber- 
künste vorführt,  als  der  Hof  des  Herzogs  von  Parma  bezeichnet  wird.  Mehrere  Jahr- 
zelinto  später  kommt  in  den  Texton  vor,  dass  Faust  in  die  Herzogin  verliebt  ist.  B.  er- 
blickt darin  eine  ins  KJ.  Jh.  zurückreichende  Beziehung  auf  Ottavio  Faniese  von  Parma 
und  Margarete,  die  Tochter  Kaiser  Karls  V.,  welche  die  ganze  Zeit  ihrer  Ehe  hindurch 
ihrem  Gemahl  entfremdet  blieb.  Im  übrigen  würde  es  zu  weit  führen,  wenn  wir  hier 
Me  Fehlschlüsse  B.s  aufzählen  wollten.  Nur  so  viel  sei  noch  bemerkt,  dass  er  uns 
tlnirh  keine  neuen  Mitteilungen  für  die  verfehlte  Darstelhmg  entschädigt  inid  dass  seine  that- 
sächlidicn  Angaben  öfters  unzuverlässig  sind.  Öo  behauptet  er  z.  B.,  die  Hönierscene, 
die  sich  in  der  Neuberschen  inid  Kiirzschen  Version  befindet,  sei  „wahrscheinlich  nur 
ganz  vereinzelt  hier  und  da  eingedrungen".  Dagegen  lässt  er  unerwähnt,  dass  diese 
Scene  schon  1711  als  eine  beliebte  und  allgemein  bekannte  ei'wähnt  wird,  sowie, 
dass  sie  auch  in  der  Vorlage  des  Kralikschen  Faust  vorhanden  gewesen  sein  muss.  — 
Das  czechischo  Puppenspiel  vom  Doktor  Faust,  das  bisher  in  Deutschland  nur  durch 
die  Inhaltsausgabe  Karl  Andreaes  bekannt  war,  ist  nunmehr  von  E.  Kraus  ^')  heraus- 
gegeben worden;  er  teilt  zwei  verschiedene  Fassungen  in  deutscher  Uebersetzung  mit. 
Vorangestellt  ist  ein  lehrreicher  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Faustsage  und  des 
Goetlieschen  Faust  in  der  czcchisclien  Litteratur.  Was  das  Verhältnis  dieser  Texte  zu 
den  früher  veröffentlichten  deutschen  Texten  betritl't,  so  beschränkt  sich  K.  auf 
einige  gelegentliche  Bemerkungen,  in  welchen  er  indess  melirere  wesentlichte  Punkte 
richtig  hervorhebt.  So  weist  er  auf  den  merkwürdigen  Umstand  hin,  dass  sich  hier 
aus  Alarlowes  „Faust",  der  gemeinsamen  Quelle  aller  dieser  Spiele,  ein  Zug  erhalten 
hat,  der  in  sämtlichen  deutschen  Versionen  fehlt:  einer  der  beiden  Studenten,  die  dem 
Doktor  Faust  das  Zauberbuch  überbringen,  heisst  nämlich  Cornelius,  ganz  so,  wie  der 
eine  von  den  zwei  Magiern,  die  den  Helden  der  Marloweschen  Dichtung  in  die  Geheim- 
nisse der  schwarzen  Kunst  einweihen.  Auch  beschäftigt  sich  K.  mit  den  auifallenden 
Uebereinstimmungen  zwischen  den  czechischen  Puppenspielen  und  dem  Volkslied  vom 
Doktor  Faust;  er  meint,  das  Volkslied  sei  aus  einem  Volksschauspieltext  hervor- 
gegangen, der  in  Prag  gegen  Ende  des  17.  Jh.  zur  Darstellung  kam.  •'i»)  — 

R.  M.  Werner  ■'-)  veröifentlicht  ein  Schauspiel  „Don  Juan"  aus  dem Repertoir 
der  Schiffer  zu  Ijaufeii  an  der  Salzach,  die  in  der  beschäftigungslosen  Winterzeit  als 
wandernde  Scliauspielcr  Streifzüge  in  die  Umgegend  veranstalteten.  Die  Geschichte 
dieser  eigentümlichen  Künstlergesellschaft,  die  sich  bis  in  das  Jahr  1762  zurüokver- 
folgen  lässt,  wird  von  W.  auf  Grund  umfassender  Studien  erzählt.  Die  Nachrichten,  die 
sicii  über  ihr  Repertoir  erhalten  haben,  beziehen  sich  meist  auf  Dramen  Kotzebues  inid 
anderer  Modedichter  aus  dem  Anfang  imseres  Jh.  Nur  wenige  Stücke,  wie  z.  B.  „Don 
Juan",  stammen  aus  dem  Repertoir  der  älteren  Wandertruppen.  Der  Herausgeber  ver- 
gleicht dieses  Schauspiel  mit  anderen  Don  Juan-Dramen,  ohne  indes  zu  einem  sicheren 
Ergebnis  über  die  Herkunft  des  Laufener  Dramas  zu  gelangen.  —  L.  Singer^)  giebt 
einen  Ueberblick  über  die  Gescliichte  der  Don  Juan-Sage,  der  besonders  deshalb 
dankenswert  ist,  weil  der  Vf.  auch  auf  Juan  de  la  Cueväs  „Infamador  de  Sevilla"  ein- 
geht, den  bei'eits  Schack  als  einen  Vorläufer  des  Tirso  de  Molinaschen  Dramas  be- 
zeichnet, aber  nicht  genauer  besprochen  hat.**)  — 

Das  Volksschauspiel  „Die  Braut  der  Hölle"  war  bisher  bloss  durch  den  Be- 
richt Tiecks  und  die  Aeusserungen  Goethes  in  einem  Briefe  an  Schiller  (1.  Aug.  1800) 
bekannt.     Ellin ger^'»)    hat    nun  entdeckt,    dass  eine    in   der  Weimarer  Bibliothek    aul- 


Alter  d.  Faustspifilo:  VLG.  4,  S.  193— 22(j.  —  31)  E.  Kraus,  D.  bölira.  Puppenspiel  v.  Doktor  Faust.  Abhandlung  u.  üeber- 
setiung.  Breslau,  KObner.  VI,  170  S.  M.  3,00.  ![  C(  rci  zenach):  LCBl.  S.  1083,4;  L.  Fr»nkel:  BLU.  S.  600,1.] i  — 
31a)  XX  Th.  Mohring,  D.  Uteste  Faustzottel:  DBUhnonG.  S.  407.  (Vermutlich  d.  frllher  im  ILs  Besiti  befindliche  Bremer 
Zett^el  aus  d.  letzten  Zeit  d.  17.  Jh.)  —  32)  R.  M.  Werner,  D.  Laufner  Don  Juan.  E.  Beitr.  «.  Gesch.  d.  Volksschauspiels. 
^=  Theatergesch.  Forschungen.  Her.  v.  B.  Litzmann.  3.  H.imburg  u.  Leipzig,  Voss.  VII,  152  S.  M.  3.00.  |[G.  E(llinger): 
NatZg.  N.  ,133;  HambNuchr».  N.  50/l.]|  —  33)  L.  Singer,  Z.  Gesch.  d.  ,Don  .Tuan-'-Sage :  DeutschZg.  N.  6879.  —  341  X  «• 
T.   Harziani,    Dun    Juan -Legende.      E.   Skizze     ihres    hist.   Ursprungs:    FremdenBL     N.   45.    —    35)   G.   Ellinger.   D. 


III  4:  36-38.  III  5:  i.      W.  Creizenach,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts.  24 

bewahrte  Puppenkomödie  „Faustina,  das  Kind  der  Hölle"  nichts  anderes  ist  als  eine 
Version  dieses  Volksschauspiels.  Sein  Aufsatz  enthält  eine  Inhaltsangabe  mit  Textproben ; 
eine  Quellenuntersuchung  hat  sich  E.  für  später  vorbehalten.  Es  zeigen  sich  mehrere 
deutliche  Anklänge  an  das  Volksschauspiel  vom  Doktor  Eaust,  worauf  ja  schon  der 
Name  der  Heldin  hinweist;  auch  die  Fahrt  des  Hanswurst  in  die  Hölle  und  der  Bericht 
von  seinen  dortigen  Erlebnissen  kommt  in  mehreren  Eavistspielen  vor.  Vielleicht  Hesse 
sich  auch  ein  Zusammenhang  mit  dem  Volksschauspiel  „Eaustina,  eine  Zauberin  aus 
Liebe"  nachweisen.  — 

Das  Oberammergauer  Passionsspiel  behandelt  D.  A.  Ludwig  ^6)  in  einem 
populären  Vortrag.  —  Ein  Brief  Liszts37)  vom  27.  Sept.  1882  wurde  veröffentlicht, 
worin  sich  der  Meister  mit  grosser  Schärfe  über  den  musikalischen  Teil  des  Passions- 
spiels ausspricht.  3^)  — 


111,5 

Didaktik. 

Julius  Elias. 

Religiöses  Leben:  Hermann  v.  d.  Ilardt  N.  1.  —  Zinzendorf  N.  2.  -  Schrautenbach  N.  3.  —  Tennhardt  N.  4.  — 
Physiologus  N.  5.  —  Prediger  N.  6.  —  Wertheiiner  Bibel  N.  7.  —  Satiriker:  Moschorosch  N.  10.  —  Schupp  N.  12.  —  Hage- 
dorn N.  17.  —  Die  Schweizer:  Discourse  N.  18.  —  Bodmer  N.  19.  —  Haller  N.  21.  —  Vereinzeltes:  Guarinonius  N.  23.  — 
Zesen  N.  24.  —  Schmid  v.  Sohwarzenhorn  N.  26.  —  Sprüche  und  Zeitverse  N.  27.  —  Beisejournale  N.  29.  — 

Ueber  das  religiöse  Leben  um  die  Wende  des  17.  Jh.  wird  Hermann 
V.  d.  Hardts  umfangreicher  Briefwechsel,  den  Lamey  ^)  sorgfältig  ordnet  und  be- 
schreibt, etwas  Wesentliches  erschliessen,  wenn  er,  wenigstens  in  seinen  Hauptteilen, 
zur  Veröffentlichung  gelangen  sollte.  Ueber  die  äusserlichen  Geschicke  dieser  weit- 
läufigen Korrespondenz,  die  ein  bald  mystisch  schwärmender,  bald  rationalistisch  auf- 
klärender Denker  und  ein  kindlich  empfindender,  ein  ganzer  Mensch  unterhielt,  erfährt  man, 
dass  das  dreischichtige  Briefkorpus  aus  dem  Nachlasse  des  Anton  Julius  v.  d.  Hardt 
1786  durch  Ankauf  in  die  damals  Markgräflich  Badische  Hofbibliothek  zu  Karlsruhe 
gelangte.  Eine  grosse  Gruppe  ist  noch,  vom  Schreiber  und  Empfänger  persönlich,  mit 
Hinblick  auf  kommende  litterarische  Zwecke,  gesichtet  und  zusammengestellt  worden. 
Hardts  Lebenslauf,  seine  geistige  Entwicklung,  seine  Beziehungen  zum  Pietismus  treten 
in  dieser  Anordnung  hervor.  Der  15.  Nov.  1660  als  Geburtstag  ist  gesichert.  Für  die 
Zeit  der  Lehrjahre  ist  bemerkenswert,  dass  v.  d.  Hardt  thatsächlich  das  Bielefelder 
Gymnasium  besucht  hat.  Am  18.  März  1687  kommt  er  nach  Dresden  in  Speners  Haus, 
wo  er  etwa  einen  Monat  weilt;  zwischen  dem  25.  Mai  und  dem  13.  Juni  kehrt  er  zu  dem 
verehrten  Lehrer  zurück,  um  mit  ihm  bis  zum  Beginne  des  Dezember  zusammen- 
zubleiben. In  dieser  Zeit  gewinnt  die  religiöse  Anschauungsweise  des  Mannes  ihre 
eigentümliche  Gestalt  und  Tiefe,  nicht  minder  sein  philologisches  Streben.  Dann  nähert 
er  sich  Francke,  mit  dem  er  seit  Ende  1687  bis  zum  27.  Febr.  1688  in  Lüneburg  lebte. 
Am  28.  Febr.  erscheinen  Beide  in  Hamburg.  L.  bezeichnet  die  Jahre  1686 — 90  für  die 
Korrespondenz  als  besonders  wichtig  und  charakteristisch,  soweit  sich  die  pietistische 
Bewegung  in  Leipzig,  Dresden,  Hamburg  entfaltet.  Franckes  Einlenken  in  pädagogische 
Bahnen  schildert  ein  Brief  vom  26.  Sept.  1688  sehr  anschaulich.  Der  Streit  mit  den 
Hamburger  Orthodoxen  empfängt  durch  Franckes  wie  v.  d.  Hardts  Mitteilungen  und 
durch  die  Aeasserungen  ihrer  weitverbreiteten  Korrespondenten  aufs  neue  Leben. 
Franckes  Lelirmethode  in  Leipzig  und  die  Geschicke  seines  Berufes  werden  von  mancher 
Seite  beleuchtet.  Das  Verhältnis  v.  d.  Hardts  zu  August  Wilhelm,  Herzog  von  Braun- 
schweig, und  den  hervorragenden  Persönlichkeiten  des  Landes  spiegelt  sich  in  einem 
seltsamen  „commercium  epistolicum"  wieder,  das  in  symbolistischen  Formen  des  alternden, 
docli  stets  temperamentvollen  Schriftstellers  Konflikte  mit  der  Censur  schildert.  Hier 
geben  sich  wohl  sein  Denken  in  Bildern  und  sein  Ausdruck  am  merkwürdigsten.  — 


Braut  d.  llöllo:  ZDl'h.  23,  S.  280—90.  —  36)  1).  A.  Ludwig,  D.  Oboratnmergauer  Passionsspiel.  Vortr.  geh.  in  d.  Sektion 
Sctisaiilaiia  d.  S.  A.  C.  Davos,  Kicliter.  100  S.  M.  1,25.  —  37)  E.  Brief  F.  Liszts  Über  d.  Oberammergauer  Passions- 
spiel: AMusikZg.  18,  S.  4/6.  —  38)  X  J-  Euskirchen,  D.  Oberammergauer  Passionsspiol  nach  seiner  Entstehung  u.  bes.  in 
seinem  Verlauf  i.  J.  1890:  MSKathLehrerinnen  4,  S.  126-32,  177-86,  270/3,  319—24,  413/8.  — 

I)  F.  Lamey,  H.  v.  d.  Hardt  in  s.  Briefen  u.  s.  Bezichiingon  z.  Braunschweigischen  Hofe,   zu  Spener,   Francke  u. 
d.  Picti.-'mus.    (z^  D.  Hss.  d.  Grossherz.  Kadischeu    Hof-    u.  Landesbibl.    in  Karlsruhe.    Beil.  I.    Karlsruhe,    Groos.    V,  44   S. 


25  J.  Elia«,  DidakHk  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5:  2-6. 

Dio  Be7Jehiing«n  Ziuzendorf«  zu  Frankfurt  am  Main  heHpricht 
Dochojit '■^)  in  einem  Vortrage,  dossen  Materiul  tcilwoiHo  ans  den  KonHistorialakton  de« 
Stadfarcliives  inid  den  l^rotokollen  den  Predigcrministeriums  gesrliöpft  wurde.  17151 
weilt  der  jugendliche  Graf  /.um  ersten  Male  in  der  Stadt,  wo  Hein  Spener  zwanzig  .Fahre 
gewirkt  hatte;  der  zweite  HeHucI»,  der  vornehmlirh  den  „Inspirierten"  der  Wetterau  galt, 
fand  MW  statt;  rocht  eigentlich  von  Bedeutung  war  der  dritte  Aufenthalt,  der  in  das 
Jahr  17B()  füllt.  Zinzendorf  sucht,  aus  Kurhessen  so  gut  wie  vertriehtMi,  dort  und  bei 
seinem  Anhiingor  Schrautenhach  zu  Lindheim  ein  Asyl.  Er  setzt  sich  mit  den  ton- 
angebenden Klerikern  Fraidvfurts,  mit  dem  Senior  Münden  und  dem  Pfarrer  Stark  sowie 
mit  den  Missvergnügten  der  officielloj»  Kirche  in  Verbindung.  Ein  Besuch  bei  den  Sepa- 
ratisten auf  der  Ronneburg  folgt.  Im  November,  nach  der  Livländer  Reise,  befindet 
er  sich  wieder  in  der  Mainstadt.  Nun  beginnt  sich  langsam  eine  Herrnhuter-Gemeinde 
zu  bilden.  Die  Geistlichkeit  äussert  Bedenken,  doch  der  Magistrat  schützt  den  Gnafen. 
Die  Klagen  des  Predigerministeriums  wiederholen  sich  lebhaft,  und  im  März  17.'i7  ver- 
suchte das  Konsistorium  dadurch  einzugreifen,  dass  es  die  Hausandachten  einschränkte. 
Der  Graf  protestiert  beim  Rate.  Die  erneute  Abwesenheit  Zinzendorfs  hinderte  die 
Sektenentwickhmg  nicht.  Am  3.  Febr.  173H  aber  beschwerte  sich  die  hithe- 
rische  Geistlichkeit  heftiger  denn  zuvor;  das  Konsistorium  wählt  einen  Ausschuss  von 
drei  Mitgliedern,  der  untersuchen  soll,  ob  der  „Eingriff  in  dio  Gewissensfreiheit"  durch 
das  Verhalten  der  Herrnhuter  berechtigt  sei.  Dieses  Vorgehen  der  Behörde  zersplitterte 
einigermassen  die  Kräfte  der  jxnigen  Gemeinde;  das  Ergebnis  war  ein  generelles  Verbot 
der  öffentlichen  Versammlungen.  Hervorzuheben  ist  dio  Klage  des  begeisterten  Schuh- 
machers Schick  gegenüber  der  Vergewaltigung  durch  die  Kirche.  Gleichwohl  blieben 
die  Schwärmer  beisannnen;  als  aber  dio  Handwerksburschen  eine  Strassenrevolte  gegen 
die  Herrnhuter  ins  Work  zu  setzen  begannen,  da  war  das  Geschick  der  Frankfurter 
Unternehmung  besiegelt.  Schwache  Versuche  brachten  noch  die  Jahre  1744  und  174(>. 
Der  littei'arische  Streit  gegen  Zinzendorf  freilich  dauerte  in  der  Stadt  fort.  Es 
war  zunächst  der  Magister  Gross  (1740),  dann  der  Senior  Joh.  Phil.  Fresenius  (1746 
bis  1751),  die  gegen  Zinzendorf  schrieben  luid  Gegenschriften  hervorriefen.  Das  Fräu- 
lein von  Klettenberg,  die  ,,schöne  Seele",  vertrat  in  diesen  Zeiten  warm  die  Sache  des 
Grafen.  — 

Des  Freiherrn  von  S  ehr  au  tenbach  agitatorisches  und  Htterarisches  Verhalten  zu 
Gunsten  Zinzendorfs  schildert  H.  A.  Jjier  •')  in  biographischem  Abriss.  Die  schwärmerische 
Annäherung  des  Mitarbeitenden  und  die  innerliche  Entfremdung,  die  langsam  folgt, 
werden  klargelegt  \u\d  wohl  begründet.  Das  hohe  Ansehen  des  Mannes,  sein  Verkehr 
mit  den  Grossen  und  Grössten  der  Zeit,  zumal  mit  Goethe,  und  die  Geschichte  seiner 
beiden  Bücher,  der  Zinzendorf-Biographie  imd  der  „Religionsideen",  durch  die  er  sich 
(1782)  im  Stillen  mit  Lossings  Wolfenbütteler  Fragmenten  auseinandersetzte,  würdigt  L. 
kenntnisreich  und  frisch.  — 

Der  „Wort-Katechismus"  des  Johaiuies  Tennhardt  (10(>1 — 1720,  — das  Büch- 
lein erschien  1711),  eines  Schwärmers  aus  der  theosophischen  Schule  des  17.  Jh.,  wird 
aufs  neue,  nach  der  zweiten  bezw.  dritten  Ausgabe  (1712  und  172())  abgedruckt*).  Der 
Herausgeber  hat  keine  wissenschaftlichen,  sondern  inn-  Zwecke  der  Erbaiuing,  für 
die  mystischen  Bedürfhisse  seiner  Gesinnungsgenossen.  Es  wird  auch  eine  Reihe  von 
Zeugnissen,  aus  Augustin,  Thomas  a  Kempis,  Tauler,  Luther,  über  das  Wesen  des 
„inneren  Wortes"  beigebracht.  — 

Von  einem  Physiologiis,  der  die  Theologie  in  die  Flora  trägt  und. so  das 
altchristliche,  dio  Fauna  behandelnde  Buch  vermehrt  und  erweitert,  berichtet  nach  den 
sechs  Predigten  (1646 — 1665)  des  Johannes  Rosenthal,  Archidiakonus  zu  Schmollen,  mit 
gut  gewählten  Beispielen  Krone  &),  Seine  Natunvissenschaft  hat  der  Priester  aus  den 
Kräuterbüchern  des  Adam  Lonicerus  (1560)  und  Jac.  Theodorus  (1613\  Die  Art,  wie 
die  Pflanzen  inid  Blumen  nach  Aussehen  und  Charakter  auf  die  Bibel  bezogen  werden, 
ist  P^igentum  des  Rosenthal,  der  mit  dieser  Gattung  der  Kanzelberedsamkeit  seine  zahl- 
reichen Verehrer  und  Freunde  fand.  — 

Zwei  andere,  durch  ihre  Persönlichkeit  wirkende  Prediger  führt  J.  Zingerle  *) 
aus  der  Vergessenheit  hervor:  Johann  Brinzing,  einen  Bamberger  Franziskaner,  und 
Martin  Wirfl,  gen.  Conrad  von  Salzburg,  einen  Kapuziner  (1628 — 1681).  Die  Sammlungen 
ihrer  Kanzelreden  sind  unter  den  Titeln  „Candelabrum  apocalypticum  oder  Apocah-pti- 
scher  Laichter"  und  ,.Fidus  salutis  monitor  .  .  .  Treuer  Hails-Ermahner"  1677  (Kempten) 
und  1683  (Salzburg)  erschienen.      Beides  Leute    aus  dem  Volke,    die  sich  an  das  Volk 


M.  1,50.  —  2)  H.  Dechent,  D.  Beziehiiiigen  Zinzendorfs  zu  Frankfurt.  Vortr.:  Dida-skalia  N.  28.  ,vi.  [KIWZ.  S.  91  3.]| 
—  3)  H.  A.  Licr,  L.  K.  v.  Schrautenbacli:  ADB.  32,  S.  461  4.  —  4)  Kurze  u.  grOiidlicho  Unterweisung  t.  lonorn  Wort« 
Gottes  um  d.  Einfältigen  willen  in  Frag  u.  .\ntworl  gestellet  v.  e.  Lielihaber  desselbigen  u.  nun  abermals  in  Druck  ge- 
geben. (=  Sammlung  neutlieosopliischer  Schriften  N.  50.)  Bietiglioim  a.  E.,  Bu.<oli.  IV,  250  S.  —  S)  Krone,  E. 
Christi.   Physiologus  d.  17.  Jh.:    DEBII.  16,  S.  202,4.  —  6)  J.  Zingerle,  rredigtlltt.  d.  17.  Jh.:  ZDPh.  24,  S.  44—64,  318-41. 


m  5:  7-10.  J.  Elias,  Didaktik  des  17./ 18.  Jahrhunderts.  26 

wenden :  Johannes  mehr  satiriscli,  im  Stile  Abrahams  a  Sancta  Clara,  und  Conrad  ernst, 
in  der  entschiedenen  Absicht,  den  Hörer  zu  erbauen.  Johannes  fabuliei't,  Conrad  redet 
klar,  schlicht,  weihevoll  und  oft  mit  gesteigerter  Wärme.  Johannes  prunkt  mit  einer 
Gelehrsamkeit,  die  über  das  Kirchenväterwissen  weit  liinausgeht.  Conrad  fusst  auf  Bibel 
und  Lelire,  ohne  freilich  im  einzelnen,  aus  pädagogischen  Rücksichten,  Beis])iele  der 
Sage  und  Geschichte  zu  verschmähen.  Reizvoll  sind  die  populären  Verdeutschungen, 
die  Johannes  den  lateinischen  Sprichwörtern  und  Sentenzen  anfügt.  Beide  Männer  aber 
steigen  in  die  Gebrechen  der  Zeit  hinab,  sie  aufzudecken,  der  eine  mit  warnendem,  der 
andere  mit  lachendem  Munde.  — 

Den  Prozess  des  Wertheimer  Bibel  Übersetzers  Johann  Lorenz  Schmidt 
klärt  G.  Frank  '')  nunmehr  völlig  auf,  indem  er  die  Akten  des  Wiener  Reichshofrates 
vorlegt.  Ein  am  10.  Dec.  1736  ausgefertigtes  Schriftstück  des  Fiskals  Hayeck  von 
Waldstätten  erstattete  Kaiser  Karl  VI.  Anzeige,  derzufolge  unter  dem  15.  Jan.  1737  ein 
kaiserliches  Patent  allen  Fürsten  und  Behörden  des  Reiches,  zumal  dem  Reichsbücher- 
kommissar in  Frankfi;rt  a.  M.  und  dem  Fürsten  zu  Löwenstein- Wertheim,  die  Einziehung 
sämtlicher  Bibelexemplare  zur  Pflicht  macht,  auf  den  ferneren  Vertrieb  eine  Strafe  von 
10  Mark  lötigen  Goldes  setzt  und  den  gelehrten  Vf.  zu  strenger  Verantwortung  zieht.  Die 
ersten  Schwierigkeiten  ergaben  sich  in  der  Stadt  Frankfurt;  sie  führten  zu  einem 
Schriftenwechsel  zwischen  Magistrat  und  Reichsfiskus.  Li  Wertheim  gellt  unterdessen 
(22.  Febr.)  die  Vernehmung  des  Verlegers  Nehr  inid  des  Ilebersetzers  Schmidt  sowie 
dessen  Internierung  vor  sich.  Am  19.  März  werden  Protokoll  und  Verteidigungsschi-iften 
nach  Wien  gesandt;  F.  druckt  die  brieflichen  Gutachten  Mosheims,  Chr.  Wolffs,  des 
Göttinger  Professors  Hollmann,  des  Leipziger  Assessors  F.  W.  Stübner,  Chr.  G.  Jöchers, 
des  Hamburger  Publizisten  J.  P.  Kohl  und  Gottscheds  ab.  Die  Hauptinquisition  über- 
trägt der  Kaiser  dem  Fürstbischof  von  Bamberg  und  dem  Markgrafen  von  Ansbach,  die 
sich  lässig  zeigen  und  nach  einer  Vorstellung  des  Fiskals  (26.  Juni)  kaiserlicherseits 
am  12.  Juli  gemahnt  werden.  Die  Kommission  antwortet  am  25.  Sept.  \inter  Fragen, 
die  auf  eine  Milderung  des  Verfahrens  abzielen:  wolün  imd  in  welche  Art  Gefängnis  der 
Inquisit  gebracht  werden  und  wer  die  Kommissionskosten  tragen  solle.  Der  Fiskal 
(7.  Nov.)  tritt  aufs  neue  ein,  imd  nun  bestimmt  der  Kaiser  die  Veste  Bamberg  als  Ver- 
wahrungsort, dem  Geschäfte  aber  möchten  sich  die  beiden  Fürsten,  angesichts  der  Armut 
Schmidts,  einstweilen  ohne  Entgelt  unterziehen.  Nach  einer  besonderen  Rechtfertigung 
des  Markgrafen  Karl  (14.  April)  stellen  sich  die  Meininigsverschiedenheiten  zwischen 
Bamberg  und  Ansbach  mehr  als  deutlich  heraus:  der  Brandenburger  sieht  in  Schmidt 
vor  allem  „den  unter  den  Sclmtz  der  Reichsgesetze  gestellten  Protestanten".  Um  Schmidts 
Entlassung  aus  dem  Wertheimer  Arreste  (die  Kosten  spielen  eine  nicht  kleine  Rolle) 
entspinnt  sicli  nun  zwischen  Wien  und  dem  Fürsten  Karl  eine  amtliche  Korrespondenz 
(26.  März  und  16.  Sept.  1737,  16.  Jan.  und  25.  Febr.  1738).  Am  14.  Febr.  hatte  Schmidt 
eidlich  gelobt,  für  den  Schlossarrest  ehrliclien  Stadtarrest  zu  beobachten.  Nachdem  er 
vom  Markgi-afen  20  Gulden  Reisegeld  erhalten,  begiebt  er  sich  zum  Ansbacher  Kommis- 
sariate. Am  17.  Mai  1738  beschliesst  der  Reichsfiskal,  den  Prozess  niederzuschlagen. 
Für  diesen  Verlauf  ist  schliesslich    allein    der    Ansbacher    massgebend    gewesen.  ^-•')  — 

Unter  den  hervorragenden  Satirikern  der  Epoche  hat  vor  allen  Hans  Michael 
Moscherosch  wiederum  das  Interesse  der  Forschung  erregt.  Eine  Arbeit  Parisers i^) 
will  einerseits  einen  bestimmten  Teil  der  Biographie  auf  sichere  Grundlage  setzen, 
andererseits  des  alten  Schriftstellers  sinnvollen  Pädagogenversuch,  die  „Insomnis  cura 
parentum",  deren  Neudruck  der  Vf.  eben  vorbereitet,  entwicklungsgeschichtlich  und 
kritisch  beleuchten.  Moscherosch  schuf  sein  Bestes  aus  dem  Leben  heraus,  und  die 
Geschicke,  die  er  während  der  Jahre  1626 — 42,  zumal  in  der  Finstingcr  Epoche,  erfuhr, 
waren  in  diesem  Sinne  von  höchster  Wichtigkeit.  P.  beheiTscht  die  verstreuten  Einzel- 
forschungen,  zumal  die  Provinzialfunde,  vollständig  und  hat  überdies  das  Material  auf 
Reisen  im  Elsass  und  in  Lothringen  kontroUiei't  und  gemehrt.  Die  bisher  ausgiebig 
benutzten  Quellen,  Meigener  und  Dittmar,  untersiicht  er  scharf  axif  ihren  wissenschaft- 
lichen Wert,  wobei  auf  Dittmars  „archivalische"  Thätigkeit  ein  nicht  eben  günstiges 
Licht  fällt.  Für  die  Etyanologie  des  Namens  wird  Ebert  (Cottas  Vierteljsschr.  1857, 
2.  Heft,  S.  89)  herangezogen — Mosen  =  Titel  des  einfachen  Adligen,  rosch  —  Rot  —  und 
bei  dieser  Gelegenheit  behauptet,  da  sei  bereits  Konrad  Hofmanns  spätere  Erklärung 
vorgeschlagen.  Hier  hat  sich  P.  eines  Irrtums  schuldig  gemacht  (vgl.  1890  III  5  :  10). 
Jahrzehnte  injierer  und  äusserer  Leiden  entliüllen  sich  dem  Betrachtenden.  Schon  über 
der  „Ephorie"  im  Hause  des  Grafen  Johann  Philipp  IL  zu  Leiningen-Dachsburg,  die 
Moscherosch  am  1.  August  1626  antrat  und  etwa  Mitte  1628  wieder  verliess,    schwebte 


—  7)    O.   Franlt,   D.  Wertheimer   BibelUbors.  vor   d.  Roichsliolrat   in    Wien.:    ZKG.    12,   S.  279-302.    —    8)   X    Krause, 
Joachim  Schröder:  ADB.  32,  S.  516/6.    (Orthodoxer  Prediger  zu  St.  Johann  in  Lübeck.    Sehreibt  e.  „Hoflahrts-SpieRel",  1643.) 

—  9)  X  M.  Hippe,  D.  V.  Schweinitz:    ib.   33,    S.   362/3.     (Kurze    Charakteristik    d.  schlesisclien    Erbauunpfsschriftstellers,  d. 
Vf.  d.    „Evangelischen  Todes-Gedancken",   1663.)    —    10)  L.  Pariser ,    Beitrr.    zu   e.    Biogr.    v.   H.    M.    Mo.scheiosch.      Disa. 


27  .1.  Elia«,  Diflaktik  dos  17./18.  Jahrhunderts.  IIl  :»:  11-12. 

ein  Unstern.  Im  September  1628  verheiratet  er  sich  mit  Maria  Ackermann  aus  Franken- 
tlial,  die  ihm  v'wr  Kinder  gebar  und  schon  1(»B2  st^rb;  er  ehelicht,  noch  1<;32,  Barbara 
Pani<^l,  vcrliort  dio  /Avoite  Gattin  in  LCitzelstcin  U')'i\')  und  fidu-t  ein  Jahr  darauf  Anna 
Maria  Kilhmf^er  lioim,  mit  der  er  einen  Sohn  und  zwei  Tocliter  zeugte,  Kndn  der 
zwanziger  Jalnci  wendet  sidi  Moschcroscli  der  JuriMprudcnz  zu,  durch  einen  Besuch  bei 
dem  ^J'nbingor  Keditslehrcr  Tliomas  Lansius  bestärkt.  Für  Zcitpiuikt  und  Anh'iss  findet 
V.  das  Zeugnis  in  einem  Gdifgenlieitsgedicht.  Durch  Vermitthnig  seines  Lelirers 
Johannes  Schmid  wird  Moschoroscli  im  Sommer  JiJHO  Amtuuuni  dos  Keiclisgrafen  Teti^r 
Krnst  zu  Criechingen.  Ein  Lebcnsabsciniitt,  getrUbf  durcli  schlinunes  Hofleben  und 
verbittert  durch  gefährliche  Kriegswirren,  die  der  Wankehnut  Carls  IV.  von  Lothringen 
in  (las  Läudciien  zieht.  Kino  litterarische  Frucht:  der  Plan  und  Anfang  eines  deutsch- 
fianzösischen  Wörterbuches.  Auf  Criechingeu  folgt  Finstingen,  wohin  er,  in  gleicher 
Stellung,  doch  unter  weitaus  schwierigeren  amtlichen  Verhältnissen  1()35,  empfolileu 
durch  den  Strassburger  Historiker  Joachim  Clutenius  und  <len  Grafen  J.  J.  von  Eber- 
stein, als  Sachwalter  des  jungen  protestantischen  Heraogs  Ernst  Bogeslav  von  Croy  ab- 
ging. P.  entwirrt  die  verwickelten  politischen  Verhältnisse,  dio  auf  den  religiösen 
Zwistigkeiten  zweier  Geschlechter,  Besitzer  desselben  Landes,  beruhten.  Nicht  bloss  in 
den  Epigrammen,  die  des  kämpfenden  und  verfolgten  Mannes  klägliche  I^age  aus- 
drücken, besitzt  man  Zeugnisse  für  Moscheroschs  unsagbar  erschwerte  Thätigkeit 
in  Finstingen:  in  Stadt  und  Feldmark  hausten  während  zweier  Jahre  hintereinander 
Schweden,  Franzosen,  Lothringer  als  rücksichtslose  Herren.  Räuberwirtschaft,  Hungers- 
not, Pest  thaten  das  übrige.  Moscherosch  ei*weist  sich  den  Mitbürgern  als  charakter- 
fester Führer  und  opfermütiger  Helfer.  Da  bei  der  allgemeinen  Not  Handel  und  Wandel 
darniederliegen,  darf  er  sich  geistiger  Arbeit  um  so  intensiver  hingeben.  Die  eifrigste 
Korrespondenz  entsteht,  vornehmlich  mit  Gloner,  H.  Schill,  Joh.  Matthias  Schneuber, 
Rumpier  von  Löwenhalt,  Balth.  Venator,  Schottel,  Harsdörffer,  Rist.  P.  vertritt  die 
Ansicht,  Moscherosch  habe  der  Tannengesellschaft  angehört.  Hierzu  kommen  rege  Be- 
ziehungen des  theologisch  durchgebildeten  Mannes  zu  Strassburger  Gottesgelehrten,  wie 
zu  Joh.  Schmid  und  Seb.  König.  Obzwar  orthodoxer  Lutheraner,  lernte  er  andere  Be- 
kenntnisse schätzen,  so  den  Calvinismus.  Li  Finstingen  wurzeln  die  „Visionen",  ei-ster 
wie  zweiter  Ausgabe;  lokale  Erinnerungen  fliessen  in  die  Dichtung  ein:  „Ehrenvests" 
Burg  ist  Geroldseck.  Dort  entsteht  vom  22.  bis  29.  September  K'Al  die  „Insomnis  cura 
parentum",  kurz  nachdem  ihm  (20.  Sept.)  seine  Ernestine  A.meley  geboren  worden.  In 
erster  Gestalt  ist  die  „Insomnis  cura"  die  vertratdiche,  abgerundete  Gelegenheitsschrift 
eines  Hausvaters,  der  sich  ängstigt,  in  sclilimmen  Kriegsläuften  aus  dieser  Welt  ab- 
berufen zu  werden.  Den  Austoss  giebt  der  Traktat  der  Elizabeth  Brooke-Joceline: 
„The  Mothers  Legacie  to  her  vnborne  Childe"  (gedinickt  1024).  Das  Büchlein  geht  ihm 
im  Sommer  ItUl  vom  Verleger  Mülbe  (Strassburg)  wahrscheinlich  in  französischer  Ueber- 
tragung  zu.  P.  zieht  aus  der  englischen  luid  deutschen  Litteratur  verwandte  Schriften 
herbei;  als  Druckjalir  der  Uebersetzung  des  Traktates,  die  Moscherosch  der  „Insomnis 
cura"  folgen  lässt,  nimmt  er  das  Jahr  1645  an.  Er  kennzeichnet  die  litterarischen 
Elemente  deutlich,  die  die  Konzeption  befruchteten.  Den  Erbauungsschriften  des  Joh. 
Schmid,  den  Pädagogen  Paidus  Fagius,  Jakob  Wimpheling  werden  Einwirkungen  zu- 
gestanden; unmittelbare  Einflüsse  Luthers  dagegen  lassen  sich  nicht  begründen.  Sehr 
sympathisch  war  dem  Moscherosch  der  pastorale  Geist  der  Joh.  Arndt,  Andr.  Kessler, 
J.  M.  Dilherr;'des  RingA^alt  ,.lautere  Wahrheit"  hat  ihn  lebhaft  beschäftigt.  Ohne  auf 
sein  Schaffen  entscldedenen  Einfluss  zu  gewinnen,  interessieren  ihn  Pibrac  und  Montaigne. 
In  den  sclilicht-würdevollen  Stil  der  Ermahnungschrift  dringen  hier  und  da  volks- 
mässige  Elemente  ein;  nicht  glücklich  wird  an  Fischart  erinnert.  Aus  den  Urteilen, 
welche  die  „Insomnis  cura"  bei  den  Zeitgenossen  fand,  wird  Andreaes  massvoll-herz- 
liches Lob  und  Rists  grossartiger  Hymnus  hervorgehoben.  Rist  giebt  seinem  dänischen 
Herold  Sören  Terkelsen  den  Gedanken  ein,  die  Sclmft  zu  übertragen  (1645).  Die  Um- 
arbeitung, die  Moscherosch  zu  Beginn  der  fünfziger  Jahre  in  Angriff"  nimmt,  charakteri- 
siert sich  durch  die  Häufung  einer  universellen  Gelehi-samkeit  und  durch  ein  pointiertes 
Eindringen  einseitig-religiöser  Anschauungen,  dann  aber  auch  diu'ch  das  entschiedene 
Bedürfnis  des  Vf.,  sich  über  sein  Leben  zu  verbreiten.  Weitere  Zusätze  speichert 
Moscherosch  später  auf,  die  dem  Sohne  Ernst  Bogeslav  bei  dem  Neudruck  von  1678 
zu  gute  kommen.  —  Die  vorhandenen  Forschungen,  zumal  Parisers  Studie  und  Reiffer- 
scheids  Beiträge,  nützt  E.  Martin  'i)  einsichtig  und  geschmackvoll  in  dem  Vortrage,  den 
er  über  Moscherosch  am  17.  Juni  1891  zu  Finstingen  hielt.  Er  rt\ckt  die  Persönlichkeit 
in  einen  anziehenden  kulturhistorischen  Zusammenhang;  seine  Anah'se  der  „Gesichte" 
ist  bei  aller  Knappheit  ei*schöpfend.  Zu  den  biogi'aphischen  Zeugnissen  vermag  er 
Auszüge    aus    den    Protokollen    des    Strassburger    Stadtarchives    beizusteuern,   die,  vom 


UUnchen.   Brnckmannsohe   Buchdr.    II,  50  S.    —   II)    E.   Martin,   J.  U.  Moscherosch:    JbOLothrO.- 8,   S.  1— 16.   —    12)    P. 


III  5:  12.  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  28 

15.  März  1645  bis  zum  5.  Juli  1656,  über  des  Moscherosch  Dienste  als  „Frevelvogt" 
(Leiter  der  Polizei)  Aufschluss  erteilen.  Eine  Tochter  Moscheroschs  verheiratete  sich 
mit  Baron  Schenk,  einem  Neffen  des  Fürstbischofs  von  Eichstätt.  — 

Die  Beschäftigung  mit  J.  B.  Schupp  nimmt  die  erfreuliche  Wendung  in  das 
sachliche  Erforschen  der  Hauptquellen.  Stötzners  ^2)  gediegene  Schrift  fügt  sich  in- 
sofern wertvoll  der  in  Eülle  vorhandenen  Litteratur  ein,  als  sie,  auf  Grund  sehr  weiter 
und  genauer  Vergleichung,  die  Geschichte  der  einzelnen  Schriften  wie  des  Gesamtwerkes 
sicher  zu  stellen  bemüht  ist.  Der  Vf.  liefert  eine  rein  philologische  Arbeit  und  besitzt 
vielleicht  die  reichste  Einzelkenntnis  der  „Lehrreichen  Schi-iften"  von  allen,  die  bisher 
über  Schupp  gehandelt  haben;  die  Untersuchung  bedingt  natürlich  litterarische  wie 
ästhetische  Charakteristiken,  so  dass  am  Ende  die  prächtige  Gestalt  des  vielseitigen 
Menschen  xmd  Schriftstellers  in  voller  Pracht  lebendig  wird,  der  in  verworrener  Zeit  fest 
auf  sittlicher  Höhe  wurzelte  und  nicht  blos  deshalb  ein  deutscher  Mann  war,  weil  er  in 
seiner  Epoche  die  klarste  und  schlagendste  Prosa  schrieb.  Das  Büchlein,  das  ein  Neudruck 
des  Peter  Lambeckschen  Nachrufes  (1.  Nov.  1661)  abschliesst,  kann  recht  wohl  als  eine 
zweckdienliche  Einführung  in  eine  historisch-kritische  Ausgabe  des  Haupt-  und  Lebens- 
werkes angesehen  werden.  Einzelne  Resultate  seien  hier  verzeichnet.  Die  Ausgaben 
von  1677,  1701  und  1719  enthalten  ein  Stück  mehr  („Die  Frühstvinde")  gegen  die  34 
Nummern  der  ersten  und  teilweise  eine  veränderte  Rangordnung  der  übrigen  Traktate; 
die  fünfte  Edition  (1684)  ist  gegen  die  andern  um  zwei  Stücke  vermehrt  („Almosenbüchse" 
und  „Bussspiegel")  und  zeigt  vom  17.  Traktate  an  gleichfalls  Umstellungen,  Der  Titel 
„Lehrreiche  Schriften"  wird  1677  aufgenommen.  Lizwischen  kommt  die,  zelm  Stücke 
umfassende,  „Zugabe"  (10  Traktate)  heraus,  als  deren  Erscheinungsjahr  S.  1667  annimmt; 
dieser  Ergänzinigsband  wie  der  „Anhang",  der,  aus  acht  Stücken  bestehend,  der  Editio 
princeps  angefügt  ist,  gehen  in  die  Ausgaben  von  1677,  170]  und  1719  über.  Unter 
welchen  Umstellungen  und  Beschränkungen  es  geschieht,  veranschaiüicht  treffend  eine 
Tabelle.  Die  zweite  Ausgabe,  womit  sich  die  von  1701  und  1719  im  wesentlichen 
decken,  strebt  textliche  Besserungen  an,  mit  geringem  Erfolge.  Die  dritte  Ausgabe  tritt 
dadurch  hervor,  dass  alle  Streitschriften  fortgefallen  sind;  im  übrigen  bietet  sie  den 
besten  Text.  Was  die  Herausgeberfrage  betrifft,  so  bezeichnet  S.  als  den  Redaktor  der 
ersten  Ausgabe  Schupps  älteren  Sohn,  Anton  Meno.  Jost  Burkhard  Schupps  Verdienste 
um  die  Zusammenstellung  iind  Sichtung  der  übrigen  Editionen  bleiben  bestehen;  dass 
seine  Methode  planvoll  gewesen  sei,  lässt  sich  allerdings  nicht  behaupten.  Sehr  wichtig 
und  anziehend  ist  die  Betrachtung  derjenigen  Traktate,  die  in  lateinischer  Sprache  ver- 
fasst,  durch  Verdeutsclnnig  in  das  Corpus  der  Schriften  gelangten.  Es  sind:  de  nihilo, 
„Von  dem  Lobe  und  Würde  dess  Wörtlein  Nichts"  (Rede,  Marbin-g  1636),  orator  ineptus, 
„Der  ixngeschickte  Redner"  (Rede,  Marburg  Sommer  1()38);  dissertatio  praeliminaris 
de  opinione,  ,,Von  der  Einbildung"  (Rede,  Marburg  am  Martinstage  1638);  de  felicitate 
hujus  saeculi  XVII,  „Sermon  von  der  Siebenzehenden  dieses  hundertjährigen  Zeitlauffs 
Glückseligkeit  Beschreibung"  (Rede  mit  einem  Nachwort,  Marburg  3.  Okt.  1639);  de 
lana  caprina,  „Ein  anmutiger,  sehr  lustiger  Discurs  gehalten  von  der  Lana  Caprina" 
(Rede,  Marburg  1642);  Eusebia  prodeambulans,  „Der  geistliche  Spaziergang",  Aurora 
seu  Synopsis  theologiae  und  soliloquium  matutiiuim,  „Erühstunde"  und  „Erühtägiges 
iSelbgespräch"  (1642);  de  laude  et  utilitate  belli  „Der  belobte  und  beliebte  Krieg"  (Rede, 
Marburg,  vor  1646);  de  arte  ditescendi,  „Von  der  Kinist  reich  zu  werden"  (Braubach, 
Sommer  1647).  Davon  sind  sofort  auszuscheiden,  als  zwar  von  Schup]>  beeinflusst  oder 
angeregt,  doch  nicht  verfasst:  de  felicitate  hujus  saecidi'  (vom  Lüneburger  Rektor  Joh, 
Buno);  de  lana  caprina  (von  Joh.  G.  Schenck);  de  laude  et  utilitate  belli  (von  Peter 
List);  die  deutsche  Ausgabe  der  letzten  Rede  stellt  sich  hinwiederum  als  eine  Be- 
arbeitung Schupps  heraus,  der  auch  das  soliloquium  matutinum  selbst  übertragen  hat 
(1658),  während  als  Uebersetzer  des  orator  Balthasar  Kindermann  und  der  Eusebia  wie 
der  Aiirora  Zacharias  Hermann  (1667/8)  ermittelt  werden.  Dagegen  ist  es  keineswegs 
erwiesen,  dass  Anton  Meno  Schupp  der  Interpret  der  übrigen  Stücke  gewesen  sei.  Uebcr- 
dies  erscheint  auch  der  „Geistliche  Spaziergang",  erst  nach  Schupps  Tode  ediert,  als 
eine  Umschmelzung  der  Eusebia.  Das  Verhältnis  der  Aurora  zum  Solilo(piium 
zeigt,  dass  dieses  eine  Wiederholung  des  Anfanges  und  Endes  von  jener  ist;  die  Ueber- 
selzung  des  Soliloquium  wird  in  die  Ausgabe  von  1663  aufgenommen  und  1667  wieder- 
holt, obwohl  auch  die  Axn-ora -Verdeutschung  Hermanns  abgedruckt  wurde.  Die 
deutsch  geschriebenen  Traktate,  soweit  sie  von  Schupp  selbst  einzeln  ver()frentlicht 
worden,  betrachtet  S.  gesondert.  22  an  der  Zald,  entfallen  sie  auf  die  Jahre:  1642 
(Geistliche  Lieder),  1654  (Lucidor,  Der  Lobwürdige  Low),  1656  (Gedenck  daran,  Ham- 
burg), 1660  (Litanei),  jedenfalls  vor  1660  die  Corinna.  Gedruckt  worden  sind  die  Geist- 
lichen Lieder  1643,  Lucidor  1657,  Corinna  1660,  die  Litanei  1661,  die  übrigen  im  Jahre 


Stötzner,  Beitrr.  z.  Wtlrdigiing  v.  J.  I!.  Schupps  Lelincielicii  Schriften.     Leipzig,  R.  Richter.  95  S,  M.  1,80.  |tDI.i  hrZg(LI{I.) 


29  .T.  Elias,  Didaktik  dos  17./1 8.  Jahrhunderts.  III  5:  i». 

ihrer  Abfassung.  1057/9  aber  sind  aio  fruchtbarsten  Jahre  gewesen.  Es  entstanden: 
1<)57  Melilamhii  Sondschnnben,  das  hollündischo  Prutgon  (nacli  dem  Sendsclireiben),  Der 
Salomo,  Der  Freund  in  der  Notli,  Die  sieben  bösen  (ioister,  Die  Krankenwürterin  (die 
beiden  letzten  gedruckt  erst  1058):  ferner  1658  Golgatha,  ein  Traktat,  dessen  erste 
Ausgabe  nicht  sicher  festzustellen  ist,  endlich  1059  der  Hiob.  Die  grossen  Jahre  der 
geistigen  und  litterurischen  Kämpfe,  in  die  Schupi)  die  Hamburger  Orthodoxie  und  ihre 
willigen  Helfershelfer  verwickelten,  umspannen  clie  Jahre  1058/9.  Gegen  den  „ßücher- 
dieb"  (März  1058),  worin  Schupp  den  Nachdruck  verpönt,  erscheint  die  Schrift  des 
Butyrolanibius  ('Hiiupt])ast<)r  Möller)  „Wider  Antonors  Bücherdieb"  und  etwas  sj>äter 
(Oktober  1().")H)  (hir  Discurs  de  reputatione  a<!ademica  (gedr.  1059)  von  einem  Ver- 
bündeten ]\I(')llcrs,  M.  Bernhard  Schmid,  der  Schu])p  verleumderisch  der  Verachtung 
gegen  die  Univorsitäteii  zieh.  Der  Angegriffene  setzt  sif^h  in  Wolfenbüttel  (14.  und 
120.  Dezember  10.58)  mit  zwei  Schriften  energisch  zur  Wehr,  der  „Relation  auss  dem  Parna.sso 
und  dem  Calender*'  (gedruckt  10.59).  Die  angekündigte  „Prüfung  des  Geistes  Nect 
Butyi'olanibii"  ist  nicht  herausgekommen.  Dagegen  schiesst  er  KJGO  mit  der 
„nhgoiiötigten  Ehrenrettung"  (geschrieben  Anfang  1059,  gleich  nach  dem  Calender, 
wie  dieser  eine  Rechtfertigung  seines  häuslichen  Lebens  und  von  autobiographisduMu 
Werte)  einen  neuen  Pfeil  gegen  Möller;  doch  während  er  noch  mit  Schmid  —  durch 
die  „Erste  und  Eylfertige  Antwort"  (erschienen  in  Altona  im  J.  1G59)  —  sich  aus- 
einander zu  setzen  suchte,  hat  er  sich  gegen  einen  von  dritter  Seite  vorbereiteten  An- 
gi-iff  zu  wenden:  den  „Studiosus  inconsideratus".  Er  schickt  (Altona  1059)  das  „Eyl- 
fertige Sendschreiben,  an  den  Calenderschreiber  zu  Leipzig"  hinaus;  einige  Andeutungen 
über  die  Person  des  Gegners  findet  S.  in  den  Traktaten  des  Anhanges  „Gromio  mid 
Lagasso"  und  „Etwas  Neues  von  Lobe  und  Redligkeit  Antenors";  da  heisst  er  Soprin 
oder  Justus  Soporinus  bezw.  „Eass-Nacht-Narr".  Der  „Teutsche  Lucian"  (gedruckt  10.59), 
uiit  dem  Schupp  die  Polemik  beschliesst,  lässt  den  persönlichen  Zwist  einigermassen 
bei  Seite,  zu  Gunsten  allgemeiner  philosophischer  Anschauungen.  Alle  diese  Schriften 
stehen  ohne  Ausnahme  im  ersten  Bande  der  Hanauer  und  Frankfurter  Ausgaben, 
während  die  erst  nacli  Schupps  Tode  herausgekommenen  Traktate  in  der  Hsmauer 
Zugab  CTithalten  sind,  mit  Ausnahme  des  Ninivitischen  Bussspiegels  (sehr  wahrscheiidich 
1003),  dos  Beliebten  und  belobten  Krieges  und  des  Geistlichen  Spazierganges.  Sonder- 
drucke giobt  es  nur  von  „Der  Stumme  Lehrer  und  Prediger"  (Altona  1601,  vorher  un- 
rechtmässig gedruckt)  und  „Der  Hauptmann  zu  Capernaum"  (1  (»()<>).  In  die  Gruppe 
gehören:  die  „Allmosenbüchse"  (etwa  1050 — 57),  „Der  bekehrte  Ritter  Florian"  (105H), 
der  „Teutsche  Lehrmeister"  (1058)  und  der  „Ambassadeur  Zipj)husius"  (ei-ste  Hälfte 
1600).  Als  nicht  von  Schupp  verfasst  stellen  sich  heraus:  in  deni  Hauptkorpus  der 
„Fabul-Hanss"  (eine  Rechtfertigung  von  des  Predigers  Art,  Fabeln  .anzubringen,  von  Ant(»n 
Meno  1()00  hei'ausgegeben),  „Des  I'riesters  Heli  Belials-Buben"  (1602,  eine  Antwort  auf  die 
etwa  1058  enstandene  „Ratio  status"  eines  Unbekannten),  der  „Lustige  inul  anmuthige 
Di.scurs"  (gegen  Schmid,  wahrscheinlich  noch  bei  Schupps  Lebzeiten  verfa.sst);  in  der 
Zugab:  „Der  unterichtete  Student"  (nicht  vor  10(55  geschrieben,  eine  Art  Polemik,  an- 
knüpfend an  den  „Frevnid  in  der  Noth"),  dessen  Verfasser  sich  „Seladon"  nennt  und, 
nach  S.s  Vermutinig,  vielleicht  in  derPei'Son  G.  Greflingers  zu  suclien  ist.  Der  „Anhang'' 
endlich  enthält  die  pseudpschuppschen  Verteidigungsschriften:  „Gromio  und  Laga.sso" 
(Kassel  1(559),  „Die  Unschuld  Antenors"  (Altona  1(559),  die  übrigens  eine  Erwiderung, 
„Schmidtens  Unscluild",  10.59  hervorrief,  ,,Der  wohlverdiente  Nasenstieber"  (1(>59,  er.schieu 
1601),  „Etwas  Neues  von  Lobe  usw."  (1059).  Als  Urheber  mit  Unrecht  genannt  ist 
Schuj)p  bei  der  Schrift:  „Listrumentmn  pacis  zwischen  Mann  mul  Weib".  An  derselben 
Stelle  wurden  zwei  gegnerische  Schriften  „Wider  Antenors  Bücherdieb"  (von  Möller) 
inid  „Philandersons  Discurs"  (von  Schmid)  aufgenommen.  —  Einzeln  behandelt  S.  den 
„Teutschen  Lehrmeister"  inid  „Ambassadeur  Zipphusius",  Traktate,  die  er,  vornehmlich 
wegen  ilu'cs  pädagogischen  Gehaltes,  neu  drucken  liess'^).  Der  „Lelu*meister"  ist  eine 
Kampfschrift  für  inisere  Muttersprache;  Schupp  schliesst  sich  damit  litterarisch  Laurem- 
berg,  Moscherosch,  Schottel  inid  volkserzieherisch  Männern  wie  Ratichius  inid  Comenius 
an,  die  in  der  Uebermacht  des  Latinismus  eine  grosse  Gefahr  erkannten.  Früher,  als  man 
angenommen  hatte,  ist  Schupp  von  dem  W^ert  und  der  Würdigkeit  der  deutschen  Sjirache 
als  eines  vaterländischen  Gutes  und  Bildungsmittels  durchdrungen  gewesen.  S.  fiihrt 
aus  der  Oratio  de  opinione  (1038)  eine  bezeichnende  Stelle  an,  die  den  Anschauungen 
des  „Lehrmeisters"  jiarallel  läuft,  und  zieht  aus  der  Consecratio  Avellini  litterar- 
historische  Hinweise  auf  die  altdeutsche  Dichtung:  von  den  leitenden  Ideen  der  oratio 
de  opinione  und  den  Anregungen  des  Boccalini  abgesehen,  enthält  der  „Lehrmeister" 
mancherlei  Beziehungen  auf  die  Zeit,  zumal    auf  die    Verkehrtheiten    der    Sprachgesell- 


1892,  N.  14;    ZVUessG.  1892.]{    —  13)  iil.,  J.  H.  Selinpp:  D.  teiiUiche   Lehrmeister.  —  V.  Schulwesen.    Mit  Eiol.  d.  Anm.  her. 
(=  Neudrr.  pBdag.  Schriften,  her.  v.  A.  Kichler,    N.  3  n.  7.-)    Leipzig,  B.  Richter.    61  n.  106  S.     k  M.  0,80.    '[LCBL    1892, 


III  5:  14-18.  J.  Elias,  Didaktik  de??  17./18.  Jahrhunderts.  30 

Schäften  wie  auf  den  Unfug  der  pfalzgräflichen  Dichterkrönungen.  Den  Text  giebt  für 
einen  diplomatisch  genauen,  mit  Noten  versehenen  Abdruck  die  Hanauer  Zugab  von 
1()C7;  die  zahlreichen  Varianten  der  späteren  Ausgaben  sind  sorgfältig  verzeichnet 
worden.  Eine  grössere,  wenn  auch  keineswegs  erschöpfende  Quellenuntersuchung  bietet 
S.  im  Vorwort  zum  „Ambassadeur  Zipphusius".  Eür  den  allgemeinen  Abschnitt,  der 
breite  Vorschläge  zur  Weltverbesserung  umfasst,  hat  Schupp  Boccalinis  „Generale  riforma 
dell'universo"  (Stück  77  der  ,,Ragguagli  di  Parnasso")  reichlich  benutzt,  und  zwar  höchst- 
wahrscheinlich im  Originale;  dabei  hat  er  Kaiser  Justinians  Berufung  an  Apoll  und 
des  Gottes  Entschluss,  die  sieben  Weisen  sowie  Cato  und  Seneca  zu  versammeln,  für 
die  übrigens  die  neuen  Musen  eingesetzt  werden,  ausgeschieden,  ebenso  den  Disput  des 
Thaies  mit  Cleobulus  und  endlich  das  Schlusswort  des  Jacobus  Mazzonius.  Die  Reden 
der  einzelnen  Philosophen  bezw.  Musen  haben  eine  Umstellung  erfahren,  Flüsse-  \ind 
Völkernamen  sind  durch  solche  ersetzt  worden,  die  den  Anschauungen  der  deutschen 
Leser  näher  liegen.  Im  zweiten  Abschnitte,  wo  die  grossen  Pädagogen  das  Wort  er- 
halten, schöpft  Schupp  erstlich  aus  des  Comenius  „Praefatio  ad  lectores  eruditos"  (in 
„Janua  linguarum  reserata")  aus  Johann  Heermann  (wahrscheinlich  aus  einer  Predigt 
des  Köbener  Priesters),  aus  den  allgemeineren  Gedankenkreisen  seines  Schwiegervaters 
Helwig  (Pancratius),  des  bedingten  Ratichiusfreundes,  aus  der  „Neuen  lateinischen  Gram- 
matica  in  Fabel  und  Bildern"  von  M.  Joh.  Buno  (Danzig  1651),  seinem  Schüler,  der  die 
mnemotechnischen  Bemühungen  Schupps  zu  popularisieren  suchte.  Der  abschliessende 
Schulmeisterstreit  findet  sein  Vorbild  wiederum  bei  Boccalini,  2.  Centurie,  31.  Stück. 
Dem  Texte  des  Neudrucks  ist  die  Hanauer  Zugab  zum  Grunde  gelegt;  die  Varianten 
sind  beigefügt.  —  Bertheau  i*)  erzählt  das  Leben  Schupps  nach  den  bekannten  Quellen; 
die  theologische  Seite  wird  besonders  stark  hervorgehoben,  und  hier  gelangt  auch  die 
Charakteristik  auf  eine  gewisse  litterarische  Höhe.  Die  verschiedenen  Hamburgischen 
Streitigkeiten,  die  Verhandlungen  des  geistlichen  Ministeriums  und  des  Senates  mit  dem 
Prediger  und  Volksschriftsteller  werden  nach  den  Akten  dargestellt:  die  Citation  vor 
einen  Ausschuss  des  Ministeriums  vom  Michaelis  1657,  die  Gutachtenkomödie,  welche 
von  der  Behörde  am  12.  Nov.  1657  ins  Werk  gesetzt  wurde  und  sich  bis  zum  22.  Jan. 
1658  ausdehnte,  der  Eingriff  des  Senates  vom  27.  Jan.  sowie  das  vereinigte  Vorgehen 
des  Senates  und  des  Ministeriiims  am  10.  Febr.  und  die  folgenlose  Verhandlung  vor 
dem  Ministerialkonvente  am  26.  Febr.  1658,  endlich  die  erneuten  Anstrengungen  des 
Ministeriums  vom  27.  Jan.  1659.  B.s,  wenn  auch  gelinde,  Zweifel  an  der  Möglich- 
keit, dass  Hauptpastor  Möller  der  Verfasser  des  unflätigen  Traktates  „Der  Bücherdieb 
Antenors"  sei,  wird  niemand  teilen.  —  In  einem  eleganten  Vortrage  zeichnet  G.  F. 
Fuchs  1^)  die  Erscheinung  Georgs  IL,  Landgrafen  von  Hessen,  des  aiisgezeichneten 
Fürsten,  der  Schupp  ein  so  warmer  Beschützer  und  Förderer  gewesen.  In  staatlichen 
Dingen  ein  treuer  Anhänger  an  der  Reichspolitik,  in  seinen  geistigen  Bestrebungen  ein 
hervorragender  Freund  der  historischen  Forschung.  Sein  Wunsch  und  Streben,  mit 
Schupps  Hilfe  eine  umfassende  Geschichte  Hessens  ans  Licht  zu  fördern,  wird  ein- 
drucksvoll geschildert.  —  Eine  rühmende  Darstellung  von  Schupps  Wirken  gab  für 
weitere  Kreise  Z enger  "'^).  — 

Hagedorns  satirische  Empfindungen  treten  lebhaft  in  der  Bearbeitung  (1732) 
von  des  Horaz  „Ibam  forte  sacra  via"  (1,9)  hervor,  die  ein  genauer  Kenner  der 
älteren  Hamburger  Lokalgeschichte  i')  auf  ihre  Beziehungen  zur  Wirklichkeit  prüft. 
„Marienigasse"  ist  eine  ersonnene  Bezeichnung;  „Böckelmanns  Gärten"  dagegen  existierten 
an  der  Alster,  da,  wo  heute  der  Neue  Jungfernstieg  liegt.  Die  Adolfskirche,  von  der 
jetzt  nur  der  Adolfsplatz  zeugt,  ward  1270  einbaut  vnid  1807  niedergelegt.  „Prätoren" 
gab  es  in  der  Republik  bis  zur  Reichsjvastiz ;  sie  entschieden  in  ihrer  Behausung  nach 
dem  Stadtrecht,  den  sogenannten  „Statuten".  Aus  einer  schlichten  Charakteristik  des 
geistigen  Lebens  im  damaligen  Hamburg  treten  die  Gönner  und  Freunde  des  Pseudo- 
Horaz  hervor:  Mäcenas-Brockes,  der  Jurist  Wilckens,  der  Rektor  J.  S.  Müller,  der  Arzt 
Carpser,  der  Rechtsgelehrte  und  Postkommissar  Borgeest,  der  mit  Hagedorn  den  „Orden 
des  guten  Geschmackes"  gegründet  hatte,  die  beiden  Liscows,  unter  denen  zwar  Joachim 
Friedrich,  der  Hamburger,  zum  Fuscus  erkoren,  Christian  Ludwig  aber  hinreichend  als 
berühmter  Schalk  gezeichnet  wurde,  endlich  Käufflin,  ein  verstiegener  Tageslitterat.  — 

Die  bahnbrechenden  Bemühungen  der  Schweizer  bringt  uns  ein  ungemein 
exakter,  fein  ausgestatteter  Neudmck  der  „Discourse  der  Mahlern"  wieder  nahe, 
den  Th.  Vetter  ^8)  besorgt.  Den  einzelnen  Stücken  konnten  die  Verfassernamen  bei- 
gefügt, in  den  Anmerkungen  Entstehungsgeschichte  und  Quellenuntersuchungen  reichlich 


S.  1626.]|  -  14)  C.  Bertheau,  J.  B.  ScLupp:  ADB.  M,  S.  C7-77.  -  15)  G.F,  Fuchs,  Aus  d.  Leben  d.  Landgrafen  Georg  II.: 
GBimVHessen.  1,  S.2C/7.  —  16)  F.  Zenger,  J.  B.  Schupp:  Ilesseuland  S.  82/3.  —  17)  y.,  Hagedorns  Uebertr.  d.  horazischen 
Schwätzersatire  auf  hamburgische  Verhältnisse:  HambCorr.  N.  244,  250.  —  18)  D.  Discourse  d.  Mahlern.  1721—1722.  Mit 
Anm.  her.  v.     Th.  Voller.     1.     (=   BiW.  Mlterer  Schriftwerke  d.  deutschen   Schweiz    her.   v.  J.  Bächtold    u.    F.  Vetter 


31  J.  Elias,  Didaktik  dos  17./18.  Jahrhunderts.  III  5:  i«-23. 

niedergelegt  werden;  seine  beiden  Vorarbeiten,  „Der  ßpectator  als  Quelle  der  Discourse" 
(1887j  und  die  Ausgabe  der  „Ohronirk"  (1H87),  boten  V.  hier  das  Material.  In  dem 
ersteji  Teile  der  „Discourse"  lassen  sich  mit  Sicherheit  auf  das  englische  Vorbild  zurftck- 
f(\hren  die  Nnmmern  I,  VIII,  Xll — XIV,  XIX — XX;  wahrscheinlich  ist  die  Anlehnung 
in  den  Stücken  II,  III,  VI,  XVI;  ein  Spectator-Motiv,  das  Kartenspiel  ist,  unabhängig 
von  Addison  luid  Steele,  angeschlagen  in  Nummer  XV.  Es  w.iren  von  Einfluss:  Seneca 
auf  Discurs  IV,  Locke  auf  IX,  Shaftesbury  auf  XVII— XVIII.  Stück  XXI  stellt  sich 
als  eine  uiunittelbare  Fortsetzung  von  XIII  und  XVII  heraus.  Die  Beziehungen  zu 
den  „Muhlern  der  Sitten"  nud  den  „Vernünftigen  Tadlerinnen"  werden  in  jedem  Falle 
klargelegt.  Zur  Widmung  der  ersten  Bandes  teilt  V.  mit,  dass  Bodmors  und  Bhm- 
tinge-rs  französisches  Sclireiben  an  Ricjjard  Steele,  vom  IH,  Okt.  1721,  wahrscheinlich 
gar  nicht  in  die  Hände  des  Empfängers  gelangt  und  von  englischer  Seite  keine  Aeusse- 
rung  auf  die  schweizerische  Nachalmunig  erfolgt  sei.  Was  die  Urheber  des  vorliegenden 
Buches  betrifft,  so  entfallen  auf  Bodmor  die  Nummern  I— III,  V— VIII,  XII,  XIV, 
XIX,  XX,  XXII;  auf  Breitinger  die  Stücke  IV,  IX— X,  XIII,  XV,  XVII,  XXI,  XXIV; 
auf  Zellweger  Nummer  XI;  auf  Bodmer  und  Breitinger  gemeinsam  die  Discurse  XVI, 
XVIII,  XXIII.  Auf  Stück  XIX  weist  V.  besonders  hin  als  den  Frtthkeim  der  grossen 
Theorien.  — 

Im  fünften  „Discourse  der  Mahlern"  handelt,  breit  und  eindringlich,  Bodmer  über 
das  Wesen  der  Geschichtsschreibung.  Hier  knüpft  G.  Tobler'")  seine  ausgiebige  Studie 
über  den  Historiker  Bodmer  an.  Im  einzelnen  sind  der  ungedruckto  Nachlass  auf  der 
Züricher  Stadtbibliothek  iind  wichtige  Briefquellen,  wie  die  Korresjjondenz  mit  Zell- 
weger (in  Trogen)  benutzt  worden.  Man  sieht,  dass  Bodmer  schon  in  jungen  Jahren 
über  die  Sammelmethode,  die  Chronistik  der  früheren  schweizerischen  Geschichts- 
schreiber den  Stab  briclit,  indem  er  psychologisches  Erkennen  der  Thatsachen  und  ge- 
diegenes Urteil  fordert,  dass  er  zur  Begründung  der  kulturhistorischen  Foi*schung 
in  seiner  Heimat  den  ersten  Spatenstich  thut  und  durch  eine  neue  Erschliessiuig  der 
Quellenschinften  der  künftigen  Wissenschaft  wesentlich  vorarbeitet.  Er  fördert  den  Sinn 
für  vaterländische  Geschichte  weit  im  Lande,  zieht  angesehene  Leute  zur  Mitarbeit 
heran,  sichert  die  Fortsetzung  torsoliafter  Werke,  ginindet  Zeitschriften  und  gelehrte 
Gesellschaften,  die  seinem  grossen  Zwecke  dienen.  Bei  der  Geschichte  allein  bleibt  er 
nicht  stehen,  er  sucht  den  Politiker,  den  Nationalökonomen,  den  Pädagogen  in  sich  zu 
entwickeln.  Seine  allgemeinen  Anschauungen  freilich  bleiben  in  den  Gedankenkreisen 
Montesquieus,  Quesnays,  Rousseaus,  Basedows  befangen,  wie  er  denn  auch  auf  diesen 
Gebieten  mehr  ein  anregender,  als  ein  schöpferischer  Geist  gewesen  ist.  In  der 
„Empfehlungsschrift"  zu  den  „Historischen  und  Critischen  Beyträgen"  (173J))  findet  T. 
schon  ein  Lessingsches  Motiv:  „dass  die  Wahrheit  die  Seele  der  Historie,  die  Wahr- 
scheinlichkeit die  Seele  der  Fabel  (Poesie)  sei".  Im  Züricher  Nachlasse  entdeckt  T. 
ferner  die  Hss.  zweier  gescliichtlichen  Stücke  „Rudolf  Schöno,  ein  Trauerspiel" 
und  „Die  Schweizer  über  dir,  Zürich,  oder  Rudolf  Stüssi,  Politisches  Trauerspiel  in 
2  Teilen".  Er  bezeichnet  diese  ganze  Gattung  Bodmerscher  Arbeiten  richtig  als  „historisch- 
politisch-dramatische Wechselbälge",  hebt  aber  aus  dem  „Schöno"  eine  eigenartige, 
staatsmännische  Idee  heraus,  die  auf  die  „Aufhebung  der  Unterthanenverhältnisse"  und 
auf  die  „Einführung  einer  aus  proportionaler  Volkswahl  hervorgehenden  eidgenössischen 
Bundesversammlung"  hinzielt.  —  Ein  ergänzendes  Dokument  für  Bodmers  Historiographie 
bietet  A.  Tobler '-^o^  mit  dem  Abdruck  eines  Traktates  über  die  „Gescluchte  der  Unruhen 
in  den  äussern  Rhoden  in  den  Jahren  1732 — 1733",  dessen  Original  sich  gleichfalls  im 
Nachlasse  vorfindet.  Die  Zollkriege  zwischen  den  Aebten  von  St.  Gallen  und  Appenzell 
werden  dargestellt  und  unparteiisch  beurteilt.  — 

Das  Verhältnis  Hallers  zu  Christlob  Mylius  bert\hrt  ein  Schreiben  des  merk- 
würdigen abenteuernden  Litterators  vom  2G.  Sept.  1752,  das  Geiger 2i)  veröffentlicht. 
Es  ist  in  der  Hauptsache  ein  Bettelbrief,  womit  Mylius  dem  „hochgeschätzten  Gönner" 
zweihundert  Thaler  aus  der  Tasche  locken  wollte,  unter  dem  Voi'^ande,  für  die  beab- 
sichtigte, von  Haller  angeregte  Entdeckungsreise  nach  Surinam  die  nötigsten  Vorberei- 
tungen treffen  zu  müssen.  Auf  litterarische  Dinge  geht  der  Schreiber  nur  insofern  ein, 
als  er  bekennt,  dass  er  in  dem  Leibniz.streite  zwiscluMi  Samuel  König  einerseits  und 
Maupertuis  und  Leonhard  andererseits  publizistisch  für  König  Stellung  genommen 
habe.  22)  _ 

Li  einem  letzten  Abschnitte  seien  vereinzelte  Publikationen  gesammelt,  die 
sich    einer    bestimmten  Gruppe  nicht    unterordnen  lassen.     A.  Pichler^s)  erneuert  das 


2.  Serie,  2.  Heft.)  Frauenfeld,  Huber.  124  S.  M.  2,60.  |[L.  Hirzel:  AZg«.  N.  77.1  -  W)  0-  Tobler,  J.  J.  Bodmer  als 
Ge.schiihtssclireiber.  Neujahrsbl.  d.  Stiultbibl.  in  ZUricb.  ZOricIi,  Orell  FDssli  &  Co.  49  S.  |[R.:  AppenidUbb.  4,  S.  147  8.1  — 
20)  A.  Tobler,  E.  Beitr.  z.  appenzell,  «esch.  d.  Jahre  1732;3:  AppenzelUbb.  4,  S.  12—52.  —  21)  L.  Geiger,  E.  Brief  t. 
Chr.  Mylius  an  Haller:  VLG.  3,  S.  367-73.  —  22)  (IV  6:1.)-  23)  A.  P  ichler,  Hippolytas  Guarinonius:  flTTR.  11.  S   H5-49; 


III  5:  24-29.  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  32 

Bild  des  biderben,  urwüchsigen,  vielseitigen  Hippolytiis  Guarinonius.  Er  beklagt,  dass 
der  litterarisch,  historisch,  kulturgeschichtlich  tief'gebildete  Arzt,  dieser  seltsame,  ge- 
mütvolle Polyhistor,  bisher  so  karg  gewürdigt  worden  sei;  er  vergisst  aber,  neben  dem 
bündigen  Hinweis  auf  Erich  Schmidt,  Janssen,  J.  Meissner  („Die  engl.  Comödianten 
usw."  1884,  Einleitung),  G.  Erancks  hübsche  Biographie  und  Schilderung  des  Haupt- 
werkes „Die  Greuel  der  Verwüstung"  anzuführen  (ADB.  10,  S.  83/5).  P,  schöpft  viel- 
fach aus  ungedrucktem  Ms. ;  sein  Aufsatz  hält  sich  in  flotten,  frischen  Formen.  Er  hebt 
einige  wichtige  litteraturgeschichtliche  Details  hervor :  Guarinoni  weist  auf  die  Sage  von 
der  Portia  (Kaufmann  von  Venedig)  und  den  Don  Juan-Stoif  hin,  erzählt  das  Motiv  von 
Scliillers  Handschuh,  berührt  die  Seifensieder-Idee  Hagedorns.  Er  ist  ein  für  seine  Zeit 
aufgeklärter  Mann,  der  dem  Hexenglauben  soweit  entgegentrat,  dass  er  sich  der  gefähr- 
deten Matronen  und  Greisinnen  mit  warmem  Worte  annimmt  und  den  Betrug  der  Astro- 
logen verdammt.  Er  zeigt  sich  als  redlicher  Spötter  gegenüber  dem  Gebahren  des 
Adels,  der  Prasserei  der  Bürger,  der  Unehrlichkeit  der  Wirte,  in  einer  Sprache,  die 
an  Abraham  a  Sancta  Clara  mahnt.  Seine  Verdienste  um  die  botanische  Forschung 
sind  nicht  zu  übersehen:  die  Beschreibungen  der  freien  Gottesnatin',  die  er.  Pflanzen  zu 
suchen,  durchwandert,  steigern  sich  nicht  selten  zu  dichterischer  Glut.  Auch  Guarinonis 
politische  Anschauungen  beleuchtet  P.,  indem  er  aus  dem  ungednickten  Bruchstücke 
„Der  christliche  Weltmann"  (1626)  den  Inhalt  eines  kleinen,  antimaccliiavellistischen 
Dramas  mitteilt.  — 

Die  Frage,  ob  Philipp  Zesen  in  Leipzig  studiert  habe,  glaubt  Edw.  Schröder24-25) 
auf  Grund  einer  Privatmitteilung  E.  Elsters  verneinen  zu  müssen,  der  die  Immatricu- 
lationsverzeichnisse  dui'chgesehen  hat;  Dissel  hatte  die  Leipziger  Studienzeit  auf  das 
Sommersemester  1641  bestimmt  (JBL.  1890  III  5  :  7).  Der  Umstand,  dass  der 
Name  in  den  Listen  fehlt,  kann  an  sich  nicht  massgebend  sein,  wenn  nicht  die  Voll- 
ständigkeit und  Sorgfalt  der  Listenführung  über  allem  Zw^eifel  steht:  Chr.  Wernicke 
z.  B.  hat  unter  Morhof  um  die  Wende  der  70er  Jahre  unbedingt  in  Kiel  studiert,  und 
doch  ist  sein  Name  in  den  Bücherii  nicht  zu  finden.  Darin  freilich  hat  S.  recht,  dass 
Dissel  wie  Gebhardt  in  diesem  Punkte  die  arcliivalische  Quelle  nicht  hätten  übersehen 
dürfen,  wie  darin,  dass  für  die  Geschichte  der  Dorothea  von  Rosenthal  die  Fachgenea- 
logien das  schlesischen  Adels  ausführlich  zu  befragen  seien.  — 

Die  spärlich  erhaltenen  Materialien  zu  einer  Lebensbescln-eibung  des  öster- 
reichischen Diyjlomaten  Johann  Rudolf  Schmid  von  Schwarzenhorn  sammelt  Th. 
Vetter  2<J)  zu  einem  Erinnerungsbüchlein;  in  den  April  1890  fiel  der  dreihundertjährige 
Geburtstag  des  Mannes,  der  in  den  Zeiten  der  Türkengefahr  von  drei  Kaisern  zu  den  Ver- 
handlungen mit  der  Pforte  ausersehen  wurde.  In  die  Litteraturgeschichte  ist  er  des- 
halb gelangt,  weil  er  unter  dem  Namen  „der  Verdienende"  dem  Palmenorden  angehörte 
(seit  9.  Febr.  1657);  auch  Bächtold  gedenkt  seiner  in  der  „Geschichte  der  deutschen 
Litteratur  in  der  Schweiz".  Schwarzenhorn  hat  Gelegenheitsverse  gemacht,  nicht  besser 
und  niclit  schlechter  als  andere  hochgestellte  Dilettanten  seiner  Zeit.  V.  giebt  das  Ge- 
dicht wieder,  mit  dem  der  alte  Schweizer  einen  Pokal  als  Ehrengabe  seiner  Heimatstadt 
Stein  übersandte.  Er  gedenkt  ferner  des  Schulmeisters  Johann  Nussigk  aus  Iglau, 
der  in  einem  naiven  Reimgedichte  den  kläglichen  Zustand  der  Welt  zu  begründen 
sucht  (1581).  — 

Die  Gattung  der  Sprüche  und  Zeitverse  berühren  ein  Hamburger  Anonymus^'') 
und  F.  W.  E.  Roth.28)  Jener  erinnert  an  eine  Lotterie,  die  1614  für  den  Bau  eines 
Arbeitshauses  veranstaltet  wurde  und  die  Bürger  reizte,  statte  mit  Namen  versehener 
Zettel  Motti  in  die  Urne  zu  werfen;  neben  vielen  wohlbekannten  Worten  finden  sich 
manche  hübsche  Aussprüche  lokaler  Weisheit.  —  R.  druckt  zwei  kleinere  Spottgedichte 
aus  der  Epoche  des  30 j.  Krieges  ab,  deren  Originale  er  unter  Rheingauer  Akten  ent- 
deckt hat.  In  makaronischem  Latein  wird  die  zusammengeborgte  Wirtschaft  eines  öster- 
reichischen Erzherzogs  geschildert  und  ein  Speisesegen  mitgeteilt,  der  über  den  „Magen 
der  Kirche"  witzelt.  Zwei  Distichen  die  eine  ernsthafte  Benedictio  enthalten,  dagegen 
zeigen  des  Autors  Gewandtheit  im  korrekten  Latein.  — 

Die  Beschreibung  einer  Kavalierfahrt  in  das  Ausland,  von  C.  Curtius^O)  mit 
Einleitung  vmd  Anmerkungen  abgedruckt,  ist  nicht  bloss  für  die  Geschichte  der  Reise- 
journale  wichtig  tnid  unterrichtend.  Ueber  das  Leben  Chr.  H.  Posteis  giebt  es  kehie 
aiithentischen  Zeugnisse;  aus  Wilckens-Ziegras  „Hamburgischem  Ehrentempel"  mir  koinite 
J.  Elias  (ADB.  26,  S.  465 — 73)  feststellen,  dass  Wilckens  wie  Weichmann  Tagebücher  vor- 
gelegen haben,  zumal  für  eine  Studienfahrt  Posteis  durch  Holland,  England,  Franki-eich. 


145-51.  —  24)  Edw.  Schröder,  Ph.  Zosen  in  Leipzig?:  ADA.  17,  S.  .344/5.  —  25)  id.,  K.  Dissel,  Ph.  v.  Zeson :  UZ.  67, 
S.  303/4.  —  26)  Th.  Vetter,  Joh.  Rud.  Scbiuid  Frhr.  v.  Schwarzenhorn.  Frauenfeld,  Huber.  35  S.  M.  0,60.  —  27)  Alt-ham- 
burgische Spruchweisheit:  llambCorr.  N.  398.  —  28)  F.  W.  E.  Roth,  Deutsch-lat.  Gedichte  aus  d,  Zeit  d.  30j.  Krieges: 
(Jermania  36,  S.  179—81.  —  29)  Beschreibung  e.  Reise  durch  d.  uordwestl.  Deutschland  nach  d.  Niederlanden  u.  England  i.  J. 
1683  T.  JaV.  V.  d,  Melle  u.  C.  11.  Postol.  ITer.  v.  C-  ^urtins.  Festsohr.  z.  20.  Versammlung  d.  HansQV.,  19— 20.  M:ii.   Lübeck, 


33  J.  Elias,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  Ol  6:  so-tt. 

C,  hat  nun  auf  der  Ltlbeckischen  Stadtbibliothek  die  Hs.  eines  Journals  gefunden,  worin 
aus  der  Feder  dos  Gottesgelehrten  und  Polyhistors  Jakob  v.  Melle  tlber  eine  Jugend- 
reise eingehend  berichtet  wird,  die,  der  Lübecker  und  sein  Hamburger  Freund  Postel 
zur  gemeinsamen  Ausbildung  unternommen  haben.  Das  Ms.  ergiebt  so  wesentliche 
Uebereinstimmungon  mit  dem  Auszuge  des  Wilckens,  dass  man  auch  auf  eine  gemein- 
schaftliche Niederschrift  der  Erlebnisse  schliessen  darf.  Dabei  hat  entweder  jeder  »ein 
besonderes  Exemplar  besessen  oder  v.  Melle  allein  hat  die  Feder  geführt.  Wie  dem 
auch  sei,  das  Büclilein  bildet  ein  Aktenstück  auch  zur  Biographie  Posteis,  das 
einzige,  das  man  kennt.  Die  Unternehmung  begann  am  Nachmittage  des  15.  Juni  1683 
und  ward  beendet,  für  Postel  am  23.,  für  v.  Melle  am  25.  Dec.  desselben  Jahres. 
Sie  erstrockte  sioli  von  Hamburg  auf  Bremen,  Groningen,  Franecker,  Amsterdam,  Leyden, 
Haag,  Utrecht,  Rotterdam,  Antwerpen,  Brüssel,  Brügge,  Calais,  Dover,  London,  Oxford, 
Dioppo,  Rouon,  Paris,  Nancy,  Strassburg;  dann  ging  es  über  Heidelberg,  Frankfurt  a.  M. 
zurück  in  die  Heimat.  Eine  Reise  nach  Italien  hatte  Elias  nicht  angenommen,  weil  er. 
Wilckens  ein  gi-össeres  Zutrauen  schenkte  als  dem  geschwätzigen  Weichmann,  dem  sich 
Jördens  und  Schröder  als  der  einzigen  Quelle  über  Posteis  Leben  rückhaltlos  an- 
schlicssen.  Beiden  war  Wilkens  eben  nicht  bekannt  Seine  „italienische"  Reise  unter- 
nahm Postel  erst  i.  J.  1700  (17.  Jan.  bis  15.  Sept.)  Die  neue  Publikation  hat  Elias' 
Ansiclit  bestätigt.  C.s  Studien  zu  dem  Funde,  der  eine  treue,  sorgsame  Wiedergabe  er- 
fahren hat,  zeugen  von  einer  sehr  eifrigen  Beschäftigung  mit  dem  Gegenstande.  In  An- 
merkungen wird  die  Reiseroute  so  genau,  als  es  irgend  ging,  Punkt  für  Punkt  kommen- 
tiert. Im  allgemeinen  haften  die  Aufzeichiunigen  der  Reisenden  an  äusserlichen  Dingen, 
auch  in  den  litterarischen  und  wissenschaftlichen  Beziehungen.  Dia  Versuche,  die 
begegnenden  Persönlichkeiten  zu  charakterisieren,  sind  knapp  und  T?chwach  ausge- 
fallen. 30-36)   _ 


G.  Borchers.  48  S.  —  30)  X  Kiesel,  G.  W.  v.  Leibniz:  Walzer  n.  Weites  Kirohenlox  7,  8.  1663—80.  (E.  gerecht«,  klage 
WUrdigunff.)  —  31)  X  P.  Gesche,  D.  Ethik  Leibnizens  Diss.  Halle  a.  S..  Uofbuchdr.  v.  Kaemmerer  t  Co.  76  S.  —  82)  X  H.  F. 
Boneke,  Leibniz  als  Ethiker.  Diss.  Erlangen  40  S.  —  33)  X  H.  A.  Lier,  N.  Schmidt-KUntzel:  ADB.  32,  S.  16/8.  iKaoer 
u.  Autodidakt,  Kalenderschreiber  ii.  Sprachgenie.)  —  34)  X  Gt.  Gaebel,  K.  Krebs,  d.  politische  Publizistik  d.  Jesuiten  usw.: 
MIIL.  19,  S.  247—50.  —  35)  X  Chr.  Hutzelmann,  E.  jesuiti^chor  Feldzugsplan  z.  Ausrottung  aller  Ketzer  Nach  e.  lU. 
(ans  1735).   Leipzig,  G.  Kaufmann.    27  S.  M    0,50.  — 


Jahresberichte  fltr  neuer»  deutsche  LittMAtorgesehicht«  II  («i. 


IV.  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
bis  zur  Gregen^vart. 


iv,i 

Allgemeines. 

Gustav  Roethe. 

Die  Inhaltsangabe  s.  am  Schlüsse  des  Abschnitts. 

Dass  der  wissenschaftliche  Litterarhistoriker  einer  gründlichen  philologischen 
Durchdringung  seines  Stoffes  nicht  entraten  kann,  daran  wird  kein  Urteilsfähiger  zweifeln, 
so  lärmend  sich  die  entgegengesetzte  Meinung  gerade  in  unseren  strenger  geistiger 
Arbeit  abholden  Tagen  zumal  in  der  Tagespresse  vernehmen  lässt.  Freilich  hätte  sich 
diese  Meinung  nicht  so  breiten  Boden  erobern  können,  wären  nicht  die  philologischen 
Litterarhistoriker  selbst  mitschuldig.  Der  Vorwurf  eines  übertriebenen  Specialistentums, 
das  vor  lauter  Vorarbeiten  nicht  dazu  gelangt,  die  grossen  Aufgaben  in  Angriff  zu  nehmen, 
dieser  Vorwurf  ist  gerade  der  neueren  deutschen  Litteraturgeschichte  nicht  ganz  zu  er- 
sparen: haben  wir  es  doch  erleben  müssen,  dass  Franzosen  uns  mit  umfänglicheren 
wissenschaftlichen  Arbeiten  über  Hans  Sachs  und  Tischart,  über  Gryphius  und  die 
Faustlegende,  über  Herder  und  Jean  Paul  zuvor  kamen.  Diese  Schwäche  unserer 
jetzigen  Arbeitsweise  prägt  sich  charakteristisch  auch  darin  aus,  dass  uns  das  Jalu'  1891 
von  Litteraturgeschichten  des  achtzehnten  oder  neunzehnten  Jahrhunderts  zwar 
drei  Bearbeitungen  älterer  Werke  aus  einer  mutigeren  Zeit,  aber  nicht  einen  ernsthaftoji 
Versuch  neuer  Darstellung  gebracht  hat.  Unter  jenen  Bearbeitungen  ist  nun  allerdings 
eine  so  erhebliche  Leistung  wie  der  vierte  Band  der  zweiten  Auflage  von  Goedekes  i) 
altbewährtem  Grundriss,  der  erste,  der  seit  dem  Tode  des  Vf.  zum  Abschluss  gelangt 
ist.  Es  ist  wiederum  charakteristisch  für  das  Specialistentum  \inserer  Tage,  dass  sich 
um  diesen  Bruchteil  des  grossen  Werkes,  das  einst  ein  einziger  Gelehrter  von  freilich 
wunderbarer  Arbeitskraft  geschaffen  hat,  jetzt  ausser  dem  eigentlichen  Herausgeber, 
E.  Goetze,  nicht  weniger  als  acht  Forscher  verdient  gemacht  haben,  zum  Vorteil  der 
schnellen  und  erschöpfenden  Arbeit,  zum  Schaden  der  Einheitlichkeit.  Goedeke  hatte 
für  diesen  Band,  der  die  §§  201 — 46  umfasst,  zwar  nicht  unbeträchtliches  Material 
hinterlassen;  aber  fast  nichts  war  druckfertig,  höchstens  für  einige  untergeordnete 
Dichter  waren  seine  Notizen  einigermassen  ausreicliend;  ein  grosser  Teil  seiner  Auf- 
zeichnungen kam  über  das  Zufällige  kaiim  hinaus.  Der  umfänglichsten  Ergänzungen 
und  beständiger  Nachprüfung  bedurfte  dieser  Nachlass  auf  Schritt  und  Tritt.  Von  dem 
Fleiss  und  der  Gelehrsamkeit,  mit  der  die  neue  Ausgabe  bearbeitet  wurde,  zeugt  es 
rühmlich,  dass  sich  der  Umfang  des  Bandes,  an  der  ersten  Fassung  gemessen,  auf  mehr 
als  das  Doppelte  beläuft.  Der  Löwenanteil  dabei  kommt  freilich  der  sorgfältig  nach- 
getragenen neueren  wissenschaftlichen  Litteratur  zu;  störende  Lücken,  wie  bei  Joh.  El. 
Schlegel  und  der  Karschin,  habe  ich  nur  sehr  selten  bemerkt;  in  einigen  Absclinitten, 
bei  Lessing  und  namentlich  bei  Goethe,  ist  in  der  Anhäufung  minderwertiger  Arbeiten 
sogar  des  Guten  eher  zu  viel  geschehen;  weniger  wäre  mehr,  zumal  da  die  innerhalb 
der    einzelnen    Rubriken    gebräuchliche,    ganz    abscheuliche  Anordiuing    nach    dem   Er- 


I)  K.  Goedeke,  Grundriss  z.  Gösch,  d.  dtsch.  Dichtung.  Aus  d.  Quellen.  2.  ganz  neu  bearb.  Aufl.  Nach  d. 
Tode  d.  Vf.  in  Verbindung  mit  D.  Jacohy,  K.  Justi,  M.  Koch,  K.  Mtlller-Fraurouth,  F.  Muncker,  K.  Chr.  Redlich, 
A.  Sauer  u.  B.  Suphan  fortgeführt  r.  E.  Goetze.  4.  Bd.  V.  7j.  bis  z.  Weltkriege.  Erste  Abt.  Dresden,  Ehlermann. 
Xn,   780    S.    M.    27,00.     |[LCI!1.    1890,   N.     19;    L.  Hirzel:    DLZ.  12,    N.  41.    14,  N.  20;    W.   Seh.:    CBlBibl.    1892,    8.  188; 


85  Q-.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  2. 

sclieiuungsjahr  der  Büchor  und  Aufsätze  die  Orientierung  sehr  erschwort.  Weniger 
energiscli  hat  die  noue  Bearbeitung  Goedekes  Angaben  über  die  Schriften  der  Dichter 
selbst,  den  wichtigsten  Teil  seines  Werkes,  revidiert  und  ergänzt;  sie  ist  wenigstens 
ungleiclnnässig  darin.  Wolil  sind  Redlichs  Abschnitte  §231  und  232  über  die  Musen- 
almanache und  den  Güttinger  Dichterbiuid  auch  in  dieser  Hinsicht  über  jedes  Lob  er- 
haben; wülil  verdient  Sauers  Umgestaltung  des  §  230  über  die  Stürmer  und  Dränger, 
in  der  z.  B.  Bahrdts  Schriften  von  15  auf  98,  die  Schubarts  von  13  auf  84  Nummern 
gebraclit  worden  sind,  volle  Anerkennung,  wenngleich  aucli  hier  bei  Gou^  (und  Lenz?) 
sich  Lücken  in  der  Berücksichtigung  der  Einzeldrucke  fühlbar  machen.  Aber  sehr  viel 
dürftiger  sieht  es  namentlich  in  den  von  Götze  selbst  bearbeiteten  Paragraphen  aus. 
So  manchen  alten  bibliographischen  Felder  habe  ich  da  wiedergefunden:  es  scheint  nicht, 
dass  die  Schätze  der  grossen  Bibliotheken  erschöpfend  ausgenutzt  sind;  auch  von  dem 
an  sich  löblichen  Grundsatze,  die  Angaben  der  Antiquariatskataloge  selbst  ohne  Autopsie 
zu  verwerten  —  doch  war  dann  die  Quelle  anzugeben  — ,  konnte  reichlicherer  Gebrauch 
gemacht  werden.  Man  messe  nur  das  von  Götze  kaum  bereicherte  Verzeichnis  der 
Schriften  Bodmers  an  Bächtolds  Bibliograpliie  in  den  Anmerkungen  seiner  Geschichte 
der  deutschen  Litteratur  in  der  Schweiz;  auch  die  Abschnitte  über  Gerstenberg, 
Hamann  u.  a.  erweisen  sich  als  unzulänglich.  Dass  Goedekes  darstellender  Text  fast 
unverändert  blieb,  war  zu  rechtfertigen;  weniger  billige  ich  es,  dass  auch  seine  Anord- 
nung allzu  pietätvoll  beibehalten  wurde:  Lavater  z.  B.  gehörte  gewiss  eher 
unter  die  Stürmer  und  Dränger  als  in  den  zahmen  §  219.  Eine  stattliche 
Anzalü  neuer  Dichtemamen  wurde  aufgenommen:  gerade  dafür  waren  meines 
Erinnerns  Goedekes  Vorarbeiten  einigermassen  ergiebig.  Leider  fehlt  noch  immer 
ein  brauchbarer  Abschnitt  über  die  moralischen  Wochenschriften;  und  wenn 
in  dem  überhaupt  unbegreiflich  ärmlichen  §  202  (theoretische  Werke)  Dubos  genannt 
wurde,  so  ist  es  nicht  zu  verstehen,  warum  so  viele  andere,  für  die  deutsche  Litteratur 
des  18.  Jh.  mindestens  ebenso  einflussreiche  Kunstrichter  Frankreichs,  Englands  und  Italiens 
unerwähnt  blieben.  Der  berechtigte  Wunsch,  das  uns  allen  unentbehrliche  Werk  so  schnell 
wie  möglich  zu  fördern,  hat  offenbar  in  den  ersten  Partien  des  Bandes  zu  flüchtiger 
Arbeit  verleitet;  ich  durfte  das  nicht  verschweigen,  betone  nun  aber  um  so  nachdrück- 
licher, dass  die  neue  Auflage  in  ihrer  Gesamtheit  und  in  vielen  Einzelheiten,  die  an 
andern  Stellen  der  JBL.  gewürdigt  werden,  einen  ungemein  verdienstlichen  Fort- 
schritt bedeutet;  jeder  Benutzer  wird  die  reiche  Förderung,  die  er  von  dem  Buche  in 
seiner  neuen  Gestalt  auf  Schritt  und  Tritt  erfährt,  dankbar  anerkennen.  —  Das  Gleiche 
kann  ich  der  neuen  Auflage  voa  Gottschalls 2)  vielbenutztem  und  weit  über  Gebühr 
gepriesenem  Werke  nicht  nachrühmen.  Schon  die  selbstzufriedene  Vorrede,  die  über 
den  Einbruch  der  Fachgelelu-samkeit  in  die  Litteratvu'geschichte  deklamiert  und  sich 
lustig  macht  über  die  Rolle,  die  die  Chronologie  in  Julian  Schmidts  neu  umgegossenem 
Buche  spiele,  giebt  die  Gewissheit,  dass  ilu'  Verfasser  nichts  zugelernt  hat;  ihm  sind 
noch  immer  die  Portraitstudien  Ein  und  Alles.  Wer  für  die  zeitlichen  und  intimeren 
künstlerischen  Zusammenhänge  im  Leben  der  Litteratur  so  wenig  Verständnis  hat  wie 
G.,  der  muss  schon  ein  glänzender  Portraitmaler  sein,  um  dafür  zu  entschädigen.  Die 
glitzernden,  aber  unanschaulichen  und  jeder  Schärfe  der  Auffassung  entbelirenden  Bilder 
G.s,  die  selbst  schriftstellerisch  mit  den  Skizzen  von  Gervinus  und  Scherer  keinerlei 
Vergleich  aushalten,  beleliren  mich  nur,  dass  der  Selbstdichter  keinen  Beruf  zum  Ge- 
schichtsschreiber der  Dichtung  hat.  Davon  zeugt  mir  auch  der  in  der  neuen  Auflage 
eingefügte  Abschnitt  „Die  litterarische  Entwicklung  seit  1840  in  ihren  Grundzügen" ; 
dass  G.  selbst  sich  zum  Ideahsmus  bekeln^t,  fördert  zwar  sein  Verständnis  für  Gutzkow, 
macht  ihn  aber  ungerecht  gegen  Freytag,  den  Realisten:  seine  Abneigung  gegen  diesen 
stimmt  ilui  dagegen  merkwürdig  freundlich  gegen  die  Jüngsten,  die  Naturalisten,  über 
die  er  sich  freilich  mehr  aus  den  Deklamationen  Bleibtreus,  Albertis  und  Steigers  als  aus 
ihren  Dichtungen  selbst  belehrt  zu  haben  scheint;  sonst  wäre  ihm  nicht  die  „Gesell- 
schaft" ihr  Repräsentant,  sonst  würde  er  nicht  ihrer  Lyrik  das  Neue  absprechen,  sonst 
würde  er  nicht  behaupten,  dass  eine  Richtung,  als  deren  Meister  er  u.  a.  Ibsen  nennt, 
von  Ideen  und  Tendenzen  in  der  Kunst  nicht  das  Geringste  wissen  wolle.  Ausser 
diesem  einzigen  neuen  Kapitel  zeigt  G.s  Werk  in  den  beiden  ersten  Bänden  dieser 
Auflage  keinerlei  tiefgreifende  Umgestaltung,  so  zaliLreich  sie  mit  kleinen  Fhckereien 
versehen  wurde.  Noch  immer  beurteilt  er  Kleist  als  wesentlich  pathologisch.  Grillparzer 
hat  zwar  einen  eignen  Abschnitt  bekommen,  während  er  früher  in  die  Rubrik  „Scliicksals- 
tragödie"  eingepresst  wurde;  aber  seine  Beurteilung  hat  dadurch  nicht  gewonnen;  die 
Zusätze  über  seine  Lyrik  und  über  .,Weh  dem,  der  lügt"  bedeuten  keinen  Fortschritt  des 
Verständnisses.     G.s  Stellung  zu  Heine  ist  unter  den  widerspruchsvollen  Einflüssen  von 


Ph.  Strauch:  ADA.  19,  &  128.]  |  —  2)  B.  v.  Gottschall,  D.  dtsoh.  Nationallitt.  d.  19.  Jh.  Litt-hist  u.  krit.  dargest.   6.  rem 
u.  verb.  Aufl.    Bd.  1-2.    Breslau,  Trewendt.    XXXU,  672;   575  S.    M.  10,00.    |IH.  P.:    DB.  4,  8.  374 f.  (Tiel  zu  warm);  WIDM. 

a* 


IV  1:  3.  G.  Eoethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  36 

Brandes  und  Treitschke  (JBL.  1890  IV  1 :  10;  14: 1)  nur  haltloser  geworden.  In  das  Kapitel 
„Originaldenker",  das  von  schiefen  und  unsichern  Urteilen  strotzt,  sind  jetzt  die  natur- 
wissenschaftlichen Psychologen  wie  Fechner,  Drobisch  und  Wundt  eingepfercht  worden, 
die  durchaus  als  Gruppe  für  sich  zu  behandeln  waren;  besser  passte  unter  jene  Ueber- 
schrift  neben  Eugen  Dühring  Friedrich  Nietzsche,  der  nur  leider  nicht  zu  den  Geistern 
gehört,  die  G.  begreift.  Dem  entsprechend  findet  G.  jetzt  Worte  für  Bebel  und  Lieb- 
knecht, für  den  phrasenhaften  Schönredner  Portig,  während  mir  z.  B.  Lagardes  Name 
auch  jetzt  noch  nicht  bei  ihm  begegnet  ist.  Dem  modernen  Berliner  Theaterleben  wird 
ein  Abschnitt  gewidmet:  wie  vertraut  G.  mit  ihm  ist,  zeigt  er  u.  a.  dadurch,  dass  ihm 
die  „Matadore  der  freien  Bühne"  Brahms  und  Schlenter  heissen.  In  weitem  Umfange 
sind  dem  Text  allerlei  biographische  Notizen  eingefügt,  die  von  falschen  Daten  wim- 
meln: überall  unsaubere  Flickarbeit.  Von  der  verhassten  „Fachgelehrsamkeit"  hat  sich 
G.  sorgfältig  freigehalten:  noch  immer  sind  ihm  Goedeke  und  Kurz  die  Vertreter 
kritischer  Ausgaben;  seine  Litteraturangaben  kennen  zwar  den  Lessing  des  Frl.  von 
Zimmern,  von  Erich  Schmidts  Werke  weiss  G.  nichts;  Munckers  Klopstock,  Litzmanns 
Hölderlin,  die  Ausgabe  der  Briefe  Herders  an  Hamann  durch  Otto  Hoffmann,  der  Briefe 
Friedrich  Schlegels  an  August  Wilhelm  durch  Walzel  sind  ihm  unbekannt;  während  er 
allerlei  gleichgiltige  Prachtausgaben  verzeichnet,  hat  er  von  Munckers  Lessing-,  Elsters 
Heine-,  Sauers  Grillparzer-,  ja  der  Weimarer  Goethe- Ausgabe  offenbar  nichts  gehört.  Mit  einer 
so  äusserHchen  Modernisierung,  wie  sie  G.  diesmal  geliefert  hat,  ist  nichts  gewonnen; 
soll  das  seiner  Zeit  gewiss  verdienstliche  Buch  nicht  allgemach  geradezu  gemeinschädhch 
wirken,  so  möge  der  Vf.  die  Neubearbeitung  künftighin  in  andere,  kräftigere  und  nicht 
allzu  pietätvolle  Hände  legen.  —  Auch  der  Dritte  im  Bunde,  Grisebach  3),  liefert  mit 
seinem  „Goetheschen  Zeitalter  der  deutschen  Dichtung"  wiederum  lediglich  den  Beweis, 
dass  es  ein  Anderes  ist.  Dichter  sein,  ein  Anderes,  Geschichtsschreiber  der  Dichtung. 
Das  Buch,  das  auf  eine  teilweise  stark  bearbeitete  Erneuerung  der  älteren  Arbeit  G.s 
über  „Die  deutsche  Litteratiir  seit  1770"  hinausläuft,  charakterisiert  mehr  den  Vf.  als 
die  Zeit,  die  er  schildert:  sein  Reiz,  wie  seine  grosse  Schwäche  liegt  darin,  dass  G.  mit 
naivster  Harmlosigkeit  nur  das  gelten  lässt,  was  er  als  poetisch  kongenial  empfindet, 
was  ihm  bei  seiner  eigenen  poetischen  Entwicklung  zu  gute  kam.  Von  einer  wirklichen 
Geschichte,  die  unbefangen  den  Kampf  gegensätzlicher  geistiger  Strömungen,  den  Wechsel 
des  Geschmackes  darstellte,  ist  unter  diesen  Umständen  keine  Rede;  es  lohnt  nicht,  die 
zahllosen  Lücken,  Schnitzer,  Missurteile  aufzustechen;  für  den  künftigen  Biographen  des 
auch  von  mir  sehr  gewürdigten  Dichters  G.  wird  das  Buch  gerade  Dank  seiner  mass- 
losen Subjektivität  eine  unschätzbare  Quelle  sein.  Wäre  nur  G.s  Unwissenheit,  wie  sie 
sich  z.  B.  in  der  kindlichen  Einleitung  äussert,  das  ganz  Sporadische  und  Zufällige 
seiner  Belesenheit  nicht  so  unerlaubt  gross!  Klopstock  und  Lessing,  dessen  „Minna" 
in  G.s  Augen  eine  „Versöhnung  der  preussischen  Armee"  ist,  werden  sehr  von  oben 
herab  schnöde  erledigt,  zum  Teil  mit  Anlehnung  an  Herder,  der  wiederum  abgethan 
wird,  sowie  er  in  Konkurrenz  mit  Goethe  tritt.  Dass  G.  Goethes  Totalität  nicht  fasst, 
so  sehr  er  danach  ringt,  ist  selbstverständlich;  es  kennzeichnet  den  Vf ,  wie  er  bei  den 
„Unterhaltungen  deutscher  Ausgewanderter"  verweilt  und  an  ihre  Spuknovellen  ein  Ver- 
zeichnis der  Gespenstererzählungen  bis  auf  Alfr.  Schöne  knüpft,  in  dem  doch  z.  B. 
Halms  „Marzipanlise"  fehlt;  in  den  späteren  Partien  leidet  Goethes  Schilderung  oben- 
drein unter  der  Verquickung  mit  Clemens  Brentano.  Bürger,  der  wild  überschätzte, 
dessen  Würdigung  diesmal  ein  paar  Worte  über  Claudius  und  Hebel  angeleimt  sind, 
und  Blumauer  bekommen  noch  immer  ihr  besonderes  Kapitel,  doch  werden  sie  wenigstens 
kürzer  behandelt  als  in  der  älteren  Fassung.  Der  mühsam  der  Vollständigkeit  wegen 
abgequälte  Abschnitt  über  Schiller  wäre  uns  besser  ganz  erspart  geblieben.  Wirldich 
wohl  wird  es  G.  erst,  als  er  auf  Heinse,  Brentano  und  Heine  zusprechen  kommt,  auf  die 
Männer,  in  denen  er  mit  Recht  Geist  von  seinem  Geiste  wiedererkennt  Und  diese 
Partien  sind  die  besten  des  Buches.  Freilich,  wer  will  Heinse  (und  Thümmel,  den  G. 
hoch  über  Jean  Paul  stellt)  geschichtlich  verstehen,  der  Wieland  so  beiläufig  abthut 
wie  G.?  Immerhin  bemüht  er  sich,  Heinses  Entwicklung  darzustellen;  er  macht  zwei 
ungedruckte  Briefe  Heinses  an  Gleims  Sekretär  Schmidt  bekannt  und  verwertet  eine  be- 
merkenswerte Abweichung,  die  sich  Goethe  bei  der  Publikation  des  Briefwechsels  mit 
Schiller  gegenüber  dem  Originale  gestattete;  Goethe  ersetzte  nämlich  in  dem  Briefe  vom 
8.  Juli  1795  Klingers  „Giafar",  den  eine  befreundete  Dame  als  sein  Werk  angesehen  habe, 
durch  Heinses  „Ardinghello",  übrigens  mehr  wohl  aus  Rücksicht  auf  Klinger  als  aus  Vor- 
liebe für  Heinse.  Brentanos  Rosenkranzroraanzen  werden  an  Goethes  „Geheimnisse"  an- 
gekntipft,  andererseits  Heines  „Atta  Troll",  „Romanzero",  „Bimini"  mit  jenen  Romanzen 
in  Verbindung  gebracht,    obgleich  das  Erscheinungsjahr  der  Romanzen,   1852,    die  Ver- 


71,    S.   424f.]|    —    8)    E.    Grisebach,   D.    Goothesclio    Zeitalter   d.    dfsch.    Dichtung.     Mit   ungedr.   Briefen    W.    Heinses    n. 
Cl.  Rrflntanos.      Leipr.ip,    Enf!Olnianii.     VIII,    107    S.     M.    3,60.     |[A.    Chuquot:RCr.  S.   191;  NatZg.  11.  Sept.;  W.  Büchner: 


37  G.  Boethe,  Allgeraeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  l:  4-6. 

bindung  höchstens  für  „Bimiui"  wahrscheinlich  dünken  lässt.  Die  Einzelheiten  dieses 
Nachweises  halten  nicht  Stich,  der  Grundgedanke  aber,  dass  Heines  Lyrik  an  Brentano  sich 
anschliesse,  ist  nicht  neu,  aber  gewiss  richtig.  Heine,  dessen  spütere  Gedichte,  wie  beim 
Dichter  des  „Neuen  Tannhäusers"  selbstverständlich,  über  das  „Buch  der  Lieder"  gestellt 
werden,  findet  diesmal  als  Poet,  nicht  als  Charakter,  eine  f'reundlichereBeurteilung  als  früher; 
das  hat  G.  das  Lob  eines  !Feuilletonisten  der  Nationalzeitung  *)  eingetragen.  Von  Einzel- 
heiten sei  erwähnt,  dass  G.  Mercks  Erzählungen  als  Vorläufer  des  „Wilhelm  Meister"  sehr 
hoch  stellt,  Lessiiigs  „Emilia"  mit  Moretos  „Primero  es  la  honra"  in  Zusammenhang  bringt, 
Goetlies  Prokiu-atoniovelle  mit  Bestimmtheit  auf  Leonh.  Meisters  „Beiträge"  (London  1777) 
zurückftihrt  und  (8.  154)  als  Quelle  für  Heines  „Bimini"  Denis  „Le  monde  enchant6" 
oder  Grässes  „Ewigen  Juden"  hhistellt.  Andre  Dichter  als  die  genannten  werden  von  G. 
gar  nicht  oder  nur  mit  zwei  Worten  erwähnt,  wie  man  sich  mit  Hilfe  des  namenreichen 
Registers  leicht  überzeugt,  und  auch  dabei  verlässt  uns  die  Empfindung,  dass  wir  es 
durchweg  mit  subjektivsten  Liebhabereien  oder  zufälligsten  Lesefrüchten  zu  thun  haben, 
keinen  Augenblick.  Ueber  den  Grafen  Veitheim  und  Hans  Herrig  hören  wir  mehr  als 
über  Heinrich  v.  Kleist;  Grillparzer  und  Arnim  kommen  kaum  vor;  G.s  Landsmann  Alb. 
Moser  erhält  seinen  besondern  Abschnitt,  von  seinem  Vorbilde  Hölderlin  ist  eigentlich 
uur  in  einem  abgedruckten  Briefe  Brentanos  die  Rede  usw.  Die  Darstellung,  die  an- 
fangs lediglich  in  Citaten,  in  eigenen  und  fremden  Kraftworten,  namentlich  SSchopenhauers, 
fortschreitet,  wird  weiterhin  ruhiger  und  enthält  einige  wirklich  geistvolle  Bemerkungen. 
Recht  apart  und  liübsch  ist,  wie  stets  bei  G.,  die  Ausstattung,  wenn  ich  auch  nicht 
leugnen  kann,  dass  sie  mir  für  eine  ernsthafte  Litteraturgeschichte  zu  zierlich  und 
spielerig  erschehien  würde.  Aber  wir  haben  es  ja  auch  nur  mit  einer  Sammlung  von 
Aper9us  zu  thun.  In  einer  solchen  wirkt  nun  freilich  die  pedantische  Akribie,  mit  der 
G.  Büchertitel  bibliographisch  exakt  citiert,  höchst  belustigend.  Alles  in  allem  das 
amüsante  Capriccio  eines  poetischen  Sonderlings,  der  das  Bedürfnis  fühlt,  der  Welt  zu 
zeigen,  wie  sich  in  seinem  Kopfe  die  Geschichte  der  neueren  deutschen  Litteratur  ab- 
spiegelt. —  Kein  grösserer  Abstand  als  von  Grisebach,  der  am  liebsten  nur  Paradoxien 
sagte,  zu  einem  Schulbuch,  wie  es  Prosch^)  in  seinem  für  die  österreichischen  Lehr- 
anstalten berechneten  Leitfaden  uns  darbietet.  Ueber  den  pädagogischen  Wert  seiner 
Arbeit,  deren  zweites  Heft  uns  beschäftigt,  habe  nicht  ich  zu  urteilen.  Dagegen  darf 
ich  anerkennen,  dass  P.  leidlich  gerüstet  an  seine  Aufgabe  gegangen  ist.  Das  Buch 
bringt  zuerst  einen  knappen,  auf  wirkliche  Darstellung  verzichtenden  Text,  der  einen 
mir  wenig  zusagenden  Kultus  der  Schlagworte  in  Sperrdruck  treibt  und  für  ein  blosses 
Gerippe,  das  erst  der  Lehrer  mit  Fleisch  einkleiden  soll,  viel  zu  viel  abstrakt-kritische 
Bemerkungen  enthält;  ihm  folgen  Anmerkungen,  die  aUerlei  Lihaltsangaben  und  Details, 
vor  allem  gut  ausgewählte  Charakteristiken  aus  Goethes  „Dichtung  und  Wahrheit", 
aus  Scherer,  Goedeke,  Viehoff  mitteilen.  Der  besondere  Zweck  des  Buches,  der  eine 
wissenschaftliche  Kritik  entwaffiiet,  erklärt  es,  dass  Schiller,  über  den  P.  sichtlich  am 
besten  orientiert  ist,  und  für  die  neuere  Zeit  ausschliesslich  österreichische  Dichter  in  den 
Vordergrund  treten;  auch  der  unscliuldige  Ton,  in  dem  Rousseaus  u.  a.  Werke  analy- 
siert werden,  wird  pädagogische  Gründe  haben.  Nicht  aber  vermag  ich  mir  so  zu  deuten, 
dass  z.  B.  von  Lenz'  Dramen  nur  die  Plautusbearbeitung  und  das  „Pandämonium"  er- 
wähnt, dass  bei  Goethes  ,, Werther"  weder  Richardsons  noch  der  Maxe  Brentano  gedacht 
wird.  Goethe  steht  überhaupt  nicht  im  Mittelpunkte  der  Studien  P.s,  wie  die  Bemer- 
kungen über  Tasso  und  namentlich  über  die  Geschichte  der  Faustdichtung  beweisen. 
Und  unzweifelhafte  Schnitzer,  wie  Karoline  von  Flachsland,  Tietke,  Friedrich  Graf 
Hardenberg  (Novalis),  die  „lose  Folge"  der  „Blätter  von  deutscher  Art  und  Kunst" 
durften  gerade  in  einem  Schulbuch,  das  die  gläubigsten  Leser  findet,  am  wenigsten  vor- 
kommen. Immerhin  wird  jeder  P.s  Gewissenhaftigkeit  schätzen,  der  den  Durchschnitt 
unserer  Schullitteraturgeschichten,  z.B.  H.  Kluges  bekanntes  Opus, kennen  gelernt  hat;  und 
wissenschaftliche  Förderung  wird  man  von  einem  Buche  dieser  Art  ebensowenig  verlangen 
wie  von  den  populären  Vorträgen,  in  denen  Müller  -  Frauen  stein  *)  die  neueste 
deutsche  Litteratur  darstellt.  So  wenig  sein  Anspruch  zu  den  wissenschaft- 
lichen Forschern  gerechnet  zu  werden,  sich  durch  dieses  Buch  rechtfertigen  lässt,  so 
gewiss  werden  diese  von  warmem  Interesse  auch  für  die  jtingeren  dichterischen  Phasen 
unserer  Litteratur  —  freilich,  die  jüngstdeutschen  fehlen  noch!  —  erfüllten  Vorträge, 
namentlich  vor  einem  Damenpublikum,  ihrem  Zweck  genügt  haben.  Die  Charakteristik 
entbelirt  freilich  jeder  Schärfe    und  bleibt  allzu  oft    bei  einer    laienhaft  ästlietisierenden 


BLU.  N.  6;  Qremb.  60,  S.  394/6;  PrJbb.  67,  S.  228/9.]  |  —  4)  S.  S[am08ch],  E.  Poet  als  Litterarhist :  NatZg.  N.  621. 
(D.  wachsende  Einfluss  Heines  auf  d.  Weltlitt.  wird  namentlich  durch  die  immer  neuen  italienischen  üebereetzungen  s.  Werke  er- 
wiesen.) —  5)  F.  Frosch,  Leitfaden  fUr  d.  litt.-hist.  Unterricht  an  Österreich.  Lehranst  fUr  d.  Selbstfitud.  2.  Heft.  V.  Leasings  bis  zu 
Goethes  Tode,  nebst  e.  Darstellg.  d.  Entwicklungsganges  d.  neueren  dtsch.  Litt,  in  Oest«rr.  (Zunkchst  als  Hilfsbuch  fUr  d. 
7.  u.  8.  Gymnasialklasse.)  Wien,  Graeser.  VIII,  320  S.  M.  2,40.  —  6)  G.  MUller-Frauenstein.V.  H.  t.  Kleint  bis  z. 
Gräfin  M.  Ebuer-Eschenbach.    10   gemeinverst.  Yortrr.   ttber   d.    neueste   dtsch.  Litt.    Mit    10   Holzschnitten.    Hannover,  Ost- 


IV  1:  7-12.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  38 

Betrachtung  stehen,  statt  zum  historischen  Verständnis  der  Entwicklung  von  Persönlich- 
keiten und  ganzen  Richtungen  durchzudringen;  auch  hier  wieder  wird  die  Chronologie 
allzusehr  missachtet:  man  lese  niu-  die  morose  Schilderung  Grillparzers !  Aber  der  Vf. 
ist  wirklich  belesen,  selbständig  in  Auswahl  und  Urteil,  gewandt  in  der  Rede,  dabei 
ganz  geschickt  in  der  Gruppierung;  das  sehr  reichliche  Einstreuen  von  Citaten,  die  oft 
für  die  eigentliche  Darstelhmg  eintreten  müssen,  war  in  Vorträgen  am  Platze.  Der  erste 
Vortrag  „Die  deutschen  Befreiungskriegsdichter"  behandelt  Kleist  viel  zu  einseitig  und 
flach;  ftlr  seine  geniale  Persönlichkeit  reicht  die  patriotische  Brille  nicht  entfernt  aus. 
Der  Abschnitt  „Deutsche  Romantiker"  verrät  Unkenntnis  des  Haymschen  Buches;  M. 
sieht  fast  nur  das  Ungesunde  in  der  Romantik,  verkennt  z.  B.  völlig  die  Rolle,  die 
gerade  sie  für  die  Verbreitung  iinserer  Klassiker  und  weiter  für  die  Entwicklung  der 
historischen  Wissenschaften  gespielt  hat;  eine  Auswahl  der  Romantiker,  in  der  Arnim 
und  Schelling,  Hoflfmann  uud  Zacharias  "Werner  fast  ganz  fehlen,  kann  unmöglich  glück- 
lich genannt  werden.  Unter  der  Missachtung  dieser  Richtung  leidet  denn  auch  die 
Beurteilung  der  beiden  bedeutendsten  „schwäbischen"  Dichter,  Kerners  und  Mörikes. 
Unter  den  „österreichischen  Dichtern"  des  vierten  Vortrages  wird  Zedlitz  weit  über- 
schätzt; Lenaus  Seelenleben  stellt  sich  uns  auch  anders  dar,  seit  wir  seine  Briefe  an 
Sophie  Löwenthal  kennen;  dass  Halm,  Raimund,  Bauemfeld  hier  fehlen,  will  wenig  sagen 
gegenüber  der  Thatsache,  dass  auch  Immermann  vergessen  ist,  der  statt  Heines  mit 
Rückert  und  Platen  in  die  Trias  des  fünften  Vortrags  gehört  hätte.  Sonst  gehören  die 
Bemerkungen  über  Heine  und  der  sechste  Vortrag  über  das  Junge  Deutschland  zu  den 
gelungeneren  Partien  des  Buches;  nur  wird  für  Laube  und  Kühne  die  Tonart  zu  hoch 
gewählt;  Dingelstedt  leidet  unter  der  traditionellen  liberalen  Legende,  und  den  Vergleich 
von  Prutz  mit  Spielhagen  muss  ich  in  Prutzens  Interesse  ablehnen.  Mit  den  vier  letzten 
Kapiteln  (Lyrik,  Erzählung,  Drama  aus  der  Mitte  des  19.  Jh.,  moderner  Roman)  geraten 
wir  dann  in  das  übliche  Tohuwabohu,  das  ohne  Rücksicht  auf  Zeitfolge,  auf  stilistische 
und  landschaftliche  Gruppen  einen  Namen  an  den  andern  reiht.  Und  hier  wird  denn 
auch  das  Urteil  mehr  und  mehr  unsicher.  In  der  Lyrik  z.  B.  ist  weder  von  Schefer 
und  Sallet,  noch  vom  Fallerslebener  Hoflfmann  und  Paul  Heyse  die  Rede;  Rittershaus, 
Lingg  und  Lorm  dagegen  bleiben  uns  nicht  erspart.  Die  herkömmliche  Bewunderung 
Gottschalls  fehlt  nicht,  obgleich  M.  sichtlich  in  Verlegenheit  ist,  warum  er  ihn  rühmen 
soll;  von  Raupach  erfahren  wir  nichts.  Erenzel  und  Spielhagen  werden  umständlich 
besprochen,  Alexis  und  Fontane  kaum  mehr  als  genannt;  wenn  Reuter  über  Gottfried 
Keller  gehoben  wird,  so  ist  es  M.  selbst  nicht  ganz  wohl  dabei.  In  der  ganzen  Milch- 
strasse weiblicher  Autoren,  mit  der  das  Buch  schliesst,  glänzt  thatsächlich  nur  ein  Stern 
ansehnlicher  Grösse,  Marie  von  Ebner-Eschenbach;  dass  M.  für  die  Damen  Kapff-Essen- 
ther  und  Biller,  A.  v.  d.  Elbe,  Pichler,  Villinger  usw.  in  einer  Litteraturgeschichte  Platz 
findet,  die  für  Immermann  und  Arnim  kaum  ein  Winkelchen  übrig  hat,  darf  wohl  als 
Schlussverbeugung  gegen  die  Zuhörerinnen  entschuldigt  werden.  Sie  werden  dem 
Autor  dafür  Dank  gewusst  haben;  Erau  Wissenschaft  hat  an  seiner  Schrift  trotz 
aller  Liebe  und  Sorgfalt  weniger  Freude.  So  lange  die  Historiker  der  neuesten 
Litteratur  sich  nach  Gottschalls  Vorgang  über  die  elementarsten  Forderungen  der 
historischen  Methode  hinwegsetzen  und  es  für  ihr  unveräusserliches  Menschen- 
recht  halten,  den  zweiten  punischen  Krieg  vor  dem  ersten  zu  behandeln  —  und 
mit  Ausnahme  Sterns  thun  sie  das  Alle  — ,  so  lange  ist  ein  ernsthafter  Fort- 
schritt auf  diesem  Gebiete  nicht  zu  erhoffen.  Die  kleinen,  schwachen  Portraits,  mit 
denen  M.s  Buch  geschmückt  ist,  sind  für  uns,  die  wir  durch  Könneckes  trefflichen, 
neuerdings  wieder  von  Weizsäcker  '')  gerühmten  Bilderatlas  verwöhnt  sind  und  auch 
in  Königs  und  Leixners  bekannten  Büchern  Besseres  finden,  doch  gar  zu  unbefriedigend: 
wozu  also?  —  Nicht  eine  litterarhis torische  Darstellung,  sondern  nur  einen  „Veilchen- 
strauss"  litterarischer  Charakterköpfe  bietet  uns  der  unglaublich  begeisterungsfähige 
Jedrzejewski  8).  Wie  er  den  Titel  Elise  Polkos  „Vergissmeinnichtstrauss"  entlehnt, 
so  spüren  wir  auch  sonst  ihres  Geistes  mehr  als  einen  Hauch.  Das  Buch  ist  nicht 
ernst  zu  nehmen.  Von  Emil  Palleske  und  Wilhelm  Hey  hätte  J.  die  Hände  lassen 
sollen;  im  übrigen  bleibt  er  zum  Glück  in  der  Bewunderung  des  tiefsten  litterarischen 
Unterholzes  stecken,  wo  er  nicht  schaden  kann.  — 

Aus    den    mannigfachen  Anthologien,    in  denen    patriotische  und  christliche 
Gedichte  ^-lO)^  Perlen  deutscher  Dichtung  für  Frauen  und  Jungfrauen  ^^"^2),  Dichtergrüsse 


X,  382  S.  M.  4,50.  |[A.  Br.:  LCBl.  1892,  N.  26;  Gegonw.  40,  S.865.]|  -  7)  P.  W.,  KOnnecke,  Bilderatlas  z.  Gesch.  d.  dtsch. 
Nationallitt.:  KBIGRW.  38,  S.  243/5.—  8)  F.  Jo  drzejowski,  E.  Veilclienstrauss.  Skizzen.  Bielefeld,  Helmicli.  VIII,  79  S. 
M.  1,25.  (Behandelt  d.  Lyriker  P.  Baehr,  H.  Kiehne,  Hedwig  Prohl,  Graf  E.  v.  Stadion,  d.  Kopernikusforscher  Prowe,  G.  Klingen- 
burg, d.  Stifter  e.  Lesevoreins.)  —  9)  X  P-  Brllmraor,  Deutschlands  Helden  in  d.  dtsch.  Dichtung.  E.  Samml.  hist  Gedichte 
u.  e.  Balladenschatz  fUr  Schule  u.  Haus.  Stuttgart,  Greiner  &  Pfeiffer.  XII,  428  S.  M.  4,80.  |LH.  Unbescheid:  ZDU.  6, 
S.  679.]  I  —  10)  X  J-  Mi  sehn  er.  Durch  Sturm  z.  Stille!  Patriot,  u.  christl.  Gedichte  e.  Kriegers  v.  1870/71.  2.  Aufl.  Leipzig, 
A.  Neumann.  12*.  VIII,  108  S.  M.  1,40.  —  II)  X  Fromme  Minne.  E.  Geschenk  fUr  Frauen  u.  Jungfrauen,  ausgew.  aus  d. 
edelsten   Perlon   dtsch.  Dichtung.    Mit  e.  Titelbl.  u,  4  Bildern.     5  Aufl.    Leipzig,  Teubner.    12«.    XIV,  397  S.    M.  5,00.  —   12) 


39  G.  Boethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  !:  i3-i8. 

und  Lichtstrahlen  ^3-15^  ung  wiederum  mehr  oder  weniger  schön  ausgestattet  dargeboten 
wurden,  hebe  ich  hier  nur  die  von  Elisabeth  von  Beckendorffi")  ausgewählten 
„Goldenen  Worte"  hervor,  weil  gerade  aus  dieser  Auswalil,  die  sich  auf  moderne  Autoren 
beschränkt  und  zu  mehr  als  einem  Viertel  weibliche  Schriftsteller,  nicht  aber  die  Ebner- 
Eschenbach,  borUcksiclitigt,  erschreckend  klar  wird,  wie  tief  wir  namentlich  aucii  formell 
herunter  gekommen  sind:  weit  überwiegend  breite  Trivialitäten,  aucli  die  guten  Gedanken 
meist  oline  jede  Feinheit  und  Schärfe  der  Form.  Merkwürdig,  wie  gerade  den  dichtenden 
Frauen  der  Sinn  dafür  fehlt!  —  Das  bestätigt  auch  die  von  Dahms")  umsichtig  be- 
sorgte, hübsch,  wenn  auch  etwas  eintönig,  mit  guten  Portrait«  und  Faksimiles  aus- 
gestattete Sammlung  „Germania",  die  von  70  modernen  deutschen  Dichtem  Proben 
bringt.  Dass  die  Dicliter  selbst  diese  Proben  wälUten,  hebt  iliren  Wert.  Freilich,  es 
bestätigt  sich  oft  genug  wieder,  dass  der  Poet  seine  Stärke  selbst  am  wenigsten 
kennt:  wie  schwache  Dinge  haben  die  Lustspieldichter  L'Arronge,  Moser,  Schönthau 
beigesteuert,  wie  wenig  trifft  z.  B.  auch  Sudormajui  die  Stelle,  wo  er  unsterblich  ist! 
Dass  Frey  tag,  Riehl,  F.  W.  Weber,  Raabe,  Kruse,  Grisebach,  Laistner,  Frenzel,  Sturm, 
Paul  und  Riidolf  Lindau,  dass  von  Neueren  Kirchbach,  Kretzer,  Liliencron,  Hauptmann, 
Holz  unvertreten  sind,  das  wird  nicht  nur  die  Schuld  des  Sammlers  sein,  es  belündert 
ihn  aber  ebensoselir  daran,  ein  einigermassen  zutreffendes  Miniaturbild  der  heutigen 
Diclitung  zu  geben,  wie  der  Umstand,  (Jass  so  und  so  viele  Prosaiker  es  vorgezogen 
haben,  ilu-en  Namen  unter  schwache  Verse  zu  setzen.  Ueberraschend  ist  dem  aufmerk- 
samen Beschauer,  wie  ältlich  sich  unsere  Litteratur  hier  repräsentiert:  nur  5  Dichter 
unter  vierzig  Jahren,  25  über  sechzig  sind  vertreten,  und  dies  Verhältnis  erklärt  sich 
nicht  etwa  aus  der  besonderen  Sprödigkeit  D.s  gegen  die  poetische  Jugend;  sein  Stand- 
puiikt  entspricht  ziemlich  genau  dem  unseres  besten  Publikums.  —  Dagegen  hat 
Leimbach  i8)j  von  dessen  breit  angelegter,  alphabetisch  geordneter  Anthologie 
deutscher  Dichter  der  Neuzeit  und  Gegenwart  der  Anfang  des  fünften  Bandes  (Knak- 
Legrave)  mir  vorliegt,  es  nicht  verschmäht,  auch  abseits  von  den  grossen  Heer- 
strassen des  herrschenden  Geschmacks  nach  bemerkenswerten  dichterischen  Indivi- 
dualitäten zu  suchen.  Darin  liegt  der  unleugbare  Wert  seiner  Sammlung;  auch  der 
wissenschaftliche  Forscher  wird  L.  manchen  nützlichen  Fingerzeig  danken:  ist  es  doch 
ohne  solche  Hilfe  kaum  möglich,  über  die  unglaubliche  Massenproduktion  der  Gegen- 
wart irgend  welchen  Ueberblick  zu  gewinnen.  L.  verhehlt  nicht  die  Sympathie,  die  er 
der  christlich  gläubigen  Dichtung  entgegenbringt,  und  so  spielen  die  dichtenden  Pfarrer 
oder  Lelii-er  eine  sein-  grosse  Rolle.  Aber  ich  rülune  das  sogar  als  ein  heilsames 
Gegengewicht  gegen  die  Teilnahmslosigkeit,  mit  der  die  geistUche  Poesie  gewöhnlich 
von  den  Litterarhistorikem  abgethan  wird.  L.  lässt  sich  durch  seinen  religiösen  Stand- 
punkt keineswegs  hindern,  auch  Dichter  zu  berücksichtigen,  die  ihm  wie  der  Deutsch- 
amerikaner Knortz,  der  talentvolle  Hugo  Krebs,  der  Leipziger  Polizeiarzt  Kühn  im  Grunde 
sein"  unbehaglich  sind;  die  warme  Anerkennung  Lagardes  zumal  zeigt,  dass  ihm  eng- 
herzige Orthodoxie  fern  liegt  und  er  lediglich  jenen  fruchtbaren  sittlichen  Ernst  ver- 
langt, der  für  uns  mit  christlicher  Weltanscliauung,  bewusst  oder  unbewusst,  stets  in 
engerem  oder  loserem  Zusammenhange  steht.  Die  einleitenden  Charakteristiken  zeigen 
ein  ängstlich  massvolles,  oft  nur  allzu  unsicheres  und  traditionelles  Urteil:  Stümper  wie 
Hartwig  Köhler  und  Hugo  Lange  sollten,  wenn  überhaupt,  doch  anders  augefasst  werden; 
schwer  begreife  ich  die  Freundliclikeit,  mit  der  auch  L.  eine  Null  wie  Gustav  Kühne 
unter  den  Vertretern  des  Jungen  Deutschlands  hervorhebt;  dass  dem  Wunderkind  Eli- 
sabeth Kulmann  die  herkömmlichen  Reverenzen  gemacht  werden,  ist  verzeililicher  als 
das  unverhältnismässige  Lob,  dass  der  Dramatiker  Köberle  erntet.  Von  der  Gabe, Persönlich- 
keiten scharf  zu  zeichnen  oder  gar  ihren  Platz  in  der  Litteraturgeschichte  zu  fixieren,  besitzt  L. 
überhaupt  nichts,  wie  z.  B.  auch  der  Laube  gewidmete  Abschnitt  beweist.     Eine  weitere 

X  Aus  Herzens  Tiefen.  Empfindungen  dUch.  Dichter.  Mit  Bildern.  Leipzig,  Baldamus.  120.  12  S.  M.  1,00.  —  13)  X  Dichter- 
grUsse.  Mit  111.  Stattgart,  Loewe.  Ißo.  24  S.  M.  0,75.  —  14)  X  Klassisches  Vergissmeinnicht  Lichtstrahlen  n.  Leitsterne 
vornehmlich  aus  d.  Sehatze  d.  dtsch.  Litt.  7.  Aufl.  Bielefeld,  Helmich.  32«.  378  S.  Geb.  M.  1,20.  —  15)  XX  K-  Knort«, 
E.  Weltanschauung  in  Citaten.  Leipzig,  Spohr.  223  S.  M.  3,00.  -  16)  Elisabeth  t.  Beckendorf f.  Goldene  Worte  aas 
d.  neueren  dtsch.  Litt.  ges.  2.  verm.  Aufl.  Berlin,  H.  W.  MUllei.  YII,  342  S.  H.  4.00.  —  17)  O.  Dahms,  Germania,  dUch. 
Dichter  d.  Gegenw.  Bild  u.  Wort.  Her.  im  Anftr.  d.  National  Exhibition  As.soci«tion  Ltd.  Berlin,  Gbr.  Paetol.  IV,  150  S.  M.  4,00. 
|[BHJ.  N.  32;  Gegeuw.  40,  S.  190.]|  (Beitrr.  v.  Allmers,  Bauiubach,  Bleibtreu,  BlUthgen,  Blumenthal,  Bodenstedt,  Dahn.  Ebers,  Ebner- 
Eschenbach,  Eckstcin,Fitger,  Fontane,  Franzus,  Frapan,  Fulda,  Gensichen,  Gottschall,  Grosse,  Groth,  Heinr.u.  Jul.Hart.  Heiberg,  Heigel, 
Hertz,  Heyse,  Hillern,  Hans  Hoflfmann,  Hopfen,  Jensen,  Jordan,  Junghans,  Jsolde  Kurz,  L'Arronge.  Leixner,  Lingg,  Mauthner,  Konr.  F. 
Meyer,  Moser,  Niemann,  Perfall,  Pfau,  Redwitz,  Bittershaus,  Koborts,  Rodenberg,  Boquett«,  Rosegger,  Saar,  Schack,  Max. 
Schmidt,  Schmidt-Cabauis,  Schönaich-Carolath,  SchOnthan,  Schubin,  Schweichel,  Seidel,  Spielhagen,  Stettenheim,  Stinde,  Suder- 
mann,  Tonipeltey,  Trojan,  Voss,  E.  Werner,  Wiehert,  Wilbrandt,  Wildenbruch,  Wolff,  Ziomssen,  ZoUing.)  —  18)  K.  L.  Leimbach, 
D.  dtsch.  Dichter  d.  Neuzeit  u.  Gegenw.  Biographien,  Charakteristiken  n.  Ausw.  ihrer  Dichtungen.  Bd.  5.,  Lief  1.  2.  Leipzig, 
Kesselring.  Bd.  5,  S.  1—320.  Jede  Lief.  M.  1,50.  KAZg».  N.  160.]{  (Berücksichtigt  ausser  den  im  Text  genannten  Gast 
Knak,  Gotth  u.  Jos.  Knapp,  Josephine  t.  Knorr,  F.  t.  Kobell,  K.  Koberstein,  Johann,  Kath.  n.  Harg.  Koch,  Henr.  Kehler,  Alfr. 
Königsberg,  Fed.  t.  Koppen,  Friedr.  KOmer,  Hans  u.  Hugo  Köster,  Karl  KOsting,  F.  A.  KOthe,  Koglgrnber,  Wald.  Kopp,  Franz 
Koppel-Ellfeld,  Jul.  Krais,  R.  t.  Kralik,  Hnr.  Kremer,  Job.  Kreuser,  Ed.  Kreuzhage,  Heinr.  Kruse,  Geo.  KDchle,  Frz.  Kugler, 
Casp.  Kuhn,   Rud.   Eulemann,  Wilh.  Kunze,  Auguste  Kurs,  Herm.  Karz,  Hedw.  Kym,  Gag.  Labes,  Ladw.  Laistner,  Karl  Land-* 


^ 


IV  1:  19-27.  G.  ßoethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  40 

Schwäche  seiner  Arbeit  liegt  in  der  begreiflichen,  aber  sachlich  ungerechtfertigten  ein- 
seitigen Bevorzugung  der  Lyrik;  Romane  und  Novellen  sind  geflissentlich,  wenn  auch 
ohne  starre  Konsequenz,  ausgeschlossen,  ich  weiss  nicht  warum;  das  Drama  muss  sich 
fast  durchweg  mit  kvirzen,  unzulänglichen  Analysen  begnügen;  selbst  das  Epos  bringt 
es  nur  selten  zu  Proben,  und  unwillkürlich  neigt  L.  dazu,  diese  unlyrischen  Gattungen 
gleichgiltiger  oder  nach  dem  Masse  ihrer  lyrischen  Vorzüge  zu  beurteilen.  Dass  in  sehr 
vielen  Fällen  selbst  grosse  Bibliotheken  für  wichtige  Werke  der  von  L.  behandelten 
Dichter  versagten,  kann  man  als  Entschuldigung  seiner  Unkenntnis  nicht  gelten  lassen: 
wer  über  einen  Dichter  schreibt,  darf  es  nicht  scheuen,  ihn  auch  zu  kaufen.  Trotz  all 
diesen  Mängeln  ist  dem  nützlichen  Unternehmen  ein  ungestörter  Fortgang  wohl  zu 
wünschen.  1^-20)  — 

Eine  Sonderstellung  unter  den  Anthologien  nehmen  die  Almanache  ein,  die 
einen  Strauss  aus  den  poetischen  Blüten  des  Jahres  binden  und  so  eine  Art  litterarischer 
Momentaufnahme  darbieten.  Der  einstigen  Ueberfülle  der  Almanache  hatte  etwa  das  Jahr 
1848  eine  Grenze  gesetzt.  Gern  würde  ich  das  Aufschiessen  einer  neuen  Serie  von  Almanachen 
begrüssen  als  ein  Symptom  dafür,  dass  die  bald  fünfzigjährige  Alleinherrschaft  der  Hexe 
Politik  sich  Dank  der  Uebersättigung,  für  die  unsere  Zeitungen  sorgen,  zum  Ende  neige 
und  dass  eine  nahe  Zukunft  auch  poetischem  Schaffen  wieder  wärmere  Teilnahme  zollen 
werde.  An  seinen  berühmtesten  Ahnen  knüpft  der  von  Otto  Braun  21-23)^  (Jem  lang- 
jährigen Redakteur  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung,  herausgegebene  Musenalmanact 
durch  Verlag  und  Titel  an;  auch  in  ihrem  Inhalt  suchen  die  beiden  bisher  erschienenen 
Jahrgänge,  von  denen  uns  hier  der  für  das  Jahr  1892  bestimmte  zumeist  angeht,  den  idealen 
Zug  unserer  grossen  klassischen  Zeit  festzuhalten.  Wenn  B.  demgemäss  modernen  Naturalis- 
mus streng  ausschliesst,  so  verzichtet  er  freilich  darauf,  in  uns  den  Eindruck  stark  pulsierenden 
poetischen  Lebens  zu  erwecken,  und  die  matte  Vornehmheit  seines  Almanachs  macht  sich 
um  so  fühlbarer,  als  er  durch  eine  wenig  angebrachte  pedantische  Sortierung  in  einzelne 
Gattungen  (Prosadichtung,  poetische  Erzählungen,  Gedichte  verschiedenen  Inhalts,  lyrische 
Dichtungen,  Spruchdichtung)  die  bunte  Mannigfaltigkeit,  die  den  Almanach  ziert,  geradezu 
herausredigiert.  Während  die  Verserzählung  und  der  Spruch  durch  manche  bemerkens- 
werte und  frische  Dichtung  vertreten  sind,  ist  die  eigentliche  Lyrik  auffällig  schwach 
und  eindruckslos  geraten.  Und  doch  ist  gerade  die  Lyrik  die  stärkste  Seite  moderner 
Dichtung.  —  Das  lässt  sich  deutlich  herausfühlen  aus  den  Almanacheu  24-26)^  ^[q  aus  dem 
jüngeren  Münchener  Lager  Brauns  ältlich  würdiger  Sammlung  entgegengestellt  wurden. 
„Sommerfest"  und  „Modernes  Leben"  verraten  nicht  die  sichere  Hand  des  geschmack- 
vollen Redakteurs:  aber  die  empor  sich  schraubende  Ohnmacht  Conradscher  Novellen, 
die  geistlose  Widerwärtigkeit  einer  Panizzaschen  Prosaskizze,  die  Talentarmut  der  mit- 
arbeitenden Damen  können  doch  keinen  Augenblick  darüber  täuschen,  dass  sich  in  der 
L5rrik  dieser  Sammelbücher  stellenweise  packende  Kraft,  ja  etwas  wie  ein  Stil  offenbart, 
der  trotz  seiner  meist  noch  burschikosen  Sinnlichkeit  viel  eher  zum  Hoffen  berechtigt 
als  die  gebildetere  Form  der  Cottaschen  Lyrik.  —  Sehr  viel  tiefer  steht  an  Frische  wie 
an  Form  ein  deutschösterreichischer  Almanach  27)^  der  mir  ärmlich,  selbst  modrig  er- 
scheint, obgleich  oder  weil  auch  allerlei  berühmte  Tote  wie  AnzengTuber,  Hammerling  (!), 
Meissner  in  der  Mitarbeiterliste  stehen.  Es  wäre  übel  bestellt  um  das  poetische  Leben  in 
Oesterreichs  deutschen  Gauen,  wenn  wirklich  die  schwachen  Skizzen  und  Erzählungen, 
die  altmodische  und  banale  Lyrik  dieser  Sammlung  ein  getreues  Augenblicksbild  gäbe. 
Aber  daran  ist  nicht  zu  denken.  Der  ungenannte  Herausgeber  hat  bei  der  Auswalil 
keinen  glücklichen  Griff  gehabt,  keine  entschlossene  Kritik  geübt  und  obendrein,  so  weit 


Steiner,  Geo.  Lang,  Joh.  Pet.  Lange,  W.  Langewies  che,  Ad.  Lassen,  Rieh.  Leander,  Gust.  Legerlotz,  Agnes  Le  Grave.)  —  19) 
X  F.  Bachmann,  Leimhach,  D.  dtsch.  Dichter  d.  Neuzeit  u.  Gegenw.:  ASNS.  86,  S.  332.  (Behandelt  Bd.  4.,  Lief.  3.  u.  4: 
Alex.  Kaufmann  bis  Kluckhuhn;  neben  durchgangigem  Lobe  findet  B.  doch  G.  Keller  zu  subjektiv  beurteilt.  —  Zalilroiche  andere 
lobende  Besprechungen  sind  auf  den  Umschlägen  der  einzelnen  Hefte  abgedruckt.)  —  20)  X  (1  7 :  36.)  —  21)  Cottaseher  Musen- Almanach 
für  d.J.  1891,  her.  r.  Otto  Braun.  Mit  6  Kunstbeil.  Stuttgart,  Cotta.  Gbdn.  M.  6,00.  |[^:  DRs.  Jau.  1891,  S.  74;  A.  S  chroeter: 
BLU.N.49;  Gegenw.  40,  S.350.]|  —  22)  Cottaseher  Musen-Almanach  ftir  d.  J.  1892,  her.  v.  Otto  Braun.  Mit  6  Kunstbeil.  ebda.  VIII, 
310  S.  Gbdn.  M.  6,00.  —  23>  WL.,  Cottaseher  Musen-Almanach  fUr  1892:  AZg».  N.  266.  (Sehr  warme  Besprechung  d.  Sammlung, 
d.  sich  d.  modernen  poet.  Sansculottismus  streng  enthalte  u.  noch  d.  alten  Götter  verehre  im  Sinne  d.  stillen  Gemeinde,  welche 
d.  Ewige,  allem  Zeitwechsel  Entrückte  im  Spiegelbilde  d.  Poesie  za  schauen  wünscht.)  —  24)  Sommerfest.  E.  moderner 
Musen-Almanach.  Mit  Originalbeitrr.  v.  H.  Bahr,  0.  J.  Bierbaum,  J.  Brand,  M.  G.  Conrad,  Marie  Conrad-ßamlo,  Anna 
Croissant-Rust,  Gust.  Falke,  H.  v.  Gumppenberg,  0.  E.  Hartleben,  H.  Heiberg,  F.  Held,  K.  Henokell,  A.  Holz,  J.  Kruse,  D.  Frhr. 
T.  Liliencron,  J.  H.  Mackay,  0.  Panizza,  L.  Scharf,  G.  Schaumberg,  J.  Schaumberger,  J.  Schlaf,  Prinz  E.  v.  Schönaich-Carolath, 
R.  Frhr.  v.  Seydlitz,  M.  V.  Stern,  F.  Wedekind.  Erste  Reihe.  München,  Albert  &  Co.  VII,  61  S.  M.  1,00.  |[Ad.  B  rieger:  BLU.  N.  41 ; 
Gegenw.  40,  S.  351.  —  25)  Modernes  Leben.  E.  Sammolbuch  d.  MUnchner  Modernen.  Mit  Beitrr.  v  0.  J.  Bierbaum,  J.  Brand, 
M.  G.  Conrad,  Anna  Croissant-Rust,  Hanns  v.  Gumppenberg,  Oskar  Panizza,  Ludwig  Scharf,  Geo.  Schaumberg,  Jul.  Schaum- 
berger, R.  V.  Seydlitz,  Fr.  Wedekind.  Erste  Reihe.  München,  Poessl.  175  S.  M.  2,00.  |[Ad.  Brieger:  BLU.  N.  41.]|  —  26) 
XX  MUnchener  Kindl.  E.  lilt.  Almanach,  her.  v.  d.  MUnchener  Schriftsteller-Vereinigung  „Orion".  München,  Höllrigl.  57  S. 
M.  1,00.  —  27)  Aus  Oesterreichs  deutschen  Gauen.  Beitrr.  v.  L.  Anzengruber,  L.  Bauernfeld,  C.  Emil,  A.  Ebner,  F.  Engels, 
Fercher  V.  Steinward,  A.  u.  L.  Foglar,  A.  Friedmann,  L  Guppenberger,  F.  Gross,  F.  Hane,  R.  Hammerling  (so !),  F.  Hölzlhuber,  Julius 
V.  d.  Traun,  J.  M.  Kaiser,  F.  Keim,  F.  Lentner,  J.  v.  Link,  H.  Littrow,  A.  Matosch,  A.  Meissner,  J.  Obrist,  W.  Pailler,  A.  Pichler, 
J.  Pollhammer,  0.  PrechUer,  P.  K.  Rosegger,  Sacher-Masoch,  E.  Samhaber,  F.  J,  Schaffer,  A.  Silberstein,  A.  v,  Tschabuschnigg, 


I 


41  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  28-82. 

ich  das  kontrolieren  kann,  die  älteren  Herren  stark  bevorzugt;  gerade  ein  Almanach,  der 
von  der  Gegenwart  und  für  die  Gegenwart  lebt,  kann  des  jugendlichen  Elementes  nicht 
entraten,  wenn  er  wirken  soll.  — 

Wenn  auch  ohne  jede  litterarische  Absicht,  aus  persönlichen  Beziehungen  er- 
wachsen, können  Stammbücher,  wenn  sie  aus  einem  interessanten  Kreise  hervorgehen, 
dem  Litterarhistoriker  doch  allerlei  Winke  geben,  allerlei  Material  liefern,  charakteristische 
AntJiologien  in  verjüngtem  Massstabe  bilden.  Das  kleine  Erbauungsbüchlein  der  Frau 
Rat,  aus  dessen  wesentlich  von  1748 — 1751  reichenden  Eintragungen  Ruland^»)  einiges 
mitteilt,  kennzeichnet  freilich  mehr  die  fromme,  fast  pietistische  Geistesrichtung  der 
blutjungen  Besitzerin,  als  dasa  der  Inhalt  und  die  Einzeichnenden  Bemerkenswertes 
böten :  doch  hat  der  Dichter  Joh.  Mich.  v.  Loen  der  Nichte  Verse  eingeschrieben,  deren 
gesunde  Frömmigkeit  von  dem  forcierten  Pathos  der  Damen  Klettenberg  wohlthuend  ab- 
sticht; ein  Abendmahlspruch  Wolfgangs,  1765  aufgenommen,  bildete  nach  langer  Pause 
den  Abschluss  des  Büchleins.  —  Sehr  viel  ausgiebiger  stellt  sich  das  Stammbuch 
Augusts  von  Goethe  schon  in  Vulpius'^ö)  reichhaltigen  Auszügen  dar.  Freilich,  der 
Charakteristik  des  Besitzers  dient  es  trotzdem  weniger  als  das  Büchlein  der  Gross- 
mutter; höchstens  als  ein  neues  Kapitelchen  in  der  melancholischen  Geschichte  von  dem 
kleinen  Sohne  des  grossen  Vaters  kann  es  da  gelten.  Goethe  schenkte  den  Band  dem 
Sohne  1800  von  vornherein  mit  bestimmten  Weisungen;  er  wurde  anfangs  lediglich  den 
Personen  vorgelegt,  die  den  Vater  interessierten,  der  es  zur  Bereicherung  seines  Auto- 
graphenschatzes auch  auf  Reisen  mitnehmen  Hess ;  Augusts  individuelle  Neigimgen,  seine 
selbständigen  Freundschaften  kommen  erst  gegen  das  Ende  hin  ein  wenig  zur  Geltung. 
Und  ebenso  spürt  man  es  den  Eintragenden  an,  dass  sie  mehr  an  den  Vater  dachten  als 
an  den  Sohn:  nur  verschwindend  wenige  suchen  sich  der  Fassungskraft  des  Knaben 
anzupassen,  wie  der  Göttinger  Blumenbach;  viele  benutzen  die  Gelegenheit  zu  über- 
schwänglichen  Ausbrüchen  der  Bewunderung,  die  etwa  den  Sohn  mahnen,  dem  Vater 
es  gleich  zu  thun:  an  das  Blasphemische  streifen  z.  B.  die  Hyperbeln  Zelters.  Mit  Vor- 
liebe entlehnt  man  die  Worte  Goethe  selbst  und  sucht  so  seine  Vertrautheit  mit  den 
Werken  des  Dichters  zu  beweisen;  die  neu  erdachten  Sprüche  treten  dem  gegenüber 
bescheiden  zurück.  Vertreten  sind  die  Kor3rphäen  des  Weimarer  Hofes,  der  Weimarer 
Gesellschaft,  Göttinger,  Jenaer  und  Haller  Professoren,  allerlei  durch  Weimar  reisende 
Celebritäten,  auch  eine  Anzahl  Frankfurter  und  Berliner  Freunde  des  Vaters.  Von  selbst- 
geprägten Aussprüclien  sind  Goethes  eigene  Verse  längst  in  die  Werke  aufgenommen, 
die  Schillers  bereits  von  Crabb  Robinson  publiziert;  aber  auch  so  noch  bleibt  ein  statt- 
licher Kranz  von  Sprüchen  in  Versen  und  Prosa,  die  wir  hier  neu  kennen  lernen :  auch 
Frau  Rat  und  Charlotte  von  Stein,  August  Wilhelm  von  Schlegel  und  Knebel,  Schleier- 
macher, Steffens,  Hegel,  Fichte,  Zach.  Werner,  Baggesen,  Holtei,  Tieck,  der  Kanzler 
von  Müller  scheinen  sich  mit  eignen  Gedanken  und  Worten  beteiligt  zu  haben,  minder 
berühmter  Namen  ganz  zu  schweigen.  Dieser  Reichtum  war  nur  dadurch  zu  erkaufen, 
dass  Goethe  selbst  dem  Stammbuch  des  Sohnes  seine  thätige,  freilich  auch  beherrschende 
Teilnahme  schenkte.  —  Theodor  Körner,  dem  sein  Vater  völhg  freie  Hand  liess  bei  der 
Auswahl  der  Eintragenden,  ist  demgemäss  mit  seinem  Stammbuch  in  einem  engen  und 
privaten  Kreise  geblieben,  den  uns  auch  Zollings^^)  eingehende,  fast  zu  eingehende 
Erläuterungen  nicht  sonderlich  interessant  machen.  Bergstudenten  und  Karlsbader  Be- 
kanntschaften kommen  reichlich  zu  Worte:  neben  Julie  Kunze  und  Ernst  von  Pfuel, 
die  uns  beide  besonders  aus  Kleists  Leben  vertraut  sind,  treten  etwa  noch  Miltiz,  der 
Komponist  der  „Bergknappen",  die  Herzogin  Dorothea  von  Kurland,  deren  Löbichauer 
Musensitz  auch  Körner  zeitweilig  beherbergte  und  produktiv  anregte,  Graf  Karl  Friedr. 
V.  Gessler,  Juliens  Bruder  Wilh.  Friedr.  Kunze,  der  Herausgeber  von  Körners  „Zwölf 
freien  deutschen  Gedicht «ün"  unter  den  Beisteuernden  heraus.  Namen  ersten  Ranges  kommen, 
kaum  vor.  —  Sie  fehlen  nicht  dem  Album  einer  österreichischen  Dichterin,  Elwine 
Tiefenbacher  (1842 — 1866),  der  Grillparzer  1857  weissagte,  sie  werde  noch  die  Sappho 
imserer  Zeit.  Bertha  von  Suttner^i),  die  uns  eine  Skizze  ihres  Lebens  und  Schaflfens 
schenkt,  hätte  der  freundschaftlich  überschätzten  Heldin  trotzdem,  schon  im  Gedanken 
an  die  Karschin,  diesen  zweifelhaften  Ehrennamen  ersparen  sollen,  um  so  mehr,  als  die 
Vorliebe  der  Dichterin  gerade  Epen,  historischen  Trauerspielen  und  ähnlichen  ganz  un- 
sapphischen  Dingen  galt.  Ihr  Nachlass,  in  dem  sich  u.  a.  ein  ungedrucktes  Gedicht 
des  ihrer  Familie  verwandten  Körner  und  Briefe  von  Schillers  Tochter  fanden,  hat  seine 
Perle  eben  an  jenem  Stammbuch,  das  poetische  und  prosaische  Worte  namentlich  öster- 
reichischer Autoren  birgt:  GriUparzer,  Hahn,  Anast.  Grün,  Castelli,  Feldmaun,  Hebbel, 
dieEbner-Eschenbach,  ausserdem  aberauch  König  Imd-wag,  Justus  Liebig,  Lewin  Schücking, 
Gregorovius,  Rückert,    Marie  Seebach   haben    avif  Elwinens   meist  poetische  Bitten  hin 

C.  Zehden.  Prag,  Dominicus  (Gruss).  190  S.  M.  0,60.  —  28)  C.  RuUnd,  D.  Stammbuch  d.  Frau  Bat:  GJb.  12,  S.  175/8.  — 
29)  W.  Vulpius,  D.  Stammbuch  v.  Ä.  t.  Goethe  mitget:  DRä.  1890/91,  S.  131— 45.  —  30)  Th.  Zoiling,  Th.  KOraers  SUmm- 
bnch:  Gegenw.  40,  S    198-204.  -  31)  B er  tha  ?.  Suttner,  E.  dUch.  Sappho:  DR.  U,  232-43.  341-53.  -  32)  D.  dtsch.  Dicht» 


IV  1:  33-87.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  42 

beigesteuert;  die  eigenartig  anziehende  Persönlichkeit  der  jungen  Bittstellerin  hat  jene 
Gaben  minder  banal  ausfallen  lassen,  als  das  bei  derartig  erpressten  Autographen  der 
Fall  zu  sein  pflegt.  —  Diese  Anerkennung  darf  den  deutschen  Dichtern  und  Öchrift- 
stellern,  die  neuerdings  auf  Bitten  des  badischen  Dichters  Friedrich  Gessler  dem  Reichs- 
waisenhause zu  Lahr  ihre  Werke  mit  widmenden  Sinnsprüchen  übersendet  haben,  nur 
zum  Teil  gespendet  werden;  es  ist  viel  Erquältes  und  wenig  Erhebliches  in  der  bekannt 
gemachten  Auswahl  32);  da  es  sich  aber,  wie  wir  erfahren,  lediglich  um  eine  Finanz- 
operation handelt  und  die  geschenkten  Bände  mitsamt  ihren  Widmungen  und  ihrem 
Affektionswert  möglichst  teuer  an  den  Liebhaber  gebracht  werden  sollen,  so  wäre  ein 
Mein*  der  poetischen  Leistung  eitel  Kraftvergeudung  gewesen.  — 

Immerhin  hinterlässt  es  ein  gewisses  Unbehagen,  wenn  wir  derartige  schrift- 
stellerische Blütenbeete  der  Gegenwart  am  vorigen  Jh.  und  an  den  ersten  zwei  Dritteln 
des  neunzehnten  messen:  wie  Papierblumen  fehlt  ihnen  Frische  und  Fruchtbarkeit.  Mag 
die  Zahl  deutscher  Autoren,  die  Gubernatis^^)  der  Aufnahme  in  sein,  über  die  Sphäre 
des  Konversationslexikons  nicht  herausragendes  ,,Dictionnaire  international  des  ecrivains 
du  jour"  würdig  gefanden  hat,  noch  immer  recht  stattlich  sein:  dasselbe  Unbehagen 
prägt  sich  in  all  den  Betrachtungen  aus,  die  sich  mit  dem  Zustande  unserer  modernen 
Litteratur  beschäftigen,  von  welchem  Standpunkt  es  auch  geschehe.  Ad.  Sterns 34-35) 
Artikel  über  die  deutsche  Litteratur  im  ersten  Jahressupplement  des  Meyerschen 
Konversationslexikons  bewährt,  obgleich  der  besondere  Zweck  des  Aufsatzes  kaum  mehr 
als  eine  kurze  gruppierende  Aufzählung  der  all  erneuesten  litterarischen  Erscheinungen 
zuliess,  wiederum  das  gesunde,  geschichtlich  geschulte  Urteil  des  Vf.  Er  beklagt  mit 
Recht  das  Scheiden  der  beherrschenden,  vorbildlichen  Persönlichkeiten,  die  gar  keinen 
Ersatz  finden:  er  konstatiert  treffend  eine  gesteigerte  Teilnahme  für  die  Lyi'ik;  die 
bevorzugten  Gattungen  des  Romans  und  Dramas  entbehren  wohl  nicht  des  äusseren 
Erfolges;  aber  diirch  ihre  künstlerisch  untergeordnete  Form  wie  durch  ihre  kurzlebig 
modernen  Tendenzen,  die  den  Blick  nirgend  aus  dem  engen  Kreise  des  zufällig  be- 
schränkten Augenblickshorizontes  zum  Menschlichen  und  zum  Weltbilde  hin  lenken, 
durch  diese  im  innersten  Mark  sitzenden  Schwächen  sind  sie  von  dauernder  und  tieferer 
Wirkung  ausgeschlossen.  An  der  Herrschaft  der  Tendenz  kranken  zumal  die  Volksbühnen; 
gerade  das  Naturalistendrama  hat  bei  seiner  Reizlosigkeit  keinerlei  Aussicht,  popiilär  zu 
werden;  doch  giebt  es  wenigstens  zvir  litterarischen  Diskussion  ernsthaften  Anlass. 
Hübsch  wird  auf  die  dem  Zeitungsbedarf  entwachsene  Gattung  der  short  stories  liinge- 
wiesen.  Bei  aller  Zustimmung  im  ganzen  meine  ich  doch,  dass  ein  Werk  wie  Suder- 
manns „Frau  Sorge"  auch  bei  dieser  Gelegenheit  als  starke  und  verheissungsvoUe 
Schöpfung  hervorgehoben  werden  durfte,  wie  mir  denn  S.  in  der  geflissentlichen 
Dämpfung  der  Werturteile  zu  weit  geht.  —  Mit  ihm  stimmt  Gnade^ß)  darin  überein, 
dass  Realismus  ohne  Schönheit  an  wahre  Volkstümlichkeit  nicht  denken  könne.  Die 
mächtigen  Einflüsse  Zolas,  Ibsens  und  Tolstois  haben  allerlei  alten  Plunder  weggefegt; 
aber  unserer  künstlerischen  Unfruchtbarkeit,  Stillosigkeit  und  Unselbständigkeit  haben 
sie  nicht  abgeholfen,  sie  haben  uns  höchstens  dahin  gebracht,  die  Herrschaft  zu 
wechseln.  Das  Unglück  der  Deutschen  sei  ihre  Bildung;  ihre  selbsteigene  Entwicklung 
werde  immerfort  diirch  fremde  Zeiten  und  fremde  Völker  durchkreuzt  und  gehindert. 
Man  sieht,  die  Weisheit  des  deutschen  Sprachvereins  ist  von  G.  auf  die  Litteratiu*  an- 
gewendet. Die  Geschichte  lehrt  gerade  umgekehrt,  dass  der  Purismus  uns  Deutschen 
stets  nur  Verarmung,  nicht  Fruchtbarkeit  gebracht  hat,  dass  unsere  ureigensten  Kräfte 
eben  durch  die  geistige  Berührung  mit  fremden  Zeiten  und  fremden  Völkern  entbunden 
win-den.  Das  hindert  nicht,  dass  G.s  Aufsatz  auch  die  eine  oder  andere  richtige 
Bemerkung  vorträgt:  gewiss,  nicht  jeder  fremde  Einfluss  war  uns  dienlich.  Aber  in 
dieser  sieghaften  Allgemeinheit  ausgesprochen,  ist  G.s  Grundgedanke  durchaus  falsch; 
mit  Schlagworten  löst  man  keine  ernsthaften  Probleme,  und  die  Geschichte  ist  eine 
unbequeme  Lehrmeisterin.  —  Dass  es  aber  bei  der  nötigen  Dreistigkeit  und  Unwissen- 
heit nicht  eben  schwer  ist,  mit  ihr  fertig  zu  werden,  das  lehren  uns  die  Betrachtungen 
des  offenbar  noch  sehr  jungen  Socialdemokraten  Paul  Ernst^^)  über  die  neueste 
litterarische  Richtung  in  Deutschland.  Auf  dieser  grasgrünen  Wiese  voll  blühenden 
Gallimathias  finden  wir  denn,  dass  der  deiitsche  Bourgeois  mit  Heine  seine  Rolle  in  der 
Weltlitteratur  ausgespielt  und  das  Banausentum  angefangen  habe,  in  dessen  Dienste 
Gutzkow,  Gottschall  u.  a.  —  so  liegt  in  E.s  Kopfe  Gross  und  Klein  wie  Kraut  und 
Rüben    dm-cheinander    —    unzählige    Bände    zusammenschrieben;    sie    dienten   ledigHch 


U.Schriftsteller  u.  d.  Reichswaisenhausbibliothek  zu  Lahr :  StrassbPost  N.219.  (Beitrr.  v.  Vierordt,  Bltlthgen,  Bodenstodt,  BUchner, 
Bulthaupt,  Carriöre,  Claar,  Dahn,  Ebors,  Ebner-Eschonbach,  Nat.  v.  Eschstrutli,  Falb,  Fitger,  Fulda,  Girudt,  Henn.  Grimm,  GroBse, 
Heyse,  v.  Jhoring,  Kretzor,  Lazarus,  v.  Leixnor,  v.  Liliencron,  v.  Lölior,  Moser,  Niomanu,  Nordau,  Oncken,  Bank,  Rittershaus, 
Roquette,  Russ,  v.  Scliönaich-Carolath,  v.  Schönthan,  Schwoiehel,  Stinde,  v.  Wildenbruoh,  Zettel.)  —  33)  (I  1  :  54.)  —  34) 
(Ad.  Stern),  Dtsob.  Litt.:  MKL.  18,  1890/1,  S.  186-90.  —  35)  X  D-  neuere  dtsch.  Litt.:  Didaskalia  N.  64/6.  (Lediglich 
e.  Abdr.  v.  N.  34.)  —  36)  E.  Gnade,  Z.  modernen  Litt.:  Gegonw.  40,   S.  85/7,  104/7.  —  37)   Paul   Ernst,    D.   neueste   litt. 


43  Qt.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  88-«. 

einem  Realismus,  der  als  Opiat  dem  deutschen  Spiessbürger  seine  Zukunft,  d.  h.  das 
rote  Gespenst  verbergen  sollte;  Zola,  dessen  Erfolg  auf  der  authentischen  Schilderung 
der  Arbeiterklasse  beruhte,  wirkte  in  Oskar  Welten  —  welche  Ehre!  —  und  Kretzer 
auch  auf  deutsche  Autoren;  aber  der  deutsche  Schriftsteller  hat  ja  keine  Zeit  und 
Gelegenheit,  das  Leben  kennen  zu  lernen.  Die  Lehre  vom  freien  Willen  stammt  aus 
einer  Zeit,  als  die  Litteratur  noch  keine  Waare  war  und  die  Schriftsteller  von  den 
„ökonomischen  Beziehungen"  noch  nichts  wussten;  heute  giebt  es  för  die  Litteratur 
keine  Persönlichkeit  mehr;  „sie  ist  gleichwertig  mit  dem  Milieu,  und  das  Gespräch  einer 
Person  hat  für  den  Schriftsteller  nicht  mehr  Bedeutung  wie  das  Knacken  eines  Stuhles". 
Zu  der  daraus  erwachsenden  „Technik  der  Momentphotographie"  bekennt  sich  z.  B. 
Hau^itmann;  ihm  und  vielen  jCuigeren  Schriftstellern  derselben  Richtiuig  geht  es  ähnlich 
wie  dem  Helden  von  Haui)imanns  erstem  Drama:  sie  sind  idealistische  Vertreter  der 
Bourgeoisie,  die  sich  einbilden,  Socialdemokraten  zu  sein.  Aber  die  Litteratur  der 
Zukunft  wird  sich  aus  diesen  Elementen  nicht  entwickeln;  sie  wird  auf  ganz  anderen 
socialen  Grundlagen  aufgebaut  sein.  Natürlich,  jenseits  der  grossen  Kluft,  die  uns  vom 
Zukunftsstaat  trennt,  giebt  es  nur  Nochniedagewesenes,  das  Ben  Akibas  Weisheit  zu 
Schanden  macht;  da  fängt  alles  ganz  funkelnagelneu,  ohne  jeden  historischen  Zusammen- 
hang mit  dem  Früheren  von  vorne  an.  Jenseits  dieser  Kluft  ist  E.  wahrscheinlich  zum 
Litterarhistoriker  berufen;  auf  mein  diesseitiges  Verständnis  wirkt  sein  luftiges 
Konstruieren  nur  spasshaft.  —  Auch  der  bürgerliche  Radikalismus  ist  ruhiger  Geschichts- 
auffassung nicht  günstig.  Li  der  Reihe  von  Skizzen,  die  G.  Brandes^^)  charakteristischen 
Schöpfungen  des  jüngsten  Deutschland  gewidmet  hat,  offenbart  sich  der  geistvolle  Mann 
allerdings  in  manchen  feinen  Bemerkungen,  die  der  Darstellung  und  Kritik  des  künst- 
lerischen Individuums  gelten:  der  Dramatiker  Sudermann  moralisiert  ihm  zu  viel, 
Kretzer  fehle  „die  Kunst  der  indirekten  Mitteilung".  Aber  den  Einblick  in  das 
gesclüchtliche  Werden  jener  Dichter  und  ihrer  Richtung  fördert  B.  nicht.  —  In  dieser 
Hinsicht  sind  sogar  ein  paar  milde,  verständige,  freilich  kraftlose  Essais,  die  Frenzel^-*0) 
neu  hat  drucken  lassen,  noch  ergiebiger:  er  erweist  durch  billige,  aber  zutreffende 
litterarhistorische  Rückblicke,  dass  der  heutige  Naturalismus  weder  im  Gebahren  noch 
im  Charakter  Ueben-aschendes  biete,  eher  hinter  früheren  Kraftleistungen  zurückbleibe. 
—  Einige  dieser  älteren  litterarischen  Oppositionsbewegungen  skizziert  Oehlke^i): 
Gottsched,  der  Mann  der  Regel,  wird  viel  weniger  durch  die  gleichfalls  theoretisierenden 
Schweizer,  als  durch  Klopstock,  den  Schöpfer  der  deutschen  Sentimentalität,  geschlagen, 
und  Lessing,  der  durch  blinde  Bewunderung  an  Aristoteles  gebunden  war  und  die 
Poesie  noch  immer  mit  der  Moral  verquickte,  erlag  verständnislos  dem  regelsprengenden 
Sturm  und  Drang,  dessen  Weg  zur  nationalen  Litteratur  Goethe  dann  freilich  zur 
Antike  abgelenkt  habe :  allbekannte  Dinge,  in  etwas  tendenziös  moderner  Beleuchtung.  — 
Gerade  da  unser  Jahrhundert  unter  so  unerfreulichen  und  unsicheren  geistigen 
Aspekten  sich  zum  Ende  neigt,  schweift  der  Blick  gern  über  die  brausende  Flut  seiner 
geistigen  Strömungen  zurück  bis  in  seine  glorreichen  Anfange.  Mit  unverhohlener 
Sehnsucht  denkt  L.  v.  Schröder  •'^^  an  die  Tage  der  verspotteten  Empfindsamkeit 
zuiiick,  die  wir  gegön  die  sehr  zweifelhaften  Güter  der  Nervosität  und  der  Schneidig- 
keit eingetauscht  haben;  wie  sehr  die  flache,  hastige  Bildung  der  Gegenwart,  die  sich 
nie  Zeit  lässt  zur  Einkehr  in  Geist  und  Herz,  uns  sogar  die  Künste  des  rechten  Lesens 
und  Schreibens  geraubt  hat,  das  illustriert  er  durch  einen  an  schönen  und  rührenden 
Zügen  reichen  Brief  aus  den  Tagen,  da  man  in  Jean  Paul  schwelgte:  ein  liebevoller 
Sohn  schildert  da  mit  liingebender  Genauigkeit  die  letzten  Stunden  der  teuren  Mutter. 
Lässt  S.  bei  dem  Vergleich  von  Einst  und  Jetzt  nahezu  allen  Schatten  rückhaltlos  auf 
die  Gegenwart  fallen,  so  sucht  Eucken*^),  der  in  einem  Jenenser  Rosenvortrage  die 
Lebensideale  zu  Beginn  und  am  Schlüsse  unseres  Jahrhunderts  kontrastiert,  ruhiger 
abzuwägen.  Um  1800  streben  die  besten  Menschen  in  schwerer  und  ernster  Arbeit  nach 
der  höchsten  Individualbildung;  sie  erschaffen  sich  von  innen  heraus  durch  ihr  künst- 
lerisches Vermögen  eine  ideale  Welt,  in  der  sie  die  Fülle  ihrer  Kräfle  frei  und  schöpferisch 
bethätigen  können;  die  äusseren  Dinge  sind  ihnen  gleichgiltig:  sie  erv^-arten  alles  vom 
Individuum,  nichts  vom  Staat;  was  aber  diese  zu  starkem  Pflichtgefühl  herausgebildeten 
Idealisten  auch  nach  aussen  vermochten,  das  musste  Napoleon  erfaliren.  Heute  dagegen 
gehört  unsere  Thätigkeit  der  sichtbaren  umgebenden  Welt  an;  f\ir  Phantasie  ist  Er- 
fahrung, für  subjektives  Schönheitsgefühl  Thatsachensinn  eingetreten;  selbst  unser  Glück 
beruht  in  der  Leistung  und  dem  Erfolge  nach  aussen.  So  verkümmern  Charaktere  und 
Individuen,  ja  die  Gesellschaft:    Ersatz  soll  die  Sohdarität  des  menschlichen  Geschickes 


Richtung  in  Deutschland:  NZeit  9,  I,  S.  509—19.  —  38)  G.  Brandes,  V.  jüngsten  Deutschland.  I— YI:  BerlTBl.  N.  237, 
250,  294,  452,  525,  571.  (I.  H.  Sodermann  als  Dramatiker.  II.  Hauptmanns  „Einsame  Menschen*,  ni.  H.  Sudennann  als 
Erzähler.  IV.  Kirchhachs  „WeUfahrer".  V.  M.  Kretier  VI.  F.  Dörmanns  .Neurotica'.l  —  39)  K.  Frenzel,  D.  Dichtung 
d.  Zukunft  (März  1887):  Erinnerungen  n.  Strömungen.  Ges.  Werke  Bd.  I.  319-32.  — 40)  id..  D.  Alten  n.  d.  Jungen  (Okt  1888): 
ib.  333—46.  —  41)    (I  1  :  4S)    —  42)  L.  t.  Schroeder,  Ans    d.  Tagen  d.  Empfindsamkeit:    BaltMschr.  38,  S.  570-88.    —   43) 


IV  1:  44-47.  G.  E-oethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  44 

geben.  Aber  der  Mensch  kann  doch  die  Innerlichkeit  nicht  entbehren,  wenn  er  glück- 
lich sein  soll;  drum  presst  jetzt  die  Besten  bange  Sorge,  während  zu  des  Jahrhunderts 
Beginn  stolze  Erwartung  sie  beseelte.  So  ist  E.s  Ergebnis  für  uns  nicht  günstiger  als 
Schröders  Rückblick.  Die  Schärfe  seines  Kontrastes  hält  freilich  nicht  ganz  Stich; 
seine  Schilderung  des  Geisteslebens  um  1800  passt  etwa  für  Schelling,  Schiller,  Schleier- 
macher; aber  schon  ein  Blick  auf  Goethe,  den  umfassendsten  Genius  des  Jahrhunderts, 
mildert  die  Schärfe  der  E. sehen  Gegensätze.  —  DieserBlick  rückt  freüich  einen  neuen  Gegen- 
satz ins  hellste  Licht,  den  A.  Döring  4"*)  betont  hat.  Einen  führenden  Geist  von  jenem 
abgerundeten  Universalismus  der  Bildung,  wie  ihn  Goethe  sein  nannte,  entbehren  wir 
heute  schmerzlich:  das  ist  eine  Eolge  des  Specialismus,  der  das  Jahrhundert  beherrschte; 
und  so  lange  wir  nicht  eine  Weltanschauung  gewinnen,  die  auf  uns  eine  ähnlich  be- 
friedigende Wirkung  ausübt,  wie  jener  Universalismus  sie  um  1800  übte,  so  lange 
werden  sich  kleine  und  enge,  aber  energische  Geister,  wie  die  Socialisten,  der  Rembrandt- 
deutsche,  zu  mehr  oder  minder  mächtigen  geistigen  Souveränen  emporarbeiten  können. 
Alle  diese  Erwägungen  setzen  nur  einige  Extreme  in  der  Entwicklung  unseres  Jahr- 
hunderts unter  grelle  Beleuchtung;  eine  umfassendere  Geschichte  seines  geistigen  Lebens, 
wie  sie  Schmidt- Weissenf  eis'  1890  IV  1  :  15  besprochenes  Buch45-46)  versuchte,  wurde 
diesmal  nicht  vorgelegt.  — 

Dagegen  fand  die  neuere  Geschichte  der  protestantischen  Theologie  abermals 
eine  Darstellung,  die  sich  nur  leider  von  dem  Werke  Nippolds  (JBL.  1890  IV  1  :  33) 
weder  durch  die  Auffassung  noch  durch  den  scliriftstellerischen  Charakter  des  Vf.  stark 
unterscheidet.  Pfleiderers  *'')  Buch,  ursprünglich  (1889)  für  Engländer  geschrieben, 
in  seiner  deutschen  Gestalt  ein  wenig  erweitert,  verzichtet  noch  melir  als  der  Vor- 
gänger darauf,  die  Entwicklung  der  theologischen  Meinungen  und  Systeme  in  Verbindung 
zu  setzen  mit  unserer  politischen  und  Kulturgeschichte;  die  SeitenbKcke  Nippolds  auf 
die  litterarischen  Verbindungen,  in  denen  seine  Helden  standen,  fehlen  hier  ganz,  und 
selbst  die  Bewegungen  des  kirchlichen  Gemeindelebens  werden  nur  so  wenig  berührt 
wie  irgend  möglich;  ein  theologisches  System  reiht  sich  ans  andere,  und  nur  der  Reli- 
gionsphilosophie wird  ausserdem  einige  Rücksicht  geschenkt.  Aber  gerade  diese  Rück- 
sicht trägt  nur  dazu  bei,  den  ermüdend  abstrakten  Ton  zu  verschlimmern,  an  dem  eine 
derartig  isolierte  Behandlung  theologischer  Auffassungen  leiden  muss.  Und  diese  leidige 
abstrakte  Art  stellt  uns  selbst  die  handelnden  Hauptpersonen  nicht  leicht  plastisch  vor 
Augen.  P.s  Sympathien  gehören  der  Vermittlungstheologie,  die  zwischen  Orthodoxie 
und  RationaHsmus  notwendig  die  Brücke  schlagen  müsse.  Aber  er  steht  dem  linken 
Extrem  näher  als  dem  rechten,  hat  für  Kants  rationalistische  Uebergriffe  eher  Ver- 
ständnis als  für  Herders  Bückeburger  Mystik  oder  für  Schleiermachers  Gefiihlsromantik. 
Hält  man  das  sich  gegenwärtig,  so  ist  avis  P.s  rein  theologischer  Charakteristik  Kants, 
Herders  und  der  Romantiker  mancherlei  zu  lernen:  zumal  wie  sich  in  Herders  zu- 
sammenfassender Intuition  Spinozas  Monismus,  Leibniz'  Theismus  und  gar  Shaftesburys 
Optimismus  verbünden,  das  wird  nach  bekanntem  Material,  aber  in  einseitig-theologischer 
und  dadurch  besonderer  Beleuchtung  dargestellt.  Herder  besitzt  überhaupt  P.s  warme 
Vorliebe:  Herder  vereinigt  für  ihn  Schleiermachers  und  Hegels  Vorzüge.  Auch  Schleier- 
machers „Reden  über  die  Religion"  möchte  er  nahe  zu  Herder  stellen,  dessen  geschicht- 
licher Sinn  freilich  dem  jüngeren  Theologen  abging,  wie  denn  Herder  über  Wert  und 
Zeitfolge  der  Evangehen  viel  richtiger  urteilte  als  Schleiermacher.  Während  P.s  Be- 
trachtungsweise Eichte  und  Schelling  nicht  gerecht  wird,  weiss  sie  an  Hegel  die  Ver- 
tiefung der  geschichtlichen  Auffassung  zu  rühmen,  die  zumal  der  Religionsgeschichte 
zu  gute  kam;  allerdings  habe  sich  die  dogmatistische  Illusion,  seine  Philosophie  stimme 
genau  zum  Christentum,  ebensowenig  halten  lassen  wie  seine  einseitige  Schätzung  der 
Vernunft,  der  die  Religion  im  Grunde  nur  eine  Art  exoterischer  Philosophie  war.  Ihm 
wie  den  Rationalisten  Kantscher  Schule  gegenüber  verhalf  de  Wette  im  Anschluss  an 
Herder  dem  religiösen  Gefühl  zu  seinem  Rechte;  mehr  romantisch-individualistische 
Elemente  offenbaren  sich  in  der  erfahrungsmässigen  Gefühlsbestimmtheit  des  gereiften 
Schleiermacher,  bei  dem  P.  ausführlich  verweilt;  sie  offenbaren  sich  in  ihr  trotz  allen 
Bemühungen,  jene  persönlichen  Gefühle  mit  der  religiösen  Gemeindeerfahrung 
auszugleichen.  Aus  der  Hegeischen  Linken  erwachsen  der  nachgeborne,  unhistorische 
Voltaireaner  Dav.  Friedr.  Strauss,  der  sich  bis  in  einen  dilettantenhaften  Materialismus 
herein  steigert,  und  Ludw.  Eeuerbach,  der  zwar  in  allen  Göttern  nur  Wunschwesen  des 
kranken  egoistischen  Herzens  sieht,  aber  daneben  doch  wenigstens  die  —  religionslose  — 
Liebe  als  das  Heil  verkündet,  während  der  berüchtigt  konsequente  Max  Stirner  nur  noch 
den  Egoismus,  gar  keine  sittliche  Bedeutung  des  menschlichen  Daseins  anerkenne.     Wie 


B.  Endcen,  D.  Lebensidealr  «u  Beginn  u.  am  Schlnss  d.  19.  Jh.  E.  Jenenser  Eosenvortr:  AZg".  N.  1.  —  44)  A.  Döring, 
D.  geistige  Signatur  d.  19.  Jli. :  Gegenw.  40,  S.  67/8.  —  45)  X  Schmidt- Weiseenfels,  D.  19.  Jh.  (1890  IV  1  :  15):  v.  Kalckstein 
MHL.  S.  347/8.  M.  O.-V.:  ML.  N.  5.  -  46)  X  Bruno  Gebhardt,  D.  19.  Jh.:  Gegenw.  40,  S.  26/8.  (Ebenfalls  über  Schmidt- 
Weissenfels.)   —   47)    0.  Pf  leiderer,   D.  Entwickl.  d.  Protestant.  Theologie   in   Deutschland  seit  Kant  u.  in  Grossbritannien 


45  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  4a-66. 

diese  theologische  Junghegelei  hat  auch  die  Restauratioustheologie,  als  deren  Haupt- 
kämpen P.  Claus  Harms,  Hengstenberg  und  Vilmar  schildert,  ihre  litterarischen  Gegen- 
bilder, die  P.  leider  mit  keinem  Worte  berührt  Ein  Litterarhistoriker,  der  seiner- 
seits die  Solidarität  der  verschiedenen  Strömungen  unseres  geistigen  Lebens  besser  vor 
Augen  hat  als  P.  und  die  Litteraturgeschichte  nicht  so  auf  den  Isolierschemel  setzt  wie 
dieser  die  Theologie,  der  wird  an  P.s  Buche  trotz  seiner  Einseitigkeit  einen  brauch- 
baren Führer  haben,  namentlich  an  dem  Abschnitte  über  „Die  Entwicklung  der  dogma- 
tischen Theologie";  die  den  idealistischen  Philosophen  gewidmeten  Kapitel  bringen  nur 
einzelne  frappierende  Schlaglichter;  die  „Entwicklung  der  biblischen  und  historischen 
Theologie"  berührt  die  Litteraturgeschichte  wenig.  Das  Mass  der  eigenen  Forschung 
P.s  ist  wohl  durchweg  nicht  gross ;  das  lag  aber  auch  schwerlich  in  der  Absicht  des  Vf., 
der  für  weitere  Kreise  schrieb.  Gerade  bei  dieser  Bestimmung  nimmt  es  "Wunder,  dass 
P.s  Geschichtsdarstellung  so  geflissentlich  in  den  Studierstuben  verweilt  und  sich  so 
ganz  versagt,  danach  auszublicken,  wie  der  Ertrag  der  gelehrten  Arbeit  der  Gemeinde, 
den  breiteren  Schichten  des  protestantischen  Volkes  zu  gute  kam  und  wie  umgekehrt 
das  Bedürfnis  der  Gemeinde  auf  die  Theologen  zurückwirkte.  P.  verzichtet  damit  auf 
jenen  anziehenden  und  fruchtbaren  Gesichtspunkt,  der  jeder  Geschichte  des  deutschen 
Nationalgefühls  ihren   eigenen  Reiz  verleiht.  — 

Die  Frage  der  Entstehung  des  deutschen  Nationalgefühls  liegt  jetzt  in  der 
Luft;  aus  der  starken  und  schmerzlichen  Empfindung  heraus,  dass  unser  nationales  Be- 
wusstsein  einmal  wieder  seinen  Höhepunkt  überschritten  hat,  schreibt  man  ihm  Nekro- 
loge, und  auch  das  Jahr  1891  hat  neue  Beiträge  gebracht  (vgl.  I  5:96-102).  Aber  nicht 
gerade  für  die  Periode  speciell,  mit  der  sich  dieser  Bericht  beschäftigt.  L6vj'-Bruhls 
hübsches  Buch  (JBL.  1890  IV  1  :  22)  fand  neue  Anerkennung,  so  von  einem  französischen 
Landsmann*^),  der  es  im  ganzen  sehr  rühmt,  aber  den  Anfangspunkt  wenig  glücklich  findet 
und  jede  Bedeutung  des  jungen  Deutschland  für  unser  Nationalbewusstsein  mit  Recht 
leugnet,  so  von  Egelhaaf^öj,  der  jedoch  die  Kenntnis  von  Pfleiderers  „Leibniz"  und 
von  Schmollers  Arbeiten  über  Friedrichs  des  Grossen  volkswirtschaftliches  System  ver- 
misst.  —  Von  Jastrows^)  rühmlich  bekannter  „Geschichte  des  deutschen  Einheits- 
traumes" erschien  eine  vierte  Auflage.  Sie  zeugt  abermals  von  der  Sorgfalt,  die  J. 
seinem  Buche  andauernd  widmet:  überall  finden  sich  Spuren  einer  feinfühligen  stilisti- 
schen Läuterung  und  Feilung,  die  den  schriftstellerischen  Wert  der  Schrift  beständig 
steigert;  die  grossen  politischen  Wandlungen,  die  wir  seit  1888  erleben  mussten,  werden 
jetzt  neu  hereingezogen,  beiläufig  in  überraschend  rosiger  Beleuchtung,  und  von  den 
Gestalten  der  beiden  ersten  deutschen  Kaiser  erhalten  wir  knappe,  warm  getönte  Bilder, 
die  allerdings  nicht  verkennen  lassen,  dass  J.s  Herz  für  Kaiser  Friedrich  besonders 
lebhaft  schlägt.  Die  litterarischen  Abschnitte  des  Buches  wurden  von  der  Neubearbei- 
tung leider  nicht  berührt:  wenn  J.  in  gerechter  Würdigung  betont,  was  Goethes  Scliaffen 
unserm  nationalen  Stolze  in  schwerster  Zeit  bedeutete,  so  hätte  er  jetzt  wohl  auch  der 
Rolle  gedenken  düi'fen,  die  der  Dichter  in  der  Geschiclite  des  Fürstenbundes  spielte; 
und  dass  der  Vf.  des  Rheinliedes  noch  immer  „Karl"  Becker  heisst,  verdient  wenigstens 
ein  leichtes  Monitum.  Doch  das  sind  unerhebliche  Einzelheiten.  Es  will  mir  aber 
durchweg  scheinen,  als  ob  die  Beachtung  unseres  litterarischen  Lebens  bei  J.  nicht 
ganz  der  Bedeutung  entspreche,  die  es  für  die  Erfüllung  unseres  Einheitstraumes  wirklich 
besessen  hat;  J.s  Interessen  gehören  eben  in  erster  Linie  der  politischen  Ge.schichte 
des  Zeitraums.  — 

Mit  der  Darstellung  der  politischen  Geschichte  haben  sich,  abgesehen  von 
neuen  Auflagen  älterer  Werke  (JBL.  1890 IV  1  :  10,  12) 51-ö4)^  namentlich  die  Fortsetzinigen 
der  bei  Grote  erscheinenden  Weltgeschichten  beschäftigt.  Die  kleinere ■'^)  von  ihnen  ist 
schon  durch  ihren  beschränkten  Raum,  der  obendrein  noch  durch  einen  reichen  und  gut  ge- 
wählten Schatz  authentischer  Bilder  verengt  wird,  genötigt,  sich  der  Kürze  zu  be- 
fleissigen  und  alle  irgend  entbehrlichen  Abschweifungen  zu  meiden.  So  hat  denn 
Flathe,  der  das  19.  Jh.  darstellt,  zur  Berücksichtigung  der  litteratur-  und  kultur- 
geschichtlichen Entwicklung  keinen  Platz  gefunden.  Dagegen  darf  es  Philippson, 
der  das  18.  Jh.  übernommen  hat,  nachgerühmt  werden,    dass  er  vortreflFlich  verstanden 


seit  1825.  Freiburg  i.  B,  Mohr.  VI,  496  S.  M  10,00.  —  48)  Ch.  J.,  I..  L6vy-Bmhl,  L'Allemagne  depnis  Leibnix:  RCr  31. 
S.  9-14.  —  49)  G.  Egelhaaf,  Deutschland  seit  Loibiiiz  in  französ.  Hetrachlung:  AZgB.  N.  84.  —  50)  J.  Jastrow,  Gesch. 
d.  dtsch.  EinhoitstrauiuoH  u.  .<<einer  Erriillung.  In  d.  Gniudünien  dargest.  4.  Aufl.  C>ekr<tiit«  Preisschrift  d.  Allg  Vereins  f. 
dtsch.  Litt,  l^erlin,  Allg.  Verein  f.  dtsch.  Litt  VIIl,  400  S.  M.  «,00.  jtWIDM.  71,  S.  717  ]i  —  Si)  X  Osk.  Jiger,  Weltgesch. 
in  4  Bdn.  Bd.  3.  Gesch.  d.  neueren  Zeil.  2.  Aufl.  Mit  242  Abbild,  u.  20  Boil.  Bielefeld.  Velhagen  *  Klasing.  VII.  6f.2  S. 
M.  8,00.  —  52)  X  Ford.  Schmidt.  Preussens  Gesch.  in  Wort  u  Bild.  II.  3.  Aufl.  2.  Ausg.  lUustr.  Gesch.  d  preuss.  .Staates 
V.  d.  Zeit  Friedrichs  I.  bis  z  Erriiht.  d.  dUch.  Bundes.  Mit  250  Text-IUustr.  u.  7  Tonbild.  Leipzig,  Spanier.  XII,  660  S. 
M.  5,00.  —  53-54)  X  H.  v.  Treitschke,  Dtsch.  Gesch.  im  19.  Jh  4  Tl.  Bis  «.  Tode  König  Friedrich  Wilhelms  III.  3.  Aufl. 
(=  .staatengesch.  d.  neuesten  Zeit  Bd.  27.)  Leipzig,  Hirzel.  VIII.  753  S  M.  10,00.  —  55)  AUgem.  Weltgesch.  V.  Th.  Flathe, 
Gust.  Hertzberg,  Ferd.  Justi.  J.  t  Pflngk-Harttung,  Mart  Philippson.  Mit  kultnrhist.  Abbild.,  Portrtts, 
Bei).  11.  Karten.  Lief.  124—34.  Berlin,  Grote.     1889—91.     Bd.  IX:  575-765  S.;  Bd.  XII:  1-288  S.    Jede  Lief.  M.  1,00;  f.  Nicht- 


IV  1:.  66-59,  G.  Boethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  46 

hat,  im  11.  Kapitel  seines  7.  Buches  das  geistige  Deutschland  in  den  letzten  Jahren 
Friedrichs  des  Grossen  in  knapper,  aber  reichhaltiger  Thatsächlichkeit  umsichtig  und 
scharf  zu  zeichnen:  von  der  geschickten  Auswahl  des  Materials  kann  auch  der  Kundige 
Nutzen  ziehen.  Voran  steht  die  Aufklärung  im  Staate  (Joseph  II.),  in  der  Theologie, 
der  Pädagogik,  der  Wissenschaft;  bei  der  Schilderung  der  Universitäten  werden  auch 
die  katholischen  nicht  übersehen;  P.  verweilt  bei  des  Ingolstädter  Professors  Weis- 
haupt Stiftung,  dem  Illuminatenorden,  als  bei  einem  bemerkenswerten  Zeichen  der  Zeit, 
wohl  sogar  länger,  als  es  seine  geringe  praktische  Bedeutung  rechtfertigt.  Die  Ge- 
schichtsschreiber, unter  denen  Joh.  \.  Müller  seiner  anspruchsvollen  Künstlichkeit  wegen 
keine  Gnade  findet,  und  die  Anfänge  des  politischen  Zeitschriftenwesens  interessieren 
P.  besonders.  Dagegen  hat  er  mit  dem  poetischen  Sturm  und  Drang  wenig  Fühlung: 
hier  hebe  ich  aber  ein  Bild,  das  pathetische  Portrait  des  22jährigen  Schiller  nacli 
Tischbein,  hervor,  das  sich  Könnecke  leider  hat  entgehen  lassen;  Goethe  wird  durch 
Chodowieckis  philisterhaften  Stich  nach  einer  massigen  Zeichnung  von  Kraus,  die  von 
dem  berühmten  Gemälde  desselben  Meisters  wohl  zu  unterscheiden  ist,  um  so  schlechter 
vertreten.  Wenn  so  P.s  Werk  für  uns  bei  aller  Beschränkung  ergiebiger  ist  als  der 
weit  ausführlichere,  kaum  das  letzte  Vierteljahrhundert  umfassende  letzte  Band  der 
grossen,  von  Oncken  geleiteten  Weltgeschichte,  so  liegt  das  zum  Teil  an  der  Ver- 
schiedenheit des  Stoffes:  Oncken  s^)  lässt  sich  in  dem  Schlussbande  seines  ungemein 
aufschluss-  und  inhaltreichen,  auch  schriftstellerisch  anziehenden  „Zeitalters  des  Kaisers 
Wilhelm"  so  ausschliesslich  von  der  äusseren  und  inneren  Politik  seines  Helden,  des  Fürsten 
Bismarck,  fesseln,  dass  von  geistigen  Strömungen  nur  das  ernstlich  in  seinen  Gesichts- 
kreis tritt,  was  mit  jener  Politik  zu  thun  hat:  so  kommt  denn  Schultes  und  DöUingers 
Stellung  zur  päpstlichen  Unfehlbarkeit,  so  kommt  der  Staatssocialismus,  so  kommen  die 
Reden  Bismarcks  und  Moltkes  im  Reichstage  ausgiebig  zur  Sprache;  aber  schon  von  der 
Dichtung  des  grossen  Krieges  ist  nicht  mehr  die  Rede,  die  Entwicklung  der  modernen 
Wissenschaft,  die  doch  wahrhaftig  sich  auch  praktisch  fühlbar  machte,  'wird  ausser  Acht 
gelassen,  und  dass  die  Gestalten  Richard  Wagners  und  Gustav  Frey  tags  in  einer  so 
umfänglichen  Erzählung  unserer  jüngsten  Vergangenheit  uns  nicht  begegnen,  das  verrät 
eine  so  ausschliesshche  Beschränkung  auf  die  rein  politische  Geschichte, 
wie  sie  gerade  in  einer  solchen  zusammenfassenden,  auf  grosse  Leserkreise  berechneten 
Darstellung  nicht  gutgeheissen  werden  kann  und  wie  sie  seit  Gervinus, 
Mommsen  und  Treitschke  eigentlich  überwunden  sein  sollte.  —  Wer  wollte  z.  B.  das 
Deutschland  zur  Zeit  der  französischen  Revolution  richtig  schildern,  ohne  der  gleich- 
zeitigen Litteratur  zu  gedenken?  Denn  nur  in  ihr,  nicht  in  äusseren  politischen 
Zuckungen  offenbart  sich  der  gewaltige  Einfluss  jenes  staatlichen  Erdbebens.  Seine 
Einwirkung,  selbst  auf  unsere  geistigen  Koryphäen,  ist  merkwürdig  verschiedenartig. 
Eine  gut  geschriebene,  wenn  auch  nicht  reichhaltige  und  nur  mit  bekanntestem  Material 
arbeitende  Zusammenstellung  H.  Vogels^'')  betont,  wie  nicht  nur  die  Volksstimmung 
in  Hamburg  und  am  Rhein,  wie  auch  Klopstock  und  Hölderlin,  Joh.  v.  Müller,  Schlözer 
und  Hegel  den  französischen  Freiheitskämpfern  anfangs  mit  einer  unverhohlenen  Sym- 
pathie gegenüber  stehen,  die  auch  durch  die  blutigen  Pariser  Excesse  nur  langsam  ab- 
gekühlt wird,  während  die  Weimarer  Gruppe,  der  französische  Ehrenbürger  Schiller 
nicht  ausgenommen,  sich  unbeirrt  zu  der  unpopulären  Ueberzeugung  bekannte,  dass  der 
gute  und  schöne  Mensch  eher  erstehen  müsse  als  der  gute  und  schöne  Staat.  —  Jene 
Hamburger  Stimmung  spiegelt  sich  denn  auch  in  des  Domherrn  Dr.  J.  Lorenz  Meyer 
„Fragmenten  aus  Paris  im  IV.  Jahr  der  französischen  Republik",  aus  denen  RüeggSS) 
tendenziös  ausgewählte  Proben  abdruckt:  erwähnt  wird  da  eine  geschmacklose  Be- 
grüssung  Rouget  de  Lisles  durch  Klopstock  und  weiter  das  deutsch  geschriebene,  aber 
in  Paris  erscheinende  Jovirnal  „Der  Pariser  Zuschauer",  das,  zxir  Republikanisierung  Elsass- 
Lothringens  bestimmt,  dort  im  Auftrag  der  Regierung  verteilt  wurde;  ausser  den  drei 
Mainzer  Redakteuren  arbeitete  namentlich  Georg  Böhmer  mit,  dieser  unerquickliche  Ver- 
treter des  vaterlandslosen  Freiheitsfanatismus,  der  mit  Freuden  das  linke  Rheinufer 
französisch  werden  sah.  —  Aus  ähnlicher  Verirrung  rafft  sich  der  Rheinländer  Jos.  Görres 
schnell  und  leidenschaftlich  auf,  in  Irrtum  und  Umkelu'  ein  echter  Sohn  seines  Volkes, 
dessen  nationale  Selbstbesinnung  Goette  ^9)  in  seiner  flotten  Schilderung  der  deutschen 
Erhebung  1807 — 1815  eingehend  und  anschaulich  darstellt.  Das  Buch  zeugt  trotz 
manchen  Versehen    ebenso    von  Wärme    des    Interesses    wie    von    reicher    Belesenheit; 


Subscrib.  M.  2,00.  —  56)  W.  Oneken,  D.  Zeitalt.  d.  Kaisers  Wilhelm.  Mit  Portr.,  lUnstr.  u  Beil.  2.  Bd.  (=  Allgem.  Gesch. 
in  Einzeldarst.  her.  V.  W.  Oncken.  4.  Hauptabteilg.  6.  Tl.  2.  Bd.)  Berlin,  Grote.  1892.  1018  S.  M.  22,00;  gbdn.  M.  25,00. 
(D.  ErBchoinon  erstreckte  sich  von  1889  bis  1892;  doch  gehürte  d.  ILiuptteil  d.  Bds.  ins  J.  1891.)  —  57)  Herrn.  Vogel, 
Stimmungen  u.  Tendenzen'in  Deutschland  z.  Zeit  d.  französ.  Revolution:  i^ammlerA.  N.  59.  -  58)  K.  KUogg,  Tariser  Spazier- 
gange e.  Hamburgers  im  J.  1796:  NZeit  9,  I,  S.  453/9.  —  59)  B.  Goette.  D.  Zeitalter  d.  dtsch.  Erhebung  1807—15.  Gotha, 
F.  A.  Perthes.  VIII,  410  S.  |[Walth.  Schultz e:  HZ.  1893,  S.  312;  Wilh.  Müller:  BLU.  N.  36;  Gesellsch.  S.  998 f.; 
DB.   4,  126 f.;  A.    Chuquet:   BCr.  82,  S.  379t-81   (als    gtschickte,   wenn    auch    nicht   fehlerfreie    „vulgarisation"    freundlich 


47  G".  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  rv  1:  eo-ea. 

bringt  es  auch  nicht  die  geringste  selbständige  Forschung,  nicht  die  kleinste  wirkliche 
Bereicherung  unserer  Kenntnisse,  so  verwertet  es  doch  geschickt  manche  bezeichnende 
Züge,  die  keineswegs  zum  eisernen  Bestand  unserer  populären  Geschichtsschreibung  ge- 
hören. Freilich  die  klassische  Kürze,  die  packende  Gedrungenheit  der  Rede,  mit  der 
TreitHchko  (,,Deutsche  Geschichte  im  18.  Jh."  I,  Kap.  3)  Proussens  Erhebung  auf  dem 
halben  Raum  zu  erzählen  weiss,  überreich  dabei  an  neuen  fruchtbaren  Gesichtspunkten 
und  erleuchtenden  Gedanken,  sie  darf  man  nicht  vergleichen.  G.  beschränkt  sich  auf  die 
innere  Geschichte  der  Epoche  und  gewinnt  dadurch  Platz  für  eine  Fülle  belebender 
Details  (so  z.  B.  erwähnt  er  die  germanistische  Färbung  des  Unterrichts  durch  den 
Weimarer  Rektor  Weinmann).  Der  sittliche  Bankerott  der  flachen  vaterlandslosen  Auf- 
klärung, wie  .sie  zumal  in  Berlin  ihr  Hauptquartier  hatte,  offenbart  sich  gerade  bei  G.s 
Beschränkung  des  Thema.s  in  voller  Schärfe:  das  Lob,  das  sich  Platen  für  das  „grosse 
Berlin"  in  heroischer  Zeit  abquält,  hat  die  mattherzige  Vaterstadt  der  Daveson,  Ephraim 
und  Konsorten  kaum  verdient.  G.s  eigentlicher  Held  ist  natürlich  Stein,  dessen  Gegner 
aber  doch  gelegentlich  zu  schlecht  wegkommen.  Von  Steins  Gehilfen  wird  besonders 
Schön  gut  gezeichnet;  seine  Beziehungen  zu  Kant  legen  in  einem  einzelnen  Falle  den 
engen  Zusammenhang  des  politischen  Aufschwungs  mit  der  geistigen  Bewegung  jener 
Tage  überzeugend  bloss.  Dem  guten  Patrioten  kann  die  Ueberschätzung  Arndts  und 
sogar  Jahns  z\i  gute  gehalten  werden;  aber  den  Standpunkt  Goethes  würdigt  G.  leider 
kaum  gerechter  als  jene  in  ihrer  schönen  Schwärmerei  blinden  Männer.  Mit  Recht 
rühmt  er  den  auf  tiefem  Verständnis  deutscher  Art  beruhenden  Griff  Wilh.  v.  Hum- 
boldts, der  in  den  Schulen  den  eigentlich  hinreissenden  Schwung  antiker  Bildung  für 
weit  wichtiger  hielt  als  jede  lediglich  auf  das  praktische  Bedürfnis  zugeschnittene  Er- 
ziehung; denselben  Schwung  erkennt  er  in  der  Gründung  der  Universität  Berlin  wieder. 
An  ihr  lehrten  in  Fichte  und  Schleiermacher  die  beiden  Männer,  die  den  Kampf  gegen 
den  entnervenden  politischen  und  religiösen  Rationalismus  am  kräftigsten  auinahmen: 
sie  treten  demgemäss  in  den  Vordergrund  des  Bildes,  während  Hegel  und  Jean  Paul 
zurückstehen.  Manches  einzelne  fordert  zum  Widerspruch  heraus:  das  „Werthertum", 
mit  dem  Jean  Paul  in  allzu  enge  Verbindung  gebracht  ist,  wird  anachronistisch  für  die 
Geschicke  von  180C  verantwortlich  gemacht;  die  Kunstliebe  der Boisser^es  ist  erheblich 
älter  als  ihre  Bekanntschaft  mit  Friedr.  Schlegel,  von  der  G.  sie  ableitet;  wie  darf 
Collins  Gestalt  in  einem  Bilde  der  Erhebung  Oesterreichs  fehlen?  Und  dass  gerade  die 
Schlussbetrachtung  über  Goethes  Faust  uns  eine  so  abscheuliche  Karikatur  Gretchens 
zeichnet,  in  der  G.  die  Verleumdungssucht,  die  Schmuckgier,  die  Unlauterkeit  der  ge- 
samten Gattung  findet,  das  hinterlässt  einen  fatalen  Nachgeschmack,  zu  dem  das  fleissig 
und  gewandt  zusammengestellte  Buch  sonst  keinen  Anlass  giebt.  —  Von  den  Freiheits- 
kriegen geleitet  uns  Biedermanns ^o)  JBL.  1800  IV  1  :  14  erwähntes  Werk  in  die  Zeit 
der  Revolutionen.  Dem  Jahre  1848  gilt  das  populäre  Buch  von  Stratz  ö*),  das  über 
Neapel,  Frankreich  und  Oberitalien  uns  in  die  Berliner  Märztage  und  die  Paulskirche 
führt.  Die  litterarischen  Elemente  werden  in  S.s  knapper,  tendenzlos  sachlicher  und 
recht  lesbarer  Erzählung  geflissentlich  kaum  gestreift;  selbst  kein  Freund  der  damaligen 
Professorenpolitik,  finde  ich  doch,  dass  S.s  gereizte  Abneiginig  gegen  Dalilmanns  ,, trockene 
Weisheit"  viel  zu  weit  geht.  Seine  kurze  Zusammenstellung  der  radikalen  Parteipresse 
(S.  159  f.)  sei  wenigstens  erwähnt.  Während  S.  noch  nicht  zur  Schilderung  der  Wiener 
Revolten  gelangt,  träumt  sich  ein  verbissener  Achtundvierziger,  der  bekannte  Schrift- 
steller L.  A.  Franko-),  der  dem  heutigen  Wien  bitter  grollt,  wehmütig  in  jene  Tage 
des  „edlen  Wiener  Bürgertums"  zurück  wie  in  eine  herrliche  Märchenzeit  und  giebt 
eigene  und  fremde  Erinnerungen  zum  Besten,  die  freilich  seine  Schwärmerei  nicht  be- 
greiflicher machen.  Am  interessajitesten  ist  das  Portrait,  das  F.  von  Dr.  Alfr.  Julius 
Becher  entwirft,  einem  schwachen  Komponisten  und  wüsten  Radikalen,  dessen  musika- 
lische und  politische  Thätigkeit  Grillparzer  unter  den  gemeinsamen  Begriff  „höchst  be- 
di-ohlicher  Katzenmusik"  brachte.  Ein  Brief  Lenaus,  der  Becher  befreundet  war,  zeugt 
von  der  rührenden,  liebenswürdigen  Sorglosigkeit  dieses,  freilich  nicht  unschuldigen, 
Opfers  der  Diktatur  Windischgrätz.  Ein  jmar  Distichen  auf  grosse  Musiker  bewähren 
den  geistreichen  Kritiker;  Bechers  TJiätigkeit  als  Redakteur  des  „Radikalen"  wird  von 
F.  nur  mit  zwei  Worten  berührt.  —  Die  gemischten  Empfindungen,  die  diese  Revolutions- 
helden im  besten  Falle  wecken,  lösen  sich  in  ungemischtes  Wohlgefallen  auf  gegenüber 
dem  prächtigen  „Kriegsgedenkbuch",  in  dem  Trojan  und  Lohmeyer *3)  die  htibschen 
heiteren  und  ernsten  Verse  zusammenfässten,  durch  die  der  „Kladderadatsch"  1870/71  die 
Grossthaten  unseres  Heeres  feierte.    Die  Sammlung  hat  nicht  nur  Wert  durch  die  humo- 


begrUsst).]|  —  60)  X  Brun  o  Gebhardt,  K.  niedemiann  1815—40.  2ö  Jahre  dUch.  Gcsch  :  MHL.  1891.  S.  347.  (Frenndliches 
urteil  Ubor  d.  Work,  d.  o.  Volksbuch  sein  will.)  —  61)  R.  Stratz,  D.  Revolutionsereignisse  d.  Sommers  184^S  gesell,  danrest 
(=  D.  Revolutionen  d.  J.  1848  u.  1849  in  Europa.  2. Tl.)  Heidelberg.  Winter.  XIT,  350.  M.  6,00.  |[WaIth.  Seh  ultze:  BLU.  N.  15; 
Gogenw.  N.  9]|  —  62)  L.  A.  Frankl,  Es  war  einmal!  Märzerinnerungen:  NFPr.  N.  9536.  —  63)  J.  Trojan,  J.  Lohmeyer, 
E.  Kriegsgedenkbuch  ans  d.  Kladderadatsch  in  Ernst  n.  Homor  aus  d.  J.  1870/71.  Vers  n.  Prosa.  Breslan.Wiskott.  o.  J.  146  S.  M.  2,50.  — 


IV  1:  64-70.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  48 

ristischen  Bilder  der  augenblicklichen  Stimmung,  die  sie  mit  zuverlässiger  Treue,  wenn 
auch  ein  wenig  verklärt,  abspiegelt;  sie  bietet  dem  Litterarhistoriker  zugleich  einen  sehr 
erheblichen  Bruchteil  des  poetischen  Ertrages  jener  künstlerisch  erstaunlich  unfrucht- 
baren Tage.  — 

Die  Helden  des  grossen  Krieges  spielen  natürlich  eine  Hauptrolle  in  der  Samm- 
lung von  Biographien  ausgezeichneter  deutscher  Männer  neuerer  Zeit,  die  H.  von 
Zobeltitz '5*)  mit  der  bestimmten  Absicht  geschrieben  hat,  der  Jugend  Vorbilder 
schaffender  eigener  Kraft  zu  zeichnen,  zugleich  zum  Erweise,  dass  ohne  Religiosität, 
Vaterlandsliebe,  Pflichtgefühl  nichts  Rechtes  gedeihe.  Dieser  pädagogische  Zweck,  der 
auch  Auswahl  und  Ton  bestimmte,  entzieht  das  Buch  hier  ernsthafterer  Beurteilung. 
Es  kann  aber  gerade  bei  seiner  Bestimmung  nur  gebilligt  werden,  dass  Z.  die  Jugend 
seines  Helden  liebevoll  bevorzugt  und  dass  er,  soweit  möglich,  die  eigenen  Worte  ihrer 
Selbstbiographien  reden  lässt.  Eine  stattliche  Anzahl  auch  von  Dichtern  und  Gelehrten 
hat  Z.  in  seine  Walhalla  aufgenommen,  und  das  schriftstellerische  Verdienst  wird  selbst 
bei  Männern  wie  Harkort,  Liebig,  Moltke,  Volkmann  nicht  vergessen,  deren  Hauptruhm 
andern  Seiten  ihrer  Thätigkeit  entstammt.  Wenn  Bismarck  und  Ereytag  fehlen,  so  er- 
klärt sich  das  wohl  daher,  dass  Z.  keine  Lebenden  schildern  wollte.  Ist  sein  Ver- 
ständnis für  die  darzustellenden  Persönlichkeiten  a^^ch  nicht  überall  dasselbe,  wie  denn 
z.  B.  Richard  Wagner  geradezu  dilettantisch  besprochen  wird,  so  hat  er  doch  meist 
gute  Quellen  benutzt  und  vermeidet  Blossen;  auch  der  solchem  Buche  gebührende  Enthu- 
siasmus ist  nicht  ganz  urteilslos.  —  Die  gleiche  Sorgfalt  lässt  sich  J.  Löwen bergs^^) 
flüchtig  zusammengestoppelter  Gallerie  von  Dichtermüttern  nicht  nachsagen:  die  billige 
Weisheit,  dass  grosse  Dichter  oft  gerade  ihrer  Mutter  die  poetische  Anlage  und  die 
Pflege  der  Phantasie  danken,  wird  durch  die  ersten  besten  Beispiele  mit  den  land- 
läufigsten Argumenten  zum  so  und  so  vielten  Male  bewiesen:  der  unvermeidlichen  Erau 
Rat,  die  den  Reigen  natürlich  eröffnet,  werden  gleich  die  wenig  beweiskräftigen  Mütter 
Schillers,  Herders  und  Bürgers  an  die  Seite  gestellt;  das  Unzulängliche  und  Zufällige 
seiner  Kenntnisse  nötigt  L.,  wahllos  auch  ganz  nichtssagende  Allgemeinheiten  und 
gleichgiltige  Zeugnisse  als  Stützen  einer  These  vorzutragen,  die,  verständig  gefasst,  nie- 
mand bestreiten  wird.  ^6^  — 

Der  Ueberblick  über  diese  litterarhistorischen  und  geschichthchen  Arbeiten 
allgemeineren  Charakters  hat  des  Erheblichen  wenig  ergeben.  Sehr  viel  günstiger  stellt 
sich  für  unsere  Periode,  gemäss  dem  Specialismns,  der  uns  beherrscht,  der  Ertrag  des 
Jahres  1891  dar,  sowie  wir  auf  das  Gebiet  der  monographischen  Eorschung  und  Dar- 
stellung weiterschreiten.  Die  Bedeutung  der  preussischen  Könige  6'')  für  unsere 
Litteratur  ist  viel  bestritten:  dass  die  ihnen  neuerdings  gewidmeten  Arbeiten  auch  der 
Litteraturgeschichte  Erucht  getragen  haben,  kann  nicht  bestritten  werden.  Allerdings 
hat  uns  die  reiche  Litteratur  über  Friedrich  den  Grossen  6^)  diesmal  mit  einer  Schrift 
verschont,  die  das  unendlich  abgedroschene  Thema  seiner  Beziehung  zur  deutschen 
Litteratur  abermals  ohne  neues  Material  und  ohne  neue  Gesichtspunkte  verarbeitete  wie 
Berger  das  noch  im  vorigen  Jahre  (JBL.  1890  IV  1  :  103)  that,  dessen  Buch  übrigens 
auch  von  H.  Eechner^ö)  abgelehnt  wurde,  weil  es  das  Thema  nicht  entfernt  erledige 
und  zu  äusserlich  fasse,  das  Verhältnis  des  Eridericianischen  zum  deutschen  Geiste, 
zur  klassischen  Poesie  kaum  streife.  —  Dafür  lassen  uns  die  beiden  neuen  Lieferungen 
des  grossen  Werkes  von  Koser ''O)  (JBL.  1890  IV  1  :  98),  da  sie  die  Eriedenszeit  vor 
dem  siebenjährigen  Kriege  behandeln,  in  Eriedrichs  schriftstellerische  Arbeiten,  in  die 
produktive  Gedankenfülle,  mit  der  er  unsere  geistige  Entwicklung  bereichert  hat,  bei 
den  verschiedensten  Gelegenheiten  Einblicke  thun.  Die  poetischen  Episteln  „Apologie 
der  Könige"  und  „Epitre  k  mon  esprit",  in  denen  er  zugleich  ein  satirisches  und 
schwungvolles  Bild  des  königlichen  Berufes  zeichnet,  werden  analysiert  (S.  311/3);  sein 
Einfluss  auf  die  Hebung  von  Handel  und  Industrie  wird  eingehend  dargestellt,  besonders 
gründlich  aber  die  Entwicklung  der  Rechtspflege  erörtert,  die  in  dieser  Periode  unter 
dem  massgebenden  Einfluss  Coccejis  vor  sich  geht.  Eriedrich  überschätzte,  wie  seine 
ganze  Zeit,  die  codificatorische  Arbeit  seines  Tribonian,   der  viel   zu  abhängig  war  vom 


64)  H.  V.  Zobeltitz,  30  Lebensbilder  dtsch.  Männer  aus  neuerer  Zeit.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  VI,  441  S.  M.  7,00. 
(U.  a.  Biographien  von  Cornelius,  Droyson,  Geibel,  Gerok,  Harkort,  Kohlrausch,  Liebig,  Moltke,  Bänke,  Rietschel,  Schliemann, 
Storm,  Volkmann,  Rieh.  Wagner.)  —  65)  J.  Löwenberg,  DichtermUtter:  VZgs-  N.  10/1.  (D.  Mütter  Goethes,  Schillers, 
Herders,  NoTalis',  Borgers,  Lenaus,  Heines,  Zach.  Werners,  Kemers,  Byrons.  Lamartines.)  —  66)  X  Frau  v.  Binzer  f:  SchwabMerkur 
N.  35.  (Kurzer  Nekrolog  d.  Gattin  d.  bekannten  burschenschaftlichen  Dichters.)  —  67)  O  XX  R-  Tieffenbach,  Preussen 
in  entscheidenden  Epochen  s.  Entwicklung  unter  d.  Grossen  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm,  unter  König  Friedrich  d.  Gr.  u. 
unter  Kaiser  Wilhelm  L  Drei  Festreden.  Berlin,  Gärtner.  102  S.  M.  2,00.  —  68)  X  C.  A.  Buchhoim,  Beckers  Friedrich  d. 
Gr.  with  an  historical  introduction,  genealogical  and  chronological  tables,  a  map  and  copious  index.  Second  rovised  edition. 
(=  German  classica  cd.  by  C.  A.  Buch  he  im.  Vol.  IX.)  Oxford,  Clarendon  Press.'  1889.  XXXII,  176  S.  (Ans  Beckers  bekannter 
Woltgesch.  wird  d.  Abschnitt  über  Friedrich  d.  Gr.  Übersetzt  u.  für  engl.  Leser  erklärt;  d.  einleitenden  Abschnitte  Über  Beckers 
Werk  u.  über  d.  gesch.  Bedeutung  Friedrichs  sind  sauber  u.  verständig  gearbeitet,  ohne  doch  irgend  etwas  Neues  zu  bieten.)  —  69)  H. 
Fechner,  Berger,  Friedrich  d.  Gr.  u.  d.  dtsch.  Litt.:  HZ.  67,  S.  92/4.  (Vgl.  auch  Muncker:  LBlGRPh.  12,  S.  401.)  — 
70)  R.  Koser,  König  Friedrich  d.  Gr.    Lief.  5-6.  (=  Bibl.  dtsch.  Gesch.  Lief.  59,  73.)    S.  295—454.    Stuttgart,  Cotta.    Jo  1  M. 


40  O.  Roethe,  AUgomeines  des  18.19.  Jahrhundert«.  IV  \:  iiw. 

n>tiiis(lioii  Rocht  und  sich  dazu  in  ninom  kaum  vorfitändhchon  technischon  Deutsch 
getiol;  Friedrich  stoUto  unter  ('occojis  F'infiwHH  die  preussische  Rochtspfiego  nidit  nur 
unahhiiiigig  vom  Gutacliten  der  Fakultäten,  sondern  sogar  mit  seltenen  Ausnahmen  von 
allen  Eingriffen  der  Krone.  Aber  auf  seine  eignen  Gedanken  verzichtete  er  darum 
nicht.  Sein  Ahriss  ühor  die  Aufgaben  der  Gesetzgebung  vom  Jahre  174i),  dessen  Ver- 
hältnis zu  M()ntes«iuieus  „Esprit  des  lois"  K.  in  grossen  Zügen  darlegt,  zeigt  zwar  in 
den  historischen  ]5einerkungen  entschiedene  Mängel,  voirät  aber  in  seinen  Vorschlägen 
zur  Ress(!rung  d<^s  St.rafrcchts  ein  gesundes  Laionurtcil,  das,  inibeirrt  durch  die  Vor- 
urteile der  Ji(n'nfsjnrist,en,  für  glückliche  Neuerungen  eintritt,  die  inzwischen  sich  be- 
währt haben.  —  Rekanntlich  hat  der  K()nig  nach  (Joccejis  Tode  in  einem  berühmttiu  Falle 
seine' strenge  Zurückhaltung  aufgegeben  inid  mit  .seinem  Laienurteil  scharf  eingegriffen 
in  die  unzweifcilhaft  unparteiischen  Beschlüsse  seines  Kamraorgerichts.  Dieser  Ein- 
griflt'  in  den  Prozess  des  Müllers  Arnold  ist  viel  gescholten  worden:  Dickeis  "-''^) 
ungemein  klare  Nachprüfung,  die  auf  einem  Studium  der  Akten  beruht,  wie 
es  so  solide  weder  der  König  noch  die  Richter  damals  vornahmen,  beweist 
jedenfalls,  dass  das  richterliche  Urteil  sich  arge  Blossen  gab  und  auf  einem 
unfruchtbaren  Formalismus  beruhte,  dem  gegenüber  der  königliche  Laie  sittlich  im  Rechte 
war;  es  ist  chai-akteristisch,  dass  gerade  der  Fall  Arnold  dem  befreienden  Geiste  (yarmers 
zu  dem  gebührenden  Einflüsse  verhalf.  Auch  in  der  Rechtspflege  steht  der  Sohn  auf 
den  Schultern  des  Vaters:  die  sittliche  Unantastbarkeit  seiner  Richter  hatte  schon 
Friedrich  Wilhelm  I.  erkämpft;  Friedrich  sucht  ihnen  jenes  naive  Rechisgefühl  ein- 
zuhauchen, das  den  juristischen  Formalismus  überwindet.  —  Die  hohe  Bedeutung  des 
Vaters  für  die  Erfolge  des  Sohnes  ist  inzwischen  auch  der  französischen  Geschichts- 
schreibung aufgegangen,  die  von  jeher  gew()hnt  war,  den  roi  corporal  als  brutalen 
Bauern  achselzuckend  abzutlmn.  Lavisses  "•'"'''*)  „Jugend  Friedrichs  des  Grossen"  bringt 
Friedrich  Wilhelm  geradezu  eine  gewisse  Sympathie  entgegen:  unterscheidet  sich  ihm 
doch  der  Sohn  vom  Vater  wesentlich  „par  le  mepris  de  toute  loi  divine  ou  humaine". 
An  karikierenden  Zügen  fehlt  es  freilich  auch  hier  nicht.  Aber  das  liegt  an  den  Quellen, 
die  L.  bevorzugt.  Dem  Thema  nach  deckt  sich  das  französische  Werk  ungefähr  mit 
Kosers  „Friedrich  der  Grosse  als  Kronprinz",  dem  L.  sein  Material  zum  besten  Teile 
dankt;  nur  schliesst  er  schon  mit  der  Hochzeit,  also  noch  vor  der  Rheinsberger  Periode 
ab.  Während  aber  Koser  mit  vorsichtiger  und  entsagender  Kritik  alle  zweifelhafter! 
Berichte  sauber  ausscheidet,  zieht  der  Franzose  mit  sichtlicher  Freude  am  anekdotisch 
Pikanton  sogar  die  skandalsüchtigon  Memoiren  der  Markgräfin  Wilhelmine  ausgiebig 
heran;  auch  die  franz()sischcn  Gesandtschaftsberichte,  deren  Aiisnutzung  einige  wenige 
neiien  Details  zu  Kosers  erscli()pfender  Darstellung  beisteuert,  huldigen  einem  ähidichen 
Triebe  zur  Anekdote.  Den  schriftstellerischen  Effekt  des  vortrefflich  geschriebenen  Buches 
erlu")hen  diese  klatschfreudigen  Quellen  allerdings.  Gern  verweilt  L.  bei  den  fran- 
zösischen Einflüssen,  denen  Friedrichs  Erziehung  unterlag,  zumal  bei  Jacques  Egide 
Duhan,  auch  damit  der  nationalen  Eitelkeit  schmeichelnd,  die  einen  seiner  französischen 
Beurteiler,  Docrue '•">),  gar  veranlasste,  das  französische  Blut  in  Friedrichs  Adern  nach- 
zurechnen. Bemerkenswerter  ist  wohl  das  abfällige  Urteil,  das  L.  über  Friedrichs  fran- 
zösische Jugendpoesien,  zumal  über  die  Liebesgedichte  an  Frau  Oberst  v.  Wreech  auf 
Tamsel  fällt.  Davon  können  wir  lernen;  sonst  bringt  L.  trotz  allem  umsichtigen  Fleiss 
bei  weitem  nicht  so  viel  des  Neuen,  wie  landsmännische  Kritiker,  z.  B.  Rarabaud'^), 
gern  behaupten.  Immerhin  ist  es  erfreulich,  dass  L.  seine  biographische  Arbeit  fort- 
zusetzen scheint:  seine  anschaxdiche  Skizze '''7)  der  kurzen  Neuruppiner  Periode,  in  der 
sich  der  Kronprinz  ein  Ideal  des  juste  miliexi  herausgebildet  habe,  weist  allertlings  ein 
paar  böse  Missverständnisse  der  deutschen  Verse  auf,  die  Friedrich  auf  seinem  ersten 
Feldzuge  wagte.  Schon  sie  zeigen  die  knappe,  ungehobelte  Derbheit,  die  Friedrichs 
deutscher  Rede  immer  ihr  Gepräge  verleiht.  —  Diese  Eigenschaft  zu  studieren,  bot  der 
18.  Band  seiner  politischen  Kon'espondenz'^)  der  das  verdriessliche,  verzettelte,  nirgends 
gedeihliche  Kriegsjahr  1759  umfasst,  namentlich  in  den  ärgerlichen  Briefen  an  den  un- 
glücklichen, langsam  fassenden  und  ausführenden  Generalmajor  von  Wobersnow  Ge- 
legenheit, dem  gegenüber  bis  zu  seinem  Soldatentode  bei  Kay  der  König  einen  statt- 
liclien  Reichtum  an  kräftigen  Bildeni  und  urwüchsigen  Grobheiten  loslässt:  schade,  dass 
die  orthographische  Modernisienmg der  deutschen  Briefe  in  Naudes  Ausgabe  den  Eindruck 


—  71)  K.  Dickel,  Beitrr.  t.  prenss.  Rechte  fOr  Studietondo  d.  Rererpndare.  1.  Heft:  Friedr.  d.  Gr.  o.  d.  ProcsAse  d.  Maliers 
Arnold.  Marburg,  Elirhardt.  Y,  147  S.  M.  3,00.  [[G.  Winter:  HLÜ.  N.  iO.]\  —  72)  G.  Winter,  Nochmals 
MllUfir  Arnold:  AZgn.  N.  277.  (Eingehendes  Ref.  v.  N.  71.)  —  73)  E.  Lavisse,  La  Jeanesse  du  Graad  Fr^diric.  Paris, 
Hachotto  ts  Co.  XVI,  411  S.  —  74)  A.  Nnud#,  E.  neues  französ.  Werk  t.  prouss.  Gesch.:  DBs.  1891/2,  1,  S.  1.58-60. 
(Warmn  Anerkonnung  v.  N.  73,  mehr  um  d.  Darstellung,  als  um  d.  Neuforschung  willen;  d.  franzOs.  Oesandtschaftsberichte  »eien  Uber- 
scliUtzt;  d.  ornste  Historilcpr  wehre  d.  chauvinistischen  Fr.inr.osen  meist  ab.)  — 75)  F.  Decrue,  Lavisse,  La  jeunesse  du  Grand 
Fr6d6ric:  RCr.  32,  N.  28.  —  76)  A.  Rambaud,  IVre  et  fils:  RPL.  47,  S.  2G9— 77.  (Ref.  Ober  N.  73.)  —  77)  E.  Lavisse. 
Le  gr»i>d  Fr^döric  avant  l'Hyenement,  le  s^jour  ik  Neu-Ruppin:  RDM.  108,  S.  882—916.  —  78)  Polit  Eorrospondenz  Friedricka 
JkhresberioLte  fUr  neuere  deutsche  Lilleraturgesckickte  II  t2i.  ^ 


IV  1:  79-83.  G.  Eoethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  50 

abschwächt.  Der  Schwung  des  Krieges  tönt  nur  französisch  aus:  dem  Landgrafen  von 
Hessen-Cassel  dankt  Friedrich  emphatisch,  dass  er  für  ,,la  bonne  cause  de  la  liberte 
germanique  et  de  la  patrie  si  fort  ebranlee"  streite;  französisch  gelingt  ihm  die  gewinnende 
Phrase,  „im  Deutschen  lügt  man,  wenn  man  höflich  ist".  —  Gerade  in  diesen  schweren  Jahren 
entwickelt  sich  der  Typus  des  alten  Fritz,  der  volkstümlich  wurde  und  zumal  durch 
Rauch  und  Menzel  uns  allen  ans  Herz  gewachsen  ist.  Aus  von  Taysens  ''9)  sehr  dankens- 
werter, mit  vielen  Bildern  geschmückter  Arbeit  über  die  äiissere  Erscheinung  des  Königs 
gewinnen  wir  jetzt  einen  bequemen  Ueberblick  über  die  Wandlungen  namentlich  seines 
Gesichtes:  ich  bedaure,  dass  T.  das  ohnehin  bei  der  Abneigung  Friedrichs  gegen 
„Sitzungen"  nur  geringe  Material  nicht  vollständiger  publiziert  hat :  zwischen  Georgis  noch 
jugendlichem  Medaillon  von  1757  und  dem  ältlich  aussehenden  Bilde  von  Ziesenis  1771 
fehlen  die  Mittelstufen  vollständig,  so  dass  ich  doch  Glumes  Bild  von  1759  vermisse. 
Gerne  hätte  ich  die  an  sich  instruktiven  Porträts  königlicher  Verwandten  in  den  Kauf 
gegeben  für  noch  erschöpfendere  Reproduktion  der  Bilder  Friedrichs  selbst.  Aber  das 
ist  eine  Frage  der  Ausstattung:  T.s  Forschung  weist  diese  Lücken  nicht  auf.  Von  dem 
durch  Knobelsdorflf  und  Pesne  fixierten  Jugendtypus  bis  zu  der  wundervollen,  an  Moltke 
gemahnenden,  aber  doch  noch  bedeutenderen  Totenmaske  geleitet  er  uns  kundig  über 
Büsten,  Bilder,  Münzen  und  auch  Berichte  hin;  nur  diese  werden  den  milden,  schönen, 
sonnenhellen  Augen  gerecht,  die  auf  den  Bildern  nirgend  den  rechten  Eindruck  machen. 
Auch  die  Kleidung  wird  erwogen:  mit  Recht!  Gehört  doch  z.  B.  der  Krückstock  zu 
den  unentbehrlichen  Attributen  des  echten  alten  Fritzen,  wie  er  noch  heute  im  Ge- 
dächtnis des  Volkes  lebt.  —  So  ist  es  natürlich  nicht  immer  gewesen.  Die  munteren, 
siegesfreudigen  Kriegslieder,  die  der  brave  Musketier  Dominicus  im  Anhange  zu  seinem 
von  Kerl  er  80-81)  veröffentlichten  wortkargen,  aber  zuverlässigen  Tagebuch  aufgezeichnet 
hat  und  von  denen  nur  zwei  schon  früher  in  Ditfurths  Historischen  VolksHedern 
pubHziert  waren,  betonen  noch  stark  das  Heroische  seiner  Art:  gleich  das  erste  „Ein 
edler  Held"  gefällt  sich  noch  in  dem  steifen  Pomp,  der  aus  dem  17.  Jh.  ererbt  war; 
ebenso  die  gespreizte  „Carmina"  N.  7.  Aber  freilich,  schon  1758  heisst  er  ein  „Vatter 
der  Soltaden"  (N.  9,  vgl.  N.  4),  und  die  vertraulich  humoristische  Beleuchtung,  in 
die  er  später  dem  Volksbewusstsein  gerückt  ist,  bereitet  sich  schon  in  den  durch 
Rossbach  veranlassten  Liedern  (N.  3,  5)  vor.  Der  kriegerische  Preussenstolz,  der 
Friedrichs  Leute  beseelt,  kann  gar  nicht  greller  gezeigt  werden  als  durch  einen  Ver- 
gleich der  kampfesfrohen  Preussenlieder  (N.  4,  6,  8)  mit  der  friedfertigen  sächsischen 
Lamentation,  mit  der  Dominicus  seine  kleine  Sammlung  beschliesst.  Der  treifliche 
Soldat  (geboren  1731  in  Harhausen  bei  Gummersbach)  zeigt  uns  in  seiner  Persönlichkeit 
Friedrichs  Armee  von  der  besten  Seite:  früherer  Kaufmann  aus  gut  bürgerlicher 
Familie,  ein  fleissiger,  zuverlässiger,  frommer  Mann,  der  sich  in  aller  Not  durch 
protestantische  Kernlieder  zu  trösten  weiss,  dem  Kriegshandwerk  innerlich  abhold, 
bleibt  er  trotz  Strapazen  und  langer  Gefangenschaft  mit  tiefem  Pflichtgefühl  seiner 
militärischen  Stellung  und  seinem  Könige  auch  nach  dem  Kiiege  bis  zum  Tode  (1775) 
treu;  in  ihm  kündigt  sich  schon  jener  aufopfernde,  vaterländische  Sinn  an,  der  sonst 
den  geworbenen  Heeren  jener  Tage  so  empfindlich  abgeht;  auch  das  eine  Wirkung  der 
grossen,  heldenhaften  und  doch  vertrauten  Gestalt  des  königlichen  Führers.  Koser 
bemerkt  (s.  o.  N.  70,  S.  392/4),  wie  gerade  in  dem  neuerworbenen  Schlesien,  in  dem 
man  an  die  prunkvolle,  ceremoniöse  Grandezza  der  österreichischen  Standesherren 
gewöhnt  war,  die  unerhörte  schlichte  Leutseligkeit  des  Hohenzollern  ihn  dem  Volke 
fast  ziu-  legendarischen  Gestalt  machte.  —  Die  Beispiele,  die  Koser  anführt,  halten  sich 
noch  im  Kreise  der  historischen  Sage.  Aber  ganz  in  märchenhafte  Beleuchtung  ist  der 
König  gerückt  in  einigen  der  pommerschen  Volksmärchen  (N.  23— 31),  die  U.  Jahn  82-83) 
gesammelt  hat.  Ein  zweiter  Harun  al  Raschid  lernt  Friedrich  im  Inkognito  erkennen, 
dass  nicht  die  kleinen  Leute  ihn  betrügen,  nur  die  grossen  Herren,  dass  Treue  und 
Tüchtigkeit  bei  der  Armut  wohnt.  Uralte  Spässe,  wie  der  vom  Kaiser  und  vom  Abt 
(N.  27),  der  von  der  abgetretenen  Belohnung,  die  sich  als  Prügel  entpuppt  (N.  24,  25), 
werden  auf  den  König  übertragen,  und  auch  eine  Sage  wie  die  von  Karl  und  Elegast 
wird  von  ihm  erzählt.  Die  Verkleidung  bringt  ihn  nicht  selten  in  Gefahr, 
trägt  ihm  wohl  gar  Schläge  ein,  und  der  Schlachtenheld  zeigt  in  prekärer  Lage  selbst 
Anwandlungen  von  Feigheit.  Das  Volk  behandelt  seinen  Liebling  eben  oline  feierlichen 
Respekt,  mit  der  vertraulichen  Zuneigung,  die  kleine  Schwächen  an  dem  geliebten 
Gegenstande  geradezu  braucht,  um  recht  von  Herzen  warm  werden  zu  können.  —  Die 
Extreme  berühren  sich:  mit  dem  gemeinen  Mann  und  mit  seinen  französischen  Beiesprits 


d.  Gr.  18.  Bd.  Berlin,  A.  Duncker.  776  S.  M.  20,00.  —  79)  A.  v.  Taysen,  D.  äussere  Erscheinung  Friedrichs  d.  Gr.  u.  d. 
nächsten  Angehörigen  seines  Hauses.  Mit  Bildn.  in  Photogravure,  Lichtdruck  u.  Holzschnitt.  Berlin,  Mittler  &  Sohn.  4". 
CO  S.  M.  6,00.  |[LCB1.  S.  1309.11  —  80)  Aus  d.  7j.  Krieg.  Tagebuch  d.  preuss.  Musketiers  Dominicus.  Nebst  ungedr.  Kriegs- 
n.  Soldatenliedern  her.  v.  D.  Kerler.  MUnchen,  Beck.  XVI,  125  S.  M.  2,25.  |[Walth.  Schnitze:  BLU.  N.  12.]|  - 
81)  X  A.  V.  Kluckhohn,  Aus  d.  7j.  Kriege:  AZgB,  n.  112.    (Bericht  über  N.  81.)  -  82)  (15  :  242.)  —  83)  X  ^-  Ö.,  Friedrich  d. 


51  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  l:  m-b». 

uiitorliiolt  sicli  der  König  am  liebsten;  die  Gefährten  seiner  Siege,  die  Generäle,  waren 
'Ml  nuniter  bciwegtem  Gespräch  nicht  einmal  bei  Tische  brauchbar.  So  berichtet  uns 
d'Alembort,  aus  dessen  neuerdings  durch  G.  Maugras  edierten  Briefen  an  seine 
Cousine  Mademoiselle  de  Lespinasso  (10.  Juni  —  3.  Sept.  1763)  Larue  ®*)  Auszüge 
f?iel)t.  In  diesen  durcliaus  vertraulichen  Briefen  spricht  d'Alembert  mit  unbegrenzter 
Vcrelirung  vom  K(")nig,  dessen  Freundschaft  ihn  tief  rührt;  er  kann  Paris  nicht  entbehren, 
sonst  nälime  er  gern  die  ihm  durch  kcniigliche  Gnade  verheisseno  Stellung  des  Akademie- 
präsidenten  an,  zumal  ihm  die  Akademie,  in  ihr  vor  allem  Euler,  sehr  wohl  gefallt.  — 
d'Alembort  hat  dinch  Lauterkeit  und  Takt  Erfahrungen  vermieden,  wie  sie  sich  der 
minder  würdige  Günstling  Voltaire  selbst  zugezogen  hat.  Seine  berühmte  Gefangenschaft 
zu  Frankfurt  1753,  die  bisher  lediglich  aus  Vamhagens  Darstellung  im  „Berliner 
Kalender"  von  1840  bekannt  war,  schildert  R.  Jungks)  nach  den  Akt«n  des  Frankfurter 
Stadtarchivs.  Die  feige  Unterwürfigkeit  des  kleinen  Reichsstandes  vor  dem  grossen, 
die  ungeschickte,  zugleich  barsche  und  ängstliche  Art  der  preussischen  Residenten  in 
Frankfurt  hat  Voltaire  in  eine  Flut  langwieriger,  von  Friedrich  nicht  beabsichtigter 
Chikanen  und  Belästigungen  getaucht,  während  der  König  nur  gewünscht  hatte,  dass 
man  dem  Unzuverlässigen  den  Kammerhermschlüssel,  den  Orden  pour  le  m^rite,  die 
königlichen  Briefe  und  vor  allem  seine  ganz  vertrauten  „Oeuvres  de  po^sie"  abnehme. 
—  Eines  anderen  gefallenen  Günstlings  Biographie  skizziert  Fisch  ^)  kurz  und  ohne 
viel  Ftirderung.  Jak.  Friedr.  Bielefeld  zog  schon  als  Sprecher  der  Loge  die  Auf- 
merksamkeit des  Kronprinzen  auf  sich,  als  er  an  dessen  Aufnahme  in  den  Freimaurer- 
orden zu  Braunschweig  teilnahm;  der  König  wies  dem  gewandten  Litteraten  zwar 
nur  eine  ziemlich  subalterne  diplomatische  Stellung  zu,  verwendete  ihn  aber  gern  zu 
deutschen  Gelegenlieitsdichtungen,  so  zu  der  Strohkranzrede  auf  der  Hochzeit  des 
Prinzen  Wilhelm.  Bielefeld  wetteiferte  im  Lustspiel  („Die  Beschwerlichkeiten  des  Hofes") 
sogar  siegreich  mit  d'Argens.  Ein  privater  gelehrter  Kreis,  in  dem  Bielefeld  eine  Rolle 
spielte,  wurde  1744  vom  König  mit  der  „Akademie  der  Wissenschaften  und  freien  Künste" 
verschmolzen.  Bis  zum  Freiherrn  und  Geheimrat  aufgestiegen,  fällt  Bielefeld  um  1750 
aus  unbekannten  Gründen  in  Ungnade,  ohne  dass  er  darum  aufhört,  Bewunderer  und 
Parteigänger  des  Königs  zu  sein.  Erhebt  sich  seine  mannigfaltige,  politische  und 
belletristische,  fi-anzösische  und  deutsche  Schriftstellerei ,  die  u.  a.  auch  eine  deutsche 
Wochenschrift  und  deutsche  Lustspiele  aufweist,  auch  nirgends  über  das  Diirchschnitts- 
niveau  billiger  Aufklärung,  so  hätte  der  neue  ,,Goedeke"  den  Mann  doch  nicht  vergessen 
sollen.  —  Eine  kurze  Unterredung,  die  Friedrich  17()0  mit  einem  anderen  deutschen 
Gelehrten,  dem  trefflichen  Gräcisten  und  bahnbrechenden  Arabisten  Job.  Jakob  Reisko 
hatte,  rückte  Rieh.  Förster ^7)  in  den  Mittelpunkt  einer  Schilderung  dieses  aufopfern- 
den, diirch  eigenes  Ungeschick,  mehr  aber  durch  die  Missgunst  der  massgebenden 
Professoren  verdüsterten  Gelehrtenlebens.  Jenes,  wohl  durch  Reiskes  Studienfreund 
(iuintus  Icilius  vermittelte  Gespräch,  in  dem  der  König  dem  Phüologen  durch  seine 
überraschende  Orientiortheit  auch  auf  seinem  Gebiete  imponierte,  bildete  nächst  der 
Liebe  der  Gattin  und  der  Freimdschaft  Lessings  einen  der  wenigen  Lichtblicke  in 
Reiskes  arbeit-  und  kummerreichem  Leben.  Haupts  Vermutung,  ihn  habe  Friedrich 
unter  dem  professeur  de  grec  verstanden,  dessen  jugement  et  goüt  er  der  Herzogin 
Louise  von  Sachsen-Gotha  rühmt,  weist  F.  mit  Recht  ab;  dieses  oft  erwähnte  Muster- 
exemplar des  deutschen  Professors  ist  immer  wieder  Geliert,  der  es  verstanden  hatte, 
dem  König  bequem  ein  paar  neue  brauchbare  Gesichtspunkte  zugänglich  zu  machen.  — 
Denn  durch  das  naive  persönliche  Bedürfnis  wird  Friedrichs  Verhältnis  nicht  nur  zu 
den  Gelehrten,  auch  zu  Wissenschaft  und  Kunst  ausschliesslich  bestimmt;  was  sich 
diesem  Bedürfnis  nicht  willig  und  leicht  fügt,  ist  für  ihn  nicht  vorhanden.  Dies  persön- 
liche Element  zeigt  sich  auf  den  verschiedensten  Gebieten.  Der  königliche  Architekt, 
den  Gurlitt^S)  energisch  gegen  die  bornierte  und  subalterne  Mäkelei  Mangers  und 
seines  Geistesgenossen  Nicolai  in  Schutz  nimmt,  baute  als  echter  Bauherr  ganz  nach 
seinem  individuellen  Bedarf,  wenn  auch  im  Anschluss  an  die  klassizistischen  Pariser 
Baurogeln,  deren  trockne  Korrektheit  er  durch  einige  Entlehnungen  aus  dem  Dresdener 
Barockstil  sich  geniessbarer  machte.  Wie  sich  hierin  sein  deutsches  Empfinden  von 
der  nüchternen  französischen  Strenge  emanzipiert,  ebenso  lässt  er  später  englische  Ein- 
flüsse gotischen  Stils  auf  sich  wirken,  zur  grossen  Befremdung  seiner  Baumeister.  Feldt 
ihm  aucli  das  Vertrauen  zur  deutschen  Erfindungskraft,  so  dass  er  überall  kopieren 
lässt  (besonders  oft,  auch  im  Privatbau,  Palladio),  so  scheut  er  sich  doch  nicht,  selbst 
unbefangen  gegen  alle  zünftigen  Vorurteile    und    Systeme    zu    Verstössen,    wo    ihm  das 


Gr.  in  VolksmSrchen:  AZgB.  N.  80.  (Analyse  d.  unter  N.  82  besprochenen  MSrchen.)  —  841  E-  Larue,  d'Alembert  Ober 
Friedricli  d.  Gr.:  Zeitgeist  N.  19.  —  85)  R.  Jung,  Voltaires  Verhaftung  in  Frankfurt  a.'M.  auf  Befehl  Friedrichs  d.  Gr.(1753): 
AFrankfurtQ.  III.  F.  3,  S.  217-37.  —  86)  R.  Fisch,  E.  Hoflitterat  Friedrichs  d.  Gr.:  VZgS.  N.  51/2.  —  87)  Bich.  Förster, 
Joh.  Jak.  Reiske  u.  Friedrich  d.  Gr.  Aus  e.  z.  Feier  d.  Geburtstages  d.  Kaisers  am  27.  Jan.  geh.  Rede.  (Auch  als  S.-A. 
erschienen.    Breslau,  Trewendt.    M.  0,40.):  DR.  U,  354-67.    —    88)    C.    Ourlitt,    Friedrich    d.  Gr.  als  Architekt:   WIDM.  60, 

4« 


IV  1:  89-92  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19-  Jahrhunderts.  52 

praktisch  oder  ästhetisch  sich  empfahl.  —  Genau  so  steht  es  mit  Friedrichs  Philosophie, 
wie  H.  Fechner^ö)  gie  überzeugend,  nur  in  allzu  scharf  zugespitztem  Aufbau,  entwickelt. 
Auch  sie  ist  kein  konsequentes,  ergrübeltes  System,  sondern  erwachsen  aus  Erfahrung 
und  Bedürfnis.  Gegen  alle  Hohenzollerntradition  bricht  Friedrich,  schon  bevor  die 
Wolifsche  Philosophie  ihm  1736  die  schulmässigen  Gründe  dazu  an  die  Hand  giebt,  mit 
dem  Christentum,  weil  es  ihm  die  aus  unwürdiger  Jugendbehandlung  erwachsene  Nach- 
sicht gegen  die  eigenen  Schwächen,  weil  es  ihm  vor  allem  die  Ruhmsucht  wehrt  und 
mit  seiner  passiven  Sittenlehre  nicht  zu  der  grossen  Lebensaufgabe  zu  stimmen  schien, 
die  Friedrich  sich  schon  1730  zum  Ziele  setzte,  die  Grösse  und  Freiheit  Preussens 
k  tout  prix.  Der  Determinismus  gestattete  ihm,  an  Stelle  des  an  und  für  sich  Guten 
das  Zweckmässige  anzustreben;  da  aber  von  diesem  ethischen  Standpunkt  aus  Irrtum 
und  moralische  Verschuldung  etwa  auf  derselben  Stufe  stehen,  so  erwuchs  gerade  aus 
dieser  Wurzel  eine  entschiedene  Unsicherheit  seines  Handelns.  Für  seine  Staatsraison 
war  die  Lehre  vom  zureichenden  Grunde,  wie  er  sie  in  den  „Considerations  sur  l'etat 
present  du  corps  politique  de  l'Eiirope"  und  in  der  „Refutation  du  prince  Machiavel" 
auf  die  Politik  anwendet,  ein  unschätzbares  Mittel,  um  die  verwickeltsten  politischen 
Knoten  mit  dem  Schwerte  durchhauen  zu  dürfen.  Diese  Philosophie  beschwichtigt 
in  der  Staatskunst  störende  Skrupel.  Mit  dem  Christentum  fiel  ihm  natürlich  auch  der 
Glaube  an  Unsterblichkeit  und  Vorsehung.  Aber  Friedrich  ist  nicht  konsequent,  er  ist 
auch  als  Philosoph  praktisch  und  individuell.  So  lässt  er  für  die  Privatmoral  das 
Christentum  gelten ;  er  vertritt  den  Materialisten  gegenüber  die  Willensfreiheit,  und  seine 
Ideengänge  kommen  von  dem  leitenden  Gotte  nicht  los;  wo  die  Philosophie  nicht  aus- 
reicht, zumal  in  passiven  Seelenzuständen,  da  gewinnt  das  Christentum,  das  ihm  mitten 
in  der  politischen  Aktion  unbequem  ist,  wieder  Macht  über  ihn;  vor  allem  sein  unbe- 
grenztes Pflichtgefühl,  das  er  selbst  freilich  aus  der  Philosophie  ableitet,  ist  von  köstlich- 
christlichem  Inhalte  ganz  erfüllt.  Friedrichs  stark  negative  Philosophie  ist  entstanden 
unter  dem  Drucke  praktischer  und  geschichtlicher  Notwendigkeit  und  hat  unzweifelhaft 
den  königlichen  Denker  für  die  unmittelbaren  Bedürfnisse  des  Lebens  geschult;  aber 
sie  war  eine  unübertragbare,  ausschliesslich  individuelle  Privatphilosophie,  in  der  der 
Hass  gegen  das  Christentum  im  Grunde  auf  Selbsttäuschung  beruhte.  —  Dieser  bekannte 
Hass  des  Königs  machte  es  möglich,  dass  man  ihm  de  la  Serres  anstössige  „Pensees 
sur  la  religion"  zuschrieb:  ihretwegen  Hess,  wie  Thommen^o)  als  Curiosum  berichtet, 
die  Baseler  Universitätscensur  1789  den  12.  Band  der  bei  Legrand  und  Thurneysen  in 
Basel  kritiklos  zusammengedruckten  „Oeuvres  posthumes"  Friedrichs  in  allen  erreichbaren 
Exemplaren  verbrennen.  —  Wie  endlich  auch  die  Geschichtsforschung  und  -Schreibung 
in  Friedrichs  Händen  einen  stark  persönlichen  Charakter  annimmt,  ist  bekannt.  Für 
die  1775  von  ihm  vorgenommene  Redaktion  der  ,,Histoire  de  mon  temps"  weist  Wie de- 
mann^^)  nachträgliche  Benutzung  einer  1742/3  verfassten  Ausarbeitung  über  die  Ge- 
schichte des  ersten  schlesischen  Krieges  nach;  er  stützt  sich  dabei  wesentlich  auf  ein 
Fragment  jener  Ausarbeitung,  das  sich  in  Voltaires  Memoiren  (Oeuvres  ed.  Beuchot 
11,  S.  58)  erhalten  hat.  — 

Friedrichs  Nachfolger,  Friedrich  Wilhelm  IL,  anfangs  begeistert  begrüsst, 
geriet  mit  dem  wachsenden  Einfluss  der  Clique  Wöllner  und  Bischofswerder  in  das 
scharfe  Feuer  einer  umfänglichen  oppositionellen  Broschürenlitteratur.  Diese  Broschüren, 
zum  Teil  erwachsen  aus  den  geschriebenen  Bulletins,  die  damals  den  politischen  Klatsch 
in  Ermangelung  der  heutigen  Zeitungen  vertrieben,  hat  Reiche  ^2)  einer  auch  litterar- 
historisch  interessierenden  Besprechung  unterzogen,  die  zwar  auf  tiefer  dringende  Forschung 
verzichtet,  aber  durch  eine  schnelle,  charakterisierende  Uebersicht  bequem  orientiert. 
Schon  1787  eröffnen  die  von  dem  zurückgesetzten  und  verbitterten  Geheimen  Rat 
V.  Borcke  verfassten  „Geheimen  Briefe  über  die  preussische  Staatsverfassung"  diese 
Plänkeleien,  ein  scharf  kritischer  Bericht,  der  briefweise  die  Ereignisse  je  mehrerer 
Wochen  zusammenfasst,  aber  den  eigentlichen  Klatsch  meidet  und  überall  Kenntnis  der 
Verhältnisse  zeigt.  Dagegen  hat  die,  jedenfalls  ohne  Anteil  Borckes,  1788  erschienene 
französische  Uebersetzung  seiner  „Briefe",  die  man,  wohl  mit  Unrecht,  Mirabeau 
zuschrieb,  den  persönlichen  Ausfällen,  dem  Skandal  bereits  Thür  und  Thor  geöffiiet. 
Aber  ihren  Höhepunkt  erreicht  die  polemische  Flugsckriftenlitteratur  erst,  als  der  ver- 
hasste  Wöllner  1788  Kultusminister  geworden,  und  von  ihm  die  viel  berufenen  Religions- 
und Censuredikte  erlassen  waren.  Ueber  die  öfter  schon  erörterten  Broschüren,  die  aus 
diesem  Anlass  entstanden,  eilt  R.  schnell  hinweg.  Dagegen  erzählt  er  von  des  badischen 
Professors  Schreiber  ,, Gebetbuch  des  Königs  von  Preussen"  1790:  eine  massvolle  Ver- 
urteilung der  bisherigen  Regierung,  dem  König  selbst  in  den  Mund  gelegt,  der  salbungs- 


S.  100—29.  -  88)  H.  Fechn er,  Ursprung,  Wosen  u.  Bedeutung  d.  Philosophie  Friedrichs  d.  Gr.:  HTb.  VI.  F.  10,  S.  187-225.  - 
80)R.  Thommen,  E.  censurierter  Kdnig:  BaselTb.  224/7.  —  81)  Th.  Wiedemann,  Z.  Histoire  de  mon  temps  König  Friedrichs  II. 
V.  Preussen:  HZ.   81,    S.   290/4.    —    82)   B.    Reiche,    D.     polit   Litt,    unter   Friedrich  Wilhelm   II.    E.  Ueberblick.    Diss. 


53  G.  Roetho,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:   9:»-w, 

volle  Betrachtuiigoii  anstellen  muss,  wie  sie  die  Aufklärung  liebt.      Tiefer   in  die  Litte- 

raturgosc'hichto  führt  08  hinein,  wenn  R.  berichtet,  wie  ein  gewiHser  MyliuH,  der  üeber- 
S(3ts5er  von  Holburgs  „Nikolaus  Klini",  J7HH  diosoni  Werke  Hatirische  Kapitel  interpoliert, 
in  denen  sich  der  Herzog  (d.  i.  Friedrich  Wilhelm  II.)  von  der  Ligue  der  Lichtscheuen 
abwendet,  und  wie  der  (ibel  bekannte  RciUianHchroibor  Joh.  Fr.  E.  Albrecht  178!*  gar 
die  ganze  Regierung  dos  Königs  zu  einem  sehr  durchsichtigen  Roman  ,, Dreierlei 
Wirkungen*'  zurechtschneidet,  dessen  Beziehungen  2t.  kui-z  deutet.  Mirabeaus  „Histoire 
secrete  de  la  cour  de  Berlin",  obgleich  in  gewissem  Sinne  die  Hauptschrift  der  ganzen 
Grujjpe,  und  die  gegen  sie  gerichtete,  von  dem  Exminister  Herzberg  inspirierte  Littoratur, 
mit  der  R.  schliosst,  liegen  uns  hier  ferner.  — 

Das  tiefe  Misstrauon,  das  sich  damals,  von  diesen  Pamphleten  genährt,  bei  den 
besten  Patrioten  gegen  die  Ratgeber  der  Krone  einschlich,  erbte  sich  noch  auf  die  Re- 
gierung Friedrich  Wilhelms  III.  fort,  und  besonders  dringend  verdächtig  blieb  für 
die  ört'entliche  Meinung,  wer  je  zu  dem  Kreise  der  Grätin  Lichtenau  Beziehungen  ge- 
habt hatte.  So  war  man  nur  allzu  geneigt,  eine  Hauptschuld  an  der  Katastrophe  von 
Jena  dem  Kabinetsrat  Lt)mbard  in  die  Schuhe  zu  schieben,  der  das  Ohr  des  Monarchen 
besessen  und  ihn,  von  Napoleon  bestochen,  in  franzosenfreundlichem  Sinne  beeinflusst 
habe.  Hüffer*''"^)  hat  in  seinem  ausgezeichneten  Buche  über  Lombard  dargelegt,  dass 
in  Wahrheit  weit  mehr  das  System  eines  besonderen  beratenden  Kabinets  neben  dem 
Ministerium  als  der  einzelne  Kabinetsrat  die  verhängnisvollen  Missgriffe  verschuldete, 
die  erst  das  Unglück  von  Jena  im  vollen  Umfange  aufdeckte  und  zugleich  endete.  Die 
Rettung  Ijombards  war  wohl  angebracht,  da  wir  gewöhnt  sind,  ihn  mit  den  Augen 
seiner  j)c)litischen  Gegner  Hardenberg  und  Stein  anzusehen.  Und  es  liegt  H.  fem,  ihn 
zu  einem  Staatsmann  aufzubauschen;  nur  seine  persönliche  Ehrliclikeit  wollte  und  könnt« 
er  erweisen.  Wenn  Lombard  bestochen  war,  so  war  er  das  höchstens  durch  seinen 
litterarischen  Ehrgeiz,  durch  die  schriftstellerischen  Erfolge,  die  ihn  mit  Frankreich 
verknüpften.  Ein  Mitglied  der  französischen  Kolonie,  die  erst  seit  Jena  sich  entsclüiesst, 
die  französische  Haussprache  aufzugeben,  hat  der  schöngeistige  Lombard  sich  nur  sehr  selten 
in  poetischen  Arbeiten  des  Deutschen  bedient,  wenn  er  auch  1807  auf  der  Flucht 
deutsche  Fabeln  reimte:  von  seinen  Jugendoden,  seinem  verlorenen  Drama  ,,Virginie*' 
(178(5),  seiner  Ossianübersetzung  (1789)  bis  zu  der  gerade  in  Frankreich  beifällig  auf- 
genommenen Uebersetzung  der  vier  ersten  Bücher  der  Aeneide  (1802),  die  ihn  zum  Mit- 
glied der  Akademie  von  Nißmes  machte,  bis  zu  seinem  unvollendeten  Drama  „Alexis" 
dichtete  er  franz()sisch,  also  in  erster  Reihe  für  ein  französisches  Publikum,  überall 
Formtalent,  nirgend  tiefere  Bedeutung  verratend.  Auch  seines  Bruders  Peter  wunder- 
liche Liebe  zu  der  sehr  viel  älteren  Madame  de  Genlis  kennzeichnet  die  innere 
Neiginig  der  Familie  Lombard  nach  Frankreich  hin.  Darin  legt  sich  uns  ein  befremd- 
licher Zug  in  der  Physiognomie  des  damaligen  Berlin  bloss,  der  aber  nicht  dem  Ein- 
zelnen zum  Vorwurf  gemacht  werden  darf.  Das  preussische  Manifest  vor  Jena,  das 
Lombard  verfasste  und  Gentz  redigierte,  zeigt  eine  gewisse  patriotische  Kraft,  und  auch 
die  „Materiaux  pour  servir  k  l'histoire  des  annees  1805,  1806  et  1807"  sind,  bei  unleug- 
l)arer  Weichlichkeit,  doch  mit  warmer  Liebe  für  Preussen  geschrieben  und  zeichnen 
sich  trotz  den  Angriffen  Friedr.  v.  Räumers  und  Massenbachs  durch  eine  sachliche, 
zuverlässige  Haltung,  die  Gentz  und  Archenholtz  entzückte  und  die  Clausewitz  noch 
1824  nachdrücklich  anerkannte,  vor  der  sonstigen  ])olitischen  Litteratur  jener  unglück- 
lichen Jahre  aus.  Dieser  litterarischen  Haltung  des  damaligen  Berlins  widmet  H.  ein 
äusserst  dankenswertes  und  interessantes  Kapitel.  War  schon  vor  180<)  der  „Neue 
Leviathan"  von  Buchholz  im  Gegensatz  zu  Garlieb  Merkels  „Freimütigem"  für  Napoleon 
aufgetreten,  so  stellt  sich  nach  dem  Siege  Jul.  Lange  (Daveson)  mit  seinem  „Telegraphen" 
schanüos  in  den  Dienst  der  Franzosen.  Aber  nicht  viel  besser  sind  die  üppig  auf- 
schiessenden  Schmähschriften  und  Pamphlete,  die,  da  die  Monarchie  am  Boden  lag,  mit 
gemeinem  Behagen  am  Skandal  die  Gründe  ihres  Falles  unter  widerwärtigen  persön- 
lichen Verdächtiginigen  und  groben  Indiskretionen  breit  traten;  Gentz  war  aufs  äusserste 
entrüstet  über  die  ekelhaften  Würmer,  die  aus  dem  Cadavor  der  Monarchie  kröchen. 
Von  Hans  v.  Helds  „Wahren  Jacobinern"  führt  uns  H.s  eingehende  Erzählung  über  des 
berühmten  Kriegsrats  v.  Colin  Pamphlete  bis  zu  Buchholz'  „Historisch-politisch-mili- 
tärischem Institut"  und  zu  seiner  „Gallerie  preussischer  Charaktere".  Wie  H.  durch  die 
Erörtei-ung  dieser  unenpiicklichen  liitteratur  beweist,  dass  er  sein  Thema  mit  weitem 
Blicke  umfasst,  so  streift  er  auch  sonst  litterarische  Gestalten:  so  wenn  er  von  den 
Beziehungen  des  Empfindlers  Leuchsenring,  der  auf  seine  alten  Tage  sich  Revolutions- 
ideen in  die  Arme  geworfen  hatte,  zu  dem  Kabinetsrat  Anast.  Ludw.  Mencken,  bekaiuitlich 
Bismarcks  Grossvater,  berichtet.  — 

Halle.  32  S.  —  93)  H.  HOffer,  D.  Kabiiietsrpg;icrung  iu  Proassen  u.  Joh.  Wilh.  Lombard.  E.  Beitr.  z.  Gesch  <l.  prouss.  Staates 
vornehmlich  in  d.  J.  17ft7-1810.  Mit  2  Portr.  Leipxig,  Duiiclter  &  Humblot.  XXVI1I,.579S.  M.  12.00.  |[F.  llianemann:  BLÜ.N.26; 
V.  Grunor:  MHL    S.  272/S;  IX'Hl.  S.  107  ]     —    94)  X  Georg  Winter,    Z.  Gesch.  v.  Jena   ii.  Tilsit:    Geg-nw.  39,    S,  324  8. 


IV  1:  96-103.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  54 

Diesem  sehr  erfreulichen  Werke  kann  aus  der  Litteratiir  über  die  Nachfolger 
Friedrich  Wilhelms  III.  nichts  an  die  Seite  gesetzt  werden.  Sie  war  diesmal  ganz  un- 
ergiebig. Auch  der  Romantiker  auf  dem  Throne  hat,  so  sehr  gerade  seine  Rätsel  auf- 
gebende Gestalt  dazu  locken  sollte,  noch  immer  keine  Würdigung  vom  Standpunkt  der 
Litteraturgeschichte  gefunden.  Dass  A.  Baier^^)  eine  alte  akademische  Gedächtnisrede 
auf  Friedrich  Wilhelm  IV.  wieder  abdrucken  Hess,  war  weder  inhalthch  noch  formell 
gerechtfertigt:  ein  so  rückhaltloser  Panegyrikus,  gewiss  begreiflich  in  der  Ergriffenheit  der 
Todesfeier,  verfehlt  ein  Menschenalter  später  seine  Wirkung  gründlich;  der  steife  aka- 
demische Ton  sowohl  wie  der  Anlass  verhindert  den  Redner,  den  eigentümlichen  Reiz 
dieser  genialen,  aber  schwankenden  Persönlichkeit,  das  problematisch  Romantische  seiner 
Lebensanschauung  herauszuarbeiten,  und  sein  Verhältnis  zu  Kunst  und  Wissenschaft 
wird  nur  durch  die  allerbekanntesten  Daten  belegt.  — 

So  innig  uns  das  stille  entsagungsvolle  Pflichtgefühl  rührt,  das  aus  des  jungen 
Prinzen  Wilhelm  ^6)  schönen  Briefen  an  seinen  Freund  Oldwig  von  Natzmer  spricht, 
als  er  die  Hoffnung  auf  die  Hand  der  Prinzessin  Elise  Radziwill  aufgeben  muss,  so 
gewinnt  doch  die  Litteraturgeschichte  aus  Gneomar  Ernst  von  Natzmers  ^'^)  Publikation 
nur  wenig:  denn  auf  das  angeregte  künstlerische  Leben  am  damaligen  Berliner  Hofe, 
specieU  auch  im  Hause  des  Faustkomponisten  Fürsten  Anton  Radziwill,  kommen  die 
Briefe  nur  kurz  und  beiläufig  zu  sprechen,  und  Natzmers  ergänzende  Bemerkungen 
schöpfen  nur  aus  bekannten  Quellen.  — 

Auch  Kaiser  Wilhelm  IL  9^)  hat,  in  Terbille^s)  schon  wieder  einen  be- 
geisterten Biographen  gefunden,  dessen  vollendete  Harmlosigkeit  mir  die  kritischen 
Waffen  aus  den  Händen  ringt;  dass  man  loo^  jetzt  gar  schon  die  „Kernworte"  des 
Kaisers  gesammelt  hat,  scheint  mir  doch  selbst  für  unsere  Zeit  des  Dampfes  mindestens 
verfrüht.  — 

Etwas  Anderes  ist  es  natürlich,  wenn  Aussprüche  des  gewaltigen  Mannes,  der, 
jetzt  am  Ende  einer  unvergleichlichen  Wirksamkeit  stehend,  uns  heute  in  seiner  Gestalt 
das  beste  politische,  einen  guten  Teil  des  geistigen  Lebens  des  letzten  Menschenalters 
repräsentiert,  wenn  Aussprüche  des  Fürsten  Bismarck  zu  einer  Anthologie  zusammen- 
gefasst  werden.  Der  mir  vorliegende  Versuch  ^oi)^  der  leider  eine  Photographie  nach 
A.  V.  Werners  unzulänglichem  Bilde  zum  Titelschmuck  hat,  ordnet  frappante,  bedeutende 
und  schöne  Worte  in  ein  Dutzend,  nach  rein  politischen  Gesichtspunkten  gewählter  Ru- 
briken ein,  innerhalb  einer  jeden  in  chronologischer  Folge.,  Schade,  dass  den  Sammler 
eben  nur  der  Politiker  Bismarck  interessiert  hat.  —  Gerade  die  reiche  Bismarcklitteratur 
dieses  Jahres  kann  als  Beleg  dafür  dienen,  wie  unendlich  weit  über  das  politische  Gebiet 
hinaus  sich  die  Bedeutung  und  die  Anregungen  des  grossen  Mannes  erstrecken,  dessen 
wundervolles  Bild  sich  immer  lauterer  und  imposanter  heraushebt,  je  weiter  er  dem 
seiner  unwürdigen  Parteigezänk  entrückt  wird,  je  mehr  ihn  Kunst  tuid  Wissenschaft 
sub  specie  aeternitatis  betrachten:  es  wird  dabei  klarer  und  klarer,  welche  grosse  Rolle 
der  nationale  Held,  der  Redner,  der  Briefschreiber  auch  für  die  Litteraturgeschichte 
spielt.  Einen  kurzen  Ueberblick  über  neuere  Bismarckschriften  giebt  mit  geistvollem 
und  treffendem  Urteil  Doye^^^);  die  Dichtungen  Westarps,  Roberts  und  Genees  er- 
wecken in  ihm  die  Ueberzeugung,  dass  die  Zeit  für  eine  poetische  Nachschöpfung  der 
Gestalt  Bismarcks  noch  nicht  gekommen  sei,  dass  heute  noch  lediglich  unkünstlerische, 
der  Photographie  vergleichbare  Momentaufnahmen  am  Platze  seien.  —  Dem  entspricht  es, 
dass  gerade  einige  der  wissenschaftlich  wertvollsten  Bismarckarbeiten  des  Jahres  ledig- 
lich der  Publikation  und  Sammlung  zuverlässigen  Materials  galten.  Den  ersten  Platz 
nimmt  das  ausgezeichnete,  mit  Bienenfleiss  und  sauberster  Genauigkeit  zusammen- 
getragene Regestenwerk  H.  Kohls  ^03)  ein,  dessen  erster,  sehr  stattlicher  Band  den 
Fürsten  bis  zum  Jahre  1871  begleitet.  Der  Ruhm,  durch  seine  ehrliche,  entsagungsvolle 
Arbeit  die  unentbehrliche  Grundlage  zu  einer  wissenschaftlichen  Biographie  Bismarcks 
gelegt  zu  haben,  darf  K.  nicht  streitig  gemacht  werden.  Mit  unermüdlicher  Sorgfalt 
hat   er    ein   kolossales  Material    von  Akten,  Urkunden,  Depeschen,  Briefen,  Reden,  Me- 


(Anerkennendes  Referat  Über  N.  93.)  —  95)  Alwill  Baier,  Rede  z.  GedScMnis  d.  KiJnigs  Friedrich  Wilhelm  IV.:  Aus 
d.  Vergangenheit  [vgl.  I  3:7-8]  S.  39—66.—  96)  X  ö-  Boyle,  William  I.,  German  Emperor  and  Kiag  of  l'russia 
Third  Edition.  Göttingen,  Vandenhoeck  and  Euppreoht.  176  S.  M.  1,80.  (E.  kurze,  populäre  Biographie,  für  engl.  Unterricht 
an  dtsch.  Schulen  mit  Wörterbuch  ausgestattet.)  —  97)  G.  v.  Natzmer,  Kaiser  Wilhelm  I.,  d.  Prinzess 
Elise  Radziwill  u.  d.  Kaiserin  Augusta.  Mit  Briefen  d.  Prinzen  Wilhelm.  Berlin,  Gebr.  Paetel.  1890.  96  S.  M.  1,80. 
|[WIDM.  70,  S.  285f.]  |  (Darin  S.  95  unbedeutende  Verse  d.  Fürstin  Thaida  v.  Sulkowska  auf  d.  Tod  d.  Prinzessin  Radziwill.)  — 
98)  XX  E.  V.  Redern,  Kaiser  Wilhelm  II.  n.  seine  Leute.  Berlin,  Steinitz.  Y,  274  S.  M.  3,00.  -  99)  A.  Terbille, 
Kaiser  Wilhelm  II.  E.  Lebensbild.  Paderborn,  Schöningh.  27  S.  M.  0,60.  —  100)  W.  Maraun,  An  o.  Kaiserwort  soll 
man  nicht  drehen  noch  deuten.  Kernworte  d.  Kaisers  Wilhelm  IL  nach  d.  Stoffe  geordnet.  Nürnberg,  Soldau.  VIII,  86  S. 
M.  1,20.  —  101)  Bismarck-Anthologie,  E.  syst,  geordnete  Blutenlese  aus  Bismarcks  Reden  u.  Briefen.  Stuttgart,  Weisert. 
340  S.  Geb.  M.  6,00.  |[BLU.  N.  47.]|  —  102)  A.  Dove,  Bismarck-Litt. :  AZg».  N.  301.  (Ausser  d.  im  Text  erwähnten  Dich- 
tungen werden  namentlich  Sybels  „GrUndg.  d.  dtsch.  Reichs",  Thudiohum  „Bismarcks  parlament.  Kämpfe  u.  Siege",  sowie  d. 
N.  103,  106,  117  besprochenen  Arbeiten    erwähnt.)  —  103)    H.  Kohl,  FUrst Bismarck,   Regesten  zu   e.  wissenschaftl.  Biogr.  d. 


55  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  104-110. 

moiren,  Geschichtswerken  und  vor  allem  Zeitungen  durchforscht  und  excerpiert.  Soweit 
wünschenswert,  lüsst  er  die  authentischen  Quellen  selbst  reden,  wie  das  Buch  denn  mit 
der  aus  der  Haude-  und  Spenerschen  Zeitung  entnommenen  „Entbindungsanzeigo"  einsetzt. 
Flir  die  früliercn  Jahre,  etwa  bis  1850,  ist  das  Material  ja  immer  noch  zufällig,  und 
allein  schon  die  reichen  Publikationen  aus  dem  Gerlaclischen  Nachlass  werden  starke 
Nachträge  nötig  machen;  aber  auch  da  schon  bietet  der  Band  des  Ungedruckten  und 
Schwerzugänglichon  die  Fülle,  zumal  wo  dem  Vf.  die  Unterstützung  der  Bismarck- 
schen  Familie  zur  Seite  stand.  Und  in  der  zweiten  Hälfte  des  Bandes  können  wir  an 
der  Hand  dieser  Rogesten  das  Leben  des  Fürsten  oft  Tag  für  Tag  verfolgen,  was  selbst 
in  dieser  trocknen  Form  seinen  eigenen  Reiz  hat.  Aus  Reden  und  Briefen  Bismarcks 
werden  bemerkenswerte,  meist  mit  glücklichem  Gefühl  für  das  Haftende  ausgewählte 
Stellen  abgedruckt,  bisher  unbekannte  Briefe  werden  gelegentlich  in  extenso  mitgeteilt; 
so  erfalu-en  wir  manclies  aus  den  an  Blanckenburg  gerichteten  Briefen,  namentlich 
über  Bismarcks  Verhältnis  zur  konservativen  Partei.  Wird  uns  so  das  Bild  des  Fürsten 
immer  reicher  durcli  Detailzüge  belebt,  so  ist  das  Buch,  das  sorgsam  alle  Ehrenbürger- 
briefe, Ehrendoktordiplome,  Orden,  Dankschreiben,  Deputationen  verzeichnet,  die  K.  be- 
kannt wurden,  zugleich  ein  lehrreicher  Beitrag  zur  Geschichte  des  totalen  Umschlages 
der  öffentlichen  Meinung,  den  zu  erleben  Bismarck  beschieden  war.  —  In  dieser  Hinsicht 
wird  K.s  Werk  freilich  übertroffen  durch  das  minder  authentische,  aber  um  so  schärfere 
und  lustigere  Bild,  das  uns  das  köstliche  Bismarck-Album  des  Kladderadatsch  '<**)  ent- 
rollt; mit  gutem  Humor  macht  dieser  sich  selbst  zum  typischen  Beispiel  der  alten  Er- 
fahrung, wie  kurzsichtig  das  Publikum  grossen  Männern  gegenüber  ist;  in  der  scher- 
zenden Prosa,  den  launigen  Karikaturen  und  den  erst  bissigen,  dann  zweifelnden,  endlich 
sch^\alngvoll  begeisterten  Versen  sehen  wir  Bismarck  den  Weg  aus  der  Hölle  durch  die 
Welt  zum  Himmel  der  Popularität  wandeln ;  Beelzebub  wird  zum  Friedensengel.  —  Kohl 
hatte  eine  tüchtige  Hilfe  an  L.  Hahns  1°^)  grossem,  von  Wippermann  mit  dem  5.  Bande, 
der  von  1885  bis  1890  reicht,  vorläufig  abgeschlossenem  Werke.  Auch  für  diese  letzten 
fünf  Jahre  sind  die  zahllosen  diplomatisch-en  Briefe,  Staatsschriften,  Depeschen  und  Noten, 
die  hier,  durch  Zeitungsnotizen  ergänzt  und  erläutert,  vereinigt  werden,  leider  nach 
Materien  geordnet;  das  hat  ja  seine  Vorzüge,  für  eine  solche  Urkundensammlung  aber 
wird  die  chronologische  Folge  stets  das  Richtige  sein.  —  Dass  sie  zugleich  gerade  bei 
einer  so  impulsiven  Persönlichkeit  oft  einen  natürlichen  inneren  Zusammenhang  ver- 
bürgt, wie  ihn  alle  künstlichen  Anordnungen  gar  nicht  besser  erreichen  können,  daftir 
zeugt  die  streng  chronologische  Sammlung  der  Bismarckschen  Reden,  deren  12.  und 
13.  Bändchen  nach  des  bisherigen  Herausgebers  Böhm  TodeDove'o*)  besorgt  hat.  Es 
ist  eben  nicht  bloss  das  Thema,  es  ist  auch  Ton  und  Stimmung,  die  den  Zusammenhang 
schaffen;  und  ob  es  sich  da  nun  um  Hamburgs  Einverleibung  oder  um  die  Verantwort- 
lichlieit  der  Minister,  um  den  Ausfall  der  Reichstagswahlen  oder  um  die  Anfänge  der 
Socialreform  handelt,  der  leidige  aufreibende  Kampf  des  Herkules  am  Ministertisch  gegen 
die  Reichstagspygmäen  bringt  die  Einheit  hinein.  Die  Höhepunkte  der  beiden  Bändchen, 
welche  diese  bisher  einzig  zuverlässige  Ausgabe  der  Bismarckschen  Reden  bis  zum  Jahre 
1884  führen,  bilden  wohl  die  Landtagsrede  über  das  Verwendungsgesetz  (4.  Febr.  1881) 
uiid  die  wundervolle  Rede  über  das  preussische  Königstum  und  seine  Unabhängigkeit 
von  der  Parlamentsmajorität  (24.  Jan.  1882).  —  Während  ein  paar  Feuilletons '^mosj  auf 
ältere  Phasen  der  parlamentarischeti  Thätigkeit  Bismarcks  zurückschauen,  hat  sich  das 
peinliche  Gefühl,  mit  dem  die  subalterne  Veretändnislosigkeit  der  Volksvertretung  diesem 
ManriC  gegenüber  jedes  patriotische  Herz  erfüllt,  etwas  explosiv  Luft  gemacht  in  des 
bekannten  Bismarck- Apostels  Bewer  i09)  viel  gelesenem  Scliriftchen  „Bismarck  im  Reichs- 
tage". Schade,  dass  der  geistvolle  Mann  den  leidenschaftlichen  Ausdruck  von  Hass  und 
Liebe  durch  Geschmack  und  Mass  nie  zu  regeln  weiss,  dass  er  im  Gezeter  seiner  Po- 
lemik zuweilen  alle  Haltung  verliert  und  selbst  den  „Volksküchengeruch"  nicht  ver- 
meidet, den  er  der  Presse  vorwirft;  schade,  dass  er  an  eirem  gesuchten,  forcierten 
Witzeln  und  Geistroicheln  Gefallen  findet,  wie  es  dem  Verehrer  von  Bismarcks  schlichter, 
naiver  Grösse  wenig  ansteht;  schlimmer  freilich,  wenn  ihn  sein  Urteil  gelegentlich  so 
weit  vtrlässt,  dass    er    in    einem   anderen  Bismarck    gewidmeten   Buche  i'®)    Langbehns 


ersten  deutschen  Reichskanzlers.  1.  Bd:  1815—1871.  Leipzig,  Rengor.  4«.  XVI,  419  S.  M.  18,00.  —  104)  Bismarck-Album 
d.  Kladderadatsch  mit  300  Zeichn.  v.  W.  Scholz  u.  4  faksimil.  Briefen  d.  Reichskanzler«.  1.— 18.  Aufl.  Berlin,  Hofmann 
&  Co.  40.  IV,  184  S.  M.  C,00  —  105)  Ludw.  Hahn,  Fürst  Bismarck.  Sein  polit.  Loben  u.  Wirken  urkundl.  in  Thatsachen 
n.  d.  Fürsten  eigenen  Kundgebungen  darbest.  Fortgeführt  v.  C.  Wippermann.  5.  Bd.  1885—90,  bis  z.  Rücktritt  d.  Fürston. 
Berlin,  Hertz.  XI,  653  S.  M.  11,00.  —  106)  Fürst  Bismarck  als  Redner.  Vollst.  Samml.  d.  Parlamentär.  Reden  Bismarck«  seit 
d.  J.  1847.  Sachl.  u.  chronol.  geordnet  mit  Einl.  u.  Erl.  vers.  v.  W.  Böhm  u.  A.  Dove.  Bd.  12:  Klmpfe  u.  Bekeuntnisse 
1881  u.  1882.  Bd.  13:  Bis  an  d.  ."Schwelle  der  Kolonialpolitik.  (=  CoUection  Spemann  N.  287,'8.)  Stuttgart,  Union,  Dtsch. 
Verlagsanstalt.  249,  326  S.  Je  M.  1,00.  —  107)  X  R-  v.  Toma,  Fürst  Bismarck  im  vereinigten  Landtag.  E.  BOck- 
blick  aufd.  J.  1847/8:  ML.  60,  S.  7414.  (Darstellung  an  d.  Hand  t.  B  «  , Reden'.)  —  108)  X  Bismarck,  Roon  u.  d.  Rechte:  YZg. 
N..  202.  (Auszüge  aus  d.  Aufsätzen  d,  DR.:  „Aus  d.  Loben  d.  Grafen  Albr.  v.  Roon".)  —  109)  M.  Bewer,  Bi.smarck  im 
Reichstage.    17.  Aufl.    Dresden,  UlOss.   64  S.    M.  0,50.  —  110)  i  d. ,  Rembrandt  u.  Bismarck.  Ebda.    78  S.    M.  1,00.   |[AZgB.  N.  63; 


IV  1:  111-116.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  56 

paradox  schillernde  Glasflüsse  m)  den  Diamanten  Bismarckscher  Weisheit  als  ebenbürtig 
an  die  Seile  stellt.  Durch  diese  unbegreifliche  Kritiklosigkeit  schädigt  sich  B.  das  Ver- 
trauen: was  will  die  Bismarckbewunderung  eines  Mannes  bedeuten,  den  Langbehns 
Blender  und  Schiefheiten  fast  komisch  enthusiasmieren?  Ich  bedaure  diese  Schwäche 
um  so  mehr,  als  B.  trotz  aller  Bizai'rerie  unzweifelhaft  der  allseitigen  Grösse  Bismarcks  ein 
feines  Gefühl  und  ein  auffallendes  Verständnis  entgegenbringt,  als  er  oft  einen  über- 
raschenden Instinkt  für  das  Geniale  und  Poesievolle  verrät,  von  dem  wir  lernen  können. 
Schön  wendet  er  Goethes  Wort  von  der  wiederholten  Pubertät  genialer  Naturen  auf 
Bismarck  an,  während  seine  Darstellung  der,  richtig  empfundenen,  Kindlichkeit 
des  Bismarckschen  Genies  an  der  Klippe  des  Lächerlichen  scheitert  und  der  Vergleich 
mit  Dietrich  von  Bern  zum  Koj)fschütteln  herausfordert.  Die  zahllosen,  nicht  immer  er- 
quicklichen Abschweifungen  der  beiden  Bücher  streifen  auch  litterarhistorische  Probleme 
anderer  Art.  Kenntnisse  besitzt  B.  da  nicht;  erhält  von  ihm  doch  Langbehn  ein  be- 
geistertes Lob,  weil  er  —  den  Hanswurst  gegen  Gottsched  in  Schutz  nimmt;  gerade  als 
ob  seit  Lessing  und  Moser  das  nicht  die  allertrivialste  litterarhistorische  Weisheit  wäre.  Aber 
B.s  poetischer  Instinkt  giebt  ihm  auch  hier  manche  gute  Bemerkung  ein.  Freilich  Schillers 
Birnen-  und  Goethes  Apfelstil,  die  krankhafte  Verzücktheit,  in  der  B.  Schiller  gegen- 
über gerät,  rechne  ich  nicht  dazu;  auch  E.  T.  A.  Hoifmanns  grosser  stilistischer  Wand- 
lungsfähigkeit wird  er  nicht  gerecht.  Dagegen  trifft  in  seiner  Charakteristik  der  Dra- 
matiker Bulthaupt  und  Wildenbruch,  des  Lyrikers  Träger  vieles  zu,  und  trotz  der  fa- 
talen antisemitischen  Zuspitzung  seiner  Aeusserungen  über  Heine  und  Lessing  hat  er 
gewiss  Recht,  wenn  ei-  die  Lyriker  Eichendorff,  Annette  Droste  und  Sallet  in  gewissem 
Sinne  über  Heine  stellt,  wenn  er  Nathan  den  Weisen  in  der  grossen  Erzählung  von  den 
Ringen  mehr  schlau  als  weise  findet.  —  Die  heisse  En-egung  der  Parteilichkeit,  die  in 
B.s  Bismarckbüchern  112^  seine  Urteile  outriert  und  trübt,  macht  sich  in  seiner 
Schilderung  113)  eines  Besuches  bei  Bismarck  in  Friedrichsruli  minder  fühlbar;  leider 
stört  auch  hier  die  geistreich  symbolisierende  Manier  des  Vf.  Ein  nicht  zwingender  Ver- 
gleich Bismarcks  mit  Goethe  eröffnet  das  Heft,  das  bemerkenswerte  Aeusserungen  des 
Fürsten  über  sein  Verhältnis  zu  Goethe,  Spinoza,  Kant  aufzeichnet.  —  Sehr  viel  besser 
trifft  den  Kern  ein  Vergleich  Bismarcks  mit  Luther,  den  ein  englischer  Besucher  Fried  • 
richsruhs,  Whitman  n*),  vorträgt:  mit  sicherem  Takt  rühmt  er  in  seiner  sehr  sym- 
pathischen Schilderung  den  Mangel  alles  Konventionellen  in  Bismarcks  Art  und  weist 
mit  Recht  die,  nur  der  sinnlosen  Parteiverblendung  mögliche,  Rangerhöhung  Moltkes 
über  Bismarck  liinaus  weit  von  sich;  zwei  schöne  englische  Worte,  Longfellows  „Subli- 
luity  is  always  simplicity"  und  Carlyles  ,, Genie  ist  das  klarere  Dasein  des  allerhöchsten 
Gottes  in  einem  Menschen"  fallen  W.  im  Verkehre  mit  Bismarck  ein.  Es  ist  charak- 
teristisch, dass  diese  Besucher  den  Staatsmann  über  dem  grossen  Menschen  vergessen.  — 
Ebenso  feiert  Dove^is)  in  einem  Geburtstagsaufsatz  in  erster  Linie  den  Schriftsteller 
und  Redner  Bisinai'ck;  in  seinen  Reden  zumal  spiegele  sich  uns  in  klassischer  Ver- 
einigung die  Summe  der  grossen  Aufgaben  und  Verhältnisse  ebenso  wie  das  besondere 
Dasein  der  täglichen  Kleinigkeiten  mit  einer  vollen,  bestimmten  Wirklichkeit  ab,  die 
durch  Bismarcks  echt  deutschen,  jedes  Hauches  der  Frivolität  entbehrenden  Humor  ver- 
klärt wird.  —  Bismarck  ist  ein  Redner  ganz  anderer  Art  alü  etwa  die  grossen  Rlietoren 
des  Altertums.  In  das  Geheimnis  seiner  rednerischen  Grösse  sucht  Gerlach  n^)  ein- 
zudringen. Wohl  fehlt  Bismarck  die  Gabe  des  schönen  Scheins:  Stimmmittel,  Glanz 
des  Vortrages  besitzt  er  ebenso  wenig  wie  Studium  und  unmittelbaren  Erfolg;  denn 
seine  Hörer  im  Parlament  zeigten  sich  stets  unbelehrbar.  Um  so  atemloser  und  ver- 
ständnisvoller jedoch  lauschten  die  Besten  im  Volke  diesen  ,, Reden  an  die  devitsche  Nation". 
Sie  zeigen  die  ungeglätteten  Stilmängel  der  urwüchsigen  Spraclie,  Anakolnthe  usw. 
Aber  es  ist  doch  nicht  nur  die  hohe  Sachkenntnis,  die  iinien  ihre  Macht  giebt.  Bis- 
marck verwendet  rhetorische  Mittel,  die  G.  in  schneller  Uebersicht  vorführt;  dahin  ge- 
hören die  erleuchtenden  Vergleiche  aus  der  Geschichte,  die  gern  ironischen  Witze,  die 
mit  Vorliebe  aus  trivialen  Sphären  entnommenen  Bilder,  die  humoristischen  S})ricli- 
wörter,  die  nie  versagende  Schlagfertigkeit,  die  dem  Gegner  nach  den  mannigfaltigsten 
Methoden  parierend  die  Waffe  entwindet.  Die  trivialen  Elemente  döJ<Tiismarckschen 
Rede  erinnern  G.  oft  an  Lessing;  auch  antike  Rhetoren  zieht  er,  vielleicht  etwas 
pedantisch,     aber     durch     den     Kontrast     fördernd,     heran.       Aber     Bismarck     weiss 


A.  Hormuiin:  BLU.  N.  13;  CS.:  DR.  II,  127  f.]|  —  III)  X  O.Seock,  Zeiti.lirasou :  üRs.  1890/1.  III,  S.  440-54;  IV,S.  43-61, 
-07—17.  (D.  klugeu,  ruliigeu  Boiiierkungen  S.s  kritisiuien  eiuigo  d.  oborüilcliliclien,  aus  llUchtigoin  Donkon  ontsprungonen  Bo- 
liuutitungen  d.  Buclios  „Rcinbrandt  als  Erzieher",  handeln  Ubor  Eiiigonontuiii  ii.  Siiecialianius,  orörtorn  gescheit  d.  I'opularitut 
d.  Künstlers  u.  d.  (iolehrton,  d.  Verhältnis  v.  Kunst  u.  Wissenschaft  u.  betonen  sehr  richtig,  dass  nur  in  den  allerseltensten 
Källen  eine  Kunst  zugleich  individuell  u.  volkstümlich  sein  kann.)  —  112)  X  *.*  Gnibschriften  auf  Bismarck:  Bohomia  N.  312. 
(Uebor  d.  gloichbotitelto  Buch  Bewors,  dessen  witzige  Ursprllnglichkeit,  Freimut,  polemisches  Talent  warm  anerkannt  und  durch 
Proben  seiner  poot  „(irabschriften"  belegt  wird.)  —  113)  M.  Bewor,  Bei  Bismarck.  5.  Aufl.  Dresden,  Glöss.  72  S.  M.  1,00. 
—  114)  Sidnoy  Whitman,  Drei  Tage  bei  Bismarck:  NKl'r.  N.  9722.  —  115)  A.  Dovo,  Z.  1.  April:  AZg".  N.  75.  —  116)  Prof. 
Dr.  li  0  r  1  a  c  h  ,  FUrst  Bismarck  als  Redner.    E.  rhetor.  Studio.    2.  Aufl.    Dessau-Leipzig,  Kahle.    34  S.  M.  0,50.  i[(tegenw.  39,  N.  23.]i  — 


5)7  G.  Roethe,  Allgemüines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  ii7-U8. 

auch  das  erhuhune  Patlius,  zumal  das  natiutlale  Patlios,  zu  vurwendeu  und  das  um  so 
wuclitiger,  je  seltuiior  os  ^(ischieht.  Di«  rhotoriwoho  Wirkung  des  Hchwoi^ens  erprobte 
(li'i-  Kanzler,  als  er  die  Krie^seikliirung  Fruiikreiclis  last  ohne  Zusatz  verlas.  (J.  kuiiiuit 
Hchliesslich  zu  dem  Krj^Jihiiis,  dass  das  (jielieiiiiiiis  dieser  Kedegewalt  in  tlor  Pürs«')idich- 
keit  des  Kodners,  nicht  in  äuss(5r«\u  Mitteln  und  kunstvoller  Technik  liegt.  Wie  sagt  «Ux-h 
Wolfram  von  Eschonhach?:  „Ifün  ich  kunst,  den  git  mir  sin."  Aber  des  Philologen 
Sache  ist  es  ja  eben,  nicht  nur  die  bewusst  geübte  Methode,  nein,  gerade  in  »Mster 
Linit!  die  urwüciisige,  uidiewussto  Kr^lt  des  Künstlers  zu  erforschen.  So  darf  jenes 
Ergebnis  der  G. scheu  Studie  uns  nicht  abhalten,  Bismarcks  lihetorik  aufmerksame  Do- 
tailaibeit  zu  widmen.  —  Damit  hat  ]ilümner"^j  einen  verheissungsvollen  Anfang  ge- 
nuicht,  indem  er  den  bildliclu^n  Austlruck  in  Bismarcks  Reden  einer  reichhaltigen  Einzel- 
nntorsuchung  unterzog.  13.  kt)nnnt  es  in  erster  Linie  auf  eine  Sammlung  des  Materials 
an;  er  verzeichnet  Bismarcks  Bilderschatz  in  '2B  sachlich  geordneten  Rubriken,  an  die 
sich  besondere  Abschnitte  über  Citate,  Sj)richw«')rter  und  Repliken  schliessen,  und  er 
führt  uns  schon  allein  durch  die.se  Aufzählung  tief  ein  in  die  Ansc^hauungskreise,  in  denen 
Bismarcks  reicluu*  Geist  am  liebsten  weilt.  Dass  die  altübornonunenen  Bilder  von  den 
neugcf  jiTTiten  dabei  nicht  getreinit  we-rden,  ist  zu  bedauern,  richtet  aber  keinen  allzu- 
grossen  Schaden  an,  da  dieser  durchaus  selbständige  Kopf  ni»ht  leicht  etwas  Ererbtes 
verwei\det,  o'me  es  zu  eigenstem  Besitz  erworben  zu  haben.  Demgemäss  stehen  die 
Bilder  aus  praktischen  Sphären,  die  d(>m  Landwirt,  Jäger  und  Soldat^iu  Bismarck  nahe 
lagen,  weitaus  im  Vordtirgrunde.  Auf  eine  eindringende  Darstellung  der  Art  und  Weise, 
wie  Bismarck  seine  Bilder  verwendet,  liisst  sich  B.  freilich  nicht  ein,  auch  nicht  aul' 
die  chronologische  Entwicklung  seiner  Bildersprache;  nur  kurze  eiideitende  und 
schliessendi'-  Bemerkungen  tragen  einige,  keineswegs  erschöpfende,  stilistische  Ergebnisse 
vor.  Wenn  also  das  lesenswerte  Büchlein  auch  nur  eine  Seite  seines  Themas,  die  StoH- 
wahl  der  Bisnuirckschen  Bildlichkeit,  und  auch  sie  ausschliesslich  für  die  iui  Plenum 
des  Parlaments  gehaltenen  Reden  ei-ledigt,  so  ist  es  doch  als  der  erste  energischere 
Versuch  einer  wissenschaftlichen  Analyse  der  Bismarckschen  Sprache  dankbar  anzu- 
erkennen. — 

An  das  alte,  längst  veraltete  Wort  vom  Volke  der  Dichter  und  Denker  gemahnt 
e.",  dass  wie  der  Staatsmann,  so  der  Feldherr  «des  neuen  deutschen  Reiches  zu  den 
scijc  asten  Zierden  iniserer  Litteratur,  zu  den  Meistern  deutscher  Prosa  gehört.  Die  <lem 
Grafen  Moltke  gewidmeten  Arbeiten  übertreffen  diesnuil  an  Zald,  nicht  an  Wert  und 
Umfang,  die  Bismarcklitteratur  weitaus.  Der  Tod  des  Feldmarschalls,  das  Ei-scheinen 
der  ersten  beiden  Bände  seiner  Schriftxjn  liat  eine  Hochllut  von  Aufsätzen  hervorgerufen, 
deren  Menge  leider  zu  ihrem  Gehalt  im  umgekehrten  Verhältnis  stand.  Die  Durchsicht 
dieser  Nokiologo,  Feuilletons  usw.  war  sehr  inieniuicklich.  Wohl  war  es  selbst  dem 
handwerksiriässigsten  luid  einfältig.sten  Zeitungsscln-eiber  kaum  möglich,  das  scharte 
Profil  Moltkos  bis  zur  Unkenntlichkeit  zu  verzeichnen,  luid  die  (ildiche  politische  Un- 
gerechtigkeit der  Parteien  hat  an  diesem  Grabe  geschwiegen;  dafür  beherrschte  die 
triviale  Tradition,  die  in  zehnmal  aufgewärmten  Phrasen  sich  nicht  genug  thun  konnte, 
die  Aufsätze  in  einem  Masse,  wie  es  gerade  bei  dieser  feinen,  im  besten  Sinne  aristo- 
kratischen Gestalt  verdriesst.  H.  Delbrück  hat  früher  einmal  beuierkt,  dass  Moltke  gerade 
darum  in  seiner  fast  geheinniisvollen  Grösse  so  überaus  schwer  zu  zeichnen  sei,  weil 
die  Linien  seines  geistigen  Bildes  so  einfach  inid  klar  shid.  Dieses  sein  Wesen  wird 
deutlich,  schon  wenn  wir  die  ,, goldenen  Worte"  lesen,  die  Kohut  •*'^)  mit  verbindendem 
Te.vte  zusannuengestellt  hat.  Es  sind  das  nicht  ,, goldene  Worte"  im  gewöhnlichen  Ge- 
schmacke  der  Stammbücher,  und  Lichtstrahleid)ündol.  .  Das  knappe,  scharf  zuges|>itzt<i 
Wort  hat  Moltke  nicht  geliebt;  seiner  schlichten  Wahrhaftigkeit  widerstreltte  die  Pointe,. 
Und  das  scheidet  ihn  doch  bei  mancher  Aehnlichkeit  mit  Gotth.  Ephr.  Lesssing,  die  auch 
K.  betont  und  die  unermüdlich  von  den  verschiedensten  Seiten  betont  worden  ist,  von 
dem  grossen  Dialektiker.  K.  hat  geschmackvoll  ausgewählt  und  durch  geschickte*.  An- 
ordnung, die  auch  auf  die  stilistische  Seite  Rücksicrht  ninnnt,  z.  B.  «tinige  Proben  von 
M»>]tk»^s  Humor  vereinigt,  ein  Bild  der  Persönlichkeit  zu  geben  versucht:  aber  genide 
Moltkcs  geschlossene  Art  werden  ausgehobene  Sätze  nie  auch  nur  annäliernd  erkeiuien 
lassen. — Immerhin  ist  der  Eindruck  noch   einheitlicher  inid   abijernndeter  als    in   Wior- 


117)  II.  BlUmnor,  D.  bildliche  AusJrucV  in  d.  Reden  d.  FUrst.n  Bismarck.  Loipzig,  Hirz.l.  VU.  I'W  S.  M.  L'.Wi 
ilK.  II.  M  oyer:  AÜA.  Ht.  S.  91,3;  GeKonw.40,  S.  :m;  G.  Kooth.-:  DLZ.  14,  S.  908— lO.J  (D.  I'.tlchloin  outhllU  d.  Rubriken:  1.  Ein- 
leitiuiK';  -•  Monschlichor  Körper,  I.eben;  3.  Fiunilio;  4.  Haus  u.  Hof;  '>.  llau:;rjt;  fi.  Kleidung; ;  7.  .Speiüo  u.  Trmnk;  S.  Tiß- 
liches  Leben,  Sitten,  Spiele;  9.  Unterriebt,  Winsonscliarten,  Studentenlebeu ;  10.  Körpvriiehe  Uebungon,  Keilen,  Fahreo,  Koisoll; 
11.  Gewerbe,  Mascbiuonwesen ;  12.  KUnste,  Theater;  Vi.  I.andwirt.«cban,  .lagd;  14.  Waffen,  Kriegsw(«oa,  Fedtuni;en  ;  Ih.  See- 
wesen; HS.  Rechts-  u.  Gerichtswesen;  17.  Geldwoseu  u.  Handel;  18.  Krankheit  u.  Aerxt«,  Tod  u.  Kegrtbuis;  19.  Jiythologie. 
Fabeln,  Mitreben.  Bibel;  20.  Geschichte;  21.  Litteratur;  22.  Tiere,  I'Uanzen;  23.  Element«,  Gestirn»,  Witteiunf;;  24.  Meer, 
Quollen,  lioden;  25.  Citate  aus  Bibel,  G.'scliichte  u.  Litteratur;  2<>.  Sprichwörtlichem;  27.  Kepliki*u;  2S.  Schlu.'<«benierkun^'en.) 
—  118)  A.  Kuhut,  Multko  als  Denker.  Goldene  Wurte  aus  silnitl.  Werken,  Ke<leu  u.  Urief«n  d.  tieneralfeldinarschalls  Gmfen 
V.  Moltke.    Mit  e.  Portritt  v.  A.  v.   Werner.    Porlin.  Gcrslinann.    1«90.    125  S.  M.  1,00.    HGegenw.  40.  N.  21 ;  WIDM.  6V,  S.  708.]l 


IV  1:119-132.  G.  Roethe.  Allgemeines  des  18./19,  Jahrhunderts.  58 

manns^i^)  schwachem  Lebensbild.  Die  eigentlich  biographischen  Daten  sind  da  ganz 
dürftig;  die  weitaus  grössere  Hälfte  des  Buches  schildert  die  Kriege  von  1866  und  1870, 
ohne  sich  auf  Moltkes  Anteil  zu  beschränken,  und  könnte  fast  gleichlautend  in 
desselben  Autors  „Fürst  Bismarck"  oder  „Friedrich  III."  stehen.  Die  Persönlichkeit 
des  Feldmarschalls  wird  wesentlich  durch  ein  englisches  Urteil  charakterisiert,  wie  denn 
die  leidige  Manier,  gleichgiltige  ausländische  Stimmen  zu  eitleren,  sich  in  den  Moltke- 
artikeln  wieder  einmal  ärgerlich  breit  gemacht  hat;  dem  Schriftsteller  Moltke  wird  von 
W.  eine  ,, melancholisch -humoristische  Geschichtsphilosophie"  nachgerühmt,  sein  Stil 
ibermals  mit  Lessing  verglichen ;  im  übrigen  müssen  Proben  die  Darstellung  ersetzen.  — 
Vor  dieser  Biographie  ^-O)  haben  so  manche  der  kurzen  Nachrufe,  so  viel  minderwertiges 
Gut  sich  unter  ihnen  befand  121-125)^  doch  das  voraus,  dass  sie  wenigstens  die  eine  oder 
andere  Seite  der  Moltkeschen  Eigenart  in  erhellende  Beleuchtung  setzen.  So  charakterisiert 
H.  Delbrück  126)  vortrefflich  den  Peldherrn,  der,  der  erste  in  der  Weltgeschichte,  nur 
grosser  Feldherr  und  gar  nicht  Politiker  war.  Gegenüber  Napoleons  praktischem  Instinkt 
und  gegenüber  Clausewitz'  rein  theoretischer  Strategie  ist  Moltke  der  Feldherr  der  me- 
thodischen Einsicht,  bei  dem,  dank  seinem  heldenhaften  Willen  und  Charakter,  die  be- 
wusste  theoretische  Erkenntnis  den  Entschluss  nie  gelähmt,  vielmehr  bis  auf  das  höchste 
Mass  des  Erreichbaren  gesteigert  hat:  psychologische  Einsicht  lässt  den  Denker 
kühner  werden  als  manchen  kühnen  General.  Im  Vergleich  mit  Bismarck,  dem  Manne 
der  genialen,  künstlerischen,  vielseitigen  Subjektivität  ist  Moltke  die  „Person  gewordene 
Objektivität".  —  Diese  Eigenschaft,  die  sich  erst  sehr  allmählich  herausgebildet  hat,  wird 
durch  Beispiele  seiner  Gleichgültigkeit  gegen  Personen  und  PersönUches  in  der  Weser- 
zeitung 127)  erläutert,  die  freilich  auch  den  weitschauenden  und  in  die  Tiefe  dringenden 
Blick  des  berufsmässigen  Politikers  an  Moltke  zu  rühmen  weiss,  ein  Lob,  das  an  Wert 
dadurch  verliert,  dass  das  Blatt  unter  den  tiefblickenden  Berufspolitikern  wesentlich  die 
Kämpen  des  Reichstags  zu  verstehen  scheint.  Mit  ihnen  sollte  man  den  grossen  Mann, 
der  nie  über  Dinge  sprach,  die  seiner  Sphäre  fern  lagen,  den  Feind  alles  Halbwissens 
und  aller  Unsachlichkeit,  wie  ihn  ein  anderer  Nachrufi28)  richtig  schildert,  nicht  in 
einem  Atem  nennen.  Dass  die  Sachlichkeit  beim  Feldherrn  wie  beim  Schriftsteller  die 
Phantasie  nicht  ausschliesst,  dass  diese  sich  mit  der  nüchternsten  Beobachtung  wohl 
verträgt,  ja  dass  sie  dem  schöpferischen  Geist  unentbehrlich  ist,  hat  Moltke  auf  beiden 
Gebieten  bewiesen.  Der  plastische  Stil  seiner  Reisebriefe  hat  nach  demselben  Nekrolog 
bis  in  die  zwar  schmucklos  klare,  auch  minder  volle,  aber  harmonische  und  bestimmte 
Darstellung  der  Generalstabswerke  fortgewirkt.  —  Ein  Generalstabsoffizier  129)  stellt 
Moltkes  Beziehungen  zu  dieser  Behörde,  zu  Müffling,  seinem  früheren  Chef,  die  Ein- 
richtung der  Eisenbahnabteilung  u.  a.  in  den  Vordergrund,  berührt  aber  auch  Moltkes 
künstlerisch  und  geistig  belebtes  Haus  in  Berlin,  in  das  uns  Leicht-Lychdorff  130) 
einen  Blick  thun  lässt,  wobei  er  der  Legende  von  Moltkes  Schweigsamkeit  entschieden  ent- 
gegentritt: dass  Wortkargkeit  den  Schriftsteller  Moltke  nicht  kennzeichnet,  ist  bekannt. 
—  Die  Kraft  seiner  „ehernen  Prosa",  vor  der  sich  Dahn^^i)  bewundernd  beugt,  liegt  an 
anderer  Stelle.  Ihm  ist  Moltke  ein  Vorbild  von  weltgeschichtlicher  Grossartigkeit: 
geistig  wahr,  sittlich  gut,  dabei  künstlerisch  beseelt,  massvoll  und  gerecht,  bescheiden 
und  voll  Selbstzucht  hat  er  diese  Eigenschaften  auch  seiner  Prosa  eingeprägt,  durch 
deren  wasserhellen  —  andere  sagen  dafür  krystallhellen  —  Charakter  auch  D.  wieder 
an  Lessing  erinnert  wird.  Aus  eigenster  Erfahrung  belehrt  er  uns,  dass  jeder  Schlachten- 
schilderer  und  Balladendichter  lernen  könne  von  der  klaren  Ruhe,  mit  der  Moltke  zumal 
in  seiner  Kriegsgeschichte  selbst  die  überstürzendsten  Ereignisse  darstellt.  Leider 
schwächt  D.  die  Wirkung  seiner  Betrachtungen,  in  denen  ihm  aus  ehrlicher,  bekümmerter 
Sorge  manch  beherzigenswertes  Wort  erwächst,  durch  ein  gerade  diesem  Manne  gegen- 
über wenig  angebrachtes  Hervortreten  der  eigenen  Person  ab;  selbst  eigene  Verse  ein- 
zuflechten  kann  er  nicht  lassen.  —  An  dem  ähnlichen  Fehler,  das  eigene  kleine  Heraus- 
geberverdienst aufdringlich  zu  betonen,  leidet  G.  Karpeles'  ^^'^)  begeisterte  Würdigung 
des  Schriftstellers  Moltke.  Aber,  wenn  sie  uns  auch  den  Vergleich  mit  Lessing  aber- 
mals zum  besten  giebt,  so  hat  K.  doch  auch  manche  selbständigere  Bemerkung.  In 
Moltkes  Erstlingswerk  „Belgien  und   Holland"  findet    er    die    plastische    Klarheit   und 


—  119)  H.  Wi ermann,  Generalfeldmarschall  Graf  v.  Moltke.  2.  Aufl.  mit  Portr.  Leipzig,  Renger  (Gebhaidt  ft  Wilisch). 
224  S.  M.  1,50.  —  120)  XX  H-  MUller-Bohn,  Graf  Moltke.  E.  Bild  s.  Lebens  u.  s.  Zeit.  Mit  Illustr.  2.  Aufl.  l.u.2.Lief. 
Berlin.  Kittel.  80  S.  Jede  Lief.  M.  0,50.  |[WIDM.  69,  S.  435.]|  -  121)  X  Feldmarsohall  Moltke:  Oegenw.  39,  S.  305/6. 
(Phrasenhaft  u.  unbedeutend.)  —  122)  X  Feldmarscliall  Graf  Moltke:  Grenzb.  50,  II,  S.  205/7.  (Ganz  kurzer  Nachruf.)  — 
123)  X  J-  ß(odenberg),  Graf  Moltke:  DKs.  1890/1,  S.  387/9.  (R.  betont  d.  Feierliche,  d.  um  Moltkes  Persönlichkeit  lag, 
d.  Intellektuelle,  d.  seine  Heeresleitung  kennzeichnet,  u.  freut  sich,  dass  Moltke  Mitarbeiter  d.  DRs.  war.)  —  124)  X  Jos. 
Schott,  Graf  Moltke.  Rückblick  auf  s.  Leben  u.  Wirken:  UZ.  I,  S.  551-01.  (Unbedeutend.)  —  125)  XX  Arch.  Forbes, 
Sföltke'and  Moltkeisme:  lO'hCentury  30,  8.  1018  fl'.  -  126)  H.  Delbrück,  Feldmarschall  Moltke:  PrJbb.  67,  S.  530/4.  - 
127)  FeldmarBChall  Moltke:  WeserZg.  N.  15944/6.  -  128)  Zu  Moltkes  Tod:  ML.  60,  S.  275/7.  -  129)  Graf  v.  Moltko,  kgl.  preuss. 
Qeneral-Feldmarschall,  v.  e.  alten  Generalstabsoffizier:  WIOM.  71,  S.  48-Gl.  —  130)  V.  L  eich  t-Ly  chdorff,  E.  Besuch  bei 
Moltke:  NFPr.  N.  9591.   —    131)  F.  Dahn,    Moltke  als  Erzieher.      Allerlei  Betrachtungen:    N&S.  59,  S.  188-205.    —    132)   G. 


59  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:   133137. 

kunstvolle  Gruppierung  Macaulays,  die  objektive  Kühle  Rankes,  die  er  freilich  nicht  aus 
dorn  Fehk'ii  aller  romantischen  oder  jungdeutschen  Sympathien  gegenüher  jnnoji  Revo- 
lutionsbewegungon  herauslesen  durfte:  das  versteht  sich  hei  einem  Manne,  der  die  „öffent- 
liche Meinung"  niclit  hncht  ohn(i  die  „Giinsefüsschon  der  Verachtung"  anfülirt,  von  seihst. 
Hatte  sich  G.  Brandes  durch  Moltkes  ,,Briefe  über  Zustand  und  Bogoboidieiten  in  der 
Tt\rkei  1835;9"  an  Xonoi)hon  erinnert  gefühlt,  so  betont  K.  im  Gegensatz  dazu  die 
ungleich  grössere  Kunst  der  Erzählung,  die  poetische  Auffassung,  ja  die  reizvolle  FüHe, 
die  Moltke  vor  dem  giäochischen  Condottiere  voraus  hat,  ohne  dass  seine  Zuverlässig- 
keit danniter  leidet,  wie  ein  kleines  Erlebnis  Adolf  Stahrs  das  erläutert.  Für  die  Ge- 
schichte des  „Russisch-türkischen  Feldzugs  in  der  euro])äischen  Türkei"  wird  die  An- 
regung der  Militärscliriftsteller  v.  ('lausewitz,  v.  Canitz  und  Daliwitz,  die  Unter- 
stützung des  Generalstabschefs  Müffling  dargelegt.  K.s  Essay,  der  das  früher  bekannte 
Material  beherrscht,  war  doch  zu  schnellstem  Veralten  verdammt;  von  dem  Altern  und 
N-euen,  das  uns  die  „Gesammelten  Schriften"  Moltkes  seitdem  gebracht  haben,  konnte  er 
natürlich  noch  nicht  Gebrauch  maclien ;  gerade  das  schriftstellerische  und  poetische  Ele- 
ment in  Moltkes  Geiste  ist  aber  durcli  diese  jüngeren  Publikationen  in  solir  viel  stärkere 
Beleuchtung  gerückt  worden.  —  Sicherer  liess  sich  immer  schon  das  Bild  des  Histo- 
rikers ^33)  Moltke  zeichnen.  E.  Schiff'^*)  sieht  in  seinem  Versuch,  den  genialen  Mann 
zu  schildern,  der  zugleich  Alexander  war  imd  Aristoteles,  der  Geschichte  machte,  nach- 
empfand, schrieb,  S.  sielit  da  den  charakteristischen  Zug  seiner  Geschichtsauffassung  in 
der  „liistorischen  Landschaft",  einem  Begriff,  den  er  dem  Kulturhistoriker  Julius  Braun 
entnimmt;  an  greif-  und  sichtbare  Stätten  knlipfen  Moltkes  historische  Träume  und 
Perspektiven  an,  und  mit  besonderem  Interesse  beobachtet  er  die  Schichtung  verschie- 
dener historischer  Perioden  an  demselben  Orte.  Auf  Moltkes  jüngstes  Ge- 
schichtswerk, das  freilich  schon  durch  seine  Entstehung  eine  Ausnahmestellung 
einnimmt,  passt  diese  Charakteristik  nicht;  dass  sie  dennoch  ins  Schwarze  triff't,  das 
bestätigt  die  schöne  Gedächtnisrede,  in  der  Ernst  Curtius  ^^°)  des  thätigen  Ehrenmitglieds 
der  Berliner  Akademie  Beziehungen  zur  Wissenschaft  entwickelt.  Auch  er  knüpft  daran 
an,  dass  für  Moltke  die  Oertlichkeit  „das  von  einer  längst  vergangenen  Begel)enheit 
übrig  gebliebene  Stück  Wirklichkeit"  gewesen  sei.  Hatte  er  doch  auf  der  Kriegsschule 
zu  Ritters  Füssen  gesessen,  der  zumal  in  seinen  geographischen  Lehrvorträgen  Natur 
und  Geschichte  in  die  intimste  Verbindung  zu  bringen  gewohnt  war,  hatte  er  doch 
von  L.  V.  Buch  und  A.  von  Humboldt  gelernt,  über  die  engen  Fachgrenzen  hin- 
weg Natur-  und  Menschengeschichte  zu  verknüpfen.  Es  kam  hinzu,  dass  ihn  sein 
militärischer  Benif  früh  zum  Topogi'aphen  machte.  Mit  dem  tiefen  Verständnis  für  die 
geschichtlichen  Gegensätze,  die  ihm  Ranke  zwischen  Abend-  und  Morgenland,  wie 
zwischen  Germanen  und  Romanen  aufgewiesen  hatte,  vereinigte  sich  in  Moltke  die 
geographische  und  topogi-apliische  Forscherlust,  als  er  im  Orient  sowohl  durch  wissen- 
schaftliche Aufnahmen  wie  durch  wahrhaft  klassische  Briefe  uns  Kleinasiens  alte  Kultur 
neu  erschloss.  Das  Grundthema  seiner  türkischen  Briefe  war  eben  jener  Gegensatz  von 
Europa  und  Asien,  den  er  selbst  verkörperte;  ein  herrschbestimmter  freier  Sohn  des 
Abendlandes  steht  er  unter  den  erschlafften  Orientalen.  Später  ist  dann  auch  Rom  und 
mittelbar  Griechenland  sein  topographisches  Interesse  zu  gute  gekonunen;  wir  wissen 
jetzt,  dass  es  ihn  besonders  lockte,  Jerusalem  und  seine  Umgebung  aufzunehmen:  lauter 
Stätten  also,  an  denen  ein  mächtiges  historisches  und  kulturhistorisches  Literesse 
haftete.  Was  dieses  gelehrte  Verständnis  für  den  Charakter  der  Oertlichkeit  doch  auch 
praktisch  dem  Strategen  bedeutete,  liegt  auf  der  Hand:  auf  der  wundervollen  Vereini- 
gung des  praktischen  und  des  beschaulichen  Lebens  beruht  eben  die  stille  Grösse  des 
Mannes.  S.  Günther  ^^ß),  der  Moltkes  speciell  geographische  Leistungen  von  der 
Orientreise  bis  zur  Vertretung  der  Einheitszeit  in  einem  eigenen  Aufsatze  mit  hohem 
Lobe  bedenkt,  findet  sie  denn  auch  in  den  drei  Kriegen  voll  bewälirt  —  Auf  ein 
Seitengebiet  seiner  Schriftstellerei  führt  uns  ein  kleiner  Artikel  1^7)  über  Moltkes  Ueber- 
setzung  von  Gibbons  römischer  Gescliichte.  Das  war  eine .  widerwillig  genug  geti'agene 
Lohnarbeit,  die  sich  von  1832 — 35  liinzog  und  die  Moltke  imd  seinem  helfenden 
Bruder  Ludwig  von  dem  „lockeren  Buchhändler"  niclit  einmal  die  bedungene  karge  Be- 
zahlung eintrug;  obgleich  sie  bis  zum  elften  Bande  gefördert  wurde  und  der  erste  gar  im 
Druck  gewesen  sein  soll,  scheint  sich  nicht  das  Geringste  von  Manuskript  oder  Aus- 
hängebogen erhalten  zu  haben.  Schwerlich  ist  uns  damit  eine  Meisterleistung  verloren : 
interessant,  wenn  auch  sehr  anfechtbar  ist  immerhin  die  etwas  lässige  Methode  des 
Uebersetzens,    die    der  junge  Moltke  dem  Bruder    in    einem  Briefe    vom    12.  Jan.  1832 


Karpeles,  Moltke  als  Schriftsteller:  VZg».  N.  18/9.  —  133)  X  '  *.  Graf  Moltke  als  Historiker:  BerlTBl.  N.  236.  (Ausser  d. 
Abdruck  d.  „Schlacht  y.  Königgrtttz"  [Tgl.  N.  156]  einige  Bemerkungen  Über  Moltkes  Verhältnis  z.  Ranke,  dessen  ArchiT- 
geschichte  ihm  geführlich  schien,  u.  zu  Schlosser,  dessen  Freimut  ihm  ungemein  hehagte.)  —  134)  E.  Schiff,  Moltke  als 
Geschichtsschreiber:  NFPr.  N.  9582.  —  135")  Ernst  Curtius,  Gedächtnisrede  auf  d.  Grafen  Moltke,  geh.  in  d.  öffentl.  Sitz.  d. 
Berl.  Akad.  am  2.  Juli:  AZg».  N.  154;5.  -  '36)  X  S.  Gttnthor,  Moltke  als  Geograph:  Nation».  9,  S.  178—80.  —  137)  -  Ix  — 


IV  1:  138-139.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  60 

entwickelt.  Aus  Briefen  an  ilm  und  vor  allem  an  die  Mutter  stammt  unser  Wissen 
von  jener  Uebersetzung.  —  Diese  köstlichen  Briefe  sind  uns  jetzt  erschlossen  durch  den 
herrlichen  ersten  Briefliand i^^)  der  „Gesammelten  Schriften  und  Denkwürdigkeiten"  i^^), 
der  uns  im  Herzen  Moltkes  einen  unergründlichen  Schatz  hingebender  Sohnesliebe, 
warmen  Familiensinns,  unschuldiger  Heiterkeit  und  schlichter,  inniger  Naturfreude 
offenbart.  Wie  rückt  uns  das  strenge  Bild  des  unerschütterlichen  Schlachtenlenkers 
hier  so  menschlich  nahe!  Die  Mutter  lässt  er  hereinblicken  in  die  gutlaunig  getragenen 
Entbehrungen  des  armen  Leutnants,  aber  auch  in  das  wohlige  Behagen  der  guten,  ja 
üppigen  Quartiere,  in  die  ihn  seine  topographischen  Reisen  führen,  in  die  Unruhe  des 
Berliner  Gesellschaftslebens,  in  das  Entstehen  seiner  ersten  schriftstellerischen  Arbeiten; 
seine  Briefe  aus  der  Türkei  sind  in  ihrem  Kerne  Briefe  an  die  geliebte  Mutter  gewesen. 
An  Bruder  Adolf  schreibt  er  mehr  über  politische  Dinge ;  ihm  vertraut  er  seinen  Aerger 
und  Kummer  über  die  Demagogie,  die  Presse  der  Revolutionstage,  über  ,,die  Bande  in 
der  Singakademie";  mit  ihm,  dem  zeitweiligen  Mitregenten  der  Eibherzogtümer,  ver- 
handelt er,  schnell  durch  und  durch  Preusse  geworden,  über  die  schleswig-holsteinsche 
Präge,  und  noch  von  Prankreich  aus  bedenkt  er  ihn  reichlich  mit  Briefen.  Bruder 
Ludwig  endlich  ist  der  eigentliche  Vertraute  seiner  künstlerischen  und  schriftstellerischen 
Interessen.  Diese  treten  hier  viel  und  lebhaft  hervor.  Wir  erfahren,  dass  er  eine 
Novelle  „Die  Freunde"  (1828)  geschrieben  hat,  die  noch  vorhanden  ist.  Ausser  Gibbon 
hat  er  auch  von  Byron  und  Moore  manches  übersetzt.  Aber  er  wagt  auch  originale 
Verse.  Als  er  sich  in  der  höfischen  Pracht  des  Schlosses  Briese  wie  Tasso  vorkommt, 
da  parodiert  er  Mignons  Lied,  nicht  sehi'  witzig,  zum  Preise  des  Hauses  Kospoth; 
die  Komtesse  Kospoth  besingt  er  in  einem  sentimentalen  „Rätsel",  und  seinem  melancho- 
lischen Ludwig  legt  er  Verse  in  den  Mund,  die  seine  Empfindungen  malen  sollen;  er 
bestärkt  ihn  im  eigenen  Dichten.  Schwierige  Versmasse  liebt  er  nicht;  Hexameter  leitet 
er  spassend  von  Hexenmeister  ab.  Faustcitate  liegen  ihm  jederzeit  auf  der  Zunge;  auf 
Schloss  Friedland  denkt  er,  humorvoll  Pamilienporträts  vergleichend,  an  Schillers  Max 
und  Thekla;  Heines  ,, Reisebilder"  würden  ihm  gefallen,  bräche  des  Verfassers  atheistische 
Eitelkeit  nicht  gar  so  grell  durcli.  Die  eigene  Schreibelust  wird  in  Moltke  nur  immer 
auf  der  Reise  wirklich  rege.  So  plant  er  einen  Führer  durch  die  römische'  Campagna, 
der  ihm  so  ans  Herz  gewachsen  ist,  dass  er,  selbst  am  Abschluss  durch  seine  Berufs- 
arbeiten gehindert,  Bruder  Ludwig  zur  Vollendung  drängt.  Er  dachte  ihn  sich  keines- 
wegs bädekermässig  wortkarg;  Streifzüge  durch  die  Klassiker  sollten  Stofl'  zu  pikanten 
Exkursen  geben,  und  den  Bruder  mahnt  er  gleich  bei  der  üebersendung  des  Materials, 
Niebulir  zu  studieren ;  schilt  er  auch  einmal  in  humoristischem  Aerger  über  das  unpoetische 
Zerstörungswerk  der  Kritik,  so  ist  er  doch  viel  zu  wahrhaftig,  um  A.  W.  Schlegels 
bekannten  Spottvers  zu  billigen.  Seine  Liebe  zu  Rom  wurde  durch  seinen  Kunst- 
sinn gestützt;  während  seine  musikalischen  Interessen  sich  vorzugsweise  in 
der  jugendlich  enthusiastischen  Schilderung  einer  von  Spontini  geleiteten  Don- 
Juan-Aufführung  verraten,  hat  er  die  Liebe  zur  bildenden  Kunst  zeichnend  und 
malend  früh  bethätigt:  allerlei  flotte  Handzeichnungen  schmücken  diesen  Band  und 
werden  künftige  Bände  der  „ScJu-iften"  schmücken;  die  Eröffnung  des  (alten)  Museums 
begeistert  ihn  1831  zu  einer  launig-entzückten  Schilderung.  Die  Kunst  steht  ihm  aber 
nirgend  im  Gegensatz  zur  Natur:  „das  natürlich  Entstandene,  in  der  Notwendigkeit  Be- 
gründete hat  immer  einen  Reiz  vor  dem  Willkürlichen":  so  hasst  er  die  gerade  Linie 
moderner  Strassen.  Ja,  man  muss  sagen,  der  stille,  feine  heitere  Natursinn,  der  audi 
in  diesen  Briefen  überall  durclibricJit,  ist  der  Boden,  auf  dem  all  sein  künstlerisches 
Empfinden  gewachsen  ist.  Ich  habe,  dem  Zwecke  dieser  Berichte  gemäss,  wesentlich 
den  litterarisch-ästhetischen  Inhalt  der  Briefe  berücksichtigt:  der  Politiker,  der  Soldat 
wird  in  ihnen  natürlich  eher  noch  reichere  Ausbeute  finden.  Schon  1831  bekennt  sich 
Moltke  zu  der  in  der  Einleitung  seines  Kriegswerkes  ausgeführten  Anschauung,  dass 
heutzutage  die  Völker,  nicht  die  Kabinette  den  Krieg  machen;  schon  1828  schätzt  der 
eben  erst  in  preussische  Dienste  getretene  Leutnant  des  neugewählten  Vaterlandes 
innere  praktische  Tüchtigkeit;  bei  allem  Zorne  über  das  ekelhafte  Treiben  der  den 
Volkswillen  verfälschenden  Demagogen  erkennt  er  doch,  dass  der  Drang  nach  deutscher 
Einigung  das  wahrste  Bedürfnis  der  Revolutionsjahre  gewesen  ist  und  dass  Preussen 
suchen  muss,  dieses  Bedürfnis  zu  befriedigen;  und  noch  ist  der  Friede  von  Frankfurt 
nicht  geschlossen,  als  er  auf  die  gemeinsame  grosse  Kulturgefahr  aller  Länder,  auf  den 
Socialismus,  hinweist.  Aber  die  reichste  Ausbeute  gewähren  die  Briefe  doch  dem,  der 
unbefangen  das  reine,  wunderbar  makellose  Bild  echter,    edler    Menschlichkeit  auf  sich 


Moltke  als  Uebersntzor  Gibbons :  AZg».  N.  285.  —  138)  Briefe  d.  Gen.-Foldm.  Griifoii  H.  v.  Moltke  an  s.  Muttor  u.  an  s.  HrOder  Adolf 
u.  Ludwig.  Mit  Nac.bbild.  2  Iliindzeiclin.  u.  llolzstbn.  im  Text.  (=  Gos.  Sclirifton  u.  DenkwUrdigkoiton  d.  (Jen.-l'oldm  Grafen 
H.  V.  Moltke.  4.  Bd.  Bripfo,  1.  Samml.)  llcilln,  Mittler  A:  Sobu.  XV,  319  S.  M.  .1,00.  |[I). :  I'r.Ibb.  08,  S.  9I-if.l|  —  139)  X 
M'iltkiis  gps.  Scbriftoii:  Stnl^sl)l•(l.st  N.  230.    (I>riicVI    d     Ankllndiguii),'  d.    Horau.sgobors,   Oberstloiitnautis   v.    Koszcynski ,  aus   d. 


fil  G.  Ro'ethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  imim. 

wirken  lässt.  Ich  weise  namentlich  auf  eine  seltsame  Stelle  hin,  in  der  Moltke  den 
lirudor  hinoinachiiuen  lässt  in  (luälorische  Selbstbet.rachtutigen :  er  zeiht  sich  der  (^ha- 
rjikterschwächo,  die  „Präponderanz  der  Vernunft  über  Noij^ung"  erzeugt  in  ihm  Katzuii- 
janiiiier;  ein  odlei-  leidenschaftlicher  Stolz,  der  iliiri  niclit  fehle,  werde  ihn  l>oi  seinen 
Mängeln  nur  um  so  tiefer  fallen  lassen.  Auch  dieser  Mann  des  oisenien  Willens,  der 
gewaltigen  Selbstbeherrschung  hat  seine  hohe  Ruhe,  hat  «len  Piinklang  zwischen  Ver- 
nunft und  Neigung  erst  in  schweren  seelischen  Leiden  erkämpft.  Die  Ausgabe  der 
Briefe  scheint  von  Loszczynski,  der  uns  auch  über  das  Leben  der  Adressaten  kurz 
untemchtet,  mit  pietätvoller  Gewissenhaftigkeit  besorgt  zu  haben:  wenn 
P,  Nathan '■•^)  auf  die  Angabe  der  Vorre<le,  Stellen,  die  nur  augenblicklichen  Wert 
und  kein  allgemeines  Interesse  haben,  seien  ausgelassen,  die  Befürchtung  gründet, 
es  m«)chten  vielmehr  Stellen  beseitigt  sein,  die  das  Interesse  zu  sehr  erregt 
hätten,  so  ist  diese  allmählich  traditi(mell  gewordene  Skepsis  bei  dem  C/ha- 
rakter  dieser  Briefe  völlig  bodenlos.  Im  übrigen  bringt  N.s  Aufsatz  manche 
geistreiche  Bemerkung;  er  ist  mir  mir  zu  geistreich,  muss  sich  in  das  Ver- 
ständnis für  Moltkes  jeder  Eitelkeit  baare  Schlichtheit  geradezu  hineinzwingen  und  em|»- 
findet  als  ein  Besonderes,  was  in  der  Geschlossenheit  dieses  Wesens  selbstverstündlich 
war  und  auch  nicht  so  auffallend  ist,  wie  es  dem  modernen  Grossstüdter  erscheinen 
mag.  So  trifft  N.  nicht  den  einfachen  Ton,  der  hier  am  Platze  war.  Aber  zutreffen 
mag  z.  B.  die  Erwägung,  den  sinnigen,  selbst  träumenden  Naturfreund  Moltke  habe,  so 
wenig  er  die  Natur  als  Manöverterrain  ansah,  doch  sein  Soldatenauge,  seine  militärische 
Phantasie  vor  der  idealen  romantischen  NaturschM'ärmerei  bewahrt,  ihm  die  Plastik  der 
Naturanschauung  gegeben.  —  E.  Groth  i-ii-U2)  würdigt  die  Briefe  mehr  als  ein  Hohes- 
lied  auf  das  echte  deutsche  Familienleben.  —  Nach  dieser  Seite  und  sonst  werden  sie 
winulervoU  ergänzt  durch  die  Briefe  Moltkes  an  seine  Braut  und  Gattin,  tiber  die  der 
nächste  Jahrgang  der  JBL.  wird  referieren  müssen;  liier  sei  nur  ein  Biief  des  eben 
Verlobteji  zum  Pfingstfest  1841  erwähnt,  den  Kürschner  i*-**)  probeweise  mitgeteilt  und 
mit  einer  Einleitimg  über  die  25jährige  glückliche  Ehe  begleitet  hat.  —  Für  die,  denen 
dieses  reife,  ruhige  Seelenglück  nicht  genügt,  hat  man ^^4^  denn  auch  die  übliche  unglück- 
liche Jugendliebe  zu  einer  Freiin  Hippolyta  von  Bülow  ausgegraben,  deren  Hand 
Moltke  versagt  geblieben  sei,  weil  seine  Gesundheit  während  seiner  Frankfurter 
Leutnantszeit  zu  ernsten  Bedenken  Anlass  gab;  von  dieser  Epii^ode  wissen  die  Familien- 
briefe nichts  zu  erzählen.  —  Ganz  anderer  Art  als  sie  ist  der  andere  Band  der 
,, Gesammelten  Schriften",  den  uns  das  Berichtsjahr  gebracht  hat,  die  ,, Geschichte  des 
deutsch-franz{)sischen  Krieges  von  1870 — 71"'^^).  Auch  diesem  "Werke  des  unzweifelhaft 
sachlich  berufensten  Darstellers  hat  Bewunderung  und  Dank  in  der  Presse  und  sonst '■**-'•''') 
nicht  gefehlt.  Aber  die  Begeisterung  schoss  doch  weit  am  Ziel  vorbei,  wenn  sie 
dies  Buch  allen  Ernstes  zur  volkstümlichen  Belehrung i^^),  ja,  wie  ich  aus  einem  ver- 
ständigen Aufsatze  der  ,, Grenzboten'*  >53-i54)  ersehe,  gar  zur  Schullektüre  empfohlen  hat. 
Davon  kann  keine  Rede  sein.  Wir  haben  ein  höchst  eigentümliches  und  bedeutendes, 
aber  durch  seinen  bew\issten  Verzicht  auf  alle  Darstellung  und  Komposition,  durch 
seinen  lapidaren  Stil,  der  mehr  nach  Präcision  als  nach  Anschaulichkeit  ringt,  überaus 
schweres  Werk  vor  uns,  das  ganz  abseits  steht  von  der  sonstigen  Art  Moltkescher 
Schriftstellerei.  Teils  erklärt  sich  das  aus  der  Entstehungsweise:  der  Marschall  hat  das 
grosse,  von  ihm  inspirierte  Generalstabswerk  zu  Grunde  gelegt  und  in  strengster 
Sachlichkeit  das  Wichtige  excerpiert.  Teils  aber  war  die  bewusste  Abneiginig  gegen 
alles  Memoirenhafte  für  Moltke  massgebend;  er  wollte  nicht  durch  kleinlich  persön- 
liche Gesichtspiuikte  die  grosse  Geschichte  subjektiv  verzerren.  So  tritt  die  Persön- 
lichkeit des  Vf.  bis  auf  wenige,  freilich  um  so  charakteristischere  Aeusserungen  zurück 
zu  Gunsten  einer  prononcierten,  fast  ti'ockenen  Objektivität;  der  Reiz  lebensvoller 
Schilderung,  das  gi-eifbare  Bild  der  Landschaft,  der  erhellende  historische  Vergleich, 
die  Fülle  anmutiger  oder  würdiger  Rede,  alles,  was  sonst  des  Schriftstellers  Moltke 
grosse  Vorzüge  ausmacht,   alles  das  fehlt  hier  ganz,  und  ich  kann  es  einem  französischen 


MilitllrWBl.  ab.)  —  140)  P.  N»th»ii,  Familienliriefo  d.  Grafen  Moltke:  NatioQ»».  9,  S.  117—20.  —  141)  Ernst  Groth. 
Moltkes  Oliaraktorbild  nach  s.  Familienbriefen:  Greurb.  50.  IV.  .>^.  414-23.  —  142)  XX  Denkwürdigkeiten  d.  Genenl-Feld- 
marschalls  Grafen  v.  Moltke:  FZg.  N.  229.  —  143)  J.  Kür  seh  ne  r,  E.  Liebesbrief  Moltkes:  Kohemia  N.  270.  —  144)  X  D.  erst« 
Liebe  Mollkos:  NFPr.  N.  9590.  —  145)  Graf  H.  t.  Moltko,  Gesch.  d.  dt«oh.-rranr.ö«.  Krieges  v.  1870/1,  nebst  e.  Aafsatx 
,t)ber  d.  angebl.  Kriegsrat  in  d.  Kriegen  KOnig  Wilhelms  1."  (~  Ges.  Si-hriften  u.  Denkwürdigkeiten.)  Bertin,  Mittler  tt  Sohn. 
XV,  428  S.  M.  7,00  |[V.  Kurs:  HLIT.  N.  47;  D.:  PrJbb.  08,  S.  912.]|  —  146)  X  Moltkes  .Gesch.  des  Krieges  v.  1870  I*:  NFPr. 
N.  9()d:S.  (KUhmt  d.  erhabene  Einfachheit  u.  krystallhelle  Klarheit,  d.  kein  Wort  zu  viel  sage,  u.  giebt  Probon  ans  d.  Dar- 
stellung d.  Schlachten  v.  Gravelotte  u.  Sedan.)  —  147)  X  J-  Bosenatein,  Moltkes  Gesch.  d.  dtsch.-franzOs.  Krieges  v.  1870;i: 
Gegenw.  40,  S.  280/2.  (Lediglich  d.  politische.)  —  148)  X  G-  Egestorff.  Moltkes  Gesch.  d.  Feldiugas  1870  1 :  ML.  f.0. 
S.  598-«00.  —  149)  X  Moltkes  Schriften:  StrassbPost  N.  234.  (AnsxOge  aui  d.  Gesch.  d.  dt.8ch.-frdnzÖ3.  Krieges.)  —  ISO) 
XX  Moltkes  Gesch.  d.  dtsoh.-französ.  Krieges:  FZg.  N.  23.T  -  IM)  XX  S-  Zanelli,  Moltke  e  la  guorr»  del 
187U/1:  NAnt  35,  S.  72ö  ff.  —  152)  X  Moltkes  Werk  über  d.  dtsch.-frantOs.  Krieg:  StrmssbPost  N.  232.  -  153) 
Moltkes    Gesch.    d.    dtech.-fyantes.    Krieges:   Grentb.  60,   III,    S.    529—40.    -     154)    X    Z.    Moltkes   Kritgsgeseh.:   ib.    IV. 


k 


IV   1:155-161.  G.  Roetlie,.  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  62 

Beurteiler,  ßambaud  iö5^,  nicht  verdenken,  wenn  ihn  das  Monotone  und  Unpersönliche 
unbefriedigt  lässt,  wenn  ihm  das  Werk  stimmt  zu  dem  Bilde  des  starren,  lediglich 
berechnenden,  schweigsamen  und  fühllosen  Strategen,  dessen  absence  d'emotion  ihn  an 
Caesar  erinnert;  er  nennt  das  Buch  hübsch  Moltkes  „Commentarii  de  hello  Gallico". 
Gewiss  kennzeichnet  auch  diese  Wandlungsfähigkeit  des  Stils  den  grossen  Schriftsteller, 
und  die  Kunst,  xmausgesprochene  Kritik  an  Freund  und  Feind  zwischen  den  Zeilen 
lesen  zu  lassen,  hat  ihren  eigenen  Reiz.  Aber  als  vorbildlich  für  historische  Darstellung, 
wie  man  es  gerühmt  hat,  kann  ich  diese  Kriegsgeschichte  ,,aus  der  Vogelperspektive 
des  grossen  Generalstabs"  in  keiner  Hinsicht  ansehen:  seine  Hauptbedeutung  ist  der 
historische  Quellen  wert;  den  General  Stabschef,  nicht  den  Schriftsteller,  bewundern  wir, 
wenn  wir  unter  der  authentischsten  Leitung,  aber  schnell  und  ruckweise  von  einem 
Schlachtfeld  auf  das  andere  geführt  werden.  —  Dass  Moltke  auch  eine  andere  Art 
der  Schlachtenschilderung  kennt,  hat  er  in  einem  anschaulicheren  Bericht  über  die  Schlacht 
von  Königgx-ätz  155-1^'')  gezeigt,  den  er  Treitschke  für  seine  Arbeiten  zur  Verfügung 
gestellt  hatte  und  der,  etwas  spröder,  minder  populär  gefasst  und  in  einen  weiteren  Zu- 
sammenhang gerückt,  auch  in  den  Anhang  der  Kriegsgeschichte  aufgenommen  ist. 
Dieser  Anhang,  der  die  Legende  von  einem  Kriegsrat  in  den  Kriegen  von  1866  und 
1H70  zerstört,  ist  —  und  so  gehört  er  doppelt  in  diese  Berichte  —  veranlasst  worden 
dui'ch  eine  Ballade  Fedor  von  Köppens,  die  in  einer  peinlichen  Beratung  jenes  legen- 
darischen Kriegsrats  zu  Versailles  den  entschlossenen  Mut  des  Kriegsminisiers  Grafen 
Roon  moralisch  und  im  Erfolge  siegen  lässt.  Dass  auch  dieser  Dritte  im  Bunde  die 
Feder  zu  führen  wusste,  dass  auch  er  ein  Mann  reicher  Bildung,  starker,  geistiger 
Interessen,  wenn  auch  nicht  ein  so  produktiver  Geist  war  wie  seine  Genossen,  das 
haben  uns  die  Mitteilungen  aus  seinem  Leben  und  seinen  Papieren  gelehrt,  die  neuer- 
dings die  „Deutsche  Revue"  ^ös^  gebracht  hat.  Sie  umfassen  die  Jahre  1866 — 75.  Besondere 
Auszeichnung  verdienen  die  frischen  Feldpostbriefe  von  186G  und  1870;  eine  wohl- 
thuende  Treuherzigkeit  ziert  aber  auch  die  übrigen,  meist  politischen,  Briefe,  die  uns 
verstehen  lassen,  wie  das  Werden  des  Reichs  für  diesen  treuen,  keineswegs  kurz- 
sichtigen Konservativen  mit  mancher  Bitternis  verbunden  ist,  wie  er  sich  vor  den 
„genialen  und  überraschenden  Einfällen  des  Dreihärigen",  der  ihm  zu  sehr  verlaskert, 
gelegentlich  geradezu  fürchtet.  Die  Briefe  Bismarcks,  die  eingeflochten  werden,  sind 
wesentlich  politischen  Lihalts.  — 

Die  reichen  brieflichen  Quellen,  die  sich  uns  so  für  die  Gründer  unseres  Reiches 
neuerdings  eröffnet  haben,  müssen  als  Ersatz  dienen  für  ihre  Selbstbiographien. 
Moltke  hatte  als  älterer  Mann  geradezu  einen  Widerwillen  gegen  die  Memoirenschreiberei, 
und  dieser  Widerwille  konnte  nur  genährt  werden  durch  die  Ueberproduktion  in  dem 
Artikel,  durch  die  Riehl  sogar  veranlasst  wurde,  ein  bereits  begonnenes  „Buch  der 
Erinnerung"  liegen  zu  lassen,  um  nur  nicht  in  diesem  stets  wachsenden  Reigen  grosser 
und  kleiner  Grössen  mitzutanzen.  Die  Erscheinung  ist  um  so  bemerkenswerter,  als 
früher  Deutschland  gerade  in  Denkwürdigkeiten  weit  hinter  Frankreich  und  England 
zurückblieb;  auch  sie  entspringt  wohl  der  Empfindung,  dass  wir  an  dem  Abschluss 
einer  Epoche  stehen,  der  auch  persönliche  Rückblicke  lohnend,  ja  nötig  macht.  Einige 
neuere  Memoirenwerke  von  Staatsmännern  stellt  M.  Schmitz  i^'')  zusammen  in  seinem 
Heftchen  über  die  bekannten  Aufzeichnungen  Herzog  Ernsts  IL  von  Sachsen-Koburg- 
Gotha,  wo  er  seinen  Helden  als  Selbstbiographen  am  liebsten  direkt  an  Caesar  und 
Friedrich  den  Grossen  anknüpfen  möchte.  S.  ist  offenbar  Specialist  für  scliriftstellernde 
Fürsten;  wie  er  Carmen  Sylva  und  Oskar  IL  von  Schweden  bereits  früher  „gewürdigt" 
hat,  so  stellt  er  uns  sogar  ein  Buch  über  „Kaiser  Wilhelm  I.  als  Schriftsteller"  in 
Aussicht.  Aber  diese  beharrliche  Selbstbeschränkung  hat  bei  ihm  die  Kritik  einge- 
schläfert; das  Büchlein  über  Herzog  Ernst  ist,  wenn  nicht  Analyse,  dann  Panegyrikus; 
die  Probe,  die  er  aus  des  fürstlichen  Dichters  Poesien  am  Schlüsse  auswählt,  stellt  S.s 
ästhetischer  Urteilsfähigkeit  kein  gutes  Zeugnis  aus.  —  Bis  in  die  Tage,  da  das  alte 
Reich  eben  zerschlagen  war,  führt  uns  ein  anderes  fürstliches  Tagebuch  zurück.  Was 
Krones  ^•'0-161)  aus  den  Aufzeichnungen  Erzherzog  Johanns  von  Oesterreich  für  die 
Jahre  1810 — 1815  veröffentlicht  hat,  ist  leider  ganz  vom  Gesichtspunkt  des  politischen 
Historikers  ausgewählt.  Nun  aber  hat  der  von  seinem  kaiserlichen  Bruder  mit  Eifer- 
sucht von  jeder  politischen  Rolle  ferngehaltene  Prinz,  dem    selbst    die   Statthalterschaft 


S.  191/2.  (E.  in  N.  153  vorgeschlagoue,  aber  falsche  Konjektur  wird  berichtigt.)  —  155)  A.  Kambau  d,  La 
Gaorro  de  1870  par  le  maröchal  de  Moltke:  RPL.  48,  S.  422/9.  —  156)  Graf  H.  v.  Moltke,  D.  Schlacht  v.  Königgrätz: 
AZgB.  N.  108.  —  157)  X  Moltke  über  d.  Schlacht  bei  KOniggratz:  •Sammler-^  N.  58.  (Lediglich  Abdruck  von  N.  156.)  — 
158)  R.  V.  D.,  Aus  d.  Leben  d.  Grafen  Albr.  v.  Roon:  DR.  16,  I,  S.  1-14,  129—47,  257-73;  11,  S.  1-21.  129-58, 
257—78;  JIl,  S.  1-2:!,  129-51,  259—67;  IV,  S.  1-12,  129-42,  257-77.  -  169)  M.  Schmitz,  Ernst  11.,  Herzog  v.  Saohson-Coburg- 
Gotha  u.  s.  Werk  „Aus  meinem  Leben  u.  aus  meiner  Zeit".  2.  vielfach  veränd.  u,  rerm.  Aufl.  Mit  e.  Portr.  d.  Herzogs, 
lierlin  u.  Neuwied,  Heuser.  59  S.  M.  1,25.  —  160)  F.  Ritter  v.  Krön  es,  Aus  d.  Tagebuche  Erzherzog  .lohanns  v.  Oester- 
reich 1810/5.  Z.  Gesch.  d.  Befreiungskriege  u.  d.  Wiener  Kongresses.  Innsbruck,  Wagner.  VIII,  252  S.  M.  4,80.  JtH.  S.: 
BLU.  N.  35,]|   —    161)  X  Schwioker.  Aus  d.  Tagebuohe  d.  Erzherzogs  Johann  v.  Oesterreich:    AZg".   N.  86.      (Auszüge  aus 


63  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  102-167. 

über  sein  geliebtes  Tirol  streng  versagt  blieb,  damit  er  nicht  Gelüste  trago,  sich  etwa 
zum  „König  der  Gebirge"  zu  machen,  gar  nicht  Gelegenheit  gehabt,  viel  historisch 
wichtige  Dingo  zu  erfahren,  die  wir  nicht  aus  andonui  Quellen  längst  besser  wüssten. 
Dagegen  wären  uns  die  Bemerkungen  des  geniütswurraen,  sogar  einigermassen  liberal 
denkenden  Erzlierzogs  über  Lektüre,  litterarische  Bekanntschaft<Mi  usw.,  zu  denen  er 
Müsse  genug  hatte,  vielleicht  belehrend  gewesen:  gerade  die  aber  sind  ausgeschieden. 
So  erfahren  wir  nur,  dass  Hormayr  ihm  näher  stand;  mit  Freude  erkennt  er  Gentz' 
Feder  in  dem  trefflichen  österreichischen  Kriegsmanifest  von  1H13;  aus  Arndts  „Zwei 
Worten"  })rophez6it  er  als  unvermeidlich  die  konstitutionelle  Monarchie.  In  seinen 
Zukunftsträumen  spielen  Reichsstiidte  eine  Rolle,  in  denen  sich  der  Lehrfreiheit  wegen 
die  Universitäten  befinden  sollen;  so  soll  denn  z.  B.  auch  Göttingen  zur  freien  Stadt 
werden.  Immerhin  überraschende  Einfalle  für  einen  Habsburger  Prinzen  aus  der  Glanz« 
zeit  Metternichs.  — 

Ueber  die  Memoiren  eines  Diplomaten  noch  älterer  8ch\ile  berichtete  Edm. 
Scherer  i^ss)  jn  einem  schon  18G9  geschriebenen,  jetzt  neu  gedruckten  Aufsatz.  Baron 
Karl  Heinr.  von  Gleichen,  der  17G3 — 70  als  dänischer  Gesandter  in  Paris  lebte  und  dort 
ein  Liebling  der  Gesellschaft  war,  hat  seinen  Aufzeichnungen  allerlei  Portrait«  inter- 
essanter Persönlichkeiten  einverleibt:  mit  Vorliebe  studiert  er  geheimnisvolle  Menschen 
wie  Cagliostro  und  St.  Germain,  und  von  diesem  Gesichtsf)unkt  aus  fesselt  denn  auch 
Lavater  seine  Aufmerksamkeit,  von  dem  er  kopfschüttelnd  seltsame  Ansichten  auf- 
schreibt, z.  B.  dass  Johannes  der  Evangelist  noch  nicht  tot  sei  u.  a.,  den  er  aber  als 
einen  achtbaren,  wohlthätigen,  gar  nicht  eitlen  Mann  schätzt.  —  Die  anonymen  „Me- 
moiren eines  alten  Diplomaten" 'ß*'),  die  ihren  Titel  nicht  verdienen,  da  sie  so  gut  wie 
nichts  Persönliches,  Intimes,  Neues  bringen,  höchstens  einmal  ein  paar  Anekdötchen 
beisteuera,  und  die  zur  Coburger  Politik  Beziehungen  zu  verraten  scheinen,  berühren  in 
einer  nacli  bekannten  Quellen  geschriebenen  Biographie  des  Freiherrn  von  Stockmar 
Rückerts  Coburger  Leben:  Stockmar  war  Zeuge,  wie  die  „Geharnischten  Sonette'',  die  fünf 
„Märlein  zum  Einschläfern"  entstanden.  —  Mehr  Ausbeute  sollte  der  Litterarhistoriker 
aus  den  Erinnerungen  Stichlings  i''*-^''^),  des  langjährigen  Weimarer  Staatsministers, 
des  Enkels  Herders  erwarten.  Aber  die  überaus  schlichten,  trockenen  und  anspruchs- 
losen, in  erster  Linie  den  eigenen  Kindern  zugedachten  Aufzeichnungen  verlassen  selten 
das  Gebiet  des  rein  Persönlichen  und  Amtlichen;  es  ist  ein  anderes  Weimar,  in  dem  S. 
mit  seinen  Gedanken  und  Interessen  lebt,  als  das  Weimar,  das  uns  am  Herzen  liegt;  so 
sorgsam  er  als  gewissen liafter  Leiter  des  Kultusdepartements  auch  den  Blick  für  Wissen- 
scliaft  und  Kunst  offen  hält,  er  sieht  sie  doch  mit  dem  einseitigen  Interesse  des  Ver- 
waltungsbeamten an.  Von  der  Mutter,  Theodora  Luise  v.  Herder,  ihrem  religiösen  und 
poetischen  Schwung,  ihrer  gemüt-  und  phantasievollen  Natur  weiss  er  warm  zu  sprechen. 
Aber  Goethe  hat  er  nur  einmal  im  Dornburgor  Garten  getroffen,  als  Knabe  seiner 
Leichenfeier  beigewohnt;  Knebel  sieht  er  in  Jena  auf  dem  Totenbette;  Prof.  Thibaut 
in  Heidelberg  ist  dem  nüchternen  Juristen  schon  zu  poetisch;  so  ist  eine  lustige  Ajiek- 
dote,  die  er  von  des  Fürsten  Bismarck  geradezu  anarchischen  Anschauungen  über  das 
Menschenrecht  individuellster  Orthographie  und  Sprachbildung  erzäldt,  für  uns  fast 
am  lelu-reichsten.  S.  hat  sich  als  politischer  Schriftsteller  an  den  Litterarischen  Kämpfen 
des  entstehenden  Reiches  beteiligt,  aber  erst  seit  1852.  Das  unruhige  Jahr  1848  hat 
an  ihm  wesentlich  einen  besorgten  Zuschauer  gehabt  und  spielt  bei  ihm  keine  grosse 
Rolle.  —  Um  so  stärker,  ja  als  der  eigentliche  Höhepunkt  der  Darstellung  tritt  es  hervor 
in  fast  all  den  zahlreichen  übrigen  politischen  Memoiren,  die  uns  das  Berichtsjahr  ge- 
bracht hat.  Schieiden  1*56),  der  freiwillige  Vorkämpfer  Sclileswig-Holsteins  im  Vor- 
pai'lament  und  später  der  diplomatische  Vertreter  der  Herzogtümer  in  Berlin,  ein  Mann, 
dem  man  167)  die  Kunst  nachgerühmt  hat,  überall  dabei  zu  sein,  hat  namentlich  im 
Herbst  1848  in  Berlin  allerlei  Revolutionseindi'ücke  gesammelt,  über  die  er  berichtet; 
während  er  sonst  dazu  neigt,  eigene  Erinnerungen  aus  anderen  Quellen  zu  ergänzen,  die 
persönliche  Erfahrung  dadurch  möglichst  zur  geschichtlichen  Thatsache  zu  erheben  — 
was  ich  nicht  rühme  — ,  so  beschränkt  er  sich  gerade  hier  mehr  auf  das  Selbsterlebte. 
Die  Schwenkung,  die  der  Ritter  Bunsen  damals  vom  schwarz-rot-goldenen  Abgeordneten 
der  Paulskirche  zum  schwarz- weissen  preussischen  Beamten  selbst  in  der  Kleidung 
durchmachte,  erweckt  S.s  Mistrauen    gegen    den    talentvollen,    aber    sehr  bestimmbaren 


N.  160.)  —  182)  Edm.  Soherer,  ^tudes  sar  la  litt^rature  aa  XVIIIe  si^cle.  Paris,  Calmann  Lirj.  351  S.  —  163)  Memoiren 
e.  alten  Diplomaten.  Berlin,  Eckstein  Nachf.  ;M6  S.  H.  3,00.  [[Wilh.  HUller:  BLU.  N.  S6.]|  —  164)  6.  Th.  Stichling, 
Aus  53  Dienstjahren.  Erinnerungen.  Weimar,  Böhlan.  VIII,  262  S.  M.  3,60.  |[H.  S.:  BLÜ.  N.  35.)|  —  165)  X  i..  In», 
weimarischen  Staatsdienst:  AZgB.  N.  133.  (Referat  Über  N.  165.)  —  186)  R.  Schieiden,  Erinnerungen  e.  Schleswig-Holstoinera. 
2.  Folge.  Schleswig-Holsteins  1.  Erhebung.  Wiesbaden,  Bergmann.  XII,  372  S.  M.  8,00.  —  167)  X  Neues  über  Schleswig- 
Holstein:  Grenzb.  50,  IV,  S.  234 — tl.  (Charakterisiert  N.  166,  u.  verweilt  namentlich  auf  Sdüeidens  Nachweis,  dass  Herzog 
Ernst  T.  Sachsen-Coburg-Gotha  e.  Brief  S.s,  den  er  als  Beleg  fUr  seine  eigenen  Heldenthaten  bei  EckernfSrde  benutzt«,  in 
persönlichster  Tendenz  inkorrekt  citiert  habe:  e.  sehr  bedenkliches  Symptom  fUr  d.  Znverllssigkeit  d.  herzoglichen  Memoiren.) 


IV  1:   108-172.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunrlerts.  64 

Enthusiasten.  Zu  dem  im  gelbroten  Demokratenbart  prangenden  Redakteur  der  „Loko- 
motive", Held,  der  eine  Ereischaar  für  Schleswig-Holstein  organisierte,  und  zu  Frau 
Luise  Aston,  der  Heraiisgeberin  des  „Freischärlers",  gewinnt  S.  kurze  amtliche  Be- 
ziehungen. Das  geistige  und  gesellschaftliche  Leben  Berlins  liegt  damals  völlig  dar- 
nieder: auch  die  geistreichen  Salons  z.  B.  Dirichlets  waren  in  das  schlammige  Fahr- 
wasser der  Politik  henintergekommen,  und  zumal  bei  dem  betriebsamen,  unzuverlässigen 
Klütscher  Varnhagen  blüht  der  ödeste  Radikalismus.  Einige  charakteristische  Zerrbilder 
und  Flugblätter  aus  der  Zeit  des  Berliner  Belagerungszustandes  werden  beschrieben 
(S.  20B  ff.):  Sympathien  haben  dem  ruhigen,  patriotischen  Beobachter  die  Erscheinungen 
der  Berliner  Revolution  nirgends  eingefiösst,  wenn  er  sie  sich  auch  mit  Interesse  aus 
der  Nähe  besieht.  —  Weiter  von  den  Details  der  Tagesbewegung  entfernt  liegt  der 
Standpunkt  Leopold  von  Gerlachs  ^''^-^ß^),  dessen  von  der  Tochter  herausgegebene 
„Denkwürdigkeiten"  in  ihrem  ersten  Bande  bis  1848  reichen.  Sie  sind  eine  vielfach 
höchst  interessante,  aber  keineswegs  bequeme  Lektüre.  G.  hat  sehr  umfängliche  Tage- 
bücher geführt,  in  denen  er  sich,  zum  Teil  mit  der  bestimmten  Absicht  der  moralischen 
Selbstkontrole,  genaue  Rechenschaft  ablegt  über  die  Ereignisse  und  sein  Verhalten 
zu  ihnen.  Schriftstellerische  Gewandtheit  ist  diesen  Tagebüchern  nicht  nachzurühmen, 
und,  nie  für  die  Oeffentlichkeit  gedacht,  enthalten  sie  viel  nur  persönlich  Wichtiges, 
viele  uns  schwer  verständliche  Anspielungen.  Es  ist  schade,  dass  man  uns  nicht  durch 
griindliche  Redaktion,  durch  Kürzung  und  Erläuterung,  die  Lektüre  der  wertvollen 
Memoiren  erleichtert  hat:  jetzt  ermüdet  der  Leser.  Und  doch  verdienen  sie  fieissig 
gelesen  zu  werden.  Die  liberale  Legende  hat  den  Brüdern  Gerlach  eine  Hauptschuld 
an  den  Missgriffen  Friedrich  Wilhelms  IV.  aufgebürdet.  Wir  sehen  jetzt,  dass  wenigstens 
Leopold  V.  G.s  Verhältnis  zum  König  keineswegs  so  beständig  und  enge  war,  wie  man 
angenommen  hat;  wir  sehen  hoch  mehr,  dass  G.  durchaus  nicht  der  blinde,  fanatische 
Absolutist  war,  den  man  aus  ihm  gemacht  hat.  Im  Gegenteil,  er  selbst  fühlt  sich,  von 
des  Königs  unstäter  Art  gequält,  oft  zu  der  sicheren  und  klaren  Weltanschauung  des 
Prinzen  von  Preussen  hingezogen.  Ein  im  höchsten  Masse,  aber  in  unantastbarer  Ehr- 
lichkeit frommer  Mann  freut  er  sich  1826  an  Gossners  geistlichen  Erfolgen  in 
Pi^tersburg,  interessiert  er  sich  1828  für  die  modernkatholisch  idealisierende  Beleuchtung, 
in  der  Adam  Müller  Oesterreich  sieht,  billigt  er  später  Karl  v.  Raumers  ,, Verteidigung 
der  Kirche"  und  schätzt  er  sehr  seinen  ,, lieben  Knak".  Der  Schüler  Ancillons,  den 
die  Anschauungen  der  romantischen  Schule  berührt  hatten,  misstraut  schon  1813  Jahn 
als  dem  Haupt  der  Anarchisten  und  begeistert  sich  gegenüber  Rousseaus  revolutionärem 
Staat  für  Hallers  Restauration  der  Staatswissenschaften.  Aber  als  die  Wellen  der  Re- 
volution höher  und  höher  am  Thron  emporschlagen,  da  ist  G.  viel  mehr  auf  ein  konse- 
quentes als  auf  ein  reaktionäres  Verhalten  des  Königs  bedacht.  Wold  berührt  es  uns 
seltsam,  wenn  er  an  den  „Don  Carlos"  die  kritische  Bemerkung  knüpft,  dass  Schillers 
Radikalismus  hier  zuerst  über  den  Etikettenzwang  spotte,  dem  auch  die  Königin  sich 
fügen  muss,  und  dann  sofort  in  ihrer  Begegnung  mit  Posa  die  Notwendigkeit  dieser 
Etikette  selbst  beweise:  aber  wer  den  Posa  Herwegh  und  Job.  Jacoby  erleben 
musste,  dem  wird  man  diese  sonderbare  Beurteilung  des  Dramas  zu  gute  halten. 
G.  berichtet,  wie  Friedrich  Wilhelm  IV.  1843  die  Herwegh  gewährte  Audienz  und  die 
Beförderung  Dahlmanns  als  Concession  ohne  Resultat  bedauerte.  Als  Bettina  sich  für 
Kinkels  Begnadigung  verwendet,  rät  G.  dem  König  von  jeder  direkten  Einmischung  ab, 
deutet  aber  andere  Wege  an,  die  mittelbar  zu  dem  gleichen  Ziele  führen  sollen.  Als 
unter  den  von  Radowitz  geplanten  „deutschen"  Massregeln  aucli  der  Ankauf  des  Goethe- 
hauses von  Bundeswegen  auftaucht,  da  findet  er  das  sehr  thöricht.  Seiner  einfacl-.n 
und  konsequenten  Natur  ist  nichts  verdächtiger  und  unsympathischer  als  die  geist- 
reichen, genial-unstäten  Leute  wie  Bunsen  und  Radowitz,  auf  die  der  König  so 
gerne  hörte.  Von  Radowitz  zumal  giebt  G.  eine  lehrreiche  Charakteristik,  die  aller- 
dings von  dem  dämonischen  Zauber  nichts  merken  lässt,  den  General  Voland  von  der 
Hahnenfeder  selbst  auf  politische  Gegner  auszuüben  wusste.  —  Auch  von  diesem  Zauber 
haben  wir  ein  neues  Zeugnis  in  der  anfangs  nur  als  Manuskript  gedruckten,  jetzt  auch 
weiterhin  zugänglich  gemachten  Erzählung  der  ersten  dreissig  Lebensjahre  (1819 — 49) 
von    A.   von    Arneth  no-i72A     ,jem     hochverdienten     Direktor    des    Wiener     Hof-    und 


—  168)  DunkwUrdiglceiten  aus  d.  Lehen  Leopold  v.  Gerlachs,  Ge  erals  d.  Infanterie  n.  General-Adjutanten  König  Friedr. 
Wilhehmi  IV.  Nach  s.  Aufzeichnungen  her.  v.  s.  Tochter.  Bd.  1.  Berlin,  Hortz.  848  8.  M.  11,00.  |[R:  DR.  IV,  375  f.]| 
CAusiser  d.  im  Text  angefllhrt.en  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  G.  e.  Goethoschen  Vortrags  über  FKitzgebirge,  15.  März 
1829  in  Weimar,  gedenkt  u.  ilher  d.  Anfange  d.  „KreuzzHitung"  spricht,  dor  er  nahe  stand,  so  oppositionell  sie  sich  gelegentlich 
gftgon  König  u.  Ministerium  stnllto.)  -  169)  X  C  Bulle,  L.  t.  Gerlachs  Penkwllrdigkeiteu :  Nation».  9,  S.  98-100,  111/4, 
l.'5l/5.  (1).  zwar  liberal  gefiirbte,  aber  gegen  G.s  Charakter  nicht  uugerechte  Bof.  Über  N.  1(>8  giebt  namentlich  e.  Bher- 
sichtliche  Dar^tollung  v.  G.s  .schwankondem  Verhitltnis  z.  Kiinig.)  —  170)  A.  Rittor  v.  Arneth,  Aus  meinem  Leben.  D. 
ersten  30  .lahro  (1819—49).  Als  Ms.  gedr.  Wien.  VIII,  4.38  S.  Zusammen  mit  d.  spater  erschienenen  2.  Bde.  M.  12,00. 
|[AZgn.  N.  83;  LCBI.  1893,  N.  3C.]|  —  |7|)  x  Aus  Arneths  Denkwürdigkeiten:  AZgii.  N.  159.  (Sehr  warme,  auch  d.  mensch- 
lichen Gehalt  herausarbeitende  Besprechung  v.  N.  170,  die  auch  A.s       tter  Toni  Adamherger  berücksichtigt.)   -  172)  X  A.  K., 


65 


G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  l:  i78-i74 


Staatsarchivs,  der    als  Vertreter    des    österreichischen  Wahlkreises    Neunkirchen  in  der 
Paulskirche  sass  und  dort  Radowitz  kenneu  lernte.     Ueber  A.s  Buch  liegt  eine  heitere 
Seelenruhe,  eine  milde  Harmonie,  die  gerade  im  Kontrast  zu    den    wilden  StUrmen  der 
Zeitgeschichte  innig  wohlthut  und  die  nicht  zum  kleinsten  Teile  in  dem  stillen  Familien- 
glück  ruht,  das  A.  von  früh  auf  beschieden    war.     Aus    dem    mit    vieler    Liebe    ausge- 
führten Idyll  der  Kinderjahre  hebt  sich  in  hellster  Beleuchtung   heraus  die  Gestalt  der 
Mutter.     Ihr  Name  ist  der  Litteraturgeschichte  wohl  vertraut.    Es  ist  Toni  Adamberger, 
die  anmutige  Liebhaberin  des  Burgtheaters,    Theodor  Kömers  heissgeliebte  Braut.     A. 
teilt    die  Aufzeichnungen    mit,  die  sie  selbst,  allerdings    nur  über  ihre  Jugend,  nieder- 
geschrieben hat  und  die    uns   tief   hineinführeii    in  Wiener    Schauspieler-    und  Sänger- 
kreise.    Tonis  Vater,    der  berühmte  Tenorist,    für  den  Mozart  so    manche  seiner  Arien 
schrieb,    ihre    Mutter,   die    Naive  Anna  Jacquet,  für  die  Kotzebue  gerne  seine  kindlich 
schalkhaften    Rollen    bestimmte,  werden    uns    in    ihren  Bühnenerfolgen,    in    ihrem    gut 
bürgerlichen  Familienleben  mit    dankbarer  Tochterliebe  geschildert;   nur  die  Erziehung 
nach  Rousseauschen  Grundsätzen,  die  Toni  zeitweilig  zu  einer  kleinen  Wilden  gemacht 
hat,  will  ihr  auch  in  der  Erinnerung  für  ein  Mädchen  gar  nicht  gefallen.    Frühe  Krank- 
heit zwingt  die  Mutter  zum  Abschied  von  der  Bühne;  bei  der  Abschiedsfeier  betritt  Toni, 
zunächst  nur  dilettantisch,  in  Heinr.  v.  Collins  Feststückchen  „Der    gestörte  Abschied" 
zuerst  die  Bretter  des  Burgtheaters.     Der  Tod  der  Eltern  nötigt  sie  bald',   schon  ihren 
jüngeren    Geschwistern    zuliebe,  die  Laufbahn  der  Mutter  einzuschlagen;    Collin   zumal 
leitet  sie  dabei  mit  väterlicher  Liebe,  Streckfuss  führt    sie   erfolgreich  in  die  Litteratur 
ein.  Unter  ihren  Kollegen  schätzt  sie  besonders  den  schon  bejahrten  Helden  Lange.  Zu 
ihren  grossen  Eindrücken  gehört  es,  wie  sie  in  Schönbrunn  vor  Napoleon  die  „Aricia" 
in  Schillers  „Phädra"  spielt,  namentlich  aber,    wie  Beethoven  für  sie  Clärchens  Lieder 
komponiert  und  sie  ihr  einstudiert.     Dann  folgen  die  selig-unseligen  Jahre  1812/3.    Mit 
liebevollster  Ausmalung  schildert  Toni  ihre   erste  Begegnung  mit  dem  Geliebten:  dann 
aber  bricht  sie  ab;  auch  der  Sohn  hat  sie  so  gut  wie  nie  von  dem  Glücke  ihres  Braut- 
standes, von  dem  Schmerze  des  Verlustes  reden  hören;  selbst  sein  Vater  rührte  nicht  an 
diese  heilige  Erinnerung.     Im  Haune  der  Dichterin  Caroline  Pichler,  die  ihre  „Margarete 
von  Oesterreich"  in  dem  Trauerspiel  „Heinrich  von  Hohenstaufen"  recht  eigentlich  für  Toni 
geschrieben  hatte,  lernt  sie  ihren  späteren  Gatten,  den  Kustos  des  kais.  Antikenkabinets, 
Jos.  Arneth,  kennen.     Auf  der  Höhe  ihres  Ruhms,  gefeiert  als  Thekla,  Oehlenschlägers 
„Walburg",  Minna,  Iphigenie,  Leonore,  Julie,  Camilla  in  Collins  „Horatiern",  nimmt  sie 
am  17.  JuH  1817  als  Jertha  in  Midiners  „Schuld"  von  der  Bühne  Abschied.   Aber  auch 
in  der  Ehe  noch  hatte  sie  Gelegenheit,    durch    ihr    deklamatorisches    und  musikaUsches 
Talent  zu  erfreuen:    so  dachte  sie  stolz  daran  zurück,  dass  es  ihr  1826  beschieden  war, 
in    St.  Florian  Grillparzer    den  Aufenthalt    durch  Schubertsche    Lieder    zu  verschönern. 
Auch  auf  die  Söhne  scheint  sie  ihrer  Begabung  ein  wenig  vererbt  zu    haben:    auf  dem 
Konvikt  zu  Kremsmünster  wurden    ihnen  bei  den  Schulfeierlichkeiten    mit  Vorliebe  die 
Vorträge,  beim  Lesen  Schillerscher  Dramen  die  grössten  Rollen  zu  teil :  im  Jahre  1835 
las  man  also,  das  erfahren  wir    hier,    in    einem  österreichischen  Stiftsgymnasium  „Teil" 
und  „Wallenstein"  ohne  jedes  politische  Bedenken.     A.s  Beamtenlaufbahn    bis    zu    den 
Wiener  Märztagen  und  der  Wahl  für  die  Paulskirche    gehört  nicht  hierher.     Dort  tritt 
er  dem  sog.  Augsburger  Hof  bei,  da  ihn  von  dem  Hauptklub  des  rechten  Centrums,  dem 
Kasino,  die  wortführenden  norddeutschen  Professoren  absclirecken ;  Gervinus'  antiöster- 
reichische Artikel    in    der  ,, Deutschen  Zeitung"  erregen  noch  in  dem  Greis  einen  Groll, 
der  uns  bei  diesem  milden  Manne   doppelt  überrascht.     Ein  warmer  Patriot,  möchte  er 
Oesterreich  um  jeden  Preis  seine  Stellung  in  Deutschland  erhalten    und  tritt  in  diesem 
Sinne  selbst  gegen  seinen  eigenen  Landsmann  Mühlfeld  auf.    Da  scheint  es  denn  Rado- 
witz gewesen  zu  sein,  dem  es  gelang,  dem  Zweifelnden  seine  eigenen   deutschen  Pläne, 
denen    der    Erfolg    seitdem    Recht    gegeben    hat    (Bundesstaat    ohne,    Staatenbund    mit 
Oesterreich),  plausibel  zu  machen.     Damit    war    denn    freilich    für  A.  seine  Mission  als 
Frankfurter  Abgeordneter  erloschen,  und  er    legte  nahezu    als  Erster    der  Oesterreicher 
sein  Mandat    nieder;    schon    das    Verhalten    seiner    Regierung  gegen  Robert  Blum  und 
Fröbel  hatte  ihm  die  Unhaltbarkeit  seiner  Stellung  fühlbar    gemacht.     Blum  hält  er  an 
sich  für  einen  ganz  mittelmässigen  Kopf,  der  für  seinen  Ruhm  zur  rechten  Zeit  starb; 
sein  Urteil    wird    dadurch  bestätigt,    dass  Blums  Schicksalsgenosse,  Fröbel,    dessen  be- 
rühmte, geflissentlich  massvolle  und  bescheidene  Parlamentsrede  über  die  Wiener  Erleb- 
nisse A.  anschaulich  schildert,  sich  inzwischen    sein:   entschieden    zu    derselben  Ansicht 
bekannt  hat.  —  Aber  Blum  war   weder  das  kohlpechrabenschwarze  Scheusal    noch    die 
grotesk-komische     Figin-,     die     der      Graf    von     Hübner '''^-i'^)      aus     ihm     gemacht 

F.  liebenswürdiges  Buch:  NFPr.  N.  9694j5.  <Ueb«rN.  170;  Aaszflge  mit  Raod^losseii:  Bob.  Blum  d.  drinking  «ditor  d.  deatsehen 
Demokratir;  Devise  d.  I^uches  „Oi-l  in  d.  Fluten*.)  —  173)  A.  Graf  v.  HUbner.  E.  J«hr  meines  Lebens.  1848/9.  Leipzig, 
r.rockhaus.  XII,  379  S.  M.  6,00.  i[v.  Grüner:  MHL.  8.3715;  S.liwäbKron.  N.  161 ;  L.  O.  Pel  issier:  BCr.  31.  S.  417  8  (rahmt 
d.  gute,  freilich  oberflaehlicüe  u.  fast  frivole  Erxihlung;.  NAut.  34,  j«.  161.]i  —  |74)  X  F.  Bienemann,  Graf  HDbners 
Jahresberichte  fttr  neuere  deuteohe  Litteraturgeschichte  II  (*>.  5 


IV  1:  175-183.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  66 

hat.  Der  nicht  eben  rühmlich  bekannte  Diplomat  plaudert  gewandt  über 
seine  Revolutionserlebnisse  in  Mailand  und  Wien;  ist  die  muatere  Causerie 
für  die  harmloseren  italienischen  Dinge  ganz  reizvoll,  so  passt  sie  gar  nicht 
für  den  furchtbaren  Ernst  des  Wiener  Aufstandes.  Die  Frische  der  eigenen 
Erinnerungen  verkümmert  auch  H,  sich  dadurch,  dass  er  andere,  selbst  litterarische 
Quellen  in  sein  Buch  hineinarbeitet.  Freilich  nur  obenhin.  Er  schreibt  mit  kavalier- 
mässiger  Nonchalance:  der  Mörder  Kotzebues  heisst  ihm  „Georg  Sand",  und  die  Gräfin 
Szechenyi  rühmt  er,  spasshaft  genug,  als  „Martha  und  Magdalena"  in  einer  Person. 
Er  schwärmt  für  Kaiser  Franz,  Metternich  und  namentlich  für  Felix  Schwarzenberg, 
den  er  geradezu  ins  Mythische  steigert.  Andere  als  politische  Dinge  interessieren  ihn 
nicht;  zu  litterarischen  Persönlichkeiten  hat  er  keine  Beziehungen,  sie  sind  ihm  oifenbar 
unheimlich  wie  die  Wiener  Studenten.  Nur  mit  Ign.  Kuranda,  dem  Herausgeber  der 
„Ostdeutschen  Post",  hat  er  einmal  ein -Gespräch;  sie  verstehen  sich  nicht,  und  H.  tröstet 
sich  damit,  dass  Kuranda  der  politische  Sehnerv  fehle.  —  Ein  merkwürdiger  Wechsel 
der  Dinge  Hess  den  Begleiter  Rob.  Blums,  Hess  Julius  Fröbel  später  in  eine  ähnliche  Ver- 
trauensstellung bei  Schmerling  rücken,  wie  Hübner  sie  bei  Schwarzenberg  gehabt  zu 
haben  scheint.  Diesen  Wechsel  hat  er  uns  jetzt  selbst  erzählt.  Fröbels  i'^^-^^s^  zwei- 
bändiges Memoirenwerk  gehört  jedenfalls  zu  den  interessantesten,  wenn  auch  nicht  zu 
den  vornehmsten  Werken  der  Gattung.  Der  Mann  hat  unglaublich  viel  erlebt  und  weiss 
äusserst  fesselnd  und  pikant  davon  zu  erzählen.  Ihn  kennzeichnet  eine  Unruhe,  die 
ihn  nirgends  festen  Fuss  fassen  lässt;  aber  freilich,  er  zeigt  sich  in  den  verschiedensten 
Sätteln  gerecht.  Vom  autodidaktischen  Topographen  avanciert  er  im  Handumdrehen 
zum  Professor  der  Mineralogie  in  Zürich;  er  verwaltet  eine  revolutionäre  Buchhandlung 
und  kommt  in  die  Oberleitung  der  roten  Demokratie;  nach  amerikanischen  Lehrjahren, 
die  ihn  in  den  seltsamsten  Stellungen,  als  Seifensieder,  Agenten  usw.  herumwerfen, 
wird  er  als  Schmerlingscher  Pressofficiosus  Vorkämpfer  der  Triasidee,  um  schliesslich 
als  glühender  Bewunderer  Bismarcks  und  preussischer  Konsul  in  Algier  die  Laufbahn 
zu  enden.  Unzweifelhaft  entfaltet  er  in  allen  diesen  Lebensphasen  viel  individuelle 
Tüchtigkeit;  aber  es  war  die  natürliche  Folge  des  beständigen  Umlern ens,  dass  er 
nirgend  die  Verhältnisse  ganz  genau  kennen  lernt  und  dass  er  sein  Urteil,  seine 
Leistung,  seine  Wichtigkeit  überschätzt.  Damit  hängt  es  wohl  zusammen,  wenn  er 
überall  Spitzel  und  Jesuiten,  Verschwörungen,  politische  Agentinnen,  Diebstähle,  Ver- 
leumdungen usw.  wittert;  man  hat  ganz  richtig  gemeint,  dass  man  zuweilen  einen 
Sensationsroman  von  Gregor  Samarow  zu  lesen  glaube.  Dass  F.  der  Wandel  der 
politischen  Anschauungen  als  Charakterlosigkeit  ausgelegt,  auf  niedere  Motive  zurück- 
geführt wurde,  ist  ebenso  selbstverständlich  wie  albern.  Aber  die  unruhige  Regsamkeit 
des  F.schen  Geistes  offenbart  sich  freilich  auch  in  jenem  Wechsel.  Hier  lag  nun  für 
den  Selbstbiographen  eine  grosse  Schwierigkeit.  Er  versteht  thatsächlich  die  An- 
schauungen und  Ideale  seiner  Jugend  nicht  mehr.  Gelingt  es  ihm  noch  mit  genauer 
Not,  eine  gewisse  theoretische  Einheitlichkeit  seiner  geistigen  Entwicklung  herzustellen, 
und  ist  er  bemüht,  seine  früheren  Geisteskinder  auch  später  noch  zu  retten,  so  hat  er 
für  die  Persönlichkeiten,  mit  denen  er  in  seiner  demokratischen  Zeit  Schulter  an 
Schulter  gestritten,  jede  Spur  von  Sympathie  und  Verständnis  verloren.  Sichtlich  befriedigt 
konstatiert  er,  dass  gerade  seine  ehrenwertesten  Freunde  seines  poHtischen  Radikalismus 
wegen  mit  ihm  brachen;  er  nimmt  ihnen  das  gar  nicht  übel,  würde  es  ihnen  am  liebsten 
nachmachen.  Da  das  aber  doch  nicht  geht,  so  sitzt  er  um  so  gründlicher  über  seine 
politischen    Parteigenossen    zu    Gericht.     Dass    Narren    und    Lumpe    in    der    Bewegung 


Tagebuch  aus  d.  Revolutionszeit:  BLU.  N.  18.  —  175)  X  Aus  d.  Jahren  1848  u.  1849  in  Oesterreich:  AZgß.  N.  103.  (AuszUge  aus 
N.  173.)  —  l76)XE.VorachtundWerziger:Grenzb.  50,  II,  S.  57-63.  -177)  XX  Valbert,  Le  comte  de  Hubner:  EDM.  106,  August.  — 
178)  X  Hans  Blum,  Robert  Blum  im  Tagebuchs  d.  Grafen  v.  Hübner:  N&S.  58,  S.  34— 56.  (Masslose,  auch  durch  Sohnespietät 
80  kaum  gerechtfertigte  Zurückweisung  d.  Darstellung,  d.  Hübner  v.  Blums  Wirken  u.  Tode  in  Wien  giebt;  manche  von 
IlUbners  Angaben,  so  d.  umstrittene  theatralische  Calabreser,  ist  inzwischen  durch  Fröbel  [vgl.  N.  179,  I,  S.  193]  doch  wohl 
bestätigt.  —  179)  Julius  Fröbel,  E.  Lebenslauf.  Aufzeichn.,  Erinnerungen  u.  Bekenntnisse.  2  Bde.  Stuttgart,  Cotta. 
1890.  1891.  X,  598;  VIII,  704  S.  M.  22,00.  |[A.  B.:  Nation«.  9,  N.  4.]|  (Ausser  d.  im  Text  Erwähnten  sei  hier  noch  auf- 
merksam gemacht  auf  d.  Besuch  d.  Knaben  F.  bei  Frau  v.  Stein  auf  Kochberg  I,  S.  10;  auf  seine  vortrefflichen  Bemerkungen 
über  d.  alleinseligmachenden  „Gang",  d.  absolute  pädagogische  Methode  seines  Onkels  Fr.  Fröbel  I,S.  23-39;  auf  seine  Bekannt- 
schaft mit  Phil.  Wackernagel  I,  S.  41,  Wolfg.  Menzel  I,  S.  46f,  mit  Heinr.  Kurz  I,  S.  54;  auf  seine  Schilderung  d.  stagnierenden 
Kleinstadtlebens  in  Weimar  1828  I,  S.  61ff;  auf  e.  wissenschaftl.  Streit  mit  d.  Geographen  Ritter  I,  S.  66f;  auf  d.  höchst  inter- 
essante Darstellung  d.  radikalen  Züricher  Unterrichtswesens  I,  S.  72  ff;  auf  d.  sonderbare  Auftreten  d.  deutsch-katholischen 
Apostel  Eonge  u.  Doviat  in  Konstanz  I,  S.  147  f;  auf  alleriei  Dresdener  Bekanntschaften,  z.  B.  mit  d.  Schröder-Derrient  I,  S.  155; 
»uf  Julian  Schmidts  Polemik  gegen  F.  I,  S.  178ff';  auf  d.  Berlin.  Gymnosophisten  Edgar  Bauer  I,  S.  183;  auf  d.  Besuch  bei 
Prof.  Knapp  in  San  Antonio  I,  S.  477  f;  auf  e.  Gespräch  mit  Meyerbeor  II,  S.  24;  auf  d.  bemerkenswerte  Begegnung  mit  d. 
Grafen  Tolstoi  II,  S.  74 ff;  auf  d.  Charakteristik  Wuttkes  II,  S.  132 f  usw.  —  180)  X  id.,  EUokkehr  «ines  Entfrt- nidoton :  AZg". 
N.  197.  (Aus  d.  2.  Bde.  v.  N.  179  probeweise  ausgehoben.)  —  181)  X  Erinnerungen  e.  Ofliziöson:  Orenzb.  50,  IV,  S.  511—20. 
—  182)  X  F-  Pecht,  J.  Fröbel,  o.  Leben.slauf:  AZgu.  N.  262.  (E.  wesentlich  politisch  charakterisierendes  Eef.  über  d.  2.  Bd. 
v.  N.  179,  in  d.  aber  auch  F.s  Beziehungen  zu  Wagner  berührt  werden;  P.  urteilt  über  F.  sehr  reserviert:  e.  Mann,  d.  nirgends 
recht  aushielt)  —  183)  X  Aus  Fröbels  Denkwürdigkeiten  (Aera  Schmerling):  NFPr.  9759—60.  (AuszUge  aus  d.  2.  Bd.  v. 
N.    179,   lediglich   im    Hinblick   auf   d.   Politik    Österreichs;    d.    Glaubwürdigkeit   F.s    wird   nicht   allzu    hoch    geschätzt.)    — 


67  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1- 

von  1848  und  1849  eine  erschreckend  grosse  Rolle  gespielt    haben,  A\-ird    schon  richtig 
sein:  aber  ein  solches  Gemisch  von  ßedlam-  und  Zuchthauskandidaten,  wie  F.  es  malt, 
ist    doch    auch  die  äusserste  Linke  gewiss  nicht  gewesen.      Sowieso    mehr    ein  Freund 
der  pikanten  Anekdote,  als  es  »für  geschichtliche  Wahrheit  gut  ist,  hat  F.    offenbar  mit 
Behagen    die    verblassten    Bilder    seiner    Erinnerung  in  möglichst    brandgrellen    Farben 
aufgefrischt.     Das  mag  ja  vielleicht  sein  Gutes  haben  als  Gegengift  gegen  die  sentimentale 
Beleuchtung,  in  die  man  die  Märtyrer  der  Freiheit  bis  vor   kurzem  geni     rückte;    aber 
die  historische  Verlässlichkeit  leidet  unter  jener  Neigung  F.s,  und  nicht  immer  springt 
der  Anachronismus  des  Urteils  so  \in verkennbar  ins  Auge    wie  in  der  kostbaren  Stelle, 
wo  F.  als  Mitglied    des    demokratischen  Zentralausschusses   in  Berlin    sein    Misstrauen 
gegen  einen  angeblich  demokratischen    Assessor    begründet:    „Zum    echten  Demokraten 
war  er  mir  zu  klug!"     So  bedarf  es  einiger  Vorsicht    gegenüber    den    kleinen    Porträt- 
skizzen und  Anekdoten,    die    durch  F.s  Buch  in  üppigster  Fülle    ausgestreut    sind    und 
die    zvrm    grossen  Teil  auch  litterarhistorisch  hervorragenden  Personen    gelten.     Gerade 
bei  ilinen  kommt  nun  ein  anderer  Uebelstand  hinzu.    F.    spricht  es  nachdrücklich   aus: 
„ich  stelle  den  Holden  über  den  Künstler,  die  Politik  über  die  Kunst"  (IE,  S.  499),  und 
zwar  sagt  er  das  mit  Bezug  auf  keinen  Geringeren    als    Richard  Wagner;    er    lässt    die 
Kunst  überhaupt  nur  gelten,  insofern  sie  die  Wirklichkeit  verschönt,  und  glaubt  Schillers 
ästhetische  Erziehung  mit  ein  paar  Gemeinplätzen    abthun    zu    können    (I,  S.  17).     Die 
Folge  dieser  trivialen  Auffassung  der  Kunst  ist  nun,  dass    er    die  Künstler    nicht  recht 
ernst  zu  nehmen  geneigt  ist.     Freilich  dilettiert  auch  -er    dichterisch,    aber    nur  in  den 
Mussestunden:  da  ihn  das  Dichten  zumal  bei  Seekrankheit  befällt,   so  schliesst  er,  dass 
„die  Poesie  ein  pathologischer  Zustand"  sei.     Die  lyrischen  Proben,  die  uns  mitzuteilen 
er  doch    nicht    lassen  kann  (I,  S.  20,  43,  49,  52,  275)    zeigen    ihn    mit   Ausnahme    der 
kindischen     ersten     nicht     ganz     talentlos;     dass     er     zum     Dramatiker     Beruf    hatte, 
wird     man     trotz     dem     Lobe,     das    Kuno     Fischer    F.s    „Republikanern"     (1848)    als 
einer    Etappe     auf    dem    Wege    zum     Drama    der    Zukunft    erteilt    haben    soll,    nach 
seinen     eigenen     Angaben     (I,    S.     158 — 167)     ernstlich     bezweifeln.       Die     politische 
Tendenz    war    ihm    die  Hauptsache,    und    das    versöhnte  Rüge    mit  diesen  artistischen 
Allotria.     Das   abfällige  Urteil  Julian  Schmidts  wird  im  Grunde  bestätigt  durch  die  un- 
behagliche Kühle,    die  F.    selbst    bei    der  Aufführung    der    „Republikaner"    in    Leipzig 
empfand,    seiner  Meinung  nach  natürlich,    weil  die  Schauspieler    den  rechten  Ton  nicht 
trafen.     In  F.s  Absicht  waren  die  „Republikaner"  nvu"  das  erste  Stück  einer  grossartigen 
politischen  Trilogie,  für  die  leider  Europa  nicht  der  rechte  Boden  sei.     Von  den  beiden 
anderen  Entwürfen,  die  F.  mit  sich  herum  trug,  greift  der  eine,  „Christen  und  Heiden", 
ein  wirklich  nicht    übles  Thema    auf,    den  Gegensatz    der  Brahminen-    und    der  Paria- 
Mission  in  portugiesisch  Indien;    der  Stoff   seiner    satirischen  Posse    „Die  Preussen    in 
Afrika",  von  der  er  die  Anfangsscene  mitteilt,    ist    durch    die  Ereignisse    aktueller    ge- 
worden, als  F.  das  seiner  Zeit  ahnen  konnte.      Sein   eigenthches  Gebiet  war  aber  doch 
die  Publizistik.      Ueber  diese  seine  Thätigkeit    in  Büchern,    Broschüren    und  Zeitungen 
berichtet  er  eingehend  und  nicht  ohne  Stolz.      Er  begann  das  Redigieren  in  Zürich  bei 
dem   „Schweizerischen  Republikaner",  den  er  den  Liberalen  aber  zu  socialistisch  färbte, 
und  setzte    es    bei    der    kurzlebigen,    gleichfalls    republikanisch    gesinnten    „Deutschen 
Volkszeitung"  1848  in  Mannheim  fort.     Der  Plan,  1849  ein  Organ  der  „honetten  Demo- 
kratie" zu  gründen,    das  die  Aristokratie    des  Geistes    und  Charakters    geltend    machen 
sollte,  scheiterte  natürlich.     Eine  demokratische  deutsche  Zeitung  in  New- York,   an  der 
F.  mitarbeitet,  kann  sich  nicht  halten,    weil  sie  nicht  kurzsichtig  genug  ist.      Nach  der 
Rückkeln-  wird  F.  dann  der  Leiter  des  offiziösen  Wiener  „Beobachters",    der  zeitweilig 
das  Organ  Schmerlings  und  Rechbergs  ist.     Auf  seine  Wiener  Presskollegen  ist  er  nicht 
besser  zu  sprechen  als  sie  auf  ihn:    Kuranda,    der  es  SchmerHng  nicht  verzeihen  kann, 
dass  er  den  Deutschen  Bund  ohne  die  Liberalen  reformieren  will  (11,  S.  304),  und  vor 
allem  der    einflussreiche  Besitzer  der  ,, Presse",  der  bestechliche    und    pathetisch  unver- 
schämte Zang    (ü,  S.  153,  279,  336)  treten  u.  a.  als  Typen  auf.     Die  Münchener  „Süd- 
deutsche Presse",   die  F.  auf  Richard  Wagners  Anregung  und    mit    Regierungszuschuss 
gründet,  verliert  diese  Unterstützung  bald,   da  sie  sich  dem  Sektenfanatismus  der  Wag- 
nerianer nicht  willenlos  fügen  wül,    und  wird   obendrein  von  den  Ultramontanen    bitter 
verfolgt,  trägt  F.  aber    ein  sehr  anerkennendes  Schreiben  DöUingers  ein.      F.s  Stellung 
zu  Wagner  ist  seltsam  ungleich:    er    schätzt  seine  Bemühungen    um    das  Theater,    dem 
auch  er  im  freien  Volksleben    eine  würdige  Stellung  zudachte;    er    rühmt    bewundernd, 
aber  nicht  ohne  Widersprüche,    mit  wie  sicherer  Unschuld  Wagner  jeden  Versuch  ver- 
eitelt habe,  seinen  Einfiuss  auf  König  Ludwig  von  Bayern  im  Dienste  einer  bestimmten 
Partei  politisch  ausziuiützen ;  für  Wagners  Schöpfungen  dagegen  zeigt  er  gar  kein  Ver- 
ständnis und  teilt  befriedigt  mit,    was  Const.  Rössler    ihm    von    einem    schnöden  Urteil 
Bismai'cks  berichtet    hat    (ü,  S.  486 — 504,  549  f.).      Immerhin    kommt  Richard  Wagner 
unter  den  deutschen  Ktinstlem  und  Schriftstellern  noch  verhältnismässig  gut  fort.     Ueber 

5» 


TV  1:  184-187.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18.'19.  Jahrhunderts.  68 

Georg  Herwegh,  dem  Y.s  „litterarisches  Comptoir  in  Zürich  und  Winterthur"  den  einzigen 
bedeutenden  buchhändlerischen  Erfolg  dankte,  urteilt  er  anfangs  freundlich,  spottet  nur 
über  die  Partei,  die  ihn  als  politischen  Charakter  ansah ;  später  fallen  über  sein  sittliches 
Verhalten  und  seine  geistige  Impotenz  bittere  Worte  (I,  §.  95  f.,  121  f.,  272;  11,  S.  558). 
Aber  in  ganz  anderer  Tonart  wird  Aug.  Ad.  Ludw.  Folien  behandelt,  der  Vf.  der 
„Freien  Stimmen  frischer  Jugend",  der  einst  von  der  Burschenschaft  zum  künftigen 
deutschen  Kaiser  bestimmt,  als  unverbesserlicher  Erzromantiker  sich  darin  gefallen  habe, 
diese  Rolle  in  Wohnung,  Tracht  und  Haltung  wenigstens  anzudeuten:  F.  schildert  ihn 
dazu  als  masslos  eitel  und  urteilslos,  kurz  als  kompletten  Narren:  aber  freilich,  geschäft- 
liche Reibungen  mögen  das  Urteil  verschärft,  die  Details  gefärbt  haben  (I,  S.  75  f., 
101  ff.).  Follens  sehr  exklusivem  Kreise  gehörte  Platens  damals  übertrieben  vornehmer 
Freund  Pfeuffer  an  (I,  S.  76).  An  D.  F.  Strauss,  dessen  Berufung  nach  Zürich  F.  mit 
Recht  tadelt,  ärgert  ihn  der  Gelehrtenhochmut:  dass  aber  Strauss  gegen  eine  Populari- 
sierung des  ,, Leben  Jesu"  zumal  in  dem  radikalen  Verlage  F.s  protestiert  hat,  wird  ihm 
in  den  Augen  jedes  Verständigen  nur  Ehre  machen  (I,  S.  120  f.).  Von  Hoffmanns  von 
Fallersleben  geräuschvollem  Dichten  und  derbem  Wesen  spricht  F.  mit  Behagen  (I, 
S.  122).  Dagegen  ist  ihm  der  bekannte  Prophet  Friedr.  Rohmer  weiter  nichts  als  ein 
gefährlicher  reaktionärer  Industrieritter,  den  er  vergeblich  zu  entlarven  sucht(I,  S.  114 — 20); 
um  so  harmloser  war  ein  andrer  Apokalyptiker,  Johannes  Müller,  um  dessen  „halb  geist- 
reiche, halb  w^ahnsinnige"  novellistische  Versuche  sich  Rüge  bemühte  (I,  S.  123/7). 
Von  Kinkel  und  seiner  Frau  erzählt  F.  ein  paar  boshafte  Anekdoten  (II,  S.  77  f.). 
Freiligrath  erscheint  neben  Christus  und  Plato  unter  den  drei  Wohlthätern  der  Menscli- 
heit,  die  eine  verrückte  socialistische  Versammlung  in  New- York  feiert  (I,  S.  281). 
"Hebbels  „eckig  markierte  Charaktere",  seine  forcierten  Konflikte  sind  F.  ein  Greuel, 
ihr  Erfolg  ist  ihm  Beweis  für  die  aus  ästhetischer  Ueberreizung  hervorgegangene  Ab- 
spannung des  Publikums,  die  nur  durch  raffinierte  Reizmittel  zu  überwinden  sei; 
Hebbels  „Diamanten"  knüpft  er,  nicht  sehr  überzeugend,  an  ein  Erlebnis  des  Dresdener 
Improvisators  Uffo  Hörn  an  (I,  S.  156,  160).  Im  Hause  des  bekannten  Stuttgarter 
Liberalen,  des  Prokurators  Schott,  findet  F.  zu  seiner  Ueberraschung  eine  gute  Dosis 
Romantik:  dem  Litterarhistoriker  eine  lelirreiche  Parallele  zu  der  sonderbaren  Mischung 
in  Uhlands  Seele  (I,  S.  47 f.).  Von  Heine  hört  er  in  München  einmal  einen  leicht- 
fertigen Scherz  (I,  S.  55),  von  Görres,  wie  er  im  Kolleg  seine  phantastische  Welt- 
schöpfungsgeschichte „im  Tone  eines  messelesenden  Priesters"  vortrug  (I,  S.  51).  In 
Bettinas  Salon  wirkt  F.  dabei  mit,  wie  eine  demokratische  Proklamation  an  die 
Franzosen  dort  dem  französischen  Gesandten  überreicht  wird  (I,  S.  181).  Dass  Bettina 
sich  diese  Taktlosigkeit  gefallen  liess,  ist  schon  wundersam;  peinlich  berühren  radikale 
Aeusserungen  Alex.  v.  Humboldts,  die  F.  berichtet  und  die,  wenn  getreu  aufbewahrt, 
beweisen  würden,  dass  der  grosse  Gelehrte  auch  in  dem  widerlichen  Kokettieren  mit 
der  politischen  Moderichtung  Varnhagen  bedenklich  geglichen  hätte  (I,  S.  132  ff.,  144): 
F.,  der  Humboldt  viel  zu  danken  hat,  was  ihn  nicht  abhält,  einen  kräftigen  Scherz 
Bismarcks  befriedigt  zu  erzählen  (II,  S.  15),  empfindet  selbst,  dass  sich  sein  Gönner  da 
eine  Blosse  giebt:  „wie  tief  muss  Humboldt  das  Unwürdige  seiner  Stellung  als  Höfling 
gefühlt  haben,  wenn  er  sich  durch  solche  Aeusserungen  dafür  gerächt  hat!"  Gervinus, 
von  dessen  wissenschaftlichem  Verkehr  init  Häusser  er  eine  lustige  Geschichte  erzählt 
(II,  S.  54),  ist  ihm  1848  verhasst  durch  den  Schulmeisterhochmut,  durch  den  er,  Dahl- 
mann  u.  a.  den  Professorentitel  „zu  einer  so  zweideutigen  Ehre"  gemacht  haben;  das 
hindert  ihn  nicht  an  einem  späteren  Besuch  (I,  S.  286,  II,  S.  478  f.).  Victor  Hehn 
scheint  er  für  einen  Panslavisten  gehalten  zu  haben  (II,  S.  57).  Fanny  Lewald  liest  ihm 
aus  Briefen  Pückler-Muskaus  Urteile  über  Napoleon  III.  und  seine  Gemahlin  vor  (II, 
S.  69).  Ein  Gespräch  mit  Gustav  Freytag,  März  1870,  verdriesst  ihn,  weil  dieser  ihm  zu 
unverständig  über  Bismarck  urteilt  (II,  S.  550).  Noch  als  Konsul  in  Smyrna  kommt 
F.  mit  einem  jungen  Dichter,  mit  Eduard  Grisebach  (II,  S.  650),  in  kollegiale  Ver- 
bindung. Es  ist  unmöglich,  in  einem  kurzen  Referat  einen  Begriff  davon  zu  geben, 
welche  Unzahl  von  litterarischen  und  andern  geistigen  Celebritäten,  von  interessanten 
und  bekannten  Menschen  diesen  bunten  Lebenslauf  gekreuzt  haben:  F.s  schrift- 
stellerischem Geschick  macht  es  alle  Ehre,  dass  er  trotzdem  nie  in  ein  trockenes  und 
langweiliges  Aufzählen  verfällt.  —  An  jene  klassische  Aeusserung  Fröbels  „Zum  echten 
Demokraten  war  er  mir  zu  klug"  musste  ich  denken,  als  ich  Lassalles  von  P.  Lindau  i^*-'') 


184)  Ferdinand  LassalleB  Tagebuch.  Her.  u.  mit  e.  Einleit.  verfl.  v.  Paul  Lindau:  N&S.  67,  S.  16-79,  184-211,  329-69. 
[(Jesellseh.  S.  863  f.) |  -  I85j  X  A.  Barine,  Le  „Journal"  de  Feidinand  Lassalle:  KPL.  48.  S.  ö.")/«».  (Erklärt  d.  unpUnstipe  u. 
lächerliche  Wirkung  d.  Tatj^l'uuhs  fUr  d.  natürliche  Ergebnis  d.  uiigestutztcii,  naiven  Autzi-ichiiung,  d.  l'Urd.  Psychologie  d.  Kindheit 
daher  V.  hohem  Wert  sei:  d.  wilde  Hass.  d.  da  lodert,  sei  fllr  d.  trihnn  jinpulaire  d.  grösste  Vorzug.)  —  l86)L[udwig]  G[eiger], 
F<'rdinand  Lassalles  TagelmcU  |1840):  ZÖJudeu  6,  S.  284;9.  (Berücksichtigt  d.  kulturhist.  Wort  d.  'I  agHhuchs  u.  boschilfligt 
sich  niinientlicli  mit  L.-i  Änsserunsen  über  Q.»  Vater,  d.  damaligen  Brosl.iuer  Kai'biiior  Abraham  G.)  —  187;  X  ^-  K[ar- 
lioles],    Ferdinand    Lassalles    Tagebuch:    AZgJudeutum  65,  S.  174/7,  355/7.     ^Beuiteilung  v.  streng  jüdischem  Standpunkt.)  — 


fiO  G.  Roethe,  Allgemeines  rle«  18./10.  Jahrhunderts.  IV  1:   ish-i». 

lioi!uis{i;o{X(;l)(>nes  inid  ('iii^oleitetos  Jugoiifltagehnfh  diirrhlas.  Das  Prohloiu,  wie  der  im 
({ruiult!  li(')chHt  aristokratische  und  individuelle,  hophgcbildote  und  bedeutende  Mensch, 
der  dabei  durchaus  kein  Schwärmer  war,  auf  seine  politischen  Bahnen  geraten  konnte, 
wird  durcii  die  Konfessionen  des  Breslauer  Gymnasiasten  und  Leipziger  Handelsschüler« 
der  Lösung  näher  gebracht.  Das  Tagebuch  bezieht  sich  auf  die  Jahre  1H40  und  1841 
und  gefällt  sich  in  einer  cynisch  brutalen  Aufrichtigkeit,  die  gar  nicht  weiter  getrieben 
worden  kann.  In  einem  sehr  unenjuicklichen  Familienleben  bilden  sich  bei  dem  Knaben 
masslosü  Eitelkeit,  dabei  Faulheit,  Genusssucht,  Unredlichkeit,  Schachergeist,  die  wider- 
wärtigsten Eigenschaften  aus,  die  sich  mit  roher  Selbstverständlichkeit  breit  machen 
und  kaum  durch  einen  schnell  verflackernden  Zug  von  Zärtlichkeit  gegen  den  Vater 
g(Miiild.ert  werden;  charakteristisch  ist  schon  dieses  Gymnasiasten  LektUre:  „Geisterseher", 
Wieland,  Paul  de  Kock,  Webers  „Demokrit".  Eine  Art  Schwung  gibt  ihm  höchstens  der 
kochende  Hass  des  Juden,  der  seine  unterdrückte  Nation  rächen  möchte.  In  Leipzig 
ändert  sich  die  Lektüre:  er  liest  Byron  und  Pücklers  „Briefe  eines  Verstorbenen" ;  Heine 
\nid  Börne  begeistern  ihn  besonders;  Börnes  ästhetische  Urteile  gewinnen  grosse  Macht 
über  ihn,  ohne  dass  er  doch  von  dem  „ewig  lächelnden"  Goethe  so  respektlos  zu  reden 
vermöchte  wie  jener;  und,  sonderbar  genug,  enthusiasmiert  wird  er  von  Laube,  der  Börne 
an  Kinistsinn,  Heine  an  klarem  Wollen  übertreffe.  Persönlich  tritt  er  dem  Dichter 
Carl  Maien  (Wolfsohn)  näher,  der  ein  Lyriker  k  la  Heine  und  ein  litterarischer  Vor- 
kämpfer des  Judentums  war.  Schon  die  ästhetischen  Urteile  und  Liebhabereien  des 
frühreifen  Burschen  haben  Wert  nur  zu  seiner  eigenen  Charakteristik.  Das  gilt  noch 
viel  mehr  von  den  in  Leipzig  deutlicher  werdenden  freiheitlichen  Plänen.  Auch  auf  der 
Handelsschule  glaubt  er  unter  seinem  Judentum  zu  leiden:  wieder  tobt  er  vor  Hass, 
der  ihn  so  beredt  macht  wie  kein  anderes  Gefühl;  dem  vereint  sich  brennender  Ehr- 
geiz: so  nimmt  er  sich  vor,  einst  als  Schriftsteller  mit  glühenden  Worten  alle  Völker 
zum  Kampf  für  volle  Freiheit  und  Gleichheit  aufzurufen.  Aber  er  fühlt  dabei  sehr 
deutlich,  dass  er  nicht  a\is  Menschenliebe  handeln  wird;  spiegelt  er  doch  schon  auf 
der  Schule  armen,  dummen,  gedrückten  Gefährten  Freundschaft  vor,  um  sie  zu  benutzen. 
Er  spürt  in  sich  ebenso  das  Talent  zur  Hofschranze  wie  zum  Republikaner  und 
schwankt,  welche  Gabe  er  pflegen  soll.  Fiesko,  in  dessen  Rolle  er  den  Leipziger 
Schauspieler  Löwe  bewundert,  hat  seinen  vollen  Beifall:  „wäre  ich  als  Prinz  oder 
Fürst  geboren,  ich  würde  mit  Leib  und  Leben  Aristokrat  sein".  Möglich,  dass  LassaUe 
in  krankhaftem  Streben  nach  Ehrlichkeit  selbst  die  Schatten  seines  Charakterbildes 
libertrieben  vertieft  hat:  wenn  aber  das  Kind  des  Mannes  Vater  ist,  so  wirft  dies  ver- 
drossene Tagebuch  ohne  Ideen  und  Ideale,  ohne  Liebe  und  Pflichtgeftihl,  nur  voll 
Ehr-  und  Rachsucht,  ein  bedenkliches  Licht  auf  den  gereiften  Mann,  der  es  freilich 
verstand,  auch  in  der  geistigen  Erscheinung  so  auf  das  Aeussere  zu  halten,  wie  schon 
der  Jüngling  sich  das  zur  Pflicht  macht:  denn  verachten  soll  der  Mensch  die  Vorurteile 
der  Welt,  „aber  ihnen  offen  Trotz  bieten  —  nein,  bei  Gott  nicht!  dann  ist  er  ein 
Thor!"  — 

Der  Diplomat,  der  Politiker,  der  in  das  Gewirr  mancher  geheimer  Fäden  hin- 
einschauen durfte,  die  dem  Laienauge  verborgen  geblieben  sind,  er  wird,  wenn  er 
Memoiren  schreibt,  naturgemäss  mehr  von  den  Dingen  ausser  ihm  berichten  als  von 
seiner  eigenen  Entwicklung.  Bei  den  Memoiren  und  Selbstbiographien  von  Dichtern 
und  Schriftstellern  ^^)  liegt  die  Sache  anders.  Da  muss  es  als  Regel  gelten,  dass 
die  Innern  Erlebnisse  mehr  Interesse  bieten  als  die  äusseren,  die  eben  in  erster  Linie  als 
Schlüssel  zu  dem  geistigen  Leben  des  Autors  interessieren.  Man  kann,  wie  das  ähnlich 
Max  Koch  in  einem  noch  zu  erwähnenden  Aufsatz  (s.  N.  200)  gethan  hat,  geradezu 
drei  Kategorien  von  Selbstbiographien  unterscheiden,  je  nachdem  ihr  Vf  mehr  nach 
aussen  oder  nach  innen  schaut,  oder  aber  beide  Arten  der  Beobachtung  und  Erfahrung 
sich  das  Gleichgewicht  halten,  wie  etwa  in  „Dichtung  und  Wahrheit".  Es  ist  natürlich, 
dass  ein  beliebter  Zeitungskorrespondent,  der  erst  in  zweiter  Linie  Romancier  ist,  dass 
Wachen husen  i^^)  in  seinen  Erinnerungen  aus  dreissig  Kriegs-  und  Friedensjahren 
sich  selbst  ganz  hinter  dem  Erlebten  und  Geschauten  zurücktreten  lässt.  Von  Berufs 
wegen  ist  er  überall  dabei  gewesen:  auf  den  Kriegsschauplätzen  im  Osten  und  im 
Westen,  bei  den  Hoffesten  und  in  den  Weltausstellungen.  Er  weiss  alles  pikant  zu 
berichten;  ihm  löst  sich  die  Weltgeschichte  in  Anekdoten  auf.  Schnelle,  bunte  Ein- 
drücke sind  ihm  überall  die  liebsten;  er  schildert  lieber  lebendig  und  wechselreich,  als 
gründlich,  und  der  Abenteurer,  der  von  sich  reden  macht,  ist  ihm  ^^-ichtiger  als  der 
mächtige  Minister,    von    dem  man  nach  aussen  hin  nicht    eben  viel  merkt;.      ^^^  kenn- 


188)  X  L.  Qeiger,  Selbstbiographien  dtsch  Schrinsteller:  NationB.  S.  585/7.  (Charakterisiert  rOhmend  d.  Bttcher  v.  KI.  Groth 
N.  203,  V.  Arneth  N.  170  u.  v.  Lübk«  N.  209.)  —  189)  H.  Wachenhnsen,  Aus  bewegtem  Leben.  Erinnerungen  ans  30  Kriegs- 
u.  Friedensj.  2  Bde.  Str.issbnrg,  Strassb.  Druckerei  u.  Verlagsanst.  317,367  8.  M.  7,00.  |[Wilh.  Malier:  BLU.  N.  27 ; 
WIDM.  70,  S.  286.]|  (Ausser  d.  im  Text  Erwähnten  Bemerkungen  Über  d.  Feuilletonisten  Ernst  Kossak  I,  S.  102;  Aber  Glass- 
brenner I,  S.  107;    Über  Lassalles  Besiehungeu    sur  Bakowitta  I,  S.  246;    Über    d.    «Bermione*    d.    Charl.  Wolter  im  Berliner 


IV  1:  190.  Gr.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  70 

zeichnet  auch  W.s  litterarische  Skizzen,  die  hinter  den  politischen  sehr  zurücktreten. 
Nicht  die  grossen  Männer  unserer  Litteratur  hat  er  aufgesucht:  es  ist  mehr  die  amüsante 
Boheme  der  Reporter,  Impresarii,  Schauspieler,  Feuilletonisten,  mit  der  er  in  Berlin 
nnd  Wien,  in  Paris  und  Zürich  verkehrt  und  von  der  er  erzählt.  So  melancholiscli  er 
die  Hetzjagd  des  modernen  Lebens  beklagt,  so  rapide  ist  die  Hetzjagd,  die  er  selbst 
uns  zumutet:  schattenhaft  huschen  die  Gestalten  vorbei,  und  keine  festigt  sich  zum 
Bilde.  Schon  als  Knabe  hat  W.  den  bekannten  Enthusiasten  Grafen  Hahn  kennen  ge- 
lernt, der,  ein  Verehrer  der  Schicksalsdichter,  sein  schlimmstes  Fatum  in  der  eigenen 
Theaterleidenschaft  mit  sich  trug  (1,  S.  19);  schon  als  Knabe  hat  W.  in  Stavenhagen 
dem  Bankett  beigewohnt,  das  den  befreiten  Fritz  Reuter  feierte  (1,  S.  21).  Dann 
führt  er  uns  durch  die  Theater  und  Konditoreien  des  Berlins  der  sechsziger  Jahre 
(1,  S.  94),  beobachtet,  wie  Theod.  Mundt  für  die  historischen  Romane  seiner  Frau  das  ge- 
lehrte Material  zusammenschleppt  (1,  S.  99),  wie  Brachvogel  bei  seinem  einzigen  grossen 
Bühnenerfolg,  dem  „Narziss",  durch  Dessoir  nicht  nur  schauspielerisch  unterstützt 
wird  (1,  S.  101),  spendet  der  Persönlichkeit  der  Frau  Birch  die  übliche  Anerkennung 
(1,  S.  100),  schildert  das  Kleeblatt  des  Kladderadatsch,  namentlich  den  pekuniär  stets  ver- 
legenen Dohm  und  den  selbst  mit  seinen  Witzen  haushälterischen  Kaiisch  (1,  S.  103), 
skizziert  den  unfreiwillig  komischen  Charakterkopf  des  renommistischen  Demokraten 
und  Journalisten  Jul.  Rasch  (1,  S.  246)  und  lässt  uns  bei  Lutter  und  Wegner  Dörings 
Kneipscherzen  lauschen  (1,S.248  if.);  auch  mit  Gutzkow,  Mügge,  Kletke,  dem  Ehepaar  Stahr 
hat  er  flüchtige  Berührungen  (l,S.254f,),  allerlei  Theaterklatsches  über  Franz  Wallner,  Engel 
(1,  S.  252  ff.),  Cerf  (1,  S.  258),  Emil  und  Fritz  Devrient  (2,  S.  70  f )  usw.  nicht  zu  gedenken. 
Eiliger  streift  er  Wien:  er  hat  sich  da  der  Gunst  des  berühmten  Gründers  der 
„Presse",  Zangs,  zu  erfreuen  (1,  S.  93)  und  sitzt  später  an  der  angeregten  Tafelrunde  im 
,, Goldenen  Lamm"  und  in  der  „Grünen  Insel",  wo  er  Laube,  Nestroy,  Flotow  u.  a.  be- 
gegnet (1,  S.  262).  In  Paris  warnt  Mor.  Hartmann  ihn  vor  einem  Mouchard,  der  Heines 
volles  Vertrauen  geniesst  (1,  S.120);  der  schon  ganz  verfallende  Saphir  wird  durch  Heines 
Tod  noch  zu  einem  leidlichen  Bonmot  angeregt  (1,  S.  127);  während  der  Weltausstellung 
trifft  W.  mit  König  Ludwig  I.  zusammen  und  erregt  dadurch  die  Neugier  des  Lust- 
spieldichters Mich.Klapp  (1,  S.  177).  In  Zürich  findet  er  eine  stattliche  Zahl  verbannter 
Notabilitäten,  wie  R.  Wagner,  Herwegh,  Temme  (1,  S.  167),  und  mit  Hackländer  stösst  er 
nach  der  Schlacht  bei  Magenta,  totgeglaubt,  im  Hauptquartier  zu  Verona  zusammcm 
(1,  S.  237).  Dass  W.  selbst  zu  den  Dichtern  gehört,  daran  werden  wir  erinnert,  wenn  er 
uns  aus  der  Vor-  und  Nachgeschichteseiner  Romane  „Rom  und  Sahara"  (1,  S.  208  f.), 
„Die  bleiche  Gräfin"  (1,  S.  256),  „Rouge  et  noir"  (2,  S.  81)  ein  paar  Details  erzählt:  über 
äusserliche  anekdotenhafte  Züge  kommt  er  auch  dabei  nicht  heraus.  Eine  Reihe  zu- 
sammenhangsloser Feuilletons,  denen  die  wenig  ausgeprägte  Physiognomie  des  Vf. 
keinerlei  Einheit  zu  geben  vermag,  bleiben  diese  Plaudereien  so  konsequent  auf  der 
äussersten  Oberfläche,  dass  auch  das  Unbekannte,  das  sie  über  litterarische  Persönlich- 
keiten erzählen,  kaum  je  charakteristisch  ist.  —  In  einzelne  Bilder  zerlegt  von  vorn- 
herein ihre  Erinnerungen  Thekla  von  Gumpert^^O),  die  bekannte  Begründerin  des 
„Töchteralbums".  Physiognomielos  sind  ihre  Skizzen  nicht.  Aber  sie  tragen  freilich  die 
Physiognomie  der  vortrefilichen  alten  Dame,  der  jede  Begegnung  mit  einem  bekannten 
Mann,  jede  gleichgiltige  Aeusserung  irgend  einer  litterarischen  Grösse  als  überaus 
wichtig  erscheint,  die  jedes  banale  Kompliment  fürchterlich  ernst  nimmt  und  die  uns 
die  uninteressantesten  Belegstücke  für  ihre  Berührungen  mit  bedeutenden  Personen 
nicht  erspart.  Sie  hat  es  während  ihrer  fleissigen  Mädchenschriftstellerei  verlernt,  für 
Erwachsene  etwa  gar  männlichen  Geschlechts  zu  denken  und  zu  schreiben.  Aber 
rührend  wirkt  und  Hochachtung  erweckt  der  heilige  Eifer,  mit  dem  sie  sich  zu  ihrer 
pädagogischen  Mission  bekennt;  dass  die  liebenswürdige,  von  sittlichem  Ernst  erfüllte, 
dabei  in  ihrer  schlichten  Anspruchslosigkeit  nie  beunruhigte  Frau  mehr  Pietät  und 
wohlwollende  Güte  besitzt,  als  das  für  Beobachtung  und  Urteil  gut  ist,  das  bedeutet 
menschlich  nur  einen  Vorzug.  Als  junges  Mädchen  hat  sie,  die  Tochter  eines  Posener 
Medizinalrats,  dem  Hause  Radziwill  sehr  nahe  gestanden,  sie  war  Zeugin  des  gefassten 
Liebesschmerzes  der  künstlerisch  begabten  Prinzess  Elisa  (s.  o.  N.  97).  Für  die 
Kenntnis  des  Publikums  ist  es  nicht  ganz  ohne  Interesse  zu  sehen,  wie  sich  die  jungen 
Damen  Posens  damals  in  Hexametern  und  gar  Ghaselen  lyrisch,  bethätigen.  Der  Rat  des 
Archäologen  Aug.  Schönborn  und  die  Bekanntschaft  mit  Schuberts  Freunde  Franz 
V.  Schober,  der  Thekla  v.  G.  als  Dichter  gilt,  bestärkt  sie  in  dem  Entschluss  zur 
schriftsteUerischen  Thätigkeit.  Was  sie  von  Proben  der  Schoberschen  Dichtungen  mit- 
teilt, ein  Prolog  zu  Schuberts  Gedächtnisfeier,    der    über    billige    Lobeserhebungen    bei 

Victoriatheater  I,  S.  260;  über  B.  Wagners  Einfluss  auf  Ludwig  IL:  II,  S.  88  if.  u.  a.)  —  190)  Thekla  v.  Schober,  geb. 
V.  Gnmpert,  Unter  fUnf  Königen  u.  drei  Kaisern.  Unpolit.  Erinnerungen  e.  alten  Frau.  Glogau,  Flemraing.  342  S.  gebdn. 
M.  6,00.  |[F.  Bienemann:  BLU.  N.  42;  Gegenw.  40,  S.  191;  Gesellsch.  S.  1286f.;  DRs.  1891/i  I,  S.  394  f. ;  DR.  IV, 
S.  264.]|     (Bekanntschaft  mit  Gust.  Nieritz  S.  191;    mit    Prof.  Geo.  Weber    S.  279  if.;    mit   Karl  Qerok    S.    294 ff.;     usw.)  — 


71  G.  Roethe,  AllgemeineB  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  i«i  i»2. 

Schobers  VerstäiHlnislosij^keit  —  /gefiel  ilitn  doch  in  der  „WinterroiHO"'  nur  der  „Linden- 
hjiuin"  ■ —  nicht    wohl    sich    erheben    konnte,    und    ein  i)aar  tCiftlige  Sonette,    die  er  im 
poetischen  Wettkampfe    mit    seiner    künftigen  Gattin    versuchte,    bestätigt    nur,  dass  ea 
unklug    von    Schubert    war,    Schober    gelegentlich    zum  Textdichter  zu  wählen.     Schon 
'JMuikla  V.  G.8    erste    Erzählungen    gewinnen    ihr    die  wertvolle  Anerkennung  Christoph 
V.  Schraids;    ihre    Leitung    des    Töchteralbums  veranlasst  sie  öfter,   angesehene  Männer 
um  Beiträge,  wenn  auch  nur  um  kurze  Denksprüche,  zu  bitten:   so  sind  ausser  Schmid 
A.  v.  Humboldt,  Heinr.  v.  Schubert  und  Karl  Gerok  vertreten,  dessen  „Kaiserklage''  sie 
naiv     genug     für     ihre     Zwecke    interpoliert.       In    Dresden    trägt    ihr    eine    poetische 
Bitte  an  Gutzkow  ein  überraschend  freundliches  Epigramm  des  Dichters  ein,  der  sonst 
bekanntlich  nicht  zu  den  Liebenswürdigsten  der  Sterblichen  zählte,   und   von  Auerbach, 
dem  grossen  Titelfinder,  lässt  sie  sich  ftir  ein  Buch,  das  er  gamicht  kennt,  einen  Titel 
vorschlagen,    den    sie    wirklich    benutzt.     Solche    Naivetäten    sind    in  dem  Buche  nicht 
selten;  aber  sie  verstärken  den  Eindruck    des    harmlos    Altmodischen,    der    ihm    seinen 
besten  Reiz  verleiht.   —  In  anderem,  im  besten  Sinne  altmodisch  giebt  sich  Riehls  **') 
Buch  der  Erinnerung  oder  vielmehr  die  Bruchstücke  daraus,  die  er  als  „Kultiu-geschicht- 
liche    Charakterköpfe"    gesammelt,    unlustig,    die    Flut    der    Memoiren    um    eine    neue 
Nummer  zu  vermehren,  unlustig  dazu    zumal  im  Hinblick    auf  die    Gesellschaft,    in  die 
er  dadurch  gekommen  wäre.     Ich   bekenne,    dass    ich    so    ziemlich    den    ganzen    selbst- 
biographischen Ertrag  des  Jahres  dafür  hingegeben  hätte,  wenn  R.  seinen  ursprünglichen 
Plan  ausgeführt  hätte.     Denn  hier  spricht  in  packendster  Form    ein    ganzer    Mann,    ein 
menschlich  imd  künstlerisch  reifer,  urgesunder  Geist,  der  sich  nicht  scheut  dank  dieser 
Gesundheit  zu  bekennen,    dass    er    ein    Unmoderner    sei.     Sein    Widerwille    gegen    den 
Zeitgeist  führt  ihn  wohl  auch    zu    Extremen:    seine    bekannte    Abneigung    gegen    Rieh. 
Wagner,    die  er  auch  in  diesem  Buche  eingehend  und  geistvoll  begründet,    beruht  zum 
Teil  auf  dem  Misstrauen,  das  ihm  des  grossen  Künstlers  Erfolg  bei  der  Masse  einflösst. 
Dieser    Gesichtspunkt,    mir    sympathiscli    genug,    ist    hier    doch    nicht    zutreffend,    weil 
Wagner  seinen  Erfolg  wahrhaftig  spät  genug  geerntet  hat:  auch  er  ist  lange  Kaviar  fürs  Volk 
gewesen;  und  auf  Bismarck,  den  R.  freilich  nicht  mit  Wagner  zusammen   nennen    mag, 
wird   er   jenen  Grundsatz    selbst    nicht    anwenden.     Aber  nur    ganz    selten   wandelt  R. 
Wege,  auf  die  ich  ihm  nicht  gern    folgte:    der    kernige   Sohn    des    kleinen    rheinischen 
Nestes,  aufgewachsen  in  Wald  und  Feld,  nicht  in  der  verkümmernden,  erstickenden  und 
nivellierenden  Atmosphäre  der  Grossstadt,  ficht   mit    kraftvollem    Stolze    für  den  ideali- 
stischen Humanismus,  für  das  starke  Individuum,    für    das    erft-ischende    Leben    in   der 
Natur,    wie    es  der    Grossstädter    kaum  ahnt:  es  ist  höchst  bezeichnend,  wie  der  Jour- 
nalist Bettelheim  1^2^,   ein  geborener  Wiener,  der  sonst  R.s  erquickender  Persönlich- 
keit gerecht  zu  werden  sucht,  verblüfft  ist  durch  R.s  sicher  sehr  ernst  gemeinten  Stoss- 
seufzer:    „Der  Mensch  gewöhnt  sich  an  alles,    sogar  an  eine  grosse  Stadt."     Auf  einige 
der  R.schen  Skizzen  komme  ich  später  zurück.     Hier  sei  zunächst  gerühmt    ,,Die  Idylle 
eines  Gymnasiums",  die  von  der  vortrefflichen  Weilburger  Schule  handelt  und  von  jenen 
glücklichen  Zeiten,  da  das  Gymnasium  noch    „keine  Frage"  war,    da    es    sich  noch    in- 
dividuell unter  individuellen   Lehrern    ausleben    konnte,    unbelästigt    durch    pedantische 
und    engherzige    staatliche    Schulreglements,    da    der    Gymnasiallehrer    noch    mit    dem 
ganzen  Stolz  des  Philologen  nichts  Anderes  sein  wollte  als  Gymnasiallelu-er.     Anschaulich 
hebt  sich  die  Gestalt  des  Direktors   Friedemann    heraus,    dem    das    Latein    noch    keine 
tote  Sprache  war:  mit  rückhaltloser  Wärme  bekennt  sich  R.  zu  jener  humanistischen  Er- 
ziehung, gegen  die  der  moderne  Geist  jetzt  so  lärmend  zu  Felde  zieht;  es  sind  goldene 
Worte,  die  er  gegen  das  subalterne  Banausentum  richtet,  das  am  liebsten  alles  von  der 
Schule  verbannen  möchte,    was  im  Leben  nicht  von  unmittelbarem  praktischem  Nutzen 
ist.     Ein  anderes  Bild  stellt  eine  lustige  Rheinfahrt  dar,  die  R.  mit  Viktor  von  Scheffel 
unternahm  und  die  zugleich  Vorstudien  ermöglichte    zu  Scheffels  Rodensteiner  Liedeni, 
zum  ,, Enderle  von  Ketsch",  zu  R.s  „Burg  Neideck."     In  Münchener  Kreise  führen    die 
Porträtskizzen    von   Mor.  v.  Schwind,    der    als    Maler    anfangs  zu  der  Opposition  gegen 
den  neu  berufenen  Dichter  Geibel  gehörte,    und    von    Frl.    Emilie  Linder,    deren    Tafel 
einen  Sammelplatz  für  die  geistigen  Spitzen  der  katholischen  Gelehrten-   und  Künstler- 
kreise Münchens  bildete  und  die  R.  schöne  Worte  über  die  Frau   als   Lebenskünstlerin 
entlockt.     Die  anmutige    Schilderung    des    volkstümHchen    Romantikers    Ludw.    Richter 
bringt  einen  treffenden  Vergleich  des  liebenswürdigen  Malers  mit  Matth.  Claudius,   und 
selbst  in  dem  gegen  Richard  Wagner  gerichteten  Aufsatz  fallen  auch  für  uns  feine  Be- 
merkungen ab  über  die  Stellung,  welche  die  Aesthetiker  des  19.  und  18.  Jh.  ziu-  Musik 
eingenommen  haben :  erst  seit  den  Romantikem  gilt  sie  als  den  übrigen  Künsten  gleich- 


191)  (I  5  :  418.)  KQegenw.  40.  8.  350,1. ]|  -  192)  X  A.  Bettelhoi  m,  E.  Buch  d.  Erinnerung  t.  W.  H.  Biehl:  NationB.  9, 
S.  137/8.  (B.  ereifert  sich  unmotiriert  fUr  Auerbachs  Dorfgesch.  u.  weist  auf  FrObels  EnShtung  hin,  nach  d.  Graf  Tolatoi 
Auerbachs  n.  Hebels  Werke  in  d.  dttcb.  Bauemhtascm  verwundert  vermisst  habe:  er  vergisst  aber  die  sehr  richtige  Kritik  la 


IV  1:  193-197.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18,/19.  Jahrhunderts.  72 

berechtigt,  ja  überflügelt  sie  wolil  gar  in  der  Gunst  der  litterarischen  Wortführer.  — 
Genau  wie  Riehl  hat  auch  ein  anderer  vornehmer  Münchener  Schriftsteller,  Graf 
Schack  ^^^),  es  vorgezogen,  statt  zusammenhängender  Memoiren  eine  „Mosaik"  von  ein- 
zelnen Charakterköpfen  und  interessanten  Künstlerporträts  zusammenzustellen,  die  er  auf 
seinem  Lebenswege  in  die  Studienmappe  aufgenommen  hat.  Die  Essays  sind  ungemein 
durchsichtig  und  flüssig  geschrieben;  es  lässt  sich  allerdings  nicht  verkennen,  dass  Auf- 
fassung und  Urteil  zuweilen  etwas  obenhin  geht:  Riehl  entwirft,  auch  wo  er  nur 
flüchtig  skizziert,  doch  in  schärferen  und  markanteren  Strichen.  Unter  dem  Titel  „Die 
Enthusiasten"  ^9'*)  schildert  S.  kurz  einen  Jugendfreund,  den  Darmstädter  Adolf  Dürr, 
ein  in  engen  Verhältnissen  verkümmertes  lyrisches  Talentchen  ohne  Selbstkritik  und 
Selbständigkeit,  die  durch  die  übermächtigen  Einflüsse  italienischer,  griechischer  und 
morgenländischer  Poesie  vollständig  erdrückt  wurde;  daran  schliesst  er  eine  eingehendere 
Studie  über  Otto  Ludwig,  den  er  1856  dringend  zur  Beteiligung  an  einer  Trauer- 
spielkonkurrenz gemahnt  hat,  schon  um  ihn  zum  Abschliessen  zu  bewegen.  Nach  S. 
hätte  sich  in  Ludwig  ein  genialer  Geist  durch  kritisches  Grübeln,  durch  krankliaftes 
Streben  nach  fehlerloser  Vollendung  systematisch  selbst  zu  Grunde  gerichtet:  aucli  dass 
S.  ihn  hinwies  auf  seines  masslos  bewunderten  Heros  Shakespeare  mancherlei  Fehler, 
konnte  ihn  von  diesem  zähen,  unermüdlichen,  aber  unfruchtbaren  Ringen  mit  den 
Stoffen,  denen  er  immer  neue  Gestalten  gab,  nicht  abbringen.  Seine  Arbeitsweise  er- 
klärt es,  dass  er  gern  viel  behandelte  Themata  wählte;  in  seinen  Händen  ward  doch 
etwas  Neues  daraus,  und  die  Vorgänger  ersparen  ihm  Fehlwege.  Li  S.s  Urteilen  liegt 
unzweifelhaft  Wahres;  aber  er  unterschätzt  doch  den  hohen  Wert,  der  Ludwigs  ästhe- 
tischen Arbeiten,  wie  der  Nachlass  sie  uns  gespendet  hat,  innewohnt;  verloren  ist  uns 
seine  rastlose  Arbeit  an  sich  selbst  keineswegs,  wenn  ich  auch  mit  S.  wünschte,  die 
Bühne  hätte  mehr  Frucht  davon  gehabt.  Was  S.  nach  Ludwigs  Andeutungen  über 
seine  dramatischen  Pläne  erzählt,  ist  inzwischen  durch  Erich  Schmidts  (s.  u.  IV  4: 128) 
Bericht  über  die  hinterlassenen  Fragmente  grösstenteils  überholt:  was  unter  dem 
Drama  im  Stile  von  Lenz  und  Klinger  zu  verstehen  ist,  weiss  ich  nicht.  Dem  „Erb- 
förster" wird  S.  ebenso  wenig  gerecht  wie  früher  Treitschke;  mit  dem  Epitheton 
„hirnverbrannt"  ist  das  sittliche  Problem,  das  der  Held  verkörpert,  nicht  aus  der  Welt 
geschafft.  —  Auch  in  einer  zweiten  Gruppe  ^^^)  S. scher  litterarischer  Porträts  spielt 
trotz  ihrem  Titel  „Paralipomena  aus  meinen  Lebenserinnerungen"  die  persönliche  Er- 
innerung eine  viel  kleinere  Rolle  als  das  ästhetische  Urteil.  Hier  wird  der  Dramatiker 
und  Litterarhistoriker  J.  L.  Klein  charakterisiert  mit  seinem  Schwulst,  seiner  Breite, 
seinen  philosophischen  und  sonstigen  Exkursen,  an  denen  er  so  eigensinnig  festhielt, 
dass  er  das  Publikum  lieber  aus  dem  Theater  langweilte,  als  dass  er  ein  Titelchen 
seiner  Verse  opferte.  Ein  Abschnitt  über  Karl  Witte  läuft  wesentlich  auf  die  Mahnung 
heraus,  man  solle  nicht  immer  wieder  längst  übersetztes  abermals  übersetzen,  sondern 
an  frische  Aufgaben  sich  machen.  Warm  spricht  sich  S.  endlich  über  den  Epiker 
0.  F.  Gruppe  aus,  den  er  freilich  als  Gelehrten,  als  hegelfeindlichen  Philosophen  und 
selbständigen  Litterarhistoriker  zu  überschätzen  scheint:  aber  er  zollt  auch  Gruppes 
poetischen  Leistungen  hohe  Achtung,  die  Geringfügigkeit  ihrer  Erfolge  dünkt  ihm  un- 
gerecht, und  im  Nachlasse  des  dadurch  scheu  gewordenen  Dichters  vermutet  er  reiche 
Schätze.  —  Was  sich  in  Dingelstedts  196-197^  wohlgeordnetem  Nachlasse  fand,  wurde  durch 
Rodenbergs  landsmännische  Sorgfalt  gesichtet  und,  soweit  es  der  Mitteilung  wert  war, 
durch  Randbemerkungen  des  Herausgebers  zu  einer  Art  unbeabsichtigter  Selbstbiographie 
verbunden.  Schon  im  vorigen  Jahre  ist  (IV  14 :  53)  über  einen  Teil  dieses  Werkes, 
das  damals  bruchstückweise  in  der  Deutschen  Rundschau  erschien,  berichtet  worden: 
die  Publikation  des  Ganzen  giebt  mir  Gelegenheit,  es  in  anderem  Zusammenhange  auszu- 
nutzen. Auch  ich  erkenne  das  Verdienstliche  der  Arbeit  R.s  dankbar  an:  er  hat  es 
verstanden,  durch  geschickte  Anordnung  seines  Materials  ein  einheitliches  Buch  zu 
schaffen,  und  er  hat  den  Mut  besessen,  für  Dingelstedts  Charakter  gegen  die  liberale 
Legende  eine  Lanze  zu  brechen.  Mir  ist  er  dabei  noch  zu  schüchtern.  Wer  der 
festere  und  reinere  Charakter  war:  Dingelstedt,  der  seinem  Selbst  getreu  sich  nicht 
scheute,  den  gefährlichen  und  reizbaren  Popanz  der  öffentlichen  Meinung  zu  beleidigen, 
oder  Ankläger  wie  Hoffmann  v.  Fallersieben  und  Heine,  der  sich  zu  der  schmutzigsten 
Verleumdung  bereitwilligst  hergab,  darüber  sollte  man  doch  wahrhaftig  nicht  im  Zweifel 
sein.     Dass    mit   jener  „Verhofräterei"    ein    Bruch    in    Dingelstedts    Persönliclilieit    ge- 


erwahuen,  die  Fröbel  sofort  selbst  an  Tolstois  alberner  Äusserung  übt.)  —  193)  A.  F.  Graf  v.  Schack,  Mosaik.  Verm. 
Schriften.  Stuttgart,  Cotta.  373  S.  M.  6,00.  |[A.  Schroeter:  BLU.  N.  37  (kUhl;  spricht  sich  gegen  dtsch.  Hexameter  aus) ; 
Gegenw.  40,  S.  334.]|  (Darin  einige  litt.  Erinnerungen,  d.  besonders  verzeichnet  sind.)  —  194)  id.,  D.  Enthusiasten:  Mosaik 
[vgl.  N.  193.]  S.  81—96.  —  195)  id..  Litt.  Erinnerungen.  Paralipomena  aus  meinen  Lebens-Erinnerungen:  Mosaik  [vgl.  N.  193J. 
S.  281—304.  —  196)  (IV  4  :  125)  i[Gegenw.  N.  20;  -e:  N*S.  59,  S.  132;  M.  G.  Conrad:  Qesellsch.  S.  1693  (unberechtigtes 
Schimpfen.)]  I  —  197)  X  H.  S.,  Rodenbergs  Dingelstedt-Biographie :  BLU.  N.  31.  (Keiht  an  Betrachtungen  llher  d.  ungerecht- 
erti^te  Geringschätzung,  die  d.  btihue  d.  neuen  Deutschlands  d.  jungen  entgegenbringen,    lobende  Worte  Über  Kodeubergs  Art, 


73  Cr.  Roethe,  Allgemeines  »le»  Ift./l^-  'Tahrhunderts.  IV  1-  i"« 

koiimieii  ist,  kami  ifli  nicht  fin(l«ii:  ich  l»in  ülx'r/tMij^f.  «Iuhs  er  auch  als  lih<;raler  Fron- 
(Unir.  als  unoingcschränkter  Herr  seiner  Zeit  kein  grosser  Dichter  powonlen  wäre. 
Fritulr.  Oetker,  der  Herz  und  Nieren  seines  Franz  genau  kannte,  hat  nie  an  iiun  ge- 
zweifelt. Ausser  den  konfessionsartigen  Briefen  an  diesen  njirhsten  Freund  waren  <lie 
Hauj)tc|uellen  R.s  kurze  Tagebücher,  die  poetischen  Reste  und  Pläne  des  Nachlasses, 
Briefe  an  (Wc.  Faniili«;,  an  den  trefflichen  alten  Gcnieral  v.  Bardelehen,  der  kurze  Zeit 
einen  stählenden,  wohlthätigen  Einfluss  auf  den  Kasseler  (Tymnasiallehrer  übte,  endlich 
Briefe  an  den  alten  Schulfreund  G.  A.  Vogel,  gen,  Pechvogel,  dessen  Gestalt 
in  dem  verheissungsvoll  angelegten  Romanfragment  Dingelstedts  „Sieben  Jahre" 
wesentliche  Zflge  für  den  sonst  als  Selbstporträt  gehaltenen  Helden  hergegeben  hat 
und  dessen  wechselreiche  Redakteurlaufbahn  R.  (1,  S.  62  ff.)  mit  melancholischem 
Hmuor  skizziert.  T'ns  berührt  hier  nicht  sowohl,  was  R.  über  Dingelstedts  eigene  Ent- 
wicklung niitt.<nlt,  was  er  von  Dichtungen  und  Entwürfen,  darunter  höchst  Gelungenes 
und  Interessantes,  einflicht,  als  vielmehr  die  Berührungen,  die  Dingelstedt  mit  anderen 
MäiHiern  der  Litteratur  gehabt  hat.  Die  merkwürdig  formvollendeten  Dichtungen  des 
Knaben  und  knabenhaften  Jünglings,  darunter  ein  tieftragidcher  „Kosciusko  und 
Skrcynecki  auf  den  Ti'ümmern  von  Warschau",  verraten  den  beherrschenden  Einfluss 
Schillers,  der  sich  deiui  auch  eine  launige  Parodie  der  Glocke  „Die  Ressource"  gefallen 
lassen  muss.  In  Hannover,  wohin  Dingelstedt  als  Lehrer  der  nahegelegenen  englischen 
Erziehungsanstalt  zu  Ricklingen  öfters  kam,  macht  er  die  Bekanntschaft  des  Novellisten 
Blumoidiagen,  des  Dramaturgen  Holbein,  des  bekannten  Detmold,  den  er  nicht  abge- 
neigt wäre,  bei  einem  Konkurrenzunternehmen  gegen  Harrys'  berühmte  „Posaune"  zu 
unterstützen  (1,  S.  83).  In  der  von  Kassel  aus  gefülirten  Korrespondenz  mit  Bardeleben 
spielt  Ernst  Koch,  der  hessische  Land.smaini,  der  jeanpaulisierende  Dichter  von  „Prinz 
Rosa  Stramin",  eine  Rolle:  warnend  iind  rühmend  stellt  der  alte  General  dem  jungen 
Freunde  Kochs  Bild  vor  Augen  (1,  S.  117  ff.),  von  dessen  ,,Vigilien"  Dingelstedt  mit  herz- 
licher Begeisterung  spricht  (1,  S.  125).  In  Frankfurt  lernt  er  1837  Karl  Gutzkow  kennen, 
„eine  herrliche  Ruine,  die  eine  rohe  Vandalenfaust  zerschmissen  hat;  —  ein  Herz,  in 
(iem  es  so  wüst  und  zerrissen  aussieht,  wie  es  uns  Heine  gern  von  dem  seinigen  weis- 
machen möchte"  (1,S.  135);  er  ahnt  damals  nicht,  dass  es  ihm  beschieden  sein  soll,  jener 
,,herrUchen  Ruine"  in  einem  weiter  vorgeschrittenen  Stadium  des  Verfalls  schuldlos  den 
schlimmsten  Stoss  zu  versetzen.  Auf  die  feuilletonistische  Teilnahme  an  der  „Wage", 
dem  Beiblatt  der  ,, Hessischen  Landeszeitung",  folgt  später  die  Gründung  eines  eigenen 
Organs,  des  „Salons",  deren  Mitredakteure,  Dingelstedts  Schüler  Jakob  Gegenbaur  und 
den  bekannten  Romanisten  Adolf  Ebert,  R.  beiläufig  schildert.  Als  der  Fuldaer  Gym- 
nasiallehrer, der  mit  dem  bösen  Drama  ,,Das  Gespenst  der  Ehre"  1840  eine  ebenso  arge 
wie  verdiente  Niederlage  erlitten  hat,  seiner  journalistischen  und  politisch-poetischen 
Thätigkeit  wegen  den  Dienst  quittieren  muss,  da  lässt  ihn  die  Augsburger  Allgemeine, 
deren  Leiter  Kolb  er  mit  dankbarer  Wärme  rühmt,  nach  Paris  reisen.  Hier  hält  er 
sich  mit  Bewusstsein  (1,  S.  198)  zu  den  schriftstellerischen  Aristokraten,  zu  Pückler, 
Laube,  Heine,  über  den  er  aber  in  dem  leider  fragmentarischen  Briefe,  den  R.  1,  S.  200 
abdruckt,  gewiss  nicht  freundiiciier  sprechen  wollte  als  früher  in  Kassel:  das  verbietet 
der  Zusammenhang,  und  der  von  R.  verwertete  Umstand,  dass  Dingelstedt  Heine  an- 
gepumpt hat,  ist  als  Beweis  freundschaftlicher  Wertschätzung  kaum  zu  verwenden.  Eine 
gute  Ergänzung  zu  Fröbel  (s.  o.  N.  79)  bietet  die  knappe  Schilderung  Herweghs  (1,  S.  199), 
die  seine  revolutionären  Qualitäten  freilich  überschätzt,  aber  sonst  diesen  poetischen 
St.  Just  mit  zwei  Worten  frappant  hinstellt.  Als  ihn  seine  Journalistenreisen  nach  W^ien 
führen,  bringt  ihn  Ottilie  von  Goethe  vorübergehend  in  gesellschaftliche  Aufhahme 
(1,  S.  212);  ein  köstlicherer  Gewinn  jener  Tage  ist  ihm  die  Liebe  seiner  Jenny,  der 
berühmten  Sängerin  Liitzer.  Diese  Liebe  kommt  gerade  zur  rechten  Zeit,  um  ihm  hin- 
wegzuhelfen über  die  gemeinen  Angriffe,  denen  der  württembergische  Hofrat,  der  Spiess 
und  Hörn  des  Nachtwächters  in  die  Ecke  gestellt  hat,  nun  für  lange  ausgesetzt  ist.  In 
jenen  zerstreuten  Stuttgarter  Jahren  entsteht  die  Litteratiirkomödie  „Genoveva"  (2,  S.48), 
die  die  romantische  Schule  insgesamt,  zumal  aber  Tieck,  den  lendenlahmen  Greis, 
grausam  ins  Gebet  nimmt.  Der  Intendant  Dingelstedt  hat  später  gelernt,  dem  Berliner 
Dramaturgen  mehr  Gerechtigkeit  widerfahren  zu  lassen.  Mit  Hackländer  zusammen 
giebt  er  1848/9  das  antidemokratische,  nicht  antiliberale  Witzblatt  ,,Die  Laterne" 
heraus;  Hackländer  und  Ed.  Devrient  begleiten  Dingelstedts  vielfache  dramatische  Ent- 
würfe mit  kritischen  Bemerkungen,  unter  denen  die  des  Dichters  unzweifelhaft  feiner 
sind  als  die  des  Schauspielers  (2,  S.  96  ff.);  ein  Hieb  auf  Griepenkerls  „Robespierre" 
fällt  dabei  beiläufig  ab  (2,  S.  103).  Ueber  König  Maximilians  Tafelrunde,  der  Dingel- 
stedt als  Münchener  Intendant  natürlich  auch  angehört,  werden  wir  sonst,  auch  durch 
Dingelstedts  „Mtinchener  Bilderbogen",  sehr  viel  besser  unterrichtet,  als  es  hier  nebenbei 


d.  Leute  jener  Tage  fUr  sieb  selbst  redeu  zu  lassen.)  —  198)  F.  Dahn,    Erianerungen  Bd.  2.     8.   Buch.     D.  UiUTersiUtsseit 


IV  1:   199-201.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  74 

(2,  ö.  13H)  geschieht.  Bald  stolpert  er  über  Bacherl;  aber  die  frenndschaftliche  Ver- 
mittelung  Liszts,  der  Weimar  durch  eine  „Goethestiftung"  gerne  wieder  zu  einem  neuen 
Mittelpunkt  der  künstlerischen  Talente  erhoben  hätte,  schafft  ihm  die  Oberleitung  der 
Weimarer  Hofbühne.  Der  alte,  vagabondierende  Sänger  Hoffmann  von  Pallersleben 
muss  seine  einstigen,  geschmacklos  albernen  Angriffe  auf  die  Hofpoeten  Goethe  und 
Dingelstedt  vergessen  und  wenigstens  den  letzteren,  etwas  säuerlich,  ansingen  (2,  S.  167  ff.). 
Auf  den  Konflikt  mit  Gutzkow,  der  natürlich  die  ganze  Presse  auf  seiner  Seite  hat, 
wirft  ein  Briefchen  an  Vogel  Licht  (2,  S.  189).  Die  letzte  Wiener  Periode  wird  kvu'z 
abgethan,  da  das  Brief-  und  Tagebuchmaterial  hier  versagt:  nur  formvolle  Verse  an 
Anast.  Grün,  Weilen,  die  von  Dingelstedt  entdeckte  Wolter  u.  a.,  sowie  ein  für  Liszt  be- 
stimmtes Oratorium  vom  heil.  Stanislaus  bereichern  auch  hier  unsere  Kenntnis  seines 
Schaffens,  das  zum  besten  Teile  der  Theaterleitung  gehörte.  Bei  R.  zieht  sich  die 
Klage,  dass  Dingelstedt  über  dem  Theater  die  eigene  poetische  Produktion  versäumt, 
sich  nie  zu  einem  grösseren  Werke  gesammelt  habe,  durch  das  ganze  Buch.  Dass  es 
so  geschah,  hat  gewiss  viel  weniger  seinen  äusseren  Grund  in  den  Umständen,  als 
seinen  inneren  in  Dingelstedts  Begabung  gehabt:  darin  bestärken  mich  auch  diese 
Blätter  aus  dem  Nachlasse.  Dingelstedts  Stärke  liegt  eben  in  der  formvollendeten  Ge- 
staltung des  Kleinen.  —  Dank  diesem  formellen  Geschick  und  Eifer  ist  es  ein  Genuss, 
Dingelstedts  intime  Briefe  und  Gelegenheitsverse  zu  lesen,  ein  unendlich  grösserer 
Genuss,  als  die  mit  litterarischen  Ansprüchen  auftretende  und  doch  so 
lodderig  zusammengeschriebene  Selbstbiographie  Dahns  198-201-)  i^^  gewährt,  deren 
dicker  zweiter,  des  Autors  Universitätsjahre  1850/4  behandelnder  Band  im 
Berichtsjahr  erschienen  ist.  Obgleich  D.  sich  selbst  als  „Lehrer  und  Ge- 
lehrten zweiten  und  Dichter  dritten  Ranges"  einschätzt,  bespreche  ich  sein 
Buch  hier  bei  den  Dichtern,  da  der  Gelehrte  schwerlich  Interesse  für  ein  so  vielbändiges 
Memoirenwerk  erwartet  hätte.  Fährt  D.  in  diesem  Tempo  und  Tone  bis  in  die  achtziger 
Jahre  fort,  wie  er  das  beabsichtigt,  so  dürfen  wir  auf  eine  kleine  Bibliothek  gefasst 
sein,  gegen  die  Hoffmanns  v.  Pallersleben  verspottete  Selbstbiographie  ein  Ideal  lapidarer 
Kürze  ist.  Und  Hoffmann  hat  doch  etwas  erlebt  und  weiss  zu  erzählen.  D.  dagegen 
besitzt  die  Gabe  der  Charakteristik  ebensowenig  wie  die  der  Konzentration  und  Kom- 
position; unter  Abschweifungen,  Parenthesen,  Vor-  und  Rückblicken  aller  Art  wälzt  sich 
seine  Darstellung  breitspurig,  langweilig  und  nichts  uns  schenkend  vorwärts.  Wie  es 
scheint,  ist  er  durch  den  hochpathetischen  Vortrag  der  Münchener  Bühne  (S.  141)  zu 
einem  eintönigen  Enthusiasmus  erzogen  worden,  der  nicht  nur  anderen  zu  gute  kommt. 
Für  D.  ist  nicht  das  Erlebte,  sondern  der  Erlebende  die  Hauptsache.  Ich  habe  kaum 
je  ein  Buch  von  dieser  umständlichen  Selbstzufriedenheit  gelesen.  Mit  gruselnder  Be- 
wunderung erfahren  wir,  dass  D.  als  Student  nie  ein  Kolleg  geschwänzt  hat,  als  Professor 
nie  mit  einer  Vorlesung  im  Rückstand  geblieben  ist;  die  Examina  haben  ihm  „die  nur 
selten  verliehene  erste  Note"  eingetragen,  und  selbst  die  Prädikate  der  Anmeldebogen 
„ausgezeichnet  fleissig"  werden  uns  nie  erspart.  Sein  studentischer  „Idealtrieb"  rührt 
ihn  „in  seiner  Reinheit  und  seinem  selbstlosen  Feuereifer";  er  war  ein  „merkwürdiger 
Bube";  Frau  Birch  zieht  er  an  durch  „die  süddeutsche  Frische  und  die  Unverdorbenheit 
und  Reinheit  der  Seele",  seinen  Freund  Eggers  durch  „seine  Seelenfrische  und  schämige 
Reinheit".  Dass  er  „an  Stoff-Einsammlung  und  an  Eigenschöpfung"  mehr  leisten  kann 
als  andere,  erklärt  er  uns  ausführlich;  dass  er  auch  im  Schreiben  mehr  zu  stände  bringt 
als  andere,  ist  uns  nicht  mehr  wunderbar,  wenn  wir  erfahren,  dass  er  „mitten  in  der 
Vorlesung,  ohne  jedoch  im  Nachschreiben  zu  stocken,  auf  den  Rand  des  Heftes  die 
kleinen  Gedichte"  niederwarf:  schade,  dass  wir  nicht  erfahren,  ob  er  mit  der  rechten 
Hand  nachschrieb  und  mit  der  linken  dichtete  oder  umgekehrt.  In  der  Wissenschaft 
ist  er  Feind  der  Phantasie  und  des  Geistreichtums,  das  leider  bei  Berufungen  entscheide. 
Seine  Weltanschauung  ist  heroisch-tragisch.  Er  hat  Mut  in  jeder  Gefahr.  Er  ist  ein 
vortrefflicher  Rapierfechter,  gefällt  den  Mädchen,  da  er  nicht  hässlich  ist,  hat  in  der 
Münchener  Glyptothek  die  plastische  Anschauung  gelernt;  aus  seinem  Schachspielen 
erkannte  Verdy  gleich  seinen  „strategischen  Genius";  Schwind  hat  ihm  malerische, 
Homstein  musikalische  Begabung  nachgesagt,  und  Fontane  ist  erstaunt  über  seine 
„armsdicke  Poesie".  Und  nachdem  wir  das  alles  und  vieles  andere  derartige  einen 
ganzen  Band  durch  angehört  haben,  müssen  wir  S.518  mit  Verblüffung  lesen:  „Ja,  ja.  ichmuss 


Leipzig,  Breitkopf  &  HSrtel.  628  8.  M.  10,00.  (S.  166  ff.  über  Dr.  Wendung,  d.  fUr  Franz  Lachner  Opemtoxte  schrieb  u.  um- 
arbeitete; S.  422  Über  Halm  n.  Bacherl;  S.  607  über  d.  Berliner  Schauspiel ;  S.  569  über  Konr.  Maurer.)  —  199)  X  Max  Koch. 
Erinnerungen  v.  F.  Dahn:  N&S.  56,  S.  136/8.  (Geschmacklos  lobsingende  Besprechung  d.  1.  Bds.:  ihm  sind  diese  ,Krinnerungen" 
Lyrik;  d.  Mensch  u.  Dichter  tritt  uns  entgegen,  wie  er  leibt  u.  lebt;  e.  Kommentar  zu  d.  Thaten  d.  Helden.)  —  200)  X  M. 
K(och),  Prosau.  Verse  V.  F.  Dahn:  AZg".  N.  304/5.  (Kennzeichnet  d.  verschiedenen  Arten  d.  Selbstbiographie  an  Goethe,  Freytag, 
Schack,  Uamorling,  rllgtd.  formlose  Art  Dahns,  dorn  d.  Gelehrte  z.  Durchbilden  s.  Werke  nie  Zeit  gelassen  habe  u.  der  bei  seiner 
Gewandtheit  in  d.  äusseren  Form  d.  Schwierigkeit  d.  inneren  unterschätze;  aus  Uahns  „Kolandin*  hebt  er  preisende  An- 
spielungen auf  d.  Fürsten  Bismarck  aus.)    —   201)  X  Ad.  Wilh.  Ernst,  Dahn«    Erinnerungen:    Qegenw    40,    S.  6-9.     (Sehr 


75  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18,/10,  Jahrhunderts.  IV  1:  202-204. 

mich  hier  wiodor  oininal  ein  w'<Miig  h>l)eii,  es  ist  ja  schon  seit  den  Ritterspielen  (I,  S,  119) 
nicht  mehr  geschehen."  Man  kann  ja  wohl  solche  Dinge  erzählen,  wenn  man  Humor 
hat,  von  dum  D.  leider  nichts  hesitzt  (er  selbst  ist  anderer  Meinung  ö.  548):  ohne  dem 
ahor  sind  diese  Selbsthetrachtungen  eine  verwegene  Herausforderung  an  den  Spott 
Und  das  ist  schade,  da  das  Buch  gute  Auseinandersetzungen  gegen  de>i  litterarischen 
Pessimismus  (Schopenhauer  und  Heine)  und  für  den  Patriotismus  als  gesunde  Bethätigung 
des  Individualismus,  gegen  die  Farhenverbindungen  und  för  die  Reimreinheit  bietet. 
Wer  sich  selbst  in  der  Erinnerung  so  verklärt,  wie  D.,  der  wird  auch  andere  nicht 
scharf  schildern.  Wir  wandeln  durch  lauter  glänzende  Häuser  mit  anmutigen  Töchtern, 
treffen  auf  lauter  herrliche  Menschen.  Diese  Stimmung  des  Autors  muss  man  sich 
gegenwärtig  lialten.  In  München  ,,gastet"  er  bei  Lasaulx,  dessen  an  Görres  anknüpfende 
Vorlosung  eine  gute  Vorstellung  von  romantisch-ultramontaner  Geschichtsphilosophie 
giebt  (8,  17);  wie  dieser  ist  auch  Bluntschli,  der  stark  unter  dem  Banne  Rohmerscher 
Anschauungen  steht,  ihm  zu  mystisch  unhistorisch  (S.  62  if.);  sein  geistiger  Erlöser, 
sein  Erzieher  zur  wissenschaftlichen  Arbeit  wird  Prantl,  für  den  D.  in  seinen  Erstlings- 
schriften gegen  ultramontane  Angriffe  eintritt.  Als  er  die  schönen  Ferientage  in 
Chiemsee  schildert,  kommt  er  auf  Auerbachs  „Frau  Professorin"  zu  sprechen,  die  er  an 
die  Ehe  des  Malers  Haushofer  mit  einem  Wirtstöchterlein  der  Fraueninsel  anknüpft: 
wahrscheinlich  mit  mehr  Recht,  als  wenn  Merkel  202)  in  seinem  Buche  über  Henle  S.  242  f. 
jenen  Roman  gemäss  Henles  eigener  Ansicht  mit  der  ersten  Ehe  des  Gelehrten  in  Ver- 
bindung bringt.  Den  Sohn  des  Malers,  seinen  lieben  Spiel-  und  Wandergefährten,  den 
Dichter  Max  Haushofer  rühmt  er  anhangsweise  (S.  617  ff.).  Ein  anderer  treuer  Besucher 
der  Insel  war  der  Dichtermaler  Max  Lentner,  der  schon  vor  Auerbach  die  Weise  des 
Bauerntums  liebevoll  und  poetisch  erfasst  habe  (S.  286  ff.);  vor  Auerbach,  aber  doch 
nicht  vor  Immermann!  Bei  seinem  Vater  lernt  D.  den  Dichter  des  Trauerspiels  „Ze- 
nobia",  Andr.  May,  kennen;  bei  der  Mutter  hört  er  Fallmerayer  wundersame  Geschichten 
aus  dem.  Orient  und,  auf  dem  Heimwege,  saftige  Heiligenlegenden  erzälilen 
(S.  323  ff.).  Nach  Berlin  übergesiedelt,  tritt  der  Jüngling  seiner  „guten,  lieben,  treuen 
Mutter  Birch",  der  „prachtvollen  Schwäbin",  besonders  nah;  leider  hält  er  auch  ihren 
dichterischen  Qualitäten  eine  banale  Schutzrede;  menschlich  ist  uns  die  treffliche  Frau 
gerade  durch  neuere  Publikationen  ( JBL.  1890 IV  1  :  61)  oft  genug  näher  gerückt.  D.  ist  um 
so  weniger  unparteiisch,  als  er  sich  in  die  Tochter,  die  als  Wilhelmine  von  Hillern  auch  mit  der 
Litteratur  zu  schaffen  hat  und  die  er  als  ein  leidenschaftlich  wildes  Mädchen  schildert,  bis 
zum  Verloben  verliebt,  ohne  darum  die  aus  Band  1  der  „Erinnerungen"  uns  nur  allzu  ver- 
traute Didosa  im  Herzen  auszustreichen ;  aus  dieser  Doppelliebe  erwuchs  später  „Friggas 
Ja"!  Bei  Frau  Birch  lernt  er  u.  a.  die  junge  Marie  Seebach  kennen.  Sein  nächster  männ- 
licher Freund  in  Berlin  wird  der  anziehend  geschilderte  Fritz  Eggers  (S.  422  ff.),  der 
ihn  in  den  aus  Fontanes  „Scherenberg"  uns  wohlbekannten  „Tunnel  unter  der  Spree" 
einführte;  warm  rühmt  er  die  belehrende  Kritik,  die  er,  als  „Waiblinger"  aufgenommen, 
dort  erfuhr.  Auch  an  Kuglers  „Ellora",  in  der  Ltibke  und  Otto  Roquette  die  Haupt- 
rolle spielten,  glaubt  er  teil  genommen  zu  haben  und  schildert  mit  der  üblichen 
Begeisterung  die  schönen  Abende  bei  Kuglers  (S.  446  ff.);  was  er  erzählt,  stimmt 
freilich  gar  nicht  zu  Lübkes  eigenen  Angaben  (Lebenserinnerungen  S.  187),  nach  denen 
weder  Kugler  noch  Dahn  Mitglieder  jenes  Kreises  gewesen  wären.  Ueber  diesen 
ästhetischen  Genüssen  versäumt  er  nicht  die  Collegia:  uns  interessiert  hier  höchstens, 
was  er  über  Werders  und  Rankes  Vortrag  erzählt:  der  gi'osse  Historiker  hat  ihm  etwas 
„Eibisches":  ob  da  nicht  auch  ein  Anachronismus  des  Gedächtnisses  hereinspielt? 
Seine  poetische  Lieblingslektüre  ist  Rückert  und,  wohl  unter  Einfluss  Fontanes, 
englische  BaDaden;  er  selbst  dichtet,  regelmässig  wie  Vater  Gleim,  alle  Sonntage  Vor- 
mittag seine  Verse  herunter:  es  geht  eben  nichts  über  gute  Zeiteinteilung.  —  Wie  muss 
sich  vor  diesem  fleissigen  Dichter  und  Schriftsteller  wohl  Klaus  Groth^^-*)  schämen, 
dessen  „Lebenserinnerungen",  von  einem  beflissenen  Interviewer  dem  Wortkargen 
mühsam  entlockt  und  möglichst  wortgetreu  nacherzählt,  ein  ganz  schmales,  dünnes 
Heftchen  füllen.  Der  schöne  Lebensabriss,  den  Müllenhoff  im  Jahre  1856  dem  Freunde 
zeichnete,  eröffnet  das  Bändchen.  Für  die  geringen  litterarischen  Anknüpfungen  des 
„Quickborn"  enthalten  G.s  Bemerkungen  über  seine  Vorgänger  in  der  Dialektdichtung 
einiges  Beachtenswerte ;  die  plattdeutschen  Volksliedeireste,  die  er  sammelte,  bedeuteten 
ihm  mehr  als  Hebel,  melu*  als  die  Niederdeutschen  Voss,  Bornemann,  Bärmann,  die  sich 
eben  doch  von  hochdeutscher  Art  nicht  frei  hielten.  Der  „Quickbom"  trägt  ihm  das 
warme  Lob  von  A.  v.  Humboldt  und  von  Gervinus,  später  von  Mommsen  und  sogar  von 


schnöde  Ablehnung  d.  1.  Bds.  aus  GrUnden  d.  InhalU  u.  d.  Form.)  —  202)  (IV  6  :  169).  —  203)  Klaus  Groth,  Lebenserinne- 
lungen  i^her.  v.  Eug.  Wolff\  !=  Dtsch.  Schriften  Wr  Litt.  u.  Kunst,  Heft  2.)  Kiel  n.  Leipzig,  Lipsius  &  Tischer.  125  8. 
M.  3,00.  IlL.  Geiger:  NationB.  ä.  585;  G.:  LCBl.  18V3,  S.  1397.]|  (Erw&hnt  ausserdem  d.  Pastor  Marc.  Petersen  in  Telling- 
£tedt,  der  in  G.s  «Poter  Kunrad'  auftritt,  Walesrode,  Simrock,  Fre;tag,  Baudissin,   Otto  Boquett«,  Hebbel  u.  a.)  —  204).  X  ^- 


IV  1:  205-211.  G.  Roethe,   Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.    ,  76 

• 
Bisiriarck  ein;  Eokeniiann,  der  ihn  besuclite,  klagt:  „Wenn  der  alte  Herr  (d.  i.  Goethe) 
doch  noch  Ihren  Quickborn  erlebt  liätte!";  nun,  was  der  alte  Herr  gesagt  hätte,  kann 
man  sich  ungefähr  zurechtlegen.  Auf  Reisen  nach  Hamburg,  Bonn,  Leipzig  und  Dresden 
lernt  G.  viele  Leute  kennen:  aber  er  schildert  sie  nicht,  nur  der  eine  oder  andere 
kleine  Zug,  ein  paar  unbedeutende  Anekdoten  werden  erzählt.  Li  Hamburg  verkehrt 
er  mit  Moritz  Hartmann  und  Robert  Heller;  in  Bonn  mit  Otto  Jahn,  den  er  besonders 
verehrt,  mit  dem  reizbaren  Böcking  und  mit  Dahlmann,  der  das  Plattdeutsche  als  eine 
der  Stammsprachen  der  Deutschen  richtig  geschätzt  habe;  durch  seine  Vertrautheit  mit 
Platen  gewinnt  er  sich  Welckers  Herz;  an  der  politischen  Ziiversicht  Arndts  erfreut  er 
sich;  der  bittere,  schnellfertige  D.  F.  Strauss  ist  ihm  unsympathisch.  Der  anekdoten- 
reiche Berthold  Auerbach  in  Dresden  spricht  ihm  zu  viel  von  sich  selbst,  Otto  Ludwig 
erscheint  ihm  als  Grübler  und  Rigorist.  Geibel  bietet  ihm  bei  der  ersten  Begegnung 
gleich  das  Du  an  und  geht  im  Laufe  des  Gesprächs  spielend  aus  der  Prosa  in  Quatrains 
über.  Sein  bester  und  thätigster  Freund  war  doch  Müllenhoif,  dessen  Vertrauen  sich 
der  Autodidakt  durch  seine  seltsamen  akademischen  Gelüste  ein  wenig  verschüttete; 
traute  sich  der  Treffliche  doch  ebenso  die  Professur  der  Botanik  wie  die  der  Germanistik 
zu,  schon  dadurch  beweisend,  dass  er  von  Wissenschaft  eine  ebenso  unklare  Vorstellung 
hatte  wie  Zo Hing  205)^  (J^r  sich  entrüstet,  weil  auch  Müllenhoffs  Nachfolger  in  Kiel 
nicht  einsehen  wollten,  dass  Groth,  ,, ihnen  in  jeder  Beziehung  an  Wissen  und  Können 
ebenbürtig  war  und  dass  man  von  ihm  und  dem  Quickborn  noch  reden  wird,  wenn 
ihre  Kärrnerdienste  mit  ihren  Namen  längst  vergessen  sein  werden".  Schöne  Logik! 
Als  ob  Groths  dichterische  Bedeutung  an  seiner  wissenschaftlichen  Minderwertigkeit 
das  geringste  ändern  könnte!  —  Ich  schliesse  die  Reihe,  wie  ich  sie  begann,  mit  den 
biographischen  Aufzeichnungen  eines  bekannten  Zeitungskorrespondenten.  Aber  Ludw. 
Piet seh  206-8^  erzählt  uns  nicht  wie  Wachenhusen  von  seinen  Reisen;  er  erzählt  uns, 
behaglich  und  doch  in  gewählter  guter  Form,  wie  er  Schriftsteller  ward.  Der  arme, 
mit  seiner  Familie  beinahe  hungernde  Maler  von  1852  ist  froh,  als  er  mit  bezahlten 
Zeichnungen  Wolffscher  und  anderer  Skulpturen,  die  er  mit  unbezahltem  Text  begleitet, 
einen  kleinen  Nebenverdienst  bei  der  Leipziger  Illustrierten  Zeitung  findet.  Der 
ermöglicht  ihm  selbst  in  Berlin  eine  Art  bescheidenen  Landaufenthalts  draussen  auf  der 
Lietzower  Wegstrasse:  an  seinem  Gartenzaun  sieht  er  Scherenbergs  Familie  zuweilen  in 
frappanter  Gruppe  vorbeiziehen;  prächtig  malt  er  die  Erinnerungsbilder  jener  grenzenlos 
bescheidenen  und  doch  idyllisch  reizvollen  Tage.  Wieder  begegnen  wir  Fritz  Eggers, 
der  mit  Lübke  das  „Deutsche  Kunstblatt"  redigiert:  sie  beide,  namentlich  Lübke,  der 
thätigere  und  kräftigere,  schaifen  P.  in  ihrem  Blatte  und  weiterhin  Gelegenheit  zu 
zeichnerischer  und  schriftstellerischer  Thätigkeit.  Doch  tritt  der  sorgende,  noch  immer 
beengte  Familienvater  nicht  in  die  gesellschaftlichen  Kreise  jener  rangierten,  korrekten 
Männer:  den  Cirkel  Kuglers,  das  „Rütli",  einen  Ausschuss  des  „Tunnels",  sieht  und 
schildert  er  nur  aus  der  Ferne;  einzig  von  dem  Tunnelmitglied  Hugo  v.  Blomberg,  dem 
Dichter  und  phantasievollen  Ornamentisten,  dessen  auch  Lübkes  Lebenserinnerungen 
(S.  157)  gedenken,  giebt  er  ein  ausgefühHeres  Porträt.  Geschäftliche  Anlässe  führen  ihn 
in  das  Haus  Duncker,  dessen  Mitteljmnkt  die  nicht  schöne,  aber  fascinierende  Herrin 
bildet.  Hier  überwiegt  die  Litteratur  über  die  Kunst,  und  hier  zumal  wird  P.  litterarisch 
inficiert.  Hier  trifft  er  Gottfried  Keller,  den  früheren  Landschaftsmaler,  hier  den  nerven- 
zarten  Stahr  mit  seiner  kühl  herablassenden,  kritischen  Fanny,  hier  Ferd.  Lassalle, 
dessen  unrealistischer,  für  Natur  und  Kunst  blinder  Geist,  dessen  theatralisches  Pathos, 
dessen  Eitelkeit  ihm  wenig  sympathisch  sind.  Aber  mittelbar  dankt  er  Alex.  Duncker, 
der  ihn  veranlasste,  Storms  „Immensee"  zu  illustrieren,  auch  die  Freundschaft  mit  diesem 
verehrten  Dichter.  Wiederholt  berührt  er  die  seltsame,  von  ihm  trotz  allem  sehr 
geschätzte  Gestalt  des  weltverachtenden  Philosophen  Bruno  Bauer,  für  den  er  Max 
Stirner  auf  dem  Totenbette  zeichnet.  Der  Uebergang  zur  Litteratiu"  ist  für  P.  abge- 
schlossen, als  er  1858  an  Stelle  des  nach  Italien  reisenden  Lübke  in  der  Spenerschen 
Zeitung  die  regelmässigen  Berichte  über  die  akademische  Kunstausstellung  übernimmt.  — 
Lübke  209-211)  selbst,  der  uns  hinüberführt  zu  den  Aufzeichnungen  der  Histo- 
riker, berührt  sich  im  Stoife  naturgemäss  vielfach  mit  Pietsch  und  Dahn.  Pietsch  ist 
von  den  dreien  schriftstellerisch  der  fesselndste  und  sorgfältigste,  der  einzige  ausserdem, 
der    charakterisieren     kann:     denn     auch     L.    ist    nicht    frei    von   jener    süsslichen    be- 


Werner,  Lebenserinnerungen  v.  Klaus  Groth:  AZg".  —  205)  X  Th.  Zolling,  Erinnerungen  v.  u.  an  Klaus  Groth :  Gegi'nw 
;J9,  S.  105|8.  (Teilt  aus  «.  Briefe  Groths  e.  Äusserung  Dahlmanns  mit,  nach  d.  sich  Heinr.  v.  Kleist  schwerlich  erschossen 
hätte,  wenn  er  d.  Nachriclit  v.  Dahlmanns  Kieler  Professur  frllher  erhielt.  [??]).  —  206)  L.  Pietsch,  Wie  ich  Schriftsteller 
ward:  ML.  60,  S  15/6,  20—32,  61/3,  76/8,  81/3,  «7/9.  —  207)  id.,  Wie  man  Schriftsteller  werden  kann:  ib.  S.  113/7,  129-32, 
145/8,  170/3,  387—90.  —  208)  id.,  Erlebnisse  aus  d.  fünfziger  Jahren:  ib.  S.  374/6.  —  209)  W.  LUbke,  Lebenserinnerungen. 
Mit  e.  bildnis.  Berlin,  Fontane.  VIII,  379  S.  M.  6,00.  |[F.  Bienemunn:  BLU.  N.  26;  M.  S.:  N&S.  59,  130  f. ;  SchwSb. 
Krou.  N.  131;  L.  Geiger:  Nalion".  S.  586.]|  —  210)  X  «^.  Roquelle,  LUbkes  Lebenserinnerungen:  AZg».  N.  110.  (Fllgt, 
so  nahe  er  in  Berlin  u.  ZUrich  LUbkes  Kreisen  gestanden  hat,  doch  aus  eigener  Erfahrung  nichts  hinzu.)  —  211)  X  PP->  LUbke 
u.  seine  jüngsten  Schriften:  ZBK.  NF.  3,  S.  66—71.    (Farblos;  bedauert  unter  grossem  Lobe,  dass  L.  der  neuesten  Kunstent- 


77  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  rV  l:  212-210. 

^eistortei)  V^rHoliwoinmenheit  in  der  Auffassung  von  Personen  und  VerhiiltnisHen,  die 
Dahn  in  so  holieni  Masse  eignet.  Aber  L.  versteht  es  doch  besser,  sich  zusammenzufassen; 
dor  massige  Band,  in  dem  der  namentlicli  in  Laienkreisen  geschätzte  Kunst- 
historiker seine  lesenswerten  Lebenserinnerungen  niedergelegt  hat,  urafasst  volle  vierzig 
Lebensjahre,  also  einen  Zeitraum,  der  Dahn  fasst  das  Zehnfache  an  Papier  und  Tinte 
gekostet  hätte.  Das  Prachtstück  des  Bandes  bildet  freilich  die  kurze,  aber  in  ihrer 
schlichton  Würde  überaus  anziehende  Lebensdarstellung,  die  L.s  Vater,  ein  einfacher 
katholischer,  aber  mit  der  Geistlichkeit  verfeindeter  Volksschullehrer,  aufgesetzt  hat. 
In  diesen  Kämpfen  des  Vaters  erwarb  sich  L.,  noch  als  Gymnasiast,  die  litterarischen 
Sporen,  auch  im  Anlass  der  jugendlichen  Erstlingsschrift  an  Dahn  erinnernd.  Die 
[Schilderung  der  Gymnasialzeit  benutzt  auch  er,  um  Zeugnis  abzulegen  für  die  „feste 
Grundlage  klassischer  Bildung,  welche  durch  nichts  Anderes  jemals  zu  ersetzen  ist". 
Der  Bonner  Student  der  Piiilologie  wird  besonders  durch  Gottfried  Kinkels  mit  fast 
l)ühnenmässiger  Stimmentfaltung  gehaltene  Vorträge  erwärmt;  und  auch  an  den  musi- 
kalischen Uebungen  seiner  unansehnliciien,  aber  interessanten  Gattin  nimmt  er  mit  Genuss 
teil.  Auch  der  katholische  Historiker  und  Poet  Junckmann  zieht  ihn  an.  Der  kühne 
revolutionäre  Geist  der  Zeit  spricht  zu  ihm  aus  Max  Stirners  berufenem  Buche.  Als  er 
in  Berlin  seine  philologischen  Studien  bei  Lachmann,  Boeckh  und  Joh.  Franz  fortsetzt, 
macht  er  die  Bekanntschaft  von  Fritz  Eggers,  dem  er  nun  durch  lange  Jahre  nahe  tritt 
Er  spricht  von  dem  „Anakreon"  des  Tunnels  nicht  ganz  so  begeistert  wie  Dahn;  er 
empfindet  doch  das  Tändelnde,  den  idealen  Sybaritismus  des  Mannes  als  keinen  unbe- 
dingten Vorzug:  so  schützt  er  ihn  als  Poeten,  Philosophen  und  Aesthetiker  höher  denn 
als  Kunsthistoriker.  Aber  eine  warme  Tönung  hat  auch  sein  Porträt  von  Eggers,  der  für 
<lon  Helden  von  Wilbrandts  „Unerreichbar"  und  „Fridolins  heimlicher  Ehe"  Modell  ge- 
sessen hat.  Auch  hier  tauchen  dami  „Tunnel",  „Rütli",  „Ellora"  auf,  darin  Fontanes 
beherrschende,  mit  verdienter  Lebhaftigkeit  gepriesene  Gestalt;  ich  stimme  L.  durchaus 
zu,  wenn  er  urteilt,  dass  der  bedeutende  Dichter  die  volle  Würdigung  noch  immer  nicht 
erfahren  hat;  es  ist  L.  vergönnt,  mit  diesem  berufensten  Führer  durch  die  Mark,  auch 
durch  den  Spreewald  zu  streifen.  Die  Freundschaft  zeichnet  die  Bilder  des 
jugendlichen  Otto  Roquette  und  Berthold  Auerbach,  den  L.  in  Dresden  kennen  lernt. 
Zu  einem  interessanten  Studienkopf  giebt  Anlass  der  Docent  der  Bauakademie,  der 
poetisch  begabte  Willi.  Stier,  dessen  „Hesperische  Blätter"  L.  nach  dem  frühen  Tode 
des  Vf.  herausgab;  Stiers  „Pilgerfahrt"  nach  dem  heiligen  Rom  der  Kunst  erinnert  ihn 
an  Seumes  berühmten  Spaziergang.  Gern  gedenkt  L.  der  Mittagsgesellschaften  bei 
Wilh.  V.  Merckel,  der  dem  Scheidenden  in  einem  geistreich  scherzenden  und  doch  herz- 
lichen Sonett  Lebewohl  sagte;  zu  seinen  ferneren  Bekannten  gehören  Titus  Ulrich,  da- 
mals Kunstreferent  der  Nationalzeitung,  der  spannende,  wenn  auch  nicht  hochgreifende 
Romanschriftsteller  Mützelburg,  dann  Pietsch,  Kossak,  Theodor  Storm.  Als  L.  den 
Totentanz  in  der  Marienkirche  untersucht,  da  schreibt  ihm  Blomberg  einen  geistreichen 
Denkvers  ins  Album.  Auch  in  Zürich,  wohin  er  von  Berlin  die  Schritte  lenkt,  tritt  er 
in  interessante  Kreise:  mit  Gottfr.  Keller  und  Friedr.  Vischer,  den  schwer  Zu-  und 
Umgänglichen,  gewinnt  er  Füiilung  und  darf  sogar  den  dritten  Teil  des  Faust  aus  dem 
Manuskripte  hören.  Mit  der  Berufung  nach  Stuttgart,  Frühjahr  18(J0,  bricht  die  Bio- 
graphie ab.  —  Wurde  Lübke  schon  durch  die  Wahl  seines  liistorischen  Stoffes  auf  enge  Be- 
ziehungen zum  künstlerischen  Berlin  hingewiesen,  die  durch  seine  Neigung  zu  populärer, 
auch  den  Laien  anziehender  Schreibart  nur  verstärkt  wurden^  so  zeigt  uns  der  Band 
„Zur  eigenen  Lebensgeschichte"  Ranke  2i2-2i6\  durchaus  in  der  Umgebung  des 
gelehrten  Berlins.  R.  hat  ein  biographisches  Werk  nicht  hinterlassen;  er  glaubte 
wichtigere  Aufgaben  vor  sich  zu  sehen.  Aber  einen  Ersatz  suchte  Dove  zu  geben, 
indem  er  vier  kurze  biographische  Diktate  R.s  vom  Okt.  1863  (schon  1887  in  der  Deutschen 
Rundschau  publiziert),  vom  Mai  1869,  vom  Dez.  1875,  vom  Nov.  1885,  verband  mit 
Briefen  an  die  Gattin,  die  Brüder,  die  wissenschaftlichen  Freunde  usw.  (im  ganzen  329, 
darunter  12  an  König  Maximilian  IL  von  Bayern)  und  mit  einer  Auswahl  der  schönen 
und  tiefsinnigen  Tagebuchblätter,  in  denen  der  vereinsamte  Greis  namentlich  politische  Ein- 
drücke und  Reflexionen  niedergelegt  hat.  Die  beiden  ersten  Diktate  hängen  zusammen; 
sie  schildern,  auch  in  thatsächlicher  Erzählung  und  mit  genrehaften  Zügen,  die  Kindheit 
im  kleinstädtischen  Elternhaus  und  die  Lelxrzeit  auf  Schide  und  Universität,  die  Periode 


Wicklung  so  wenig  Verständnis  entgegengebraclit  l.at.)  —  212)  (IV  6  :  132;  S.  103  lurtes  Drtail  Ober  Eichhorns  LitUntv- 
geschichte;  S.  245  Über  Niebuhr.s  Tod;  S.  272  Lob  der  Briefe  Joh.  t.  Müllers;  S.  279  Ober  Hegels  Nachfolger  Gabler;  S.  484 
kurze  Eisenbahnfahrt  mit  Fürst  Pückler.)  j[F.  Bienemann:  BLU.  N.  2«:  Grenib.  III,  42»— 31.]|  —  218)  X  Bruno  Oeb- 
hardt.  Aus  Rankes  Briefen  u  Tagebüchern:  Gegenw.  39,  8.  217i9.  (AuMüge  aus  N.  212.)  —  214)  X  J.  R(o  de  n  b  erg),  L. 
V.  Ranke,  seine  Briefe,  Tagehuohbll.  u.  Erinnerungen:  DRs.  1890  1,  IV,  S.  :i06 — 15.  (Aa«sOge,  n.  a.  Ober  Rankes  Beziehungen 
zu  Macaulay  u.  Thiers  :  Rankes  Objektivität  ist  Eifer  für  d  Wahrheit.)  —  215)  X  Ed.  Sctiulte,  D.  I.ebensrrinueningen  L. 
T.  Rankes:  VZgs.  N.  9.  (Namentlich  d.  Briefe  Ranke.<<  werd»n  gerOhmt .  d.  sein  Wesen  widerspiegeln:  Ranke  habe  in  hohem 
Wii-st>  (liis  Talfiit  d.  BnetVrh'eil'-ii.s  luse  .-i-n;  im  lil-rigeM  kn'/.e  Biogiafbie  mit  AustOgen.')  —  216)  X  t--  Ranke  Briefe  u. 
Tagebuchbll:  NFPr.  N    94U5.   (E^  wird  aus  dieaeiu  Bande  die  oft  au;ige8prooheiia  Meinung  widerlegt,  Baukea  kühle  Ubjektifitlt 


rV  1:  217-218.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  78 

des  Gymnasialamtes  bis  1825,  die  ihm  Gelegenheit  giebt,  die  antiken  Schinlautoren,  zu- 
mal die  Historiker,  zu  charakterisieren.  Die  beiden  anderen  Diktate  verflüchtigen  das 
Thatsächliche  stark,  sprechen  mehr  über  das  Leben  R.s,  als  dass  sie  es  erzählen:  das 
dritte  stellt  in  grossem  Ueberblick  den  Einfluss  der  politischen  Zeitbewegungen 
auf  den  Vf.  dar;  das  vierte  berücksichtigt  namentlich  R.s  schriftstellerische  Entwicklung 
bis  1848.  Während  sich  die  Briefe  ziemlich  gleichmässig  von  1819 — 1886  erstrecken, 
gehören  die  von  Dove  ausgehobenen  Tagebuchblätter  weit  überwiegend  der  Zeit  nach 
1870  an.  Der  Anekdotenkram,  die  kleinen  persönlichen  Züge  und  Einzelheiten,  die  in 
der  Mehrzahl  der  besprochenen  Selbstbiographien  die  Hauptrolle  spielten,  treten  bei  R. 
ganz  zurück;  alles  Kleinliche  fehlt  selbst  in  den  vertrauten  Briefen  dieses  hohen  Geistes; 
wo  er  von  Persönlichkeiten  spricht,  giebt  er  nicht  Erlebnisse,  sondern  Eindrücke.  Und 
wir  bewegen  uns  stets  in  guter,  ja  vornehmer  Umgebung.  Dass  wissenschaftliche  und 
politische  Dinge  R.  ungleich  mehr  beschäftigen  als  litterarische,  ist  selbstverständlich. 
In  seinen  ästhetischen  Urteilen  ist  er  freilich  mehr  ein  Sohn  seiner  Zeit,  als  ich  erwartet 
hätte.  In  seinem  Elternhause  kannte  man  Schillers  Gedichte  nicht,  bis,  lange  nach  R.s 
Abgang  zur  Schule,  Schillers  ältester  Sohn,  der  im  Hause  wohnte,  sie  dort  importierte.  Und 
in  Schulpforta  galt  in  erster  Reihe  natürlich  Klopstock,  obendrein  durch  den  einflussreichen 
Mathematiker  Schmidt  hoch  geschätzt;  R.  hat  uns  den  Eindruck,  den  der  Schüler  von  dem 
Sänger  der  Messiade  empfangen  hat,  warm  geschildert  (S.  22),  und  noch  ein  Brief  von  1820 
legt  Zeugnis  davon  ab,  wie  tief  Klopstocks  Bilder  in  die  Phantasie  des  Jünglings  eingedrungen 
sind.  Derselbe  Brief  begeistert  sich  für  des  nordischen  Magus  Briefe  an  Jacobi:  „ein 
ganz  einsamer,  von  der  Welt  verstossener,  aus  aller  Wissenschaft  zu  Gott  geretteter 
Mensch,  immer  verkannt,  rückgestellt  —  nun  auf  einmal  aus  der  Ferne  her  mit  so  warm 
liebender  Hand  angefasst".  Dagegen  ist  R.s  Verhältnis  zu  Goethe  bei  hoher  Bewun- 
derung kühl ;  gerade  bei  dem  Mann  der  wissenschaftlichen  Objektivität  ist  der  Gegensatz 
lehrreich,  in  den  er  (S.  23)  den  subjektiven  (!)  Goethe  zu  dem  objektiven  Schiller  stellt. 
Er  spricht  es  geradezu  aus,  dass  ihm  als  Studenten  Goethe  zu  modern  war  (S.  59),  und 
so  blieb  es:  einige  Bemerkungen  aus  den  vierziger  Jahren  über  den  späteren  Goethe 
(S.  573  f.),  namentlich  über  die  ,,  Wahl  Verwandtschaften",  zeigen  doch  wohl,  dass  R.  ein 
echtes  inneres  Verhältnis  zu  ihm  überhaupt  nicht  gewonnen  hat.  Zum  sprachlichen 
Vorbilde  nimmt  er  lieber  Luther.  Das  Fromme,  Gläubige,  freilich  nicht  Kirchliche 
schimmert  durch  R.s  Aeusserungen  durch  wie  ein  goldener  Untergrund  des  Bildes: 
alle  Geschichte  führt  ihn  zu  Gott;  in  dieser  Richtung  sagt  ihm  Angelus  Silesius  trotz 
abstrusen  und  frevelhaften  Sätzen  zu  (S.  147);  und  der  eine  der  beiden  poetischen  Ver- 
suche, die  der  Band  bringt,  ist  ein  schönes  Gebet  aus  den  achtziger  Jaliren ;  der  andere, 
ein  scKarfes  Epigramm,  wurde  durch  Heinr.  Leos  Angriffe  auf  Rankes  erstes  Buch 
hervorgerufen.  In  jener  frommen  Grundstimmung  verstand  er  sich  mit  König  Friedrich 
Wilhelm  IV.,  von  dem  er  stets  mit  grösster  Verehrung  spricht:  an  ihn  muss  er  denken, 
da  er  die  Psalmen  Davids  liest  (S.  30);  er  erfreut  sich  an  der  Genialität  seines  Wesens 
und  der  Tiefe  seiner  inneren  Impulse  (S.  74);  der  König  war  ihm  ein  Mann,  von  dem  man 
besser  wegging,  als  man  gekommen  war;  noch  1873  sucht  er  Dove  eine  bessere  Meinung  über 
ihn  beizubringen  (S.  507).  Dagegen  beurteilt  er  Bunsen,  den  „Idealisten,  der 
durchaus  praktisch  sein  wollte",  mit  grosser  Kühle  (S.  592  ff.),  während  er  für  Varn- 
hagen  unverkennbare  Sympathien  besitzt  (S.  147,  151).  Natürlich  war  er  diesem  und 
A.  V.  Humboldt,  den  platonischen  Freunden  des  Radikalismus,  als  Leiter  der  „historisch- 
politischen Zeitschrift"  1831  ebenso  sehr  zu  konservativ,  wie  anderen  sein  vermittelnder 
Standpunkt  jakobinisch  erschien.  Vom  Ultra  war  er  weit  entfernt:  hat  er  sich  doch 
1819  mit  heisser  Glut  für  Jahn  ins  Zeug  gelegt  gegen  die  thörichte  Demokratenhetze 
(S.  79  ff.).  Aber  er  hat  auch  für  einen  hochkonservativen  Staatsmann  Verständnis,  wie 
Gentz  217)^  von  dem  er  Sept.  1827  in  Wien  manche  Förderung  bei  seinen  Archiv- 
forschungen erfährt  und  den  er  sich  freut,  keineswegs  als  krassen  Absolutisten  und 
dabei  frei  von  jeder  Frivolität  zu  finden.  Dem  grösseren  Staatsmann,  Bismarck,  dankt 
er  freilich  noch  tiefere  Förderung:  er  spricht  ihm  aus,  dass  eine  seiner  Reden  selbst  ihm 
neue  Gesichtspunkte  für  die  Geschichte  des  19.  Jh.  dargeboten  habe  (S.  550  f.).  König  Maxi- 
milian II.  von  Bayern,  dessen  Gast  er  in  Berchtesgaden  gewesen  ist,  schickt  er  einmal 
zusammenfassende  Andeutungen  über  das  Verhältnis  künstlerischer  uni  politischer 
Epochen  (S.  404).  Von  dichterischen  Werken  seiner  Zeit  spricht  er  nicht  viel:  Rückerts 
Saultragödie  wird  wohl  einmal  schnell  abgethan  (S.  329),  und  Bettinas  Briefwechsel  als 
absichtlich  und  selbst  langweilig  bemängelt,  so  sehr  dieses  Buch  die  ganze  liebens- 
würdige, geistreiche  Person  sei  (S.  271  f ).  Aber  Arnims  schöner  Tod,  den  er  schildert, 
erschüttert  ihn  tief  (S.  245,  250);  über  Waiblingers  leichtfertiges  Leben  und  verschuldete 
Krankheit  berichtet  er  hart  an  Heinrich  Ritter  aus  Rom  (S.  229),  und  mit  Platen  ver- 
bindet   ihn    Freundschaft    und    Briefwechsel:    er    hilft    den    Kranken    in    Rom    pflegen 


habe  auf  e.  Mangel  an  innerer  Teilnahme  beruht.)   -    217)  X  (IV  6  :  182 e;    nach  N.  21  i  )  —  218)  X  Heinr.  Weber,    Zwei 


79  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhundert».  iv  1:  219-221 

(S.  232,  234),  scherzt  tVber  sein  Interesse  für  eine  schöne  Landsmännin  aus  Thüringen 
(S.  23G)  und  vermittelt  1831  seinem  „Märchen"  (sind  die  „Abbassiden"  gemeint?  „Roseii- 
sohn"  war  schon  1827  gedruckt)  den  Reiraerschen  Verlag  (8.  256).  Bei  Reimer  lernt 
er  1827  Aug.  Wilh.  Schlegel  kennen,  bei  dem  er  durch  alles  Amüsante  „eine  gewisse 
Leerheit"  durchspürt  (S.  100),  in  Wien  desselben  Jahres  Friedr.  Schlegel,  der  den  philo- 
sophischen Unterricht  für  junge  Leute  verwirft  (S.  180).  Schleiermachers  herrlichen  Tod 
beschreibt  er  mit  Wurme  (S.  206),  wälirend  er  von  Charlotte  Stieglitz'  Ende  nur  ktihl 
redet;  er  glaubt  nicht,  dass  dieser  Opfertod  den  Mann  ändern  wird,  dem  die  Poesie 
immer  ein  Effort  gewesen  sei  (S.  270).  Der  Anhang,  der  die  Idee  einer  Akademie  für 
deutsche  Geschichte  und  Sprache  in  mehreren  Eingaben  und  Entwürfen  formuliert,  ist 
ein  .iiistorisch  wertvolles  Dokument  für  diese  neueste  Etappe  des  uralten  Planes. — 

Als  man  im  Jan.  1830  die  sterblichen  Reste  des  armen,  von  Ranke  so  scho- 
iiim^slos  getadelten  Waiblinger  zur  Cestiuspyramide  hinaustrug,  da  folgte  dem  Sarge 
(k;r  junge  Theologe  Karl  Hase^iö),  der  in  gerührter  Teilnahme  der  Geliebten  in  der 
Heimat  von  dem  unglücklichen  Tübinger  Studiengenossen,  seinem  glühenden  Erstlings- 
werk „Phaeton"  und  seinen  traurigen  letzten  Stunden  berichtet.  Die  Verscliiedenheit 
der  Parbengebung  und  des  Urteils  bei  Ranke  und  Hase  erklärt  sich  ebenso  aus  dem 
Aiilass  ihrer  Briefe  wie  aus  der  Verschiedenartigkeit  ihrer  geistigen  Physiognomie. 
J(Mier  Brief  Hases  gehört  zu  seinen  „Erinnerungen  an  Italien  in  Briefen  an  die  künftige 
Geliebte",  die  Sohnespietät  jetzt  mit  den  längst  bekannten,  köstlichen  „Idealen  und 
Irrtümern"  219)  und  den  späteren  kunstlosen  Aufzeichnungen  „Annalen  meines  Lebens" 
zu  einem  starken  Bande  „Karl  von  Hases  Leben"  zusammengefasst  hat.  Jene  „Erinne- 
rungen an  Italien"  220)  berichten  von  der  Reise,  die  H.  zusammen  mit  Gottfr.  Hermann 
im  Winter  1829 — 30  unternommen  hat.  Der  Zauber  dieser  liebenswürdigen  und  milden 
Natur,  dieses  anmutigen,  in  allem  ästhetischen  Geistes,  dem  die  Grazie  der  Rede  in  un- 
gewöhnlichem Masse  zu  Gebote  stand,  macht  seine  italienischen  Reisebriefe  ebenso  zu 
einem  Scliatze  unserer  Memoirenlitteratur,  wie  die  „Ideale  und  Irrtümer",  an  die  sie 
unmittelbar  anschliessen.  H.  verdriesst  es,  dass  die  meisten  Menschen  Juristen,  Theo- 
logen, Kesselflicker  sind,  aber  keine  Menschen.  Bei  ihm  hat  der  Theologe  den 
Menschen  nicht  geschädigt.  Das  erfährt  der  Pfarrer,  gegen  dessen  Bekehrungs versuche 
H.  den  sterbenden  Sünder  Waiblinger  sehr  untlieologisch  in  Schutz  nimmt  (S.  140); 
das  offenbart  sich  in  der  Wonne,  mit  der  H.  zu  Rom  den  guten  katholischen  Heiden 
Winckelmann  preist  (S.  118).  Ihrem  Stil  nach  gehören  die  Reisebriefe  unter  die  Aus- 
läufer der  sentimentalen  Reisen.  Der  Geist  und  Herz  beherrschende  Poet  ist  Jean  Paul. 
Eine  Pilgerfahrt  zu  seinem  Grabe  bildet  das  Präludium  (S.  3);  in  München  wird 
seine  Tochter,  Frau  Emma  Förster,  besucht  (S.  14).  Wo  wir,  die  wir  Jean  Paul  nicht 
lesen,  wenn  wir  nicht  müssen,  etwa  sagen:  ,, Jeder  Mensch  hat  etwas  vom  Faust  in 
sich",  sagtH. :  ,,Wir  haben  fast  alle  etwas  von  Roquairol  an  uns"  (S.  181);  bei  Isola 
Bella  erbauen  sich  die  Reisenden  am  „Titan",  dessen  Gestalten  für  H.  fast  Schutzgeister 
gewesen  sind  (S.  64),  und  es  ist  ihm  besonders  anziehend,  das  echte,  von  Jean  Paul 
nie  geschaute  Italien  mit  dem  Phantasiebilde  des  Dichters  zu  vergleichen  (S.  133). 
Noch  1850  zaubert  dem  älteren  Mann  der  „Quintus  Fixlein"  Stimmungen  der  Jugend 
vor  die  Seele  (Annalen  S.  88).  Neben  Jean  Paul  kommt  in  den  Briefen  kein  anderer 
deutscher  Dichter  ernstlich  vor,  nur  Goethe  natürlich  ausgenommen,  der  den  Reisenden 
in  Turin  durch  ein  Drama  „Werther"  mit  gutem  Ausgange  ä  la  Nicolai  unsanft  in  Er- 
innerung gebracht  wird.  In  Florenz  schreibt  H.  die  deutschen  Knittelverse  des  16.  Jh. 
ab,  die  unter  einem  Doppelbilde  der  beiden  sächsischen  Reformationskurfürsten  von 
Lucas  Cranach  stehen  (S.  99).  Sonst  aber  ist  mehr  von  eigenen,  freilich  kaum  ernst 
gemeinten  poetischen  Plänen  die  Rede  als  von  den  Poesien  anderer.  Auf  dem 
Comersee  macht  H.  Verse  (S.  61);  in  Tirol  plant  er  ein  Hoferdrama,  in  Rom  eine  Tra- 
gödie „Raphaels  Braut",  deren  Idee  er  uns  ausführlich  ausbreitet  (S.  125  flf.);  und  in 
einem  Satanidenroman  „Merhn",  dessen  teuflischer  Held  zuletzt  Papst  werden  und  der 
die  Entwicklung,  des  römischen  Katholizismus  darstellen  soll  —  ein  Plan,  lange  vor 
Gutzkows  „Zauberer"  gefasst  —  will  er  sogar  mit  Miltons,  Klopstocks  und  Goethes 
Teufeln  wetteifern  (S.  134  if).  Bei  der  Abreise  von  Sicilien,  23.  Mai  1830,  brechen  die 
Briefe  ab.  —  Die  „Annalen  meines  Lebens" -21),  die  mit  dem  18.  Juli  desselben  Jahres 
einsetzen  und  bis  zum  Tode  reichen,  tragen    ein    ganz    anderes  Gepräge.     Sie    bestehen 


Selbstbiograpliien.  K.  Hase,  J.  Fröbel:  PrJbb.  67,  S.  264—78.  (Kennzeichnet  Hase  als  e.  im  Grunde  anpolitischen  Geist.)  — 
219)  X  Karl  v.  Hase,  Jngonderinnerungen.  Ideale  u.  Irrtömer.  (3.  Abdr.)  (=  Ges.  Werke.  XI,  1.)  Leipzig,  Breitkopf 
&  Kartei.  1890.  XIV,  230  S.  M.  5,00.  |[Rich.  Weitbrecht:  BLU.  N.  15;  F.  Bienemann:  ib.  N.  26;  SchwabKron.  N.  72; 
P.:  N&S.  57,  S.  151;  C.  S.:  DK.  II,  252 f.;  S.:  DRs.  1890/1,  S.  317.]|  — 220)  X  id.,  Erinnerungen  an  lUlien  in  Briefen  an  d. 
künftige  Geliebte.  (=  Ges.  Werke.  XI,  1.)  ebda.  1890.  IV,  272  S.  M.  6,00.  -  221)  (IV  6  :  113;  S.  45  über  sein  Kommers- 
bHch;  S.  69  d.  alte  Schelling  erinnert  ihn  an  d.  zweiten  Teil  d.  Faust;  S.  92  BegrOssung  durch  Bansen  in  London;  S.  116 
Auflilliruiif,'  il  „lluldiKung  d.  KUu.-le'  'n  Weimar  1854;  !S.  149  l'orliner  Univeroitltsjubillum ;  S.  355,  259  warmes  Lob  FrommeU : 
S.  3;{5  Über  Uahus  „Gelimer".)     |LKith.  Weitbreoht:  BLU.  N.  52;    P.:  NiS.  59,    424;  Gesellsch.    S.  1689;    DBs.  1891/2.  I, 


IV  1:  222-227.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18.' 19.  Jahrhunderts. 


80 


aus  kurzen  Jahresübersichteu,  die  H.  bis  1888  selbst  regelmässig  nach  seinen  Tage- 
büchern angefertigt  und  die  der  Sohn  ergänzt  hat  aus  den  zahllosen  Briefen  des 
Nachlasses:  die  Briefe,  die  H.  von  seinen  fast  alljährhchen  Reisen  an  die  Gattin  schrieb, 
die  Briefe  an  die  Kinder  bilden  dabei  den  Grundstock.  Der  redigierende  Sohn,  Karl 
Alfred  von  Hase,  ergreift  niir  für  die  letzten  Tage  des  Vaters  kurz  das  Wort.  Ist  der  künst- 
lerische Reiz  dieser  ,,Annalen"  geringer,  der  Reiz  der  Persönlichkeit  ist  es  nicht.  Dass 
Universitätsverhältnisse  eine  grosse,  uns  minder  interessierende  Rolle  spielen,  ist  selbst- 
verständlich ;  die  Beziehungen  zu  Weimar  bieten  doch  manches  Anziehende.  H.  besucht, 
fast  beklommen,  Goethe,  auch  seine  liebliche  junge  Frau  wagt  es  mutig  und  mit  gutem 
Erfolg  (S.  4  f.,  16  ö".;  vgl.  Goethes  Gespräche  8,  S.  141  ff.).  An  Goethe  erinnert  ihn  Jac. 
Grimm,  der  ihn  in  Jena  besucht  und  sein  ganzes  Herz  gewinnt  (S.  36).  Einem  Anderen  der 
Sieben,  Dahlmann,  hält  H.  den  Abschiedstoast,  als  jener  nach  Bonn  berufen  ist  (S.  47). 
Als  er  den  litterarischen  Nachlass  Karolinens  v.  Wolzogen  durchblättert,  da  rührt  es 
ihn  zu  sehen,  wie  entsagend  die  feinfühlige  Frau  die  zärtlichen  Worte,  die  Scliiller  in 
seinen  Briefen  auch  an  sie  gerichtet  hq,tte,  für  den  Druck  alle  auf  Lotte  überträgt 
(S.  77).  Auf  seinen  italienischen  Reisen  sieht  er  durch  München  fahrend  oft  Paul 
Heyse  (S.  128,  185):  er  rühmt  seine  „Thekla",  in  der  nach  dem  ursprüngliciien  Plane 
Paulus  selbst,  nicht  sein  Jünger  Tryphon,  das  Herz  deß  Mädchens  gefangen  nahm,  und 
billigt  die  Aenderung  des  Vorwurfs  (S.  133).  Den  goldnen  Doktor  feiert  ein  präch- 
tiges Carmen  saeculare  Geroks  (S.  253).  Einer  der  letzten  grossen  Momente  dieses 
reichen  Lebens  ist  eine  Unterredung  mit  Bismarck  in  Gastein  im  Aug.  1886  (S.  338  £).  Von 
der  Ecclesia  militans  wird  H.  durch  Herzensmilde  und  ästhetischen  Geschmack  ferngehalten; 
ohne  den  Kampf  zu  scheuen,  lebt  er  doch  im  Innern  Frieden  mit  der  Welt,  die  sein  kluges 
Auge  weithin  überschaut.  —  Derselbe  friedliche  Geist  spricht  zu  uns,  aber  freilich  aus  der 
Enge  des  ländlichen  Pfarrhauses,  in  Hagenmeyers^S-*)  schlichten  Jugenderinnerungen,  die 
uns  namentlich  von  der  Bildungsanstalt  der  Brüder  Paulus  auf  dem  Salon  bei  Ludwigs- 
burg erzählen,  und  aus  der  prächtigen  Familiengeschichte  Z  arn  ckes  2-'3).  die  uns 
nicht  nur  in  die  revolutionären  Schreckenstage  von  Bützow,  sondern  weiter  mit  Z.s 
Vater  über  die  Universitäten  Rostock  und  Göttingen  bis  in  die  stille  Pfarrwohnung 
von  Zahrenstorf  führt.  Beide  Bücher  sind  auf  den  Ton  des  genrehaften  Idylls  ge- 
stimmt. —  In  eine  andere,  mipder  frische  Luft  ziehen  uns  die  Erinnerungen  Imm. 
Hegels  224)^  (Jes  langjährigen  BerHner  Konsistorialpräsidenten.  Wie  sein  Vater,  der 
grosse  Philosoph,  die  Anmassung  des  subjektiven  Meinens  missbilligte,  so  thut  das  der 
Sohn  der  Kirche  gegenüber.  In  streng  orthodoxem  Sinne  sucht  er  auf  das  kirchliche 
Leben  Berlins  einzuwirken,  das  in  dem  Heftchen  ausführlicher  dargestellt  wird.  Uns 
geht  hier  höchstens  an,  was  er  über  seine  Stellung  als  vortragender  Rat  Bismarcks  er- 
zählt. —  Ergiebiger  sind  uns  die  Erinnerungen  des  Hegel  in  seinen  kirchlichen  An- 
schauungen nahe  stehenden  Luthardt  ^25).  Sie  sind  schriftstellerisch  von  entschiedenem 
Reiz.  Von  den  Stätten  seiner  Kindheit,  Schweinfurt  und  Nürnberg,  giebt  er  hübsche 
Skizzen;  die  Schilderung  seiner  Gymnasialzeit  veranlasst  ihn,  für  einen  christlichen 
Humanismus  einzutreten  und  Einsprache  zu  erheben  gegen  den  thörichten  Satz:  „Nicht 
Griechisch,  sondern  Kegelschnitte".  In  Berlin  führt  er  uns  in  Schellings  Kolleg  (S.  69) 
und  in  Rankes  Hörsaal,  dessen  Verurteilung  des  modernen  Konstitutionalismus  ihm  da- 
mals noch  nicht  gefiel  (S.  93  ff.) ;  die  Romantik,  für  die  er  schwärmt,  sucht  er  bis  in 
die  Häuser  des  massiv  gläubigen  Eschenmayer  und  des  selor  viel  naturwissenschaftlicher 
vorgehenden  Justinus  Kerner  auf  (S.  108  f.);  in  seine  theologische  Entwicklung  spielt 
Lessings  Frage,  wie  weit  Geschichtswahrheiten  der  Beweis  für  notwendige  Verininft- 
wahrheiten  seiti  können,  stark  hinein  (S.  119)  und  führt  ihn  ebenso  zur  höchsten  Wert- 
schätzung der  Geschichte,  in  der  ihn  das  Studium  Joh.  v.  Müllers  bestärkt  (S.  159), 
wie  zu  der  paradoxen  Würdigung  Lessings  als  eines  Apologeten  des  Christentums;  in 
München  tritt  er  in  Rohmers  Nähe  und  erzählt  hübsche  Aussprüche  Schwinds,  hat 
von  Lasaulx  und  Schubert  warme  Eindrücke  und  tritt  dem  Kinderdichter  Friedr.  Gull 
freundschaftlich  nahe  (S.  158).  Aber  das  sind  Einzelheiten.  Das  Beste  an  dem  Buche 
ist  die  Gallerie  theologischer  Charakterköpfe,  die  es  mit  grossem  Geschick,  wenn  auch 
nicht  tendenzlos  schildert.  Da  ist  Dav.  Friedr.  Strauss,  der  L.  merkwürdig  steif  und 
im  Grunde  platt  scheint  (S.  151  f.),  da  der  Erlanger  Theologe  Harless  mit  seiner  An- 
lage zum  Kii'chenfürsten,  von  dem  L.  ein  eigentümlich  archaisches  Lied  mitteilt,  da  sein 
College  Hofmann,  auch  er  zugleich  Poet  (S.  54  ff.),    neben  den  er  den  gleichfalls  dich- 


S.    394;    Gegenw.  40,  S.  398.]|.  —  222)    K.    Hagenmeyer,    Jugenderinnerungen.      Karlsruhe,    ReifF.      39    S.       M.    0,25.    — 

223)  [Zsrncke],  Aus  d.  Leben  d.  Grossvaters  u.  d.  Jugendleben  d.  Vaters.  D.  Geschwistern  erzählt  v.  Bruder  Ftiedrioh. 
Als  Ms.  gedr.  Leipzig,  llreitkopf  &  HSrtel.  XII,  224  S.  j[A.  Schroeter:  BLÜ.  N.  37 ;  Spielhageu  empfohlen,  damit  er  rechte 
Bilder    v.    mecklenburg.    u.    pommorschen    Pfarrhaus    zeichnen   lerne.]|      (S.    157     launige   Verse   d.  Cand.  theol.  Zarnoke.)  — 

224)  Iram.  Hegel,    Erinnerungen    aus    meinem    Leben.      Bprlin,    Vorl.    d.   Christi.  Zoitschriften Vereins.      56  S.      M.  1,00.    — 

225)  Chr.  E.  Luthardt,  Erinnnrungen  ans  vergangenen  Tagen  2.  vielfach  verm.  Aufl.  Mit  d.  Bildnis  d.  Vf.  Leipzig, 
Dörflling  &  Franoke.    VI,  373  S.  m.  Bildn.    M.  5,00.    —    226)    (IV  6  :  122.)    ILSchwabKron.    N.   161. jL    —   227;    K.    Lorinser. 


80«  Gt'  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  JahrhundJerts.  IV   1:  228-231. 

tenden  originellen  Philosophen  v.  Schaden  stellt;  da  Schleierraacher,  der  ihm  zu  dialek- 
tisch vorkommt  (S.  95),  da  der  mystische  Pfarrer  Blumhardt  (S.  98),  da  der  Dichter 
und  Philolog  Ebrard  (S.  337),  da  vor  allem  Vilmar  (S.  352  ff.)  Und  fast  noch  feiner 
zeichnet  L.  die  katholischen  Theologen,  denen  er  auf  Reisen  und  sonst  begegnet.  Es 
ist  charakteristiscli,  dass  Döllinger  (S.  244  ff.)  dabei  lange  nicht  so  gut  fortkommt  wie 
manch  kleinerer;  der  grosse  Gelehrte  hat  dem  strengen  Lutheraner  viel  zu  viel  von 
einem  Erasmus.  Der  Vergleich  liesse  sich  hören,  wäre  er  nur  nicht  tadelnd  gemeint.  — 
Die  Erinnerungen  an  Döllinger,  die  Luise  von  Kobell^^)  wesentlich  aus  den  Gesprächen 
mit  dem  ausgezeichneten  Manne  zusammengestellt  hat  und  die  uns  so  mit  seinen 
eigenen  Worten  in  manche  Gedankenreihen  seines  Alters  einführen,  erhellen  freilich 
das  Interieur  seines  späteren  Lebens,  sichten  aber  leider  allzu  wenig  das  Wichtige  vom 
Gleichgültigen,  die  alte  Anekdote  vom  neuen  Bonmot;  das  schädigt  den  erasmischen 
Eindruck.  Von  Dichtern  steht  für  D.  Dante  begreiflich  besonders  hoch;  die  berühmte 
Fauststelle:  „Das  Drüben  kann  mich  wenig  kümmern"  usw.  missbilligt  er  nicht  als 
Theologe,  sondern  weil  sie  unlogisch  sei.  Er  erzählt,  wie  Zschokkes  „Stunden  der 
Andacht"  in  seiner  Jugend  von  der  katholischen  Geistlichkeit  als  ein  Werk  des  Satans 
verfolgt  wurden:  ihm  schienen  andere  Dinge  dieses  Prädikats  erheblich  würdiger.  Be- 
sonders widerwältig  ist  ihm  die  Zeitungskrittelei,  die  selbst  eine  so  herrliche  Gestalt 
wie  die  Bismarcks  nicht  verschont  und  dadurch  der  Jugend  den  Enthusiasmus  schmäh- 
lich verkümmert:  D.  wird  warm,  da  er  auf  den  Kanzler  zu  reden  kommt.  Voll  Be- 
wunderung spricht  er  von  Rankes  Objektivität,  merkwürdig  freundlich  vom  Staelbuch 
der  Lady  Bleiuxerhassett,  der  wohl  seine  seltsame  Vorliebe  für  England  zu  gute  kam. 
Eine  hübsche  psychologische  Kritik  wendet  er  (S.  117  f.)  auf  die  von  Brentano  aufge- 
zeichneten Visionen  der  Katharina  Emmerich  an.  —  Lorin 8er227j  hat  gewiss,  wenn  er 
diese  Kritik  gelesen  haben  sollte,  sich  bestärkt  gefunden  in  dem  Gefühl,  das  er 
schon  1841  D.  gegenüber  hatte,  dass  dieser  Mann  „zum  mindesten  ein  Genie,  vielleicht 
sogar"  usw.  sei.  Die  Aufzeichnungen  des  Breslauer  Domkapitulars  „Aus  meinem  Leben" 
werfen  ein  unbeabsichtigt  scharfes  Schlaglicht  auf  die  geistige  Atmosphäre,  die  in  ge- 
wissen ultramontanen  Kreisen  brütet.  Der,  wie  es  scheint,  nicht  einmal  ganz  talentlose 
Vf.,  Sohn  eines  Arztes,  der  an  die  Heilkraft  der  Reliquien  glaubt,  und  einer  renegaten 
Protestantin,  kennt  nur  ein  Lob:  korrekt  katholisch;  der  Famulus  von  Görres,  Dr.  Sepp, 
erscheint  ihm  alsbald  als  verlorene  Seele,  weil  er  —  das  Buch  Esther  für  apokryph 
hält.  Nicht  leicht  unterlässt  er  uns  mitzuteilen,  ob  die  Person,  die  er  uns  schildert,  im 
Frieden  mit  der  Kirche  gestorben  sei,  vielleicht  dem  Herrn  Pfarrer  gar  die  Hand  geküsst 
habe,  oder  nicht.  Nur  wer  sein  R.  i.  p.  mitbekommt,  darf  auf  freundliche  Beurteilung 
rechnen:  von  protestantischen  Gelehri-en  findet  eigentlich  nur  Heinr.  v.  Schubert  eine 
wohlwollende  Schätzung.  Schon  bei  der  Schilderung  der  Oppelner  Gymnasialjahre  tritt 
die  instinktive  Abneigung  des  XJltr amontanen  gegen  Goethe  hervor:  Schiller  und 
Shakespeare  fahren  viel  besser,  wahrscheinlich  ihres  angeblichen  KryptokathoKzismus 
wegen.  Von  dramatischen  Darstellungen  hat  nie  eine  so  stark  auf  L.  gewirkt  wie 
das  Oberammergauer  Passionsspiel.  In  München,  wo  er  studiert,  verkehrt  er  ganz  be- 
sonders in  Konvertitenkreisen:  da  treten  Phillips,  Jarckeu.  a.ims  in  gloriosem  Nimbus  entgegen. 
Der  enthusiastische  Bericht,  den  L.von  den  geschieh tsplülosophischen  Vorlesungen  des  alten 
Görres  giebt,  ergänzt  die  meist  voreingenommen  ungünstigen  Schilderungen,  die  wir 
sonst  von  diesen  Vorlesungen  haben:  für  L.  überragt  Görres  den  Durchschnitt  der 
Universitätsprofessoren  so  wie  der  Himalaya  alle  anderen  Gebirge;  hätte  er  nur  von 
Görres,  dessen  „Rheinischen  Mercur"  er  doch  einmal  rühmt,  etwas  mehr  Vaterlandsliebe 
gelernt!  Die  fehlt  ihm  ganz:  unglaublich  sind  seine  Aeusseruugen  z.  B.  über  den 
Kölner  Streit;  neu  war  mir,  dass  man  auf  italienisch  damals  Bunsen  zu  Ehre  ein  Zeit- 
wort bunsare  „schwindeln"  gebildet  habe.  Die  interessanteste  Gestalt  des  Buches  ist 
für  uns  Clemens  Brentano,  der  in  jenen  Konvertitenfamilien  den  genialen  Sonderling 
sjiielt  (I,  S.  373,  378;  II,  S.  77)  und  sich  mit  L.s  Vater  über  Katharina  Emmerich  unter- 
hält; sie  hat  seinen  Gedankenkreis  offenbar  auch  damals  noch  ganz  beherrscht.  — 

Abseits  von  den  Miinchener  Konvertiten  stand  schon  in  den  Motiven  seines 
Schrittes  Geo.  Friedr.  Daumer,  von  dessen  mächtiger  philosophischer  Wirkung  uns  der 
aus  Ansbach  stammende  Schauspieler  Schultes^ss)  berichtet,  mit  dessen  kiu^ien 
biographischen  Erinneningen"  ich  die  Reihe  dieser  Selbstbiographien229-23i^  abschliesse. 
S.  dachte    allen  Ernstes    daran,  Philosophie    lieber  bei  Daumer    als    in  Leipzig   zu  stu- 


Aus  meiuem  Leben.  Wahrheit  u.  keine  Dichtung.  1.  Bd.  (1821  —  1841).  2.  Bd.  (1841—1844).  RegensburK,  Yerlagsanst  ronn. 
Mani.  IV,  404,  562  S.  H.  4,00.  —  228)  C.  Schnltes,  Aus  meinen  Erinnerungen  I— II:  Oegenw.  40,  S.  216/7,  232  4.  — 
229)  X  Carl  Theod.  Hermann.  Erinnerungen:  BaltMscLr.  38,  S.  1—23,  81—93.  (Aus  d.  Leban  e.  Haus-,  spKter  Gymnasial- 
lehrers in  d.  Ostseeprovinzen  1798—1804;  d.  Vf.  lernt  Frau  t.  Krtldener  Tor  ihrer  geistl.  Periode  kennen ;  ftthrt  •.  Frl.  t.  Vieting- 
lioff  in  d.  Atsvh  Litt,  ein  durch  Schiller,  Goethe  u.  —  Benedicte  Naubert;  berührt  d.  GrOndung  u.  d.  Anfinge  d.  Unirersitat 
üorpat.)  —  230)  XX  Breitschwert,  Lebenserinnerungen.  Stuttgart,  Hettler.  M.  1,00.  —  231)  XX  J-  KOstlin,  E. 
Autobiographie.  (=  Dtsch.  Denker  u.  ihre  QeistessehOpfungen.  Her.  r.  0.  Wild«.  Heft  9— lä.)  Dantig,  Hinstorff.  264  S. 
JkhrMbariohte  für  neuer«  deateohe  Litteratuxgeeohiohte  II  is>.  5* 


IV  1:  232.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  80b 

dieren;  erst  Ludwig  Peuerbach,  der  den  Tink  der  schmachtenden  Nachtigall  vorzog, 
brachte  ihn  davon  ab.  In  seiner  Vaterstadt  lernt  S.  auch  den  armen  Poeten  Georg 
Scheurlin  kennen,  der  mit  Daumer  an  Caspar  Hauser  herumerzog.  In  München  findet 
er  Massmann  als  Turnlehrer  am  Kadettenkorps.  Die  Leipziger  Mimen  und  Kritiker 
werden  skizziert;  die  Aufzeichnungen  schliessen  mit  der  Schilderung  eines  Besuchs,  den 
S.  in  Begleitung  von  Ernst  Keil  dem  verkommenen,  in  unglaublichen  Verhältnissen 
vegetierenden  poetischen  Genie  F.  Marlow  (d.  i.  Wolfram)  macht.  — 

Wie  die  Selbstbiographien,  die  ich  durchmusterte,  uns  in  diesem  Zusammen- 
hange zumeist  anziehen  durch  die  biographischen  Einzelheiten,  die  ihren  Verfasser  in 
Berührung  mit  anderen  Männern  der  Litteratur  zeigen,  so  beschäftigen  uns  hier  die 
Briefsammlungen,  die  im  Jahre  1891  neu  publiziert  worden  sind,  in  gleicher  Weise 
weniger  um  ihrer  Schreiber  selbst  willen  als  durch  den  Gewann  an  zerstreutem  litte- 
rarhistorischem  Detail,  den  sie  bieten.  Manches  hier  übergehend,  was  an  geeigneterer 
Stelle  in  diesen  Berichten  seinen  Platz  finden  wird,  beginne  ich  meinen  Ueberblick  mit 
den  34,  von  1745  bis  1786  sich  erstreckenden  Briefen  an  Ramler,  die  F.  Wilhelm  232) 
aus  dem  Nachlasse  seines  Vaters  mit  ausreichenden  Erläuterungen  veröffentlicht  hat. 
Sie  zeigen  Ramler  als  den  unbegreiflich  verehrten  Meister  der  Form,  von  dem  Christ. 
Felix  Weisse  alles  Ernstes  voraussetzt,  dass  er  in  seiner  „Lyrischen  Blumenlese"  etliche 
Lieder  zu  Meisterstücken  umgeformt  habe,  „die  vorher  so  elend  und  nichts  bedeutend 
waren,  dass  sie  die  Vergessenheit  verdient  hätten"  (S.  248).  Dem  entspricht  es,  dass 
Weisse  selbst  seinen  ,,Calas",  Sam.  Gotth.  Lange  seine  Gedichte  (S.  42)  Ramler  zur  Ver- 
besserung schickt,  dass  Knebel  für  Dierickes  „Ode  über  die  Vergänglichkeit"  (S.  238) 
Ramlers  „Hebammendienste"  in  Anspruch  nimmt  und  meldet,  wie  selbst  der  Dichter 
der  „Nachtfeyer"  stolz  sein  würde  auf  solche  Förderung,  dass  der  Petersburger 
V.  Nicolay  ihn  zum  „Pflegevater  seiner  Muse"  macht  (S.  259),  ganz  zu  schweigen  von 
den  Bitten  um  sein  Urteil,  mit  denen  ihm  Sal.  Gessner  (S.  234  f.)  und  gar  der  spröde 
Joh.  Heinr.  Voss  (S.  250)  ihre  Arbeiten  zusenden.  Aber  auch  dieser  poetische  Schul- 
meister xar'  i^oxn'v  findet  seinen  Orbilius:  Joh.  Arn.  Ebert  korrigiert  bei  aller  volltönenden 
Bewunderung  sowohl  in  einem  Briefe  an  Ramler  selbst  (S.  241  ff.)  wie  in  einem  an- 
hangsweise beigefügten  Schreiben  an  Lessing  (S.  260  ff.)  ganz  munter  an  Ramlers  Oden 
herum  und  enthält  ihm  die  bittere  Anekdote  nicht  vor,  dass  Friedrich  der  Grosse  diese, 
ihm  von  Quintus  Icilius  unterbreiteten  Oden  „als  unverständlich  weggelegt  hätte". 
Neben  dem  poetischen  Korrektor  Ramler  tritt  auch  der  Redaktor  in  den  Briefen  stark 
hervor:  wir  erfahren  in  Sulzers  Brief  vom  10.  Juli  1750  von  den  Nöten,  die  ihm  seine 
„Critischen  Nachrichten"  machen  (S.  53);  als  er  sie  aufgegeben  hat,  weiss  Spalding 
bald  von  Plänen  zu  einer  neuen  Monatsschrift  (S.  67),  und  der  bekannte  grosse  Plan 
einer  XJebersetzungsbibliothek,  die  Ramler  leiten  wollte,  kommt  namentlich  in  Briefen 
Gleims  (S.  57  f.),  Schuldheiss'  (S.  69),  Joh.  Joach.  Ewalds  (S.  229  fi.)  zur  Sprache;  es 
zeigt  sich,  dass  das  Unternehmen  nicht  zum  wenigsten  daran  scheiterte,  dass  nicht  nur 
Klopstock,  sondern  auch  die  dii  minorum  gentium  es  grossenteils  vorzogen,  selbst  über- 
setzt zu  werden,  statt  zu  übersetzen.  An  den  Uebersetzer  Ramler  appelliert  Garve,  der 
gerne  eine,  .  nicht  näher  bezeichnete,  englische  Philosophie  of  Rhetoriks  von  ihm 
übertragen  und  umgearbeitet  sehen  möchte  (S.  251).  Dass  andere  Zeitschriftenredak- 
teure, wie  Voss,  Wieland,  Boie,  mit  dessen  Musenalmanach  Knebel  die  Verbindung 
vermittelt.  Ramlers  Hilfe  oder  Rat  in  Anspruch  nehmen,  ist  selbstverständlich  (S.  237  ff., 
241,  247,  250).  Der  bis  zur  Eifersucht  sich  steigernde  Freundschaftsenthusiasmus  tritt 
namentlich  in  einigen  sehr  tändelnden  Briefen  Gleims  (S.  71  ff.)  und  in  einer  über- 
schwänglichen  Epistel  Joh.  Andr.  Cramers  (S. '  59  ff.)  hervor ;  Klopstocks  um  Liebe 
werbende  Zeilen  (S.  48)  verleugnen  nicht  die  imposante  Würde,  die  dem  gefeierten 
jvmgen  Dichter  eignete.  Von  ihm  ist  in  den  früheren  Briefen  besonders  viel  die  Rede. 
Gleim,  der  im  Frühjahr  1750  in  Halberstadt  seine  Bekanntschaft  gemacht  hat,  schildert 
ihn  neben  seinem  ausgelassenen  Vetter  Schmidt,  der  Ramler  gleichfalls  um  Freundschaft 
bittet,  als  immerhin  „ein  bisgen  gesetzter  als  wir  kleinen  Poeten  Amors"  (S.  48);  aber 
er  rühmt  doch,  dass  er  „kein  so  ernsthafter  Gesellschafter  als  Dichter"  sei.  Sulzer,  der 
damals  in  Magdeburg  weilt  und  diese  Landschaft  als  die  schönste  Gegend  preist,  ist 
Zeuge  der  Magdeburgischen  Triumphe  des  Messiasdichters,  der  ihm  ein  „allerliebster 
Mann"  ist,  aber  doch  sichtlich  als  ,, galanter  Leipziger"  auffällt  (S.  52).  Einem  Briefe 
Gleims  über  dieselben  Magdeburger  Festtage  entnehmen  wir,  dass  in  Klopstocks  Kopfe 
damals  unter  Sacks  Anregung  der  Plan  zu  einem  Epos  „Joseph"  auftauchte  (S.  57). 
Von  Zürich  aus  berichtet  Sulzer  im  Aug.  1750  ganz  in  Bodmers  Sinne  über  Klopstocks 
befremdendes  Wesen  (S.  63),  während  der  verständige  und  vorurteilslose  Joh.  Geo. 
Schuldheiss  sehr  herzlich  über  ihn  schreibt  und  nur  von  allzu  Ernsthaften  die  epische 
Grösse  und  messianische  Ernsthaftigkeit  an  ihm  vermissen  lässt  (S.  65).     Aber  freilich, 

mit  Portr.    Jede!  Heft  U.  0,60.   —  232)  Friedr.  Wilhelm,   Briefe  au  K.  W.  lUmler:   VLG.  4,  S.  41-79,   220—63.    (Ausser 


80c  G.  Roethe,  AUgeineinea  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:833, 

SchuldheiKH,  der  Verehrer  Kleists  (S.  04),  sieht  auch  mit  eigenen  Augen,  ist  entzückt 
von  dem  sage  vohiptuoux  Hagedorn,  der  dem  weisen  Salomon  mutig  ein  „Sanitas  sani- 
tatum  sanitas"  ontgegenrief,  redet  von  den  biblischen  Epen,  die  Bodmers  „fertige 
Muse"  so  reic'hhVh  in  die  Welt  setzte,  recht  lau  und  hält  Naumanns  „Nimrod"  für  eine, 
freilich  zu  langatmige,  Parodie  der  neueren  Epiker  (S,  05,  ß!>  f.);  ein  eigener  „Joseph" 
von  Schuldheiss  ist  kaum  über  den  ersten  Hexameter  hinaus  gekommen.  Wie  sehr 
Klopstocks  Gestalten  damals  die  Phantasie  beherrschen,  lehrt  auch  ein  Brief  Sucros  vom 
Sept.  1752  (S,  7<)).  Von  Klopstofk  selbst  hat  W.  ausser  jenem  kurzen  Freundschaft^- 
angebot  nur  einen  fragmentarischen,  daher  undatierten  Empfehlungsbrief  mitzuteilen 
(S.  253).  lieber  die,  zum  Teil  anonymen  Jugendarbeiten  Wielands  hören  wir  von  Schuld- 
heiss' (S.  70  f.)  und  namentlich  auch  von  Gessner  (S.  227)  sehr  warme  Worte.  An 
litterarischen  Urteilen  sind  die  Briefe  überhaupt  reich:  Gleim  hat  an  Ewalds  Oden  viel 
auszusetzen  (S.  58),  Knebel  wartet  mit  kritischen  Bemerkungen  über  ßoies  „Schnee- 
fiöckchen"  und  andere  Göttinger  Dichtungen  auf  (S.  240),  Weisse  urteilt  mit  höchster 
öchnödigkeit  über  die  Lenzschen  ,, Soldaten"  ab  (S.  249)  usw.  Auch  zum  Vertrauten 
eigener  Pläne  wird  Ramler  gemacht:  so  küTidigt  sich  ihm  Clodius  als  künftigen  Fabel- 
dichter an  (S.  236);  Göckingk  und  PfefFel  erzählen  ihm  von  künftigen  Ausgaben  ihrer 
Dichtungen  (S.  255,  258).  Von  der  Entrüstung  über  Ramlers  eigenmächtige  Schul- 
meisterei  ist  in  diesen  Briefen  nichts  zii  hören :  er  steht  da  als  das  anerkannte  kritische 
Orakel  eines  mindestens  sehr  achtbaren  litterarischen  Kreises.  —  Kein  Wunder  immerhin, 
wenn  man  ausserhalb  dieses  Kreises  die  entzückten  Lobeserhebungen  der 
veiTamlerten  Dichter  für  eitel  Ironie  hielt!  So  ging  es  dem  Grafen  Friedrich  Leopold 
v.  Stolberg,  der  allerdings  dem  ganzen  Ramlerianismus  und  Berlinismus  grimmig  feind 
war,  im  Juli  1789  mit  dankenden  Aeusserungen  PfeflFels,  die  gewiss  ernst  gemeint 
waren.  Aber  Stolbergs  L'rtum  ist  um  so  begreiflicher,  als  seinen  Freunden  schon  Boie 
ein  zu  eigenmächtiger  Herausgeber  war.  Das  erfahren  wir  aus  S.  35  und  222  der  neuen 
vollständigen  Ausgabe  von  Stolbergs  Briefen  an  Voss,  die  Hellinghaus  233)  nach  den 
in  München  liegenden  Originalen  sorgfältig  veranstaltete  und  durch  die  nun  die  früheren 
Einzel-  und  Teilpublikationen  einiger  Briefe  weit  überholt  sind:  auch  aus  den  Briefen 
von  Voss  ist  manches  üngedruckte  den  überflüssig  ausführlichen  Anmerkungen  einverleibt 
worden.  Die  reichste  Ausbeute  gewähren  die  Briefe  natürlich  für  die  Kenntnis  des 
Schreibers  und  des  Empfängers:  beider  Dichtungen  wandern  hin  und  her,  zumal  die 
Iliasübersetzung,  in  der  Voss  Stolbergs  frühem  Versuch  weit  überholt,  giebt  zu  umfäng- 
lichen und  scharfen  Erörterungen  Anlass;  der  Götthiger  Bund  und  sein  Erbe,  der 
Göttinger  Musenalmanach,  machen  Stolberg  kaum  mindere  Sorge  als  dem  näher  be- 
teiligten Voss.  Es  weht  durch  die  Briefe  so  warm  der  Hauch  eines  liebevollen,  ehrlich 
freundschaftlichen,  dabei  phantasiereichen  und  begeisterungsfähigen  Gemüts,  dass  wir 
es  dem  Herausgeber  nachfühlen,  wenn  er  in  der  Einleitung  sehr  entschieden  und  immer- 
hin etwas  einseitig  die  Partei  Stolbergs  gegen  den  Vernunftmenschen  Voss  nimmt. 
Jene  Begeisterungsfähigkeit  kommt  anfangs  namentlich  Klopstock  zu  gute,  der,  so 
wenig  dieser  originalitätssüchtige  „Sohn  der  Natur"  sein  Jünger  heissen  will,  doch  als 
der  Dichter  an  sich  erscheint.  Aus  den  Gesprächen,  die  Stolberg  mit  dem  Meister  über 
den  Bund  führt,  war  schon  das  Meiste  bekannt.  Findet  er  Klopstocks  „Oden"  auch  zu 
dunkel  (S.  12),  so  ist  er  voll  grenzenloser  Bewunderung  für  Gelehrtenrepublik  (S.  17) 
und  Bardiete  (S.  84,  94,  120)  erfüllt.  Immerhin  bekommt  das  beharrliche  Betonen  der 
ewigen  Jugend  Klopstocks  allmählich  einen  leise  spöttischen  Beigeschmack  (S.  202). 
Aber  noch  den  zerschmetterten  Wittwer  tröstet  Klopstocks  „Psalm"  (S.  213),  und  es 
schmerzt  Stolberg  besonders,  dass  gerade  nur  er  und  Voss  von  seinem  verehrten  Lavat«r 
nichts  wissen  wollen  (S.  178).  Die  Schätzung  dieses  Mannes,  dessen  mystische  Schwächen 
er  nicht  verkennt,  liegt  ihm  sehr  am  Herzen  und  führt  zu  starken  Reibungen  mit  Voss 
(S.  164  ff.,  168,  173,  177  u.  ö.).  Riecht  dieser  überall  Jesuiten,  so  spielen  für  Stolberg 
die  Illuminaten  dieselbe  Rolle  (S.  164,  290),  obgleich  sein  Freund  Halem  zu  ihnen  gehört, 
dessen  Gedichte  er  als  „Näpfe  klares  Wassers"  charakterisiert  (S.  187).  Dass  er  über- 
haupt auch  an  den  Freunden  die  poetische  Schwäche  sieht,  zeigt  sein  Urteil  über 
Cramer  (S.  6),  der  ihm  nicht  bundeswert  scheint.  Dagegen  empfiehlt  er  für  den  Bund 
Schönborn  und  Bürger  (S.  5),  von  dem  er  an  anderer  Stelle  eine  dithjTambisch  kotige 
poetische  Einladung  zum  Göttinger  Musenalmanach  mitteilt  (S.  73).  Von  Hahn  erwartet 
er  viel  (S.  8,  17),  von  Leisewitz'  kleinen  Dialogen  redet  er  warm,  nur  dass  er  ihm  den 
„Besuch  um  Mitternacht"  am  liebsten  absprechen  möchte  (S.  24).  Sein  Verhältnis  zu 
Gerstenberg,  den  er  auch  dem  Bunde  empfiehlt  (S.  34),  ist  nicht  gleichbleibend:  seine 
„Minona"  widerstrebt  ihm  in  vielem  ('S.  120),  und  die  Freundschaft  hat  sich  1787  bis 
zur  Kälte  herabgestimmt  (S.  186).     Mit  heftiger  Schärfe  fällt  er  über  den  alten  Göttinger 


dem    im    Text    Erwähnten    unbedeutende    Briefe    Bürgers,    Mendel ssolias,    Friedr.    Nicolais;    Phil.    Eman.    Bach    verhandelt 
wiederholt   ttber   den    ron    Ramler   rerfassten    Text   d.    Cantate   ,D.    Auferstehung   u.    Himmelfahrt   Jesu".)    —    233)  Briefe 

5a» 


IV  l:  234-235.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  80 d 

Ueltzen  her,  gegen  den  er  auch  Voss  reizt  (S.  200).     Auf  den  Hallenser  Eberhard  (S.  79), 
auf  Alxinger  (S.  103),    den    Genieapostel    Kauffmann   (S.  116),    den    Humoristen    Müller 
(S.  167)  sausen    ein  paar  beiläufige  Jagdhiebe    nieder,    während  Klinger    eine    bedingte, 
der  Dichter  und  Musiker  Kaiser  eine  freundliche  Anerkennung  findet  (S.  35)  und  er  zu 
seiner  eigenen  Ueberraschung  in  Förster,  dem  Kollegen  Lichtenbergs,  dem  „Spiessgesellen 
der  Kröte",  einen  bescheidenen  und  interessanten  Mann  kennen  lernt  (S.  113).     Lessings 
Spinozismus  konstatiert  er,  halb  befriedigt,  dass  der    ihm    offenbar  wenig   sympathische 
Mann  sich    zu  dieser    kompromittierenden  Weltanschauung    bekannt    habe  (S.  145,  147). 
Er    ahnt    offenbar    nicht,    dass    sein    zweiter    poetischer  Abgott    nach    Klopstock,    dass 
Goethe  auf  den  gleichen  Bahnen  wandelte.     Die  unbeirrt  herzlichen  und  enthusiastischen 
Aeusserungen  über  Goethe  thun  wohl  und  zeigen  jedenfalls,  dass  Klopstocks  Misswollen 
über  Stolbergs  Seele  nie  Macht  gewann.    Das  Entzücken  explodiert  zuerst  beim  „Werther" 
(S.  25)   und  tönt    voll    aus    unter    den  Eindrücken    der  Weimarer    Reise  1784,    bei    der 
Wieland  ganz  zurücktritt  und  selbst  Herder  so  problematisch  erscheint,   dass  zu  seinen 
Gunsten  geltend  gemacht  wird:    „Göthe,  der    die  Wahrheit    selber  ist,  der    Herdern  so 
lange    kennt,    liebt    ihn  wie    seine    Seele"  (S.  107).     Die  Schilderung  dieser  Reise,    die 
Stolberg  auch  mit  Gleim    und    Jerusalem    zusammenführte,    bildet  wohl    die  Krone    des 
Brief bandes.  —  Stolbergs  Eindrücke  stimmen  ganz  zu  den  Versicherungen,  die  Wieland 
in  einem  Briefe  an  Zimmermann  giebt,  den  Linckelmann  234)    aus   Zimmermanns  jetzt 
im  Besitz  der  Frau  Staatsrätin  v.  Mädler  befindlichen  Nachlasse  publiziert  hat  (22.  Juli 
1776):    „Glauben  Sie  nicht  leicht,    wenn  Sie  was  absurdes    und  schlechtes  von  Weimar 
hören.     Ich  bin  zwar  blosser  Spectator  von  allem    was    passiert;    aber  Sie    können   mir 
glauben,  es  geht  so  gut  als  möglich".     Derselbe  Nachlass  enthielt  auch  einen  Brief  der 
Frau  Rat  (16.  Febr.  1776),    der    für    „das   Zeugnüs  von   Wielandt    Liebe"    gegen    ihren 
Sohn  dankt,    und    vor    allem    ein   wichtiges    Schriftstück    Herders   (26.  Juni  1776),    das 
Zimmermanns  „Aus  Herders  Nachlass"  II,  S.  373  abgedruckten  Brief  dahin  beantwortet; 
„Als  ob  ich  Schildträger  der  Weltverwüster    wäre,    die   Sie    Kraftgenies    nennen";    ihm 
war  Weimar  damals  nur  ein  (vergilisches)  Creta,  eine  Uebergangsstation.  —  Zimmermanns 
weitverzweigte  Korrespondenz  streckte  doch  besonders  viele  Arme  nach  der  schweizerischen 
Heimat  aus.     Noch  im  vorigen  Jahre    erst    wurden    seine  Briefe    an    den  Berner  Päda- 
gogen und  Staatsmann  Phil.  Alb.  Stapfer  bekannt,    aus    dessen    gleichfalls  äusserst  um- 
fänglichem   Briefwechsel    diesmal    Luginbühl  ^-^5)    eine,    zwei    starke   Bände     füllende, 
Auswahl  nebst  Excerpten  aus  den  übergangenen  Briefen  mitgeteilt  hat.     Stapfer,  auf  der 
Grenzscheide  deutscher  und  französischer  Art  zu  Hause,  fühlte  sich  besonders  berufen,  den 
litterarischen  Vermittler  zu  spielen  (I,  S.  CXX  f.).     Seine  litterarischen  Interessen  treten 
namentlich  zu  Tage  in  dem  Briefverkehr  mit  Friedrich  Cäsar  Laharpe,   der  neben  Paul 
Usteri  sein  fleissigster  und  wichtigster  Korrespondent  ist.    Wir  beobachten,  wie  Stapfer, 
ein  rechter  Sohn  der  Aufklärung,    schon    durch  die  Revolutionsereignisse,  w^eiter  durch 
Amt  und  Ehe  mehr  und  mehr  auf  das  französische  Geistesgebiet  hinüber  gezogen  wird. 
Das  würde  stärker  und  schneller  der  Fall  gewesen  sein,  wenn  nicht  der  ausgezeichnete 
Charles  de  Villers,    der    bekannte  Verehrer    deutschen    Geisteslebens,    dem    ein   Gegen- 
gewicht   gehalten    hätte.      Villers'   litterarische    Unternehmungen,    seine    Schicksale    in 
Göttingen,    seine    Beziehungen    zu    Frau    Rodde    (Dorothea   Schlözer)    kommen    oft    zur 
Sprache  (I,  S.  XX,  LXXXVI,  233,  267,  275,  325.  II,  S.  6,  10):  die  Freunde  sind  besonders 
einig  in  der  Verehrung  Kants  (I,  S.  80),    den  den  Franzosen    mundgerecht    zu    machen 
ihnen  doch  nicht  recht  gelingen  will  (11,  S.  336):  Ancillon  erkennt  Stapfers  Bemühungen 
dankbar  an  (I,  S.  XLV),  der  Franzose  Salverte  aber  gesteht  ehrlich    sehie  Verständnis- 
losigkeit  (I,  S.  LXXXVII).    In  verwandtem  Streben  nimmt  Stapfer  teil  an  der  „Biographie 
universelle",  in  der  er  z.  B.  den  Artikel  „Bürger"  benutzen  wollte,  um  an  diesem  Dichter- 
talent den  Unterschied  der  beiden  Nationen  aufzuzeigen  (I,  S.  XI):    aber  die  Redaktion 
strich  ihm  das  Wichtigste.    Er  ist  im  Redaktionsrat  einer  ,, Revue  germanique"  (I,  S.  XVII) 
und  interessiert  sich  für  eine  Bibliotheque  germanique,    die  in  Paris    gegründet  werden 
soll  (I,  S.  LXXXI).     Vor  allem  aber  übersetzt  er,  zumal  Historiker:  Heeren,  den  er  und 


F.  L.  Grafen  zu  Stolberg  u.  d.  Seinigen  an  J.  H.  Voss.  Nadi  d.  Originalen  d.  MUncliener  Hof-  u.  Staatsbibl.  mit  Einl.,  Beil. 
«.  Anmerk.  her.  v.  0.  Hellinghaus.  Münster  i.  W.,  Aschendorff.  XVI,  524  S.  M.  8,00.  {S.  91  ungedr.  Ei.igramiu  Stolbergs 
„Anfrage";  S.  101  Italien.  Sonett  Stolbergs;  S.  170  Bürgers  Bemühungen  um  e.  Aemtchen;  S.  1%  Beneckes  „Jahrbuch  für  d. 
Menschheit";  S.  222  Graf  Finckensteins  „Arethusa"  u.  a.)  —  2341  Linckelmann,  Aus  d.  Briefwechsel  d.  Leibraedicus  J.  G. 
Zimmermann  aus  Hannover:  AZg».  N.  128.  (E.  Brief  Herders  v.  21.  Juni  1776  bittet  Zimmermann,  e.  nicht  v.  d.  Akademie  ge- 
krönten Aufsatz  unter  seiner  Adresse  in  Rückempfang  zu  nehmen;  Wieland  ersucht  am  22.  Juli  1776  d.  berühmten  Arzt  um  o. 
kurze  Biographie  d.  Vesalins  für  d.  „Tentschen  Merkur".)  —  235)  Aus  Phil.  Alb.  Stapfers  Briefwechsel  her.  v.  Rud.  Lugin- 
bühl.  (=  Quellen  z.  Schweiz.  Gesch.,  her.  V.  d.  allg.  geschichtforschenden  Gesellschaft  d.  Schweiz.  Bd.  XI— XII.)  Basel,  Geering 
(Schneiders  Enkel).  CXLIl,  401;  523  S.  M.  20,00.  (Friederike  Brunn  schickt  Stapfer  1822  ihre  „Griechischen  Lieder",  da 
Hellas  d.  Losungswort  verwandter  Seelen  sei  I,  S.  IL;  Eynard-Eynard  meint  1889,  Goethe  schildere  d.  Hypochondrie  Zimmermanns 
zu  schwarz  I,  S.  LVIll ;  Briefwechsel  Stapfers  mit  d.  Humboldts  I,  S.  LXIV,  LXV  ;  Jens  Baggesen  wirbt,  namentlich  auf  d.  Parthen»is 
hin.  um  d.  helvetische  Bürgerrecht  1,  K.  98;  über  F.  H.  Jacobis  Antrittsrede  in  München  1,  S.  230;  politische  Parodie  d.  Lavaterstlien 
Teilliedes  I,  S.  313;  UberKotzcbue  als  Historiker  I,  S.  324,  333;  über  A.  v.  Humboldts  Reisebeschreibung  11,  S.  109;  St  apfernteht  in 
d.  religiösen  Exegese  Herder  nahe  II,  248;    Karl  Folien  flieht  nach  Amerika    II,  821;    Arbeiten    d.  jüngeren   Alb.  Stapfer  üb«r 


80  e  G.  Roethe,  AllgemeineH  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  1:  2W-287. 

Laharpe  liesonders  schätzen  (I,  S.  224,  228);  dann  Eichhorns  Litterärgeschichte.  Sie 
freilich  macht  ihm  viel  Verdruss,  nicht  nnr  wegen  Verlagsschwierigkeiten,  sondern 
nanientlidi  weil  das  Werk  ein  KoUüctaneenmagazin  ohne  eigentliche  geschichtliche  Ver- 
arbeitinig  sei  (I,  S.  182,  188,  218,  25()).  Dieser  Grundfehler  deutscher  Gelehrten,  dass 
sie  vor  lauter  Gründlichkeit  Resultate  und  Form  bis  zur  Barbarei  vergessen,  wird  noch 
viel  schärfer  von  Rengger  (I,  S.  199)  und  von  Laharpe  (II,  S.  18,  20)  gerügt,  z.  B.  au 
Bouterwek  (I,  S.  230,  234  f.).  8tapfer  schiebt  die  Schuld  auch  auf  die  Vielschreiberei, 
wie  er  denn  Wielands  „Diarrhöe  littöraire"  an  der  Uebersetzung  der  Briefe  Ciceros  kon- 
statiert {I,  S.  241).  Litterarische  Höhepunkte  Deutschlands  sind  ihm  neben  Klopstock, 
Goethe  und  Herder  auch  Engel  und  Garve  (I,  S.  241);  in  der  Sorge  um  die  herein- 
brechende Barbarei  fällt  ihm  Ramlers  Ode  an  die  Könige  ein  (I,  S.  XXIV);  Eschen- 
burg und  Lichtenberg  wären  ihm  die  liebsten  ShakespeareObersetzer  (I,  S.  XXXI).  All 
das  ist  charakteristisch.  Die  jüngere  romantische  Richtung,  als  deren  Repräsentanten 
er  neben  Schlegel  (A.  W.  ?)  auch  Goethe  einmal  nennt,  scheint  ihm  ein  litterarisches 
delire  (I,  S.  231  f.),  sie  ist  ihm  obendrein  zu  abstrakt  und  unpopulär  (II,  S.  3.57  f.).  Er 
berichtet,  wie  ein  Baron  von  Eckstein  mit  Materialien  aus  (F.)  SchJegelscher  und  Schel- 
lingscher  Schule  die  Theokratie  verteidigen  will  (II,  S.  338),  führt  Zach.  Werner  spöttisch 
als  romantischen  Religionsstifter  in  Coppet  vor  (1,  S.  242)  und  hasst  niemanden  so 
leidenschaftlich,  wie  den  politischen  Romantiker  Haller,  den  er  sogar  aus  den  „Göttinger 
Gelehrten  Anzeigen"  herauszubugsieren  nicht  verschmäht  (I,  S.  202.  11,  S.  22,  56).  Da- 
gegen wird  es  hell  in  seiner  Seele,  wenn  er  Autoren  wie  Garve,  Mendelssohn  und  Lessing 
zu  Händen  nimmt  (II,  S.  357),  und  dem  widerspricht  es  nicht,  dass  Laharpe  1804  Weimar 
etwa  in  den  warmen  Farben  der  Frau  von  Stael  malt  (I,  S.  XXXIII).  Die  „Corinne" 
dieser  Dame  betrachten  sich  die  Freunde  daraufhin,  wie  weit  Schlegel,  Constant,  Bon- 
stetten  u.  a.  da  durchschimmern  (I,  S.  205);  auch  ein  Brief  Eichhorns  bedauert,  dass 
A.  W.  Schlegel  unter  dem  Namen  der  Frau  von  Stael  seinem  Geifer  gegen  einige  Deutsche 
Luft  gemacht  habe  (1,  S.  LVII).  So  erscheint  denn  Schlegels  Name  nicht  in  der  Liste 
der  guten  deutschen  Uebersetzer  neben  Voss  und  Schleiermacher  (I,  S.  312).  Gerne 
machen  sich  die  Schweizer  klar,  welch  gi'ossen  Anteil  die  Schweiz  an  der  deutschen 
Litteratur  gehabt  habe  (I,  S.  377).  Zwar  Albr.  v.  Haller  dankt  nach  Stapfer  wesentlich 
seiner  ,,Körperlichkeit"  den  Zunamen  des  Grossen  (I,  S.  LVIII).  Aber  auch  Gessner, 
Sulzer,  vor  allem  Joh.  v.  Müller,  sind  Schweizer.  Stapfer  und  Laharpe  sind  darin  einig, 
dass  ihnen  MüUei-s  Stil  zu  künstlich  taciteisch  ist  (I,  S.  244,  249);  sie  bedauern  beide, 
durch  Villers'  recht  rückhaltslose  Aeusserungen  (I,  S.  287  f.)  bestärkt,  des  grossen 
Historikers  Charakterschwäche  (I,  S.  310):  dennoch  sähen  sie  sein  vaterländisches  Ge- 
schichtswerk gerne  zu  einem  schweizerischen  Volksbuch  umgearbeitet  (I,  S.  283).  Von 
anderen  namhaften  ScliM'eizern  spielt  Lavater,  der  sich  selbst  einen  Feind  der  Toleranz 
nennt,  bei  Stapfer  natürlich  keine  massgebende  Rolle  (I,  S.  XXXH,  LXX,  LXXI,  5); 
der  Wahlschweizer  Zschokke  beruft  sich  für  den  Wert  seiner  „Denkwürdigkeiten  der 
schweizerisclien  Staatsumwälzung"  auf  den  Beifall  von  Klopstock  und  Archenholtz 
(I,  S.  180)  und  wirbt  um  Stapfers  Mitarbeit  an  seinen  „Miscellen"  (I,  S.  243); 
Leonh.  Meister  wird  als  liederlicher  Schmierer  oft,  einmal  mit  Schillers  Xenion, 
venirteilt  (I.  S.  302);  im  Vordergrunde  der  Stapferschen  Interessen  stehen  Fellenberg 
und  Pestalozzi.  —  Es  ist  äusserst  interessant  zu  vergleichen,  wie  anders  sich  die 
schweizerische  Geisteswelt  malt  in  den  Briefen  des  kosmopolitischen  französierten  Auf- 
klärers Sta])fer  und  des  gläubigen,  national  konservativen  Theologen  Johann  Georg 
Müller,  des  Bruders  des  berühmteren  Historikers.  Die  beiden  sehr  verschiedenartigen 
Brüder  haben  von  1778  bis  zu  Johannes'  Tode  1809  einen  überaus  regen  Briefwechsel 
geführt,  aus  dem  bisher  nur  ein  beträclitlicher  Teil  der  Briefe  des  Geschichtsschreibers 
in  dessen  Werken  abgedruckt  worden  war.  E.  Haug -86-237)  hat  jetzt  begonnen,  auch 
die  Briefe  des  anderen  Bruders  in  verständiger  Auswahl  zu  veröffentlichen,  zugleich  in 
einem  Anhang  manches  früher  Uebergangene  aus  den  Schreiben  Johannes  von  Müllers 
nachtragend;  schade,  dass  sonstige  Erläuterungen  fast  ganz  fehlen.  Der  erste  Halb- 
band reicht  von  1789  bis  zur  Wende  des  Jahrhunderts:  die  älteren  Briefe  Johann  Georgs 
sind  nicht  mehr  vorhanden.  Unzweifelhaft  stehen  die  Briefe  des  jüngeren  Bruders  hinter 
denen  des  älteren  nicht  zurück,  und  seine  Furcht,  ein  boshaftes  Bonmot  Rabeners  könne 
auf  ihn,  den  unberühmten  Bruder  des  grossen  Gelehrten,  zutreffen,  ist  sehr  unbegrtindet. 
Denn  er  hat  vor  Johannes  genialer,  aber  sjiringender  Begabung  die  ruhige  Stetigkeit 
eines  einfachen  Gemütes,  die  beneidenswerte  Sicherheit  des  fest  gegründeten  Cliarakters 
voraus.      Bei    aller    bescheidenen    Liebe    zu    dem    grossen    Bruder    verkennt    er    seine 


Goethe  IT,  8.  327,  346;  Ober  Forsters  Briefwechsel  II.  S.  371  f.;  nber  heWetische  gelehrte  Gesellschaften  II,  S.  4ä0.)  —  236) 
(IV  6  :  126:  Ober  d.  schldlichen  Einflusi  d.  deiatischen  Trenkschen  Lebenggeschiehte  S.  6,  7;  fiber  d.  allgeneine  deatsehe 
Itibliothek  S.  15;  Über  Mesmer  S.  48;  Über  ThOiomels  , Reisen'  S.  55;  warmes  ürt«il  aber  Schlosser  S.  61 ;  Ober  BOtttger  S.  214. 
Anh.  S.  66.)  i[Hau8  MUUer:  BLU.  N.  8  (hebt  d.  Ueberlegenheit  durch  Charakter  u.  Verstand  bei  d.  titeren  Bruder  J.  Georg 
Müller  gegenüber  dem  allen  Eindrucken  preisgegebenen  jUngeren  herTor).]|  —  237)  X  Sohweiser  Briefe  «üb  d.  Berolutionsteit: 


k 


IV  1:  238.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  iSJ'id.  Jahrhunderts.  80f 

Schwächen,  zumal  senie  politische  Talent-  und  Haltlosigkeit  nicht,  die  ihn  bis  zur 
blanken  Phrase  verlockt;  er  ruft  ihn  immer  wieder,  bald  mahnend,  bald  schmeichelnd, 
auf  sein  eigentliches  Feld,  die  Geschichtsschreibung,  zurück,  und  seine  Schuld  war  es 
nicht,  dass  dies  reiche  Leben  in  so  jämmerlicher  Disharmonie  schloss.  Die  Brüder 
verstehen  sich,  beide  Schüler  der  Alten,  recht  gut  bei  aller  Verschiedenheit.  Charakte- 
ristisch ist  es  schon,  wie  sauber  Johann  Georg  seine  Briefe  ausarbeitet,  dadurch  oft 
höchst  prägnante  Wendungen  erreichend,  wie  schnell  andererseits  und  wie  übereilt  oft 
Johannes  seine  Sätze  hinwirft.  Bis  1797  überwiegen  litterarische  und  sonstige  geistigen 
Interessen:  von  da  an  breitet  sich  die  Politik,  zumal  die  Not  des  engen  Vaterländchens 
Schaffhausen,  in  den  Briefen  vorherrschend  aus.  Uns  interessieren  also  vorzugsweise 
die  früheren  Jahrgänge  der  Korrespondenz.  Den  Theologen  verleugnet  Johann  Georg 
nicht;  aber  der  Historiker  hatte  natürlich  nichts  dagegen,  wenn  jener  die  Aufklärung 
scheel  ansieht.  So  gehen  Johann  Georgs  Urteile  und  Sympathien  zumeist  gerade  nach 
der  entgegengesetzten  Seite  wie  die  Stapfers.  Pur  ihn  ist  der  ,,Pestaluz",  den  Jo- 
hainies  höher  schätzt  (Anh.  S.  10),  ein  höchst  gefährlicher  Schwärmer,  der  nur  Unheil 
anrichtet  und  obendrein  die  rechte  volkstümliche  Redeweise,  die  Luther  traf  wie  kein 
anderer,  gar  nicht  zu  finden  weiss  (z.  B.  S.  148,  154).  Dagegen  urteilt  er  sehr  freund- 
lich über  den  jüngeren  Haller,  der  die  Grundsätze  der  Revolution  gründlich  keime 
(S.  177),  und  einen  Ehrenplatz  in  seiner  Liebe  hat  Lavater.  Nicht  dass  er  seine 
Schwächen  übersieht.  Zwar  dass  er  die  Schlangenklugheit  dieser  Welt  nicht  besitzt, 
ist  ihm  keine  Schwäche  (S.  8).  Aber  er  bedauert  Lavaters  redselig  eitle  Korrespon- 
denz (S.  24),  eine  unaufrichtige  captatio  benevolentiae  gegen  Herder  (S.  26),  beklagt, 
dass  er  gross  und  klein  so  wenig  zu  scheiden  wisse  wie  Bodmer  (S.  5.),  ärgert  sich 
über  das  kindische  Misstrauen  seiner  Sekte  (S.  13),  ist  von  seinen  sententiösen  Werken 
wie  dem  „Menschlichen  Herzen"  und  den  ,, Worten  Jesu"  nur  massig  erbaut  (S.  17,  42) 
und  bekennt,  dass  er  seine  „Messiade",  der  er  den  ,, Joseph  von  Arimathia"  vorzieht,  zu 
lesen  immer  ausser  stände  gewesen  sei  (S.  25^  29);  freilich  geht  es  ihm  mit  Klopstock, 
den  er  tief  unter  Milton  stellt,  nicht  viel  besser:  der  Himmel  habe  das  Gelingen  der 
Messiaden  offenbar  nicht  begünstigt;  sie  können  ihm  alle  mit  dem  himmlischen  Kanzlei- 
stil des  Matthäus  nicht  wetteifern.  Aber  über  die  kritischen  Bedenken  gegen  den 
Schriftsteller  Lavater  siegt  weitaus  die  herzliche  Liebe  zu  dem  Menschen,  auf  dessen 
Freundschaft  er  stolz  ist,  den  er  bewundert  als  mutigen  Prediger  und  Politiker,  und 
dessen  Lob,  einmal  in  Hexametern  vorgetragen  (S.  4),  ihn  beglückt.  Und  auch  ausser 
der  Schweiz  bevorzugt  Müller  Männer  von  ähnlicher  geistiger  Physiognomie.  So  ist 
ihm  der  Pater  Sailer  sehr  lieb  (S.  28,  30,  31);  den  alten  Joh.  Arnd'  nimmt  er  gegen 
eine  vorlaute  Aeusserung  des  Bruders  energisch  in  Schutz  (S.  35);  er  rühmt  Friedrich 
Stolbergs  Stellung  zum  Christentum  in  der  Vorrede  seines  Plato  (S.  61),  preist  des 
alten  Moser  christliche  Gesinnungen  (S.  73)  und  redet  herzlich  über  Jung  -  Stilling, 
dessen  apokalyptische  Schriften  freilich  eine  nur  allzu  glühende  Imagination  verraten, 
der  aber  es  verstehe,  dem  Dämon  des  Zeitalters  scharf  ins  Auge  zu  schauen  (S.  217). 
Natürlich  sagt  ihm  Hamann  ausserordentlich  zu,  in  dessen  Briefe  ilim  Herder  Einblick 
gestattet  hat  (S.  63).  Herder  ist  der  Mann  seines  Herzens  unter  den  litterarischen 
Grössen  Deutschlands.  Ihm  gegenüber  ist  Müllers  Kritik  selbst  noch  schüchterner  als 
gegen  Lavater.  Er  ist  dankbar  entzückt  von  seinen  herrlichen  Briefen  (S.  9),  fürchtet, 
als  er  lange  schweigt,  ihn  unwissend  gekränkt  zu  haben  (S.  6),  ist  betrübt,  als  Jacobi 
seine  Anmerkungen  gegen  Herder  richtet  (S.  3),  sieht  in  Herders  Freundschaft  ein 
wahres  Kleinod  seines  Lebens  (S.  136).  Aber  auch  hier  ist  er  nicht  blind.  Herders 
Aufsatz  „Tithon  und  Aurora"  scheint  ihm  auf  einem  seichten  Wortspiel  zu  basieren 
(S.  37),  seine  Humanitätsbriefe  wollen  ihm  wenig  bedeuten  (S.  45).  Dagegen  enthält 
ihm  die  Schrift  „Vom  Sohne  Gottes"  entzückende  Stellen  (S.  76);  am  grössten  aber 
erscheint  ihm  der  grosse  Freund  in  seiner  ,, Ältesten  Urkunde",  deren  grosse  Ent- 
deckungen nur  nicht  deutlich  genug  formuliert  seien  (S.  142).  Am  liebsten  sähe  er 
ihn  diese  Arbeiten  wieder  aufnehmen,  wie  ihn  Johannes,  der  durch  Böttger  mit  Herder 
verkehrt,  zur  hebräischen  Poesie,  zu  Ossian  und  den  Volksliedern  zurücklocken  möchte. 
Daher  sind  beide  Brüder  kühl  gegen  Herders  Metakritik  (S.  215,  Anh.  56).  Freilich 
nicht  darum,  weil  sie  Kant  den  Angriff  missgöimten.  Ueber  ihn  spricht  Joh.  Georg 
überraschend  verständnislos  (S.  15),  und  er  vermag  sicii  selbst  über  Nicolais  ,, Reisen" 
Bd.  XI  zu  freuen,  weil  sie  „über  den  albernen  Unfug  der  Kantianer  herziehen"  (S.  65). 
Sonst  freilich  ist  er  Nicolais  Freund  nicht,  schon  weil  dieser  kein  Christ  ist.  Von  der 
Entwickhnig  der  Skepsis,  die  das  Christentum  zum  Deismus  modeln  will,  giebt  er  eine 
zusammenhängende  Darstellung,  die  in  eine  scharfe  Spitze  gegen  Bahrdt  ausmündet: 
zumal  die  Göttinger  Kritiker  sind  ihm  ein  Greuel,  und  gegen   sie  führt    er  gar  Lessing 


ürenzb.  50,  II,  S.  559-07.    (Rof.  ttb.  N.  236.)  -  238)  B.  Cordt,  Joh.  v.  Müllers  Briefe  a.  Karl  Morgenstern:   AltprMschr.  NF, 


80g  Ci-  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  l:   239-241. 

iuH  Feld  (ö.  49  f.,  54).  Goliathe  wie  Goethe  und  Wieland,  die  Jesu  Geschichte  einfach 
als  poetische  Einkleidung  auflösen,  machen  ihm  keinen  Eindnick  (S.  35);  über  des  „un- 
stäton  Weichlings"  Wieland  „l'eregrinus  Proteus"  spricht  er  bitterböse  Worte  (S.  45), 
und  auch  Goethes  „Xenien"  möchten  die  Brüder  nicht  gemacht  haben  (S.  73).  Die  Kritik  ist 
Joh.  Georg  Müller  immer  sehr  verdächtig,  ja  verhasst  (S.  34),  und  ihn  erbossen  geradezu  die 
„klapperdürren  Kritiker",  die  den  Homer  zerpflücken  wollen  wie  die  Bibel  (S.  72). 
Wenn  er  Zimmermami  als  blendenden  philosophischen  Autor  mit  Voltaire  vergleicht, 
so  soll  das  kein  unbedingtes  Lob  sein  (S.  18).  Aber  auch  ein  berufloser  Poet  wie 
Miilthisson  ist  nicht  sein  Fall  (S.  46);  von  dem  „Genie"  Baggesen,  der  ihn  an  Georg 
Förster  oritniert,  erziihlt  er  spottend  ein  albernes  pium  desiderium  (S.  143),  und  das 
schnöde  Urteil,  das  Lavater  über  das  kometenhafte  ,, Genie"  Schubart  fällt,  wird  mit 
Behagen  berichtet  (S.  10).  Merkwürdig  gut  kommt  Schiller  weg,  den  er  freilich  nur 
als  Prosaiker  erwähnt:  von  seiner  ,, Geschichte  des  Abfalls  der  Niederlande"  ist  er  voll, 
wenn  er  auch  die  mangelhaften  Quellenstudien  nicht  verkennt  (S.  14).  Die  Romantik 
spielt  in  den  Briefen  des  Halbbandes  noch  keine  Rolle:  nur  Joh.  v.  Müller  erwähnt 
eine  ungünstige  Kritik  seiner  Schweizergeschichte  im  „Athenäum",  mit  Lessing  sich 
tröstend  (Anh.  S.  32),  und  empfiehlt  Gentz"  ,, Historisches  Journal"  als  kaltblütig  und  wahr- 
haft (S.  51).  Das  Unsichere  und  enthusiastisch  Schwankende  seiner  politischen  Haltung 
luacht  schon  in  dieser  Zeit  dem  Bruder  manchen  Verdruss;  zumal  den  kindischen 
Glauben  an  die  Fähigkeit  des  Volkes  zu  eigener  Meinung  wehrt  er  zuweilen  beinahe 
ungeduldig  ab.  Li  die  schlimmeren  politischen  Sünden  der  Prüfungszeit  nach  lb06 
führt  ims  dieser  Halbband  noch  nicht  hinein.  —  Dagegen  gehören  eben  in  diese  Zeit  die 
Briefe,  die  Joh.  v.  Müller  vom  Sept.  1805  bis  in  den  Jan.  1809  an  den  Dorpater  Pro- 
fessor Morgen.stern  sandte:  Cordt ''^•''^)  hat  sie  aus  der  18  Quartbände  umfassenden  Kor- 
respondenz dieses  eifrigen  Briefschreibers  herausgegeben.  Die  Freundschaft  wird  ge- 
schlossen dank  einer  Rede  Morgensterns  über  Winckelmann,  die  Müller  so  enthusiasmiert, 
dass  er  dem  Gesinnungsgenossen  sofort  die  exaltierteste  Herzenshitze  entgegenträgt: 
hat  Lessings  „Erziehung  des  Menschengeschlechts"  Recht,  so  glaubt  er  mit  Morgenstern 
einst  Arm  in  Arm  am  Cephissus  gewandelt  zu  haben.  Ist  ihm  noch  im  zweiten  dieser 
Briefe  Bonaparte  ein  Attila,  vor  dem  er  am  liebsten  nach  Russland  entwiche,  ist  er 
noch  im  fünften  der  „Ahriman  der  Menschheit",  gegen  den  das  Vaterlandsgefühl,  wie 
es  der  Dichter  Frhr.  v.  Sonnenberg  schildert,  hoch  gehalten  werden  muss,  so  ist  schon 
im  siebenten  Brief  „der  Fürst  des  Zeitalters"  aus  ihm  geworden,  und  er  beruft  sich  in 
begreiflicher  Verlegenheit  auf  das  Lob,  das  Hufeland  seinem  berühmten,  den  Abfall  pro- 
klamierenden Academie-Discours  sur  la  gkäre  de  Frederic  gespendet  habe.  —  Die  Nicht- 
preussen  zumal  trösteten  sich  damals  merkwürdig  leichten  Herzens.  Die  von  Holstein^sö) 
verjöffentlichten  Briefe  K.  L.  Fernows  an  Böttiger,  die  ihm  Details  über  die  Schlacht 
bei  Jena  und  namentlich  über  die  Weimarer  Zustände  nach  der  Schlacht  melden,  zeigen 
grosse  Gemütsruhe:  „fuiuuis  Borussi,  aber  nicht  fuimus  Germani".  Der  Glaube  an  den 
deutschen  Geist,  an  deutsche  Sprache  und  Bildung  stand  dem  Weimaraner  wohl  an.  — 
Befremdlicher  wirkt  die  fast  unpatriotische  Gleichgiltigkeit,  die  der  bekannte  Göttinger 
Dichter  Ernst  Schulze  in  Briefen  an  seinen  alten  Celler  Jugendfreund  Fritz  v.  Bülow 
an  den  Tag  legt.  Sie  tritt  \im  so  peinlicher  hervor,  als  Bülow  selbst  von  Herzen  Preusse 
ist.  Die  von  Franzos240)  herausgegebenen  Briefe  setzen  schon  vor  der  Katastrophe, 
1805,  ein  und  reichen  bis  1811.  Bülow  schildert  den  dumpfen  Katholizismus  der 
Münsteraner:  als  „Haupttriebfeder  der  PfaflFenränke"  erscheint  ihm  die  familia  Sacra, 
d.  i.  der  Gallitzinsche  Kreis,  zu  dem  ihm  auch  Friedrich  Leopold  von  Stolberg  gehört. 
Von  anderen  Münsterschen  Eindrücken  sind  die  Vorträge  des  Dr.  Gall  ihm  nrr  komisch 
gewesen.  Preussens  Sturz  wird  Anlass,  dass  Bülow  nach  Berlin  geht,  wo  er  den  Sinn 
fiir  Kunst  und  Wissenschaft  ganz  geschwunden  findet:  im  Theater  verbieten  die  Fran- 
zosen die  ernstere  Kost,  z.  B.  den  „Don  Carlos";  F.  A.  Wolf  findet  keine  Zuhörer; 
zum  Besuche  der  Vorlesungen  Fichtes  über  den  Zeitgeist  fehlt  Bülow  leider  das  Geld. 
Aber  die  })atriotische  Poesie  der  Zeit  tritt  ihm  näher:  in  seinem  Kllub  ist  er  mit  Friedr. 
Kühna\i  zusammen,  dem  Dichter  „Deutscher  Wehrlieder".  Sehr  betrübt  schreibt  Bülow 
über  die  kläglichen  Universitätsverhältnisse  Frankfurts  a.  0.:  da  mochte  es  ihn  immerhin 
trösten,  wenn  er  durch  Schulze  hörte,  der  westfälische  Minister  Simeons  beabsichtige, 
den  Etat  von  Göttingen  auf  2000  Thaler  herunterzusetzen.  —  Aus  einer  früheren  glück- 
licheren Zeit  dieser  Hochschule  stammen  die  von  P.  Schwenke 2*i)  publizierten  Briefe 
(1788 — 90),  die  der  Studiosus  Wilhelm  von  Humboldt,  den  Verkehr  mit  geistvollen  Frauen 
in  Göttingen  anfangs  schmerzlich  entbehrend,  an  seinen  geheimen  Berliner  Bundeszirkel 
sendet,  dem  namentlich  Henriette  Herz  angehört  und  Karl  von  Laroche,  der  Sohn 
Sophiens.    Abstrakte  Ueberfeinerung  des  Gemüt8lel>ens,  pathetische  Empfindsamkeit  und 


I 


.  S.  108—40.    —    239)  II.  Hotstoiii,    ZeitgenOtfs.  Briefe    aus  Weimar   Üb.    d.  SchUcht    bei  Jena  u.  Auerstadt:  MagdebZgb. 
&2.  —  240)  K.  E.  Franzos,  Aus  Briefen  Ernst  Sebulzes  u.  Fritr  t.  BQIows:  VZgs.  N.  10,  12,  14.    —  241)  P.   Schwenke, 


IV  1:  242-248.  G.  Roethe,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  80  h 

schemenhafte  Unklarheit  kennzeichnet  diese  Periode  Humboldts.  Er  bleibt  dem  Berliner 
Kreise  nicht  treu:  schon  seine  Wärme  für  Therese  Förster  erweckt  die  Eifersucht  jener, 
und  als  erst  Karoline  von  Dachröden,  Humboldts  spätere  Gattin,  und  ihre  Freundin 
Karoline  von  Beulwitz  auch  in  den  Bund  getreten  sind,  da  neigt  sich  Humboldt  sehr 
entschieden  den  beiden  Karolinen  zu.  Mit  der  Geliebten  wechselt  er  ostensible  und 
geheime  Briefe,  wobei  er  ihren  Erzieher,  den  bekannten  Pädagogen  Rud.  Zach.  Becker, 
dankbar  rühmt.  Dass  Laroche,  Wilhelms  Nebenbuhler  in  der  Gunst  seiner  Lina,  Humboldts 
Pläne  zur  freieren  Umwandlung-  des  alten  Bundes  ablehnt,  führt  diesen  den  Berliner 
„Weibern"  immer  femer  und  tiefer  in  die  Kreise  Schillers  hinein.  An  Karoline  von 
Beulwitz,  die  seine  Verlobung  trotz  allem  seinem  Zögern  zu  stände  bringt,  berichtet  er  im 
Okt.  1789  von  Bern  aus  über  Pariser  Eindrücke,  die  ihm  leider  durch  die  lästige  Reise- 
gesellschaft, den  naiv  bewundernden  Aufklärer  Campe,  verkümmert  wurden,  weiter  über 
einen  Besuch  bei  Försters  in  Mainz  und  bei  Lavater  in  Zürich.  —  Der  dortige  Stadt- 
bibliothekar J.  J.  Horner  (1773 — 1831)  hat  allerlei  interessante  Briefe  hinterlassen,  die 
H.  Blümner  2*2)  aus  dem  Nachlasse  des  Sohnes  in  Auswahl  bekannt  gemacht  hat.  Neben 
ungünstigen  Aeusserungen  Scheuchzers  über  Schopenhauers  Berliner  Lehrthätigkeit  vom 
April  1820  ziehen  uns  namentlich  vier  Briefe  A.  W.  Schlegels  aus  den  Jahren  1811  —  12  an, 
die  ihn  uns  mitten  in  altdeutschen  Studien  zeigen.  Er  wünscht  im  März  1811,  dass  die 
Nibelungen  in  den  Schulen  gelesen  werden,  womit  freilich  nicht  ganz  stimmt,  was 
Friedr.  Tieck  schon  Mai  1812  von  Schlegels  ungünstiger  Ansicht  über  die  litterarische 
Bedeutung  jenes  Epos  berichtet.  Dass  es  ihm  früher  Ernst  mit  seinem  Enthusiasmus 
gewesen  ist,  geht  auch  daraus  hervor,  dass  er  den  Erzieher  im  Fellenbergschen  Institut 
für  jene  Schullektüre  zu  gewiimen  sucht.  Im  April  1812  stellt  er  über  die  Zeit  des  Anno- 
liedes scharfsinnige  Untersuchungen  an,  die  jedesfalls  zeigen,  dass  ihm  die  Schwierig- 
keit des  Problemes  ebenso  klar  war  wie  späteren  Forschern.  Die  Grimms  schätzt  er 
als  gelehrte  und  tüchtige  Arbeiter;  „aber  bis  jetzt  war  mir  alles  unerfreulich,  das 
von  ihrer  Hand  kommt".  Unter  den  übrigen  Korrespondenten  Horners  befindet  sich  der 
Historienmaler  Ludw,  Vogel,  der  erkennt,  dass  ihm  Schillers  „Teil"  für  seine  Bilder 
aus  der  schweizerischen  Historie  wenig  nütze,  weil  das  im  Schauspiel  Wirksame  darum 
noch  lange  nicht  im  Bilde  wirke;  ferner  der  Freiherr  von  Lassberg,  der  die  für  ihn 
charakteristische  Aeusserung  thut,  für  eine  Minnesingerausgabe  sei  jemand  nötig,  dem 
das  Alemannische  von  vornherein  an  der  Wiege  gesungen  wurde.  —  Eine  kleine,  von 
Guglia  243)  besorgte  Auswahl  von  Briefen  des  alternden  Gentz  an  die  anziehende,  un- 
glücklich verheiratete  Gräfin  Fuchs,  mit  der  er  von  1812 — 1831  in  freundschaftlicher 
Korrespondenz  stand,  hat  ihren  eigenen  Reiz  in  der  anspruchslosen  Unmittelbarkeit, 
mit  der  hier  auch  die  kleinsten  Kleinigkeiten  des  täglichen  Lebens  nicht  verschmäht 
werden:  insofern  erinnern  diese  Briefe  immerhin  von  weitem  an  den  Briefverkehr 
Goethes  mit  Frau  von  Stein.  Freilich  nur  insofern.  Die  Interessen  des  Schreibers 
sind  doch  eben  sichtlich  verflacht  in  dem  Capua  der  Geister.  Was  er  über  seine 
Lektüre,  über  den  Tod  der  Frau  von  Stael  äussert,  geht  alles  nicht  tief;  Grazie  und 
Leichtigkeit  ist  das,  wonach  der  Weltmann  am  meisten  strebt.  Als  er  dann  mit  später 
Leidenschaft  in  die  Macht  einer  Königin  der  Grazie  gerät,  als  ihm  seine  resigniert 
glückliche  Liebe  zu  Fanny  Elssler  beschert  ist,  da  bleibt  die  Gräfin,  die  selbst  eine 
frühere  Liebesanwandlung  Gentz'  mit  liebenswürdiger  Anmut  abgewehrt  hatte,  seine  gute 
Vertraute:  doch  tönen  die  in  edler  Prosa  geschriebenen  Briefe  aus  dieser  Periode  nicht 
so  voll  aus  wie  die  gleichzeitigen  Briefe  an  Rahel:  möglich,  dass  reichere  Mitteilungen 
den  Eindruck  steigern  würden.  —  Unzweifelhaft  ist  eine  gesunde  Auswahl  die  einzige 
Art,  in  der  uns  die  unübersehbaren  Briefschätze  vergangener  Tage  fruchtbar  zugänglich 
gemacht  werden  können.  Aber  für  ganz  unratsam  halte  ich  es,  dass  dabei  die  Briefe 
in  einzelne  geistreiche  oder  sachlich  interessante  Sätze  zerpflückt  und  diese  „Licht- 
strahlen" mit  dem  verbindenden  Texte  des  Herausgebers  zu  einem  Brei  zusammen- 
gerührt werden,  wie  das  durch  Trost  244-248)  ^it  den  Briefen  König  Ludwigs  L  von 
Bayern  an  seinen  Sohn,  König  Otto  von  Griechenland,  gemacht  worden  ist.  Die 
Chronologie,  die  Individualität  des  einzelnen  Briefes  sollte  bei  Publikationen  neuen 
Materials  nie  vernachlässigt  werden.  Was  T.  aus  den  von  1822 — 1867  vorhandenen 
Briefen  aushebt,  ist  wesentlich  Familiengeschichte  und  Politik:    der  verzwickte  Stil  des 


Aus  W.  T.  Humboldts  Studienjahren.  Mit  ungedr.  Briefen :  DRs.  1890/1,  II,  S.  258—81.  —  242)  H.  B 1  tt  ro  n  e  r ,  Aus  Briefen  an  J.  J. 
Homer  (1773-1881):  ZUricherTb.  S.  1-26.  -  243)  E.  Guglia,  Gentz  u.  d.  Gräfin  Fuchs.  Mit  ungedr.  Briefen:  NFPr. 
N.  9651/2.  —  244)  L.  Trost,  KOnig  Ludwig  I.  v.  Bayern  in  s.  Briefen  an  s.  Sohn,  d.  KOnig  Otto  v.  Griechenland.  Bamberg, 
Buchner.  XU,  202  S.  M.  6,00.  |[M.  G.  C[on  rad]:  Gesellsch.  S.  998;  PrJbb.  07,  S.  282.] |  -  245)  X  A.  v.  Mens i,  Köni^  Ludwig  I. 
V.  Bayern  in  s.  Briefen  an  s.  Sohn:  SchlesZg.  N.  421.  (Ist  sehr  einverstanden  mit  d.  Art  d.  Publikation  u.  bringt  AuszUge 
wesentlich  politischen  Inhalts.)  —  246)  X  C.  Ettmayr,  König  Ludwig  I.  v.  Bayern  in  s.  Briefen  an  s.  Sohn,  d.  König  Otto 
V.  Griechenland:  AZg».  N.  81.  (Betont  d.  schöne  Familienvprhttltnis  in  d.  königl.  Hause.)  —  247)  X  Aus  d.  Briefen  zweier 
Könige:  BLÜ.  N.  17.  (Findet,  dass  Trosts  Ausgabe  d.  Briefe  Ludwigs  I.  an  König  Otto  e.  wichtiges  polit.  Verhältnis  allzusehr 
unter  d.  Qesiehtswinkel  Wittelbachscher  Familiengemütliohkeit  betrachtet.)  —  248)  X  Martin  Greif,    König  Ludwig  I.  in  s. 


80  i  G.  Roetko,  Allgemeines  de»  1^./19.  Jahrhunderts.  I\'   I:  -mi' :;••» 

Köni^K  tritt  hier  so  wenig  hervor,  diiss  der  Verdacht  HtilJHtischer  Modelung  leise  "ii^- 
steigt.  Ein  Gedicht  „An  meine  verklärtem  'J'herese'-  vom  10.  Febr.  1858  macht  mehr 
dem  Gatten  als  dem  Dichter  Ehre,  Des  Königs  Kunstliebe  kommt  bei  T.  ei-st  in  den 
Briefen  nach  der  Thronentsagung  zum  Ausdruck  (8.  28  ff'.);  von  litterarischen  Inter- 
essen verraten  diese  Excerpte  nichts.  —  Dass  solche  Interessen  in  den  Münchener 
Künstlerkreisen  überhaupt  nicht  voran  .standen,  scheinen  die  Reisehriefe  Wilhelm  Kaul- 
hachs  an  seine  Braut  und  Frau  zu  bestätigen,  die  Hans  Müller  240-25i^  als  Vorschmack 
der  künftigen  Biographie  veröffentlicht  hat.  Ungemein  belebt  und  anziehend  schmücken 
sie  sich  genie  mit  (^itaten  aus  den  von  Kaulbach  illustrierten  Dicht-ern.  Wenn  er  sich 
im  Gegensatz  zu  der  Düsseldorfer  Schide  bemüht,  die  Menschen  zu  zeichnen,  wie  sie 
sind-,  so  benift  er  sich  auf  Shakespeare,  und  als  er  Frankfurt  kennen  lernt,  da  steigt 
in  ihm  wie  in  so  vielen  anderen  die  Frage  auf:  Wie  war  es  nur  möglich,  dass  in 
dieser  Stadt  ein  Mann  wie  Goethe  auferstehen  konnte?  Sonst  aber  kommen  diese 
Briefe,  in  denen  das  Scharfe,  Pessimistische  des  Kaulbachschen  Wesens  gar  nicht 
durchschimmert,  auf  irgend  welclie  dichterischen  Interessen  nicht  zu  sprechen:  doch 
wird  dabei  \uid  bei  der  genrehaften  Haltung  der  Briefe  auch  die  Person  der  Empfängerin 
mitgespielt  haben.  —  Spröder,  aber  viel  tiefer  wirkt  auf  uns  der  Briefwechsel  zwischen 
Rauch  und  Rietschel,  den  uns  Karl  Eggers' 2''2-267^  Sorgfalt  in  zwei  stattlichen  Bänden 
vorgelegt  hat.  Durch  28  Jahre  tauschen  Lehrer  und  Schüler  ihre  ktinstlerischen  Ein- 
drücke und  Erfalu'ungen  aus:  der  Lehrer  in  treuer  Mitfreude  am  Gedeihen,  in  herz- 
licher, hilfsbereiter  Teilnahme  an  den  schweren  Sorgen  Rietschels;  der  Schüler  in  un- 
wandelbarer, besclieidener  Dankbarkeit  dem  greisen  Meister  ergeben.  Gewiss  ein 
menschlich  und  künstlerisch  schönes  Bild!  Dennoch  ist  der  Vergleich  mit  dem  Brief- 
wechsel Goethes  und  Schillers,  den  freilich  eine  Aeusserung  Rauchs  (II,  S.  .S86)  nahe 
legt,  eine  unerlaubte  Ueberschätziuig.  Nicht  nur  darum,  weil  die  Briefe  der  beiden 
Bildhauer  schriftstellerisch  nicht  besonders  hoch  stehen!  Aber  Iteide  Männer  sind  so 
voll  von  dem  Technischen  ihrer  Kunst,  dass  sie  sich  über  ihre  Scliöpfungen  hinaus 
kaum  hinaufschwingen  wollen :  und  ausserdem  spielt  das  Pex'Sönliche  eine  Rolle,  die 
bei  den  von  Bestellungen  und  Konkun*enzen  lebenden  Künstlern  wohl  begreiflich  ist, 
die  aber  doch  die  Parallele  jenes  in  der  rein.sten  Jlöhenluft  der  Kunst  einherschreiten  den  Brief- 
wechsels der  W'eimarer  Dichter  ausschliesst.  Selbst  die  gegenseitige  Kritik  der  Werke 
tritt  bei  Rauch  und  Rietschel  zurück:  Photographien  und  Aehnliches  konnten  eben  nie 
ein  zum  Urteil  berechtigendes  Bild  der  plastischen  Schöpfung  gewähren.  Uns  inter 
essieren  hier  besonders  die  zahlreichen  Erörterungen  über  die  Dichtei bilder,  ^lit  denei^ 
sich  die  Briefschreiber  beschäftigen.  Gleichzeitig  arbeiten  beide  an  einem  Lessiiig,  Rauch 
für  das  Relief  des  Friedrichstandbildes,  Rietschel  für  Braunschweig;  sie  tauschen  ihre 
Ansichten  über  die  zu  benutzenden  alten  Bilder  aus  (11,  8.  302,  .304).  Dann  quält  sich 
später  Rietschel  mit  dem  Schillor-Goethe-Standbild  in  W'eimar  weidlich  ab,  und  Rauch 
neigt  zu  der  An.sicht,  dass  zwei  Einzelbilder  doch  vorzuziehen  seien  (11,  S.  393,  397, 
422,  424  ff.).  Rauch  wünscht,  dass  Rietschel  Ludwig  Tieck  verewige,  aber  so  „lieroisch",  wie 
wenn  er  den  Shakespeare  vorlese  (I,  S.  247  ff.,  203,  2G5);  Rietschels  Sympathien  iVu- 
Tieck  sind  wohl  minder  gross;  besonders  unzutrieden  ist  er  damit,  dass  der  von  ihm 
sehr  geschätzte  Böttiger  i)n  „Gestiefelten  Kater",  den  er  als  neu  anzusehen  scheint,  so 
verletzend  karikiert  wurde  (II,  S.  130).  Selu-  warm  urteilt  Rauch  über  Rietschels  Büste 
der  Schröder-Devrient,  deren  Romeo  seinem  plastisch  geschulten  Auge  ein  solcher  Genuss 
war,  dass  fer  darüber  den  Gesang  der  anderen  vergass  (II,  S.  133).  Bei  der  Sorgfalt, 
die  sie  beide  ihren  Dichtermonumcnten  widmen,  empört  sie  die  Flüchtigkeit  des  Schwan- 
thalerschen  Goethe  (II,  S.  171),  und  Rietschel  fühlt  sich  durch  Davids  luigeheuerlicb.e 
Kolossalbüste  Goethes  geradezu  beunruhigt  (11,  S.  9j.  Das  dämonisch  überhetzte  Kunst- 
treiben König  Ludwigs  in  München  ist  Rietschel  so  unheimlich,  dass  er  eine  Au.ssicht, 
nach  München  zu  kommen,  schmerzlos  schwinden  sieht  (I,  S.  298).  Das  künstlerische 
Ideal,  die  Antike,  wird  nicht  oft  ausdrücklich  betont:  aber  es  ist  der  selbstverständliche 


Bri«feii  an  König  Otto:  NFPr.  9762.  -  249)  Hans  Müller  (Berlin),  Aus  W.  Kaulbachs  Werdeieit:  AZg».  N.  211  4.  —  29»  X 
id.,  E.  Badereise  W.  Kaulbacbs  nach  Ems  im  J.  1846.  Mit  ungedr.  Briefen:  ML.  60,  S.  500  3.  522  4,  633  6,  569  70.  (HSbich« 
Plaudereien  in  Briefen  an  ».  Frau,  aber  ohne  litterarhist.  Interesse;  auch  e.  lustiger  Brief  t.  Oiiido  OOrres.)  —  251)  X  id., 
^rerdruckt  K.  M.),  Aus  Kaulbachs  Biographie.  Kaulhach  in  Mülheim  :  ih.  S.  791  3,  804  7.  (Proben  aus  d.  künftig  erscheinenden 
Biographie,  wieder  wesentlich  anziehende  u.  belebte  Briefe  an  a.  Frau.)  —  2S2)  Briefwechsel  zwischen  Rauch  n.  Rietschel, 
her.  T.  K.  Eggers.  Erster  Band.  Mit  e.  Lichtdruck  d.  BOste,  d.  Phutotypie  e.  Briefes  Kauchs  u.  mehreren  Hochltzungen. 
Zweiter  Band.  Mit  e.  Lichtdruck  d.  Profllbildes,  d.  Phototypie  e.  Briefes  Bietschi'ls  n.  mehreren  Hochltxungen.  Berlin, 
FonUne.  1890' 1.  XVII,  526;  X,  608  S.  M.  20,00.  [[Gesellsch.  S.  4;»7;  Orenib.  II,  S.  538—40.]  -  253)  X  «*««•»  "• 
Rietschel:  DRs  1890/1,  S.  317—20.  (Nutzt  N.  252  aus  vorsngsweiae  zu  d.  Charakteristik  lUuohscher  üenkmftler.)  —  254)  X 
L.  Geiger,  Rauch  u.  Rietschel :  Nation».  S.  775  7.  (l'eber  N.  252.  -  265)  X  W.  Pn't'g.  I>-  Briefwechsel  xwieohen  Reuch 
u.  Rietschel:  BLU.  N.  7.  (Rühmt  iu  Btat,i.<ir  l'eberschatzung,  wie  hier  weniger  noch  d.  Künstlerische  als  d.  rein  Menschliche  so 
gewaltig  wirke,  wie  in  d.  vertrautesten  Aeusserungen  keine  CharakterblOsse  herrortrete.  Dann  folgen  Excerpte.  u.  a.  fttr  d. 
Frage,  ob  d.  Btthne  d.  plast.  Kunst  Anregungen  bieten  kOnn«.;  —  256)  X  M.  S..  Briefwechsel  zwischen  Rauch  n.  Rietschel :  N*8. 
57,  S.  282.  (Beobachtet  richtig,  wie  Rauchs  Stil  immer  krauser,  der  Rietschels  l^.iipr  freier  u.  tiefer  dich  entwickelt.)  — 
257)  X  W.  Lttbke,   Rauch  n.  Rietschel:  AZg«.  iN.  157.  -^  25«)  X  -"^K.  Briefe  Hehns  an  Wichmann:  BaltMschr.  38,  S.  691  8. 


IV  1:   259-V'f  G.  Roetlie,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts.  ^^  80k 

Untergrund,  Rauch  warnt  den  Schüler  einmal  vor  romantischen  Phantasten  wie  Schubert 
und  Kreuzer  (I,  S.  88),  und  Rietschel  wird  bei  einer  Antigoneaufführung  durch  Mendels- 
sohns unantike  Musik  gestört.  Goethe  taucht  öfters  in  Rauchs  Gedanken  avif,  der 
z.  B.  bei  der  merkwürdigen  anatomischen  Schärfe,  mit  der  die  Glieder  im  Gasteiner 
Wasser  erscheinen,  an  jenen  denken  muss  (I,  S.  95);  Rietschel  bekennt  sich  zu  Hegel 
und  Feuerbach  (II,  S.  353).  Das  hindert  ihn  aber  nicht,  aus  voller  Seele  einzustimmen 
in  den  flammenden  Zorn,  den  Rauch  angesichts  der  Revolution  von  1848  empfindet: 
der  alte  Hen-  kann  sich  garnicht  genug  thun  in  grimmigen  Reden  über  die  „Gemein- 
heit höchster  Potenz",  die  dank  der  Demokratie  über  die  Geschicke  Preussens  zu  Rate 
sitzen  darf  (II,  S.  307).  Und  wiederum  steigt  in  ihm  der  Zorn  auf,  wenn  er  hört,  wie 
„Zopf"  und  ,, zopfig"  als  verächtliches  Prädikat  gedankenlos  gebraucht  wird,  und  wenn 
er  dabei  denkt,  dass  die  Schöpfungen  Glucks,  Winckelmanns,  Mozarts,  Lessings,  Goethes 
im  Zeichen  des  Zopfes  entstanden,  ,, wogegen  uns  die  heutigen  Bartherren  wie  aufge- 
blasene Schläuche  vorkommen"  (II,  S.  304).  So  haben  denn  beide  mit  den  Wortführern 
der  modernen  Litteratur  wenig  Fühlung,  wenngleich  Rietschel  1857  von  Auerbach  und 
Gutzkow  angetoastet  wird  (II,  S.  548);  und  den  Selbstmord  der  Frau  Stieglitz  beurteilen 
sie  beide  als  ein  jämmerliches  Ergebnis  des  Unglücks,  dass  keine  irdische  Beschäftigung, 
keine  häusliche  Not  sie  von  der  Beschäftigung  mit  ihrem  Ich  abzog;  das  Theatralische 
dieses  Todes  ist  ihnen  beiden  gründlich  zuwider,  zumal  Rietschel,  der  den  Segen  der 
Prosa,  der  Lebensnot  gerade  vor  dieser  Leiche  tief  empfindet  (I,  S.  280,  282  f.).  Sie 
urteilen  also  in  ähnlicher  Stimmung  wie  Ranke  (s.  o.  N.  212). —  Ueber  dessen  Briefe,  wie  über 
die  Moltkes  (N.  138),  Dingelstedts  (N.  196),  Hases  (N.  220)  habe  ich  schon  früher  be- 
richtet: Hehns  Briefe  an  Wichmann  (JBL.  1890  IV  1  :  55)  haben  auch  in  diesem 
Jahre  die  Kritik  258-263^  nicht  zur  Ruhe  kommen  lassen.  Ich  verkenne  gewiss  nicht, 
dass  die  Offenherzigkeit  dieser  Briefe  eine  ungekürzte,  so  schnelle  Veröffentlichung  hätte 
verbieten  sollen.  Aber  ihr  köstlicher  Gehalt  ist  so  gross,  der  Zauber  der  Unmittelbar- 
keit wird  durch  Hehns  gelegentliche  Ueberschärfe  so  sehr  verstärkt,  dass  ich  die  Indis- 
kretion nicht  zu  bedauern  vermag.  Mir  ist  von  diesem  herrlichen  Menschen,  den 
Schrader264)  leider  als  das  Glied  eines  scheidenden  Geschlechtes  feiern  muss,  jede 
Zeile  so  wert,  dass  ich  seinem  Biographen  besonders  dankbar  bin  für  die  mancherlei 
Auszüge  und  Mitteilungen  aus  verscholleneu  und  minder  bekannten  Arbeiten  Hehns, 
mit  denen  er  das  Bild  des  nur  auf  kurze  Strecke  stärker  bewegten  Lebens  des  einsamen 
Gelehrten  geschmückt  hat.  Helm  selbst  hat  ja  leider  an  eine  Sammlung  und  Sichtung 
seiner  versprengten  kleineren  Aufsätze  nie  gedacht.  Andere  sind  sorglicher  gewesen 
gegenüber  ihren  Geisteskindern.  —  . 

Litter  aturg  es  Chi  chte  N.  1.  —  Anthologien  X.  9.  —  Äluianache  N.  21.  —  Stammbücher  N.  28.  —  Moderne 
Litteratur  N.  33.  —  Geschichte  geistiger  Strömungen  des  Jahrhunderts:  Allgemeines  N.  42.  —  Theologie  N.  47.  — 
NationalgefUhl  N.  48.  —  Politische  Geschichte  des  18.  und  19.  Jahrhunderts  N.  51;  einzelner  Epochen  N.  57.  —  Samm- 
lungen von  Biographien  N.  64.  —  Die  preussischen  Könige  N.  67:  Friedrieh  der  Grosse  N.  (18;  Friedrich  Wilhelm  II.  N.  92; 
Friedrich  Wilhelm  IIL  N.  93;  Friedrich  Wilhelm  IV.  N.  95;  Wilhelm  1.  N.  96;  Wilhelm  II.  N.  98.  —  Bismarck  N.  101.  — 
Moltke  und  Roon  N.  118. —  Selbstbiographien  und  Tagebücher:  von  Fürsten  N.  159;  von  Diplomaten  und  Politikern 
N.  162;  von  Dichtern  und  Schriftstellern  N.  188;  von  Historikern  N.  209;  von  Theologen  N.  218;  von  Schauspiölern  N.  228.  — 
Briefsammlungen  N.  232.  — 

(Schluss  folgt). 


(Sehr   gerühmt,    weil    sie    Hehns    gelÄutert-konservative  Anschauung,   seine  Achtung    vor    d.   bist.  Gewordenen  enthüllen.)  — 

259)  X    Briefe  von  V.  Hehn:    Grenzb.  50,  II,    S.  342/6.     (Verständige    Besprechung    d.  Wichmannschen    Briefpublikation.)    — 

260)  X  Gegenwart  40,  S.  255.  —  261)  X  ^,  V.  Hehn  in  seinen  Briefen:  NFPr.  N.  9529.  (Sympath.  Besprechung.)  —  262)  X 
Erich  Schmidt:  DLZ.  S.  1539.  (Bedauert  d.  taktlose  Publikation.)  -  263)  X  G.  D.,  Privatbriefe  u.  publizistische  Korre- 
spondenzen V.  V.  Hehn:  AZg».  N.  56.  (Schliesst  e.,  überwiegend  anerkennenden,  Beurteilnng  d.  Wichmannschen  Publikation 
einige  Briefe  Hebns  über  russische  Verhaltnisse  au,  die  er  in  d.  J.  1862/5  für  d.  BaltMschr.  schrieb.)  —  264)  (IV  6  :  145'6.) 
llBgn.:  BaltMschr,  38,  S.  597.]|  - 


81  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jalirhunderts.  IV  3:  1-7 


IV,3 

Epos. 

AllK«m*ine  Theorie  und  Gesuhichto  des  Romans  N,  1.  —  l'itl>oln  und  poetlacbe  Erzthlnngon  N.  12.  —  KomiKehe 
Ueldengodichte  N.  18.  —  Erastos  Epos  N.  10.  —  Kloputock  N.  20.  —  Wielund  N.  29.  —  AelUre  Roman«  N.  38.  —  Klinger 
N.  :!8.  —  HUrger  und  Voss  N.  41.  —  Tiedge  und  andere  /eitgenoasen  der  klaaMiHchen  Periode  N.  45.  —  Hebet  nnd  Zachokk« 
N.  60.  —  Christoph  v.  Schmid  N.  60.  —  Jean  Paul  N.  73.  —  E.  T.  A.  IIofTinonn  N.  81.  —  Chamluo  N.  83.  —  Oleichaeitige 
iiud  wenig  spatere  Novellen-  und  Romandichtor:  Hauff,  Immorinann,  (icrstäcker,  Mosen  u.  a.  N.  84.  —  Fritz  Beuter  N.  114.  — 
Auerbach  und  süddeutsche  Dorfgeschichtendichter  N.  122.  —  Gottfried  Keller  N.  139.  —  K.  F.  Meyer  N.  157.  —  Redwitz 
N.  161.  —  F.  W.  Weber  N  170.  —  Hamerling  N.  173.  —  Hchoffel  N.  182.  —  Ferd.  Olelchanf,  Titos  Ullrich,  Aug.  Becker 
N.  189.  —  Raabe  N.  192.  —  Schwoichol  N.  202.  —  Rodenberg  N.  204.  —  Oeschichte  des  Erstlingswerks  N.  207.  —  Mnnehener 
Dichter  N.  217.  —  J.  B.  Muschi  N.  221.  —  Wiener  Romanaatoren  N.  222.  —  Fontane  N.  220.  —  Frenzel  N.  230.  —  A.  Olaaer 
N.  234.  —  .Die  Moderne"  N.  230.  — 

Zu    allgemeineren  Untersuchungen    auf  dem  Gebiete    der  neueren  Epik  hat 
im    Jalire  1891    die  Theorie    und  Geschichte    des  Romans    am  meisten  angelockt; 
(loch   ist  dabei  nur  wenig  wissenschaftlich  Förderndes  geleistet  worden.     Aus  Klinck- 
siecks  1)  zwar  nicht  erschöpfender,   aber  fleissiger,  lehiTeiclier  und    Oberall    anregender 
Charakteristik  der    vier  Hauptvertreter    des  Realismus  in  Frankreich,    Balzac,  Flaubert, 
Daudet,    Zola,    kann    die  deutsche  liitteraturgeschichte  nur  mittelbar  Nutzen  ziehen.  — 
Fast    wertlos    wird    dagegen    durch    leidenschaftliche    Uebertreibung,    was    L.    Grego- 
rovius^)  gegen  den  historischen  Roman  voi'bringt.    Es  zeugt  mehr  von  schulmeisterlich- 
pedantischer   Berechnung    als    von    künstlerischem  Verständnis,    ermangelt    der    nötigen 
Konsequenz,  da  der  Vf.  wohl  im  Roman,  aber  nicht  im  eigentlichen  Epos  und  im  Drama 
die  plumpste  Realistik  fordert,    luid  ist  überdies  oft  in  einem  höchst  ungehörigen  Tone 
ausgesprochen.     G.    sucht    hauptsächlich    an    den    „Ahnen"  von    G.  Fi-eytag,    der  nach 
seinem  Urteil  nur  ein  bedeutender  Schriftsteller,  aber  kein  Dichter  ist  —  während  Scheffel 
zwar  kein  grosser,  aber  ein  wirklicher  Dichter  genannt  wird  — ,  die  nahezu  unüberwind- 
lichen Schwierigkeiten  bei  Benutzung  historischer  Stoffe  im  Roman  nachzuweisen.     Ein 
poetisch    nebensächliches    Moment,    das    äussere  Gewand    der  Erzählung,    das    nur    die 
Voraussetzung    und    die  Mittel  für  die  Entwicklung  der  Handlung,    für  die  Darstellung 
mensclilichen  Empfindens,    Denkens  und  Erlebens  bieten  soll,    erheische  im  historischen 
Roman  eine  ungebülniiche  Beachtung;  hinwiederum  aber  könne  auch  der  allererfahrenste 
Kulturhistoriker    nicht    alle  Einzelheiten  des  jeweiligen  geschichtlichen  Kostüms  richtig 
txeöen.     Personen  einer  vergangenen  Zeit  dürften  keine  modernen  Ausdrücke  brauchen: 
der  Autor    müsse    also  seine  natürliche  Sprache  modifizieren,    verliere  dadurch  die  Un- 
mittelbarkeit   des  Ausdrucks    und    werde    fast    rettungslos  zur  Manier  getrieben.     Aber 
auch  das  ganze  innere  Wesen,  die  Geistes-  und  Gemütsbildung  der  Menschen  sei  früher 
anders    als    heute    gewesen;    der    moderne  Erzähler    dlirfe    also    nicht  mit  der  gesamten 
Fülle    seines  Denkens    und  Empfindens    Personen    einer    älteren  Zeit    beleben.     So    aul 
manche  Weise    durch    den  historischen  Charakter    seines    Stoffes    beschränkt,    suche  er 
Ersatz    in  der  poetischen  Verwertung  von  Elementen,    die  im  Lichte  modemer  Verhält- 
nisse nicht  einmal  angedeutet  werden  dürften,  wie  z.  B.  Freytag  in  dem  mystischen  Zu- 
sammenhang   der  Charaktereigenschaften  und  Ereignisse  in  den  verschiedenen  Romanen 
seines  Cyklus  (wobei  G.  auch  ein  paar  Einwände  gegen  missverstandene  Wort«  Goethes 
einmischt).  Vor  allem  aber  verderbe  das  selbständige  Interesse,  das  der  historische  Stoff 
hervorrufe,  den  Geschmack    der  Leser    (dazwischen    eine"  überaus  thörichte  Bemerkung 
über    Goethes  „Tasso"    als    klassisches  Beispiel,    wie    einem  an  sich  ungeeigneten  Stoff 
auch  die  Kraft  des  grössten  Dichters  keine  Anziehungskraft  zu  verleihen  vermöge!)  und  nicht 
minder    das  Urteil    der  Autoren  selbst,    die  nun  nationale  oder  politische  Tendenzen  in 
ihren  Romanen    verfolgten    und    so    den  verkehrtesten  Cham-inismus  pflegten.     Einzelne 
dieser  Gedanken  sind  ja  gewiss  an  sich  nicht  völlig  unberechtigt;    aber  auch  bei  ihnen 
ist  die  weitere  Ausführung  dem  Vf.  in  der  Regel  ganz  missglückt.  3-ß)  —  Die  früher  er- 
schienenen Werke  von  E.  Morsier,  H.  Mielke  und  K.  Rehom  (JBL.  1890  IV  3  :  1 — 2)  über 
den    Roman    des    19.  Jh.    zogen    noch    die    kritische  Aufmerksamkeit  Zollings  ^)    iind 
Hardens  7)  auf  sich.    Der  letztere  verbindet  damit  eine  meist  verurteilende  Besprechung 


I)  F.  Klincksiecls,  Z.  Entwicklungsgesch.  d.  Realismus  im  franxe.<>. Roman  d.  19.  Jh.  E.  litt. -hi.st.  Versuch.  Marburc 
Elwert;  Paris,  Klincksiock  V,56S.  M.  1,20.  [J  Sarrazin:  Franco-Oallia  8.  8.  77.];  —  2)  (I  3 :  140.)  [Grenzb.  H.  .-<.  39«i  ^i„bend).r - 
3)  (I  3  :  138.)  —  45)  O  XX  Lucac,  De  nederlandsche  sentimenteele  roman  en  lijne  terugwerking.  Amsterdam  Priem 
VI,  116  Bl.    Fl.  1,23.    —    6)  (I  3  :  137.)  —  7)  M.  Harden,   D.  Alten    u.    d.    Jungen   im    dtsch.    Rom«],:    pzg,   jj,    liOIL    — 

Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschiehte  II  cai.  a 


IV  3:  8-12.  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  82 

zahlreicher  neuer  Romane  von  schreibenden  „Damen"  und  anderen  Anhängern  der  alten 
Richtung  (E.  Wiehert,  A.  Becker),  von  halbmodernen  Talenten  (J.  Niemann,  K.  Tel- 
mann)  und  von  ganz  modernen,  technisch  merkwürdig  sicheren,  aber  der  Individualität 
und  wahrer  Kunst  ermangelnden  Verfassern  (F.  Holländer,  Th.  Wolff);  ungeteiltes  Lob 
hat  er  nur  für  W.  Kirchbach.  —  An  einen  neueren  Roman  anknüpfend,  verfolgte 
R.  M.  Meyer  ^)  die  Gestalt  des  nüchternen  Antiidealisten,  der  über  alles  Grosse  und 
Poetische  platt  abspricht  oder  im  satirischen  Tone  vermeintlich  pfiffig  spottet,  in  unserer 
Litteratur  von  den  Lügenmärchen  des  10.  Jh.  an  durch  die  Schwanke  Eulenspiegels, 
die  Sittenlehren  des  „Grobianus",  die  Aufschneidereien  Schelmuffskys  hindurch  bis  ziir 
Jobsiade,  Hebels  „Kannitverstan",  Immermanns  Karl  Buttervogel  und  Gaudys  Schneider- 
gesellen. —  Von  einem  anderen  modernen  Werke,  Bellamys  „Rückblick",  gingen 
von  Hertling  9)  und  von  Grotthuss  ^*^)  aus,  um  ältere  und  neuere  Staatsromane 
der  deutschen  und  noch  mehr  der  französischen  und  englischen  Litteratur,  so  Th.  Morus' 
„Utopia'',  Campanellas  „Sonnenstaat",  Vairasses  „Geschichte  der  Sevaramben",  Cabets 
„Reise  nach  Ikarien"  und  J.  H.  Mackays  „Anarchisten",  Ch.  Kingsleys  „Alton  Locke", 
zu  besprechen.  —  Weniger  ausschliesslich  auf  die  Geschichte  des  Romans  beziehen  sich 
die  zusammenfassenden  Arbeiten,  die  der  Epik  des  18.  Jh.  gewidmet  sind.  An  erster 
Stelle  ist  hier  Goetzes  Neubearbeitung  von  Goedekes^)  „Grundriss"  zu  verzeichnen, 
dessen  vierter  Band  eine  neue,  in  den  allermeisten  Eällen  sehr  zuverlässige  Grundlage 
für  das  Studium  unserer  Litteratur  von  Bodmer  bis  Goethe  bildet.  In  ihm  behandelt 
§  210  die  Fabeldichter,  §  214  die  Verfasser  komischer  Epen,  §  225  die  Autoren  von 
Rittergedichten,  komischen  Erzählungen,  burlesken  Romanzen,  Parodien,  Travestien  und 
Schwänken.  Die  drei  Paragraphen  sind  mit  Benutzung  der  Vorarbeiten  Goedekes  von 
Goetze  selbst  ausgearbeitet  und  zeigen  gegenüber  den  dürftigen  Angaben  der  ersten 
Auflage  des  „Grundrisses"  eine  ungemeine  Vermehrung  des  zugleich  viel  gründlicher 
im  einzelnen  geprüften  und  übersichtlicher  geordneten  bibliographischen  Materials.  In 
§§  210  und  214  handelt  es  sich  fast  nur  um  ganz  untergeordnete  Schriftsteller,  da  die 
bedeutenderen  Dichter,  die  sich  in  Fabeln  und  komischen  Epopöen  versuchten,  in  an- 
derem Zusammenhange  selbständig  besprochen  sind;  aber  gerade  bei  jenen  sonst  wenig 
bekannten  geringen  Autoren  war  es  oft  recht  mühsam,  doch  auch  doppelt  dankenswert, 
die  Titel  ihrer  Schriften  möglichst  vollständig  zu  verzeichnen  und  zugleich  sichere  Mit- 
teilungen über  die  wichtigsten  Ereignisse  ihres  Lebens  zu  bringen.  In  §  225  treten 
•leben  geringfügigeren  Poeten  auch  einige  wichtigere  und  bekanntere  Namen  hervor: 
Kaiserin  Katharina  IL,  L.  F.  v.  Nicolay,  J.  ß.  v.  Alxinger,  R.  E.  Raspe,  D.  Schiebeier, 
J.  A.  Blumauer,  K.  A.  Kortum,  G.  Ch.  Lichtenberg,  A.  F.  E.  Langbein.  Bei  ihnen  ist 
auf  Grund  mannigfacher  neuerer  Specialforschung  die  Bibliographie  ausserordentlich 
leichhaltiger  und  genauer  geworden  und  namentlich  wurde  auch,  so  weit  es  vorderhand 
möglich  war,  eine  Aufzählung  der  von  ihnen  bekannten  Briefe  versucht.  In  gleicher 
Weise  ist  der  von  Muncker  neubearbeitete  §  216  über  Klopstock  nach  allen  Seiten 
iiin  um  mehr  als  das  Doppelte  vermehrt  worden,  besonders  dvirch  ein  Verzeichnis  der 
Briefe  des  Dichters  und  zahlreicher  neuer  Arbeiten  über  ihn  sowie  der  Uebersetzungen 
seiner  Werke;  sonst  wurde  vornehmlich  die  Bibliographie  der  Einzeldrucke  von  Ge- 
sängen des  „Messias"  und  von  Oden  und  die  Streitschriftenlitteratur,  die  der  „Messias" 
Iiervorrief,  vervollständigt,  natürlich  zum  grossen  Teil  mit  Hilfe  der  Vorarbeiten  Cropps 
'm  Hamburger  Schriftstellerlexikon.  Noch  viel  bedeutender  hat  sich  §  223  über  Wieland 
erweitert,  in  der  ersten  Auflage  allerdings  einer  der  dürftigsten  Abschnitte  des  ganzen 
„Grundrisses".  In  der  neuen  Auflage  ist  ihm,  gleich  den  übrigen  grösseren  Dichtern 
unseres  Volkes,  eine  eng  gedrängte  Darstellung  seines  äusseren  Lebensganges  nebst 
kurzer  Charakteristik  seiner  litterarischen  Bedeutung  von  Muncker  gewidmet;  daran 
schhesst  sich  eine  ungemein  reichhaltige  Bibliographie,  das  Werk  Goetzes,  dem  dabei 
aber  eine  Zusammenstellung  Redlichs  und  überaus  fleissige  Kollektaneen-B.  Seufferts 
vorlagen.  Hier  sind  z.  B.  aus  den  vier  ein  halb  Zeilen,  die  in  der  ersten  Auflage  zur 
Aufzälalung  der  Schriften  über  Wieland  dienten,  mehr  als  vier  eng  bedruckte  Seiten 
geworden,  eben  so  viel  aus  den  fünf  Zeilen,  die  früher  seine  Briefe  verzeichneten.  Mit 
der  gleichen  Sorgfalt  ist  jede  noch  so  geringe  Dichtung  und  jeder  Prosaaufsatz  von 
selbständiger  Bedeutung  samt  der  etwa  sich  daran  knüpfenden  kritisch -polemischen 
Litteratur  angemerkt.  Dasselbe  Lob  verdient  der  von  Müller-Fraureuth  bearbeitete, 
den  vorgoethischen  Romanschriftstellern  des  vorigen  Jh.  gewidmete  §  224.  Auch  hier 
sind  zahlreiche  neue  Namen  und  Titel  hinzugekommen ;  mehrere  Werke,  dereii  Ursprung 
früher  noch  im  Dunkeln  gelassen  war,  sind  nun  ihren  Verfassern  zugewiesen;  alles  ist  be- 
richtigt,   bereichert    und  vervollständigt.     Viele  Autoren  von  geringerem  Range  werden 


8)  B.  M.  Meyer,  D.  Ahnen  d.  Fiirailio  Buchholz:  Nationn  8,  S.  M2|5.  —  9)  Q.  Prhr.  v.  Hertline,  Ueber  alte  u.  nene 
Staatsromano.  Vortr  :  Hausschatz  17,  S  199—203,  21-.'/5,  231/4.  —  10)  J.  E.  Frhr.  v.  Grotthuss,  D.  Zukunftsstaat  im 
Spiegel  d   modernen  Romans:  UZ.  II,  S.  498-512.  —    llj  (IV  1:1.)    —    12)  X  Neuer  Fubelschatz.     Mit  Text  in  Versen  nach 


83  F,  Muncker,  Epos  des  18./19,  Jahrhunderts.  IV  3:  13-28. 

dabei  besprochen,  mit  ihnen  abei*  auch  einige  verhältnismässig  bedeutendere,  ThOmmel, 
Hermes,  Bode,  Schummel,  Sophie  v.  la  Roche,  Musäus,  Meissner,  Pestalozzi,  Knigge,  in 
ihrer  ganzen  schönwissenschaftlichen  Thätigkoit  behandelt.  — 

Mehrere  Veröffentlichung(!n  mahnen  an  die  Bedeutung,  die  man  im  18.  Jh.  der 
Fabel  und  der  poetischen  Erzählunj^  bcnmass,  insbesondere  an  Lafontaines  Einfluss 
auf  unsere  Fabeldichtung '2-I8).  —  Mendhcim  ^*)  schildert  das  Leben  und  die  Schriften  des 
in  der  Weise  Gellerts  dichtenden  Joh.  Frd.  Seidel  (1749 — 1836)  in  einem  kurzen, 
guten  Aufsatze.  —  In  Pfeffols  Erzählung  „Die  Tabakspfeife"  möcnte  Sprenger  **)  in 
V.  2  nach  dem  Druck  in  „Des  Knaben  Wunderhoni"  lieber  „Blumenkopi"  lesen; 
Puls '6)  verteidigt  und  erklärt  die  in  PfefFels  eigenen  Ausgaben  überlieferte  Lesart 
„Blumentopf",  sicherlich  mit  Recht.  —  Von  Langbeins  i')  humoristischen  Erzählungen 
sind  vier  Bände  wiodergedruckt  worden.  — 

Den  komischen  Heldengedichten  widmet  E.  Petzet  1^)  eine  grtlndliche  und 
im  einzelnen  ergebnisreiche  Studie.  Er  charakterisiert  kurz  Tassonis  „Geraubten  Eimer", 
Boileaus  „Chorpult"  und  Popes  „Lockenraub"  (mit  besonderer  Rücksicht  auf  einzelne 
darin  enthaltene  Nachahmungen  Homers  und  Vergils)  und  schildert  dann  die  deutschen 
Epen,  zumal  in  ihrer  Abhängigkeit  von  Boileau  und  Pope,  so  Rosts  „Tänzerin"  (1741), 
Pyras  „Bibliotartarus"  (1741)  und  den  von  diesem  beeinflussten  „Renommisten"  Zachariäs 
(1744),  mit  dem  das  komische  Epos  in  Deutschland  den  ersten  Höhepunkt  erreicht  und  die 
der  Fremde  entlehnten  Elemente  wirklich  deutsch  werden.  Darauf  bespricht  P.  die 
späteren,  stets  schwächer  werdenden  Dichtungen  Zachariäs,  die  „Verwandlungen"  (1744, 
nach  Ovid),  das  „Schnupftuch"  (1754,  darin  schon  direkte  Parodie  Homerischer  Stellen), 
den  „Phaeton"  (1754,  Parodie  Ovids)  und  „Murner  in  der  Hölle"  (1757,  Parodie  von 
Hom.  Od.  XI,  51 — 83),  und  verweilt  wieder  länger  bei  dem  zweiten  Meisterwerke  dieser 
Dichtungsgattung,  Uz'  „Sieg  des  Liebesgottes"  (1753),  dessen  Wert  nicht  auf  der  mini- 
malen, von  Zachariäs  „Verwandlungen"  etwas  abhängigen  Handlung,  sondern  auf  den 
anmutigen  Einzelzügen  der  Darstellung  und  auf  der  kräftigen,  echt  deutschen  Satire  be- 
ruht, die  nun  aber  auch  auf  die  NachäiFung  englischer,  nicht  bloss  französischer  Sitten 
\uid  auf  litterarische  Verhältnisse  in  weiterem  Umfange  ausgedehnt  wird.  Kürzer  be- 
handelt P.  die  ganz  von  Pope  abhängigen,  dabei  auch  vielfach  zur  Parodie  verschiedener 
Dichter  neigenden  Versuche  von  Dusch,  das  „Topp^e"  (1751)  und  den  „Schosshund" 
(1756),  femer  Schönaichs  „Picknick"  (1753,  durch  den  ,, Renommisten"  mitbestimmt),  neu 
und  originell  in  seinem  Hinweis  auf  Friedlich  IL,  den  sofort  J.  F.  Löwen  in  seiner 
„Walpiu-gisnacht"  (1756)  nachbildet.  Zeigt  dieses  Werk  mit  seinem  Mangel  an  Hand- 
lung schon  den  Uebergang  zur  reinen  Satire,  so  bekunden  Zachariäs  „Lagosiade"  (1749) 
und  „Hercynia"  (1763)  und  Thümmels  „Wilhelmine"  (1764)  den  Uebergang  zum  ko- 
mischen Prosaroman,  der  ja  zum  Teil  unmittelbar  an  die  „Wilhelmine"  anknüpft,  und 
zur  humoristischen  Idylle  Jean  Paids.  Andererseits  mündet  das  komische  Heldengedicht 
auch  in  die  komischen  Erzählungen  Wielands  und  in  die  Travestien  von  Michaelis  und 
ßlumauer  aus.  — 

Die  Geschichte  des  ernsten  Epos  im  18.  Jh.  beginnt  wirklich  erst  mit  dem 
Einfluss  Miltons  auf  unsere  Dichtung;  einige  recht  brauchbare  Andeutungen  darüber, 
besonders  auch  über  das  Verhältnis  Klopstocks  zu  Milton,  gibt  A.  Köster'®)  in  einer 
kurzen,  völlig  verurteilenden  Besprechung  von  G.  Jennys  Schrift  über  jenes  Thema.  — 

Ueber  Klopstock  selbst  hat  das  Jahr  1891  wenig  Neues  gebracht.  L.  Frän- 
kel  20-22)  besprach  neben  Muncker-Pawels  kritisch-historischer  Ausgabe  der  Oden  einige 
im  vorigen  Bande  der  JBL.  behandelte  Werke  der  Klopstocklitteratur  für  die  Schule. 
—  Eine  verspätete,  umfangreiche  Kritik  des  Munckerschen  Buches  über  Klopstock 
von  Weissenfeis  23)  enthielt  nichts  nennenswertes  Neues.  —  Der  JBL.  1890  IV  7  : 2 
besprochene  Vortrag  von  Tschirch  24-25)  wurde,  wie  es  scheint,  nunmehr  ausführlicher 
mitgeteilt.  26)  —  Ueber  Klopstocks  vielverspotteten  Nebenbvdiler  v.  Schönaich  veröffent- 
lichte Jentsch27)  einen  ungenügenden,  ohne  Kenntnis  der  neueren  Forschungen  ab- 
gefassten  Aufsatz.  —  Von  einem  späteren  Freund  und  Schüler  Klopstocks,  H.  W.  v.  Gersten- 
berg, teilte  von  Weilen  28)  Verse  aus  hs.  erhaltenen  Idyllen  mit,  die  hernach  in  dem 
„Gedicht  eines  Skalden"  verwertet  wurden.  — 

Viel  reicher  war  die  Ausbeute    für  die  Erkenntnis  Wielands,  namentlich  des 


Lafontaine  v.  Geliert,  Qleim,  Hagedorn  u.  a.  Mit  6  Bildern.  Leipzig,  Opetz.  16  8.  M.  0,50.  —  13)  X  M.  F.  Mann,  F.  St«in, 
Lafontaines  Einfluss  auf  d.  dtsch.  Fabeldiolitung  d.  18.  Jh.  Aachen  1889.:  ZFSL.  13,  11,  S.  64/6.  —  14)  M.  Mendheim,  Joh. 
Friedr.  Seidel:  ADB.  33,  S.  620/1.  —  15)  R.  Sprenger,  Zu  Pfeflfels  «Tabakspfeife":  ZDU.  6,  S.  56.  —  16)  A.  Puls,  Noch 
einmal  zu  PfefFels  „Tabakspfeife",  t.  2:  ib.  S.  209— 10.  —  17)  A.  F,  E.Langbein,  Humoristische  Erzählungen.  Bd.  1—4. 
Leipzig,  Schumann.  12«.  135,  144,  128.  13«  S.  je  M.  0,60.  —  18)  E.  Petzet,  D.  dtsoh.  Nachahmungen  d.  PopAsohen  Loeken- 
raubes:  ZVLR.  NF.  4,  S.  409-33  -  19)  A.  K  Ost  er,  O.  Jenny,  Miltons  verlomos  Paradies  in  d.  dtsch.  Lift.  d.  If».  Jh.:  ADA. 
17,8.259—60.  —  202)  L.  Frankel,  Neue  Klopstocklitt.  fUr  d.  t^chule:  ZDO.  5,  S.  124— 30.  —  23)  R  Weissenfels . 
F.  Muncker,  F.  G.  Klopstock,  Gesch.  s.  Lebens  u.  s.  Schriften:  LBlGRPh.  12,  S.  114—22.  —  24  5)  Q  0.  Tsehirch,  E. 
Angriff  auf  Friedrich  d.  Gr.  in  Klopstocks  Gelehrtenrepublik:  FBPG.  4,  S.  586—91.  —  26)  O  X  (Gleim  über  Klopstoek): 
Bühnen-Genossenschaft  20,  S.  430.  —  27)  Jentsoh,  Christ.  Otto  Frhr.  t.  SchOnaich:  ADB.  S2,  S.  263/4.  —  28)  A.  t.  Weileu, 

6* 


IV  3:  29-30  ^-  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  84 

in  Zürich  zu  allmählicher  Selbständigkeit  heranreifenden  Dichters.  L.  Hirzel^»)  gab 
im  Anschluss  an  das,  was  er  selbst  und  B.  SeufFert  schon  früher  in  Schnorrs  „Archiv" 
und  in  der  „Vierteljahrschrift  für  Litteraturgeschichte"  über  pädagogische  Pläne  und 
Arbeiten  Wieiands  veröffentlicht  hatten,  die  nur  halb  vollendete  ,,  Geschichte  der  Gelehrt- 
heit" heraus,  die  der  junge  Dichter  1757  einigen  Privatschülern  diktierte.  Sie  fand  sich 
nebst  einem  andern,  doppelt  so  umfangreichen,  noch  ungedruckten  Diktat,  „Grund- 
legung der  christlichen  Religion"  betitelt,  im  Nachlass  der  Schreiber  Joh.  Kaspar  und 
Konr.  Ott,  ein  überaus  wertvolles  Denkmal  aus  einer  psychologisch  und  litterar- 
geschichtlich  merkwürdigen  Periode  in  Wielands  Leben,  obgleich  der  Inhalt  der  Schrift 
grossenteils  unselbständig  aus  älteren  gelehrten  Werken  geschöpft  ist.  Hie  und  da 
zeigen  sich  aber  auch  beachtenswerte  Spuren  von  Wislands  eigenem  Geiste,  besonders 
Spuren  davon,  dass  er  bereits  im  Uebergang  von  der  schwärmerischen,  mystisch-aske- 
tischen zu  einer  liühleren,  weltlich-sinnlichen  Denkweise  begriffen  war.  Aeusserlich  fällt 
die  bunte  Sprachmengerei  am  ersten  auf.  H.  druckt  das  Schriftchen  buchstabengetreu 
ab,  ohne  erklärende  Anmerkungen,  mit  Ausnahme  einer  kurzen  Schlussnote,  weist  aber 
in  der  Vorrede  in  aller  Kürze  dem  Werke  den  Platz  an,  der  ihm  geschichtlich  zu- 
kommt. —  Bedeutender  noch  ist  L.  Hirzels^o)  Arbeit  über  Wielands  Verhältnis  zu 
den  Geschwistern  Künzli,  überall  auf  das  sorgsamste  Studium  gegründet  und  darum 
auch  für  die  ganze  Zeitgeschichte,  um  die  es  sich  handelt,  für  die  Erkenntnis  Bodmers, 
Wasers  und  anderer  Schweizer,  gelegentlich  auch  Klopstocks  und  seiner  Freunde  und 
Gegner,  ergebnisreich.  Den  Kern  des  Buches  bilden  16  Briefe  Wielands  vom  17.  Sept. 
17B6  bis  zum  5.  Juni  1759,  davon  11  an  Martin,  5  an  Regula  Künzli  gerichtet,  jene 
voll  freundschaftlicher  Achtung  und  manchmal  ein  wenig  nüchtern,  diese  in  einem 
herzlich  anmutenden  Plaudertone  geschrieben,  ziemlich  alle  litterarische  Andeutungen 
enthaltend.  Dazu  gesellen  sich  in  den  mannigfachen  Zuthaten  eigner  Forschung,  mit 
denen  H.  jenen  Kern  seines  Buches  umgibt,  mehrere  Briefe  der  schweizerischen  Freunde 
über  Wieland  und  allerhand  sonst  Ungedrucktes  oder  Vergessenes.  Schätzbare  Nach- 
richten werden  uns  über  die  Familie  Künzli  geboten:  .Martin  (1709 — 17G5),  seit  1749 
Geistlicher  und  Lehrer  in  Winterthur,  von  wo  ihn  ein  Ruf  an  die  Universität  Herborn 
1753  nicht  wegzulocken  vermochte,  war  auch  schriftstellerisch  thätig  als  Pliilologe, 
Theologe  und  Philosoph,  als  Kritiker  und  Satiriker  unter  dem  Einflüsse  Bodmers, 
Sulzers  und  besonders  seines  Freundes  Joh.  Heiur.  Waser  (1713—1777),  des  Ueber- 
setzers  von  Butler,  Swift  und  Lukian.  Sein  Verhältnis  zu  Klopstock,  den  er  1750 
kennen  gelernt  hatte,  wurde  ganz  und  gar  durch  Bodmers  Beziehungen  zu  dem  Dichter 
bestimmt;  mit  Wieland  wurde  er  1753,  in  demselben  Jahre,  das  ihn  auf  einer  längeren 
Reise  nach  Frankreich,  England,  Holland  imd  Deutschland  führte,  flüchtig  bekannt,  seit 
Ende  1754  näher  befreundet.  Er  wie  überliaupt  der  Winterthurer  Freundeskreis  spielte 
eine  gewisse  Rolle  in  der  bissigen  Satire  Bodmers  „Edward  Grandison  in  Görlitz",  als 
deren  Vf.  nach  aussen  hin  die  jüngeren  Genossen  des  Züricher  Meisters  gelten  sollten, 
insbesondere  Wieland,  der  wohl  auch  einen  inneren  Anteil  daran  hatte.  Ein  Neu- 
druck der  seltenen  und  bedeutenden  Schrift,  über  deren  Geschichte  und  Lihalt  H,  vor- 
läufig mit  reiclilichen  Citaten  ausführlich  berichtet,  wäre  sehr  erwünscht.  Künzli  ver- 
suclite  aber  auch  1755  die  durch  Lessings  und  Mendelssohns  Spott  bekannte  Preisfrage 
der  Berliner  Akademie  nach  Popes  philosophischem  System  in  einem  für  Leibniz  un- 
bedingt günstigen  Sinne  zu  lösen,  unterlag  jedoch  trotz  Sulzers  Bemühen  einem  leiden- 
scliaftlichen  Gegner  der  Leibnizschen  Lelire.  Diesen  unerwarteten  Bescheid  der 
Akademie  geisselten  Waser  und  Wieland  durch  die  1757  zu  Frankfurt  und  Leipzig  (in 
der  That  zu  Zürich  bei  Orell  u.  Comp.)  anonym  erschienene  „Beurteilung  der  Schrift, 
die  im  Jahre  1755  den  Preis  von  der  Akademie  zu  Berlin  erhalten  hat.  Nebst  einem 
Schreiben  an  den  Vf.  der  Dunciade  für  die  Deutschen"  (24  Seiten  4o).  Sehr  geschickt 
entdeckte  H.  an  einem  in  den  Briefen  an  Künzli  erwähnten  Druckfehler  Wieland  als 
den  Vf.  des  „Schreibens",  das  er  daher  buchstabengetreu  wieder  abdruckte.  Künzli 
vergalt  dem  Freunde  den  Dienst,  indem  er  vor  allem  1758  einen  nach  seiner  Ueber- 
zeugung  unwürdigen,  viel  zu  weit  gehenden  Widerruf  Wielands  verhütete,  der  in  der 
zweiten  Auflage  seiner  „Empfindungen  eines  Christen"  alles,  was  er  in  der  ersten  gegen 
Uz  gesagt  hatte,  zurücknehmen  wollte;  diesen  Vorgang  deckten  fast  gleichzeitig,  aber 
beide  unabhängig  von  einander,  Sauer  (Vorrede  zu  Uz'  Gedichten)  und  H.  auf.  Nicht 
weniger  nahe  stand  Künzlis  Schwester  Regula  (1718 — 1800)  dem  jungen  Dichter,  mit 
dem  sie  als  Freundin  der  beiden  Damen  Grebel  wohl  1754  bekainit  und  bald  innig 
vertraut  wurde:  für  sie  zuerst  bestimmte  er  1757  das  Ms.  von  „Araspes  inid  Panthea". 


VLU.  lid.  2-3:  ZUG.  42,  S.  !l02/4.  -  29)  Oesch.  d.  Ge'olirt.ieit  v.  C.  M.  Wieland  seinen  Sclililorn  diktiert.  Uor.  v.  L.  Hirzel. 
(=  Hibl.  ttlter.  Scliriftwerko  d.  dtsch.  Scliwoiü,  her.  v.  .1.  lillchtold  u.  F.  Vetter.  II.  Serie,  3.  Holt.)  Fraueiifeld,  Huber. 
XII,  81  S.  M.  2,00.  —  30)  L.  Hirzel,  Wioland  u.  Martin  u.  Ecgula  KUnzli.  Ungedr.  Briefe  u.  wiederaufgefundene  Akten- 
stücke. Leipzig,  Hirzel,  VlI,  240  S.  M.  ."i.OO.  |[II.  F.  (  11  oniiaiin  I' iscli  er?) :  AZg".  N.  80;  H  lUidmer:  NZUrcliZg.  N.  132; 
0.  V.  Widinann:    Bund  N.  105  (.uiigescliickte  Kritik);   F.  Seliger:  NZg.  N.   615    u.    617;   A.    Cliuquet:  KCr.  32.  S.  457/9; 


85  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderte.  IV  3:»i-40». 

Etwa  ein  Jahr  später  scheint  das  Verhältnis  zu  den  Geschwistern  infolge  der  Pläne- 
schmiederoi  und  der  flatterhaften  Haltlosigkeit  Wieläiids,  sicherlich  auch  wegen  seiner 
fortschreitenden  Abwendung  von  Bodmer,  erkaltet  zu  sein.  1759  verliess  er  Zürich, 
ohne  persönlich  von  den  Freimden  in  Winterthur  Abschied  zu  nehmen.  Was  man  über 
ihn  aus  Bern  hörte,  über  seine  Lehrthätigkeit  bei  den  Kindern  Frd.  v.  Sinners,  über 
seine  Liebe  zu  Julie  Bondeli,  verstimmte  gleichfalls.  Auf  der  Fahrt  von  Bern  nach 
Biberach  berührte  er  17G0  zwar  Winterthur,  suchte  aber  Ktinzli  nicht  auf.  Dessen 
Interesse  erlosch  zwar  auch  an  dem  leichtfertigen  Schriftsteller  der  Biberacher  Periode 
nicht;  von  freundschaftlicher  Teilnahme  jedoch  oder  gar  von  brieflichem  Verkehr  war 
längst  nicht  mehr  die  Rede.  —  Ein  Hauptwerk  dieser  Biberacher  Zeit,  die  „Komischen 
Erzählungen"  untersuchte  Sittenberger 3*)  zunächst  auf  ihren  Stil  hin:  eine  sehr 
HeiHsigo  Arbeit,  reich  an  feinen  Bemerkungen,  die  nur  dann  und  wann,  weil  jede  leise 
stilistische  Schattierung  in  eine  bestimmte  Rubrik  gebracht  werden  soll,  allzu  spitz- 
findig werden,  während  die  Hauptergebnisse  durch  massenhafte  Beispiele  sicher  be- 
gündet  sind.  Im  „Urteil  des  Paris"  findet  S.  nirgends  höheren  epischen  Ton,  abgesehen 
von  den  seltenen  und  wenig  charakteristischen  Fällen  epischen  Details.  Auch  der  ein- 
fache Ton  des  Erzählers  ist  nicht  rein  gewahrt,  die  Erzählung  vielftiehr  in  überaus 
hoheni  Masse  von  rhetorischen  Elementen  durchsetzt.  Dagegen  ist  in  „Diana  und  Endymion" 
trotz  einzelnen  störenden  rhetorischen  Elementen  in  der  Hauptsache  der  erzählende 
Ton  festgehalten;  einiges  weist  sogar  bedeutsam  auf  den  höheren  epischen  Stil  hin.  In 
„Juno  und  Ganymcd"  wechselt  sowohl  im  grossen  Zuge  der  Erzählung  als  im  einzelnen 
das  rhetorische  Element  mit  dem  epischen,  ohne  dass  eines  von  beiden  überwiegt,  aber 
auch  ohne  dass  beide  harmonisch  vereinigt  sind.  Dies  ist  erst  in  „Aurora  und  Cephalus" 
geglückt:  diese  Erzählung  ist  in  den  Grundzügen  episch,  gesellt  aber  dem  blossen  Fort- 
schritt der  Handlung  auch  Charakteristik  zu  und  weist  daher  auch  im  Einzelnen  viele 
rhetorische  Elemente  auf,  denen  auf  der  anderen  Seite  wieder  viele  Kennzeichen  epischen 
Tones  entgegenstehen.  Einige  metrische  Bemerkungen  schliessen  vorläufig  die  Unter- 
suchung ab.  —  So  ziemlich  über  die  ganze  Zeit  von  Wielands  Leben  und  Wirken  ver- 
breitet sich  ein  noch  keineswegs  erschöpfender,  aber  recht  hübscher  Vortrag  Weiz- 
säckers ^2)  über  das  Verhältnis  des  Dichters  zur  antiken  Philosophie  und  Kunst.  Er 
erörtert  seinen  geistigen  Gang  von  den  durch  Bayle  ihm  nahe  gerückten  antiken  Skep- 
tikern zu  Epikur  und  Lucrez,  dann  zu  Piaton,  von  da  zum  Sokrates  des  Xenophon,  zu 
Lukian  und  schliesslich  zum  Sokratiker  Aristipp.  Aus  seinem  frühzeitigen,  zuerst  rein 
litterarischen  Interesse  an  der  antiken  Kunst  erwuchs  ihm  die  Frage  nach  der  Idee  der 
Schönheit,  dann  die  Unterscheidung  von  Schönheit  und  Anmut.  J.  C.  Füessli  vermittelte 
ihm  den  Einfluss  Winckelmanns.  Noch  galt  ihm  die  moralische  Schönheit  als  die  einzig 
wahre;  aber  bald  verwandelte  der  platonische  Eros  sich  in  den  Eros  der  sinnlichen 
Liebe.  Gerade  in  den  Diclitungen,  die  diesen  Umschwung  am  deutlichsten  zeigten, 
suchte  Wieland  mannigfach  griechisches  Leben  und  griechische  Bildwerke  zu  schildern, 
griechische  Schönheit  überhaupt  zu  verklären.  Nun  aber  verlangte  er  zum  Ideale  der 
Schönheit  vornehmlich  auch  das  Charakteristische,  das  Seelenvolle,  Schönheit  verbunden 
mit  Reiz,  mit  dem  bewussten  Streben  zu  gefallen.  Das  antike  Gewand  blieb  auch  den 
meisten  seiner  spätem  Werke,  wenn  gleich  diese  den  Interessen  seiner  eigneia  Zeit 
näher  traten.  Von  ihnen  hebt  W.  nur  noch  „Alceste."  und  die  „Walil  des  Herkules", 
hier  abhängig  von  Seufferts  Einleitung  zum  Neudruck  des  Goetheschen  Faustfragments, 
die  Uebersetzungen,  einige  Aufsätze  tiber  die  bildende  Kunst  der  Griechen  und  die 
„Göttergespräche"   hervor.  — 

Von  den  Verti'etern  des  älteren  Romans,  die  sich  hauptsächlich  am  empfind- 
samen und  humoristischen  Roman  der  Engländer  '^•*)  schulten,  haben  Joh.  Gottl.  Schummel 
und  sein  Schüler  Fried.  Scluüz,  der  Vf.  des  „Firlifimini",  durch  Hippe^*)  und  Brummer**) 
eine  kurze,  mehr  biographisch  als  litterargeschichtlich  befriedigende  Darstellung  ge- 
ftuiden^ö).  —  Aus  dem  „psychologischen"  Roman  „Anton  Reiser"  von  dem  den  Stürmern 
nahe  stehenden  K.  Ph.  Moritz  hat  J.  V.  Widmann^?)  nach  einer  kurzen  Anzeige  des 
von  L.  Geiger  besorgten  Neudruckes  umfangreiche  Auszüge  abgedruckt.  — 

Kling  er  s  Faustroman  wurde  noch  verschiedentlich  erörtert^^^);  zur  Lebens- 
geschichte seines  Vf.  teilte  Obser**')  aus  den  Karlsruher  Kabinetsakten  einen  Brief  des 

A.  Hermann:  BLU.  S.  499.]|  —  31)  11.  Sittenberger,  Untersuchungen  Über  Wiolands  „Komisvhe  Erzählungen":  YLQ.  4, 
S.  281—317,  40()— 39.  —  32)  WoizsScker,  Wieland  u.  d.  Antike  Vortr.  bei  d.  LandesTersamml.  d.  Vereins  d.  Lebror  an  d. 
liumanist.  Anstalten  Württembergs,  Cannstailt  d.  13.  Juni  1891:  KBIGKW.  189:2,  Heft  6  u.  6,  S.  1—19.  —  33)  X  L.  J'rilnkel, 
'/:  Gesch.  d.  neueren  dtsch  u.  engl.  Litt.:  BLÜ.  S.  344.  (Ueber  M.  Gassmeyer,  S.  Richardsons  Pamela,  ihre  Quellca  u.  ihr 
Kinfluss  auf  d.  engl.  Litt.)  —  34)  M.  Hippe.  J.  «i.  Schummel:  ADB.  33,  S.  59—61.  —  35)  F.  BrBmmer,  Friedr.  Schuli: 
ib.  :!2,  S.  742,44.  —  36)  X  Carstens,  Joh  Friedr.  ScliUtze:  ib  33,  .s.  145.  (WortUi.--.)  —  37)  J.  V.  W[idmann],  Leiden 
0.  Knaben  (Auszüge  aus  K.  Ph.  Jloriti*  „Anton  Reiser'):  Bund,  N.  63/4,  67—72,  74f9,  81;4,  t^fi,  88-90.  -  38)  X  0.  Erdmann, 
G.  J.  Pfeiffer,  Klingers  Faust  (1890  IV  3  :  9):  ZDPh.  23,  S.  :j81'2.)  -  39)  X  W  ,  O.  J.  Pfeiffer.  Klingers  Faust:  HambCorrS. 
N.  2.    —    40)   K.  Obser,    Friedr.  Eng.  v.  Württemberg  n.  Klinger:    VLG.  4,  S.  596/6.    —    40a)  F    Meyer  t.  Waldeck,  Zu 


IV  3:  41-60.  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  86 

Herzogs  Friedrich  Eugen  von  Württemberg  an  Schlosser  mit,  worin  er  von  den  Schritten 
spricht,  die  er  zu  Gunsten  Klingers  gethan  habe.  —  Meyer  von  Waldeck  ^Oa^  beschrieb 
den  Teil  der  Klingerschen  Bibliothek,  der  nach  dem  Tode  des  Dichters  der  Universität 
Dorpat  zufiel,  darunter  einige  Werke  Goethes  mit  eigenhändigen  Widmungen  des  Vf.  — 

Noch  näher  heran  an  die  klassische  Periode  führen  uns  Bürgers  4^)  Versuche 
einer  Homerübersetzung,  mit  denen  sich  Lücke  *2)  sorgfältig  beschäftigt  hat.  Ge- 
stützt auf  die  bekannten  gediegenen  Vorarbeiten  über  den  deutschen  Homer  im  18.  Jh., 
sie  aber  selbständig  ergänzend,  hat  er  zugleich  einen  schätzenswerten  Beitrag  zur  Ge- 
schichte Bürgers  und  zur  Erkenntnis  von  Homers  Bedeutung  für  jene  ganze  Zeit  ge- 
liefert. L.  schildert  zuerst  chronologisch  genau  Bürgers  verschiedene  Bemüliungen,  die 
Tlias  in  Prosa,  dann  in  Jamben  und  endlich  in  Hexametern  zu  übertragen,  die  Hinder- 
nisse, die  das  Werk  störten,  und  den  Umschwung,  den  die  gleichzeitigen  Versuche 
anderer  Dichter  und  die  öffentliche  Polemik  in  Bürgers  theoretischen  Anschauungen  über 
den  Vers  bewirkten.  Darnach  prüft  er  ästhetisch-historisch  den  Wert  der  Uebersetzungen 
Bürgers,  wobei  er  streng  methodisch  die  iambischen  und  hexametrischen  Proben  (be- 
sonders lehrreich  mit  Rücksicht  auf  die  Homerischen  Beiwörter),  aber  auch  Bürgers, 
Stolbergs  und  Vossens  ^^-44^  Verdeutschung  des  griechischen  Epos  mit  einander  ver- 
gleicht. Den  Grund,  warum  die  Arbeit  Bürgers  erfolglos  blieb,  erblickt  L.  in  seiner 
Unfähigkeit,  die  eigene  Individualität  zu  Gunsten  seines  Originals  ziu-ückzudämmen,  und 
in  seinem  Bestreben,  Homer  in  der  altertümlichen  Sprache  vergangener  deutscher  Zeit- 
alter zu  übersetzen,  zum  Schaden  für  die  Naivität  des  echten  Dichters  und  für  die 
Einheitlichkeit  seines  Stils,  und  überdies  mit  der  Sprache  auch  das  ganze  Wesen  des 
Griechen  zu  verdeutschen,  aus  dem  ionischen  Sänger  einen  „altdeutschen  Barden"  zu 
machen.  Dazu  kommt  noch  seine  despotische  Vergewaltigung  unserer  Sprache  bei  neu- 
gebildeten Wörtern.  Auch  seinen  hexametrischen  Versuchen,  die  immerhin  einen  Fort- 
schritt zu  grösserer  „Homerheit"  bekunden,  haften  jene  Mängel  noch  allzusehr  an.  — 

An  einen  früher  hochgepriesenen  Zeitgenossen,  wenn  auch  nicht  Geistes- 
gefährten unserer  Klassiker,  an  Tiedge,  erinnerte  Ph.  Stein  45-46)  bei  Gelegenheit  seines 
50.  Todestages;  er  betonte  den  Zusammenhang  Tiedges  mit  dem  Gleimschen  Kreise 
und  charakterisierte  kurz  seine  poetisch  unbedeutenden,  aber  sitthch  tüchtigen  vater- 
ländischen Gedichte,  sein  Hauptwerk,  die  „Urania",  und  einige  seiner  späteren,  minder- 
wertigen Versuche.  —  Auf  einen  anderen,  wohl  mit  mehr  Recht  vergessenen  Dichter 
jener  Zeit,  G.  A.  F.  Salchow,  dessen  Hauptwerk,  das  Heldengedicht  „Numantias"  (1819 
bis  1821)  in  einer  stark  gekürzten  und  modernisierten  Ausgabe*'')  neu  erschien,  wies  ein 
anonymer  Aufsatzes)  hin:  Salchow,  am  8.  Nov.  1779  zu  Meldorf  geboren,  studierte  in  Kiel, 
Jena  und  Göttingen  Theologie,  geriet  dabei  aber  in  ein  wüstes,  unstetes  Treiben,  aus 
dem  er  sich  erst  völlig  und  für  immer  befreite,  als  er  1803  Lehrer  in  Altona  wurde. 
Er  war  ein  warmer  Verehrer  Arndts,  mit  Jahn  innig  befreundet,  überall  geachtet  tuid 
gehebt.  Aber  von  seinem  Berufe'  nicht  befriedigt  und  durch  traurige  persönliche  Schick- 
sale tief  erschüttert,  verfiel  er  in  Schwermut  und  endete  am  11.  Nov.  1829  durch  Selbst- 
mord. Ueber  den  künstlerischen  Charakter  seines  Werkes  sagt  der  Vf.  eben  so  wenig 
Brauchbares,  wie  Needler^^^  über  ein  gleichzeitiges,  wie  es  scheint,  spätromantisches 
Epos,  das  unter  dem  Titel  „Richard  Löwenherz"  (Berlin  1819)  in  sieben  Büchern  aller- 
hand fabelhafte  Abenteuer  erzälxlt.  Ausser  diesem  sehr  mangelhaft  charakterisierten 
Gedichte  weiss  N.,  der  mehrere  proven9alische,  französische,  englische  und  italienische 
Verherrlichungen  des  tapferen  englischen  Königs  der  Reihe  nach  vornimmt,  in  der 
ganzen  deutschen  Litteratur  nur  noch  Konrads  von  Würzburg  „Turnei  von  Nantheiz" 
zu  nennen.  Nicht  einmal  Körners  „Rosamunde"  und  Marschners  Oper  „Templer  und 
Jüdin",  Text  von  W.  A.  Wohlbrück,  fielen  ihm  ein,  um  von  unbekannteren  Werken,  wie 
Grillparzers  Fragment  „Rosamunde  Clifford"  und  Balladen  oder  lyrischen  Gedichten, 
in  denen  Richard  Löwenherz  und  Blondel  eine  Rolle  spielen,  ganz  abzusehen.  Freüich 
brauchte  er  nicht  auf  jede  Erwähnung  Richards  in  unserer  Litteratur  sich  einzulassen; 
aber  Worte  wie  z.  B.  die  Saladins  in  Lessings  „Nathan"  mussten  angeführt  werden, 
wenn  der  stolze  Titel  der  Schrift  nicht  blosse  Prahlerei  sein  sollte.  — 

Zu  einigen  recht  guten  Arbeiten  gab  J.  P.  Hebel  Anlass,  insbesondere  sein 
„Rheinländischer  Hausfreund",  dessen  stilistische  Form  Willomitzer^o)  sehr  fleissig  unter- 
suchte. Er  gelangte  zu  dankenswerten  Ergebnissen,  wenn  er  auch  die  sprachliche  Er- 
klärung   öfters    bei    einer    genaueren  Kenntnis    der  jetzigen    oberdeutschen    Mundarten 


Klinge«  Bibliothek:  AZg».  N.  168.  —  41)  X  Wunderbare  Reisen  n.  Abenteuer  d.  Frhrn.  v.  MttnchhauBen.  Nach  G.  A.  BUrger. 
Mit  4  Buntbild.  Berlin,  Liebau.  120.  no  s.  M.  1,00.  —  42)  0.  Lücke,  Bürgers  HomerUbersetzung.  Progr.  d.  Kgl.  Gymn.  zu 
Norden.  Berlin,  Gaertner.  4°.  39  S.  —  43)  (I  7  :  34.)  —  44)  (1  7  :  33.)  —  45)  Ph.  Stein,  D.  Dichter  d.  „Urania"  (Chr.  Ä. 
Tiedge,  gest.  8.  März  1841):  Didaskalia  N.  56.  —  46)  id.,  Z.  Erinn.  an  e.  Fastvorgessenen  (Chr.  A.  Tiedge  gest.  1841):  KielZg. 
N.  14175.  (Verkürzter  Abdr.  v.  N.  45.)  —  47)  O  G-  A.  Salchow,  Numantias.  E.  Heldengedicht  in  12  Gesftngen,  neu  her.  v. 
6.  H.  Hamburg,  Crone  &  Martinot.  1890.  VUI,  888  S.  M.  6,00.  —48)  E.  vergeaseLer  holslein.  Dichter  u.  sein  Werk:  KielZg. 
N.  14157.  —  49}  G.  H.  Needler,  Eichard  Coeur  de  Lion  in  litorature.    Leipzig,  Fock.  1890.  70  S.    M.  2,00.  -  SO)  (18:  28.)  — 


87  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  3:  61-78. 

(z.  B.  auch  des  Bayrisclien  und  Fränkischen)  noch  weiter  hätte  fördern  können.  Er 
behandelt  zuerst  die  mundartlichen  Bestandteile  in  der  Sprache  des  „Hausfreundes", 
die  sich  hier  noch  viel  reichlicher  finden  als  in  dem  daraus  hervorgeffangenen,  aber  für 
weitere  Kreise  Deutschlands  berechneten  „Schatzkästlein":  Wörter,  die  nur  im  Dialekt 
vorkommen  oder  in  ihm  allein  ihre  alte  Bedeutung  erhalten  haben,  einige  wenige 
Abweichungen  des  Lautstandes  vom  Hochdeutschen,  zahlreiche  volkstümliche  Redens- 
arten, besonders  Euphemismen  und  Fremdwörter,  die  sich  hau[)t8ächlich  der  Bürgersmann 
angeeignet  hat,  volksmässige  Formenbildungen  in  Flexion  und  Konstruktion,  Diminutiva 
und  Verstärkungen,  Ausfall  von  grammatikalisch  nötigen,  aber  logisch  entbehrlichen 
kleinen  Wörtern  im  Satzbau,  Konstruktionen  nach  dem  Sinn  und  nicht  nach  dem  Wort- 
laut, lockere  oder  ungewöhnüche  Wort-  und  Satzstellung,  Konstruktionsweclisel  in  Ana- 
kolüthen  und  ElHpsen,  Chiasmus,  Zwei-  und  Dreiteilung  der  Rede  u.  dgl.  Dann  führt 
W.  den  Humor  inid  die  Anschaulichkeit  seines  Dichters  vornehmlich  auf  seine  bestän- 
dige Individualisierung  zurück:  Hebel  personifiziert  das  Unpersönliche,  deutet  innere 
Empfindungen  durch  äussere  Gebärden,  abstrakte  Begriffe  durch  sinnhche  Zeichen  an, 
strebt  nach  bestimmten  Ortsangaben,  liebt  Gleichnisse  und  Bilder,  bemüht  sich  weniger 
um  die  epische,  objektive  Darstellung  der  Begebenheit  als  um  die  Charakterzeichnung, 
braucht  möglichst  oft  die  Form  des  Dialogs  und  entwirft  überhaupt  gern  eine 
dramatisch  bewegte  Scene;  auch  seine  subjektiv  reflektierenden  Zusätze  zur  Erzählung, 
die  sich  meistens  aus  dem  Charakter  des  Volksschriftstellers  erklären  und  echte  Perlen 
edelster  Spruchweisheit  enthalten,  dienen  mitunter  zur  Vermehrung  der  Spannung  oder 
ähnlichen  künstlerischen  Zwecken.  W.  scliliesst  mit  einem  kurzen  Wort  über  Hebels 
Wirkung  auf  die  Dialektdichtung  und  volkstümliche  Erzählungskunst  des  19.  Jh.  —  Von 
den  im  „Hausfreund"  behandelten  Stoffen  fand  J.  Keller  •''')  mehrere,  als  deren  Quelle 
bisher  nur  das  „Vademecum  für  lustige  Leute"  galt  oder  deren  Herkunft  überhaupt 
unbekannt  wai*,  auch  in  Zschokkes  „Schweizerboten"  verwertet,  besonders  1804,  doch 
auch  gelegentlich  früher  und  wieder  1807.  Im  Anschluss  daran  suchte  K.  die  Vermutung 
zu  erweisen,  dass  Hebel  1805  sein  Gedicht  auf  Zschokkes  Hoclizeit  nur  auf  Veranlassinig 
des  mit  üinen  beiden  befreundeten  Buchhändlers  Sauerländer  verfasst  habe,  ohne  bis  dahin 
mit  Zschokke  selbst  persönlich  näher  bekannt  zu  sein ;  auch  beleuchtete  er  die  Stellung,  die 
beide  Dichter  zu  Napoleon  und  seinen  Gegnern,  besonders  Andreas  Hofer,  einnahmen. 
—  Meidel^^)  und  Sprenger ö3^  ergänzten  diese  Untersuchung  durch  den  Nachweis, 
dass  der  Stoff  von  Hebels  „Kiudesdank  und  Undank"  auch  schon  in  altfranzösischen, 
altitalienischen  und  altdeutschen  Erzählungen  (meist  von  v.  d.  Hagen,  Gesamtabenteuer, 
Bd.  2  und  3,  und  von  W.  Grimm,  Kinder-  und  Hausmärchen,  Bd.  3,  N.  78,  erwähnt) 
sowie  in  Langbeins  Gedicht  „Die  Rossdecke"  begegne.  —  Von  Zschokkes  Schriften  er- 
scluen  eine  kärgliche,  aber  sonst  nicht  üble  Auswahl^)  in  vier  Abteilungen  (Bruch- 
stücke aus  der  „Schweizergescliichte",  der  „Selbstschau"  und  den  „Stunden  der  An- 
Andacht", sowie  die  Novellen  „Der  tote  Gast"  und  „Das  Abenteuer  in  der  Neujahi-s- 
naclxt"),  der  Rob.  Weber  eine  knappe,  biographisch-litterargeschichtliche  Einleitung  mit 
einigen  thörichten  Phrasen  gegen  die  „mannigfachen  Verirrungen  des  ästhetischen  For- 
malismus" unserer  „sogenannten  Klassiker"  und  ihrer  Epigonen  vorausschickte.  —  Noch 
eiji  zweites  Mal  wurde  die  in  der  psychologischen  Entwicklung  nicht  bedeutende,  aber 
lebhaft  vorgetragene  Novelle  „Der  tote  Gast"  gedruckt,  zusammen  mit  zwei  anderen 
volkstümlichen  Erzählungen  („Eine  Hochzeit"  und  „Auf  Wiedersehen")  von  Goldammer 
und  der  „Marzipan-Lise"  von  Halm^).  — 

Auch  von  dem  Jugendschriftsteller  Christoph  von  Schmid  sind  zahlreiche  Ge- 
schichten, manche  in  mehreren  Ausgaben  wieder  gedruckt  worden 56-6^);  selbst  an  neuen 
Uebersetzungen  ins  Französische  6*)  und  Italienische  •"*)  hat  es  nicht  gefehh.  —  Ferner  sind 
Ludwig  Bechsteins  sämtliche  Märchen  ß'')  mit  Illustrationen  neu  erschienen.  "^^-'S)  — 

51)  J.  Keller,  J.  P.  Hebel  u.  U.  Zschokke:  ZDU.  5.  S.  225-42.  —  52)Meidel,  Zn  Zschokkes  u.  Hobels  Erslhlang  t.  undank- 
baren Sohn:  ib.  S.  644/5.  —  53)  R.  Sprenger,  Z.  Erzahlang  v.  undankbaren  Sohn:  ib.  S.  779—81.  —  54)  H.  Zschokke.  Aasfew. 
Schriften.  Neue  Originalausg.  Aarau,  SauerlSndcr.  84,  79,  144,  7:{  S.  —  55)  H.  Zschokke,  L.  Goldammer,  K.  Halm: 
D.  tote  Oast  n.  andere  ErzUliIungeu.  tlit  8  Illustr.  Weimar,  Schrifteuvertriebsanstalt.  192  S.  M.  1,00.  —  56)  Christ 
T.  Schmid,  Heinr.  r.  Eichenfels  u.  and.  Erzähl.  Mit  5  Bild.  Wesel,  DUms.  72  S.  M.  0,50.  —  57)  id.,  D.  Wasserflut  am  Rheine. 
D.  Eierdieb.  Mit  5  Hild.  Ebda  72  S.  M.  0,50.  —  58)  id.,  D.  beste  Erbteil.  Titas  u.  seine  Familie.  Mit  5  Bild.  Ebda. 
72  S.  M.  0.50.  —  59)  id.,  Jugendfreund.  Auserles.  Gesch.  Mit  16  Bild.  Ebda.  72,  72,  72  S.  M.  1,50.  (Enthllt  N.  56/8.) 
--  60)  id..  Waldüiiiir.  V:\u\  Arnold.  D.  Himbeeren.  D.  Wasserkmg.  Mit  ßildnrn.  Neue  Stereotypausg.  Reutlingen,  Ensslin  t. 
Laibliu.  1(>U  a  M.  1,5U.  —  61)  id.,  wie  N.  60.  Nene  Ausg.  Ebda.  l'^.  KM)  S.  M.  0,50.  —  82i  id.,  11  au^erw.  Erathl.  fUr  d. 
Jugend.  Mit  5  Bild.  Stuttgart,  Loewo.  40.  III,  115  u.  115  S.  M.  5,00.  —  63)  id.,  Ausgew.  Erzühl.  Mit  Bildern.  Neuchatel, 
Attinger.  4".  51  S.  H.  3,00.  —  64)  Ansgew.  Erslhlungen  u.  MSrchon  för  Kinder,  her.  r.  C.  A.  Deiponbrock.  Bdchen  1-7.  Danilg, 
Kafemann.  l(>o.  65,  92,  75,  148,  100,  90  u.  78  .S.  Jedes  Hdclmn.  M.  0,25.  (Enthllt  vor  allem  Vieles  r.  Ch.  t.  SchniM,  auch 
Mehreres  v.  Herder,  Campe,  Hebel,  Zschokke,  Krummacher,  Anderson.  Jer.  Gotthelf,  Weissflog,  Ludw.  Beehstein,  Stöber,  PrOhle, 
Frd.  Hoffmann  u.  a.,  besonders  auch  von  den  Brüdern  Grimm.)  —  65)  Christ,  t.  Schmid,  wie  N.  63.  FrantOs.  Ausg.  Neuehatel, 
Attinger.  4*.  51  S.  M.  3,00.  —  66)  O  'd.,  [Neue  Uebersetiung  seiner  Erzählungen  ins  Italienische.]  29  Itdehen.  Milano, 
Battezzati  Succ.  -  67)  L.  Beehstein,  Samtl.  Märchen.  Mit  67  n.  5  Bild.  Berlin,  Fontane.  352  S.  M.  3,00.  -  68-72)  X 
Aasgew.  Erzähl,  u.  Märchen  fOr  Kinder,  her.  t.  C.  A.  Deipenhrock.  Bdohen  8  u.  9.  A.  Gillwald:  Aus  h«rt«n  Zeiten,  3  hist. 
Erzähl.;    Azuma,    hist.    Erzfthl.    aus    d.    Zeit   d.   Entdeckung    Mejikos.      Danzig,    Kafemann.     16".      92  n.  74  S.     Je  M.  0,25    — 


rv  3:  73-84.  r.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  Sö 

Für  einen  der  grösseren  Romane  Jean  Pauls,  „Siebenkäs",  wurde  durch 
seinen  Enkel  B.  Förster '3)  der  ernst  gemeinte  und  hoffentlich  nicht  vergebliche  Ver- 
such unternommen,  den  krausen  Humoristen  für  das  heutige  Publikum  lesbarer  zu 
machen.  Trotz  aller  aufgebotenen  Pietät  musste  freilich  der  eigenartige  Stil  und  Text 
Jean  Pauls,  der  eben  von  seinen  Fehlern  unzertrennlich  ist,  zerstört  werden.  —  Mit  Recht 
betonte  L.  Geiger''*),  dass  das  Bedenkliche  und  Veraltende  im  „Siebenkäs"  nicht  nur  in 
den  Einzelheiten,  sondern  in  der  ganzen  Anlage  des  Romans  liege.  —  In  keiner  Weise 
veraltet  sind  hingegen  verschiedene  Aphorismen,  die  aus  Jean  Pauls  ungedrucktem 
Nachlass  bekannt  wurden  ''5),  geistvolle  und  witzige,  manchmal  auch  sarkastische  Aus- 
sprüche über  allerlei  im  Leben  und  in  der  Kunst,  besonders  über  Genie  und  Kritik, 
daneben  das  litterargeschichtliche  Bonmot:  „Hippel  war  ein  heiliger  Geist,  in  den  der 
Teufel  gefahren  war.  Aber  er  gehört  unter  die  Autoren,  die  man  aufschlägt,  wo  man 
will,  und  fortliest." ''6)  —  Jean  Pauls  liebevolle  Begeisterung  für  Musik  besprach 
A.  Bock''').  Dem  Dichter  fehlte  freilich  die  fachmännische  Bildung  eines  E,  T.  A. 
Hoffmann,  so  dass  er  einzig  seine  Phantasie  spielen  lassen  musste,  die  sich  auch  hier 
ins  Unendliche  verlor.  Und  doch  entzückte  er  am  Klavier  phantasierend  seine  Zuhörer, 
und  sein  Wunsch,  dass  endlich  Apoll  einem  und  demselben  Meister  die  Gabe  der  Poesie 
und  der  Musik  verleihen  möge,  war  echt.  —  Eine  glücklich  das  Notwendige  zusammen- 
fassende Gesamtcharakteristik  des  Menschen  und  Schriftstellers  Jean  Paul  knüpfte 
Paetow''^)  an  eine  ausführliche,  ablehnende  Kritik  von  Nerrlichs  Buch  an.  Zugleich 
wies  er  auf  Jean  Pauls  grössere  Nachfolger  Gottf.  Keller  und  Dickens  hin,  die  ihn  durch 
Schärfe  der  Sprache  und  der  Charakteristik  weit  übertreffen,  während  uns  von  ihm 
gerade  die  mühsame  Breite  seiner  Darstellung,  die  erdrückende  Fülle  seiner  Redeweise, 
die  unkünstlerische  oder  sonderbare  Form  abhält;  auch  Farina  und  W.  Raabe  hebt  P. 
als  direkte  Schüler  Jean  Pauls  hervor.  —  Trefflich  charakterisiert  diesen  H.  Conrad  ''9)  nach 
den  Andeutungen  des  mannigfach  von  dem  deutschen  Humoristen  beeinflussten  und  um 
seine  Einbürgerung  in  England  bemühten  V£  von  „Sartor  resartus":  stosse  auch  sein 
Stil  und  der  Bau  seiner  Bücher  zuerst  ab,  so  ziehe  hingegen  sein  unübertroffener  Humor 
als  Blüte,  Duft  und  reinster  Ausfluss  einer  tiefen,  schönen  und  liebevollen,  mit  sich 
selbst  harmonischen  und  mit  der  Welt  ausgesöhnten  Natur,  sein  rührendes  Pathos,  sein 
Geist,  sein  Sinn  für  Natur,  die  Eigenart  seiner  Charakterzeichnung  mächtig  an.  Aber 
C.  vergisst  auch  die  von  Carlyle  verschwiegene  Affektation  und  oft  geschmacklose 
Manieriertheit  Jean  Pauls  nicht.  In  ihr  sieht  er  nur  „einen  geistig,  wissenschaftlich, 
stellenweise  auch  gemütlich  vertieften  Euphuismus",  der  Jean  Pauls  ganze  Dichtung 
durchsetzt  und  die  poetische  Wirkung  immerfort  tötet,  noch  zum  Glück  aber  n\ir  an 
der  Form  haftet  und  den  Wert  ihi-es  Innern  Gehaltes  nicht  antastet,  ^o)  — 

Halb  und  halb  durch  Jean  Paul  wurde  E.  T.  A.  Hoffmann  in  die  Litteratiu- 
eingeführt;  Erinnerungen  an  ihn,  die  uns  meist  nach  Bamberg  weisen,  über  sein  Ver- 
hältnis zu  dem  Arzte  Dr.  Markus,  über  Hoffmanns  Frau  und  über  seine  Julia  manches 
Hübsche  enthalten  und  für  die  Entstehungsgeschichte  der  Kreisleriana  wichtig  sind, 
teilt  Amely  Godin^i),  die  Tochter  seines  Bamberger  Freundes  Dr.  Friedrich  Speyer, 
aus  Gesprächen  ihrer  Eltern  mit.  —  Pröhle^a)  weist  in  ziemlich  schwerfällig- verworrener 
Darstellung  den  wiederholt  gegen  Hoffinann  erhobenen  Vorwurf  zurück,  es  habe  ihm  ai 
Vaterlandsliebe  gefehlt  und  er  habe  als  Kriminalrichter  rücksichtslos  die  deutsche  Jugend 
verfolgt;  P.  erinnert  dabei  namentlich  an  ein  vergessenes  Aktenstück,  dass  er  schon 
1855  im  Anhang  zu  seinem  Leben  Jahns  herausgegeben  hat,  Hoffmanns  Bericht  im 
Hauptprozesse  gegen  F.  L.  Jahn  (1820).  — 

Mit  einem  Freunde  Hoffmanns,  Chamisso,  hat  sich  Walzel^s)  ein- 
gehend beschäftigt.  Als  wertvolle,  sehr  fleissige  Vorstudie  zu  seiner  1892  erscliienenen 
Ausgabe  des  Dichters  bot  er  eine  gründliche  Untersuchung  seiner  Prosaerzählungen, 
besonders  des  „Peter  Schlemihl",  forschte  der  Enstehung,  den  Quellen  für  die  einzelnen 
Züge  des  Märchens  nach  und  deutete  es  auf  Chamissos  eigene  Unbehilfliclikeit  in  der 
Kunst,  auf  sein  Gefühl  der  Unzulänglichkeit  seines  Lebens  und  Schaffens,  aus  dem  ihn 
wie  Schlemihl  erst  das  Studium  der  Naturwissenschaft  rettete;  nvir  nebenbei  spiele  die 
Vaterlandslosigkeit  herein.  Den  dichterischen  Wert  der  Erzählung  mit  ihrem  reichen 
allegorisch-menschlichen  Gehalte  suchte  W.  durch  eine  Vergleichung  mit  Chamissos 
fitiherem   Märchen  „Adelberts    Fabel",    mit   den    Märchen    seiner  Vorgänger  und  Nach- 

7»)  Jean  Paul,  Siebenkas.  Bearb.  v.  e.  Enkel  d.  Dichters.  2  Bde.  Stuttgart,  Dtseh.  Verlagsanst.  XI,  2.39  u.  VI,  208  S. 
M.  4,60.  ICHambNacbrö.  N.  24;  J.  R.  (wohl  Julius  Riff  ert):  LZg».  N.  105;  X.  Y.  Z. :  Gesellsohaft  I,  S.  G92.]i  -  74)  L.Geiger, 
Jean  Paul  in  verjüngter  Gestalt:  MUnchNN.  N.  235.  —  75)  Aphorismen.  V.  Jean  Paul.  (Ungedr.  Naehl.):  DDichtung  10, 
S,  17,  50  u.  78.  —  76)  X  Jean  Paul  über  d.  Korrektoren:  Nation».  8,  S.  538.  (Nur  e.  Citat  aus  d.  Flogeljahren,  4.  Bdchen., 
N.  59.)  — 77)  Alf  r.  Bock,  Jean  Pauls  Verhältnis  z.  Musik :  AZg".  N.  165.  —  78)W.Paetow,  Jean  Paul  u.  sein  Biograph.  I.-II.: 
VZgS.  N.  28/9.  -.  79)  Herrn.  Conrad,  Carlyle  u.  Jean  Paul:  Gegenw.  39,  S.  309—11.  —  80)  X  0.  GUnther,  Jean  Pauls 
Flucht  aus  Leipzig.  (Abdr.  aus  LeipzTBl.):  Hausfreund  N.  97.  (Lebendig  nach  bekannten  Quellen  geschildert.)  —  81)  A.  Go  di  n, 
Erinnerungen  an  E.  Tb.  A.  lloifmann:  MUnchNN.  N.  3«.  —  82)  U.  Pröhle,  Z.  Elirenrottung  E.  Th.  W.  Hoffraanns:  Grenzb.  L 
S.  121/8.  —  83)  0.  F.  Walzel,  Chamissos  Prosa-ErzÄhlungen:  AZg".  N.  179-80.  —  84)  F.  Kummer,  Johanna  H.  Sehopen- 


89  F.  Muncker,  Epos  des  18719.  Jahrhunderts.  IV  8:  85-i04 

ahmer  Tieck,  Aniim,  Fouqu6,  E.  T.  A.  Hoffmann,  F.  Förster  zu  bestimmen  und  prüfte 
schliesslich  noch  die  spätere  satirische  Geschichte  „Haimatochare"  auf  ihre  Echtheit: 
W.  bestreitet  dieselbe,  glaubt  aber,  dass  Chamisso  einen  nicht  unbedeutenden  Anteil  an 
ihrer  Erfindung  habe,  — 

Von  den  gleichzeitigen  und  wenig  späteren  Novellen-  und  Roman- 
dichtern wurde  die  von  Goethe  hochgeschätzte  Johanna  Schopenhauer  (1706 — 1838),  die 
Begi'ünderin  des  Entsagungsromans,  durch  Kummer**)  gut,  der  unter  dem  Pseudonym  F. 
Laun  schreibender.  Aug. Schulze (1770 — 1849)  gleichfalls  durch  Kummer  «5) oberflächlicher 
charakterisiert;  Theod.  Schwarz  (1777—1850)  wurde  von  Pyl**)  mehr  nach  seinem 
Leben  als  nach  seinen  Werken,  K.  Ludw.  Seidel  f  1788— 1844)  von  L.  Fränkel»')  mit 
vielem  Fleisse,  aber  nicht  scharf  genug  eindringenclem  litterargeschichtlichen  Urteile  ge- 
schildert. —  Sehr  dürftig  sind  die  Aufsätze  von  Carstens^)  über  Anna  Schoppe 
(1791—1858)  und  von  BäumkerS»)  über  den  Tiroler  Schriftsteller  Joh.  Schuler  (1800  bis 
1856),  besser  der  von  Schlossar^)  über  Friedrich  Fürst  Schwarzenberg  (1800—1870) 
ausgefallen,  während  ein  zweiter  Artikel  Schlossars *i)  über  einen  andern  öster- 
reichischen Novellisten  Andr.  Schumacher  ri803 — 1868),  der  sich  auch  als  Uebersetzer 
mit  Erlbig  versuchte,  recht  unbedeutend  geolieben  ist.  —  Ein  ungleich  grösserer  Ueber- 
setzer, der  neben  vielem  andern  Rabelais'  „Gargantua"  ausgezeichnet  verdeutschte,  J.  G. 
Regis  (1791 — 1854),  wurde  uns  an  seinem  100.  Geburtstag  *2)  wieder  ins  Gedächnis  ge- 
rufen. —  Von  Hauffs  Werken  besorgte  Flaischlen*'*)  eine  neue,  mit  biographischer 
Einleitung  und  Anmerkungen  versehene,  reich  illustrierte  Ausgabe.  —  Auf  eine  bisher 
wenig  beachtete  Seite  in  den  Schriften  des  liebenswtirdigen  Erzählers  wies  Mendheim**) 
hin.  —  „Lichtenstein"  wurde  von  Raida^^)  als  romantische  Volksoper  bearbeitet.  — 
Einem  zwar  aus  deutscher  Familie  stammenden,  seinem  Wirken  nach  aber  mehr  in  die 
fi'anzösische  Litteratiu'geschichte  gehörenden  Schweizer  Schriftsteller,  R.  Töpffer  (1 799  bis 
1846),  dessen  erste  satirisch-humoristische  Zeichnungen  und  Schilderungen  Goethes  leb- 
liaften  Beifall  fanden,  wie  deini  auch  seine  spätem  Skizzen  und  Novellen  mehrfach 
in  deutschen  Uebersetzungen  vei'breitet  wurden,  widmete  Glöckner ^*^)  eine  liebevoll 
eindringende,  gründliche  und  manches  Neue  liefernde  Studie,  —  Mein*  dem  deutschen 
Wesen  neigte  sich  ein  anderer  Vermittler  zwischen  dem  Deutschtum  und  Franzosentum 
zu,  Ludwig  Spach,  dessen  elsässischer  Roman  „Henri  Farel"  (1834)  von  Hermann 
Ludwig  (von  Jan)'-")  in  einer  verkürzenden,  deutschen  Uebersetzung  herausgegeben 
wurde,  von  S.  Haiismann^^)  als  ein  getreues  Spiegelbild  der  Doppelnatur  seines  Vf. 
charakterisiert.  — Von  Immermanns  „überhof^'  besorgte  Carel^^)  eine  Schvdausgabe, 
die  namentlich  die  kulturgeschichtlichen  Schilderungen  Westfalens  ganz  und  von  dem 
Uebrigen  hervorragend  schöne  Bruchstücke  enthält,  überhaupt  aber  ungleich  mehr  aus 
der  ersten  als  aus  der  zweiten  Hälfte  der  Erzählung  mitteilt.  Eine  kurze  Biographie, 
hauptsächlich  Jugendgescliichte,  des  Dichters  leitet  das  Buch  ein;  sehr  wenige  An- 
merkungen zm-  Erklärung  westfälischer  Wörier  schliessen  es  ab.  —  Einzelne  Romane 
von  Spindler  'OO)  ^nd  von  Rellstab  ^^i)  erschienen  in  peuen  Ausgaben.  —  Die  drei  letzten 
Bände  der  zweiten  Serie  von  ausgewählten  Werken  Gerstäckers,  herausgegeben  von 
The  den  102)^  enthalten  den  zweiten  Teil  der  etwas  breit  und  salopp,  aber  flott  und  an- 
regend erzählten  Reisen,  die  kulturgeschichtlich  weniger  anziehenden  Streif-  und  Jagd- 
züge diu-ch  Amerika  und  den  spannenden  Roman  „Im  Eckfenster",  dessen  hübsche 
Scenen  und  gute,  nur  bisweilen  etwas  übertriebene  Schilderungen  socialer  Verhältnisse 
uns  gern  über  manche  Oberfläcldichkeit  der  psychologischen  Moti\'ierung,  über  den 
Gebrauch  sensationeller  Effekte  und  über  den  etwas  altmodischen  Aufbau  des  Ganzen 
hinwegsehen  lassen.  Jedenfalls  darf  diese  neue  „Volks-  und  Familienausgabe"  mit  Dank 
begrüsst  werden.  —  Ueber  den  bedeutenderen  Vorgänger  Gerstäckers  in  der  Darstellung 
amerikanischen  Lebens,  Karl  Postl  (Charles  Sealsfield),  veröffentlichte  Brummer  i^^s) 
einen  biographisch  guten,  im  Litterargeschichtlichen  und  ästhetischen  Urteil  jedoch  ganz 
unselbständigen  Aufeatz.  —  Sehr  gewissenhaft  ergänzte  Zschommler  i<^)  die  reizenden 


haner  geb.  Trosiener:  ADB.  32,  S.  346/9.  —  85)  id.,  Friedr.  Aug.  Schuhe:  ib.  S.  768/9.  —  86)  Pyl,  Theod.  Schwan :  ib.  33, 
251/3.  -  87)  (1  3  :  17.)  —  88)  Carstens,  Anna  E.  S.  K.  Schoppo  R^b.  Weise:  ib.  32,  S.  368/9.  —  89)  W.  Baamker,  Joh. 
Schuler:  ib.  S  (176.  —  90)  A.  Sohlossar,  Friedr.  Fürst  Schwarzonl»>rg:  ib.  3.S,  S.  290,5.  —  91)  id..  Amir.  Schumacher:  ib. 
S.  29-30.  —92)  (J.  Elias,)  J.  G.  Kegis  (lOd.  Geb.):  VZgS.  N.  17. —93)  O  XX  Hauffs  Werke.  Mit  mehr  als 300  llluslr., her. 
V.  C.  Flaisehlon.  2  Bde.  (,In  etwa  40  Lioff.)  Stuttgart,  Dtsch.  Verlagsanst.  Je  0,50.  [NatZg.  21.  Juli;  LZg.  N.  276: 
HambNachrs.  N.  51;  BLÜ.  8.  270.]i  —  94)  O  (M.)  Mdh.  (=  Mendheim),  Verherrlichung  d.  DenUchen  in  Paris  bei  W.  Hauff: 
LZgB.  N.  8«,—  95)  IlambCorr.  N.  312.  —  96)  G.  Glöckner,  Kod.  Töpffer,  sein  Leben  o.  seine  Werke.  Progr.  d.  Franciaceum. 
Zerbst,  Schnee.  40.  39  S.  —  97)  Ileinr.  Farel.  E.  elsHss.  Roman  v.  L.  Spach.  Dtsch.  bearb.  ▼.  Herrn.  Ludwig  (t.  Jan).  2  Bde. 
Stuttgart,  Dtsch.  Verlagsanst.  XIV,  302,  240  S.  M.  6,00.  l[Schw»bKronik  N.  102;  r.  g.:  DDichtg.  10,  8.  180.]|  -  98)  S.  H.  (S. 
Ha  US  man  II),  E.  elsSss.  Roman:  SchlesZg.  N.  85.  —  99)  (I  7  :  37.)  —  100)  K.  Spindler,  D.  Jude.  Dtsch.  Sittengemllde  ans 
d.  1.  Hllirtd  d.  15.  Jh.  Illustriert.  4  Bde.  Tes.-hen,  Prochaska.  12«.  224,  224,  224  u.  84  S.  M  2.40.  —  NN)  L.  Rellstab, 
1812.  E.  hist.  Roman.  5  Bde.  Tesehen,  Prochaska.  12«.  90,  224,  212,  224  n.  122  S.  M.  2J0.  -  102)  F.  GersWckers  «usgew. 
Werlce.  2.  Volks-  u.  Familienausg.  Neu  durchges.  u.  her.  t.  D.  Theden.  2.  Serie.  Bd.  10'2.  Jena,  Costenoble.  624,  527, 
Vni,b24S.  Je  M.  1,80.  -.103)  F.  BrUmmer,  Ch.  Sealsfield  (K.  Postl):  ADB.  3.3.  S.  499—502.  —  KM)  M.  Zschommler, 
Beitrr.    zu    Jul.  llosens  Erinnerungen.      JB.  d.    kgl.  G;mn.      Plauen  i.  V.,  Nenpert.      4".     34  S.      M.  1,50.      |A.   Schroeter: 


IV  3:  105-152.  r.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  90 

„Erinnerungen"  Mosens  aus  Akten,  Briefen  und  aus  den  Papieren  Eduard  Aemil  Mosens, 
des  erst  1884  verstorbenen  Bruders  des  Dichters.  Das  Neue,  das  sich  dabei  ergiebt, 
besteht  freihch  nur  in  äusserlichen  Kleinigkeiten,  einigen  Jahreszahlen,  Personalangaben 
und  dergleichen,  ist  aber  für  einen  künftigen  wissenschaftlichen  Biographen  Mosens 
sehr  wertvoll.  Die  Kinderjahre,  die  Schul-  und  Universitätszeit  des  Dichters  —  bis  zu 
ihrem  Abschluss  (1824)  reicht  die  Schrift  —  werden  uns  durch  sie  viel  klarer,  namentlich 
der  Charakter  seines  Vaters,  dessen  von  Z.  abgedruckte  Briefe  eine  HauptquelJe  dieser 
neuen  Beiträge  sind.  Geringer  ist  ihre  Ausbeute  für  die  litterargeschichtliche  Erkenntnis 
im  eigentHchen  Sinne,  da  Z.  leider  von  den  später  unterdrückten  Jugendgedichten 
Mosens,  die  ihm  vorlagen,  fast  nichts  mitteilt.  105)  —  Nahezu  ein  Altersgenosse  Mosens 
und  gleich  ihm  auch  im  epischen  Gedichte  thätig  war  Gust.  Schwetschke  (1804 — 1881),  der 
Vf.  der  „Bismarckias"  und  „Varzinias",  dessen  Leben  und  Wirken  Walth.  Schultze  106-107) 
in  aller  Kürze  gut  und  gerecht  charakterisierte.  —  Neue  Mitteilungen  über  eine  von  den 
filiheren  Darstellern  aus  politischen  oder  amtlichen  Rücksichten  sehr  flüchtig  behandelte 
Periode  im  Leben  des  Vf.  von  „Prinz  Rosa  Stramin",  Einst  Koch,  bot  H.  Brunner  ^^^)  aul' 
Grund  einer  eigenhändigen  Eingabe,  dieKoch  1846  an  die  luxemburgische  Regierung  richtete 
und  die  das  nichts  weniger  als  korrekte  Verhalten  dieser  Regierung  gegen  den  Dichter 
grell  beleuchtet.  —  Amely  Bölte^oo^  veröffentlichte  einige  Briefe  von  Fanny  Lewald 
aus  dem  Jalu"e  1848,  die  neues  Licht  über  ihr  Verhältnis  zu  A.  Stahr  verbreiten,  auch 
sonst  manches  Interesse  erregen  können.  —  Zum  80.  Geburtstage  der  Verfasserin  des 
eben  genannten  Aufsatzes  selbst  erschien  ein  für  ihre  Lebensgeschichte  aufschlussreicher 
Artilcel  mit  einer  kurzen  Würdigung  ihrer  Werke,  denen  dabei  weniger  Phantasie  und 
poetischer  Schwung  als  scharfe  Beobachtung  und  Berechnung  zuerkannt  wurde  ^^^).  — 
Das  Leben  einer  etwas  jüngeren,  von  der  katholischen  Kritik  hochgerühmten  Schrift- 
stellerin, Maria  di  Sebregondi  (1814 — 1882),  schilderte  Brummer  m)  gut  nach  hs.  Mit- 
teilungen (von  wem?) ;  die  litterarische  Charakteristik  ermangelt  jeglicher  Selbständig- 
keit. 112^  —  Von  dem  Preund  und  Schüler  der  grössten  deutschen  Dichterin,  Levin 
Schücking  (1814 — 1883),  zeichnete  Hüffer^i^)  ein  vortreffliches,  ebenso  sorgfältig  aus- 
gemaltes wie  ähnliches  Bild  in  engem  Rahmen.  — 

Auf  Grund  hs.  Mitteilungen  versuchte  Brummer  ^i*)  Karl  Schramm  (1810  bis 
1888)  von  dem  Vorwurfe  des  Denunciantentums  zu  retten,  mit  dem  ihn  sein  Mitgefangener 
zu  Graudenz,  Pritz  Reuter,  belegt  hat.  —  Von  Reuter  selbst  gab  Gaedertz^i^j 
einige  Briefe,  meist  über  seine  Haus-  und  Gartenanlage  bei  Eisenach,  die  am  7.  No- 
vember mit  einer  Gedächtnistafel  geschmückt  wurde  ^^^),  an  Ferdinand  Jühlke  heraus, 
der,  1815  zu  Barth  an  der  Ostsee  geboren,  seit  1834  als  akademischer  Gärtner  zu  Eldena 
wirkte,  1858  Direktor  des  Gartenbauvereins  in  Erfurt  und  1866  Hofgartendirektor  in 
Sanssouci  wurde  (f  1893).ii'')  —  Um  die  Erklärung  des  Namens  Nüssler  in  „Stromtid"  be- 
mühten sich  neuerdings  Puls  ^^s),  Glöde^'^)  und  Kohrs  ^20")_  J)qy  letztere  wies,  wie  zum 
Teil  schon  Glöde,  nach,  dass  das  fragliche  Wort  nichts  mit  dem  hochdeutschen  Nuss  zu  thun 
habe,  auch  von  Reuter  gar  nicht  neu  gebildet  worden  sei;  sondern  schon  1754  in 
Richeys  „Idioticon  Hamburgense"  kommt  nüsseln  (=  zauderhaftig  arbeiten)  und  Nüsseier 
vor,  ebenso  in  späteren  niederdeutschen  Wörterbüchern.  —  Eine  allgemeine  Würdigung 
Reuters  strebte  A.Biese  121^  an.  Kurz  charakterisiert  B.  auch  die  plattdeutschen  Nach- 
folger Reuters,  John  Brinkmann  und  Felix  Stillfried,  dann  den  Erben  des  weltschmerz- 
lich-tragischen Humors  von  Jean  Paul,  W.  Raabe,  ferner  mehrere  neuere  erzäldende 
Dichter  und  Dichterinnen,  denen  allen  der  Humor  nicht  fremd  ist  (Storm,  Keller,  Heyse, 
Ilse  Frapan,  Isolde  Kurz,  Helene  Bölilau,  Hans  Arnold,  Gerhard  Walter,  Th.  Justus, 
Hans  Hoffmann  —  warum  fehlt  F.  Th.  Vischer?),  und  namentlich  Heinrich  Seidel,  den 
feinsinnigen  Umbildner  des  Reuterschen  Humors,  und  seine  Hauptfigur  Leberecht  Hühn- 
chen, in  der  sich  Jean  Paulscher  und  Reuterscher  Humor  harmonisch  vereint.  Ergänzend 
tritt  dazu  Seidels  kurze  Selbstbiographie  im  Anhange.  — 

Obwohl  in  gewissen  Grundgedanken  mit  Biese  einig,  beurteilt  doch  Spiel- 
hagen  122)    in  einem  geistvollen  Essay  über  Auerbach  den  deutschen  Humor  weit  un- 


BLU.  S.  680.] I  —  105)  X  (J)  -8  (Elias),  E.  Mörike,  Mozart  auf  d.  Reise  nach  Prag.  3.  Aufl.:  Nation».  8,  .«!.  28.5.  — 
106-7)  Walth.  Schultze,  Gust.  Schwetschke:  ADB.  33,  S.  440/2.  —  108)  H.  Brunner,  Ernst  Koch,  d.  Dichter  d.  , Prinz 
Rosa  Stramin".  (Mitteilt,  aus  seinem  Lohen,  aus  d.  Jahren  1840/6):  CasselAZg.  N.  244/5.  —109)  Amely  Bölte,  Neue  Mitteill. 
Uher  Fanny  Lewald:  ML.  60,  S.  756/9.  -  110)  M.  Seh.,  Z.  80.  Geh.  Amely  Böltes:  SchlesZg.  N.  696.  —  III)  F.  Brummer, 
Maria  di  Sfthrogondi,  verheir.  Lenzen  u.  ten  Brink:  ADB.  33,  S.  509—10.  —  112)  X  D.  Einsiedler  im  Walde,  e.  Weihnachtsgesch. 
aus  Amerika  v.  Ottilio  Wildermuth  Made  practical  by  A.  Albin  Fischer.  Philadelphia,  Fischer" s  school  oflanguagos.  110  S. 
(Z.  Unterricht  v.  Amerikanern  im  Deutschen  mit  Worterklilrungen  u.  allerlei  grammat.  Uebungsfragen  versehen.)  —  113)  II. 
HUffer,  Levin  SchUcking:  ADB.  32,  S.  613/7.  -  114)  F.  BrUmmer,  Karl  Schramm:  ib.  S.  445/6.  -  115)  K.  Th.  Gaedertz, 
F.  Reuter  u.  F.  JUhlke.  I.  IL:  NZgS.  N.  18/9.  —  116)  HambCorr.  N.  794.  -  117)  X  ror.  Reu-cr-Studien  v.  K.  Th.  Gaedertz: 
WIDM.  69,  8.  290.  -  118)  A.  Puls,  Zu  Ztschr.  IV,  274  (3)  flg.:  ZDU.  5,  S.  281/2.  -  119)  0.  Glöde,  Zu  Ztschr.  Y,  4,  281: 
„Jochen  NUssler":  ib.  S.  416/8.  -  120)  H.  Kohrs,  Zu  „Jochen  NUssler":  ib.  S.  418/9.  —  121)  (I  3  :  130a.)  —  122)  F.  Spiel 
hagen,  B.  Auerbach  (Gelogeutl.  d.  Briefe  an  s.  Freund  Jak.  Auerbach).     (=  Aus  mein.  Studicnnuippe.      S.  199—272.)    (Vgl  1 


91  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  3:  i28-isi. 

günstiger:  bisher  habe  er  sich  noch  nie  aus  der  idyllischen  Sphäre  zu  jenem  Welthumor 
erhoben,  dessen  sich  die  Engländer  und  Spanier  rühmen  können,  und  gerade,  dass  unser 
gi'össter  Humorist  sich  der  Mundart  bediente  und  alle  mit  ihr  verbundenen  geistigen 
Schranken  sich  gefallen  Hess,  bestätige  jenen  Mangel  am  deutlichsten.  Im  Gegensatz 
zu  Reuter  verwertete  Auerbach  den  Dialekt  in  seinen  Dorfgeschichten  nur  teilweise. 
S.  wägt  die  Vorteile  inid  Nachteile  dieses  sparsameren  Gebrauchs  der  Mundart  ab  und 
betont  hier  wie  sonst  Auerbachs  angeborene  und  am  Studium  Schillers  und  Goethes 
genährte  Neigung  zum  Pathos,  in  das  nach  seinem  eigenen  Geständnis  seine  Lustigkeit 
jedes  Mal  umschlug,  wenn  er  etwas  „Lachfrohes"  machen  wollte.  Als  einen  Grund- 
mangel Auerbachscher  Erzälilungen  bezeichnet  S.  das  Reflektive  und  die  Motivierungssucht: 
die  reine  Thätigkeit  der  Phantasie  wird  durch  das  Hereinbrechen  des  nüchternen  Verstandes 
gestört  und  getrübt,  was  Auerbach  in  seinen  grossen  Romamen  vergeblich  dadurch  zu 
bessern  sucht,  dass  er  die  Beobachtung  des  aktuellen  Lebens  bis  zum  Uebermass  treibt, 
und  so  Erfahrungsstoff  auf  Erfahrungsstoff  häuft,  ohne  ihn  künstlerisch  verarbeiten  zu 
können.  Stets  spielt  in  seine  Werke  seine  eigene  Persönlichkeit  nur  zu  sehr  herein, 
der  reflektierende  Dichter,  der  in  Wahrheit  grösser  ist  als  seine  Werke,  bei  aller 
sonstigen  Unähnlichkeit  mit  Jean  Paul  ihm  doch  verwandt  durch  den  mächtig  quellenden, 
die  Schranken  der  künstlerischen  Fassung  zeitweilig  überstürzenden  Reichtum  von 
Geist  imd  Gemüt.  Liebevoll  schildert  S.  Auerbachs  Gemütswärme,  den  Fanatismus 
seiner  oft  getäuschten  und  doch  nie  erlöschenden  Menschenliebe,  seinen  Sinn  für  das 
Volk  und  sein  Streben,  auch  als  Dichter  das  Volkstum  darzustellen,  seinen  ethischen 
LiberaHsmus,  seinen  Vermittlungseifer  bei  politischen,  socialen,  reHgiösen,  wissenschaft- 
lichen Gegensätzen,  ausfülirHch  endlich  und  mit  rühmenswürdigster  Objektivität  seine 
Stellun'g  zur  Judenfrage.  —  Einen  kürzeren,  warm  geschriebenen  Aufsatz  widmet 
Roseggeri23)  dem  Vf.  der  Schwarzwälder  Dorfgeschichten  als  einem  Dichter  des 
Ueberganges  vom  romantisch  angehauchten  Idealismus  des  philosophischen  Jahrhunderts 
zum  Realismus  unserer  Tage;  kein  naiver,  sondern  ein  Tendenzdichter,  trat  Auerbach 
für  Zucht  und  deutsche  Sitte,  für  Humanität  und  Patriotismus  ein,  zwar  bisweilen 
harmlos  eitel,  aber  stets  warm  und  voll  Glauben  an  menschliche  Güte,  stets  Optimist.  — 
A.  Bettelheim  124)  stellt  mit  Rücksicht  auf  die  mehrfach  erhobene  Anklage,  Auerbach 
habe  in  der  „Frau  Professorin"  und  im  „Neuen  Leben"  die  Liebe  und  die  spätere  Ehe 
Jakob  Henles  mit  Elise  Egloff  in  unbefugter  Weise  dichterisch  verwertet,  den  wirklichen 
Sachverhalt  fest:  nur  wenige  Motive  sind  aus  der  Geschichte  dieses  Verhältnisses  für 
eine  kleine  Episode  im  „Neuen  Leben"  entlehnt;  B.  deutet  aber  zugleich  auf  den  Zu- 
sammenhang jener  Ereignisse  mit  Gottfr.  Kellers  Erzählung  von  der  armen  Magd  Regine 
im  „Sinngedicht"  und  nimmt  scliliesslich  für  den  Dichter  energisch  das  Recht  in  An- 
spruch, die  Urstoffe  seiner  Poesie  aus  dem  leibhaftigen  Leben  zu  holen,  ohne  dass  man 
ihn  eines  Vertrauensbruches  bezichtige.  —  Kohut^^s)  teilt  aus  ungedruckten  Briefen 
Auerbachs  an  den  Dresdener  Scliriftsteller  Dr.  Willi.  Wolfsohn  (1850 — 1865)  einzelne 
Stücke  mit,  besonders  klagende  und  grollende  Worte  über  die  rumänischen  Juden- 
verfolgungen von  1859,  freudige  Aeusserungen  über  Berliner  Freunde,  über  Jakob  Grimm, 
„diesen  herrHchen  Menschen"  (18G0),  Urteile  über  den  späteren  Kaiser  Wilhelm  L,  über 
Jean  Paul,  Alexander  v.  Humboldt  und  Varnhagen  v.  Ense.  Leider  hat  K.  die  Utterar- 
geschichtHche  Bedeutung  seiner  Publikation  dadurch  selir  abgeschwächt,  dass  er  sich 
nicht  getraute,  kritische  Urteile  Auerbachs  über  zeitgenössische  Dichter  und  Schriflb- 
steller  anzuführen.  ^26)  —  Einem  anderen  jüdischen  Dichter,  L.  Kompert,  dem  „Fürsprech 
des  Ghetto",  ruft  W.  Goldbaum  ^^oa)  einige  recht  allgemeine,  aber  warme  Worte  über 
das,  was  er  für  die  Juden  geleistet  hat,  in  das  Grab  nach.  —  Unter  den  neueren 
Dichtern  süddeutscher  Dorfgeschichten  erfreuen  sich  Hermann  Schmid'27)  und 
Maximilian  Schmidt  ^28)  noch  immer  des  Beifalls  der  Leser  und  Leserinnen ;  dem  letzteren 
hat  auch  die  Fortsetzung  der  über  jedes  i'ichtige  Mass  weit  hinausgehenden  Angriffe 
Kreowskis  129)^  der  ilm  der  mannigfaltigsten,  plumpsten  Plagiate  beschuldigte,  bei  Un- 
parteiischen und  Urteilsfähigen  wenig  geschadet.  Zu  seiner  Rechtfertigung  wäre  deshalb 
seine  stellenweise  zur  vollständigen  Biographie  erweiterte,  übrigens  durchaus  über- 
zeugende Selbstverteidigung  130)  kaum  in  solchem  Umfange  nötig  gewesen.  —  Den  jung 
verstorbenen  elsässischen  Novellisten  Wilh.  Sommer  hat  eine  neue  Ausgabe  seiner  Er- 
zählungen seinen  Freunden  wieder  ins  Gedächtnis  gerufen,  i^i)  —  Blosse  neue  Ausgaben 


3  :  76.)  —  123)  P.  K.  Bosegger,  D.  Andenken  B.  Auerbachs:  BerlTBl.  N.  384.  —  124)  A.  Bettelheim,  Aneibtch  b.  Hernie: 
NationB.  9,  S.  198/6.  —  125)  A.  Kohut,  Ans  nngedr.  Briefen  B.  Auerbaehs:  AZgJudent  S.  68/9.  —  126)  X  H.  Becker. 
E.  christl.  Schulmann  Aber  B.  Auerbach:  ib.  S.  132.  (unbedeutendes,  zw.  Lob  n.  Zweifel  schwankendes  Urteil  d.  Sominar- 
lehrers  J.  G.  Zeglin  zu  Dramburg  [1873]).  —  126a)  W.  Goldbaum,  Am  Sterbetage  Leop.  Komperts:  ib.  S.  570  1.  — 
127)  Herrn.  Schmid,  Ges.  Schriften.  Volks-  u.  Familienausg.  2.  Aufl.  15.'— 26.  u.  41.— 52.  Lief.  Leipzig,  Keil.  12*.  Je 
M.  0,30.  —  128)  Maximilian  Schmidt,  Ges.  Weike.  20.— 34.  Lief  Leipzig,  Liebeskind.  Je  H.  0,50.  —  129)  E.  Kreowski, 
Hr.  Maximilian  Schmidt  bei  d.  Arbeit.  (Neue  Beitrr.  z.  vergl.  Litt.):  Gesellschaft!,  S.  648—50.  —  130)  Maximilian  Schmidt. 
Jinimerli|i)ikeiten  in  d.  Mttnchener  Schriftsteltorwelt.    München,  Lindaucr.    53  S.    —    131)  Wilhelm  Sommer  redirirus.    (Enihl. 


IV  3:  132-143.  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  92 

von  Anzengniberi32),  Hackländer  133)^  Marlitt^^*),  Roseggeri^S)^  Adelmanni36),  sowie  eng- 
lische Uebersetzungen  von  G.  Freytags  „Verlorener  Handsclirift"  und  „Erinnerungen"  137) 
und  eine  italienische  Uebersetzung  von  Storms  „Immensee"  ^^s)  brauchen  nur  erwähnt 
zu  werden.  — 

Auch  zwei  Prachtnovellen  Gottfried  Kellers^39)  wurden  ins  Italienische  über- 
setzt. —  Kellers  Tod  gab  noch  immer  Anlass  zu  verschiedenen  Veröffentlichungen 
über  den  unsterblichen  Dichter.  Von  seinen  gesammelten  Werken  kamen  die  Bände  4 
bis  7  neu  heraus,  den  ganzen  Schatz  seiner  Novellen  enthalten d^^o),  —  Eine  sehr  schöne 
Gabe  ward  uns  in  Kellers  Briefwechsel  mit  F.  Th.  Vischeri^^)  geboten  und  zwar  in  der 
bequemsten  Weise,  indem  alles,  was  zum  Verständnis  erforderlich  ist,  sogleich  den 
Briefen  selbst  beigefügt  ist,  auch  wenn  es  nicht  eben  schwer  zu  beschaffen  wäre.  Die 
Briefe  reichen  vom  1.  Okt.  1871  bis  zum  20.  Januar  1882  und  beziehen  sich  zuerst 
.auf  die  Herausgabe  der  „Sieben  Legenden",  von  deren  Titel  Keller  den  ursprünglich 
geplanten  Zusatz  „Auf  Goldgrund"  wegliess,  da  Vischer  die  Anspielung  für  allzu  ironisch, 
zu  subjektiv  erregt  und  erregend  hielt.  Dann  werden  einige  Arbeiten  des  letzteren 
(„Der  Krieg  und  die  Künste",  das  Schartenmayersche  Heldengedicht  über  den  deutschen 
Krieg  von  1870 — 1871)  und  besonders  Kellers  Plan,  zu  dem  1873  erschienenen  sechsten 
Heft  der  „Kritischen  Gänge"  eine  ironisch-humoristische  Skizze  von  einem  fingierten 
„Künstlerlein",  das  diese  Essays  liest,  zu  liefern,  desgleichen  Vischers  kritischer  Aufsatz 
über  Keller  in  der  „Allgemeinen  Zeitung"  (1874)  erörtert;  gegen  die  wenigen  Aus- 
stellungen des  Freundes  verteidigte  sich  Keller  brieflich  nur  in  Nebensachen,  änderte 
später  aber  auch  das  nicht,  worin  er  anfänglich  den  Einwänden  seines  Kritikers  nach- 
zugeben schien.  Die  folgenden  Briefe  drehen  sich  zum  Teil  um  Vischers  Roman  „Auch 
einer"  und  um  das  in  ihn  eingeflochtene  Gedicht  Kellers.  Dann  schlägt  Vischer  dem 
Züricher  Dichter  neue  Novellenstoffe  vor,  die  Geschichte  des  Pfarrers  Brechter  in  Bi- 
berach mit  dem  bunten  Hintergrunde,  •  den  das  Leben  des  jungen  Wieland  in  der  Schweiz 
und  in  Schwaben  und  der  Kreis  des  Grafen  Stadion  zu  Warthausen  darbieten  würde, 
ferner  den  Orden  der  Pegnitzschäfer  in  Nürnberg.  Vorübergehend  werden  dramatische 
Pläne  Kellers  erwähnt.  Endlich  fallen  manche  Worte  über  den  zweiten  Teil  von 
Goethes  „Faust",  die  auf  eine  XJebereinstimmung  beider  Briefsteller  auch  in  diesem  Falle 
schliessen  lassen.  Viel  wichtiger-  als  diese  htterarischen  Einzelheiten  ist  übrigens  das 
Gesamtbild  der  beiden  Freunde,  das  uns  aus  ihrem  Briefwechsel  entgegentritt:  zwei 
kernige,  einfach-gediegene,  durchaus  echt  und  edel  denkende  Männer,  die  jedes  leere 
Wort  und  jede  konventionelle  Formel  verschmähen.  —  Genau  in  demselben  Lichte 
lassen  den  Züricher  Dichter  die  Aufzeichnungen  erscheinen,  die  Adolf  Freyi42-i43^  zu- 
nächst in  einer  Zeitschrift  und  danach  in  erweiterter  Form  selbständig  veröffentlichte. 
F.  verkehrte  seit  dem  Frühling  1877  persönlich  mit  -Keller  und  stand  dem  von  ihm 
hochverehrten  Meister  freundschaftlich  nahe  wie  nur  wenige  seiner  jüngeren  Bewunderer. 
Ueber  sein  äusseres  Wesen  und  Treiben,  seine  Charaktereigenschaften  und  seine  oft 
wunderlichen  Eigentümlichkeiten,  seine  Versclilossenheit  halb  aus  Trotz,  halb  aus  Be- 
scheidenheit, seine  äusserliche  Herbheit  bei  innerer  Wärme  und  Milde,  seinen  Humor 
und  seine  mit  diesem  wachsende  Reizbarkeit  bei  längeren  Gelagen,  sein  Feingefühl  für 
das  Schickliche  teilt  F.  allerlei  Dankenswertes  mit,  indem  er  das,  was  die  eigene  Er- 
innerung an  den  Umgang  mit  Keller  ihm  darbot,  mit  dem  verbindet,  was  uns  die  Werke 
des  Dichters  über  sein  Denken  und  Leben  lehren.  Als  Grundzug  seines  Charakters  ist 
dabei  überall  die  lauterste  Wahrhaftigkeit  zu  erkennen,  deren  Kehrseite  der  unauslösch- 
liche Hass  gegen  Lüge  und  leere  Konvention  war.  Ein  freundliches  Licht  verbreitet 
F.s  Darstellung  über  Kellers  Verhältnis  zu  seiner  Mutter  und  namentlich  zu  seiner 
Schwester  Regula,  über  seine  von  strengstem  Pflichtgefühl  und  wärmster  Vaterlandsliebe 
zeugende  amtliche  Thätigkeit,  über  seine  politischen  Ansichten;  auch  eine  trübe  Er- 
fahrung, die  der  fast  fünfzigjährige  Dichter  in  der  Liebe  machte,  wird  kurz,  aber  mit 
schöner  Pietät  berührt.  Kellers  Anschauungen  von  der  Kunst,  seine  Gedanken  über 
Schönheit  und  Wahrheit  im  Kunstwerk,  über  die  Forderungen  in  Lessings  „Laokoon", 

V.  W.  Sommer.  1.  u.  2.  Bd.:  Elsäss.  Gesch.  Basel,  Schwalbe,  1892):  StrassbPost  N.  322.  (Vgl.  SchwübKronik  N.  2%.)  —  132)  L. 
Anzengruber,  D.  Kameradin.  2.  Aufl.  Dresden.  Minden.  VllI,  281  S.  M.  3,50.  —  133)  F.  W.  Hacklander,  Namenlose  Gesch. 
lilustr.  2  Bde.  Stuttgart,  Krabbe.  VI,  548  u.  VI,  449  S.  M.  9,00.  —  134)  E.  Marlitt,  Ges.  Romaue  u.  Novellou.  2.  Aufl.  (In 
75  Lief.)  Bd.  1 :  D.  Geheimnis  d.  alten  Mamsell.  Illustr.  Leipzig,  Keil.  Je  M.  0,40.  —  135)  P.  K.  Rosegger,  Ausgew.  Werke. 
Mit  900  Illustr.  (In  115  Lief,  oder  6  Bdn.)  Bd.  6  (Schlussbd.)  Wien,  Ilartleben.  552  S.  Geb.  M.  12,50  oder  k  Lief.  M.  0,.50. 
i[A.  Schlossar:  BLU.  S.  494.]|  —  136)  A.  Graf  Adelmann,  Ges.  Werke.  Bd.  3:  Novellen  u.  Skizzen.  Stuttgart,  Dtsch.  Ver- 
lagsanst  V,  327  S.  M.  3,00.  |[Schw!lbKronik,  N.  296.]|  —  137)  G.  Freytag,  The  lost  manuscript:  Ac.  39,  S.  323.  —  138)  O 
Teod.  Storm,  Immensee.  Dal  tcdeseo  reeato  in  italiano  da  L.  Ravasini,  con  la  vita  doirautoro.  Potonza,  Pomarici. 
16".  XIV,  72.  L.  1,00.  —  139)  O  f^offr.  Keller,  1.  Romeo  e  Giulotta  nol  villaggio ;  2.  Spocchio:  Riicconti  rusticani.  Version! 
dal  tedesco  di  G.  StrafforoUo:  Biblioteca  universale,  N.  208.  Milaiio,  Son/.ogno.  IG».  109  S.  L.  0,2.5.  —  140)  Gottfr. 
Keller,  Ges.  Werke.  Bd.  4-7.  (Bd.  4-5:  D.  Leute  v.  Seldwyla.  9.  Aufl.;  Bd.  6:  Ztiricher  Novellou.  11.  Aufl.;  Bd.  7:  D.  Sinn- 
gedicht. —  Sieben  Legenden.  10.  Aufl.)  Berlin,  Hertz.  310,  356,  411  u.  427  S.  M.  12,00.  —  141)  Briefwechsel  zw.  Gottfr. 
Koller  u.  F.  Th.  Vischer.  I-VII:  DDichtung.  9,  S.  181/3,  232/5,  306/7;  10,  S.  27—31,  101/4,  177/9,  225/7.  - 
142)  Adolf  Frey,  Erinnerungen  an  Gottfr.  Keller.    I— XII :  DRs.  69,  S.  100-20  u.  288—303.  -  143)  O  XX  iä-.  Brinncr.  i.u 


93  F.  Muncker,  Epos  des   18./19.  Jahrhunderts.  IV  3:  144-149. 

seine  Definition  der  Poesie  als  der  mit  grösserer  Fülle  vorgetrageneti  Wirklichkeit  und 
sein  Verliältnis  zu  den  bedeuiendoreu  Dichtern  seiner  und  der  früheren  Zeit  werden  erörtert, 
Aufschluss  ühor  seine  eigene  Art  zu  schaffen  (meist  nach  langsamer  Reife  des  Stoffes 
in  Einem  Zuge  „aus  dem  Gefühl  aufgespeicherter  Kraft  heraus")  und  über  gewisse 
Lioblingsmotive  seiner  Werke  gegeben,  z.  B,  über  die  Bedeutung,  die  in  ihnen  das 
Prol)]era  der  Erziehung  gewinnt.  Für  mehi'ere  seiner  Erzählungen  und  Gedichte  werden 
die  Quellen  namhaft  gemacht,  vor  allem  aber  sind  einige  dichterische  Pläne  erwähnt,  die 
Keller  in  Gedanken  ganz  genau  ausgesponnen  hatte,  dann  aber  doch  unausgeführt  liess, 
so  mehrere  epische  Geschichten  in  gebundener  Rede,  deren  Stoffe  dem  „Neuen  Testa- 
mente, mittelalterlichen  Chroniken,  der  englis(^hen  und  der  schweizerischen  Geschichte 
entnommen  waren,  der  zweite  Teil  des  „Martin  Salander"  u.  a.  —  Viel  unbedeutender  ist, 
was  M.  R.  von  Stern  !•**)  über  einen  Besucli  bei  Koller  und  dessen  Abneigung  gegen 
die  gewöhnliche  moderne  Auffassung  der  socialen  Frage  bericlitet.  —  Einen  fast  ver- 
gessenen politischen  Aufsatz  Kellers  aus  dem  Jahre  1860  druckten  aus  Scheuchzers 
Buch  über  Saloraon  Bleuler  verschiedene  Scliweizer  Zeitungen  wieder  ab^^^).  Es  ist 
ein  Volksaufruf,  in  welchem  Keller,  unzufrieden  mit  der  Stellung  der  Züricher  Abgeord- 
neten im  Nationalrat  zur  Savoyer  Frage,  seine  Landsleute  kräftig  mahnt,  gegenüber  der 
„kleinlichen  Schlauheit,  welche  der  notorischen  Verschlagenheit  des  gegnerischen  Ge- 
walthabers doch  nicht  gewachsen  ist",  wieder  zum  „guten  altschweizerischen  Volkstum" 
ihre  Zuflucht  zu  nehmen  und  die  Kraft  dieses  Volkstums,  „das  einzig  wirksame  Mittel", 
in  die  Wagschale  zu  werfen.  —  Eine  bestimmte  Seite  in  Kellex's  Dichtungen  ^'♦öj,  seine 
Darstellung  der  weiblichen  Natur,  beleuchtet  Laura  Marholm  ^■*'')  in  einem  mitunter 
einseitig  übertreibenden,  aber  geistvollen  und  überall  anregenden  Essay.  Sie  charakteri- 
siert zuerst  sein  dichterisches  Wesen  überhaupt,  wie  er  selbstgenügsam  sich  nur  als 
Schweizer  fühlt,  ohne  auf  das  Ausland  zu  rechnen,  keine  Probleme  sucht,  sie  aber 
ha\ifenweise  findet  und  dann  ohne  wichtig  thuenden  Ernst  scheinbar  nur  mit  ihnen 
s})ielt,  individuell  bis  in  seine  Sprache  hinein,  ganz  unmodern,  ganz  naiv  in  seinem 
ruhigen  Gleichmut  naturgegebener  Gesundheit,  ein  „Freiluft-Einsamer",  der  sich  ver- 
traulich nur  an  „Freiluftgewohnte"  wendet.  So  schildert  er  denii  auch  unter  den  Frauen 
am  liebsten  Freiluftnaturen,  keine  Salondamen,  keine  Kulturprodukte,  aber  auch  keine 
idealisierten  Landmüdchen,  sondern  lauter  lebendige,  geschaute  Wirklichkeit,  gesunde 
Natur,  wie  sie  vor  ihm  ausser  Goethe  noch  keiner  unserer  Dichter  so  wahr  und  naiv 
darstellte,  g.anz  frei  von  der  durch  den  Einfluss  Rousseaus  in  unsere  Litteratur  hinein- 
getragenen bombastischen  Sentimentalität.  Das  Kriterium  eines  tüchtigen  Weibes  ist 
für  Keller,  dass  sie  ihren  Manu  zu  finden  vind  zu  halten  versteht.  Wie  er  aber  die 
Lebensersclieinungen  überhaupt  auf  bestimmte,  leicht  zu  variierende  Grundformen  zu 
vereinfachen  suchte,  so  setzt  auch  seine  „treue  und  zuverlässige  Psychologie  des  gesunden 
Weibes"  einfachere  Verhältnisse  und  „unzusammengesetztere  Persönlichkeiten"  voraus, 
als  wir  sie  jetzt,  fünfzig  Jalire  nach  Kellers  Jugend,  selbst  auf  dem  Lande  finden.  Auch 
die  indiv'iduell  })hysiologischen  Bedingungen  des  einzelnen  Weibes  schimmerten  für  ihn 
stets  diuTh,  aber  er  vertiefte  sich  nicht  speciell  in  das  Studium  des  Physiologischen. 
Er  hatte  jjene  Misclmng  von  sinnlicher  Bedürftigkeit  und  seelischer  Hingebungsfähigkeit, 
in  der  die  Sinnlichkeit  ganz  von  Seele  durchdrungen,  das  Bedürfnis  ganz  sublimiert, 
die  seelische  Hingebung  selbst  ganz  vibrierende  Sinnlichkeit  ist".  Daher  seine  Liebe, 
seine  klare  Erkenntnis  der  Frauen,  aber  auch  sein  Hass  aller  Missformen  am  Weib,  sein 
Eifer  gegen  die  „Greuel  der  herandämmernden  Frauenemancipation".  In  seinem  eignen 
Verhältnis  zu  den  Frauen,  das  die  Verfasserin  an  den  einzelnen  Frauengestalten  in 
seinen  Romanen  \ind  Novellen  der  Reihe  nach  betrachtet,  liegt  „ein  gut  Stück  Sensitiva- 
amorosa-Natur".  —  Poppenberg '*8)  vergleicht  Kellers  „Eugenia"  mit  Calderons  „El 
Joseph  de  las  mugeres"  und  fasst  den  Unterschied  beider  Meister  in  der  Behandlung 
des  nämlichen  Problems  sehr  gut  in  die  Fonnel  zusammen,  dass  Calderon  als  der  aller- 
christlichste  Dichter  alles  sub  specie  aeternitatis  sah,  wälirend  unserem  Keller,  dem 
allermenschlichsten  Dichter,  alles  sub  specie  humanitatis  erschien.  —  Im  schroffen 
Gegensatze  zu  diesen  erfreulichen  Arbeiten  steht  die  Schrift  von  Kambli^*^)  über 
Kellers  Verhältnis  zu  Religion,  Kirche  und  Geistlichkeit,  eigentlich  nur  eine  selbständige 
Ausgabe  mehrerer  Aufsätze,  die  vorher  in  der  „Protestantischen  Kirchenzeitung" 
standen.  K.  kennt  Kellers  Werke  genau  und  hat  sogar  eine  gute  Portion  philolo- 
gischen Fleisses  aufgewandt,  um  sich  sein  Beweismaterial  möglichst  reichlich  zusammen- 
zutragen; gleichwolil  ist  seine  Arbeit  wissenschaftlich  fast  unbrauchbar  und  sittlich 
durchaus    zu   verwerfen.     K.  gehört   selbst   zu    den    Refonngeistlichen,    die  Keller   un- 

Gottfr.  Keller.  Leipzig,  Haessol.  III,  165  S.  M.  3,00.  -  144)  M.  R.  v.  Stern,  Erinnerung  «n  GoUfr.  Keller:  BorlTBl.  N.  184. 
—  145)  E.  polit.  Volksaufruf  v.  QoUfr.  Keller.:  Hund  N.  39.  (Au.s  d.  NZUricliZg.)  —  146)  O  X  Gottfr.  Koller:  Z.  guten  Stunde 
7,  S.  164/5.  -  147)  Laura  Mar holra,  Gottfr.  Keller  als  Krauenschildorer.  I-Ill:  VZgs.  N.  25/7.  -  148)  F.  Poppenberg, 
D.  weibliche  Joseph.  E.  litt.  Parallele:  Bund«.  N.  45.  (Wied-r  ahgodr.  ML.  S  8i5/6.)  —  149)  C.  W.  Kambli,  Gottfr.  Keller 
nach  seiner  Stellung  zu  Keligiun  u.  i  hristeutuiu,  Kirche,  Theologie  u.  Geistlichkeit.   St  Gallen,  Hasaelbrink.   IV,   102  S.   M.  1,C0. 


IV  3:  iBO-160.  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  94 

erbittlich  verfolgte ;"  nun  will  er  sich  an  dem  Toten  durch  eine  tendenziös-einseitige  Dar- 
stellung rächen,  wobei  es  ihm  auf  ein  paar  perfide  Verdrehungen  mehr  oder  weniger 
nicht  ankommt.  Mit  erheuchelter  Freude  erkennt  er  an,  dass  der  grosse  Dichter  immerhin 
eine  religiös  angelegte  Natur,  wenn  auch  nicht  dogmatisch  gläubig  war;  dann  unter- 
sucht er  verschiedene  Aeusserungen  Kellers  über  religiöse  Grrundsätze  und  Einrichtungen 
und  vergleicht  die  beiden  Fassungen  des  „Grünen  Heinrich"  und  einzelner  Gedichte,  um 
nachzuweisen,  dass  Kellers  Stimmung  gegen  Christentum  und  Kirche  und  besonders 
gegen  Theologie  und  Geistlichkeit  sich  mit  den  Jahren  verschärfte.  Dabei  identifiziert 
er  freilich  die  eigene  Meinung  des  Dichters  allzu  sehr  mit  der  seiner  poetischen  Gestalten 
und  zieht  auch  aus  Aenderungen,  deren  Grund  rein  künstlerischer  Art  ist,  Schlüsse  auf 
die  kirchliche  Gesinnung  KeWers.  Das  künstlerische  Verständnis  des  Vf.  erscheint 
überhaupt  als  ein  ungewöhnlich  beschränktes:  den  Schluss  von  „Romeo  und  Julia  auf 
dem  Dorfs"  findet  K.  z.  B.  cynisch  und  äussert  den  albernen  Wunsch,  das  Liebespaar 
sollte  vor  der  Brautnacht  gleich  beim  Besteigen  des  Heuschiffs  untergehen!  Auch  sonst 
wird  er,  wo  sinnliche  Motive  in  Frage  kommen,  thöricht  bis  zur  vollkommenen  Lächer- 
lichkeit. In  seinen  Ausdrücken  ist  er,  der  so  oft  Kellers  Worte  auf  der  Goldwage 
abwiegt,  nichts  weniger  als  wählerisch;  Schimpfworte  wie  „blöd",  „frivol",  „boshaft  und 
gemein",  „frecher  Hohn"  sind  ihm  recht  geläufig.  SchliessHch  konimt  er  zu  dem  Urteil, 
dass  Keller  eben  in  kirchlichen  und  theologischen  Dingen  immer  ein  blosser  Dilettant 
geblieben  sei  mit  all  den  Fehlern,  die  er  selbst  am  litterarischen  und  künstlerischen 
Dilettantismus  so  scharf  geisselte.  Auch  philosophische  Studien  seien  nicht  eben  seine 
Sache  gewesen,  liest  K.  ganz  verkehrt  aus  einer  Aeusserung  Kellers  über  Vischers 
Aesthetik  heraus.  Ihm  ist  es  aber  in  Wirklichkeit  gar  nicht  um  das  Studium  Vischers 
zu  thun;  sondern  Alex.  Schweizers  Glaubenslehre  und  Biedermanns  Dogmatik  hätte 
Keller  nach  seiner  Ansicht  studieren  sollen.  Die  Herrschsucht  des  Pfaffen,  die  vom 
Laien  unbedingte  Unterwerfung  verlangt,  guckt  aus  allen  Ecken  der  Schrift  hervor; 
sie  reisst  denn  auch  K.  von  Ungerechtigkeit  zu  Ungerechtigkeit  fort.  —  Mit  Recht 
haben  ihm  deshalb  für  seinen  unehrlichen,  feigen  Angriff  auf  den  Toten  Schweizer  Kri- 
tiker sogleich  nach  Gebühr  heimgeleuchtet,  besonders  von  Greyerz  ^^O')  ^^(j  {jj^  unmittel- 
baren Anschluss  an  diesen  J.  V.  Widmann  i^i).  —  Nicht  minder  vinerquicklich  als 
Kamblis  Verunglimpfung  des  Dichters  ^^^^  war  der  Prozess,  der,  vom  Nationalrat 
Dr.  Scheuchzer  gegen  Kellers  Testament  angestrengt,  sich  fast  noch  durch  das  Jahr 
1891  hinzog ^53).  Nachdem  das  erste  Urteil  des  Bezirksgerichts  Zürich,  das  den  Kläger 
am  1.  November  1890  abwies,  am  24.  Januar  1891  vom  Obergericht  Zürich  aufgehoben 
worden  war,  wurde  unter  anderem  durch  das  Zeugnis  Böcklins  i^*),  besonders  aber 
durch  ein  ausführliches  ärztliches  Gutachten  des  Professors  L.  Wille  ^^^)  in  Basel  vom 
25.  August  das  Vorhandensein  der  nötigen  Geistesklarheit  und  Willensfreiheit  Kellers 
bei  Errichtung  seines  Testaments  festgestellt  und  daraufhin  am  19.  November  1891  vom 
Züricher  Bezirksgericht  Scheuchzers  Klage  endgiltig  abgewiesen  i^ß).  — 

Ueber  Keller  wurde  sein  Schweizer  Kunstgenosse  K.  F.  Meyer  nicht  vergessen. 
Sein  neuer  Roman  „Angela  Borgia"  wurde  von  Kellers  jüngeren  Freunden  Adolf 
Freyl^'')  und  0.  Brahm^s^)  mit  bewundernder  Freude  begrüsst.  Der  letztere  konnte 
dabei  ein  hübsches  Wort  des  alten  Meisters,  die  Erzähhmgen  Meyers  trügen  ein  Kleid 
von  kostbarem  Stoff,  von  Brokat,  auf  die  soHde  Poetenarbeit  ausdeuten,  durch  die  sich 
auch  „Angela  Borgia"  wieder  auszeichnet.  —  Eine  allgemeine  Charakteristik 
Meyers  versuchte  M.  R.  v.  Stern  i^o)^  welcher  in  dem  Vf  des  „Jürg  Jenatsch"  den 
Träger  einer  noch  nicht  dagewesenen  Kunst  pries,  der  in  sich  —  vielleicht  vorbildlich 
für  die  künftige  Litteratur  —  deutsche  Tiefe  und  welsche  Eleganz  vermählt  und  an 
historischen  Stoffen  doch  stets  symbolisch  modernes  Leben  darstellt.  —  Weniger 
schimmernd,  aber  vielleicht  gediegener  ist  ein  umfangreicher  Aufsatz  Zabels  i^^^)  aus- 
gefallen. Er  hebt  an  Meyer,  der  sich  nicht  auf  jedem  Gebiete  versuche,  sondern  als 
Meister  in  der  Beschränkung  zeige,  die  Tiefe  der  Gedanken,  die  Sauberkeit  der  künst- 
lerischen Darstellung,  die  niemals  blendende,  aber  auch  nirgends  gezierte  oder  über- 
ladene, einfache  und  vornehm-ruhige  Sprache  hervor.  Wenn  Keller,  verschlossen- 
zurückhaltend,  durchaus  schweizerischer  Dichter  ist  und  ganz  in  der  Natur  steckt,  so 
vereinigt  sich  bei  dem  liebenswürdig  entgegenkommenden  Meyer  internationale  Bildung 
und  strengste,  bewusste  Kunstanschauung.    Z.  betont  den  Einfluss  der  deutschen  Kämpfe 


[Bunds.  N.  39  (vernichtend).]!  —  '50)  0.  v.  Greyerz,  Besprechung  v.  Kamblis  Buch:  SchweizRs.  Nov.  (Z.  T.  in  d.  Eec.  v. 
N.  149.)  —  151)  J.  V.  W.  (=  Widmann),  Gottfr.  Keller  in  s.  Vorhftltnis  zu  Religion,  Kirche  u.  speoiell  z.  Refonntheologie: 
Bunds.  N.  314/5.  —  152)  X  -s.  Gottfr.  Keller,  Aristophanes  u.  d.  Bildungsphilister:  Gronzb.  II,  S.  52/4.  (Gegen  J.  Mahlys 
thörichte  Aeussorungon  Über  Keller  u.  Aristophanes.)  —  153)  X  Gottfr.  Kellers  Testament:  FZg.  N.  167.  —  154)  Böcklin  über 
Gottfr.  Keller:  FZg.  N.  193.  —  155)  L.  Wille,  Aerztl.  Gutachten  betr.  d.  Geisteszustand  d.  alt.  Staatsschreibers  Dr.  phil. 
Gottfr.  Keller  v.  ZUrich:  NZUrchZg.  N.  251.  (Vgl.  dazu  NZUrchZg.  N.  240,  FZg.  N.  248.)  —  156)  Testameutsprozess  Gottfr. 
Kollers:  ib.  N.  324.  -  157)  AdolfFrey,  C.  F.  Meyers  Angela  Borgia:  ib.  N.  353.  —  158)  0.  Brahin,  Neues  v.  K.  F.  Meyer: 
Naüon„.  9,  8.  176/8.  -  169)  M.  R.  v.  Stern,  K.  F.  Meyer.    Z.  11.  Oktober:  ML.  60,  S.  641/3.  -  160)  E.  Zabel,  K.  F.  Meyer. 


96  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  rv  3:  i«i-i80. 

von  1866  bis  1871  auf  Meyers  poetische  Entwicklung:  vom  Schwanken  erlöst,  fühlte  er 
sich  von  da  an  als  deutscher  Dichter  von  schweizerischer  Lokalfarbe.  Sein  Thema  war 
regelmässig  „der  streitbar  kämpfende  Held  und  sein  Vaterland".  Unter  seinen  im 
Einzelnen  er()rterten  Werken  betrachtet  auch  Z.  den  „Jürg  Jenatsch"  als  Meyers 
Hauptschöpfung,  als  „die  tragische  Verklftnmg  seiner  Weltanschauung".  — 

Zahlreiche  Artikel  rief  auch  der  T()(l  0.  von  Redwitz'  hervor,  der  fast  genau 
ein  Jahr  nach  dem  Kellers  im  Juli  1891  erfolgte;  mit  den  Arbeiten  über  den  letzteren 
können  sich  aber  diese  Aufsätze  nicht  messen.  Es  sind  grossenteils  kurz  gefasste 
Nekrologe,  die  den  liebenswürdigen,  sittlich  tüchtigen  Charakter  des  Verstorbenen  mehr 
als  seine  künstlerische  Begabung  preisen,  den  Gegensatz  zwischen  seinen  älteren,  in 
spätroman tischer  Weise  krankhaft-empfindsamen  luid  katholisierenden  Dichtungen  und 
seinen  neiieren,  liberalen  und  patriotischen  Werken  betonen,  über  die  letzteren  aber 
mit  Recht  schneller  hinweggehen,  während  sie  bei  der  „Amaranth"  verweilen.  Die 
meisten  dieser  Artikel  sind  objektiv  gehalten •"'-i'^);  tendenziös  gefärbt  ist  Keitersi'^J 
Nekrolog.  —  üeber  das  Durchschnittsmass  ragt  der  Aufsatz  von  Neumann-Hofer***) 
hervor.  Er  charakterisiert  die  geschichtliche  Bedeutung  der  „Amaranth"  knapp  und  gut 
und  schildert  das  Bestreben  des  Dichters  seit  seinem  „Odilo",  aus  einem  ultramontanen 
ein  moderner  und  liberaler  Mensch  zu  werden.  Aber  trotz  aller  Mühe  sei  Redwitz  auf 
halbem  Wege  stehen  geblieben.  Eine  eigenartige,  in  sich  geschlossene  Erscheinung 
war  Redwitz  nur  so  lange,  als  er  ultramontan  und  reaktionär  blieb.  —  Im  Grunde 
dasselbe  sagt  in  liübscher  Fassung  ein  iingenannter  Feuilletonist^ß'')  von  dem  Verstorbenen: 
sein  Ruhm  als  Dichter  sank,  da  er  als  Mensch  gewachsen  war;  er  verlor  an  Erfolgen, 
je  schöner  und  edler  sich  der  Mann  aus  dem  liebenswürdigen  Schwärmer  entwickelte. 
—  E.  WechsleriGS)  teilte  einen  dann  mehriach  wiedergedruckten  Brief  des  Leidenden 
vom  7.  Januar  1886  mit,  in  welchem  Redwitz  sich,  leider  zu  früh,  seines  vermeintlich 
dauernden  Sieges  über  den  Morphinismus  freute.  —  Auch  ein  haltloses  Gerücht  über 
den,  thatsächlicji  durch  Herzschlag  veranlassten,  Tod  des  kranken  Dichters  bedurfte  der 
ausdrücklichen  Widerlegung  in  mehreren  Blättern  i^^).  — 

Die  „Amaranth"  ist  vor  anderthalb  Jahrzehnten  durch  F.  W.  Webers  „Drei- 
zehnlinden" abgelöst  worden,  die  1891  in  50.  und  51.  Auflage  erschienen  i'^).  —  Den 
Vf.  dieser  Dichtung  preist  Keiter^^i)  überschwänglich  in  einer  litterargeschichtlich 
sehr  mangelhaften,  ästhetisch  aber  mitunter  ziemlich  tief  eindringenden  und  nirgends 
durch  ihre  Tendenz  verletzenden  Studie.  Ueber  die  poetische  Technik  findet  sich 
darin  manche  feine  Bemerkung.  Das  Lob  Webers  übertreibt  K.  zwar  bis  zur  Lächer- 
lichkeit, wenn  er  die-  Kunst  der  Charakteristik  bei  seinem  Dichter  über  die  des 
Sophokles  erhebt;  dagegen  urteilt  er  pedantisch  streng  über  die  angeblich  unreinen 
Reime  Webers,  i''^^  — 

Zwei  Jahre  vor  Redwitz,  eines  vor  Keller  ist  Haraerling  gestorben,  dessen 
Andenken  zahlreiche  Schriften  fast  lebendiger  als  zu  seinen  Lebzeiten  erhalten.  Einzelne 
seiner  Dichtungen  erschienen  in  neuen  Ausgaben  ^''^-^ ''**);  aus  seinem  Nachlasse  wurde 
eine  weitere  Sammlung  von  geistvollen,  oft  satirischen  und  humoristischen,  auch  an 
litterarischen  Urteilen  ergiebigen  Aphorismen,  Skizzen  und  Studien  i''^)  und  ein  ernstes 
philosophisches  Werk,  die  aphoristisch  gehaltene,  innerlich  aber  einheitlich  systematisch 
durchgeführte  „Atomistik  des  Willens"  i'^''),  herausgegeben.  —  Aeltere  Chai-akteristiken  des 
„Dichters  der  Schönheit"  wurden  aufs  neue  den  Lesern  empfohlen '^''-^''S).  —  Am  wert- 
vollsten sind  die  unter  dem  Titel  „Lehi-jahre  der  Liebe"  aus  dem  Nachlass  veröffent- 
lichten Tagebuchblätter  und  Briefe  >'9-i80)  aus  den  Jahren  1850—54  und  1862—63  mit 
vielen  neuen  Gedichten  von  persönlichstem  Charakter,  vornehmlich  in  Sonettenform. 
Sie  zeigen  uns  zuerst  den  tändelnden  \ind  träumenden,  vom  Humanitätsstreben  des 
18.  Jh.  erfüllten,  für  Hermann,   Gutenberg,    Luther,   Goethe    und    Hegel    schwärmenden 


E.  litt.  Portr.:  WIDM.  70,  S.  032-44.  —  161)  q— .,  0.  v.  Kedwitz,  Nokroloff :  AZgn.  N.  168.  —  162)  W.  Brachvogel.  D.  letzt« 
Romantiker:  MUiicliNN.  N.  310.  (Z.  T.  wieder  abgedr.  DidasValiu  N.  Iü2.)  —  163)  M.  Brie,  0.  v.  Redwitx,  e.  Charaktfristik : 
DZg.  N.  7030.  (Abgodr.  im  Bunds,  n.  :«.)  —  164)  0.  v.  Kedwitz  f:  Kw.  4,  S.  309-10.  —  165)  H.  Keitor,  0.  t.  Bedwitz, 
Nekrolog:  Hausscbatz  17,  S.  782/3.  -  168)  0.  N.-H.  (=  Neumann- Hofer),  0.  v.  Bedwitz  f:  BerlTBl.  N.  341.  (Z.  T.  abgedr. 
Didaskalia  N.  162.)  —  167)  0.  v.  Kedwitz:  KZg.  N.  iOl.  —  168)  E.  Wechsler  (Z.  Leidensgesch.  d.  Dichters  0.  t.  Bedwitz): 
NalZg.  N.  415.  (Al'gedr.  StrassbPost  N.  194;  FZg.  N.  198;  Didaskalia  N.  162.)  -  169)  0.  v.  Bedwitz:  FZg.  N.  2u3.  (Aus  d. 
AZg.  abgedr.;  gegen  d.  (ierUcht,  R.  sei  durch  Selbstmord  umgekommen.)  —  170)  F.  W.  Weber,  Dreizebniindea.  50.  Aufl. 
Jiibelausg.  Mit  Portrnt.  Paderborn,  Scböningli.  381  S.  M.  8,00.  (Dasselbe.  61.  Aufl.  ebenda.  12«.  UI,  882  Ö.  M.  5,00.)  — 
171)  H.  Keitor,  F.  W.  Weber,  D.  Diihter  V.  „Dreizehnlinden".  E.Studie.  3.  rerm.  Aufl.  Mit  e.  Portr.  Paderborn,  SehOningh. 
57  S.  M.  0,60.  —  |[A.  Hermann:  BLU.  S.  500.]1  —  172)  O  X  F-  Fischer,  Plldagogisohes  ans  .Dreizehnlinden' :  KathZEr- 
ziehUnterr.  40,  S.  251/6.  —  173)  R.  Hamerling,  D.  KOnig  v.  Sion.  Illustr.  Hamburg,  Verlagsanst.  A.-G.  1690.  Folio.  30  Lief. 
Je  M.  2,00.  ![F.  Bienemann:  BLU.  S  187.]|  —  174)  id.,  Amor  u.  Psyche.  Illustr.  t.  P.  Thumann.  8.  Aufl.  Leipzig,  Titze. 
hup.  4".  112  S.  mit  8  TaMn  M.  20.00.  —  175)  id.,  ,Pro-a".  Skizzon,  Gedfnkbl.  u.  Studien.  NF.  Bd.  1,  2.  Hamburg.  Ver- 
lagsanstalt A.-G.  III,  227;  III,  214  S.  M.  10,00.  |[B.  Mllnz:  BLU.  S.  70112;  V.:  DtschZg.  N.  7129.]i  —  176)  id.,  D.  Atomistik 
d.  Willens.  Beitrr.  z.  Kritik  d.  modernen  Erkenntnis.  Hör.  durch  A.  Harpf.  2  Bde.  Ebda.  XIX,  297,  269  S.  XNZg. 
6.  Febr.]|  —  177-78)  E.  M.  Schranka,  Schriften  über  Hamerling  t.  A.  Polzer  (1890  IV  3  :  124).  K.  E.  Kleinert  (ib.:  123), 
A.  Moser  (ib  :  127):  BLU.  S.  18(>/7.  —  179-80)  K.  Hamerling,  Lehrjahre  d.  Liebe.      Tagebnehbl.  u.  Briefe.     3.  Aufl.      Hamburg, 


IV  3:  181-192.  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  96 

Studenten,  der  eifrig  Philosophie  und  Philologie  treibt,  aber  auch  unter  anderm  schon 
1850  diirch  die  Lektüre  eines  alten  Trauerspiels,  „Johann  von  Leyden"  (Wien  1793) 
zum  ersten  Gedanken  an  seinen  viel  spätem  „König  von  Sion"  angeregt  wird,  der  als 
Dichter  im  Genuss  der  Natvir  schwelgt  und  in  Gott  nicht  den  Vater,  sondern  den 
Bräutigam  der  Welt  sieht:  „Das  Kind  dieser  höchsten  Ehe  aber  wird  die  Schönheit 
sein".  Doch  auch  an  kleinen  und  kleinlichen  Zügen  ist  kein  Mangel,  und  aus  Miss- 
trauen gegen  sich  und  andere,  aus  selbstsüchtiger  Bedachtsamkeit,  die  von  echter,  heisser 
Leidenschaft  nichts  weiss,  verscherzt  er  den  Besitz  eines  Mädchens,  das  ihn  warm  und 
voll  innigster  Hingebung  liebt:  die  Geschichte  dieses  Verhältnisses  zu  Pauline  (1853 
bis  1854)  liest  sich  wie  eine  trotz  ihrer  einförmigen  Breite  vortreffliche  Novelle,  die 
dem  Dichter  Hamerling  zu  neuem  Ruhme,  dem  Menschen  aber,  der  darin  sehr  klein 
erscheint,  zur  Anklage  gereicht.  Weniger  anschaulich  treten  die  späteren  Freundinnen 
des  Vf.,  Marie  Mösner  und  Antoinette  Julius,  hervor.  Da  wir  von  Hamerlings  Be- 
ziehungen zur  Frauenwelt  überhaupt  nicht  viel  wissen,  ist  die  Gabe,  die  uns  hier 
geboten  wird,  doppelt  schätzbar.  —  In  Roseggers  ^s^)  überaus  pietätvollen  und  von 
wärmster  Liebe  und  üb erschwän glicher  Bewunderung  eingegebenen ,  anschaulich 
geschriebenen,  obwohl  etwas  zerfahren  geordneten  „Erinnerungen  an  Hamerling"  tritt 
mehr  der  Mensch  als  der  Dichter  und  zwar  mehr  ein  hebenswürdiger  als  ein  grosser 
Mensch  hervor.  R.  erzählt  mit  treuem  Ernste  zu  viel  Nebensächliches;  er  stellt  zu  oft 
Sonderlichkeiten  des  Verstorbenen  dar,  als  ob  es  bedeutende  Charakterzüge  wären ; 
er  führt  selbst  unwichtige  Beden  gleich  hohen  Offenbarungen  wörtlich  an.  Aber  Eines 
erzielt  er  allerdings  auf  solche  Weise:  wir  gewinnen  einen  hellen  Einblick  in  das 
Gemütsleben  des  Dichters,  und  dabei  wird  er  uns  persönlich  lieb  und  um  seiner  vielen 
edlen  Eigenschaften  willen  verehrungs würdig,  während  zugleich  sein  körperliches  Leiden 
unser  herzliches  Mitgefühl  erregt.  — 

Von  früher  verstorbenen  Dichtern  der  neueren  Zeit  hat  Scheffel  am  meisten 
Beachtung  gefunden.  Den  Namen  Audifax  in  seinem  wiederholt  neu  aufgelegten 
„Ekkehard"  1^2-184^  erklärte  Sprenger  ^85^  mit  Hilfe  des  Schmellerschen  Wörterbuchs 
als  „Erzfaxenmacher",  Erzpossenreisser.  —  Ein  Aufsatz  Stöckles^se)  über  die  Mettnau 
bei  Radolfzell  handelt  auch  von  ihrem  Ankauf  durch  Scheffel  (1876),  seinem  Hausbau  und 
seinem  Prozess  mit  den  unnachbarlichen  Nachbarn,  meistens  auf  Grund  älterer  Er- 
innerungen an  den  Dichter  von  G.  Zernin  und  Frau  v.  Freydorf,  und  berüjirt  schliesslich 
die  Ansicht  Scheffels,  dass  der  Bischof  Wolfgang  von  ßegensburg,  d.em  er  die  Berg- 
psalmen in  den  Mund  legte,  aiif  der  Mettnau  geboren  sei.  —  In  Heidelberg  wurde  am 
11.  Juli  ein  Scheöeldenkmal  enthüllt,  wobei  Hausrat  h  i^'')  mit-  feurigen,  von  echtem 
Verständnis  zeugenden  Worten  Scheffel  als  deutschen  Dichter,  deutsch  im  Vers,  in 
seinen  Gestalten,  in  seinem  ganzen  Wesen,  als  Dichter  des  studentischen  Humors  im 
Gegensatz  zur  sogenannten  Gesinnungstüchtigkeit  des  älteren  Studententums  und  zum 
modernen  „Realismus",  dann  als  grossen  Lyriker  und  Epiker  überhaupt  pries.  ^^^^  — 

Dem  Frankfurter  Schriftsteller  Ferd.  Gl  eich  auf  (1837—1880),  der,  zuerst 
zum  Ingenieur  gebildet,  dann  in  seinen  litterarischen  Studien  von  Laz.  Geiger  geleitet, 
als  Hauslehrer  sich  in  Wien  und  Frankfurt  durchschlug,  Romane  und  Novellen,  Ge-^ 
dichte  und  Dramen  entwarf,  bis  er,  von  Krankheit  vielfach  heimgesucht,  durch  Selbst- 
mord seinem  Leiden  ein  Ende  machte,  widmete  ein  Frankfurter  Blatt,  das  die  Novelle 
,,Zwei  Künstlerseelen"  von  ihm  abdruckte,  eine  kurze  Biographie  ^^9).  —  In  hohem 
Alter  schied  Titus  Ullrich,  1813  geboren,  der  1845  und  1847  die  lyrisch-epischen 
Dichtungen  „Das  hohe  Lied"  und  ,, Victor"  noch  in  der  gährenden  Stimmung  des  vor- 
märzlichen Deutschland  veröffentlichte,  später  jedoch  als  Dramaturg  in  Berlin  unter  der 
Last  der  Berufsarbeiten  von  der  eignen  Htterarischen  Thätigkeit  mehr. und  mehr  abge- 
halten und  so  von  den  Jüngeren  allmählich  ganz  vergessen  wurde ^^o).  —  2u  Eisenach 
starb  Aug.  Becker  (1829 — 91),  der  in  lebenswalu-en  und  tragisch  ergreifenden  Er- 
zählungen seine  pfälzische  Heimat  darstellte,  lange  Zeit  ein  Mitglied  des  Münchner 
Dichterkreises,  bis  sein  Roman  „Verfehmt"  ihn  daraus  vei'trieb.  In  warmen  Worten 
schilderte  Herzfelder  ^^i)  ^q  Hauptmomente  seines  Lebens  und  Wirkens.  — 


Verlagsanst.  A.-G.  1890.  IV,  288  S.  M.  5,00.  |[E.  M.  Schranka:  BLU.  S.  186.]|  -  181)  P.  K.  Rosoggor,  Torsönl.  Er- 
innerungen an'R.  Haniorling.  Wien,  Hartleben.  VI,  198  S.  M.  2,50.  [Boliemia  N.  168;  F.  Lonim  ermayor:  NZg.  6.  Juni ; 
id.  :  BLU.  S.  370/1;  V.:  DtschZg.  N.  7073.]|  -  182)  J.  V.  v.  Hclioftel,  Ekkoliard.  2  13do.  5.  Aufl.  .Stuttgart,  Bonz  &  Co. 
XVIII,  294;  V,  314  S.  M.  10,00.  -  183)  X  ScUeftels  Ekkohard  in  12  Originalillustr.  v.  IT.  Jenny.  Nene  Ausg.  3.  Aufl. 
Hamburg,  Kudolphi.  4».  M.  6,00.  -  184)  O  X  E  rnst  Ackermann ,  ü.  Heimat  Scheffelscher  Gestalten.  Zeichnungen  v. 
E.  WUrtonberger.  Constanz,  Meck.  12  Bl.  M.  2,00.  —  185)  E.Sprenger,  Zu  SehefFels  Ekkehard:  ZDU.  6,  S.  642.  - 
86)  J.  Stöckle,  D.  Mettnau  bei  KadolfzeU:  SchriftenVGBodensee  20,  S.  75—103.  (S.  84-91  Über  Schofiel.)  —  187)  A.  Haus- 
rath.  Rede  bei  d.  Enthüllung  d.  Denkmals  Scheffels  in  Heidelberg  geh.:  PKZ.  38,  S.  G94/8.  (Abgedr.  auch  NHJbb.  1, 
8.  352-350.)  -  188)  X  W.  G.,  Schoffol-Reliriuien:  NFPr.  N.  9756.  (Bospr.  v.  „Aus  Ileimath  u.  Fremde",  Stuttgart  1892.)  — 
l89)Dr.  N.,  Ferd.  Üleichauf.  E.  Nachruf  u.  Vorwort:  Didaskalia  N.  150.  —  I90)P.  S  [chlen  thor],  Dr.  Titus  Ullrich  f:  Mh.  (iO, 
S.   830/1.    -    191)   J,   Herzfelder,   Aug.   Becker  f:   MUnchNN.    N.    138.  —   192)  F.  Muncker,    Wilh.  Raabs:    ÜL&M.    65, 


97  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  3:  i»3-2i6. 

Von  den  noch  lebenden  Romanautoren  ist  besonders  Raabe  bei  Gelegenheit 
seines  00,  Geburtstages  viel  gefeiert  worden.  Schon  früher  hatte  Muncker  1*2)  (Jas 
Verhältnis  dieses  Dichters  zu  seinen  Vorgängern  im  humoristischen  Roman,  besonders 
zu  Jean  Paul,  den  er  jedoch  an  kCinstlerischem  Stil  übertreffe,  kurz  untersucht.  —  Mehr 
auf  eine  ästhotisoho  Betrachtinig  der  Werke  Raabes,  des  gemütstiefen  Darstellers  des 
deutschen  Gemütslehens,  dos  geistreichen  Humoristen  von  specifisch  norddeutschem 
Charakter,  des  Meisters  im  Stinnnungszauber,  gingen  die  Festartikel  aus'*^-***).  Sie 
betonten  den  wahrheitsliebenden  Ernst  des  Dichters,  dessen  Ziel  die  Schönheit,  aber 
mehr  die  sittliche  als  die  künstlerische  Schönheit  sei,  die  tragische  Grundstimmung 
seiner  Erzählungen,  die  sich  aus  dorn  Zwiespalt  zwischen  Ideal  und  Leben,  zwischen 
der  Vergänglichkeit  des  äussern  Glückes  und  dem  ewig  bleibenden  Dasein  des  Guten 
und  Edlen  auf  Erden  ergebe,  die  organische  Entwicklung  aller  seiner  Geschichten  aus 
Einem  Keime:  sie  sind  alle  nach  Raabes  eigenem  Wort  „gewachsen".  —  Besondere  Her- 
vorhebung verdienen  die  Aufsätze  von  KoppeP'''^),  Neumann-Hofer'"),  Karl 
Alberti'"^),  der  besonders  Raabes  Werke  seit  1881  im  Anschluss  an  einen  früheren 
Aufsatz  von  H.  v.  Wolzogen  bespricht,  und  von  Sträter'öO),  der  als  das  Thema  aller 
Erzählungen  des  Gefeierten  den  Sieg  über  den  in  die  Gemütswelt  seiner  Helden  ein- 
brechenden luid  iliren  Seelenfrieden  gefährdenden  Schrecken  bezeichnet.  —  Auch  die 
neuen  Auflagen  von  Raabes  früheren  Werken  und  namentlich  sein  jüngster  Roman 
„Stopfkuchen"  veranlassten  beachtenswerte  Charakteristiken  des  Dichters  von  Sträfer^oo) 
und  von  einem  Ungenannten 2oi).  — 

Seinen  70.  Geburtstag  feierte  Schweichel,  der  Vorstand  des  Allgemeinen 
deutschen  Schriffstellerverbandes.  Festartikel  von  E.  Rosenfeld  ■^<'-)  und  Kohut^os) 
rühmten  hauptsächlich  seine  Verdienste  um  die  Förderung  des  Schriftstellerstandes; 
unter  seinen  dichterischen  Leistungen  wurden  vor  allem  seine  echt  volkstümlichen 
Dorfgeschichten  hervorgehoben,  deren  Vorbilder  weniger  bei  Auerbach  als  bei  Bitzius 
und  Balzac  zu  suchen  seien.  — 

Als  ausgezeichneten  Feuilletonisten  ,  in  dessen  sämtlichen  Werken  ein 
feuilletonistisches  Element  durchbreche,  begrüsste  Paetow^o*)  den  Herausgeber  der 
„Deutschen  Ruiidscliau",  Rodenberg,  zu  seinem  GO.  Gebiiristage  und  erklärte  diese 
Eigenart  seines  schriftstellerischen  Charakters  an  den  Reiseskizzen,  durch  die  der 
wanderlustige  Dichter  sich  zuerst  seine  Stellung  in  unserer  Litteratur  erobert  habe.  — 
Auch  Ziemssen-Oö)  legte  auf  diesen  „heiligen  Geist  der  Wanderlust"  bei  Rodenberg 
und  auf  seine  liebevolle  Hingabe  an  die  Natur,  an  Geschichte,  Volkssage  und  Volks- 
dichtung allen  Nachdruck 206).  —  Einen  sehr  hübschen  Beitrag  zur  Geschichte  seiner 
Jugend  spendete  Rodenberg  207)  gelbst,  indem  er  von  der  Entstehung,  Veröffentlichung 
und  Axifnahme  seines  ersten  Werkes  („Für  Schleswig-Holstein.  Geharnischte  Sonette". 
1850)  offenherzig  erzählte.  — 

Angeregt  durch  die  von  einer  Zeitschrift  gestellte  Frage  nach  der  Geschichte 
des  Erstlingswerkes  sprach  sich  in  ähnlicher  Weise  Graf  8chack  ■^<'^)  über  Jugend- 
eindrücke und  poetische  Jugendversuche  sowie  über  seine  Dichtung  „Lothar"  aus  (zum 
grossen  Teil  1838 — 1840  in  Aegypten,  Syi-ien  iu\d  Spanien  geschrieben);  Roquette^o») 
berichtete,  wne  „Waldmeisters  Brautfahrt",  Marie  von  Olfers'-'O),  wie  „Frau  Evchen" 
und  „Simplicitas"  vollendet  wiii-den;  Georg  Ebers  2ii)  gab  eine  kurzgefasste,  aber 
inhaltsreiche  Entstehungsgeschichte  seiner  „Aegyptischen  Königstochter",  und  Dahn^i^) 
wies  auf  sein  kleines,  unter  verschiedenen  Einflüssen  älterer  Dichter  entstandenes  Epos 
„Hai-ald  und  Theano"  zurück.  213)  —  Umständlich  plauderte  W.  Jensen  2H)  über  seine 
ersten,  niir  langsam  aus  der  Nachahmung  fremder  Muster  zur  Selbständigkeit  sich  ent- 
wickelnden Versuche,  während  E.  Eckstein  215)  ßber  sein  humoristisches  Epos  „Schach 
der  Königin"  einen  Essay  lieferte,  der  fast  den  strengsten  Ansprüchen  modemer  litterar- 


S.  147-50.  -  193)  O  X  Wilh.  Raab«:  VZg.  N.  417.  -  194)  X  0.  Elster,  D.  Kleiderseller.  E.  liU.  EnlhOllung  zu  d.  60.  Ge- 
burtstage Wilb.  Raiibos  (8.  Sept.):  DidasValia  N.  209-10.  (WeitschwoiHge  Schilderung  e.  feucbtfr3hlicbi'n,  d.  Humor  u. 
unbedingter  Walirheitsliobe  huldigenden  Gesellschnft  in  Braunschweig,  deren  Mit),'lied  Raab«  ist.)  —  ISS)  X  Wilb.  Baabe: 
FZg.  N.  252.  —  196)  E.  Koppel.  Wilb.  Raab«:  N&S.  66.  S.  20-30.  (Z.  T.  ahgedr.  KielZg.  N.  14479.)  -  197)  0.  N-H. 
(=  Neuraann-Hofer),  Deutschlands  HungerpasU.r.  Z.  60.  Geb.:  BerlTHI.  N.  453.  -  198)  Karl  Alberti,  V.  Krihenfelde  bis 
z.  OdfoWe.  Z.  60.  Geb.:  BayreuthUU.  14,  S.  296—302.  —  199)  E.  Sträter,  Wilb.  Raabe.  Z.  60.  Geb.:  SchlesZg.  N.  624.  — 
200)  id.,  Wilh.  Raabes  neubs  Huch  (Stopfkuchen):  Gegenw.  39,  S.  3613.  -  201)  M.  N.  (=  Moriti  Necker?),  Neues  r.  Wilb 
Raahe:  Grcnzb.  II,  S.  144-51.  (t'eber  ,Afu  Telfan",  „Christoph  Pechlin*  u.  ,SU>pfkuchpn" )  —  202)  Ernst  Rosenfeld, 
R.  Schweichel.  Z.  70.  Geb.:  KielZg.  N.  14.380.  (Auch  Didaskalia  N  160.)  -  203)  A.  Kohut,  R.  Schweichel.  Z.  70.  Geb.: 
VolksZg.  N.  159.  -  204)  W.  Paetow,  .1.  Rodenborp.  Z.  60  Geb.:  BerlTBl.  N.  31.5.  —  205)  I..  Ziemssen,  J.  Rodenberg: 
N*S.  58,  S.  23—34.  —  206)  X  J-  Kodenberg  Z.  60.  Geb.:  FZg.  N  177.  —  207)  J.  Rodenberg,  Hein  erster  Waffengang. 
(=  D.  Gesch.  d.  Erstlingswerks.  Inter  d.  gleichen  Titel  auch  N.  208-12,  214  5.):  nUicht.  ng  10,  S.  196-200.  —  208)A.  F.  Graf 
V.  Schack,  Mein  Erstlingswerk:  „Lothar":  ib.  S.  171/5.  (Vgl.  N.  207)  —  209)  0.  Koquette,  Mein  Erstling:  .Waldmeisters 
Braulfahrt- :  ib.  S.  44.  (Vgl.  N.  207.)  -  210)  Marie  t,  Ol  fers.  Meine  Erstling«:  ib.  S.  11».  (Vgl.  N  207.)  -  21t)  O.  Ebers, 
Mein  Erstling:  .E.  ägyptische  Königstochter":  ib.  S  15/7.  (.Vgl.  N  207.)  -  212)  F.  Dahn.  Mein  Erstling:  .Harald  u.  Theano": 
Düiclitiing.  (Vgl.  N.  207.)  —  213)  X  F-  D»l">  n  «^  Po»«i« :  Grenil.  It.  ?>.  l.M  2.  —  214)  W.  Jensen,  Was  war  mein 
Erstling?:  DDichtung  9,  .<.  228—31.  (Vgl.  N.  207.)  -  215)  E.  Eck  st.  in.  M.iii  Irstlii.g:  .Schach  d  Königin" :  ib.  S.  27»— 88. 
Jaltreslerichto  für  neuere  deutsche  Litteratargeschichte  II  r-'i.  7 


IV  3:  216-227.  F.  Muncker,  Epos  des  18./19,  Jahrhunderts.  98 

historischer  Forschung  genügt.  —  Weniger  zufrieden  kann  die  Litteraturgeschichte 
mit  dem  Aufsatze  G.  von  Amyntors^is^  über  Eckstein  sein:  ganz  ästhetisch  gehalten, 
preist  er  ziemlich  allgemein  den  Humoristen,  den  phantasie vollen  Dichter,  den  Roman- 
autor, den  Darsteller  weiblicher  Charaktere  und  den  Stilisten  in  Eckstein.  — 

In  den  Kreis  Münchener  Dichter  führt  ein  Aufsatz  über  Jensen^n)^  dessen 
Grundgesinnung  der  Vf.  am  klarsten  aus  seinen  lyrischen  Gedichten  zu  erkennen  glaubt: 
stets  voll  tiefen  Ernstes  mit  den  religiösen  Fragen  beschäftigt,  der  Prediger  einer  ,, weh- 
mütigen Schönheitsreligion",  voll  echten  Natursinns,  kraftvoll  und  zugleich  rein  in  der 
Darstellung  des  Sinnlichen,  kämpfe  Jensen  für  Schönheit,  Wahrheit  und  Menschenliebe. 
Für  die  ,, Moderne"  habe  er  unfreiwillig  hie  und  da  Bresche  gelegt,  vei-halte  sich  aber  im 
Ganzen  zu  ihr  wie  der  Liberalismus  der  Bourgeoisie  zur  Socialdemokratie.  —  Von  den  übri- 
gen Münchener  Dichtern  sindHeyse,  den  bei  seinem  60.  Geburtstag  unter  andern  Muncker^is) 
vornehmlich  als  Meister  der  sogenannten  Problemdichtung  und  als  formalen,  besonders 
an  Goethes  Muster  gebildeten  Künstler  charakterisiert  hatte,  und  Lingg.  in  dessen  Poesie 
gleichfalls  Muncker  2i9)  namentlich  den  Zug  zu  weltgeschichtlicher  Betrachtung  und 
die  Tiefe  des  Gedankengehalts  hervorgehoben  hatte,  im  Jahre  1891  nicht  in  den  Kreis 
ästhetisch-litterarischer  Betrachtung  gezogen  worden.  —  Einem  ehemaligen  Angehörigen 
dieses  Kreises,  H.  Hopfen,  sucht  ein  Ungenannter 220)  bei  Besprechung  seiner  neuesten 
Erzählungen  und  des  Dramas  „Hexenfang"  gerecht  zu  werden.  Er  rühmt  Hopfens 
Kunst,  äussere  Stimmungsbilder  zu  zeichnen,  seine  Gabe,  sich  schnell  in  allen  Gegenden 
und  Lebenskreisen  heimisch  zu  machen,  tadelt  aber  etwas  übertreibend,  dass  zu  den 
wenigen  dichterisch  geschauten  Situationen  die  nüchterne  Reflexion  zu  viel  hinzugrübeln 
müsse.  So  ergebe  sich  manches  Unwahrscheinliche,  Konventionelle,  Gewaltsame,  Ab-, 
sonderliche;  es  fehle  mitunter  an  Geschmack,  an  Humor,  an  einer  wirklichen  Welt- 
anschauung. — 

Einen  andern  in  München  geborenen  Schriftsteller,  J.  B.  Muschi,  behandelt 
Eligius  Rihter22i)  in  einem  besonderen  Bändchen,  das  als  Probeband  einer  neuen 
Sammlung  von  Einzeldarstellungen  zeitgenössischer  deutscher  Schriftsteller  ausgegeben 
wird.  Eine  stümperhafte  Arbeit  voll  leerer  oder  irre  führender  Phrasen  und  thörichter 
Bemerkungen  über  deutsche  Verhältnisse,  ohne  wissenschaftliche  Methode,  ohne  ge- 
schichtliches Studium  und  wahre  Kritik.  Allein  schon  aus  der  beigegebeneri  Blumen- 
lese aus  Muschis  Werken  liesse  sich  leicht  ein  viel  besseres  Bild  des  wirklich  nicht 
verdienstlosen  Menschen  und  Schriftstellers  gewinnen.  Dafür  macht  der  amerikanische 
Vf.  viel  Wesens  von  der  Mühe  seiner  Arbeit,  die  er  durch  ein  ganz  verkehrtes  Prinzip 
ohne  Not  vielfach  lückenhaft  lässt:  er  hält  es  nämlich  für  bedenklich,  von  den  ge- 
schilderten Autoren  sich  selbst  Nachrichten  über  ihr  Leben  zu  erbitten,  und  fragt  des- 
halb lieber  ihre  Verwandten,  Freunde  und  Gegner,  weil  dies  zuverlässiger  sei.  Gerade 
Muschi  wird  aus  der  Fülle  deutscher  Dichter  herausgegriffen  als  Führer  der  anhaltischen 
Schriftsteller  —  bilden  diese  vielleicht  eine  besonders  eigenartige  Gruppe  auf  dem 
deutschen  Parnass?  — ,  ferner  als  ein  Autor,  der  sich  auf  allen  Gebieten  der  Litteratur 
und  nirgends  nur  dilettantenhaft  versuchte  (wie  noch  mancher  andere  auch!),  als  ein 
Mann,  der  in  der  zukünftigen  Litteraturgeschichte  eine  wichtige  Stelle  zwischen  dem 
älteren  Idealismus  und  dem  modernen  Realismus  einnehmen  dürfte  oder  wenigstens 
sollte  —  in  der  That?  — ,  endlich  als  ein  Schriftsteller,  der  ein  von  Fremdwörtern  reines 
und  schönes  Deutsch  schreibt  —  was  man  allerdings  Herrn  R.  nicht  nachrühmen  kann.  — 

J.  J.  David  222)  charakterisiert  Emilie  Mataja  (Emil  Mariot)  als  Vertreterin  des 
Wiener  Realismus  in  der  Erzählung,  der  bis  auf  Grillparzers  „Annen  Spielmann"  zurück- 
geführt wird,  und  hebt  die  sociale  Bedeutung  ihrer  bürgerliclien  wie  ilirer  geistlichen 
Geschichten,  die  Kraft  ihrer  Charakteristik  und  die  ,, innere  Form"  hervor,  die  bei  ihr 
für  den  äusserlichen  Mangel  an  Stil  entscliädige.  —  David  selbst  und  andere  aus  Oester- 
reich  stammende  oder  hauptsächlich  in  Wien  wirkende  Schriftsteller,  S.  Fritz  223j^  Ferd. 
V.  Saar,  Th.  Zolling224)  xand  Ernst  Ziegler,  wurden  nach  ihren  wichtigsten  oder  neuesten 
Leistungen  verschiedentlich  besprochen,  die  „Ehegeschichten"  des  letzteren  von 
M.  Schnitzer  225)  schonimgslos  verurteilt.  — 

Von  äen  älteren  BerHner  Dichtern  Hess  Fontane  den  Schluss  der  Gesamtaus- 
gabe seiner  Romane  und  Novellen 226)  und  einige  neue  Erzählungen  227)  ersclieinen  und 
zwang    dadurch    selbst    solchen,    die    sonst    unserem  Geistesleben    ferner  stehen,    hohe 


(Vgl.  N.  207.)  —  216)  G.  V.  Amyntor,  E.  Eckstein:  ib.  S.  282/4.  —  217)  Wilh.  Jensen:  Gronzb.  III,  S.  295—306  u.  405-16.  - 
218)  F.  Muncker,  Z.  60.  Geb.  Paul  Heyses:  AZg.  1890,  N.  74.  —  219)  id.,  Z.  70.  Geb.  H.  Linggs:  AZg».  1890.  N.  17.  -  220)  Altes 
u.  Neues  v.  Hans  Hopfen:  Grenzb.  II,  S.  373—381.  —  221)  Eligius  Hihter,  Jean  Bernard  Muschi.  Darstell,  s.  Lebens  u. 
Wirkens,  verb.  mit  e.  Sammlung  v.  Gedanken  aus  s.  Schriften.  (=  Zeitgenöss.  dtsch.  Schriftsteller  Einzeldarstell.  her.  v 
E.  llihter.  Bd.  18.)  Philadelphia,  Verlag  d.  Herausgebers.  70  S.  (Koin.-Yorl.  fUr  Deutschland  Langguth  in  Esslingen.)  — 
222)  J.  J.  D»vid,  E.  Mariot:  Nation".  8,  S.  438—40.  —  223)  O  Zwei  Wiener  Erzilhler  (J.  J.  David  —  S  Fritz):  FreradenBl. 
N.  193.  —  224)  O  V.  unseren  Erzählern  (Th.  Zolling  —  F.  v.  Saar  —  J.  J.  David):  ib.  N.  347.  —  225)  V.  Schnitzer. 
E.  Wiener  Zola  für  Frauen:  Gegenw.  40,  S.  260/:l.  —  226)  Th.  Fontnn.M  gcs.  lioiiiniin  u.  Novellen  (33.- 4s.  Lief).  Bd.  9-12. 
Borliii,  FonUne.     319,   319,   324,   330  S.     Je  ler  Bd.  M.  2,U0.   —  227)  X  «•  S  [iiiiioscli  J ,  Tli.  Fontanus  n.ucto  Romane:  NZg. 


99  -F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  3:  228-286. 

Anerkennung  ab.  T.  de  Wyzewa^ä»)  rühmte  ihn  als  vollendeten  T3rpu8  der  preussischen 
Rasse,  als  Naturalisten,  der  doch  nie  durch  einen  als  Tendenz  sich  aufdrängenden  Bruch 
mit  dem  Konventionellen  verletze  und  nirgends  auf  eine  geheimnisvolle  Poesie  auch  bei 
der  Darstellung  des  scheinbar  Banalsten  verzichte,  und  übersetzte  ein  Stück  aus 
„Kriegsgefangen".  —  F.  Mauthner^ä»)  aber  erhob  die  ewig  frische,  stilvolle,  eigen- 
artige Kunst  Fontanes,  indem  er  sie  der  nur  äusserlich  wirkenden,  oft  affektierten  und 
stilwidrigen  Darstellung  des  geistig  von  Fontane  und  Vischer  abhängigen  Ernst  v.  Wol- 
zogen  gegenübersotzte.  — 

Von  K.  Frenzeis  gesammelten  Werken 280)  traten  die  ersten  fünf  Bände  ans 
Licht,  überall  freudig  begrüsst;  sie  enthalten  eine  streng  geprüfte  Auswahl  seiner  ge- 
schichtlichen und  kritischen  Aufsätze  zur  Litteratur,  Religion  und  Politik,  sowie  mehrere 
seiner  bedeutendsten  Romane.  —  Zu  den  Erinnerungen  aus  seinem  Leben,  die  besonders 
der  erste  Band  bringt,  fügte  K.  Frenzel^ai)  selbst  ergänzend  noch  eine  in  dem  schönen 
Essay  über  die  Eindrücke,  die  er  1854 — 1863  in  Dresden  empfing.  Namentlich  die  Ge- 
mäldegallerie  und  das  Theater  wirkten  mächtig  auf  den  jungen  Schriftsteller  ein,  der  in 
Gutzkow  einen  freundschaftlichen  Förderer  fand;  so  treten  auch  neben  diesem  Dichter 
die  Gestalten  der  Rachel,  E.  Devrients  und  B.  Dawisons  am  stärksten  in  diesen  Er- 
innerungen hervor.  —  Den  späteren  Romandichter  Frenzel  betrachtet  Spielhagen  282)^ 
von  einigen  seiner  reifsten  Werke  ausgehend,  in  einem  an  den  allerfeinsten  Bemerkungen 
zur  Kunst  und  Technik  des  Romans  überreichen  Aufsatze.  Er  betont  dabei  vornehmlich 
den  Gewinn,  den  die  genaue  Bestimmung  des  Lokals  der  Handlung  dem  neueren 
deutschen  Roman  gebracht  hat:  nun  erst  kann  er  wirklich  ein  Spiegelbild  des  aktuellen 
Lebens  innerhalb  eines  festen  Rahmens  werden.  Im  Ganzen  ergreift  S.  Frenzeis  Werke 
nur  als  den  äusseren  Anlass,  um  von  ihren  Einzelheiten  wie  von  ihrem  gesamten  Bau 
und  Ideengehalt  zu  allgemein  gültigen  Aussprüchen  über  die  deutsche  Erzählungskunst 
zu  gelangen.  —  Bei  Frenzel  selbst  bleibt  mehr  die  etwas  hymnusartige,  aber  liebevoll 
in  das  Wesen  des  Dichters  eindringende  Darstellung  E.  Wechslers  2'J3)^  die  kurz  und 
gut  den  positiven  Wert  der  Kritiken  Frenzeis  bespricht,  hauptsächlich  aber  dem  nicht 
blendenden,  vielmelii-  philosophisch  tiefen  und  künstlerisch  reifen,  eigenartigen  und 
kraftvollen  Romanautor  sich  zuwendet.  W.  nimmt  in  seinen  Werken,  unter  denen  er 
„Vanitas"  und  namentlich  die  massvoll  der  jüngsten  deutschen  Schule  sich  nähernden 
Romane  „Geld",  „Dunst"  und  ,, Wahrheit"  am  höchsten  stellt,  eine  ganz  eigentümliche 
Mischung  von  Nihilismus,  Antike,  Voltairescher  Laune,  Berlinertum,  Idealismus  und 
Rokoko  wahr;  sie  predigen  ebensowohl  die  Eitelkeit  alles  Irdischen,  die  Vergänglich- 
keit des  Erdenglücks  wie  die  Bedeutung  irdischer  Schätze,  den  Wert  des  Geldes,  den 
Drang  nach  Genuss.  — 

Wechsler  234)  gjebt  auch  bei  einer  Besprechung  von  A.  Glasers  gesammelten 
Schriften  von  diesem  Berliner  Autor  eine  kurze,  gute  Charakteristik.  Ihm  ist 
Glaser  „eine  Doppelnatur,  halb  Historiker,  halb  Tagesclu-onist,  ein  Grübler,  an  dem 
die  Jahrhunderte  feierlich  vorübergleiten,  und  ein  aufbrausender  Kämpfer  um  die  Position 
des  Momentes,  für  die  Forderungen  der  Gegenwart",  massvoll  in  seinem  Realismus  und 
von  warmem  Gemüt  trotz  vereinzelter  pessimistischer  Regungen.  —  Eine  nicht  eben 
tiefe,  aber  im  Ganzen  gerechte,  nur  hie  und  da  von  dünkelhafter  Keckheit  zeugende 
Studie  von  0.  Linke  235)  behandelt  nach  einander  Glasers  Lyrik,  seine  Tragödien,  deren 
meiste  Motive  der  Dichter  später  noch  einmal  novellistisch  verwertete,  seine  Erzälilungen, 
als  deren  Ginindstimmung  L.  einen  kampffreudigen  Optimismus  erkennt,  der  das  Heil 
im  Siege  der  Aristokratie  des  Geistes  erblickt,  und  endlich  seine  Bearbeitungen  nach 
dem  Holländischen,  die  gemäss  Glasers  geistiger  Verwandtschaft  mit  dem  holländischen 
Wesen  ihm  vor  allem  gelingen  mussten.  — 

Einige  Parteihäupter  der  „Moderne"  fanden  reklamehafl  übertreibende  Würdi- 
gung durch  Parteigenossen,  die  sich  den  Anschein  gaben,  als  sei  unsere  gesamte  Litte- 
ratur vor  1880  eitel  Schund  und  die  selige  Marlitt  die  einzige  von  Publikum 
und  Kritik  anerkannte  Scliriftstellerin  gewesen.  An  ihren  Leistungen  mass  z.  B. 
Merian23C)  die  dichterische  Kraft  H.  Heibergs,  ohne  zu  merken,  wie  sehr  er  seinen 
Autor  durch  einen  solchen  Vergleich  erniedrigte,  und  brachte  dann  freilich  selbst  aus 
den  massig  guten,  wie  viel  mehr  aus  den  besten  Arbeiten  Heibergs,  deren  Motive  er 
lieber  auf  Goethes  „Wahlverwandtschaften"  und  ihre  sonstigen  Quellen  hätte  zurück- 
verfolgen  sollen,  riesige  Meisterwerke  heraus,  die  er  als  göttlich,  unerschöpflich,  urdeutsch. 


N.  533.  („Unwiederbringlich"  u.  ,Quitf.)  —  228)  T.  de  Wyzew«,  Fontane:  RPL.S.  751/6.  (Z.  T.  abgedr.  ML.  60,  S.  814.)  — 
229)  F.  Mauthnor,  E.  Meister  u.  sein  Schüler  (Fontene  u.  Wolxogen):  ML.  60,  S.  779—81.  -  230)  K.  Frenzel,  Ges.  Werke. 
Bd.  1-5.  Leipzig,  Friedrich.  1860  1.  V,  480;  IX,  515;  VII,  567;  604;  597  S.  Bd.  1  n.  2  je  M.  4,50;  Bd  3-5  je  M.  6,50.  |[TZg. 
N.  nr);  WIDM.  70,  S.  718/9.]t  —  231)  id.,  Dresdouer  Eindrücke.  E.  Kapitel  aas  meinen  Lehijahren:  WIDM.  69,  S.  130-43.  — 
232)  F.  Spielhagen,  Karl  Frenzel:  Aus  mein.  Studieumappe.  [I  3:76.]  .S.  307—61.  —  233)  E.  Wechsler,  K.  Frenzel. 
Mit  Portr.  (=  D.  moderne  Litt,  in  biograph.  Einzeldarstellnngen  Heft  1.  Unter  gleich.  Titel  N.  235/8.)  Leipzig,  Friedrieh. 
55  S."  M.  0,50.  -  234)  id.,  A  Glasers  ges.  Schriften:  NZg.  N.  495.  —  235)  0.  Linke,  A.  Glaser.  Mit  Porti.  (Vgl. 
N.  233,  Hofl  ^)     Leipzifc'.  Friedriili      58  S.   M.  0,76.  —  iÄb,  11.  Merian,  H.  Heiberg.  Mit  Poitr   (—  Vgl.  N.  238,  Heft  2.)  ebd*. 


IV  3: 237-23».  F.  Muncker,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  LOO 

Shakespearisch  u.  dgl.  pries.  Besser  sind  die  ersten  Partien  seines  Büchleins  geraten, 
in  denen  er  das  Leben  und  Schriftstellern  Heibergs  nach  annehmbarer  Methode  an- 
schaulich entwickelt;  aber  auch  da  bot  er  öfters  nur  Rhetorik  statt  objektiv-geschicht- 
licher Charakteristik.  —  Am  weitesten  in  hohler  Khetorik  und,  noch  dazu  schlecht 
stilisierter,  Phrase  ging  0.  J.  Bierbaum  237)  J^  seinem  Büchlein  über  Detlev  v.  Lilien- 
cron,  das  in  künstlich  gemachter  „Naturburschenhaftigkeit"  bald  stammelnd,  bald  briülend 
sich  an  ganz  unreife  —  oder  langlaublich  dumme  Leser  wendet,  die  es  über  das  ABC  der 
gewöhnlichsten  Kunstlehre,  aber  leider  nicht  über  die  schwierigeren,  höheren  Sätze  der 
Aesthetik  belehrt.  Von  den  litterargeschichtlichen  Kenntnissen  des  Vf.  giebt  seine 
Darstellung  unserer  „unlitterarischen  Epoche  neutrius  generis"  (S.  13)  einen  Begriff,  die 
nach  ihm  mit  dem  Ausgang  Goethes,  der  Romantiker  und  Heines  beginnt.  In  ihr  weiss 
B.  neben  der  grossen  Annette  v.  Droste-Hülshoflf,  die  jedoch  angeblich  niemand  bei  uns 
auch  nur  dem  Namen  nach  kennt,  nur  Gottf  Keller,  K.  F.  Meyer,  Th.  Fontane  und 
Th.  Storm  als  „relativ  grosse  Dichter  einer  geistig  kleinen  Zeit"  zu  nennen;  aber  auch 
ihnen  fehlt  der  grosse  Zug,  sie  haben  alle  etwas  Bürgerlich-Behäbiges,  ein  kleines  zier- 
liches Zöpfchen.  Das  wahrhaft  Grosse  und  Neue  kam  erst  mit  M.  G.  Conrad  und 
denen,  die  sich  zu  ihm  gesellten.  Ueber  die  einzelnen  Novellen  und  Romane  Liliv^ncrons 
sagt  B.  manches  Richtige;  das  eigentliche  Urteil  über  sie  muss  sich  der  Leser  aber  aus 
ihnen  selbst  oder  allenfalls  aus  den  zahlreichen  Bruchstücken  bilden,  die  B.  citiert.  Zu 
einer  wirklichen  Würdigung  seines  Dichters  trägt  der  Vf.  viel  zu  wenig  bei;  je  näher 
er  dem  Schlüsse  kommt,  desto  kürzer  und  dürftiger  wird  er.  —  Auf  viel  gründlicheren 
Studien  beruht  die  Schrift  von  G.  Ludwigs  238)  über  W.  Walloth,  ist  aber  in  einem 
unsäglich  geschraubten  und  vor  lauter  affektierten  Abstraktionen  fast  unverständlich 
gewordenen  Deutsch  abgefasst,  das  zu  weiterer  Verhüllung  der  Deutlichkeit  wahrhaftig 
nicht  noch  Neubildungen  wie  „der  Untersuch",  „der  Bemerk",  „die  Geistreiche",  „ihr 
ursacht  das  Streben",  statt:  Untersuchung,  Bemerkung,  Geistreichtum,  ihre  Ursache  ist 
das  Streben,  nötig  gehabt  hätte.  Davon  abgesehen,  liefert  L.  in  der  That  brauchbare 
Ergebnisse.  Nach  einer  kurzen  Biographie  und  Besprechung  der  Lyrik  Walloths  zer- 
gliedert er  seine  Epik:  ihr  Problem  ist  der  weibische  Mann,  in  seinem  Kernpunkt  ge- 
fasst  ixnd  auf  die  scln"ufPste  Formel  gebracht;  ihm  gegenüber  steht  die  weibliche  Heldin. 
Das  ist  aber  eigentlich  das  „Selbstproblem  eines  Lyrikers";  auch  liegt  Walloths  Be- 
gabung „gerade  im  specifisch  Epischlyrischen",  im  „satten  Lyrismus  der  Epik".  Sein 
„schneidigstes  Charakteristikum  ist  die  Seelentechnik  in  allen  Modifikationen";  an  Stelle 
der  Charakterzeichnung  tritt  die  „Charaktermischung";  das  sociale  Milieu  wird  zum 
„Stimmungsmilieu"  geläutert.  Allerlei  Bemerkungen  über  die  „Vermaterialisierung  des 
Seelenlebens",  über  die  Mittel  des  Dichters  zur  „Plastifizierung  seiner  Epik",  im  einzelnen 
Fall  über  Walloths  maleiische  Kunst,  über  sein  „Bedürfnis  nach  Farbenglast  und  Glanz- 
frische" und  Aehnliches  sollen  hauptsächlich  nur  „vorbearbeiteten  Stoff  zur  Experimental- 
ästhetik  geben"  und  auf  den  positiven  Gewinn  der  ganzen  Studie  hinleiten,  auf  „die 
gefundene  Uebereinstimmung  der  psychophysischen  Prinzipien  der  lyrischen  Sprache,  der 
Plastik  und  der  Empfindlichkeit".  23»)  _ 


IV,  4 

Drama. 

Alexander  von  Weilen. 

Aeltere  Zeit  N.  1.  —  Sturm  und  Drang  N.  8.  —  Dialektdiohtung  N.  23.  —  Zeit  der  klassischen  Litteratur  N.  25. 
—  Körner  N.  38.  —  H.  v.  Kleist  N.  108.  -  Holtoi,  Gutzkow,  Dingelstodt,  Gisoke  N.  119.  —  Otto  Ludwig  N.  128.  —  Las.salle, 
Horrig  u.  a.  N.  133.  —  Oesterreichisclio  Dramatiker:  ScLröekingor  u.  a.  N.  151;  Halm  N.  155;  Hebbel  N,  150;  Nestroy  und 
Raimund  N.  164;  Bauernfeld  N.  169;  Anzongruber  N.  171.  -  Volkäseliauspiel  N.  183.  —  Oper  N.  190.  — 

Das  Berichtsjahr  hat  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  des  Dramas  einige  höchst 
wertvolle  grossere  biographische  Studien  aus  dem  19.  Jh.  gebracht,  während  die  zweite 
Hälfte  des  18.  Jh.  nur  sj)ärlich  bedacht  wurde.     Für  die    ältere    Zeit    drehte  sich  die 


80  S.  M.  0,7.V  |[G.  Hoffmann:  KicIZg.  N.  UM9,  lobend.]]  -  237)  0.  .1.  Hierbaura,  Frhr.  Detlev  v.  Liliencron.  Mit 
Portr.  (=Vgl.  N.  233,  Heft  5.)  cl.da.  111  S.  M.  1,00.  —  238)  G.  Ludwigs,  Wilh.  Walloth.  Mit  Portr.  (=  Vgl.  N.  233,  Heft  4.) 
ebda.  103  S.  M.  1,00,  —  239)  X  Murgaretlie  Halm  (^•eb.  v.  Williolm).  Z.  Ti'.Hü.l:  l.ittJbNonlwestbölimon  n.  dtsch.  Grenz- 
lan  e.     I.  S.  1-2.  — 


101  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18,/19.  Jahrhunderts.  IV  4:i-i6 

Forschung  um  die  bereits  besin-ochenen  Werke  von  Heitmüller  >),  dessen 
Dissertation  nunmehr  unverändert  im  Buclihandol  herauskam,  und  von  Rentsch. 
Minor  2)  erwähnt  in  seiner  Anzeige,  dass  J.  E.  Hcljlegels  *)  Manuskript  der  älteren 
Fassung  der  „Trojanerinnen''  in  den  Besitz  dos  Arcliivrat«  Könnecke  in  Marburg  i.  H. 
übergegangen  sei.  —  Als  Vorläufer  von  Gootlu*  „Iphigonie"  erscheinen  die  Dramen  von 
Sclilegol  und  Derschau  1747  mit  ihren  französischen  Quellen  in  dem  Aufsatze  von 
Morsch*),  der  sich  eingeh(uider  auch  mit  Gotters  „Orest  und  Eloctra"  und  „Merope" 
in  ilirer  Einwirkiuig  auf  Goethes  ,,Iphigenio"  und  „Elpenor"  beschäftigt.  —  Ueber- 
mässig  lobt  Häuf fon  f*)  Flaischlons  Buch  über  Gemmingen;  er  trägt  nur  ergänzend 
nacli,  dasH  der  „Hausvater"  in  Bd.  153/4  der  „Theatralischen  Sammlung"  (Wien  1791) 
unter  dem  Titel  „Die  Familie"  sehr  umgestalfet  erschienen  und  1824  von  Hcusser  als 
jjDer  Vaterstand"  frei  bearbeitet  worden  ist.  —  Minors  <>•)  vortreft"liche  Kritik  würdigt 
die  bei  Flaisohlen  vernachlässigte  ,, Mannheimer  Dramaturgie",  in  der  Gemmingen  eine 
Analyse  des  „Macbeth"  giebt,  den  „Hamlet"  foidert,  wie  er  geschrieben  ist,  und  auch  auf 
die  Kosttimfrage  nachdrücklich  hinweist.  —  Wielands  Drama  ,, Clementina  von  Porretta" 
wird  von  Ettlinger«)  mit  dem  Vorbilde,  dem  Romane  Richardsons  verglichen.  Die 
A.bänderungen  sind  unglücklich,  das  ganze  Werk  besteht  aus  undramatischen  Dialogen, 
die  meist  wörtlich  entlehnt  werden.  —  In  dieser  Zeit  blüht  das  lyrische  Drama,  ein 
Ausdruck,  den  Köster '')  in  einem  Vortrage  für  die  verwirrenden  Bezeichnungen  Melo- 
drama, Monodrama  festgesetzt  hat.  Das  eigenartigste  Werk  dieser  Gattujig  ist  Rousseaus 
„Pygmalion".  In  Deutschland  nimmt  das  lyrische  Drama  seinen  Au.sgang  von  der  Kan- 
tate, wie  sie  Ramler  pflegte;  es  gab  eine  aufsteigende  und  eine  absteigende  Periode, 
der  Charakter  blieb  ein  wesentlich  lyrischer.  Die  Nachwirkung  ist  noch  in  der  Tar- 
tarusvision des  Orest,  in  Schillers  „Jungfrau  von  Orleans"  (IV,  1)  und  „Maria  Stuart" 
(III,   1)  deutlich  zu  spüren.  — 

Sturm  und  Drangt).  Aus  Papieren  des  dänischen  Reichsarchivs  hatBob^^) 
interessante  Mitteilungen  zur  Biographie  H.  P.  Sturz'  geschöpft,  welche  sich  haupt- 
sächlich mit  .seinen  Beziehungen  zu  Struensee  beschäftigen,  in  dessen  Fall  er  mit  ver- 
wickelt wurde.  Abgedruckt  werden  Teile  seiner  Verteidigungsschrift  und  ein  franzö- 
sischer Brief  an  Carstens.  —  Leisewitz'  1°)  „Julius  von  Tarent"  ist  in  einer  Schulaus- 
gabe mit  ziemlich  dürftigen  Anmerkungen  von  Lichtenheld  i^)  erschienen.  — Gersten- 
bergs ^2)  Interesse  für  Musik  zeigt  sich  in  den  von  Chrys  and  er  13)  mitgeteilten  Texten, 
die  der  Dichter  einer  Phantasie  K.  Ph.  E.  Bachs  unterlegt,  einem  Monolog,  der  zu- 
gleich mit  dem  derselben  Musik  durch  Gerstenberg  angepassten  Hamlet-Monolog  1787 
veröffentlicht  wurde.  Es  ist  ein  Weg  zum  musikalischen  Drama,  der  sich  aus  Gersten- 
bergs Papieren  noch  weiter  verfolgen  Hesse.  —  F(ir  Lenzi+)  hat  Froitzheim  i^)  seine 
wenig  erspriessliche  Thätigkeit  fortgesetzt.  Man  kann  ab.schliessend  sagen:  F.s  Beweise 
sind  Verdrehungen,  mtissige  Kombinationen,  tendenziöse  Gruppierungen.  Er  wiederholt 
seine  frühere  Behauptung,  dass  Goethe  der  Vf.  des  „Prometlieus"  sei,  der  Klätscher 
Dehiet  spielt  dabei  eine  Rolle  als  „Kronzeuge".  Im  ersten  Abschnitte  „Lenz  in 
Strassburg"  erhebt  F.  die  „Anmerkungen  über  das  Theater"  zu  einer  Poetik  des  neueren 
Dramas.  Er  versucht  das  Fragment  „Zum  Weinen"  1772  anzusetzen;  mit  Recht  sieht 
F.s  Recensent  Pniower  Goetlies  Schweiserreise  von  1775  darin  vorausgesetzt.  Der 
zweite  Teil  soll  beweisen,  dass  Lenz  von  Ooethe  nach  Weimar  gerufen  worden.  Seine 
Worte  „der  lahme  Kranich  ist  angekommen,  Er  sucht,  wo  er  den  Fuss  lünsetze"  sollen 
eben  so  gut  „als  Quittung  über  einen  empfangenen  und  vollzogenen  Auftrag  gelten,  als 
auf  eine  geplante  Ueberraschung  hindeuten"  können.  Goethes  „neidische  Missstimmung" 
gegen  Lenz  wird  aus  der  Stelle  im  Briefe  an  Frau  von  Stein :  „Sie  werden  das  wunder- 
liche Ding  sehen  und  ihm  gut  werden.  Doch  —  Sie  sollen,  was  Sie  woUen,  und  wollen, 
was  Sie  sollen"  kühn  gefolgert.     „Es  hiesse  die  Augen  absichtlich  verschliessen,  wollte 


I)  F.  Hei  t  in  ulier,  Hamburg.  Dramatiker  z.  Zeit  Gottscheds  u.  ihre  Bexiehungen  tn  ihm  E.  Beiir.  x.  Gnsch.  d. 
Theaters  u.  Dramas  im  18.  Jh  Dresden,  Pierson.  VI,  101  S.  M.  2,40  |[IUmbNachr».  N.  16;  A.  K  Oster:  DLZ.  12,  N.  2C; 
C{reizenach):  LCBl.  N.  51;  L.  Frttnkcl:  BLU.  N.  42.]  (.IHI>.  18M  IV  4  :  «.)  —  2)  J.  Minor,  Rentsch.  J.  E.  Schlegel 
(JBL.  1890  IV  4  :  2):  ZOG.  42,  8.  426/7.  (Ausserdem  auch  B.  .Seuffert:  ADA.  17,  S.  3389;  0.  Ellfnijor:  ASSS.  87, 
S.  281/2;  R.  Kade:  ZDU.  0,  S.  126;  RCr.  N.  5;  A.  Leif/.mann:  LBIGRPh.  12.  S.  291.)  -  3)  XX  K-  Seeliger, 
J.  E.  Schlegel:  MVGMoigsen  2,  S.  145—88.  —  4)  11.  Morsch.  Aus  d.  Vorgosch.  v.  Goethes  Iphigenic:  VLG.  4,  S  80—115.— 
5)  A.  Hauffen,  Fluischlen,  Gommingen  (JUL.  18!K)  IV  4  :  9):  DLZ.  12,  N.  2ii.  —  5a)  J.  Miaor,  Flaischloo,  Gemmin>;on  (vgl 
N.  5):  ADA.  17,  S.  147,9.  (Ausserdem  ,1.  Ettliuger:  AZg.  N.  242;  H.  Jellinghau«:  LRs.  17,  S.  845;  F.  Uunckoi: 
LlUGRPh  12,  S.  370/2.)  —  6)  J.  Ettlingor,  Wielands  Clemenfina  v.  Porretta  u.  ihr  Vorbild:  ZVLR.  NF.  4,  S.  434  9.  - 
J)  A.  Köster,  Über  d.  lyrische  Drama:  VZg.iN.53.  (Vortr.  [Ref.]  DLZ.  1.',  N.  6  u.  IterlTHl.  y.  27.  Jan.)  —  8)  X  J-  V.  W[id- 
mann],  Malor  MUller,  Fausts  Leben:  Hund  S.  63/4.  —  9)  X  L-  Bob«,  H.  F.  Stur»'  Lobensyeseh. :  VLG.  4,  S.  460— «5.  — 
10)  X  J.  Minor,  Leisewitz    cd.    R.  M.  Werner:    ZOG.  42,  S.  427.      (Vgl.  0.  Speyer:  ASN.-^.  86,  S.  817;    WIDM.  69,  S.  291.) 

—  II)  Leisewitz,  Jul.  v.  Tarent,  her.  v.  A.  Lichtenheld,   s.  o.  I  7  :  47.  —  12)  X  D.  Or»b  Gerstenbergs:     HambCorr.    N.  468. 

—  13)  eil ry Sander,  E.  Klavierphantasie  v.  K  Ph.  E.  Bach  mit  nachträglich  t.  Oersteuberg  eingefUgton  Gesangsroelodien  hi 
2  vorschiodenen  Texten:  VMusikW.  7,  S.  1—25.  —  14)  X  C  Qrottewit«,  D.  Dichter  J.  R.  Lens  nach  soinor  VorbMiiiiing  t. 
Weimar:  LZg».  N.  155.  (Vgl.  u.  IV  9  b  :  96)  —  15)  J.  Froit«heim,  Lenz  u.  Goethe.  .Stuttgart,  Dtech.  ?erl«gs.%nst.  VIIl.  132  S. 
M.  2,50.     |[0.  Pniower:  DLZ.  12,  N.  41;  C.  Grottewitz:    ML.  60.  S.  640;   S.:  DR.  «7,  S.  214.]]      (Vgl.    u.  IV  9b  :  »0»  — 


IV  4:  16-26.  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  102 

man  in  diesen  Worten  nicht  eine  Verstimmung  Goethes  über  Lenzens  Auszeichnung  er- 
kennen," Ebenso  wenig  haltbar  ist  die  Behauptung,  dass  Groethe  die  Hand  im  Spiele 
gehabt  bei  Lenzens  Entfernung  aus  Strassbtirg  im  Zusammenhang  mit  der  Hochzeit  des 
Frl.  von  Waldner.  Mit  der  Ausnutzung  des  „Waldbruder",  den  F.  ganz  abdruckt, 
wird  die  reinste  Spiegelfechterei  getrieben.  Ebenso  unerwiesen  bleibt  es,  dass  Einsiedel 
Goethe  wegen  seines  Benehmens  gegen  Lenz  zur  Rede  gestellt  habe.  Einige  Doku- 
mente über  Lenz  als  Vorleser  (S.  33),  ein  Bericht  seines  Bruders  über  die  Unter- 
stützungen, die  dem  Kranken  von  Weimar  aus  zu  teil  wurden,  der  Anhang  von  Briefen 
ßoederers ,  Lavaters  und  Lenz'  werden  in  die  Litteraturgescbichte  hinüber  gerettet 
werden.  —  Einen  Schildknappen  hat  Eroitzheim  in  P.  Ealck^'^)  gefunden,  der  Lenz' 
„Anmerkungen  über  das  Theater"  panegyrisch  als  Offenbarung  gegenüber  der  klassischen, 
„das  heisst  antiquirenden"  Periode  der  Litteratur  preist  und  den  Verfasser  als  „Pfadfinder 
für  Modernes"  bezeichnet.  Literessant  ist  eine  bisher  unbeachtete  Briefstelle  an  Th. 
Oldekop,  Königsberg  18.  Sept.  1770:  „In  der  vorigen  Woche  las  ich  ßeichhardt  meinen 
Hofmeister  vor.  Es  ist  ein  vaterländisches  Stück  wie  der  verwundete  Bräutigam".  — 
R.  M.  Werner  1'')  hat  einen  historischen  Vorfall,  der  Läuffers  Selbstentmannung  ganz 
ähnlich  ist,  aus  einem  Briefe  Gülchers  an  Nicolai  nachgewiesen,  eine  in  religiösem 
Wahnsinn  verübte  That  des  Rektors  Reinbach  zu  Gemarke.  Unmittelbarer  Zusammenhang 
ist  jedoch  nicht  anzunehmen.  —  Ueber  Lenz'  Vater  giebt  Christian  David,  ein  Nach- 
komme der  Familie ^^)  Aufschlüsse,  in  denen  sowohl  seine  höchst  angesehene  Stellung  als 
Superintendent  in  Livland  wie  die  der  anderen  Söhne  klar  gelegt  wird.  Jacob  war 
für  die  religiös  gesinnte  Familie  der  verlorene  Sohn,  den  sie  vollständig  von  sich  abzu- 
stossen  suchte.  — Für  H.  L.  Wagner i^)  hat  Froitzheim  20)  einige  biographische  Daten 
erbracht.  Das  Gedicht  auf  die  Vermählung  seines  Freundes  v.  Türckheim  bezieht  sich 
auf  Johannes  v.  Türckheim,  der  am  2.  Febr.  1778  heiratete,  nicht  auf  Bernhard 
Friedrich  v.  Türckheim,  mit  Elisabeth  Schönemann  am  25.  August.  F.  weist  Wagner 
in  der  Strassburger  Matrikel  von  1760  ab  nach;  wegen  seines  Lebenswandels  wird  er 
mehrfach  mit  Ermahnungen  und  Strafen  belegt.  Am  18.  Sept.  1764  liess  ihn  sein  Vater 
nach  Jena  reisen,  als  ihn  seine  Gläubiger  gar  zu  hart  bedrängten;  in  der  dortigen  Ma- 
trikel findet  er  sich  nicht.  Was  F.  aber  hauptsächlich  beweisen  will:  dass  W. 
preussischer  Grenadier  in  Magdeburg  gewesen,  ist  weder  aus  den  Daten  noch  aus  den 
„preussischen  Soldaten-Erinnerungen",  die  F.  in  den  Gedichten  erkennt,  mit  Sicherheit 
erschliessbar.  —  Klingers^i)  Bibliothek  in  Dorpat  hat  Meyer  von  Waldeck  22)  durch- 
mustert. Sie  enthält  viele  Memoirenwerke,  vier  Shakespeare-Ausgaben  und  drei 
Goethesche  Schriften  mit  eigenhändigen  Widmungen,  so  zur  „Iphigenia":  „dem  edlen 
ewigen  Freunde  Klinger  unwandelbar  Goethe.     Weimar,  7.  November  1825".  — 

Den  von  Goethe  so  freundlich  begrüssten  Elsässischen  Volksdichter  J.  G.  D. 
Arnold 23)  hat  E.  Martin  24)  in  einem  Vortrage  behandelt.  Die  erste  elsässische  Dialekt- 
dichtung stammt  aus  dem  Jahre  1687.  Aus  ihr  entwickeln  sich  die  Fraubasen- 
gespräche; aber  erst  unter  dem  Einfluss  Hebels  und  Voss'  ersteht  eine  wirkliche 
Dialektdichtung ,  deren  Hauptvertreter  Arnold  ist.  Seine  Gedichte  offenbaren 
zunächst  stark  den  Einfluss  Schillers  und  Goethes.  Der  „Pfingstmontag"  erschien 
1816  zum  ersten  Male ,  wurde  auch  mehrfach  gespielt.  Manches  ist  allzu  breit, 
auch  der  Zusammenhang  nicht  recht  übersichtlich.  Das  WesentKche  der  Handlung,  die 
Werbung  eines  fremden  Jünglings  um  eine  Strassburger  Bürgerin,  bietet  eine  gewisse 
Analogie  zu  „Hermann  und  Dorothea".  Ausgezeichnet  ist  die  Charakteristik,  der  scharfe 
Kontrast  zwischen  Deutschen  und  Franzosen.  Das  Werk  ist  ein  Denkmal  der  Zeit  und 
der  Sprache,  ein  lebendiges  Idiotikon;  meisterhaft  ist  der  Alexandriner  behandelt.  — 
Einen  Frankfurter  Dialektdichter  führt  Reuling24a)  in  Karl  Malss,  dem  Direktor  des 
Frankfurter  Stadttheaters,  vor.  Besonders  gelungen  ist  sein  Lustspiel  „Der  alte 
Bürger- Kapitain  oder  die  Entführung"  (1821).  Eine  Familiengeschichte,  flüchtig  an  den 
„Richter  von  Zalamea"  erinnernd,  wird  mit  politischen  Zügen  aus  dem  Jahre  1814 
verwoben.  — 

Ein  Berliner  dramaturgisches  Journal  aus  der  Zeit  der  klassischen 
Litteratur  hat  L.  Geiger 25)  analysiert.  Es  umfasst  die  Zeit  vom  1.  April  1797  bis 
29.  April  1798.  Vff.  sind  Friedr.  Schulz,  der  Autor  von  „Firlifimini",  und  Nicolai 
Sohn.  Als  erstes  eigentlich  theaterkritisches  Berliner  Blatt  ist  es  eine  achtungswerte 
Leistung.      Lessing    steht   im    Vordergrunde,    wenn    auch    „Emilia    Galotti"    nach    dem 


16)  P.  Palok,  J.Lenz'  Reformatorische  Bedeutung  in  d.  Litt:  DUnaZg.  N.  111/5.  —  17)  R.  M.  Werner,  Zu  Lenz'  Hofmeister: 
ZVLE.  NF.  4,  S.  113/6.  —  18)  E.  L,  Familiennotiz  über  J.  M,  B.  Lenz:  DK.  67,  S.  154/7.  -  19)  J.  V.  W[idmann],  H.  L. 
Wagners  Kindermörderin:  Bund  N.  63/4.  —  20)  Froitzheim,  Z.  Jugendgesch.  H.  L.  Wagners:  StrassbPost  N.  247.  — 
21)  (IV  3  :  40.)  -  22)  F.  Meyer  v.  Waldeck,  In  Klingers  Bibliothek,  s.  o.  IV  3  :  40a.  -  23)  X  J-  G.  D.  Arnold,  D. 
Pfingstmontag.  Lustspiel  in  Strassburg.  Mundart:  Elsass.  Volksschriften,  Hft.  18.  Strassburg,  Heitz.  XXI,  182  S.  M.  0,80.  — 
24)  E.  Martin,  Arnolds  Pfingstmontag  u.  d.  elsllss.  Dialektpoesie.  Vortr  :  Stras.sbPost  N.  3:U.  —  24a)  Reuliug,  Frankfurter 
Dialektdichtnng:  AZg.  N.  91.  -  25)  L.  Geiger,   Berliner  Dramaturgie  1797/8:  YZg.  N.  325.      (Vgl.   u.  IV  5  :  72.)    -    26)  X 


103  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  4:  27-8». 

Muster  F.  Schlegels  scharf  mitgenommen  wird.  Goethe  und  Schiller  werden  tendenziös 
ignoriert.  Der  echte  Shakespeare  wird  gefordert,  in  Hinblick  auf  Schröders  Hamlet- 
bearbeitung. Wiener  Possennichter  wie  Perinet,  Vielschreiber  wie  Lafontaine  erfahren 
Zurückweisung,  dagegen  werden  Lobeshymnen  ftir  Iffland  und  Kotzebue  angestimmt. 
Während  die  darstellenden  Künstler  ausführlich  besprochen  werden,  erscheinen  dramatur- 
gische Fragen  selten  erörtert.  Die  Vff.  fordern  Volksbühnen  und  möchten  für  sie  unbe- 
suchte Kirchen  zur  Umwandlung  empfehlen.  Einen  stattlichen  Raum  nimmt  die  Polemik 
gegen  Kritiker  ein,  besonders  gegen  jüdische,  sowie  gegen  Böttiger  und  Tieck.  —  Unter 
den  Artikeln  der  ADB.20-30)  verdient  besondere  Erwähnung  die  Arbeit  von  Walzel'») 
über  Christ.  Willi,  v.  Schütz  (1770—1847).  Sein  rein  formales  Talent  wird  anerkannt. 
„Lacrinias"  ist  eine  Nachahmung  des  „Alarcos",  unter  romantischem  Einfluss  schreibt 
er  „Guiscardo  und  Gismunda".  Schillers  Nachahmer  ist  er  in  „Graf  von  Schwarzenberg" 
und  „Karl  der  Kühne".  —  Im  Anschluss  an  seine  noch  nicht  vollendete  Biographie 
hat  Litzmann  32)  clen  Artikel  über  F.  L.  Schröder  abgefasst.  Er  betont  das  Ve» dienst, 
das  Susanne  Mecour  um  seine  Entwicklung  hat.  Bei  allem  Schlendrian  bleibt  er  bei 
seiner  Idee  von  der  Grösse  seiner  Aufgabe.  Als  theatralischer  Schriftsteller  liefert  er 
meist  Bearbeitungen 5^^'),  nicht  ohne  litterarisches  Verdienst,  doch  nicht  bedeutend: 
Iffland  leistet  da  Besseres.  —  Schröders  Bearbeitung  des  „Kaufmann  von  Venedig"  hat 
Hauffen34)  im  16.  Band  der  „Theatralischen  Sammlung"  (Wien  1791)  aufgefunden. 
Sie  ist  1777  mit  Beihilfe  Gotters  angefertigt  worden.  Auch  sie  charakterisiert  das 
Herabziehen  ins  Alltägliche.  Jessica  und  Lorenzo  sind  gestrichen,  ihre  Erlebnisse 
werden  gelegentlich  erzählt,  die  Handlung  erscheint  auf  drei  Tage  eingeschränkt.  Neue 
Motive  treten  auf:  dem  Antonio,  der  als  Bruder  Bassanios  figuriert,  geht  ein  Kassier 
durch.  Schröder  benutzt  Eschenbarg,  Wieland  und  Fischer.  Seine  Bearbeitung  zählt 
nur  vier  Akte,    der    fünfte    ist  einfach  weggelassen  und  der  Schluss  gleich   angeknüpft. 

—  Hauffen'*^)  hat  auch  eine  Uebersicht  der  vorzüglichsten  Bühnenpraktiker  der  Zeit 
mit  passender  Auswahl  in  Kürschners  Nationallitteratur  gegeben.  Er  charakterisiert  in 
der  Einleitung  das  „niedre"  Schauspiel 3^»).  Gegen  diese  Bezeichnung  hessen  sich  eben- 
sowohl Einwendungen  erheben  als  auch  gegen  H.s  Ansicht,  Stücke  Bretzners  und 
Schröders  wären  noch  auf  der  heutigen  Bühne  möglich.  In  der  an  O.Brahm  angeschlossenen 
Darstellung  des  Ritterdramas  wird  Paul  Weidmann  mit  Franz  Carl  Weidmann  ver- 
wechselt. In  richtiger  Auslese  unter  den  zahllosen  Dramatikern  giebt  er  Törrings 
„Agnes  Bernauer",  Babos  „Otto  von  Witteisbach",  Henslers  „Donauweibchen"  (beide 
Teile)  und  Bretzners  „Räusehchen".  Bei  Hensler  (mit  falschen  Geburtsdaten,  vgl. 
JBL.  1890  IV  4  :  99)  wird  ein  hübscher  Ueberblick  über  das  Wiener  Volkssttick  gegeben, 
die  Bibliographie  für  Hensler  (S.  186)  ist  unvollständig.  Im  zweiten  Teile  erscheint 
Gemmingens  „Hausvater"  (1782,  3.  Fassung).  In  der  Einleitung  heisst  Flaischlens 
Arbeit  ein  „Muster  ihrer  Gattung".  Ferner  Schröders  ,, Portrait  der  Mutter",  Ifflands 
„Jäger"  und  „Hagestolzen",  Kotzebues^sb-d)  „Menschenhass  und  Reue",  , .Indianer  in 
England",  „Deutsche  Kleinstädter".  Den  Beschluss  macht  CoUins^^)  „Regulus";  warum 
er  hier  angereilit  wurde,  begreife  ich  nicht  recht.  —  Die  dramatische  Litteratur  des  aus- 
gehenden 18.  Jh.  hat  auch  im  vierten  Bande  des  Grundrisses  von  Goedeke  3')  zum  Teil 
Aufnahme  gefunden.  Manche  Artikel,  wie  der  §  230  über  Geniewesen,  von  Sauer  ausge- 
arbeitet, der  §  215,  der  einige  Wiener  theatralische  Sammlungen  verzeichnet,  sind 
geradezu  neugeschaffen  worden.  Dagegen  sind  die  Verzeichnisse  der  Wiener  dramatischen 
Autoren,  die  Bibliographien  der  Stephanies,  Weiskern  (so  zu  lesen  für  Weisker),  Laudes, 
Stranitzky,  Prehauser  recht  dürftig  ausgefallen.   — 

Aus  Anlass  des  100.  Geburtstages  Th.  Körners  ergoss  sich  eine  wahre  Sturm- 
flut von  Festartikeln,  die  sich  nicht  immer  damit  begütigten,  den  poetisch  angelegten  Jüng- 
ling, der  das  für  seinen  Nachruhm  unschätzbare  Glück  hatte,  den  verklärten  Heldentod 
zu  sterben,  und  seine  begeisterte  und  begeisternde  Freiheitslyrik  zu  feiern,  sondern  auch 
dem  kindliclien  Dramatiker  überflüssige  Zukunftshoroskope  zu  stellen  versuchten.  Ich 
möchte  sogar  bezweifeln,  dass  er  in  Wien  ein  Bauemfeid  geworden  wäre,  •vsde  Schienther  ^) 
in  seinem  ausgezeichnet  ruhigen  Aufsatze  fragend  vermutet  —  Dem  künstlichen  Enthusias- 
mus   trugen    auch    die    verschiedensten    deutschen    Bühnen   durch    Auffühnuigen,    vor- 

Benekc,  Heinr.  GotU.  Sohmieder:  ADB.  32,  S.  20—30.  —  27)  X  F.  Pf  äff,  Fnns  Jul.  Borgias  Schneller:  ib.  S.  165/7.  — 
28)  X  F.  Kummer,  Friedr.  Aug.  Schulze:  ib.  S.  768/9  —  29)  X  F-  Brnmmer,  Qust.  Ant  Frhr.  t.  Seckendorf:  ib.  38, 
S.  517/8.  —  30)  X  id.,  Karl  Sigm.  Frhr.  v.  Seikendorft:  ib.  S.  518.  —  31)  0.  F.  W»liel.  Christ  Wilh.  ▼.  SchOti :  ib.  S.  134/6. 

—  32)  B.  Litimann.  Friedr.  Ullr.  Ludew.  Schröder:  ib.  32,  8  606/12.  —  33)  X  J-  >Iinor.  Brauns,  D.  SchrOdersche  Be- 
arbeitung d.  Hamlet  (vgl.  JBL.  1890  IV  4  :  18  u.  1891  IV  7  :  39).  ADA.  17.  S.  175/6.  -  34)  A.  Hanffen,  Ueberd.  SchrOder- 
sche Bearbeitung  d.  „Kaufmann  t.  Venedig".  Vortr.  in  d.  Gesellsch.  f.  dtsch.  Litt.  lu  Berlin  (Bef.):  DLZ.  12,  N.  19.  (TgL 
BorlTKl.  y.  19.  Apr.)  -  35)  id.,  D.Drama  d.  klass.  Periode:  DNL.  Bd.  138.  139,  1.  2.  Stuttpu^  Union.  XXIIV,  396,  385, 
396  S.  je  M.  2,50.  —  35a)  X  J-  Edgar,  D.  bOrgerl.  Schauspiel:  DBtthneng.  20,  S.  125/6,  133  4.  —  35b)  X  Wie  KotMbnes 
Neigung  fUr  d.  Schauspielkunst  geweckt  wurde:  HambCorr.  N.  240.  —  35c)  X  Kotiebnes  Briefe:  ib.  N.  104.  —  S5d)  X  A.  Kotiebaa, 
II  casino  di  oampagna.  Comedi  in  un  atto.  Nnora  riduzione.  Firente,  C^chi.  1&'.  23  S.  L.  0,16.  —  38)  X  A.  J.  Weltner, 
H.  J.  T.  Collin.  Z.  80.  Todest.  d.  raterUnd.  Dichters:  Fremdenßl.  N.  206.  —  37)  K.  Goedeke,  Grundriss  s.  o.  IV  1  :  1.  — 
38)  P.  S[chlentherJ,    Theodor   Körner   (=  ThK.):    VZg«.  N.  38.    —   39)    X  K.-Feier   im  Hamb.  Stadttheater:    HaabCorr. 


IV  4:  40-103  A.  V.  Weilen,  Drama  des   18./19.  Jahrhuaderts.  104 

nehmlich  des  „Zriny" 39-41),  in  dem  SpeideH^)  das  lokale  und  persönliche  Element 
schön  hervorhob,  und  durch  Festspiele  ^3)  Rechnung.  Der  Jubel  ist  verrauscht,  und 
übrig  bleiben  die  Artikel,  deren  Masse  wohl  niemand  vollständig  überblicken  kann  ^^-os), — 
Auch  neue  Ausgaben  wurden  veranstaltet.  Ad.  Stern  96)  bringt  im  dritten  Bande  die 
Fragmente 97-99)  vervollständigt,  so  die  Entwürfe:  „Luther",  „Themistokles",  „Phrixus 
und  Helle",  -r-  Der  verdienstvolle  Peschel^oo)  hat  eine  bibliographische  Zusammen- 
stellung der  KörnerUtteratur  geliefert.  —  Latendorf  loi)  tritt,  nicht  zum  ersten  Male, 
der  Glaubwürdigkeit  E.  Försters  entgegen.  Förster  hat  einen  Brief  Schleiermachers 
gefälscht,  ein  Gedicht  in  Goethes  Werken  ruhig  belassen,  seine  Begegnung  mit  Goethe 
rhetorisch  ausgeschmückt.  Ebenso  ausschmückend  ist  er  mit  Gedichten  Körners  hin- 
sichtlich ilarer  Datierung  verfahren,  auch  mag  ein  oder  der  andere  Brief  durch  Zusätze 
erweitert  worden  sein.  Doch  gewinne  ich  nirgends  die  Ueberzeugung,  dass  Förster  als 
bewusster  Fälscher  zu  brandmarken  sei;  auch  ist  des  Vf.  Ton  allzu  hitzig,  und  seine 
Schlüsse  aus  der  Stimmung  der  Briefe  oder  aus  der  Kürze  der  Zeit  haben  selten  volle 
Beweiskraft.  Dass  ein  Deutscher  Körner  getötet  hätte,  wie  der  späte  Bericht  des 
Schullehrers  Schönborn  andeutet,  lässt  sich  wohl  sicher  zurückweisen  ^^-).  —  Die  wert- 
vollste Gabe  hat  Brockliaus  i^s)  j^  seiner  auch  äusserlich  formvollendeten  Sammlung 
von  Briefen  von  und  an  Th.  Körner  gebracht.  Neben  zahlreichen  Familienbriefen  und 
Jugendaufsätzen,  kleinen  Gedichten,  finden  sich  auch  litterarisch  bemerkenswerte  Stücke. 
Ueber  die  Axifführung  der  „Toni"  in  Weimar  1812  schreibt  Emma  Körner:  „Ich  sehe  Goethe 
ordentlich,  wie  er  sich  in  den  Verzierungen  derselben  [der  Dekorationen]  gefallen,  und  es 
muss  Dir  eine  sehr  angenehme  Empfindung  machen,  dass  ein  Geist  wie  der  seinige  so 
warmes  Interesse  an  Deinem  Produkte  genommen."  Caroline  Pichler  spricht  am  18.  Nov. 
1812  über  seine  „Rosamunde".  Von  den  zahlreichen  Korrespondenten  seien  Castelli, 
L.  F.  Huber,  Cotta  hervorgehoben.  In  Minna  Körners  Stammbuch  findet  sich  Bode, 
Bertuch,  Herder,  Elise  v.  d.  Recke  eingetragen.  Die  Anmerkungen  orientieren  zweck- 
entsprechend. S.  177  wird  der  Nachweis  geführt,  dass  Goetz  in  den  „Geliebten 
Schatten"  in  dem  Briefe  Schillers  an  Schwan  vom  24.  April  1785  aus  Schwans  Nach- 
schrift den  Satz:  „Glücklich  wäre  Schiller  mit  meiner  Tochter  nicht  gewesen"  einfach 
weggelassen  hat.  Im  Anhange  wird  der  Bericht,  den  Arnetli  in  dem  für  Freunde  ge- 
druckten Buche  über  die  Beziehungen  der  Antonie  Adamberger  zu  Körner  nach  ihren 
Mitteilungen  gegeben,  dem  grösseren  Publikum  zugänglich  gemacht.     Weisssteins  An- 


N.  672.  —  40)XA.  MUller-Guttenbrunn,  TliK.  in  Wien:  DeutschZg.  N.  7083.  —  41)  X  f*,  D-  K.feier  im  Hoftheater 
(München)  u.  Berichte  aus  anderen  Städten:  AZg.  N.  266/7.  —  42)  L.  Speidel,  Burgtheater.  Zriny:  NFPr.  N.  9729.  — 
43)  X  G- Burchard,  LUtzows  wilde  Jagd.  E.  dramat.  Festsp.  in  1  Aufz.  Berlin,  Fontan'>.  63  S.  M.  1,00.  |[Siegen: 
BLU.  S.  745.]|  —  44)  X  B-  Wöbbelin:  KZg.  N.  771.  —  45)  X  A.  W.  Ernst,  ThK.  Z.  lOOj.  Geburtst.  d.  Dichters:  Gegenw.  40, 
S.  180|1.  —  46)  X  K.  Fellner,  D.  Dichter  v.  Leyer  u.  Schwert:  NationB.  8.  S.  793/4.  —  47)  X  P-  Franke,  ThK.:  LZgB. 
N.  71.  —  48)  X  B-  George,  ThK.  e.  dtsch.  Dichterheld:  Bär  17,  S.  655/8,  672/4.  -  49)  X  v.  Hasenkamp,  ThK.:  KielZg. 
N.  14505.  —  50)  X  A.  Hauffen,  ThK.  (=  Samml.  gemeinnUtz.  Vortr.  N.  159.)  Prag,  Ha-rpfer.  24  S.  M.  0,30.  |[J.  Minor: 
ADA.  18,  S.  382  folg.;  ML.  60,  8.  711/4.]|  -  51)  X  Th.  K.,  ThK:  MagdebZg.  N.  481.  —  52)  X  K.  Knebel,  ThK.  in 
Freiberg:  MFreibergAV.  27,  S.  75/102.  —  53)  X  A.  Kohut,  ThK.  Sein  Leben  u.  seine  Dichtungen.  Berlin,  Slottko.  X, 
310  S.  M.  4,00.  j[A.  Schröter:  BLU.  S.  110]j  -  54)  X  id.,  ThK.  in  Berlin:  VolksZg«.  v.  20.  Sept.  —  55)  X  id.,  D.  K.- 
Museum in  Dresden:  Sammler  13,  S.  136-40.  —  56)  X  id.,  ThK.s  Braut.  E.  Gedenkbl.  z.  ThKFeier:  FremdenBl.  N.  255.  — 
57)  X  E.  Kreowski,  ThK.  Zu  s.  100.  Geburtst.:  MUnchNN.  N.  427.  —  58)  X  G.  Kreyenberg,  ThK.  Festschrift  z. 
100 j.  Geburtst.  Mit  Bildn.  u.  Abbild.  Dresden,  Ehlermann.V,  71  S.  M.  2,40.  |[LZg.  N.  215;  DLZ.  12,  N.  39.]|  —  59)  X 
Kreyenberg,  ThK.s  Yater  :  Grenzb.  3,  S.  557-68.  -  60)  X  M.  Landau,  ThK.  in  Italien:  AZg.  N.  267.  -  61)  X  E. 
Lehmann,  Familie  K.  in  Dresden.  Z.  Gedächtn.  an  ThK.s  100.  Geburtst.  Dresden,  Röhler.  39  S.  M.  0,50.  —  62)  X  P- 
Lemmormayer,  ThK.:  WienLZg.  N.  11.  —  63)  X  F.  Mauthner,  Z.  Körner-Tag:  ML.  60,  S.  618-20.  —  64)  X  F-  Mus- 
oogiuri,  ThK.  Nel  I.  Centenario  della  sua  nascita.  Firenze,  Nicolai.  |[M.  Landau:  AZg**.  N.  267.]|  —  65)  X  M. 
N(ecker),  ThK.s  Braut:  Grenzb.  III,  S.  276—83.  —  66)  X  K.  Pröll,  TtiK.:  KielZg.  N.  14494.  [[FräukKurier.  N.  472a.]|  — 
67)  X  Kogge,  Körner-Litt:  LZg.  N.  216.  —  68)  X  W.  Schimmelbusch,  Körnertago:  Didaskalia  N.  222,  225,  227,  229,  231. 
—  69)  X  W.  Schulze  u.  K.  Wicklein,  Z.  23.  Sept.  ThK.  15  Scliulgesänge.  Nebst  e.  Biogr.  u.  e.  Ausw.  d.  Gedichte. 
Berlin,  Oehmicke.  36  S.  M.  0,25.  -  70)  X  b.  Seuffert,  ThK.:  GrazTBl.  N.  23.  -  71)  X  Ad.  Stern.  ThK.  (z.  23.  Sept.): 
FZg.  N.  266.  —  72)  X  E.  Straeter,  ThK.  zu  s.  100.  Geburtst.  v.  23.  Sept.:  Post  v.  22.  Sept.  —  73)  X  tz.,  Körnerfeier  in 
Zobten-Rogau:  SchlesZg.  N.  666.  -  74)  X  A.  V.,  ThK.:  ib.  N.  663.  —  75)  X  T.  V.,  Schiller  u.  Körner:  AZg.  N.  312/3.  — 
76)  X  W.  .Urban,  ThK:  VolksZg.  N.  221.  —  77)  X  van  der  Velde,  ThK.:  SchlesZg.  N.  663.  —  78)  X  »•  W.,  Original- 
radierungen ThK.s:  Sammler  13,  S.  118.  —  79)  X  v.  W.,  E.  SSnger  u.  e.  Held  (ThK.):  SchwabKron.  v.  23.  Sept.  —  80)  X  K. 
Weinhold,  Z.  Erinn.  an  ThK.:  AZgB.  N.  222.  -  81)  X  M.  W[idmann],  ThK.:  Bund  S.  262.  —  82)  X  E.  Wolff,  Z.  lOOj. 
Geburtst.  ThK.s:  HambCorr.  N.  669.  —  83)  (IV  1  :  30.)  —  84)  X  ThK.:  FZg.  N.  190,  265,  266,  272.  -  85)  X  Zu  ThK.s  Ge- 
burtst.: Grenzb.  III,  S.  622/4.  —  86)  X  E.  italienische  Körnerbiographie:  HambCorr.  N.  792.  —  87)  X  ThK.:  DeutschZg. 
N.  7143.  —  88)  X  Kranz-.Spende  auf  ThK.s  Grab:  HambCorr.  N.  637.  —  89)  X  E.  Ms.  ThK.s:  DDichtung  10,  S  204/7.  — 
90)  X  Siu  ThK.s  100.  Geburtst.:  ib.  S.  291/4.  —  91)  ThK.  Zu  s.  100.  Geburtst.:  FremdenBl.  N.  250.  —  92)  X  ThK.  E  Erinn. 
z.  100.  Wiederkehr  s.  Geburtst.:  NorddAZg''.  N.  38.  —  93)  X  Festschrift  anlässlich  d.  K.-Kommersos  d.  dtsch.-nationalen 
Studentenschaft  Prags  am  17.  Okt.  Prag,  Dominicus.  18  S.  M.  0,60.  —  94)  X  Vaterländische  Erinn.  ThK.:  NorddAZgS. 
N.  38.  —  95)  X  Zu  K.s  100 j.  Geburtst.:  StrassbPost  N.  264.—-  96)  ThK.  Werke,  her.  v.  Ad.  .Stern:  DNL.  146,  152  in  3  Tln. 
Stuttgart,  Union.  (1890.)  XXXII,  383;  X,  443;  VI,  402  S.  je  M.  2,50.  —  97)  X  ThK.  Sämtl.  Werke.  Illustr.  Prachtausg. 
Her.  V.  H.  Laube.  36  Lief,  Wien,  Bensinger  je  M.  0,50.  —  98)  X  ThK.  Sämtl.  Werke.  4  Bd.  Stuttgart,  Cotta.  211, 
211,  252,  291  S.  je  M.  2,00.  —  99)  X  ThK.s  Werke.  2  Bde.  Berlin,  Friedberg  u.  Mode.  VIII,  296;  V,  530  S.  M.  3,00.  — 
00)  E.  Fesch el ,  K.-Bibliographie  z.  23.  Sept.  zusamraengest.  Leipzig,  Ramm  u.  Seemann.  53  S.  M.  1,50.  —  101)  P. 
Latendorf,  Friedr.  Försters  Urkundenftlschgen  z.  Gesch.  d.  J.  1813  mit  besonderer  Rücksicht  auf  ThK.s  Leben  u.  Dichten. 
Poesneck,  Latendorf.  89  S.  M.  0,60.  |[AZg".  N.  272;  Grenzb.  IV,  S.  197/8;  J.  Minor:  ADA.  18,  S.  382]|.  —  102)  Schilderung 
V.  ThK.s  Tod,  aus  d.  J.  1842:  SchwäbMerkur  v.  26.  Sept.      (Vgl.  SchwabKron.  v.  7.  Okt.)   —    103)  K.  Brock  haus,  ThK.    Z. 


105  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./1^.  .Tnbrhuiirlfirts.  IV  4:  1(H-128. 

zeige,  die  auf  Anklänge  eines  Körnerbriefes  an  Goethes  (J.ssianübersetzung  aufmerk- 
sam macht,  teilt  auch  ein  Billet  Antoniens  an  H.  von  CoUin  mit  (6.  Sept.  1808).  — 
Straeterio*)  veröffentlicht  Briefe  Körners  zumeist  an  seinen  Freund  Karl  Schmid, 
aus  Freiberg,  Leipzig,  Berlin  usw.,  die  meist  im  studentischen  Tone  gehalten  sind. 
Er  bittet  wiederholt  um  Volkssagen ;  „Axel  und  Walburg"  von  Oehlenscliläger  ist  ihm 
eine  der  schönsten  Blüten  neuerer  Poesie.  Aus  Wien  schreibt  er  am  4.  Okt.  1811: 
„Fleissig  bin  ich  gewesen.  Mehrere  Opern,  Lustspiele  und  Gedichte  sind  meiner  Feder 
entflohen.  Ein  Konradin  von  Schwaben  soll  mein  erstes  grosses  Werk  sein,  auf  das  ich  brav 
losstudiere."  Von  Wien  ist  er  begeistert:  „Fünf  Theater  sind  hier,  drei  davon  vor- 
trefflich. Welche  Gegend,  welche  Mädchen!"  Enthusiastisch  lauten  die  Briefe  über  «eine 
Braut.  „Goethe  hat  mir  recht  väterlich  und  freundlich  über  meine  Arbeiten  geschrieben 
und-  mir  grosse  Hoffnungen  erregt."  Er  bricht  ab:  „Was  soll  das  dumme  schreiben, 
wenn  die  Herzen  zusammenschlagen  und  ihren  Donner  durch  das  Weltall  jauchzen!" 
(16.  März  1812.)  —  An  die  Berliner  Zeit  und  die  Verbindung  mit  der  Familie  Parthey 
knüpfen  vier  Briefe  aus  den  Jahren  1811  und  1812  an,  die  F.  Jonas  ^^)  zum  ersten  Male 
vollständig  publiziert.  —  Den  „Zriny"  untersucht  Bisch o ff  i"«)  auf  seine  Quellen.  Er 
macht  die  Berichte  des  Ortelius  und  Badena  in  erster  Linie  namhaft,  auch  Hormayrs 
Biographie  Zrinys  erscheint  benutzt.  Von  früheren  Bearbeitern  hat  Werthes  (17fX)),  be- 
sonders für  die  Frauengestalten  und  Liebesscenen,  und  Pyrker  (1810)  Einfluss  gehabt. 
Bei  hübsch  beobachteten  Einzelheiten  fehlt  B.  jeder  Ansatz  zu  allgemeinerer  Betrach- 
tung und  Charakteristik;  die  Berührungen  mit  Schiller  sind  ganz  unvollständig  ver- 
zeichnet. Auch  eine  holländische  Bearbeitung  des  Körnerschen  Dramas  wird  erwähnt 
Für  Körners  Lustspiele  wäre  wohl  auch  auf  den  Einfluss  des  beliebten  Hutt  liinzu- 
weisen.  S.  15  erhält  Körners  grosse  Fruchtbarkeit  Lobsprüche.  Beachtenswert  ist  die 
Zusammenstellung  des  ungedruckten  Nachlasses  im  Körner-Museum.  —  Dass  die  „Berg- 
knappen" in  Karlsbad  7. — 10.  Juli  1811  gedichtet  sind,  hat  PescheU^T)  festgestellt.  — 

Eine  Charakteristik  H.  von  Kleists  108-112)  hatGnadn^)  in  populärer,  wirksamer 
Darstellung  entworfen.  Sehr  hübsch  sucht  er  die  Peitsche  im  „Käthchen"  zu  recht- 
fertigen, indem  er  in  dem  Aufbrausen  des  Gemütes  eine  Wallung  sieht,  die  ebenso  wie 
im  „Prinzen  von  Homburg"  plötzlich  in  den  Vordergrund  tritt.  Die  „Hermannsschlacht" 
macht  ihm  den  ungetrübtesten  Eindruck  von  Kleists  Werken.  —  Aus  der  Dresdener 
Abendzeitung  von  1823  citiert  Klee"*)  eine  äusserst  unfreundliche  Besprechung  der 
Weimarer  Aufführung  des  „Prinzen  von  Homburg"  vom  4.  Sept.  1823.  —  Eine  Stellung 
zu  seiner  Zeit  hatte  Kleist,  nach  Rifferts^^)  Ansicht,  überhaupt  nicht,  weil  sie  ihn 
nicht  beachtete.  Ich  kann  nicht  finden,  dass  Goethes  ungenaue  Titelangabe  „Der 
Wasserkrug"  etwas  Verächtliches  in  sich  schliesse.  —  Elchmann  i^'^)  versucht  die 
Konjektur  Sprengers  „blosses  Hemd"  (JBL.  1890  IV  4  :  27)  diu-ch  Hinweis  auf  v.  150 
des  „Guiscard"  zu  stützen,  wo  ebenfalls  „blosses  Hemd"  steht,  und  bestätigt  die  Inter- 
punktion in  der  „Hermannsschlacht"  I,  3  v.  251.  —  Der  Ausdruck,  „Helmstvu-z"  im 
„Käthchen"  I,  1  wird  von  Döhler^i^)  richtig  als  „Visier  des  Helms"  erklärt.  — 
Sprenger  11**)  entdeckt    in    der    Sprache    Kleists    manche    niederdeutsche  Elemente,  —r 

Unter  den  Dramatikern  der  Ne\izeitii9-i2ia)  jgt  hier  zuerst  Holtei  zu  nennen; 
sein  beliebtes  Lustspiel  „Sie  schreibt  an  sich  selbst"  ist  nach  Mitteilung  A.  Rosensi22) 
auf  dem  Wege  fiber  ein  französisches  Lustspiel  aus  dem  polnischen  Stücke  des  Grafen 
Fredro  „Mädchengelübde"  hervorgegangen,  ähnlich  wie  das  „Original-Lustspiel"  der 
Hedwig  Dohm  „Vom  Stamme  der  Asra"  aus  dem  Stücke  „Aus  Liebe  sterben"  von 
Marie  Saphir  (Alexander  Bergen)  entstand,  das  wieder  seinen  Ursprung  in  einem  eng- 
lischen Drama  hat.  —  Gutzkows  „Uriel"  ist  von  Back  123)  jn  seinen  liistorischen  Grund- 
lagen gezeichnet    worden.    —    Sein  Drama  „Werner    oder  Herz    und  W^elt",    verwandt 


23.  Sept.  (Samml.  v.  Briefen  v.  ii.  »n  K.)  Leipzig,  Brockliaus.  4«.  198  S.  M.  12,00.  l[Chuquet:  BCr.  82,  S.  .513/4;  BLÜ. 
S.  588—90;  C.  Fr.:  LZg».  N.  108;  G.  Weis.stein:  NZr.  N.525;  J.  Minor:  ADA.  18,  S.  381.]i  —  104)  E.  Stmter.  Freundes- 
briefe 7.  ThK.  Neue  ungedr.  Briefe  an  Kart  Schmid:  Post  v.  8.  u.  10.  Man.  —  105)  F.  Jonas,  ThK.8  Beziehungen  tu 
Berlin:  VZgS.  N.  50.  —  106)  H.  Bisch  off,  ThK.s  , Zriny"  nebst  e.  allgem.  UeberMcht  über  ThK.  als  Dramatiker.  Leip«ig, 
Fock.  90  S.  M.  1,50.  |LML.  60,  S.  736;  Qronzb.  IV,  S.  193;  J.  K.:  LZg".  N.  116;  J,  Minor:  ADA.  18,  S.  383.]i  —  107)  B. 
Posohel:  NFPr.  t.  24.  Apr.  —  108)  X  H.  v.  Kloist.  Ges.  Schriften.  Her.  v.  L.  Ticck,  rer.,  ergänrt  u.  mit  Einl.  vers.  t. 
J.  Schmidt.  Neue  Stereotyp-Ausg.  2  Bde.  Boriin,  Reimer.  XVI,  433,  644  S  M.  3,00.  —  109)  X  H.  v.  Kleist,  Hermanns- 
schlacht, her.  V.  K.  Windol,  s.  o.  I  7  :  41.  (dUrtlig.)  —  110)  X  R-  Sprenger.  Zu  Kleists  Prinzen  t.  Homburg:  ZDU.  5, 
S.  133,  207.  —  III)  X  R-  Sprenger,  Zu  Windeis  Ausg.  t.  Kleists  Hermannsschlacht:  ZDU.  5,  S.  483.  —  112)  X  E-  BUl«*  H- 
V.  Kleists:  DDichtung  9,  S.  253/4.  —  113)  E.  Onad,  H.  t.  Kleist:  Litt.  Essays  2.  verm.  u.  Tsrb.  Aufl.  Wi.  n,  Konegen, 
\I,  375  S.  5,00  M.  .S.  301—35.  |[0.  F.  Walzel:  AZg".  N.  292.]!  —  IM)  G.  Klee,  Urteile  über  d.  Primen  t.  Homburg  n.  Grill- 
parzers  Sappho:  ZDU.  5,  S.  419—20.  —  115)  J.  Riffe  rt,  H.  v.  KleisU  zeitgenössische  Stellung.  E.  Gedenkbl.  zu  d.  Dichters 
Xodest.:  LZg^.  N.  139.  —  116)  G.  Elchmann,  Zu  Kleists  Robert  Guiscard.  Zu  Kleists  Hermannsschiacht:  ZDU.  5,  S.  131. 
-  117)  H.  Döhler,  Zu  Kleists  Käthchen  1,1:  ib.  S.  60.  -118)  R.  Sprenger,  Z.  Sprache  H.  v.  Kleists:  ib.  S.  133.  -  119)  X 
R.  Benodii,  Haustheater.  Samml.  kleiner  Lustspiele  fUr  gesellige  Kreise.  Bd.  1.  10.  Aufl.  Leipzig,  Weber.  VIII,  572  S. 
W.  6,Ü0.  —  120)  X  A.  E.  Brachvogel,  Narciss.  E.  Tranersp.  7.  Aufl.  Jena,  Costenoble.  XVI,  80  S.  M.  1,20.  —  ßl)  X  D- 
Kaiisch,  Doktor  Peschke  odfcr  Kleine  Leute.  Posse  mit  Ges.  in  1  Aufz.  mit  Benutz,  d.  Javetier:  ÜB.  N.  2838.  Leipzig,  Reclam. 
40  S.  M.  0,2«.  —  I2la)  X  Dantons  Tod  v.  G.  Bttchner:  ML.  60,  S.  134.  (Notiz  über  Verurtei  untt  d  Bed.  Köster  wegen  Abdrucks.)  — 
122)  A.  Rosen,  Lust  piele  u. ihre  Schicksale:  NFPr. N.  9607.  —  l23)o.Back,  Elischaben  Abbja-Acher,  quelleumSss.  dargest.  Frank- 


IV  4:  124-132.  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  106 

der  „Stella",  ist  von  Heibig  ^24)  in  einer  oberflächlichen  Studie  über  das  Problem  des 
Grafen  von  Gleichen  in  der  Litteratur  erwähnt.  —  Die  Mitteilungen,  welche  Rodenberg  i^s^ 
aus  Dingelstedts  Nachlasse  machte,  sind  bereits  (JBL.  1890  IV  14  :  53)  gewürdigt 
worden,  Freundestreue  hat  sich  hier  über  das  Grab  hinaus  bewährt.  Der  allzu  liebe- 
vollen Charakteristik  Hessen  sich,  wie  A.  von  Weilens  Anzeige  andeutet,  wohl  dunklere 
Lichter  beimischen.  Der  Dramatiker  Dingelstedt  kommt  wiederholt  zu  Worte,  so  schon 
in  seinen  Tagebuchnotizen  von  1826:  R.  bespricht  das  verschollene  Drama  „Das  Ge- 
spenst der  Ehi'e"  (I,  S.  155)  mit  Beifügung  von  eigenen  Bemerkungen  des  Dichters,  die 
Travestie  der  „Genoveva"  Tiecks  vom  Jahre  1846;  II,  S.  95  werden  interessante  dra- 
matische Entwürfe  Dingelstedts  mit  Randbemerkungen  Ed.  Devrients  und  Hackländers 
mitgeteilt;  II,  S.  194  der  Prolog  zur  Bearbeitung  des  ,, Wintermärchens".  —  Eine  Bio- 
graphie des  talentvollen,  aber  zerfahrenen  Rob.  Giseke  hat  GottschalP^e^  gegeben. 
In  allen  seinen  Dramen  zeigt  sich  entschiedene  Kraft.  —  Sein  Drama  „Johann  Rathenow, 
der  Bürgermeister  von  Berlin"  (1854),  nach  W.  Alexis  gearbeitet,  fehlt  in  der  frag- 
wüi'digen  Studie  Friedrichs  ^27)  über  HohenzoUerndramen.  Der  Vf.  meint,  dass  wir 
uns  für  Dramen  des  Mittelalters  nicht  erwärmen  können ;  erst  von  1492  ab  können  vater- 
ländische Dramen  stofflich  fesseln.  Im  ,,Philotas"  „verewigte"  Lessing  E.  v.  Kleist. 
Die  Besprechung  der  Dramen  Reinhards,  Rambachs,  Fouques  usw.  ist  höchst  oberfläch- 
lich. An  Kleists  „Prinzen  von  Homburg"  wird  getadelt,  dass  ein  somnambuler  Prinz 
statt  eines  verwegenen  Reitergenerals  erscheint.  — 

Die  reichste  Gabe  des  Berichtsjahres  hat  Ad.  Stern  ^28^  im  Verein  mit  Erich 
Schmidt  durch  die  Gesamtausgabe  Otto  Ludwigs  ^28a)  (Jem  deutschen  Vaterlande  beschert. 
Im  ersten  Bande  entwirft  Stern  auf  Grundlage  sorgfältigster  Studien  ein  lebensvolles  bio- 
graphisches Bild,  das  uns  zum  ersten  Male  die  Entwicklung  des  zwischen  Musik  und 
Dichtung  schwankenden  Geistes  wiedergiebt.  ^29)  Auszüge  aus  den  Tagebüchern,  per- 
sönliche Erinnerungen  in  reicher  Zahl  geben  der  Arbeit  einen  besonderen  Wert.  Ftir 
die  ausgeführten  Dramen  im  vierten  Bande  konnten  die  Hss.,  die  jetzt  die  ihrer 
würdige  Stätte  im  Goethe-Schillerarchiv  gefunden  haben,  zum  Teil  verglichen  werden. 
Verv^oUständigt  werden  die  Mitteilungen  aus  den  Vorarbeiten  zu  den  ,,Makkabäem". 
Zum  ersten  Male  gedruckt  erscheint  „Hans  Frei",  Ludwigs  älteste  dramatische  Arbeit. 
So  gut  wie  unbekannt  geblieben  war  „Die  Rechte  des  Herzens".  Den  „Scherbenberg", 
die  dramatischen  Fragmente  im  fünften  Bande,  hat  Schmidt  mit  einer  Einleitung  be- 
gleitet, die  einen  Einblick  in  die  Werkstatt  des  Dichters  sowohl  wie  in  die  Mühen  des 
Herausgebers  bietet.  Ein  ruheloses  Umschaffen  tritt  als  das  Merkmal  Ludwigscher 
Arbeitsweise  zu  Tage.  Aus  den  Tagebüchern  lassen  sich  Pläne  wie  ,, Christus"  u.  a.  ent- 
nehmen. Abgedruckt  ist  das  bekannte  Vorspiel  ,,Die  Torgauer  Heide",  ferner  „Der  Jacobs- 
stab", „Der  Engel  von  Augsburg",  ergänzt  durch  das  neuentdeckte  Bruchstück  von  1859, 
,, Genoveva",  „Marino  Falieri",  „Die  Freunde  von  Imola",  ,,Die  Kaufmannstochter  von 
Messina"  und  „Tiberius  Gracchus".  Einen  Beitrag  dazu  bietet  der  sechste  Band  mit  Be- 
merkungen über  dramatische  Pläne,  wie  zum  „Tollen  Heinrich"  (S.  244),  ,, Marino  Falieri" 
(S.  238),  „Tiberius  Gracchus"  (S.  244).  Ludwigs  Gespräche  mit  Lewinsky,  zuerst  in  Edlin- 
gers  Litteraturblatt  abgedruckt,  hier  aber  erweitert,  sind  eine  ebenso  willkommene  Bei- 
gabe wie  des  Dichters  Briefe  an  Ed.  Devrient,  Gutzkow,  Julian  Schmidt  und  Auerbach, 
welche  zahlreiche  Bemerkungen  zu  den  dramatischen  Werken  enthalten.  Das  Verdienst 
Sterns,  den  fünften  Band,  die  kritischen  Schriften,  in  erster  Linie  die  Shakespeare- 
Studien,  sozusagen  neu  geschaffen  zu  haben,  kann  hier  nur  kurz  hervorgehoben  werden. 
Besonders  seien  auch  auf  einige  interessante  Besprechungen  aufmerksam  gemacht:  Törrings 
„Agnes  Bernauer"  (S.  342),  „Waise  von  Lowood"  (S.  351),  Wolfsohns  „Zar  und 
Bürger"  (S.  362  vgl.  6,  S.  373)  und  besonders  der  Ebner  „Maria  von  Schottland"  (S.  374). 
—  Jedenfalls  hat  diese  Meisterausgabe  ein  ganz  anderes  Verdienst  um  Ludwigs  Andenken 
als  zwei  Versuche,  die  unabhängig  von  einander  gemacht  wurden,  das  „Fräulein  von 
Scudery"  für  die  Bühne  zu  gewinnen.  Besonders  verfehlt  ist  E.  von  Wildenbruchs  i'^*) 
Gedanke,  den  Goldschmied  im  dritten  Akte  plötzlich  wieder  aufleben  zu  lassen,  während 
sich  W.  Buchholtz  1^2)  begnügt  hat,  d-en  fünften  Akt  teilweise  bei  Seite  zu  schaifen.  — 


fürt  a.  M.,  KanfPmann.  37  S.  M.  1,00.  -  124) P. Heibig,  Z.  Gesch.  d.  Problems  d.  Graf.  v.  Gleichen:  ML.  60,  S.  102/5, 120/2, 136/9.— 
125)  F.  Dingelstedt,  Blatter  aus  seinem  Nachl.  Mit  Randbemerkungen  v.  J.  Rodenberg.  2  Bde.  Berlin,  Gebr.  Paetel. 
Vn,  215  u.  V,  242  S.  M.  8,00.  |[W.ßr.:  ÄZg«.  N.  243;  H.  S.:  BLU.  S.  492;  A.  v.  Weilen:  DLZ.  13,  N.  34.]  |  -  126)  R.v.  Gott- 
schall, Robert  Giseke:  SchlesZg.  N.  52.  —  127)  Friedrich,  Über  HobenzoUom-Dramen.  Progr.  d.  Real.jmn.  Potsdam. 
40.  16  S.  —  128)  Otto  Ludwig,  Ges.  Schriften.  6  Bde.  (Her.  v.  Ad.  Stern  u.  Erich  Schmidt.)  Leipzig,  Grunow. 
319,  322,  648,  •i68,  411,  549  u.  460  S.  M.  28,00.  |[G.  E[lling6r]:  NZg.  v.  21.  MHrz;  HambNachrS.  N.  6 ;  AI.  Reif  ferse  heid: 
DWBl.  4,  S.  252;  SchwabKron.  v.  25.  März  u.  22.  Aug.;  DeutschZg.  N.  7009;  Bund  N.  272/3;  A.  Sauer:  DLZ.  14,  N.  ll.]|  — 
128a)  X  A.  Qoldschmidt,  Otto  Ludwig:  Zeitgeist  N.  11.  —  129)  X  Ad.  Stern,  Otto  Ludwig'in  Leipzig:  Grenzb.  I, 
8  3118  u.  81-90.  —  130)  X  E.  Schmidt,  Über  Otto  Ludwigs  dramatische  Entwürfe.  Yortr.  (Ref.):  VZg.  N.  195.  (ML.  60, 
S.  259—62.)  —  131)  Otto  Ludwig,  D.  Fräulein  v.  Scud6ry.  Schausp.  in  4.  Aufz.  bearb.  v.  E.  y.  Wildenbruch.  |  [  0.  Brahm: 
FrB.  2,  8.  71;  L.  Hevesj:  FremdonBl.  N.  6;  Harden:  Gegenw.  39,  S.  61/3;  FZg.  N.  7;  M.  Kont:  Nation^.  8,  S.  269; 
M.  Bernstein:  MOnchNN.  44,  N.  17;  L.  Speidel:  NFPr.  N.  9475.j|    —    132)   D.  Fräulein  v.  Scudöry.     Schausp.    in  4  Aufz. 


107  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  4:  I88-155. 

Lassalle  als  Dramatiker  ist  ein  Aufsatz  E.  Bernsteins*''*)  gewidmet.  In 
einem  Briefe  vom  H.  März  Iböü  spricht  er  sich  tiber  seinen  Plan  „Franz  von  Sickingen" 
aus;  es  sei  ein  Stoff,  der  ihn  bei  der  Lektüre  Huttens  mit  unwiderstehlichem  Zwange 
zur  Bearbeitung  hingerissen.  Ein  grösserer  Aufsatz,  nur  für  Freunde  bestimmt,  zeigt, 
wie  unmittelbar  er  durch  das  Drama  in  die  bewegenden  Fragen  der  Zeit  eingreifen 
wollte.  Sickingen  ist  der  scheinbar  kluge  Revolutionsführer,  der  die  geistige  Bewegung 
auszunutzen  versteht  und  immer  mit  den  vorhandenen  Mitteln  rechnet.  So  steht  er 
Hütten  im  dritten  Akte  unendlich  überlegen  gegenüber;  aber  mit  dieser  Einschränkung 
hat  er  auch  zugleich  die  Grösse  der  Idee  aufgegeben  und  muss  unterliegen.  „Die 
meisten  Revolutionen  sind  au  dieser  Klugheit  gescheitert.  Die  grosse  iranzösische  Re- 
volution von  1792  siegte  nur  dadurch,  dass  sie  verstand,  den  Verstand  beiseite  zu 
setzen."  Eine  solche  Verschuldung  des  Helden,  die  zugleich  sittlich  und  intellektuell 
ist,  scheint  bei  Lassalle  den  tiefsten  tragischen  Konflikt  zu  bilden.  Im  fünften  Akte  er- 
kennt Sickingen  seinen  Irrtum  und  schreitet  zur  sühnenden  That.  „Mit  einem  Fuss- 
tritte  seine  diplomatischen  Bedenklichkeiten  und  Listen  hinwegschleudemd,  spielt  er  sich 
und  das  Land  jetzt  auf  Schwertesspitze.  Aber  nun  ist  es  zu  spät  und  muss  es,  der 
tragischen  Idee  nach,  zu  spät  sein."  In  der  grossen  Scene  des  fünften  Aktes  steht 
Balthasar  dem  Sickingen  ebenso  überlegen  gegenüber,  wie  dieser  im  dritten  Akte  Hütten.  — 
Geibel  als  Dramatiker  findet  in  einer  überaus  sorgsamen,  von  reicher  Litteratur- 
kenntnis  des  Vf.  zeugenden  Studie  Andraes  ^^*)  über  den  Sophonisbestoff  Erwähnung 
und  besondei'e  Anerkennung.  —  Hans  Herrig  136)  hat  einen  orakelnden  Apostel  in 
Fokke  136)  erhalten.  Für  F.  spiegelt  sich  in  Herrig  der  ganze  Geist  der  Zeit  ab,  der 
sich  in  der  Versöhnung  der  uns  aus  der  Vergangenheit  überkommenen  Gegensätze 
charakterisieren  soll;  Ibsen '37-138^  dagegen  und  seine  Nachbeter  treiben  in  Deutschland 
„Zolaismus".  Der  Vf  bespricht  die  Epen  „Die  Schweine"  und  „Der  dicke  König",  die 
Dramen  „Nero",  ,, Jerusalem",  „Der  Kronprinz  Alexander",  die  nationalen  Stücke 
„Konradin",  ,, Friedrich  Barbarossa"  und  den  ,,Columbus".  —  Ein  neues  Trauerspiel 
J.  V.  Widmanns  analysirt  H.  Feuerbach  139).  Er  bezeichnet  die  Verknüpfung  der 
Philoktetsage  mit  der  Oenonesage  als  freie  Erfindung  des  Dichters;  da  ist  ihm  aber 
jedenfalls  A.  Frh.  v.  Berger  in  seinem  einaktigen  Drama  „Oenone"  schon  längst  voraus- 
gegangen. —  E.  Wiehert  ist  zu  seinem  60.  Geburtstage  von  vielen  Seiten  sympathisch 
begi'üsst  worden  1*0— 143).  —  Wildenbruchs  i^*)  „Neuer  Herr^'  wurde  von  Tschirch^^^) 
und  G.  Winter  14^)  auf  seine  historischen  Grundlagen  untersucht.  —  Aus  den 
Artikeln  der  ADB.,  welche  sich  mit  d'eutschen  Dramatikern  der  Neuzeit  beschäftigen  i*'-***), 
istrülim.end  die  Biographie  Ludwig  Schneiders   von  Wippermann  i^o)  herauszxxheben. — 

Aus  dem  Kreise  Bäuerles  stammen  einige  von  Schlossar  i^i— 1^3)  behandelte 
österreichische  Dramatiker:  C.  J.  Schröckinger,  den  der  Vf.  in  Uebereinstimmung 
mit  Goedeke  als  höchst  begabten  Bühnendichter  schildert,  und  Andreas  Schumacher, 
dessen  dramatische  und  besonders  theaterkritische  Thätigkeit  noch  eingehendere  Beachtung 
verdienen  würde.  Dasselbe  gilt  auch  von  J.  G.  Seidl,  der  allerdings  für  das  Theater 
eine  geringe  Bedeutung  hat.  Ein  durch  die  politischen  Verhältnisse  unterdrücktes  Talent 
ist  Tobias  Gottfried  Schröer  (Oeser),  dessen  grosse  Begabung  für  das  Lustspiel  Brum- 
mer 154)  hervorhebt.  — 

Zum  Briefwechsel  Halms  undEnks  von  der  Burg  bieten  die  von  Schachingeri^) 
vorgelegten  Briefe  des  letztgenannten  an  Ferd.  Wolf  eine  willkommene  Ergänzung.  Enk 
urteilt  über  Halm:  ,,Erst  so  lange  ich  an  der  Entschiedenheit  seines  Talents  und  Kunst- 
berufs zweifelte,  war  er  mir  sehr  gleichgültig.  Später  hat  er  sich  mir  als  sehr  zuver- 
lässig gezeigt,  ich  habe  jetzt  eine  Verpflichtung  gegen  ihn,  und  sein  Talent  ist  entschieden. 
Eins  braucht  er  noch,  Sicherheit  —  und  Reflexionstiefe  eines  grossen  Schmerzes  bedürft« 
er  oder  einer  ernsten  Leidenschaft  Und  bald!  Weiss  Gott,  ich  würfe  ihn  der  Kunst 
zuliebe  hinein,  bis  nahe  ans  Aufhängen."  Viel  wii'd  mit  Wolf  über  die  Lope-Studien 
verhandelt.  — 


V.  0.  Ludwig.  Neu  bearb.  fUr  d.  Btthne  t.  W.  Buohholz.  |[M.  Bernstein:  MOnohNN.  N.  17;  KZg.  N.  30.]1  —  BS) 
E.  Bernstein,  Lassalle  über  d.  Grundidee  s.  „Franz  r.  Sickingen":  NZeit  9,  II,  S.  588 — 97.  —  134)  A.  Andrae,  Sopbonisbe 
in  d.  franz.  Litt,  mit  BerOcksicbt.  d.  Sopbonisbe-Bearb.  in  anderen  Litt.:  ZFSL.  Snppl.-Hft.  6.  Berlin,  Oronaa.    114  S.   M.  3,00. 

—  135)  X  H.  Herrig,  Ges.  Scbriften.  Bd.  1.  Luther.  E.  kirohl.  Festp.  21.  Aufl.  Berlin,  Lnckhardt  XIV,  82  S.  M.  1,80.-138) 
A.  Fokke,  Über  H.  Herrig.  Progr.  Wilhelmshaven.  Emden,  Haynel.  40  S.  M.  0,75.  —  137)  X  O  6-  Brandes.  H.  Ibsen 
u.  seine  Schule  in  Deutschland:  FZg.  1,  4,  10,  15.  —  138)  X  Eugen  Wolff,  Sardou,  Ibsen  u.  d.  Zukunft  d.  dtsch.  Dramas. 
(=  Dtsch.  Schriften  für  Litt.  u.  Kunst.  Hft.  1.)  Kiel,  Lipsins  &  Tischer.  40  S.  H.  1,00.  ][BLU.  S.  542.]|  —  139)  H.  Feuerbach, 
E.  neues  Trauerspiel:  AZg.  N.  145.  —  140)  X  E.  Wiebert  als  Theaterdichter:  DBUhneng.  N.  11.  —  141)  X  F.  t.  Zobeltitx, 
E.  Wichort.  Zu  s.  60.  Geburtst.  11.  Hftrz:  ML.  60,  S.  164/5.  —  142)  X  £•  Rosen feld,  E.  Wiehert  E.  GedenkbL  zu  seinem 
60.  Geb.:  Didaskalia  N.  58.  —  143)  X  0.  Neumann-Hof  er,  E.  Wiehert.    E.  Gruss  xu  seinem  60.  Geb.:  BerlTBl.  r.  10.  Xlrx. 

—  144)  X  Pahncke,  Wildenbruch  als  Dramatiker:  DEBU.  16,  S.  113,  172.  —  145)  0.  Tschiroh,  ,D.  neue  Herr'.  E.  hiat 
Studio:  BerlTBl.  v.  10.  Apr.  —  146)  G.  Winter,  „D.  neue  Herr"  auf  seiner  gesch.  Grundlage:  ÜZ.  I,  S.  227—38.  —  147)  X 
Hackermann,  G.  J.  W.  Schnitter:  ADB.  32,  S.  75.  —  148)  X  F.  BrUmmer,  Bemh.  Scholl:  ib.  S.  227,'8.  —  149)  X  id., 
Wilh.  Schumacher:  ib.  33,  S.  38/9.  —  150)  H.  Wippermann,  Ludw.  Schneider:  ib.  32,  S.  134-42.  —  151)  A.  Schlossar, 
C.  J.  Schröckinger:   ib.  S.  501/2.  —  152)  id.,  Andr.  Schumacher:   ib.  33,  S.  29—30.   —   153)  id.,  .loh.  Gab.  Seidl:   ib.  S.  633  9. 

—  154)  F.  Brttmmer,  Tob.  tiottfr.  Sohröer:  ib.  32,  S.  551/3.    —    155)  R.  tiehaohinger,    U.  Enk  t.  d.  Barg  an  Ferd.  WolL 


IV  4:  156-168.  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  108 

Die  Veröffentlichung  von  Hebbels  Briefwechsel  hat  noch  andere  Arbeiten  nach 
sich  gezogen  166-158).  Gr.  Karpeles  1^9)  hat  im  Anschluss  daran  das  Verhältnis  Hebbels 
und  Heines  gezeichnet.  Auch  so  grundverschiedene  Naturen  begegnen  sich,  besonders 
in  der  Auffassung  der  Judith,  wie  Heines  Interpretation  eines  Gemäldes  von  Horace 
Vernet  zeigt.  Hebbels  Freundschaft  steigt  und  sinkt,  je  nach  der  Anerkennung,  die 
ihm  Heine  zollt;  sie  vereinen  sich  im  Hass  gegen  Gutzkow.  K.  hat  eine  Stelle  aus 
einem  Briefe  Heines  an  A.  Meissner  in  seiner  Ausgabe  des  Heineschen  Briefwechsels 
wegen  eines  allzu  schroffen  Urteils  über  Bamberg  unterdrückt.  Auch  die  Politik  gewann 
für  Hebbel  eine  poetische  Seite,  wie  seine  Artikel  für  die  Augsburger  Allgemeine 
Zeitung  beweisen  i^'O).  Er  sollte  Redacteur  der  Wiener  Donavizeitung  werden;  er  war 
der  Sprecher  der  Deputation,  die  1848  dem  Kaiser  in  Innsbruck  die  Adresse  der 
Stadt  Wien  überreichte.  Immer  schrieb  er  enthusiastisch  für  die  Verbindung  Oester- 
reichs  und  Deutschlands  und  trat  den  slavischen  Sonderbestrebungen  entgegen.  —  Einer 
neuen  Ausgabe  der  Werke  Hebbels  durch  Krumm  i^i)  weist  R.  M.  Werner  grobe 
Fehler  in  der  Textgestaltung  nach.  —  Eine  persönliche  Begegnung  mit  Hebbel  schildert 
S.  Schlesinger  162)  sehr  anziehend,  der  als  junger  Bursche  ein  mit  Nissel  gemeinsam 
verfasstes  Trauerspiel  dem  Dichter  überreichte.  Hebbel  erklärt  eine  dramatische  Compagnie- 
arbeit  für  ebenso  unmöglich,  wie  dass  sich  zwei  Männer  zusammenthun  könnten,  um 
ein  Kind  in  die  Welt  zu  setzen.  —  Hier  möge  auch  ein  Aufsatz  M.  Burckhards  i^"^) 
über  die  modernen  Bearbeitungen  der  Sigfriedsage  Erwähnung  finden,  der  Raupach, 
Geibel,  Hebbel,  Wilbrandt,  Jordan  und  Wagner  höchst  oberflächlich  im  Gymnasiasten- 
stile mit  allerlei  allgemeinen  Moralisationen  behandelt.  — 

Zwölf  Bände  Nestroy!  16*-165)  Drei  Bände  Raimund!  i^e-ies)  Schon  diese  Zu- 
sammenstellung lässt  Bedenken  gegen  eine  in  diesem  Masse  durchgeführte  Veröffent- 
lichung der  Nestroyschen  Dramen  natürlich  erscheinen.  Eine  Volksausgabe  konnte 
schon  wegen  des  solchem  Umfange  entsprechenden  Preises  nicht  geschaffen  werden, 
und  dem  Kenner  erwächst  aus  der  von  den  Herausgebern  allzu  eilfertig 
unternommenen  Arbeit  nur  die  volle  Ueberzeugung,  dass  die  überwiegende  Mehrzahl 
von  Nestroys  dramatischen  Arbeiten  Dutzendproduktionen  sind;  er  wird  der  eintönig 
wiederholten  Situationen,  des  aus  der  sichtbaren  Ferne  sich  nähernden  Wortwitzes  herzlich 
müde.  Einzelne  zu  ihrer  Zeit  ganz  abgefallene  Possen,  von  denen  der  Autor  selbst  nie  mehr 
etwas  wissen  wollte,  werden  da  vor  den  kritischen  Richterstuhl  der  Nachwelt  gestellt, 
während  doch  eine  Reihe  Nestroyscher  Arbeiten  in  dieser  „Gesamtausgabe"  nicht  zu  finden 
sind.  So  z.  B.  der  „Tod  am  Hochzeitstage",  „Moppels  Abenteuer";  andererseits  ist  die  Zu- 
gehörigkeit eines  Stückes  wie  ,,Der  gemütliche  Teufel"  sehr  zweifelhaft.  Und  wo  bleibt 
die  ausgezeichnete  Tannhäuserparodie?  Ein  Prinzip  für  die  Anordnung  existiert  nicht; 
bunt  sind  die  Stücke  durcheinander  geworfen,  sogar  die  Jahreszahlen  sind  nirgends 
beigesetzt.  Eine  Auswahl  hätte  hier  bessere  Dienste  geleistet,  so  interessant  und 
dankenswert  auch  manches  erscheint.  In  letzter  Stunde  ist  Neck  er  eingetreten,  um  die 
versprochene  Biographie  für  den  zwölften  Band  zu  liefern.  Mit  diesem  Umstände  muss 
man  rechnen,  um  das  Geleistete  anzuerkennen.  Dass  N.  untersuchen  kann,  zeigt 
die  vortreffliche  Besprechung  des  „Lumpaci",  der  ein  Jahr  vor  dem  ,, Verschwender" 
auf  der  Bühne  erschien ;  so  erledigen  sich  die  Ansichten  über  seine  angebliche  parodistische 
Tendenz.  Aus  Nestroys  Tagebüchern,  aus  Censurbemerkungen  und  Direktionsakten  wird 
fleissig  geschöpft.  Ein  volles  Bild  konnte  nicht  entstehen:  es  fehlt  jeder  Versuch  einer 
Quellenuntersuchung,  es  fehlt  vor  allem  der  Unterbau,  der  nur  auf  der  Geschichte  der 
Wiener  Posse  aufzuführen  wäre.  Dass  der  Vf.  sich  vielfach  auf  Zeitungsberichte  stützt, 
ist  nicht  zu  beanstanden,  wohl  aber,  dass  die  Bäuerlesche  Theaterzeitung  fast  seine 
ausschliessliche  Quelle  ist  und  dass  Zeitschriften  wie  der  ,, Humorist"  des  Witzbolds 
Saphir,  der  auch  als  Seitenstück  Nestroys  im  damaligen  Wien  für  Nestroys  litterarische 
Persönlichkeit  wohl  zu  beachten  wäre,  unberücksichtigt  bleiben.  Auch  in  einzelnen 
Angaben  fehlt  es  nicht  an  Irrtümern,  die  sich  leicht  weiterverpflanzen.  „Die  Gleichheit 
der  Jahre"  (S.  150)  wurde  nicht  am  5.  Dez.  1834,  sondern  am  8.  Okt.  zum  ersten  Male 
aufgeführt.     Von  „Zampa"  fand  die  Erstaufführung    am    22.    Juni    1832    statt;    die   des 


E.  Beitr.  z.  Gesell,  d.  dtsch.  Litt.:  ZOG.  42,  S.  577—82.  —  156)  X  M.  Koch,  Hebbels  Briofweclisol  (JBL.  1890  IV  4:  134): 
LCBl.  N.  22.  —  I57j  X  0.  E,  Hartleben,  F.  Hebbel  u.  Elise  Leiising:  Zeitgeist  v.  26.  Jan  —  158)  X  Fechner,  Hi^bbels 
Leben  u.  Dichten:  SchlZg.  N.  229—32.  —  159)  G.  Karpeles,  Hebbel  u.  Heine:  FZg.  N.  106/7.  —  160)  F.Hebbel  als  Politiker: 
AZgB.  N.  292.  —  161)  F.  Hebbel,  Säintl.  Werke  (her.  v.  J.  II.  Krumm).  Neue  Ausg.  in  12  Bd.  Hamburg,  Hoffmann  &  Campe. 
1  Hlbbd.  128  S.  M.  0,50.  |  [J.  R. :  LZg«.  N.  116;  F.  Lemmermayer:  BLU.  S.  675;  E.  M.  Werner:  DLZ.  13,  N.  28.]|  - 
162)  S.  Schlesin  ger,  Zwei  Besuche  bei  F.  Hebbel :  Bohemia  N.  83.  (Auch  in  Wittmanu  u.  Band,  Wiener  KBnstler- 
decaraerone.  Wien,  Bergmann.  384  S.  Fl.  3,00.  S.  359—63.)  —  163)  M.  Burckhard,  Moderne  Bearbeitungen  d.  Sigfricd- 
Sage:  AZg».  N.  227/8.—  164)  J.  Nestroy,  Ges.  Werke,  her.  v.  V.  Chiavacci  u.  L.  Gangbofer  (vgl.  1890 IV  4  :  107).  Bd.  6—12. 
Stuttgart,  Bonz.  306,  298,  246,  287,  221.  258,218  S.  d.  Bd.  M.  8,00.  j  [F.  Kummer:  BLU.  S.  102/3,  362.] i  (Im  Bd.  12.  Biographie 
Nestroys  v.  M.  N  ecker.)  -  165)  X  M.Necker,  Nestroy-Studion:  AZg».  N.  216/7.  —  166)  X  F- ßain»»u<l,  Dramat.  Werke,  her.  v. 
C.  QlosBy  u.  A.  Sauer.  2.  Aufl.  3  Bde.  Wien,  Koncgen.  Vll  u.  380,  III  u.  380,  III  u.  324  S.  M.  6,00.  |[F.  Mauthuer: 
ML.  60,  S.  380/2.JI  —  167)  X  A.  MUller-Guttenbrunn,  Raimunds  Bauer  als  Millionllr:  DeutsohZg.  N.  7160.  —  168)  X  F-  Vogel, 


109  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  rv  4:  i69-i80. 

„Lumpacivajjjabundus"  am  11.  April  1833,  nicht  10.  April.  Das  unmittelbare  Vorbild 
dieses  Stückes  fvgl.  S.  133,  Anm.),  „Schnoidor,  Sciilosser  und  Tischler",  ist  von  Gleich, 
Raimunds  Schwiegervater,  verfasst,  Nidezki  ist  nur  Komponist  — 

Persönliche  Erinnerungen  an  Buuernfeld  teilt  Ad.  Stern  im-170j  mj^^ 
charakteristisch  ist  des  Dichters  Missmut  bei  der  Arbeil  der  Shakespeareübersetzung, 
die  or  als  blosses  Handwerk  trieb.  — 

Der  Ausgabe  Anzengrubers  "'■^'')  hat  Bettelheim  "•)  die  Biographie  folgen 
lassen.  So  rasch  sie  entstanden  ist,  giebt  sie  doch  ein  treues  Bild  inid  macht  dem 
Freund  wie  dem  Schriftsteller  Ehre.  Aus  persönlichem  Verkehre  und  hs.  Aufzeichnungen 
schöpfend  giebt  B.  ein  Lebensbild,  das  durch  eine  ausführliche  Charakteristik  des 
Vaters''''')  eingeleitet  wird.  Die  bitteren  Komödiantenjahre  zeitigen  doch  eine  Frucht 
wie  4ie  satirisch-politische  Komödie  ,, Mephisto",  von  der  Fragmente  gebracht  werden, 
und  d«!n  parodistischen  ,,Raub  der  Sabinerinnen".  Der  erste  Gedanke  des  „Pfarrer 
von  Kirchfeld"  wird  ihm  durch  seine  Kollegen  entgegengebracht;  hübsch  weist  B.  den 
Zusammenhang  dieses  Dramas  mit  der  geistlichen  Bewegung  in  Oesterreich  nach.  Aus 
der  äusserlich  ruhigen  Wiener  Zeit  tritt  ein  Plan  ,,Timon"  neu  hervor.  Eingestreut 
sind  zahlreiche  Briefe,  die  in  ihren  bald  markigen,  bald  milden  Tönen  manchmal  an 
Luther  gemahnen.  Wenn  man  ein  Bodenken  geltend  machen  darf,  so  richtet  sich  dies 
gegen  die  vom  Vf.  nach  französischem  Vorbilde  durchgeführte  Dreiteihnig:  „Der  Mann 
—  Sein  Werk  —  Seine  Weltanschauung";  es  entstehen  daraus  kleine  Unregelmässig- 
keiten wie  in  der  Besprechung  des  „Pfarrer  von  Kirchfeld".  Die  litterarische  Charakteristik 
ist  eine  vortreffliche.  Otto  Ludwig  wird  oft  herangezogen,  das  schauspielerische  Moment 
nachdrücklich  hervorgehoben.  Ausgezeichnet  ist  auch  der  Ausblick  auf  die  Geschichte 
der  Wiener  Volksbühne.  Dass  der  Vf.  sich  sein  ruhiges  Urteil  bewahrt  hat,  zeigen 
seine  Aeusserungen  über  die  nicht  immer  sichere  Technik  der  Scenenfühi'vnig  und  die 
Schwäche  des  Gegenspiels;  auch  fiel  ja  auf  Anzengrubers  glänzendes  Können  zuweilen 
der  leichte  Schatten  einer  gewissen  Roheit,  so  z.  B.  in  dem  falschen  Geständnis  der 
Gattin  in  den  „Kreuzelschreibern",  noch  mehr  aber  in  einer  vor  Jahren  in  einem  Wiener 
Blatte  veröifentlichten,  geradezii  brutalen  Erzählung,  in  welcher  der  Gatte  sein  Weib  ver- 
stösst,  weil  sie  als  Kind  unschuldig  das  Opfer  eines  W^üstlings  geworden.  —  Im 
Freundeskreise  Anzengiiibers  tritt  Rosegger  ^''S)  besonders  hervor;  dieser  hat  auch 
selbst  über  seine  persönlichen  Beziehungen  zu  dem  Wiener  Dichter  Mitteilungen  gemacht''''*), 
die  mit  zahlreichen  Stellen  aus  Briefen  geschmückt  sind.  Auf  den  Vorwurf,  seine 
Gestalten  seien  zu  Anzengruberisch,  erwidert  Anzengruber  einmal  kurz:  „Ich  schaffe  sie 
so,  wie  ich  sie  brauche!"  —  Aus  geschäftlicher  Verbindung  entwickelt  sich  ein  inniger 
Verkehr  mit  dem  Buchhändler  Rosner  i''ö),  der  in  seinen  , Erinnerungen"  auch  Manches 
über  die  Bühnenschioksale  der  Dramen  beibringt,  so  z.  B.  (S.  38)  den  Rohstoff  des 
„Vierten  Gebots".  Anzengruber  lehnt  es  ab,  Korrekturen  eines  älteren  Stückes  für  den 
Druck  zu  lesen:  „Ich  komme  heraus,  so  bald  ich  eine  ältere  Melodie  in  meine  neue 
spielen  höre."  —  Für  die  Gedanken  des  „Vierten  Gebots"  findet  R.  M.  Werner'^)  Ana- 
logien bei  Abraham  a  St.  Clara.  — 

Nicht  viel  zu  berichten  ist  fiber  das  Volksschauspiel  •ö3-i8ßa^-  zu  Worms 
wurde  ein  Festspiel  von  Henzen  „Die  heilige  Elisabeth"  auf  dreigeteilter  Bühne  auf- 
geführt i^'^-i^'^).  —  Die  schauspielerische  Thätigkeit  der  Laufner  Schiffer  hat  R.  M. 
Werner  1**^)  zum  Gegenstand  einer  LTntersuchung  gewählt.  Höchst  interessant  sind  die 
Aktenauszüge,  die  sich  kritisch  über  die  wanderndeii  Truppen  und  ilu*e  Berechtigung 
äussern.  Das  Repertoir  der  Spieler  umfasst  neben  neueren  dramatischen  Erzeugnissen 
auch  Reste  der  Haupt-  und   Staatsaktion,   wie   der  „Johann    von  Nepomuk"    zeigt,    der 


t 


Baimund-Donkmal :  KunstfAlle  6,  S.  77.  —  169)  Ad.  Stern.  E.  r.  Bauornfpld:  WIDM.  70.  S.  194-211.  —  170)  X  B.  Stern, 
Erinn.  an  Bnuotnfeld:  NorddAZp.  N.  37'J/4.  — 171)  X  L-  Anzenp-uber,  D.  vierte  Gebot.  Volksst.  2.  Aufl.  Stuttgart,  Colt«.  104  S. 
M.  2,40.  -  172)  X  '^-  Anzengruber,  D.  Meineidbauer.  Volks.st.  m.  Gesang.  3.  Aufl.  ebda.  98  S.  M.  3,00.  —  173)  X 
P.  Sclilenther,  Anzengrubors  „Doppelselbstmfird":  FrB.  2,  S.  2fi4  (i.  —  174)  X  *'•  Necker,  L.  Anzengruber:  Grentb.  II, 
8.  34—49.  —  175)  X  A.  Bett  ellieim ,  Anzen^rriibcr  u.  d.  Bur^lhoator:  AZg.  N.  177.  —  176)  id..  L.  Anzengruber.  (=  FOhrende 
Geister.  H*r.  v.  A.  Bettelheim.  Bd.  3.)  Dr-sd.'n,  Eblormann.  245  S.  M.  2.00.  |[0.  Brahin:  FrB.  2,  8.  41/4; 
A.  SchloKsar:  ULI".  S.  124;  Erich  Schmidt:  DLZ.  12.  N.  10.1|  -  177)  X  J-  Anzengruber.  Berthold  Schwan,  Trauer- 
sviel.  (=  DIsch.-Osterr.  Nat.-Bibl.  93'5.)  127  S  »I.O.(iO).  f[N»ti  n».  8.  S.  6H9.]  -  178)  P.  K.  Rogegger,  Erinn.  an  L.  Anzengruber: 
ML.  60,  S.  1-2  u.  117—20  (Vgl.  BerlTBl.  v.  0.  ,Jiin.)  —  179)  L.  Bosnor,  Erinn.  an  Anzengruber.  Leipzig,  Klinkhardt  120. 
61  S.  M.  1,20.  llErich  Schmidt:  DLZ.  12.  S.  349-52;  Orenzb.  I.  S  480;  A.  Schlossar:  BLU.  S.  124.1|  —  180)  R.  M. 
Werner,  Anzengruber  u.  d.  Kanzel:  ML.  «0,  S.  i;H2,'4.  —  181)  X  E.  Madich,  D.  Tragödie  d.  Menschen,  Obers,  v.  Lndw. 
Döozi.  Stuttsmrt,  Coita.  200  S.  M.  4,00.  |[AZg".  N.  110;  DBllhneng  N.  25.)|  (Musterhaa)  —  182)  X  Mad4ch. 
D.  Tragödie  d.  Menschen  libers.  t.  A  v.  Sponer.  Leipzig,  Wignnd.  XXVI.  181  S.  M.  3,00.  [J.  Minor:  DLZ.  12,  N.  44. 
(Kurze  Charakteristik.)]!  —  183 1  X  A.  R..  ,Gu>tav  Adoll^  v.  0.  Devrient.  Neues  Volksschansp.  in  Jena:  AZg.  N.  212.  —  184)  X 
F.  Meyer,  D.  Sfrnlauer  Fisthzng  auf  d.  Berliner  Opernbuhne  u.  d.  Dichter  Jul.  v.  Voss:  Bar  17.  S.  607—10  u.  623  4.  —  I8S) 
X  E.  Schloz,  n.  Meistertrunk  zu  Rothenburg.  E.  Sang  v.  d.  Tauber.  Rothenburg.  Trenkle.  12«.  X,  52  S.  M.  0,50.  —  186) 
X  J-  Stutz,  n.  Luftschlösser.  LHst^p.  iu  Zfrcher  Mundart.  Neue  Ausg  (=  Schweizer  Volksbühne  N.  2.)  St  Gallen.  28  S. 
M.  0,50.  186a)  (.IV  5  :  28.)    —  187)  X  F.  Soldan.  D.  Volksschauspiel  in  Worms:  AZg.  N.  133.    —    188)  X  S.  C.   D.  heil. 

Elisabeth  im  Festspielhuuse  zu  Woims:  HambNachrg.  N.  40.  iVgl.  DBnhnengm  N.  2t.)  —  188)  R.  M.  Werner,  D  Laufner 
Don  Juan.  S.  o.  III  4  :  :>2.    [E.  Kiliaii:  AZgB.  N.  ItS;  A    v.  Weilen:  Dl.Z.  13.  N.  21;  Tgl.  B.  M.  Werner:  DLZ.  13,  N.  30.J| 


IV  4:  190-223.  A.  V.  Weilen,  Drama  des  18./19.  Jahrhunderts.  110 

sich  an  den  Weissschen  Text  anlehnt.  Zur  Bestimmung  der  aufgeführten  Stücke  hat 
Weilens  Recension  einiges  beigebracht,  Werner  selbst  hat  nachträglich  das  Drama 
„Hunrich  und  Heinrich"  als  identisch  mit  dem  ,, Rechtmässig  gestraften  Heinrich"  erkannt, 
der  im  Nürnberger  Repertoir  1710  erwähnt  ist.  Abgedruckt  ist  der  „Don  Juan".  Nach 
W.s  Erörterungen  geht  er  auf  die  Wiener  Haupt-  und  Staatsaktion  zurück  und  bietet 
einen  getreueren  Text  als  die  Puppenspiele.  — 

Einen  Beitrag  zur  Dramaturgie  der  Operi90-i9i)  liefert  das  encyklopädische 
Werk  Neitzels  ^92)^  (Jas  in  den  vorliegenden  Teilen  Gluck,  Mozart,  Beethoven,  die 
musikalische  Romantik,  Kreutzer,  Lortzing,  Nicolai  undMotow  umfasst.  —  Einen  berühmten 
deutschen  Musiker  des  18.  Jh.,  Anton  Schweizer,  den  musikalischen  Bearbeiter  der 
Wielandschen  „Alceste"  hat  Schletterer  1^3)  unter  Beigabe  eines  Verzeichnisses  seiner 
Werke  behandelt.  —  Die  Feier  der  hundertsten  Wiederkehr  von  Mozarts  Todestag  fand 
ihr  Echo  in  zahlreichen  populären  Aufsätzen  und  Brochüreni94-200^^  unter  denen  wohl 
nur  die  Arbeiten  von  Marsop^oi)  und  Welti202)  (Jen  Versuch  machen,  neue  Gresichts- 
punkte  in  der  Beurteilung  des  Künstlers  zur  Geltung  zu  bringen 203). — ^^^f  einem  teil- 
weise neuen  Aktenmaterial  fusst  Engls^o*)  Darstellung  der  Familiengeschichte  und  des 
Salzburger  Aufenthaltes.  —  Für  den  berühmten  Liebesbrief  Beethovens 205 j^  (Jer  in 
neuerer  Zeit  vielfach  umstritten  war,  hat  A.  C.  Kalischer  ^o^)  mit  voller  Berechtigung 
wieder  die  Gräfin  Guiccardi  als  Adxessatin  namhaft  gemacht  und  ihn  in  das  Jahr 
1801  oder  1802  verlegt.  —  Aus  den  Konversationsbüchern  Beethovens  hat  Kalischer  207) 
Unterredungen  mit  Gerhard  von  Breuning  mitgeteilt,  dem  Beethoven  die  Spitznamen 
,, Ariel"  und  „Hosenknopf"  beilegte,  um  die  Anhänglichkeit  des  Knaben  zu  kennzeichnen. 
Unter  ,,Pischtien",  das  K.  mit  einem  Fragezeichen  versieht,  ist  jedenfalls  das  ungarische 
Bad  Pisztyan  gemeint.  • —  Fortschritte  hat  die  JBL.  1890  IV  4  :  139  gewürdigte  Ausgabe 
von  Operntextbüchern  C.  F.  Wittmanns208-2io^  gemacht:  er  bringt  in  sorgfältig  gereinigtem 
Texte  Webers  ,,Oberon",  hier  nach  der  Uebersetzung  Heils  kürzend  und  zusammen- 
ziehend, so  dass  eigentlich  eine  Bearbeitung  entstanden  ist.  Der  Textdichter  Planche 
benutzt  Wieland  mit  Zusatz  Shakespearescher  Elemente.  Ferner  die  „Jüdin",  wo  der 
Text  Scribes^ii)  nach  Lichtensteins  und  der  Ellmenreich  Uebersetzung  wiedergegeben 
ist,  undLortzings2i2)  ,, Wildschütz".  Die  letztgenannte  Ausgabe  bringt  zum  ersten  Male 
eine  nachkomponierte  Arie  des  zweiten  Aktes.  —  Meyerbeers  Leben  ist  durch  Kohut2i3^ 
in  populärer  anekdotenhafter  Darstellung  erzählt  worden;  auch  sonst  wurde  des  Kom- 
ponisten 100.  Geburtstag  zur  Abfassung  von  Artikeln 21^-^16)  benutzt,  in  denen  ebenfalls 
lediglich  Anekdoten  und  die  hergebrachten  ästhetischen  Schlagwörter  zu  finden  sind.  — ; 
Richard  Wagner  einhält  naturgemäss  den  Hauptanteil  2 i''220a^.  ]y[it  grösster  Freude  ist  es 
zu  begrüssen,  dass  neben  wüsten  Ausgeburten  221-222")  kritikloser  Schwärmerei  auch  eine 
auf  echten  litterarischen  Studien  begründete  Biographie  entstanden  ist.  Man  mag  mit 
dem  Vf.   Munck er  223-225^    über    seine    Ansichten    rechten,    dass    Wagner  das    deutsche 


—  190)  X  E.  Krause,  Abriss  d.  Entwicklnngsgesch.  d.  Oper  s.  u.  IV  5  :  74.  —  191)  X  A.  Hub  er,  D.  Behandl.  d.  Tonkunst 
am  Ausg.  d.  19.  Jh.  Erfurt,  Bacmeister.  120.  27  S.  M.  0,50.  —  192)  0.  Neitzel,  D.  Führer  durch  d.  Oper  d.  Theaters  d. 
Qegenw.,  Text,  Musik  u.  Scene  erl.  1.  Bd.  Dtsch.  Opern  Abt.  1.  2.  Leipzig,  Liebeskind.  1890.  VI,  286.  VI,  260  S.  M.  8,00. 
|[H.  Welti:  DLZ.  12,  N.  9.]|  —193)  H.  M.  Sehletterer,  Änt.  Schweizer:  ADB.  33,  S.  371/3.  -  194)  X  M.  Zenger,  Mozart: 
AZgB.  N.  294/6.  —  195}  X  Mozart:  StrassbPost.  N.  337.  —  196)  X  L.  d'Aar6ne,  Mozart-Reminiscenzeu :  KielZg.  N.  14452. — 
197)  X  L-  Ä.  Franki,  Mozarts  Manen.  Zu  Mozarts  100.  Todestage.  Wien,  Daberkow.  16  S.  M.  0,50.  —  198)  X  A.  Buff, 
E.  Erlebnis  d.  Ahnen  Mozarts:  AZg.  N.  194.  —  199)  X  R-  Hirsch  feld,  Festrede  z.  Mozart-Centenarfeier  1891  zu  Salzburg. 
Salzburg,  Kerbei.  22  S.  M.  0,70.  —  200)  X  C.  Krebs,  Mozart:  VZgg.  N.  49.  —  201)  P.  Marsop,  Zu  Mozarts  Gedächtnis: 
Gegenw.  40.  S.  357/9  u.  375/8.  -  202)  X  H.  Welti,  Z.  Mozartfeste:  Nationn-  9,  S.  148-50.  —  203)  X  F.  Grandaur, 
D.  Text  zu  Mozarts  Zauberflöte  u.  J.  G.  K.  Giesecke:  NZMusik  87,  S.  526/8,  538/9,  551/2.  -  204)  J.  E.  Engl,  D.  Mozart- 
Centenarfeier  in  Salzburg  am  15.— 17.  Juli.  Salzburg,  Dieter.  123  S.  M.  2,00.  —  205)  X  C.  Gerhard,  L  v.  Beethoven  in 
seinen  Beziehungen  zu  berühmten  Musikern  u.  Dichtern.  Dresden,  Damm.  30  S.  M.  0,80.  —  206)  A.  G.  Kalischer,  D.  un- 
sterbliche G.  liebte  Beethovens  Giulictta  Giuccardi  oder  Therese  Brunswick.  Dresden,  Bertling.  IV,  C>7  S.  M.  2,00. 
(Vgl.  VZgs.  N.  344,  355.)  -  207)  X  id.,  Beethovens  „Ariel"  u.  „Hoseuknopf :  VZg»  N.  259.  -  208)  C.  M.  v.  Weber,  Oberon, 
Romant.  Oper  in  3  A.  Dichtung  v.  J.  E.  Planch6  (Th.  Hell).  Vollst.  Buch,  her.  v.  C.  F.  Wittmann.  (=  OpernbUcher 
Bd.  14.  =  ÜB.  N.  2774.)  Leipzig,  Eeclam.  77  S.  M.  0.20.  —  209)  J.  F.  Hal6vy,  D.  Judin.  Oper  in  5  A.  Dichtung  v.  E.  Scribo. 
Vollst.  Buch.  Her.  v.  C.  F.  Witt  mann.  (=  OpernbUcher  16.  Bd.  =  ÜB.  N.  2826.)  ebda.  108  S.  M.  0,20.  —  210)  A.  Lortzing, 
D.  Wildschutz  Kom.  Oper  in  3  A.  Vollst.  Buch,  her.  v.  C.  F.  Wittmann.  (=  OpernbUcher  13.  Bd.  =  ÜB.  N.  2760.)  ebda. 
118  S.  M.  0,20.-  211)  X  K.  Frenze],  Zu  Scribes  Gedächtnis:  KielZg.  N.  14663;  Dida.skalia  N.  301.  -  212)  X  R-  G.  Kruse, 
Lortzings  Erstlingsopern:  DHühneng.  N.  20.  —  213)  A.  Kohnt,  Meyerbeer.  (=  Musiker-Biogr.  Bd.  12.  =  ÜB.  N  2734.)  Leipzig, 
Reelam.  95  S.  M.  0,20.  —  214)  X  G.  A.  Braggi,  Meyerbeer:  NAnt.  35,  S.  337  ff.  —  215)  X  H.  Röckner,  Z.  Erinnerung  an 
Meyerbeer:  Gegenw.  40,  S.  147-51.  —  216)  X  M.  Zenger,  Z.  Säkularfeier  v.  Meyerbeers  Geburtstag:  AZg».  N.  207.  —  217) 
X  H.  Ritter,  R.  Wagner  als  Erzieher.  E.  Volksbuch  u.  zugleich  Begleiter  zu  d.  Bayreulher  Festspielen.  WUrzburg,  Stahel. 
IV,  81  8.  M.  1,50.  —  218)  X  P-  Marsop,  Tannhäuser-Sludien:  AZg.  N.  296,  299,  301/2.  -  219)  X  H.  Bulthaupt. 
Lohengrin  u.  d.  Zeitgeist:  WesorZg.  N.  16088.  —  219a)  F.  Muncker,  D.  Dichtung  d.  Lohongrin:  ZGymn.  NF.  26, 
S.  647/8.  -  219b)  A.  Heintz,  B.  Wagners  Opern.  E.  Abhandl.  aus  d.  J.  1850  v.  Uhlig:  MliMusikG.  23,  S.  388-91.  -  2l9c) 
W.  Golther,  Urspiung  u.  Entwickig.  d.  Sage  v.  Perceval  u.  v.  Gral:  BayreuthBll.  14,  S.  201-18.  —  220)  X  C.  Ehrenfels, 
R.  Wagner  u.  d.  Naturalismus:  FrB.  2,  S.  337 — 41.  —  220a)  K.  Landmann,  R.  Wagner  als  Nibelungondichter:  ZDÜ.  5. 
S.  447—60.  —  221)  X  C-  Fr.  Glasenapp,  Wagner-EncyklopÄdie.  Haupterscheinungen  d.  Kunst-  u.  Kulturgesch.  im  Lichte 
d  Anschauung  R.  Wagners.  In  wörtl.  Anführungen  aus  seinen  Schriften  dargost  2  Bde.  Leipzig,  Fritzsih.  XXX,  502 
u.  422  S.  M.  16,00.  —  222)  X  IL  v.  Wolzogen,  Wagnerianer-Spiegel.  E.  Charakteristik  d.  wirkl.  wagnerian.  Geistesarbeit 
u.  Welliiusihiiiainf,'.  darg.  st.  dunh  ICO  .'\ussiirliclio  aus  d.  Schriften  d.  namhaftasten  Wagnoiianor  llanuovor,  Ocrtel.  VII  72  S. 
iM.  1,50.  —  223)  F.  Muncker,    B.  Wagner.     E.  Skizze  seines  Lebens  u.  Wirkens.     Zeichnungen    v.    H.    Nislo     (=  Bayr.    liibl. 


111  A.  V.  Weilen,  Drama  d.  18./19.  Jahrhunderts.  IV  4:  224-231. 

Drama  geschaffen,  nach  dem  ein  Heinrich  von  Kleist  vergebens  gestrebt;  man  mag  es 
bezweifehi,  dass  er  die  Entwicklung  des  Dramas  abgcsclilossen  —  der  Litterarhistoriker 
M.  hat  sich  meist  ein  ruhiges,  klares  Urteil  bewahrt  und  die  Gestalt  des  Meisters  in 
seiner  schriftstellerischen  Entwicklung  scharf  erfasst.  Der  Einfluss  der  Romantik,  E.  T. 
A.  HoffinanuH,  Tiecks  und  Immermanns  ist  in  der  Jugend  ein  mächtiger.  Für  den 
„Holländer"  wäre  entschieden  auf  Marschners  „Hans  Helling"  hinzuweisen,  speciell  für 
die  Mädchenügur,  welche  zwischen  einen  überirdischen  und  einen  menschlichen  Freier 
gestellt  wird.  Die  mittelalterlichen  Dichtungen  werden  für  die  späteren  Opern 
entsprechend  herbeigezogen.  Für  den  „Tannhäuser"  gaben  Heine,  Hoifmann,  Tieck 
Anregung.  Die  Verbindung  mit  dem  Wartburgkriege  wurde  durch  die  Ausgabe  des 
Liedes  von  Lucas  geschaffen.  Für  den  ,,Lohengrin"  kommt  auch  „Euryanthe"  in 
Betracht,  sowie  Immermanns  „Merlin."  Die  germanistischen  Studien  spiegeln  sich  in 
den  „Nibelungen"  und  in  „Tristan",  nach  anderer  Richtung  in  den  „Meistersängem" 
wieder.  Man  wird  die  einzelnen  Nachweise  mit  Vergnügen  studieren,  wenn  man  auch 
nicht  wie  der  Vf.  in  der  Sprache  der  Tetralogie  alles  von  Wagner  bis  dahin  Geleistete 
übertrofien  sieht  oder  die  ,, Meistersinger"  ein  „wirkliches  Lustspiel  von  hinreissender 
Frische"  nennt.  Im  „Parsifal"  gehen  die  Blumenmädchen  auf  Lamprechts  „Alexander" 
zurück.  Alles  in  allem  bleibt  M.s  Schrift  ein  Werk,  das  der  Wagnerlitteratur  bisher 
gefehlt  hat.  —  Der  Sammelfleiss  Oesterleins  ^-'')  hat  einen  umfangreichen  dritten 
Katalogband  des  Wagnermuseums  zu  stände  gebracht,  ein  wahres  Nachschlagebuch  der 
Wagnerlitteratur,  das  auch  den  Litterarhistoriker  durch  Mitteilungen  aus  Briefen  inter- 
essiert. —  Fast  wie  „Tischreden"  muten  die  persönlichen  Erinnerungen  H.  von  Wol- 
zogens2-'f)  an,  die  manch  schönes  Wort  zu  Tage  fördern.  Die  mystische  Richtung, 
die  Wagner  mit  der  litterarischen  und  musikalischen  Romantik  teilt,  offenbart  sich  in 
seiner  Auffassung  des  Chi'istentums,  das  ihm  fast  zur  ,, Vergottung"  der  Seele  wird. 
Die  klassische  Walpurgisnacht  im  „Faust"  ist  ihm  das  künstlerisch  Vollendetste,  was 
Goethe  geschrieben.  Kaum  hat  je  ein  Musiker  dramatischer  gedacht  als  Wagner,  der 
jeden  Opernkomponisten  erst  nach  seinem  Libretto,  dann  erst  nach  der  Partitur  fragt: 
„daran  erkenne  ich,  ob  der  Mensch  Sinn  für  djamatische  Poesie  hat".  Auch  die  musi- 
kalischen Urteile  sind  oft  von  schlagender  Schärfe,  z.  B.  wenn  er  im  Hauptmotiv  der 
Sommernachtstraum-Ouverture  von  Mendelssohn  nicht  Elfen,  sondern  Mücken  tanzen 
hört.  —  Schuberts  Opern  fehlt  nach  Weltis  228)  Urteil  teils  die  dramatische  Schlagkraft, 
teils  der  entsprechende  kongeniale  Text.  —  Unter  dem  erstgenannten  Mangel  leidet  auch 
Schumann,  dessen  Faustkomposition  von  Wasiliewski  229j  als  krankhaft  bezeichnet.  — 
Nesslers  letzte  Oper,  „Die  Rose  von  Strassburg",  knüpft  an  Fischarts  „Glückhaft 
Schiff"  an  230-231).  _ 


Theatergeschichte. 

Paul  Schienther.     Heinrich  W^elti. 

Dmniatischo  Uill'skUnste  N.  1.  —  Gescliäftlicho  Einrichtun^on  N.  2.  —  Thealergebaudo  und  äussere  Scene  N.  4. 
—  Repertoir  und  Publikum  N.  14.  —  Praktische  Reforraversuclio  N.  23.  —  Laienbühnen  N.  26.  —  Schauspielkunst  N.  30.  — 
Einzelne  Scliauspielor  N.  36.  —  Theatergeschichte  einzelner  Städte:  Wien  N.  62;  Weimar  N.  63;  Frankfurt  N.  71;  Berlin 
N.  72.  —  Theaterkritik  N.  73.  — 

Lokalgeschichte  der  Opernauftuhrungen  N.  74.  —  Bayreuther  lliihnenfestspiele;  ,JiOhengrin'  in  Paris  N.  82.  — 
Sanger  und  Sängerinnen  N.  89.  — 

Im  vorigen  Bande  der  JBL.  musste  die  Geschichte  des  Theaters  als  ein  Anhang 
zur  Geschichte  dos  Dramas  behandelt  werden.  Man  kann  zweifelhaft  sein,  ob  dies 
nicht  auch  für  die  Zukunft  das  richtigere  wäre;    denn  sofern  die  Theatergeschichte  z\ir 


her.  V.  K.  t.  Reinhards  töttner  u.  K.  Trautmann.  Bd.  26.)  Bamberg,  Buchner.  VI,  130  S.  M.  1,60.  |[KZg.  N.  619; 
E.  Heichel:  ML.  60,  S  623/4.]!  —  224)  id,  R  Wagner.  A  sketc'i  of  his  life  and  work*.  Translated  from  Ihe  Gennan  by 
D.  Landman.  Illustrati.m.s  by  H.  Nisle.  ebda.  112  S.  M.  2,00.  —  225)  id,  D.  Dichtung  d.  Lohengrin  n.  ihre  Quellen: 
AZgB.  N.  123.  —  226)  N.  0  esterlein,  Beschreibendes  Verzeichn.  d.  R.  Wagner-Museums  in  Wien.  E.  hibliogr.  Gesamtbild 
d.  kiilturgesch.  Erscheinung  R.  Wagners.  3  Bde.  Leipzig,  Breitkopf.  18S1-1891.  .\XX.  321,  XXX,  352,  XXI,  512  S.  M.  35,00. 
—  227)  H.  T.  Wolzogen,  Erinneruugen  au  R.  Wagner.  Neue  .  .  .  Aosgabe.  (=  ÜB.  N.  2831.)  Leipzig,  Reclam.  77  S. 
M  0,20.  —  228)  H.  Welti,  Franz  Peter  Schubert:  ADB.  32,  S.  614-28.  -  229)  W.  J.  v.  Wasielewski,  Roheit  Schumann: 
ib.  33,  S.  44—55.  —  230)  Nosslers  letzte  0[er:  ».  Roso  v.  Stras.>I  urjj:  StrassbPost  N.  67.  —  231)  X  Zu  Victor  Nesslers  Ge- 
daclitn.  am  60  Geb.:  ib.  N.  28.   - 


IV  5:  1-2.      P.  Schienther.    H.  Welti,  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrh.  112 

Litteratxorgeschichte  gehört,  ist  sie  nichts  weiter  als  die  Geschichte  solcher  litterarischer 
Erzeugnisse,  die  ihrer  Torrn  nach  für  eine  Aufführung  im  Theater  bestimmt  sind.  Die 
Möglichkeit  einer  derartigen  Auffühi-ung  hängt  allerdings  nicht  allein  vom  litterarischen 
Erzeugnisse  selbst  ab,  sondern  es  gehört  dazu  ein  Dramaturg,  der  das  Ganze  in  Scene 
setzt,  es  gehören  Schauspieler,  die  den  einzelnen  Gestalten  des  Dramas  Körper  und 
Seele  geben,  es  gehört  ein  Gebäude  mit  zweckmässigen  Einrichtungen  dazu,  das  nicht 
nur  Raum  für  die  Scene  und  ihre  Ausstattung  giebt,  sondern  auch  Raum  für  das. 
PubHkum,  dem  mit  Hilfe  all  dieser  Theatervorrichtungen  das  dramatische  Litteraturwerk 
entgegengebracht  werden  soll.  Und  diese  unlitterarischen,  keineswegs  unkünstlerischen 
Theatervorrichtungen  sind  in  ihrer  Summe  so  wichtig,  dass  neben  ihnen  die  litterarische 
Leistung  des  Dichters  fast  nur  als  ein  Bestandteil  unter  vielen  Bestandteilen  erscheinen 
könnte,  und  die  Frage  entsteht,  wie  weit  das  auf  der  Bühne  und  durch  die  Bühne 
dargestellte  Kunstwerk  in  seiner  Totalität  noch  der  Litteraturgeschichte  unterzuschieben 
ist,  ob  es  nicht  vielmehr  eine  Kunst  für  sich  umgreift?  Die  Leistungen  des  Dramaturgen, 
der  ein  Buchdrama  zumeist  durch  den  Blaustift  bühnengerecht  zu  machen  sucht,  des 
Regisseurs,  der  es  in  Scene  setzt,  der  Schauspieler,  die  es  darstellen,  des  Dekorateurs, 
der  die  Bühne  ausstattet  und  die  Kostüme  besorgt,  diese  Leistungen  pflegt  man  als 
Hilfsarbeiten  für  den  Dramatiker  anzusehen,  etwa  wie  der  Schriftsetzer,  der  Korrektor 
und  die  Druckmaschine  ein  Buch  herstellen  oder  der  Pianofortefabrikant  erst  die 
mechanische  Möglichkeit  schafft,  dass  ein  Klavierstück  zum  Gehör  dringe.  Aber  jene 
scenischen  Uebermittelungen  sind  doch  zumeist  etwas  Anderes  als  blosse  gewerbs- 
technische  Hilfsarbeiten,  sie  sind  mehr  als  nur  Maschinen  und  Instrumente.  Sie  sind 
ebenso  wie  die  Arbeit  des  Dichters  freie  Schöpfungen  der  Kunst.  Durch  den  Theater- 
bau tritt  die  Kunst  des  Architekten,  durch  die  Darstellung  treten  Künste  des  bildnerischen 
Sinnes,  des  stummen  Gemtitsausdrucks,  des  lauten  Redens,  der  plastischen  Bewegung 
usw.  in  den  Dienst  des  Dichters:  lauter  Künste,  die  sich  aus  der  Willensäusserung  und 
persönlichen  Kraft  einzelner  Individualitäten  entwickeln.  Sie  geben  in  ihrer  Harmonie 
für  die  künstlerische  Wirkung  des  Ganzen  so  entschieden  den  Ausschlag,  dass  eine 
Definition  des  litterarischen  Erzeugnisses  (sofern  wir  uns  überhaupt  mit  Definitionen 
quälen  und  bornieren  wollen)  weder  hin-  noch  herreichen  würde,  um  erschöpfend  und 
bestimmend  das  anzuzeigen,  was  auf  dem  Theater  schliesslich  geboten  wird.  Es  wäre 
darum  so  übel  nicht,  wenn  man  das  Theater  ganz  aus  der  Litteratur  entfernte  und  ihm 
ein  eigenes  selbständiges  Kunstgebiet  anwiese;  es  würde  sich  dann  in  der  Geschichte 
der  freien  Künste  dasselbe  wiederholen,  w^as  sich  in  der  Geschichte  der  Wissenschaften 
als  notwendig  herausgestellt  hat:  wie  sich  die  Geographie  durch  ihre  Annäherung  an 
die  Naturforschung  vom  Historischen  emancipiert  hat,  so  dürfte  sich  das  Theater  durch 
seine  Annäherung  an  Künste  aller  Art  vom  Litterarischen  emancipieren.  Das  ist  eine 
prinzipielle  Erage,  deren  Beantwortung  für  die  Praxis  des  Theaterwesens  (und  im 
Theaterwesen  ist  alles  Praxis)  wenig  oder  nichts  bedeutet.  Desto  wichtiger  ist  sie  für 
den  Theoretiker  und  somit  auch  für  den,  der  in  einem  litterarhistorischen  Jahresbericht 
den  Stoff  zu  sichten,  zu  verteilen,  zu  bearbeiten  hat.   — 

Was  in  der  dramatischen  Kunst  rein  litterarisch  ist,  das  in  Schrift  und  Druck 
niedergelegte  Erzeugnis  des  Dichters,  haben  litterarhistorische  Fachmänner  in  den  mit 
„Drama"  bezeichneten  Kapiteln  abgehandelt.  Was  zu  thun  noch  übrig  bleibt,  sind  vom 
rein  litterarischen  Standpunkt  aus  Allotria,  deren  Bedeutung  sinkt,  je  weiter  wü-  uns 
von  der  Gegenwart  in  historisch  gewordene  Zeiten  entfernen ;  wenigstens  wird  das  Bild 
jener  sog.  dramatischen  Hilfskünste  immer  undeutlicher,  je  weiter  wir  zurückgehen, 
immer  schwerer  lässt  sich  ihre  historische  Entwicklung  verfolgen.  Je  genauer  wir  uns 
aber  im  modernen  Kunstgetriebe  umsehen,  desto  mehr  treten  gerade  diese  Hilfskünste, 
wie  ich  sie  vorerst  noch  nennen  will,  in  den  Vordergrund  eines  allgemeinen  refor- 
matorischen Bedürfnisses;  und  beispielsweise  gehört  ein  hervorragender  Dekorations- 
techniker wie  Franz  von  Seitz  in  München,  dessen  Biographie  H.  Holland  i)  geschrieben 
hat,  ebenso  hierher  wie  Schauspieler  und  dramatische  Dichter.  — 

Aiich  im  Berichtsjahr  ist  gerade  an  eine  Reform  der  äusseren  und  inneren 
Scene  vielfältig  gedacht  worden.  Schon  in  der  Frage,  wie  ein  Theater  geschäftlich 
eingerichtet  und  verwaltet  werden  soll,  stösst  man  auf  verschiedene  Meinungen.  Den 
Hofbühnen  ist  längst  der  Krieg  erklärt.  Auch  den  Pächtern  ist  man  nicht  sehr  hold, 
weil  sie  die  Kunst  zum  Erwerbszweig  erniedrigen.  Vielfach  neigt  man  dahin,  das 
Aktienunternehmen  vorzuziehen,  wobei  die  angesehensten  Bürger  des  Ortes  als  Aktionäre 
auftreten  und  der  artistische  und  dramaturgische  Direktor  ihnen  zugleicli  künstlerisch 
verantwortlich  ist:  eine  Form,  an  die  man  schon  vor  hundert  Jahren  gedacht  hat,  als 
Th.  Döbbelin  den  Plan  hegte,  in  Posen  ein  Aktientheater  zu  gründen.  Er  erUess  am 
ü.  Sept.  1796    in   der  polnisch  geschriebenen    „Südpreussischen  Zeitung"    einen  Aufruf, 

I)  H.  Holland,  Kranz  v.  Seitz:  ADB.  33,  S.  657- -62.  —  2)  Fr.  Scliwartz,  Döbbolin      Plan  e.  Aklinitlieatera  in 


113  P.  Schienther,   fl.  Welti,  Theatergeschichfe  des  18,/19.  Jahrh.       IV  5:  »  i«- 

wonaoh  Aktien  im  Betrapjo  von  25,  50,  75,  100  Thalern  gezeichnet  werden  konnten, 
die  zu  vier  Prozent  verzinst  werden  sollten.  Ueber  diesen  vereitelten  Plan  berichtet 
F.  S  eil  wart z  2)  und  giebt  dadurch  eine  willkommene  Ergänzung  zu  Ehrenbergs  Ge- 
schichte des  Theaters  in  Posen.  —  Ebenso  ist  auch  unsere  Verkehrsart  zwischen  Publikum 
und  Theater  nicht  neu,  und  eine  von  1795  stammende,  durch  Gaedechens^)  aufge- 
fundene „Einlassmarke"  zum  englischen  Theater  unterscheidet  sich  nicht  gar  so  sehr  von 
xniseren  Theaterbillets.  — 

Mehr  als  über  Theaterbillets  oder  (unseren  Puristen  sei  das  deutsche  Wort 
ans  Herz  gelegt)  über  Einlassmarken  zerbricht  man  sich  gegenwärtig  den  Kopf  über  die 
zwcckmässigste  Einrichtung  des  Theatergebäudes  und  der  äusseren  Scene.  Man 
will  d(!m  lieutigen  „Guckkastenbau",  den  man  auf  romanischen  Ursprung  zurückführen 
möchte,  den  Garaus  machen,  und  unter  dem  Einfluss  des  Bayreuther  Reformversuches 
wird  allerlei  Neiics  angestrebt.  Die  Münchener  Bemühungen  des  Frhrn.  von  Perfall,  in 
klassischen  Stücken  durch  die  mit  Unrecht  sogenannte  Shakespearebühne  den  leidigen 
Zwischenvorhang  zu  vermeiden  ,  hat  fortdauernd  lebhafte  Debatten  hervorgerufen. 
Kilian  *)  spricht  sich  gegen  diese  Reform  aus.  —  Zwischen  L.  Hartmann  ^)  und  dem 
Schauspieler  Dracli  entstand  ein  Meinungsaustausch,  H.  glaubte  in  der  Münchener 
Reform  eine  wohlthätige  Reaktion  gegen  die  sog.  Meiningerei  zu  erkennen.  Dagegen 
verfocht  D.,  selbst  ein  alter  Meininger,  die  gewiss  unantastbaren  Verdienste  des  Herzogs 
mid  seines  verstorbenen  Regisseurs  Ludwig  Chronegk,  dessen  Tod  übrigens  Veran- 
lassung zu  Nekrologen  ö-'")  gegeben  hat.  —  Als  das  Münchener  Beispiel  im  Deutschen 
Volkstheater  zu  Wien  bei  der  Vorstellung  von  Grillparzers  „König  Ottokars  Glück  und 
Ende"  nachgeahmt  wxirde,  fand  es  die  freundliche  Anerkennung  wienerischer 
Theaterfeuilleton i stell  wie  E,  Schütz '*)  und  Hevesi'2).  Beide  halten  die  Reform  für 
entwicklungsföhig,  deuten  auf  die  Aehnlichkeit  mit  der  alten  Tieckschen,  von  Laube 
ohne  Glück  im  Wiener  Stadttheater  einst  wieder  aufgenommenen  Sommernachtstraum- 
bühne vergleichsweise  hin  und  begi-üssen  ebenso  wie  Hartmann  anerkennend  die  Abkehr 
vom  Ausstattungsübermass.  S,  verweist  beiläufig  auch  auf  Sparvorschläge  Schinkels  in 
Berlin  und  schildert  zum  Vergleich  mit  der  Müiichener  Imitation  Philipp  Henslows  Fortuna- 
theater in  London.  —  Vielfach  sind  die  Gedanken  an  scenische  Reformen  auch  durch 
Oberammergau  in  Fluss  gekommen.  So  liat  sich  A,  Clausius^'')  für  die  Oberammer- 
gauer  Scene  der  Kreuztragung  begeistert  und  möchte  nun  auch  auf  der  modernen 
Bülme  ähnliche  Wirkungen  erzeugt  sehen.  Zu  diesem  Ziel  entwirft  er  den  Plan  einer 
Bühne,  die  sich  in  Hufeisenform  um  den  ganzen  nur  aus  Sperrsitzen  bestehenden  Zu- 
schauerraum herumschlängelt.  Und  er  verspricht  sich  für  das  Publikum  einen  Reiz  der 
Abwechslung,  der  darin  besteht,  dass  die  Leute  zeitweilig  auf  ihren  Sesseln  den  Körper 
bald  nach  rechts  und  bald  nach  links  zu  wenden  hätten,  um  dem  Spiel,  das  um  sie  her- 
umgeht, zu  folgen.  C.  illustriert  seinen  Vorschlag  durch  Abbildungen  und  Pläne  und 
wartet  nur  darauf,  dass  jemand  Neigung  hat,  seine  Ideen  nocli  gründlicher  anzuhören. '3«)  — 

So  vag  die  Reformvorschläge  über  den  scenischen  Bau  sind,  so  doktrinär  und 
unerspriesslicli  ist  das,  was  über  die  künstlerische  Verbesseruiigsbedürftigkeit  gesagt 
wird.  Allgemein  anerkannte  Schäden  werden  noch  einmal  beklagt,  oline  da.ss  es  irgend- 
wie zu  praktisch  durchführbaren  Entwürfen  käme.  So  verlangt  Eugen  Wolff'*) 
Jahresgehälter  für  Dramatiker  und  daneben  eine  Bereicherung  des  Repertoirs  durch 
die  seltener  aufgeführten  Stücke  Goethes;  für  den  zweiten  Teil  des  „Faust"  empfiehlt 
er  dabei  seltsam  genug  die  Dresdener  Bearbeitung  von  Wollheim-Markus.  —  TrolP^) 
sieht  Keime  zum  Bessern  im  Wiener  Deutschen  Volkstheater,  in  der  Berliner  Freien 
Bülme,  im  Wormser  Festspielhause.  —  Sehr  üpjng  in  Anträgen  ist  Lammers  •♦'),  der 
im  Anschluss  an  die  grassierenden  Lutherspicle  und  an  Bayreuth  ein  Reichsgesetz  zur 
Gründung  eines  allgemeinen  deutschen  Eeiclisbühnenfonds  verlangt,  dessen  Quelle  eine 
kleine  Besteuerung  des  Theaterbesuchs  bilden  soll;  über  die  Verwendung  dieses  Fonds 
entscheide  ein  Bühnenrat,  der  auch  für  Schausjiielerakademieen  und  Versuchsbühnen 
zu  sorgen  habe  und,  kurz  und  rund,  die  „Oberherrschaft  über  das  ganze  deutsche 
Theater"  an  sich  reissen  solle.  —  L.  Lier  i'-is)  bedauert  den  Mangel  an  einem  Publikum; 


Posen  i.  J.  1796:    ZHGPosen  6,  S.  228-31.    —    3)  C.  F.  Gaedechons.    E.  Einlassmiirke  z.  Englischen  Theater  in  Ilamhurg: 
MVHamburgG.  13,    S.  Ol,    74/5.   —   4)  E.  Kilian,    E.   Wort    i.  Mllnchener    Reform    d.    SchsaspielbUhne:    Gesellschaft    7.    II, 


liuaw.  i.;nronegit:  «Ki'r.  N.  5«kx.>,  vii);>o.  —  ii|  r.  ^cnulz,  luscn.  voiKS-ineaier.  (=  j>.  aii«  u.  a.  neue  »enau8iiieitiunne): 
NFPr.  N.  9487.  —  12)  L.  Hevosi,  E.  noii«  ItlilineneinrielitunR:  FremdenBl.  N.  20.  —  13)  A.  Claasins,  Nene  dramat. 
Wirkungen  auf  Grund  «.  neuen  BUhnenfonn.  München,  Albort  &  Co.  8  S.  m.  1  Abbild.  M.0,50.  |  [Oeselltichaft  II.  S.  167:V4.]|  — 
öa)  X  ß.  Lechner,  Theater-Dekorationen.  I.Abt.  :1  Serien.  Berlin.  Hesslin«;  *  Spielmeyer.  4».  15,  12,  14  Tafeln. 
M.  60,00  (1.  Zu  „Kätchon".  2.  Zu  ,Lear'.  3.  Zu  .Faust".)  —  14)  Eugen  Wolff,  E.  Spielplan  für  d.  dtsch  Theater:  Kw. 
4,  S.  145/7.  —  15)  Q.  Troll,  D.  dtn-h.  Volk.sbUhne:  Gesellschaft  6,  S.  f>9f>.  —  16)  H.  Lammers,  Zwei  Festspiele  d.  var- 
gangenen  Sommers:  Gogcnw.  40,  S.  278—80.  —  17)  L.  I. ier.  Volksbuhnen  auf  Volksfesten:  Grenib.  III.  S.  416.  —  18)  id.  . 
.Tahresbericlite  fllr  neuere  deutsche  Lilternturgeschicht«  11  ii.  8 


IV  6:  19  32.      P.  Schienther.   H.  Welti,  Theatergeschichte  des  18.  19.  Jahrh.  114 

besonders  in  Berlin  entscheide  zum  Nachteil  der  Kunst  der  Geldadel,  die  Klique, 
über  deren  Kreis  auch  die  Bedeutung  der  Freien  Bühne  wenig  hinausreiche.  Die  Berliner 
Verhältnisse,  vor  deren  Einfluss  er  nachdrücklich  warnt,  kennt  der  Vf.  allerdings  weniger 
aus  eigener  Beobachtung  als  aus  „Socialen  Briefen"  des  Herrn  von  Leixner.  Vermisst 
er  für  die  höhere  Kunst  das  rechte  Publikum,  so  vermisst  er  für  das  niedere  Publikum, 
wie  es  sich  auf  Volksfesten  verlustieren  will,  die  rechte  Kunst.  Er  geht  den  Ring- 
kämpfen und  Tingeltangeln  hart  zu  Leibe,  die  zur  Verrohung  der  Menschen  beitrügen 
und  das  Volk  der  schönen  Kunst  entfremdeten.  L.,  der  an  eine  Denkschrift  der 
Münchener  „Gesellschaft  für  modernes  Leben"  anknüpft,  gelangt  auf  seinem  idealistischen 
Wege  zu  der  leider  unbezweifelbaren  V^ahrheit  eines  neueren  Berliner  Coupletverses, 
der  einem  Matador  des  Ringkampfs  gilt:  „Bei  Ibsen  ist  es  leer,  bei  Absen  ist  es  voll." 
Aber  ob  es  nicht  von  jeher  so  war  auf  Jahrmärkten  und  in  Schaubuden?  Ob  hier  im 
Getriebe  der  Volksfeste  der  günstigste  Boden  ist,  das  Volk  auf  Höheres  zu  richten?  — 
Von  allen  diesen  unerspriesslichen  Klagen  unterscheidet  sich  vorteilhaft  ein  gedanken- 
reicher und  vortrefflich  geschriebener  Aufsatz  von  Ad.  Voigt  i^")^  (jgj.  nach  dem  Vor- 
bild der  Wagnergemeinde  das  Publikum 20)  organisieren  möchte  und  der  dem  mit  Un- 
recht verspotteten  Wort  „Wenn  Sie  wollen,  so  haben  Sie  eine  Kunst"  die  rechte,  auf 
das  Allgemeine  gerichtete  Bedeutung  giebt.^i)  —  Gegen  die  Beschränkungen  der  Volks- 
bühnen durch  eine  Censur  wendet  sich  Lauenstein  22).  — 

Unter  den  praktischen  Versuchen,  neue  Eormen  für  die  dramatische  Kunst 
zu  gewinnen,  haben  nächst  .  der  Münchener  Perfallbühne  das  Wormser  Festspielhaus 
und  trotz  Lier  und  Leixner  die  Berliner  Freie  Bühne  das  weiteste  Interesse  gefunden. 
Mit  Worms  beschäftigt  sich  u.  a.  H.  R.  Fischer 23)^  der  allerdings  im  wesentlichen 
nur  ein  Fiasko  zu  bezeugen  hat  und  es  sich  daraus  erklärt,  dass  sich  Dichter  wie 
Wilhelm  Henzen  nicht  entschliessen  können,  aus  dem  Mittelalter  zu  den  socialen  Fragen 
der  Gegenwart  heimzukehren.  —  Diesen  socialen  Fragen,  soweit  sie  dramatisch  be- 
handelt worden  sind,  hat  nun  die  Freie  Bühne  ihr  besonderes  Interesse  gewidmet. 
Neben  zahllosen  leichten  und  seichten  Ausfällen  gegen  sie  fand  sie  eine  eingehende 
Würdigung  bei  Röber^*)  und  namentlich  bei  Hessen  25),  der  sich  durch  einen  vor- 
urteilslosen Standpunkt  und  durch  kluge  Bemerkungen  über  die  einzelnen  auf  der 
Freien  Bühne  versuchten  Stücke  auszeichnet.  Er  sieht  die  Freie  Bühne  an  als  das, 
was  sie  ist  und  stets  nur  sein  wollte:  als  ein  „ästhetisches  Laboratorium".  Wenn  die 
Redaktion  der  „Preussischen  Jahrbücher"  in  einem  einschränkenden  Nachwort  von 
„leidenschaftlichen  Angriffen"  fabuliert,  die  sich  die  Leiter  der  Freien  Bühne  gegen 
die  vorbildliche  Geltung  unserer  Klassiker  erlauben  sollen,  so  genügt  zur  Entkräftung 
dieser  Behauptungen  der  Hinweis  auf  die  litterarhistorischen  Arbeiten  derselben  Männer.  — 

Einerseits  das  von  der  Freien  Bühne  und  ihren  Dichtem  ausgegangene  Be- 
streben, den  Stil  der  Schauspielkunst  natürlicher  zu  gestalten,  andererseits  die  Beachtung, 
die  im  Sommer  1890  Oberammergau  gefunden  hat,  haben  ein  näheres  Augenmerk  auf 
die  Laienbühnen  der  nordalpinen  Dörfer  und  Marktflecken  gerichtet.  Panizza26) 
und  0.  J.  Bierbaum  27)  schildern  die  Bauernbühne  von  Oberdorf  im  Allgäu,  wo  Andreas 
Hofer  der  dramatische  Held  ist  und  die  B.  scherzweise,  weil  sie  sich  dem  freien  Himmel 
öffnet,  „die  freieste  aller  freien  Bahnen"  nennt,  während  P.  in  ihr  die  beste  Veranschau- 
lichung der  alten  Mysterienbühne  wiedererkennen  will.  —  Keiter28)  beschreibt  das 
Mosesspiel  in  Erl  bei  Kufstein,  und  Schienther  29)  knüpft  an  eine  Darstellung  des 
Ganghofer-Neuertschen  „Herrgottschnitzers"  durch  Bürger  von  Tölz  allerlei  Bemerkungen 
über  das  Verhältnis  von  Kunst  und  Natur  bei  schauspielerischen  Leistungen.  — 

Diese  Dilettantenspiele,  seit  alter  Zeit  beliebt  mid  besonders  in  kunstfremden 
volksttimliclien  Kreisen  gern  gepflegt,  bieten  ein  reiches  Beobachtungsmaterial  für  Pro- 
bleme der  Schauspielkunst.  Solche  Probleme  sind  im  Berichtsjahr  wenig  oder  gar 
nicht  berülirt  worden.  Rullmann^O)  wärmt  wieder  die  alte  unfruchtbare  Streitfrage 
auf,  ob  der  Schauspieler  empfinden  solle,  was  er  darstellt,  oder  ob  er  innerlich  kühl 
über  der  Situation  zu  stehen  habe.  R.  führt  schauspielerische  Selbstbekenntnisse  für 
und  wider  das  Mitempfinden  an  und  lässt  die  Frage  so  ungelöst,  wie  sie  war.  —  Auch 
was  Neumann-Hofer 31)  von  der  Naturseite  der  Schauspielkunst  sagt  d.  h.  von  der 
äusseren  Persönlichkeit  und  den  stimmlichen  Mitteln  der  Darsteller,  vor  deren  Ueber- 
nützung  er  mit  Recht  warnt,  ist  durchaus   zutreffend,    aber    nicht  neu.  —  Und  vollends 

Dramn  u.  Publikum:  ib.  II,  S.  426.  -  19)  Adolf  Voigt,  D.  Organisation  d.  Tublikums':  Kw.  4,  S.  225.  —  20)  X  P-  B-. 
Theateriiublikum :  HSr  17,  S.  375.  —  21)  X  F.  Kuiinncr,  H.  Kaatz,  I).  Frago  d.  Volksbühnen.  1890:  BLÜ.  S.  102.  (Recens. 
auch  NationB.  8,  S.  2.54;  PrJbb.  67,  S.  122.)  —  22)  A,  Lauenstoin,  Tenden/.theator:  Gegouw.  40,  S.  76/7.  —  23)  H.  R. 
Fischer,  D.  stildt.  Spiel-  u  Festhaus  in  Worms:  Gegonw.  40,  S.  121/2.  —  24)  F.  Roeber,  D.  Freie  Bühne  u.  d. 
Naturalismus:  Grenzb.  111,  S.  814—21.  —  25)  K.  Hessen,  D.  Berliner  Freie  BUhno:  Pr.lbb.  07.  S.  14—29.  —  26)  0.  Panizza, 
Andrea«  Hofer.  E.  schwSlb  Baunrnspiol  aus  d.  Allgttu:  Gesellschaft  7,  S.  aS&.  —  27)  0.  J.  Bierbaura,  1).  BauernbUhiie  v. 
Oberdorf:  Didaskalia  N.  192.  —  28)  E.  Koiter,  Tiroler  Bauern  als  Komödianten:  FremdeiiBl.  N.  250.  —  29)  P.  Schlenther, 
TOlzer  Siiiolo:  VZgH.  N.  :»2.  —  30)  W.  Rullmann,  E.  unlösbares  Fragen:  FrllnkCourier  N.  519.  (Auch  MllnchNN.  N.  -161.)  — 
31)  0.  Neuniann-Ilofer,  1).  „Naturseit«"  d.  Schauspielkunst:  DBlUinong.    N     5.    —  32    K.  Biltz,    Mime  oder  Schauspielfr: 


115  P.  Schienther.  H,  Welti,  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrh.     IV  5:  83-66. 

Biltz82)  bleibt  ^än/lich  unklar  in  seinen  Bemerkiui^en  über  die  Art,  wie  auf  heutigen 
Bühnen  Shakespeare  gespielt  wird.  Seiner  dunklen  Meinung  nacli  scheinen  den 
ShakespeareRchen  Charakteren  die  Empfindungen  des  modernen  Menschen  nicht  genügend 
angepasst  zu  werden.  Gegenüber  dem  Grundsatz  liistorischer  Treue  vertritt  B.  einen 
ganz  wunderlichen  Gegenwartsstandpunkt,  der  sich  allerdings  von  den  realistischen 
Bestrebungen  der  modernen  SchauHpielkunst  selir  unterscheidet.  —  Diese  Bestrebungen 
werden  im  Anschluss  an  ein  Berliner  Gastspiel  Sonnenthals  von  Mauthner**)  fein  und 
richtig  dargelegt  luid  mit  den  modernen  litterarischen  Bewegungen  in  Zusammen- 
hang gebracht :  Ibsen  fordere  vom  Schauspieler  eine  andere  Kunst  als  die,  in  der 
Sonncnthal  gi'oss  ist,  dessen  Leistungen  Schienther 84)  charakterisiert.  —  Dass  dieser 
neuen  Kunst  ein  Schauspieler  wie  E.  Reicher  entspricht,  behauptet  Bahr^^)  teils  mit 
Recht,  teils  unter  panegyrischen  Uebertreibungen,  durch  die  der  Streitfall  nicht  klarer 
und  schärfer  beleuchtet  wird.  — 

Weit  ausgiebiger  als  die  Schauspielkunst  an  sich  .sind  die  Entwicklungsgänge 
einzelner  ScliauH})ieler  dargestellt  worden.  Wo  es  sicli  um  selbst  beobachtete  Ge- 
nossen der  Zeit  handelt,  sollte  es  aber  nicht  so  flach  und  lobhudlerisch  geschehen,  wie 
es  R.  Löwenfeld  ^ö)  bei  Georg  Engels  oder  gar  A.  M.  Witte  ^7)  bei  Marie  Kahle 
und  Anna  Versing-Hauptmann  •■'^)  bei  ihrer  früh  verstorbenen  Schülerin,  der  Prager 
Tragödin  Helene  Wewerka  gethan  haben.  Einen  Schauspieler,  den  man  selbst  oft  ge- 
sehen hat  und  den  man  für  bedeutend  genug  hält,  um  überhaupt  von  ihm  zu  redeu, 
sollte  man  so  scharf  und  treu  wie  möglich  fixieren.  Nur  so  kommt  sein  Künstlerbild 
einigennasscn  richtig  aiif  die  Nachwelt,  nur  so  wird  es  späteren  Generationen  möglich, 
dies  Bild  historisch  zu  sichern.  Es  i.st  freilich  ein  überaus  schwieriges  und  wenig  dank- 
bares Geschäft,  das  aber  unternommen  werden  muss,  wenn  wirklich  eine  Geschiclite  der 
reinen  Schauspielkunst  entstehen  soll.  —  Versuche  nach  dieser  Richtung  zu  machen  und 
Material  für  eine  solche  Geschichte  zu  liefern,  dazu  bietet  die  ADB.  fortgesetzte  Ge- 
legenheit. So  versuchte  hier  Schienther  ^''■•♦')  von  dem  zwischen  Neubers  und  Acker- 
manns vermittelnden  Prinzipal  Schcniemann,  von  Sophie  Schröder  und  von  Anton 
Schwartz  (Hamburg  und  Königsberg),  dem  Schüler  F.  L.  Schröders,  ein  Bild  zu  geben.  — 
Den  grossen  Schröder  selbst  behandelt  auch  hier  Litzmann  ^2)^  dessen  ausgezeichnetes 
Werk  fiber  diesen  ersten  deutschen  Schauspieler  leider  noch  nicht  vollendet  ist;  aus- 
führlichere Bes])rechungen  des  ersten  Bandes  (JBL.  1890  IV  4  :  1G6)  gaben  Fellner^^'), 
Minor  "**),  Schienther  *^)  und  ein  Recensent  mit  halbgeschlossenem  Visier  *ö). 
Letzterer  ermahnt,  die  späteren  Bände  von  gelehrter  Zuthat  zu  Gunsten  der  theater- 
geschichtlichen Forschung  zu  entlasten  und  sich  auf  das  Bedeutende  zu  beschränken; 
Litzmann  wird  sich  hoffentlich  nicht  dadurch  verleiten  lassen,  auf  das  gerade  hier  ausser- 
ordentlich interessante  Detail  zu  verzichten,  das  den  ganzen  Menschen  und  seine  Art 
und  Kunst  oft  schlagender  beleuchtet  und  oft  mehr  bedeutet  als  das  sogenannte 
„Bedeutende".  —  Ueber  den  Wiener  Komiker  luid  Nestroj'genossen  Wenzel  Scholz  hat 
von  Weilen^''),  über  Louis  Schneider  Wippermann  "♦**),  über  F.  K.  J.  Schütz, 
den  Gatten  der  Hendel-Schütz,  L.  FraenkeH^)  geschrieben.  —  Der  Hendel-Schütz 
selbst  widmet  Holstein  ^o)  ei,,e  Betrachtung,  welche  namentlich  die  von  Schütz  1819 
herausgegebene  Blumenlese  aus  dem  Stammbuch  der  grossen  Pantomimikerin  be- 
nutzt, wo  die  hervorragendsten  Männer  der  Zeit  vertreten  sind.  —  Ueber  die  Jugend- 
jahre der  Neuberin  und  ihre  erste  Liebschaft  mit  Zorn  hielt  Spindler  ^i)  einen  Vortrag, 
der  sich  auf  Prozessakten  im  Zwickauer  Ratsarchiv  stützt.  —  Ueber  den  starken  Mann 
Eckenberg  und  besonders  über  seine  Wirksamkeit  in  Schwaben,  wo  er  neben  dem  alten 
wüsten  Repertoir  1746  sehr  eifrig  saxch  die  damalige  Kunst  Gottscheds  inid  Gellerts 
pflegte,  giebt  Sittard -^2)  neue  Aufschlüsse.  —  Ein  gereimtes  Pamphlet  über  Döbbelins 
Bewerbung  um  die  Berliner  Konzession  wird  mitgeteilt  '•'*),  ferner  eine  lahme  Anekdote 
von  Unzelmann  erzählt^*).  —  Mehr  in  neuere  Zeit  führt  uns  der  sammelsin-iale  Kohut**), 
der  aus  dem  Nachlass  Karl  Grunerts  Briefe  von  Laube,  Kotzebue,  Raupach  abdruckt.  — 
Philipp  Zöllner,  ein  deutsch-ungarischer  Komiker  aus  der  Mitte  dieses  Jh.,  wird  bei 
Wurzbach '^*5)  behandelt.  —  Und  wer    über  Julie  Rettich    mehr   Lebensdaten    als    eine 


Neue  Beitrr.  (I  3  :  inO)  S.  229-36.  —  33)  F.  Mauthnor,  Alte  n.  nouo  Schauspielkunst:  ML.  60,  S.  236'6.  —  34)  P. 
Schlenfher,  Sonnentlial  u.  sein  Uerliner  Gastspipl:  VZg.  N.  173.  —  35)  H.  Bahr,  D.  Entwickle  d.  modernen  Sehiu.«piel- 
kunst:  ML.  CO,  S.  L51/3.  -  36)  R.  LOwenfeld,  Georg  Engels:  ZgutSiunde  7.  S  819-24.  —  37)  A.  M.  Witte,  Marie  Kahle- 
Kossler:  Bär  N.  30.  —  38)  Anna  Versing- Hau  ptniann.  Etwas  v.  alten  Niklivstheater  in  Prag:  Bohemia  N.  174.  —  39)  P. 
Schlontlier,  .7.  F.  Schönimann  :  ADB.  32,  S.  289—91.  —  40)  id.,  Sophie  Schrfder:  ib.  S.  525.  —  41)  id.,  Anton  Schwartz: 
ib.  33,  S.  22«.  —42)  B.  Litzmann.  F.  U.  L.  Schröder.  .'^.  o.  IV  4  :  3?.  —  43)  R.  Follner,  Litimann,  i^chröder.  I:  NatinnB. 
8,  N.  7.  —  44)  .T.  Minor,  Litzmann,  Schröder.  I:  ADA.  17,  S.  232,5.  —  45)  P.  Schienther,  Lit<mann,  Schröder.  I:  VZg». 
N.  24.  —  46)  B.  S[euffert  ?],  Litzmann.  Schröder.  I:  DRs.  i'.fi,  S.  474  5.  |[Tgl.  Gronzh.  L  S.  44/6.] |  —  47)  A.  v.  Weilen 
Wenzel  Scholz:  ADK.  32,  S.  230.  —  48)  Wippermann,  Ludwig  Schneider:  ib.  S.  134-42.  —  49)  K  Fraenkel,  F.  K.  J. 
Schutz:  vgl.  IV  (■>:  176.  —50)11.  Hols  tp  i  n  .  Aus  d.  Stammbuch  d.  Henriette  Hendol-SchUtz:  MagdebZgn.  N.  113.  —  5|i  Spindler: 
MAVZwickau  3,  S.  VIll.  (Vortf.  Rot.)  —  52)  .1.  Sittard,  Z.  Gösch,  d.  Musik  u.  d.  Theaters  am  Württemberg.  Hofe. 
Stuttgart,  Kohlhammor.  2. 1  d.  Vlll,  220  S.  M.3,00  (Bes.  S.  15-25.)— 53)  E.  K(ilian  ??]:  B«r  S.  530.  -  54)M.L.:  ib.S.558.— 
55)  A.  Kohut,  Hintor  d.Coulissen:  DBUhneng.  N.  34/5.  —  56)  C.  Wurzbaeh,  Ph.  Zöllner:  Biogr.  Lexikon  d. Kaisert.  Oesterr.  60, 

8* 


IV  5:  57-68      P.  Schienther.  H.  Welti,  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrh.  116 

künstlerische  Darstellung  sucht,  findet,  was  er  braucht,  bei  "Weltner  6'^).  —  Aus  den 
Tagebüchern  Charlottens  von  Hagn  macht  L.  Geiger  58)  einige  Mitteilungen,  die  sich 
auf  ihre  Beziehungen  zu  Ludwig  I.  von  Bayern  und  a\if  ihre  Liebe  zu  einem  Prinzen 
(August  von  Leuchtenberg?),  auf  Urteile  über  Raupach  als  Dichter  und  Menschen  sowie 
auf  ihren  Konflikt  mit  den  Damen  Stich  beziehen;  den  Kaiser  Nikolaus  von  Russland 
bezeichnet  ihr  Kennerblick  als  den  schönsten  Mann  der  Welt.  —  Ihren  im  März  1838 
mit  Klara  Stich  ausgefochtenen  Streit  um  die  Gretchenrolle  behandelt  als  Coulissen- 
klatsch  auch  M.  Frey  59)j  und  Kohut^o)  teilt  aus  dem  Nachlass  Gustav  Kühnes  zwei  un- 
gedruckte Briefe  Charlottens  mit  sowie  das  Empfehlungsschreiben,  das  Karl  Blum  ihr 
1837  an  Kühne  nach  Leipzig  mitgab.  —  Alle  diese  Veröffentlichungen  aber  an  Feinheit 
der  Form  und  Anschaulichkeit  des  Inhalts  weit  übertreffend,  giebt  F.  Uhlßi),  neben 
Speidel  und  Valdek  der  scharfsichtigste  Burgtheaterkritiker  neuerer  Zeiten,  seine  per- 
sönlichen Erinnerungen  an  Schauspieler,  Direktoren  und  Dichter  des  Wiener  Burgtheaters 
der  vierziger,  fünfziger,  sechsziger  Jahre  zum  besten.  Hoffentlich  wird  aus  diesen  losen 
Zeitungsblättern  ein  Büchlein.  — 

Man  wendet  sich  in  Deutschland  mit  Vorliebe  der  Theatergeschichte  ein- 
zelner Städte,  einzelner  Bühnen  zu;  zusammenfassende  Monographien  der  Art  aber 
hat  das  in  jeder  Hinsicht  für  uns  dürftige  Berichtsjahr  nicht  aufzuweisen.  Es  ist  auch 
hier  ein  Haufe  loser  durch  einander  wirbelnder  Blätter,  der  auf  uns  niedergeht.  Sie  sind 
zumeist  in  feuilletonistischer  Absicht  und  an  feuilletonistischem  Platze  entstanden  und 
haben  ihrem  ursprünglichen  Zweck  genügend  gedient,  wenn  sie  dem  grossen  Publikum 
ein  Weilchen  angenehmer  Belehrung  verschafften.  Dass  in  die  Feuilletons  der  Tages- 
blätter imd  Wochenschriften  nicht  allzu  schweres  litterarhistorisches  oder  theater- 
geschichtliches Geschütz  hineingefahren  wird,  ist  begreiflich  und  gerade  vom  Standpunkt 
der  Wissenschaft  aus  auch  wünschenswert;  denn  nichts  hat  Vorurteile  gegen  die 
Litteraturgescliichte  so  sehr  gefördert  wie  die  Sucht  gewisser  Pedanten,  für  jeden 
Papierschnitzel  das  allgemeine  Interesse  des  grossen  Zeitungspublikums  anzuschreien. 
Dieselben  Pedanten  sind  es  dann  wieder,  die  jedes  leicht  und  gefällig  hingeworfene 
Theater-  und  Litteraturfeuilletoii  als  unwissenschaftlich  in  Acht  und  Bann  thun,  als  hätte 
es  jemals  andere  als  feuilletonistische  Zwecke  verfolgt.  Allerdings,  was  es  dem  Zei- 
tungsleser angenehm  macht,  macht  es  für  die  Wissenschaft  und  also  auch  für  die  JBL. 
zumeist  wertlos.  Dass  sich  freilich  auch  in  feuilletonistische  Formen  ein  reiches  Ma- 
terial für  die  Theatergeschichte  fassen  lässt,  hat  in  unvergleichlicher  Weise  Laube  ^2) 
mit  seiner  jetzt  neu  aufgelegten  Geschichte  des  Wiener  Burgtheaters  wahrhaft  klassisch 
bewiesen:  für  den  praktischen  Dramaturgen  wie  für  den  Theaterhistoriker  ist  dies  Buch 
eine  unerschöpfliche  Fundgrube  an  Belehrung  und  Anregung,  und  es  bedeutet  für  die 
Schauspielkunst  nicht  viel  weniger  als  Lessings  „Dramaturgie"  für  die  dramatische 
Litteratur.  Im  grossen  und  ganzen  ist  es  ein  Rechenschaftsbericht  über  Laubes  eigene 
viel  zu  früh  abgebrochene  Direktionsthätigkeit.  Aber  auch  die  vorangeschickten  histo- 
rischen Kapitel  wiegen  manchen  dicken  Leib  theatergeschichtlicher  Studien  auf.  — 

Es  ist  eine  Gerechtigkeit  des  Schicksals,  dass  die  vornehmste  deutsche  Bühne 
auch  die  vornehmste  und  feinste  Darstellung  ihrer  Vergangenheit  gefimden  hat.  Im 
übrigen  beschäftigte  man  sich  diesmal  am  meisten  mit  Weimar,  weil  das  100 j.  Jubi- 
läum des  Hoftheaters  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  diese  klassische  Stätte  lenkte. 
Alberti63),  Art.  Goldschmidt  64),  Schienther  6^)^  L.  Stettenheim  66)  u.  a.67) 
haben  mit  mehr  oder  minder  starker  Polemik  gegen  Goethes  Schauspielerregeln,  mit 
mehr  oder  minder  grosser  Anerkennung  für  seine  theatergeschichtliche  Mission  bekannte 
Thatsachen  zusammengefasst.  Auch  diese  Arbeiten  haben  mehr  feuilletonistischen  als 
wissenschaftlichen  Wert,  sofern  sie  überhaupt  Wert  haben.  —  Derselbe  Jubilävimsanlass 
begünstigte  die  Publikation  von  C.  A.  H.  ßurkhardt  68),  der  aus  archivalischen  Quellen 
das  Repertoir  des  Weimarischen  Theaters,  so  lange  es  unter  Goethes  Leitung  stand, 
zuerst  in  chronologischer,  dann  in  alphabetischer  Reihenfolge  der  Stücke  zusammen- 
gestellt hat.  Abgesehen  von  dem  gegen  das  heutige  Weimar  griesgrämig  voreinge- 
nommenen Düntzer  war  leider  auch  A.  Köster  genötigt,  den  Registern  den  Vorwurf  der 
UnZuverlässigkeit  zu  machen.  —  Das  Werk    erinnert    übrigens    in    seinem    statistischen 


(s.  0.  I  1  :55)  S.  231/2.  —  57)  A.  F.  Woltner,  E.  UnstorWicher  d.  Burgtheaters:  FrenidenBl.  N.  99.  —  58)  L.  Geiger,  Aus 
d.  Blütezeit  d.  Charlotte  v.  Hagn:  BerlTBl.  N.  213.  —  59)  M.  Frey,  Zwei  Rivalinnen:  Bltr  S.  557/8.  —  60)  A.  Kohut, 
Z.  Erinnnrg.  an  Charlotte  v.  Hagn:  Gegcnw.  39,  S.  328/9.  —  61)  F.  ITlil,  Theatorerinnerungen:  FremdenBI.  N.  265,  272,  27C, 
279,  283,  288.  —  62)Heinr.  Laube,  D.  Burgthoater.  E.  Beitr.  z.  dtscli.  Theatorgesch.  2.  Aufl.  Leipzig,  Hassel.  VI,  427  S. 
M.  4.00.  —  63)  C.  Alberti,  D.  Weimarer  Hoftlieator:  KielZg.  N.  14271.  (Auch  SammlorA.  N.  5(5.)  —  64)  Art.  Goldschmidt, 
Weimars  klassische  Theaterzeit:  ML.  CO,  N.  18.  (Vf.  heisst  nicht  Lothar  Schmidt,  wie  im  ML.  irrtümlich  steht.)  —  65) 
r.  Schlenther,  D.  Weimarer  Hoftheater:  VZgS.  —  66)  L.  Stettenheim,  Z.  Weimarer  Theaterjubiiaum: 
VolkaZgS.  N.  18.  —  67)  D.  Weimarer  Festtage:  FZg.  N.  129.  —  68)  C.  A.  H.  Burkhardt,  D.  Repertoir  d.  Weimarischen 
Theaters  unter  Goethes  Leitung  1791  — 1817.  (=  Tlieatorgescliichtliche  Forschungen  her.  v.  B.  Litzmann.  Bd.  1.)  Ham- 
burg, Voss.     XI,  152  S.    M.  .3,50.     |[H.  nilntzer:    Grenzb.  II,    S.  175-85;  A.   Köstor:    ADA.  17,    ?.  ?25;7;    L.  Lier:  LZgr. 


117  P.  Schlenther.  H.  Welti,  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrh.      IV  5:  69-76. 

Zweck  an  die  heutigen  Theaterchroniken,  wie  sie  Richard  "•)  für  Meiningen  veröffent- 
licht hat  und  wie  sie  die  Souffleurs  anderer  Bühnen  alljährlich  bringen 'O).  — 

Nächst  dem  Weimarer  Theater  hat  auch  das  Theater  von  Goethes  Vaterstadt 
Beachtung  gefunden.  Elisabeth  MentzeP')  hat  sich  um  die  Frankfurter  Theater- 
geschichte dadurch  ein  neues  Vordienst  erworben,  dass  sie  neben  der  dortigen  Bühnen- 
geschichte der  öchillorschen  Jugonddramen  aucii  ein  Charakterbild  des  einheimischen 
Theaterdichters  H.  W.  Seyfried  in  ilirer  knappen  und  anschaulichen  Art  entwirft.  — 

Ziu-  Theatorgeschichte  Berlins  lieferte  L.  Geiger ^2)  einen  Beitrag,  indem  er 
auf  ein  17'J9  bei  Nicolai  dem  Sohn  erscliienenes  zweibändiges  Buch  hinwies,  das 
Theaterkritiken  über  die  Jahre  17J)7  und  1798  enthält.  Die  Recensenten  sind  Nicolai 
selbst  und  Friedrich  Schulz,  die  nacli  Geigers  Meinung  dadurch  die  Berliner  Kritik  be- 
gründet haben.  Echt  nicolaitisch  werden  einerseits  Lessing,  andererseits  Kotzebue  ge- 
lobt, hingegen  Goethe  und  Schiller,  wo  man  sie  nicht  totscliweigt,  getadelt.  G.  zieht 
daraus  folgende  Nutzanwendung  auf  Gegenwart  und  Zukunft:  „Wie  viele  Stücke,  die 
damals  mit  lautem  Jubel  aufgenommen  wurden,  bestehen  heute  noch?  Auch  ihre  Ver- 
fasser galten  als  Träger  einer  neuen  Richtung,  auch  sie  und  ihre  Bewunderer  hielten 
das  Vergangene  für  besiegt,  das  Gegenwärtige  für  allein  herrschend,  —  nach  kurzer 
Zeit  mussten  sie  das  Einstürzen  ihrer  für  stark  gehaltenen  Hocliburgen  erkennen  und 
den  Sieg  des  ewig  geltenden  Schönen  und  Grossen  mit  ansehen,  das  sie  erstorben  ge- 
wähnt hatten."  Das  ist  G.s  Nutzanwendung.  Die  meinige  ist  genau  entgegengesetzt. 
Was  .damals  Lessing  war,  sind  heute  neben  Lessing  auch  Goethe  und  Schiller.  Was 
damals  Kotzebue  war,  heisst  heute  Blumenthal  und  Eduard  Jacobson.  Und  als  Träger 
einer  neuen  Richtung  konnten  1797  nur  Schiller  und  Goethe  gelten,  denen  gegenüber 
man  Lessing  in  eine  unwürdige  Genossenschaft  mit  Kotzebue  brachte,  ganz  ebenso  wie 
die  Nikolaiten  von  heute  Schiller  im  Bunde  mit  Schönthan  gegen  Ibsen,  Zola,  Tolstoi, 
anpreisen.  — 

Wenn  dies  theaterkritische  Buch  von  vor  hundert  Jahren  in  unseren 
Bericlit  hineingebort,  so  könnten  mit  ähnlichem  Recht  alle  diejenigen  mehr  oder  minder 
kritischen  Urteile  und  Referate  hier  verzeiclmet  werden,  die  über  schauspielerische 
Leistvnigen  und  theaterkritische  Darstellungen  der  Neuzeit  in  Blättern  und  Blättchen 
stehen.  Aber  es  ist  so  schwer,  hier  aus  der  Spreu  die  wenigen  Weizenkörner  zu 
sondern,  dass  wir  dies  Wagnis  einer  späteren  Zeit  überlassen  müssen.  Erwähnt  seien 
hier  nur  noch  die  kurzen  „Jahresberichte",  welche  Ad.  Rosenberg  im  Supplement- 
bande zu  Meyers  Konversationslexikon  über  theatralische  Ereignisse  der  Jalu-e  1883 — 90 
giebt.  Diese  könnten  als  ein  Vorläufer  unseres  eigenen  Unternelunens  gelten,  wenn  sie  nicht 
doch  zu  kurz  gefasst  wären  und  wenn  sie  zuverlässiger  wären;  R.  sagt  den  theaterge- 
schichtlich ungemein  aufschlussreichen  Tagebüchern  des  alten,  bereits  1837  verstorbenen 
Burgschauspielers  Costenoble  denselben  feuilleton istischen  Charakter  nach  wie  einer 
Kompilation  Kohuts  und  einer  Tagesstreitschrift  Müller-Guttenbrunns.  — 

Zur  Geschichte  der  musikalisch-dramatischen  Aufführungen  in  Deutschland  sind 
im  Berichtsjahr  ebenfalls  nur  einzelne  kleinere  Beiträge  erschienen,  eine  zusammen- 
fassende Arbeit,  wie  sie  die  Bedeutung  des  Stoffes  verlangt  und  wie  sie  den  Anforderungen  der 
Wissenschaft  genügt,  bleibt  immer  noch  zu  wünschen.  Das  einzige  weiter  angelegte  Büchlein 
von  Emil  Krause''*),  der  es  versucht,  einen  Abriss  der  Entwicklungsgeschichte  der 
Oper  zu  geben,  kommt  über  die  Anführung  der  landläufigsten  Daten  und  über  die 
Wiederholung  der  gewöhnlichsten  Urteile  und  Redensarten  nicht  hinaus.  —  Dagegen 
haben  wir  für  die  Lok  algeschichte  der  Opernaufführungen  in  Stuttgart,  Lübeck 
und  Darmstadt  aufschlussreichere  Berichte  erhalten.  Sittard 'S)  verfolgte  die  Geschichte 
der  Musik  und  des  Theaters  am  württembergischen  Hofe  in  den  Jahren  1458 — 1793  und 
förderte  aus  archivalischen  Quellen  manches  Wissenswerte  zu  Tage,  lässt  aber  bei 
der  Nachlässigkeit  seiner  Darstellungsweise  und  der  Unzuverlässigkeit  seiner  Angaben 
eine  sorgfältige  Nachprüfung  wünschenswert  erscheinen.  Als  Datum  der  ersten  Stutt- 
garter Opernaufführung  bezeichnet  er  das  Jahr  IGGO,  eine  stehende  Oper  weist  er  von 
1697  an  nach.  Den  wertvollsten  und  zuverlässigsten  Abschnitt  des  Buches  bildet  das 
Kapitel  über  Nicolo  Jommelli  und  die  Glanzzeit  der  italienischen  Oper  am  schwäbischen 
Hofe  (1753 — 1769),  während  über  die  Anfänge  des  deutschen  Singspieles  in  Schwaben 


N.  138;  J.  Edgar:  DBOhneng.  20,  S.  113.]|  (Tgl.  u.  IV  9a:  73.)  —  69)  Panl  Riohard,  Chronik  samtl.  Gastspiele  d.  herzogt. 
Sachs.-Meiningenschen  Hoftheaters  wahrend  d.  J.  1874— 90.  Leipzig,  Conrad.  111,  164  S.  M.  2,00.  —  70)  C.  Raunholrer, 
J.  Philipp!,  L.  Manuel,  J.  Braun.  Jb.  d.  k.  k.  Hofburgtheaters  fBr  d.  J.  1891.  Wien,  Selbstverlag.  4«.  52  S.  M.  1,60.  —  71) 
E.  Mentzol,  Schillers  .Tugenddramon  zum  ersten  Male  auf  d.  Frankfurter  BUhne:  AFrankfG.  3,  S.  2.38—300.  —  72) 
L.  Geiger,  Berliner  Dramaturgie  1797/8 :  VZg.  N.  325. —  73)  (Ad.  Rosenberg):  WKL.  18,  S.  206/7,  315/6,  916'8.  —  74)  Emil 
Krausf,  Abriss  d.  Entwieklungsgesch.  d.  Oper  mit  litt.  Hinweisen.  Hamburg,  Verlag.anstalt  A.-G.  VIII,  130  S.  M.  2,00. 
[H.  lleimaun:  BLU.  S.  423/4;  AMusikZg.  S.  183/4,  195/6;  LCDl.  N.  40.];  -  75)  S.  o.  N.  52.    —    76)  (. .  Stiel,  Musikgesch.  d. 


IV  5:  77-93.       P,  Schien th er.  H.  Welti,  Tlieatergeschichte  des  18./19.  Jahrh.  118 

eingehendere  und  sicherere  Angaben  erwünscht  wären,  —  Axis  der  kleinen  Schrift  von 
Stiel ''6)  mag  als  einzig  wichtiges  Datum  hervorgehoben  werden,  dass  die  erste  Opern- 
vorstellung in  Lübeck  am  5.  Juni  1746  stattfand.  —  "Weitaus  am  sorgfältigsten  ist  das 
umfängliche  Werk  von  KnispeH''),  das  die  Schicksale  des  Grossherzoglichen  Hof- 
theaters zu  Darmstadt  schildert.  Der  Vf.  verzeichnet  vollständig  das  Repertoir  von 
1810 — 1890  und  leistet  dadurch  für  die  Operngeschichte  mehr  als  alle  schöngeistigen 
Betrachtungen.  Als  erste  Oper  führt  er  an  ein  „Triumphierendes  Singspiel  der  wahren 
Liebe"  von  Wolfgang  Carl  Briegel  (1626 — 1709)  aus  dem  Jahre  1673.  Von  demselben 
Tonsetzer  ist  eine  Komposition  zu  Andreas  Gryphius'  „Verliebtem  Gespenst"  in 
Darmstadt  aufgeführt  worden.  —  Eine  mehr  die  Geschichte  des  Männergesanges 
betreffende  Abhandlung  von  Paudler'is)  zeigt,  wie  rasch  in  der  vormärzlichen 
Zeit  die  bürgerliche  Lustspieloper  Lortzings  auch  im  nördlichen  Böhmen '^^-^o^  Eingang 
fand.  —  Eine  wichtige  Episode  deutscher  Operngeschichte  „Spontini  in  Berlin"  hat 
Ph.  Spitta^^)  nach  archivalischen  Quellen  gründlich    und  vorurteilsfrei    dargestellt.  — 

Ziemlich  reich  war  natürlich  die  Litteratur  über  die  Bayreuther  Bühnenfest- 
spiele ^2-85^  und  das  wichtige  Ereignis  der  Aufführung  des  „Lohengrin"  in  Paris  ^^-^''). 
—  Eine  gute  Zusammenstellung  der  auf  die  Begründung  der  Eestspiele  bezüglichen 
Thatsachen  gab  C.  Heckel^^)^  — 

Zum  Kapitel  der  Geschichte  von  Sängern  und  Sängerinnen  liefert  den 
wichtigsten  Beitrag  das  breit  angelegte  zweibändige  Werk  von  11.  S.  Holland  und 
W.  S.  Rockstro  *^9)  über  die  Bühnenlauf  bahn  der  Jenny  Lind  (1820 — 51).  Der  deutschen 
Operngeschichte  gehört  dies  erfolgreiche  Künstlerleben  1844/7  an.  Zur  Kenntnis  der 
Meyerbeerschen  Opernepoche  und  des  Leipziger  Konzertlebens  zu  Mendelssohn  Zeit 
spenden  die  Vff.  schätzenswerte  Beiträge.  —  Kürzere  Lebensabrisse  bieten  die 
während  des  Berichtsjahres  erschienenen  Bände  der  ADB^o-os),  Allen  diesen  Arbeiten, 
auch  den  besseren,  mangelt  es  an  jener  Lebensfülle  und  Anschaulichkeit,  die  allein 
durch  eine  möglichst  vollständige  Kenntnis  des  in  Theaterarchiven  und  alten  Zeitschriften 
vergrabenen  Quellenmaterials  erlangt  werden  kann.  —  Wir  glauben  diesen  Bericht  nicht 
besser  schliessen  zu  können  als  mit  dem  Wunsche,  die  nächste  Zeit  möge  uns  recht  sorg- 
fältige Veröffentlichungen  über  die  Spielverzeichnisse  und  das  Personal  der  einzelnen 
Bühnen  bringen.  Das  wäre  die  erste  Vorbedingung  zu  einer  wissenschaftlichen  Be- 
gründung der  Geschichte  des  recitierenden  wie  des  musikalischen  Dramas  und  ihres 
theatergeschichtlichen  Teils.  — 


Stadt  Lübeck  nebst  e.  Anhange  Gesch.  d.  Musik  im  Fürstentum  Lübeck.  Lübeck,  Hartmann.  116,  IV  S.  M.  2,00.  —  77) 
H.  Knispel,  D.  Grossherzogl.  Hoftheatcr  zu  Darmstadt  v.  1810 — 90.  Mit  e.  gesch.  Rückblick  auf  d.  dramat.  Kunst  zu  Darm- 
stadt V.  1507—1800.  Darmstadt,  Zernin  XIV,  570  S.  M.  14,00.  —  78)  A.  Paudler,  Sängers  Lust  im  Vormärz.  E.  Beitr.  z. 
Gesell,  d.  Städte  Leipa  u.  Haida:  MNordböhmExkursiousClub  14,  S.  1—11.  —  79)  X  Kud.  Frhr.  Prochazka,  Musik  u. 
Theater  während  d.  Krönungstage  in  Prag  vor  100  J.:  Bohemiau.  N.  258.  —  80)  X  C.  Teuber,  D.  Prag.  Krönungsoper:  ib. 
N.  240.  —  81)  Ph.  Spitta,  Spontini  in  Berlin:  DRs.  66,  S.  363—79.  —  82)  X  H.  Reimann,  Naohkl.  v.  d.  diesj.  Festspielen 
in  Bayreuth:  ML.  00,  S.  098-700.  —  83)  X  id..  Kritisches  u.  Unkritisches  über  Bayreuth:  UZ.  U,  S.  418—31.  —  84)  X 
G.  Hörn,  Bayreuth:  WlüM.  71,  S.  216-34.  —  85)  X  Bayreuth:  Kw.  4,  S.  353/4.  —  86)  X  Lohengrin  in  Paris:  ML.  00, 
S.  620/2.  -  87)  X  R-  Sternfeld,  Lohengrin  in  Paris:  DWBl.  4,  S.  452.  —  88)  X  C.  Heckel,  D.  BUhuenfestspiele  in 
Bayreuth.  Authent.  Beitr.  z.  Gesch.  ihrer  Entstehg.  u.  Entwickig.  Leipzig,  Fritzsch.  V,  78  S.  M.  1,50.  (Vgl.  Brief  R.  Wagners 
AMusikZg.  18,  S.  423.)  —  89)  H.  S.  Holland  u.  W.  S.  Rockstro,  Jenny  Lind,  ihre  Laufbahn  als  Künstlerin  1820—51. 
Aut.  dtsch.  Uebersetzung  v.  Hedwig  J.  Schoell.  Brockhaus,  Leipzig.  XXII,  392,  XIII,  418  S.  M.  18,00.  |[E.  Hanslick: 
NFPr.  N.  9607/8,  9611.]|  —  90)  H.  M.  Schletterer,  C(  rona  Schröter:  ADB.  32,  S.  660.  —  91)  id.,  Schröder-Devrieut: 
ib.  S.  534.  —  92)  H.  Welti,  Caroline  Seidler:  ib.  33,  S.  641.  —  93)  id..  Josephine  Schulze:  ib.  S.  75L  — 


119  R.  M.  Meyer,  DidHktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  6:  i-u. 

1V,6 

Didaktik. 

Richard  M.  Meyer. 

Einleitung,  DispoHiti  on,  AllgemuinoB  N.  1.  —  Didaktinche  Litteratur:  Hallor  N.  U;  Geliert 
N,  2;  Kabener  N.  7;  Tfeffel  u.  a.  N.  8;  Hophi»  Schwarz  N.  16;  Uobbd  N.  16;  Hieron.  Lonn  N.  18;  Marie  t.  Ebner-EüclieobMli 
N.  27.  —  Popultlrphilonphio:  Wieland,  I.iclitonberg,  Forstor,  Hippel,  Zsdiokke  N.  2«.  —  Philosophie:  AllgemoineM  N.  85; 
Erste  Anhänger  und  Gognor  Kants  N.  ;tHf;  Ficht«  N.  45;  Schelling  N.48;  Schopenhauer  N.  51;  Herbart  N.83;  Feuorbach  N.  87; 
NietiHcho  N.  96.  —  Theologin  N.  100:  liavater  N.  101a;  Selileierraacher  N.  107;  K.  llaao  N.  IIU;  Marteuaen  N.  117;  DOllinger 
N.  121.  —  Geschichte:  Joh.  v.  Mllller  N.  126.  Uanko  N.  132;  Duncker,  Sybel  N.  134;  Biehl,  (iregoroviuH  N.  137.  —  Philo- 
logie: Klassische  Philologie  N.  138;  Uehersotzer  N.  142;  V.  Hohn  N.  146.  —  Kunstlehro:  Kunsthistoriker  N.  147;  Maler 
N.  151.  —  Kritik  N.  157.  —  Andere  Disciplinen  N.  168.  —  Journalisten  N.  175.  —  Politiker:  Aurklttrung,  Re- 
volution, Reaktion  N.  178;  Vormärz  N.  187;  Achtundvierziger  N.  189;  Staatsmänner  dor  neuesten  Zeit  N.  199;  Uismarck 
N.  200;  Lassallo  N.  203.  —  Uni  vorsitaton  N.  207.  —  Schulmänner  und  Pädagogen  N.  211.  —  Volkserziehan  g 
und  Zeitkritik  N.  223.  - 

Einleitung.  Es  ist  über  die  Unbestimmtheit  der  in  den  JBL.  verwandten  Rubrik 
„Didaktik"  Klage  geführt  worden.  Indessen  fasst  dieser  Ausdruck  doch  wolil  mit  genügender 
Deutlichkeit  alle  diejenigen  litterarisclien  Leistungen  zusammen,  bei  denen  niclit  die 
künstlerisclie  Gestaltung  als  solche,  sondern  die  Absicht  belehrender  Wirkung  das  Haupt- 
augenmerk des  Autors  bildet.  Riclitig  ist  ja,  dass  gerade  für  das  pädagogische  18.  Jh. 
diese  Definition  manches  einschlingt,  was  allenfalls  auch  der  Epik  und  Lyrik  zugewiesen 
werden  köimte  (Fabeln,  geistliche  Ennahnungslieder) ;  solche  Kompetenzkonflikte  sind 
ja  aber  kaum  irgendwo  völlig  zu  vermeiden  und  lassen  bei  wichtigeren  Werken  durch 
eine  mehrfache  Beleuchtung  von  verschiedenen  Standpunkten  sich  vorteilhaft  lösen.  — 
Von  der  rein  chronologischen  Disposition  meines  Vorgängers  will  ich  mit  Rücksicht 
auf  das  stark  angewachsene  Material  zu  einer  nach  Eächern  und  Zeiten  sondernden 
Einteilung  übergehen.  Ich  beginne  mit  der  im  eigentlichen  Sinne  didaktischen  Litte- 
ratur:  Lehrgedicht,  Eabel,  Satire.  Von  hier  macht  die  Populäi-philosophie  den  Uebergang 
zu  den  Wissenschaften,  die  sie  in  pädagogischem  Sinne  auszubeuten  strebt.  Als  die  drei 
stärksten  Wurzeln  der  deutschen  Volkspädagogik  stelle  ich  Pliilosophie,  Theologie  und 
Geschichte  voran,,  denen  weiterhin,  je  nach  dem  Grad  ihrer  allgemein-didaktischen 
Benutzung,  Philologie,  Kunstlehre  und  Aesthetik,  Naturwissenschaften  folgen.  Vom 
Boden  der  reinen  Theorie  vermitteln  dann  Politik  und  Nationalökonomie  den  Uebergang 
zur  praktischen  Pädagogik:  zur  Volkserziehung  durch  die  Staatsmänner  luid  Politiker, 
zur  Einzelerziehung  in  Universität  und  Schule  (in  welch  letzterem  Teil  ich  freilich  zu 
Gunsten  des  besonderen  Berichterstatters  [1,GJ  weichen  muss),  bis  wir  endlich,  um 
mit  der  höchsten  Stufe  der  Didaxis  zu  schliessen,  mit  der  über  den  nationalen  Rahmen 
hinaiis  greifenden  Zeitkritik  „den  Anfang  mit  dem  Ende  sich  in  Eins  zusammenziehen" 
lassen.  —  Den  grössten  Gewinn  hat  die  didaktische  Litteratur  im  allgemeinen  aus 
der  Neubearbeitung  von  Goedekes  *)  Grundriss  gezogen.  Die  §§  204  (Haller,  Hage- 
dorn und  Lehrdichter),  205  (Liscow,  Rabener,  Kästner  und  Satiriker),  207  (GeUert),  210 
(Fabeldichter),  220  (Winckelmann),  222  (Populärphilosophen),  225  (Lichtenberg  und 
Humoristen),  228  (Hamann,  Hippel,  Jung-Stilling,  F.  H.  Jacobi)  haben  an  der  reichen 
Ernte  von  Nachträgen  und  Berichtigungen,  die  wir  den  Herausgebern  und  Bearbeitern 
der  zweiten  Auflage  verdanken,  ihren  voll  gemessenen  Anteil.  Man  braucht  nur  ganz 
äusserlich  den  Umfang  der  Artikel  in  der  ersten  und  zweiten  Bearbeitung  zu  vergleichen, 
um  des  starken  Wachstums  inne  zu  werden  und  damit  des  lüngebenden  Fleisses,  dem 
er  verdankt  wird.  So  ist  gleich  in  §  204  die  Zalil  der  biographischen  Arbeiten  über 
Haller  von  eins  zu  sechs  gestiegen,  wozu  noch  meln-ere  Nummern  über  Tagebücher, 
Briefe,  imiere  Entwicklung  kommen.  In  jeder  der  bleibenden  Nummern  smd  sodann 
der  Umfang,  für  die  zweite  Auflage  der  Schweizergeschichte  die  Besprechung  in  Gott- 
scheds Beiträgen,  und  sonst  mancherlei  nachgetragen.  Die  Ersetzung  der  arabischen 
Zahlen  im  Datum  durch  römische  erhöht  leider  die  Uebersichtlichkeit  nicht  —  Ungemein 
hat  die  Bibliographie  für  Hagedorn,  beträchtlich  die  der  Fabeldichter,  am  stärksten  die 
Gellerts  zugenommen.  Für  Geliert  ist  an  Stelle  der  Daten  Goedekes  die  berichtigt« 
Selbstbiographie  eingerückt  worden.  Für  Liscow  konnte  die  Lebensbeschreibung  wesent- 
lich verbessert,  für  Trömer  (in  der  ersten  Auflage  Trömel)  und  andere  sehr  bereichert  werden. 
Einzelne  Daten  sind  überall  zugefügt.  Neue  Autorennamen  sind  vor  allem  in  §  204 
(Lehrdichter)    und    §    222    (Populärphilosophen)    eingestellt,    so   dass  namentlich  dieser 


i)  (IV  1  :  1.)    —    la)    G.    Bondi,   D.  Yerhaltnis   r.  Hallers   philoa.  Gedichten   z.  Philosophie  seiner   Zeit    Diss- 


IV  6:  2-6a.  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  120 

letztere  sehr  bedeutende  Artikel  ein  ganz  neues  Ansehen  gewonnen  hat.  Im  übrigen 
versteht  es  sich  von  selbst,  dass  hinsichtlich  der  Disposition  sowohl  als  auch  der 
Auffassung  die  Bearbeiter  sich  durch  Goedekes  Grundlagen  eingeengt  fühlen  mussten. 
Da  nun  seiner  entschieden  volkstümlich  gerichteten  Art  gerade  die  hier  behandelten 
Männer  unendlich  ferner  standen  als  ein  Hans  Sachs  oder  gar  ein  Luther  oder  Schiller, 
da  er  gegen  das  philiströse  Element  in  all  diesen  Aufklärern,  Lehrern  und  Moralpredigern 
eine  geheime  Abneigung  verspürte,  so  fehlt  in  der  Charakteristik  oft  und  in  der  An- 
ordnung fast  durchweg  hier  die  glückliche  Hand,  die  dem  16.  Jh.  so  unvergleichliche 
Dienste  leistete.  Dabei  musste  es  nun  sein  Bewenden  haben,  und  Moser  behält  seine 
wenig  geeignete  Umgebung  nach  wie  vor,  Lichtenberg  verliert  sich  unter  den  Kortum 
und  Langbein,  und  für  Abbt  findet  sich  auch  jetzt  noch  kein  Wort,  das  die  Eigenart 
unseres  ersten  mit  Bewustsein  und  Absicht  wieder  „elegant"  schreibenden  Prosaikers 
hervorhebt.  Nur  Winckelmann  ist  in  eindringender  Weise  neu  charakterisiert  worden 
und  zwar  von  seinem  grössten  Kenner,  K.  Justi.  Die  treffliche  Bearbeitung  des  in 
seiner  Art  einzig  dastehenden  Werkes  hat  also  an  seiner  Individualität  nichts  geändert: 
nach  wie  vor  bleibt  jeder  einzelne  Artikel  für  die  Specialforschung  unschätzbar,  nach 
wie  vor  ist  es  unmöglich,  aus  Goedekes  Kapiteln  oder  Charakteristiken  allein  von  einer 
Richtung  oder  einer  Persönlichkeit  ein  treffendes  Bild  zu  gewinnen.  — 

Das  Interesse  an  der  didaktischen  Litteratur  erscheint  sonst  im  Berichtsjahr 
auf  den  Namen  Gellerts  nahezu  beschränkt.  Vielleicht  ist  in  der  eigentümlichen 
Mischung  von  Frömmigkeit  und  Frivolität,  die  den  Leipziger  Klassiker  charakterisiert, 
etwas,  das  die  psychologische  Gourmandise  unserer  Zeit  reizt,  wie  ähnlich  die  Ironie  der 
Romantiker  wieder  in  Aufschwung  kommt.  Doch  ist  es  mehr  der  traditionelle  als  der 
wirkliche  Geliert,  der  zur  Darstellung  gelangt,  und  mehr  der  Form  als  dem  Inhalt  gilt 
die  Teilnahme.  Woran  liegt  es  also,  dass  Haller  und  Hagedorn  ganz  hinter  Geliert 
zurücktreten?  Zwar  über  Haller  handelt  eine  interessante  Dissertation  von  Bondii»). 
Im  Gegensatz  zu  Frey  und  Hirzel  sieht  B.  in  Shaftesbury  den  eigentlichen  philosophischen 
Inspirator  der  Lelu'gedichte  Hallers;  und  wenn  auch  nicht  jede  Einzelheit  bestehen 
bleibt,  in  der  B.  Abhängigkeit  des  schweren,  strengen  Schweizers  von  seinem  eleganten 
Vorbild  annimmt,  so  ist  doch  der  Beweis  des  in  jenen  Gedichten  mächtig  nachwirken- 
den Einflusses  Shaftesburys  unzweifelhaft  geführt.  Lehrreich  ist  besonders  die  Ver- 
gleichung  der  ältesten  Texte  mit  den  späteren  Ausgaben,  die  Erörterungen  über  Begriffe 
wie  „Natur"  und  „Gott".  Wie  viel  Irrtümer  der  litterarischen  Anschauung  z.  B.  über 
Goethe  beruhen  lediglich  auf  Missverständnis  individuell  gebrauchter  Termini  solcher 
Art!     (Vgl.  auch  S.  21  Anm.  2  über  „Wahngespenst").  — 

Auf  eine  Vergleichung  der  ersten  Ausgabe  mit  den  späteren  beschränkt  sich 
auch  fast  völlig  die  einzige  wissenschaftlich  fördernde  Arbeit  über  Geliert.  Im  An- 
schluss  an  Erich  Schmidts  Behandlung  von  Gellerts  Fabelstil  (ADA.  2,  S.  54  ff.)  untersucht 
Handwerck  2)  1)  die  Anlage  im  ganzen,  2)  den  Ausdruck  im  einzelnen,  3)  die 
charakteristischen  Erscheinungen  des  Satzbaues,  4)  Färbung  der  Sprache  usw.,  5)  stilistische 
Beeinflussung.  Die  sorgfältige  Arbeit  hat  sich  in  die  Ursachen  der  Verbesserungen 
verständnisvoll  eingefühlt,  obwohl  gelegentlich  vielleicht  die  führende  Kraft  der 
metrischen  Aenderungen  über  inhaltlichen  Motiven  unterschätzt  wird.  Besonders  mache 
ich  auf  die  Beseitigung  von  zweigliedrigen  Ausdrücken  aufmerksam;  ferner  auf  die 
Wiederaufnahme  mit  „dieser"  —  fast  eine  Erneuerung  altgermanischer  Stilgewohnheiten 

—  und  den  Gebrauch  der  Interjektionen.  —  Gellerts  Dichtungen  sind  ferner  vollständig  8) 
und  in  Auswahl  *)  erschienen  und  ebenso  ist  sein  Leben  in  freier  Bearbeitung  vorgeführt 
worden,  teils  in  Auswahl  ^),  teils  vollständig,  durch  den  litterarhistorischen  Jugendroman 
von  Stein-Nietschmann  ^),  dem  man  entschiedenes  Geschick  nachrühmen  muss;  fasst 
man  einmal  Geliert  als  den  christlichen  Musterknaben,  der  er  immer  sein  wollte,  so 
kann  man  ihn  kaum  anschaulicher  vor  die  Augen  stellen,  als  hier  geschieht.  Von  den 
inneren  Kämpfen  dieser  von  Begehrlichkeit  zur  Entsagung  strebenden  Seele  erfahtt  man 
freilich  hier  so  wenig  wie  sonst;  wie  der  christliche  Sokrates  die  Gefahren  bedenklicher 
Neigungen  überwand  und  doch  nicht  ganz  überwand,  wie  der  stete  Konflikt  von  Sinn- 
lichkeit und  Tugend  ihn  zu  einem  Gegenbild  der  Helden  Wielands  macht,  das  wird  ver- 
schwiegen und  wäre  in  Gescliichts-  und  Lebensbildern  für  die  Jugend  wolil  auch  nicht 
am  Platze.  Sehr  gelungen  ist  die  Zeichnung  des  Ehepaars  Gottsched;  auch  gegen  das 
Wort  „Vogelscheuchenhaftigkeit"  (S.  30)  haben  wir  nichts  einzuwenden.  Dagegen  ist 
Rabeners  gar  nicht  uninteressante  Persönliclikeit  zu  konventionell  gehalten,  und  auch 
die  Audienz  bei  Friedrich  dem  Grossen  kommt  nicht  zu  ihrem  Recht  ''*).  — 

Leipzig.  40  S.  M.  0,76.  —  2)  H.  H  a  n  d  w  e  r  c  k ,  Studien  ttber  Gellerts  Fabelstil.  Marburjrer  Diss.  Leipzig,  Fock.  4«.  43  S. 
M.  1,00.  —  3)  Chr.  F.  Gollcrt,  Diebtungen,  kritisch  durchgeseh.  u.  orlllut.  her.  v.  A.  Schullerus.  Leipzig,  Bibliograph.  Inst. 
VI,  28  u.  385  S.  m.  IMldnis  u.  Fksra.    Geb.  M.  2,00.  —  4)  id.,  Ausgew.  Fabeln  u.  Erzählungen.    Lahr,  Schauenburg.   10".  94  S. 

—  5)  O  P-  Wurster,  Segen  d.  Wohlthuns  (CharakterzUge  ans  Gellerts  Leben).  Z.  Aufführung  hauptsächl.  in 
Jünglings-  u.  a.  christl.  Voreinen.  2.  Aufl.  Heilbronn,  Scheurlen.  27  S.  M.  0,30.  —  6)  Armin  Stein  [H.  Nietschniaun], 
Chr.  F.  Geliert.  (=  Dtsch.  Gesch.-  u.  Lebensbilder  XVIII.)  Halle,  Waisenhaus.  VII.   203  S.  m.  l  Bild.  M.  2,40.  —  6a)  X  M.  K., 


121  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  6:   7-20. 

Rabener  ist  von  R.  Vetter')  behandelt  worden.  Für  seine  pädagogischen 
Grundsätze  seien  bezeichnend  die  Betonung  des  Deutschen,  die  Förderujig  des  Nachein- 
ander im  Unterricht  statt  vei-wirrender  Gleichzeitigkeit,  die  Hervorhebung  der  Geschichte, 
und  neben  diesen  Ratschlägen  für  die  Schule  das  nachdrückliche  Verlangen  nach  Reform 
der  Erziehung  in  der  Familie.  — 

Für  Pfeffol  liegen  neue  Mitteilungen ®-9)  und,  als  Beweis  seiner  Popularität, 
ebenso  wie  von  Gellorts  ausgewählten  Fabeln  eine  Miniaturausgabe  als  Reklame  für 
ötollwercks  Chokolade  vor***).  —  Für  Seb.  Sailer  ist  von  P.  Beck  '2)  dio  Bibliograpliic 
zuHJimniongOHtellt  worden.  —  Sein  protestantischer  Amtsgenosse  als  Geistlicber  und  Volks- 
scluiftsteller,  Ilebel '^-1*),  sei  hier  nur  erwähnt,  da  er  an  anderer  Stelle  (IV,13)  besprochen 
wird.  — 

In  die  Epoche,  in  der  die  alte  philanthropisch-erzieherische  Litteratur  von  der 
individualistischen  Selbsterziehung  der  Romantiker  abgelöst  wurde,  führt  uns  Diederichs''^) 
Lebensbild  der  Sophie  Schwarz,  der  Freundin  der  Elise  von  der  Recke,  die  uns  als 
Sophie  Becker  vielleicht  besser  bekannt  ist.  Ihr  interessantes  Reisetagebuch  macht 
sie  füi-  die  Litteraturgeschichte  wichtiger  als  ihre  Verse,  für  die  nach  D.  Göckingk, 
Gleim  und  z.  T.  Klopstock  Vorbilder  sind.  — 

Von  hier  gelangen  wir  dann  in  das  Fahrwasser  des  ausgeprägtesten  Individualismus 
mit  Hebbel,  von  dessen  Sprüchen  Emil  Wolff^^)  eine  hübsche  und  ganz  geschickte 
Auswahl  veranstaltet  hat.  —  In  Hebbels  Umkreis  führt  Schlossars  •')  Biographie  des 
Fürsten  Friedrich  Schwarzenberg,  des  als  Vf.  von  originellen  Aphorismen  bekannt<*n 
„Landsknechts".  — 

Ein  anderer  Wiener  Schriftsteller  von  durchaus  individualistisch-pädagogischer 
Richtung,  Hieronymus  Lorm,  hat  am  9.  August  IHÜI  seinen  siebzigsten  Geburtstag 
gefeiert,  bei  welcher  Gelegenlieit  die  Deutschen  auf  ihre  Dichter  aufmerksam  zu  werden 
pflegen.  Die  verschiedenen  dieser  Feier  geweihten  Artikel  18-24)  bringen  wenig  Neues, 
sie  gelten  überwiegend  mehr  dem  allerdings  bewunderungswürdigen  Heros  des  Duldens 
als  dem  philosophiHchen  Lyriker,  der  doch  manchen  eigentümlichen  Ton  angeschlagen 
hat  und  neben  den  feuilletonistisch- bizarren  Weltschmerzdichtern  Heinescher  Schule, 
Grisebach  und  Genossen,  mit  den  einfachen  rührenden,  sich  selbst  singenden  Tönen 
gewisser  Klagelieder  einsam  dasteht,  gleichsam  ein  Dichter  atheistischer  Kirchenlieder. 
Selbst  Lorms-^-2*5)  Selbstbetrachtung  zersplittert  mehr  in  einzelne  Bemerkungen  über 
Naturalismus  und  Pessimismus,  als  dass  sie  in  das  Innerste  des  eigenen  Wesens  hinein- 
stiege. Das  freilich  hebt  Lorm  selbst  wie  mehrere  der  Gratulanten  hervor,  wie  der 
Weltschmerz  gerade  infolge  seiner  individuellen  Verschärfung  zum  „grundlosen  Opti- 
mismus" umschlug,  zu  einer  Art  Verzweiflungsoptimismus,  der  die  Welt  als  schön 
gelten  lässt,  weil  man  all  ihr  Elend  doch  nicht  erfassen  könne.  Der  Versuch  zu  prüfen, 
wie  weit  die  körperliche  Organisation  des  seit  langen  Jalu-en  blinden  und  tauben 
Dichters  auf  seine  poetische  Gestaltung  eingewirkt  hat,  ist  nirgends  gemacht  worden.  — 

Leichter  als  der  Sprung  von  massloser  Verzweiflung  zum  „unvernünftigen 
Sonnenglanz"  ist  die  Verbindung  von  Humor  und  Verzweiflung.  Deutschlands  be- 
rühmtester Humorist  ist  unter  die  Didaktiker  gegangen;  doch  besprechen  wir  sein 
Werk,  als  Fabel  in  aphoristischer  Art  schon  hier  zu  erwähnen,  besser  unter  dem  Ab- 
schnitt „Zeitkritik"  (S.  u.  N.  227).  Als  eine  schöne  Gabe  der  Didaktik  ist  aber  hier  die 
neueAusgabe  der  „Aphorismen"  von  Marie  von  Ebner-Eschenbach^')  anzufülu-en.  Auch 
sie  bewahrt  durch  pessimistische  Tönung  hindurch  unbeirrt  den  Glauben  an  die  Kraft 
des  Guten.  Es  wäre  schlimm,  wenn  auf  den  reichen  Schatz  kunstvoll  geformter  Weis- 
heit, den  diese  Sprüche  darstellen,  mit  weiterer  Empfeldung  erst  noch  verwiesen  werden 
müsste.  Es  ist  ein  Werk,  von  dessen  Kenntnis  auch  die  genaueste  Vertrautheit  mit 
Skandinaviern  und  Russen  keinen  Deutschon  dispensieren  darf.  • — 

Wenden  alle  diese  Autoren  sich  an  die  litterarischen  Kreise  überhaupt,  so  setzt 
die  Populärphil o Sophie  immer  schon  einen  esoterischen  Kreis  voraus.  Direkt  an 
Schüler  wendet  sich  Wielands  „Geschichte  der  Gelehrtheit"'^*^),  über  die  an  anderer  Stelle 
berichtet  ist.  —  In  unserer  Zeit  scheint  den  Populärphilosophen  das  Publikum  gänzüch 
zu  fehlen.    Der  bedeutendste  von  ihnen,  Lichtenberg,  ist  immer  noch  ein  vergessener 


Chr.  F.  Geliert  Über  d.  Juden:  AZgJudont.  S.  588.  —  7)  (I  6:21.)  —  8)  O  J-  Bathgeber,  12  ungedr.  Briefe  y.  PfefFel: 
JbUElsLothr.  7,  S.  128-40.  -  9)  Q.  K.  Pfeffels  Fremdenbuch:  AZgß.N.  298.  —  iO)  G.  K.  Pfeffel,  Biographie  e.  Pudels. 
Lahr,  Schauenburg.  16«.  64  S.  —  11-12)  P.  Beck,  Bibliographie  lu  Seb.  Sailer:  Alemannia  1»,  S.  36-42.  —  B)  X 
P.  Diehl,  J.  P.  Hebel:  EvMBl.  11,  S.  161-71  (vgl.  273/4).  -  14)  X  Schlegel,  Noch  einmal  Hebel:  ib.  S.  215.  —  15) 
Diederiohs,  Sophie  Schwarz:  ADB.  33,  S.  249-51.  —  16)  Em  il  Wolf  f ,  SprUche  v.  F.  Hebbel.  Aus  d.  TagebOchem  u.  Briefen 
ges.:  HambCorr».  N.  11.  —  17)  A.  Sohlossar,  FUrst  Friedr.  Schwarzenberg:  ADB.  33,  S.  290/5.  —  18)  H.  Lorm:  NFPr.  v. 
20.  Aug.  —  19)  R.  L.,  H.  Lorm:  VolksZg.  v.  9.  Aug.  —  20)  U.  Frank,  H.  Lorm:  BerlTBl.  t.  8.  Aug.  —  21)  H.  Ganz, 
H.  Lorm:  FZg.  N.  220.  -  22)  Kl.  F-t,  H.  Lorm:  ib.  N  227.  —  23)  A.  L.  Wolf,  H.  Lorm:  AZgJudent.  S.  375  7.  -  23«) 
Ph.  Stein,  H.  Lorm:  Didaskalia  v.  9.  Aug.  —  24)  id.,  H.  Lorm:  KielZg.  N.  14429.  —  25)  H.  Lorm,  Danksagung:  FZg, 
N.  225.  —  26)  id.,  E.  Selbstbetrachtung:  NFPr.  t.  9.  Aug.  —  27)  Marie  v.  Ebner-Eschenbacb,  Aphorismen  3.  Aufl. 
Berlin,  Paetel.     1890.     196  S.    M.  5,00.     |tC.  L  :  DLZ.  S.  12ö3.]|  —  28)  ,1V  3  :  29.)  -  29)  P.  Diehl,  LesefrUcht«  aus  Lichten- 


IV  6:  30-38f.  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18. '19.  Jahrhunderts.  122 

Klassiker,  aus  dessen  Schriften  Lesefrüchte  zurecht  gemacht  werden,  so  jetzt  von  Diehl  -^) 
und  E.Reichel  so)^  weil  niemand  das  Original  liest.  —  Für  LichtenbergsFreundForster  hat 
Leitzmann^i)  die  Mitteilungen  aus  Briefen  (1890  IV  6 :  43)  fortgesetzt.  Der  Mit- 
begründer der  Völkerpsychologie  und  wissenschaftlichen  Ethnographie  hat  für  uns  noch 
ein  besonderes  Interesse,  weil  seine  Berichte  über  englische  Litteratur  zu  den  klassischen 
Vorgängern  unserer  JBL.  gehören.  Aus  Wilna  hat  er  freilich  über  neuere  Litteratur 
nichts  zu  melden;  im  Gegenteil  verzweifelt  er  über  die  Schwierigkeit,  mit  der  neueren 
Produktion  sich  in  Verbindung  zu  halten  (S.  165).  Er  spricht  über  Nicolais  Wiener 
Aufenthalt  (S.  131),  über  den  Tod  Friedrichs  des  Grossen  (S.  179),  teilt  mit,  dass  er 
von  Klopstocks  Prosa  nichts  gelesen  habe  (S.  190),  stichelt  auf  den  Archimagus 
Wöllner  (S.  207) ;  aber  diese  vereinzelten  Bemerkungen  über  litterarische  Zeitgenossen 
verschwinden  in  der  Flut  der  Klagen  (besonders  beweglich  S.  174)  und  des  Zorns  über 
die  polnische  Wirtschaft  (S.  136,  139).  Noch  mögen  ein  paar  Worte  über  seine  Fa- 
milie (S.  212)  herausgehoben  werden.  —  Nur  Miscellen  betreffen  Hippel  32)  und 
Zschokke33)j  soweit  er  hierhergehört,  in  dessen  Freundeskreis  Pag  eis  3*)  Biographie 
des  Arztes  Schmutziger  einführt.  Zschokke  hat  ihm  „Addrich  im  Moos"  zugeschrieben 
und  ihn  auch  sonst  liebevoll  erwähnt.  — 

In  den  rein  wissenschaftlichen  Betrieb  der  neueren  Philosophie  leitet  Kuno 
Fischers  35)  bekanntes,  in  neuer  Auflage  erschienenes  allgemeines  Werk  ein.  —  Ueber 
den  gegenwärtigen  Stand  orientieren  Falckenbergs  Rede  und  Jodls  Bericht.  Um  die 
Antrittsrede  Falckenbergs  ^6)  zu  würdigen,  muss  man  wohl  Fachmann  sein;  anderen 
scheint  sie  nur  eine  oberflächliche  Klassifikation  der  bekanntesten  Namen.  Nietzsche 
wird  natürlich  ignoriert  wie  vormals  Schopenhauer.  Die  Hauptaufgabe  des  Vortrags 
ist,  die  „Unaufgebbarkeit  der  Metaphysik"  zu  verkünden,  wofür  besonders  Wundts 
Rückfall  in  die  Bildung  lückenloser  Systeme  beweisend  sein  soll.  —  Lehrreicher  ist 
Jodls ''3)  Referat,  aus  dem  wenigstens  über  die  grossen  Stromrichtungen  der  gegen- 
wärtigen deutschen  Philosophie  ein  Bild  zu  gewinnen  ist.  Doch  scheint  dem  energisch 
positivistischen  Autor  volle  Unparteilichkeit  für  fremde  Bestrebungen  zu  fehlen. 
Dazu  kommt  ein  verdriesslicher  Ton,  der  sich  bis  zu  der  Behauptung  versteigt,  nirgends 
in  den  grossen  civilisierten  Ländern  habe  wirkliches  Freidenken  so  wenig  Fuss  gefasst 
wie  in  Deutschland  (S.  272) ;  vermutlich  soll  England  das  Musterland  wahrer  Aufklärung 
vorstellen.  —  Vom  entgegengesetzten  Standpunkt  atis  überschaut  der  Jesuit  H.  Gruber^S) 
die  neuere  Entwicklung  der  Philosophie.  Sein  schwerfälliges  Bixch  ist  reich  an  Material; 
auch  die  Versuche  zu  praktischer  Ausgestaltung  philosophischer  Forderungen  im  öffent- 
lichen und  privaten  Leben  zieht  er  heran.  Im  übrigen  ist  seine  Methode  die  übliche, 
die  Philosophen  gegenseitig  durch  ihre  Kritik  aneinander  aufzureiben.  —  Ueber  den 
Begriff  des  Positivismus  handelt  mit  unklarer  Disposition  und  in  ungelenker  Sprache 
Schleimer  38a).  Er  fasst  den  Positivismus  als  Philosophie  des  Socialismus  und  sucht 
ihm  damit  eine  eigentümliche  Stellung  zu  sichern,  den  Mangel  einer  selbständigen 
Ethik  zu  entschuldigen  und  Zweifel  an  der  philosophischen  Geltung  des  „Comtismus" 
zurückzuweisen.  Indem  er  die  Vermischung  anderer  Standpunkte  mit  dem  eigentlich  positivis- 
tischen abwehrt,  kann  er  sich  doch  von  beständiger  Rücksicht  auf  dieselben  nicht  fernhalten. 
Schliesslich  beruht  seine  Beweisführung  doch  eigentlich  nur  auf  dem  Zirkelschluss,  dass 
das  Kriterium  des  Positivismus  (S.  24)  erst  aus  Comte  geholt  und  dann  nirgends  anders 
gefunden  wird.  —  Den  Versuch,  eine  positive  Weltanschauung^  auf  dem  Materialismus 
aufzubauen,  machte  Strecker  38b).  —  Im  Gegensatz  dazu  haben' mehrere  Theologen  wie 
Luthardt38c)^  Gottschick  38d-)^  Beyschlag38e)  sich  gegen  die  modernen  Weltanschau- 
ungen und  ihren  Ausdruck  im  Staatsleben  mehr  oder  minder  polemisch  gestellt.  — 

Einzeldarstellungen  betreffen  vorzugsweise  Kants  erste  Anhänger  und 
Gegner  sowie  seinen  „Vollender"  Schopenhauer.  Abseits  steht  nur  Mendels- 
sohn, in  dessen  persönliche  Verhältnisse  zwei  kleine  Mitteilungen  einführen:  in  seine 
Jugend    die    von     D.    Kaufmann  38f)    gegebene    Biographie    eines    Mitschülers    seiner 


bergs  vermischten  Schriften:  EvMBl.  11,  S.  232/8.  —  30)  Eug.  Reichel,  Lichtenbergs  polit.  Meinungen:  Zeitgeist  v.  6.  Juli. 
—  31)  A.  Leitzmann,  Beitr.  z.  Kenntnis  G.  Forsters  aus  ungedr.  Quellen  IIL:  ASNS.  87,  S.  129-21(1.  -  32)  E.  V.  Zencker, 
Hippel  u.  d.  Frauenfnige :  AZg".  N.  26.  —  33)  O  E.  Satire  auf  Zschokkes  Stunden  d.  Andacht:  PastoralHlRottenburg  9,  S.  40.  — 
34)  Pagel,  H.  Schmutziger:  ADB.  32,  S.  65.  —  35)  O  Kuno  Fischer,  Philos.  Schriften  I.  Einl.  in  d.  Gesch.  d.  neueren 
Philos.  4.  Aufl.  Heidelberg,  Winter.  IV,  163  S.  M.  4,00.  —  36)  B.  Falckonberg,  üeber  d.  gegenwärtige  Lage  d.  dtsch. 
Philos.  Akadem.  Antrittsrede.  Leipzig,  Veit  &  Co.  1890.  30  S.  M.  0,60.  |[M.  Krononberg:  Nation",  v.  3.  Sept.]|  —  37) 
F.  Jodl,  German  Philosophy  in  the  19  Century:  The  Monist.  Chicago.  1,  S.  263—77.  —  38)  Horm.  Gruber  S.  J.,  1).  Posi- 
tivismus V.  Tode  Comtea  bis  auf  unsere  Tage  (1857—91).  (=  Erganzungshofto  zu  StML.  N.  52.)  Freiburg  i.  B.,  Herder.  VII, 
194  S.  M.  3,25.  |[D:  LCBl.  S.  1485;  K.  Hermann:  BLU.  S.  635(6;  0.  Noumann-Hofer:  Gegenw.  39,  S.  134/6.] |  —  38a) 
A.  Schleimer,  D.  Positivismus.  E.  krit.  Studie.  Diss.  Leipzig,  Fock.  31  S.  M.  0,80.  —  38b)  W.  Streck  e  r,  Welt  u.  Mensch- 
heit V.  Standpunkte  d.  Materialismus.  Nebst  e.  Einführung  v.  L.  Büchner.  Leipzig,  Spohr.  XV,  243.  M.  3,00.  -  38c) 
C.  E.  Luthardt,  D.  modernen  Weltanschauungen  u.  ihre  prakt.  Konsequenzen.  Vortr.  über  Fragen  d.  Gegenw.  (=  Apologie 
d.  Christentums.  4.  Tl.,  3.  Aufl.)  Leipzig,  Dörfi'ling  &  Francke.  XII,  286  S.  M.  6,00.  -  38 d)  (15: 456.)  —  38 e)  W. 
Beyschlag,  Welche  Entwicklung  hat  d.  Yerhallnis  v.  Staat  u.  Kirche  in  Preussen  im  19.  Jh.  genommen  u.  welcher  Ver- 
besserungen   ist  es  fähig   u.   bedürftig?    Ref.     Halle,   Strien.    25   S.    M.   0,40.    —  38 f)   D.   Kaufmann,   Aus  M.  Mendels- 


123  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18,/19.  Jahrhundert«,  Iv  6:  38g.««b. 

jüdischen  Lehrer,  in  sein  Alter  ein  von  Kayserling'*^«)  veröffentlichter  Brief  seiner 
"Witvte.  —  Maimon  wird  von  C.  A.  Fischer 3«)  inid  Platner  von  Wreschner*®) 
und  P.  Bergemann *^)  behandelt;  Liebmann*-)  brachte  die  Lebensgeschichte  eines 
eifrigen  Anluingers,  des  Philosophen  Schultz,  und  Pagel*'')  die  eines  entscliiedenen 
Gegners  von  Kant,  des  berühmten  Arztes  Seile,  femer  Kühnemann**)  die  von 
Aonesidomus- Schulze,  der  als  Lehrer  Schopenhauers  noch  eine  besondere  Bedeutung 
bcaiispruciit.  Er  hat  auch  in  der  Dissertation  Wreschners  eine  besondere  Berück- 
sichtigung gefunden.  — 

Von  Fichte  werden  ungedruckte  Briefe  an  den  Theologen  Schmidt  in  Giessen 
durch  A  1fr.  Bork*^)  voröfFentlicht.  Zum  Teil  betreffen  sie  den  Atheismus-Streit.  Notiert 
wurden  mag  Fichtes  Erklärung:  Fichtianer  kenne  er  nicht;  sie  würden  ihm  aber  noch 
mehr  als  die  Kantianer  zuwider  sein.  —  In  neuer  Auflage  erschien  A.  Baiers**) 
Denkrede  auf  Fichte.  —  Aus  Krauses  unerschöpflichem  Nachlass  wurden  durch  Hohl- 
feld und  Wünsche*'')  wieder  zwei  Bände  herausgegeben,  den  rührenden  Enthusiasmus 
des  Uebermenschen-Predigers  wie  seine  Verworrenheit  und  Unzugängliclikeit  von  neuem 
illustrierend.  — 

lieber  Schelling  nach  der  Schlacht  bei  Jena  werden  ein  paar  schon  bekannte 
Briefstellen  zusammengetragen*»);  sein  Briefwechsel  mit  König  Maximilian  von  Baieni 
(JBL.  181)0  IV  6:63)  fand  zahlreiche  Besprechungen,  förderlich  besonders  durch 
Heigel  *'^).  —  Sein  Schüler,  der  Naturpliilosoph  G.  H.  v.  Schubert,  ist  von  Hess») 
charakterisiert  worden.  — 

Derjenige  Philosoph,  der  am  meisten  von  allen  der  eigentlichen  Litteratur 
angehört:  Schoj)enhauer,  hat  mehr  Behandlung  gefunden  als  die  übrigen  zusammen. 
Für  dieADB.  hat  Liepmann^')  ein  Lebensbild  verfasst,  klar  und  verständig,  fem  von 
der  mystischen  Verzückung  der  Anbeter  des  „modernen  Buddha".  Nur  den  Ausdruck, 
der  ewig  Grämliche  habe  ein  „heiteres  Alter"  gehabt,  möchten  wir  beanstanden.  Klar 
ist  auch  die  Darstellung  des  Systems,  zu  nüclitem  vielleicht:  die  orientalisierenden, 
mystischen  Züge  treten  zu  stark  zurück.  Für  die  Gesamtbeurteilung  des  Philosophen 
stellt  L.  gewiss  mit  Recht  seinen  Mangel  an  jeglicher  Erziehung  in  den  Vordergrund; 
sie  zeigt  sich  auch  in  dem  eigensinnigen  Abweisen  alles  zu  vorgefassten  Meinungen 
nicht  passenden  Lernens,  die  kaum  ein  Philosoph  in  so  starkem  Grad  wie  Schopenhauer 
zeigt.  —  In  die  Verhältnisse  seiner  Jugend  leuchten  auch  Kummers  ^2)  und  Brum- 
mers ^3)  Biogi-aphien  seiner  Mutter  und  seiner  Schwester  herein,  der  Freundin  Goethes 
und  der  Freundin  Annettens  von  Droste.  —  An  ein  paar  Einzelfragen  behandelnde  Auf- 
sätze5*-56^,  von  denen  wir  Rud.  Lehmanns  ^'-^s)  Vortrag  über  die  litterarhistorische 
Stellung  Schopenhauers  hervorheben,  schliesst  sich  die  Fülle  der  Ausgaben:  Gesamt- 
ausgaben von  Frauenstädt^'')  und  M.  Brasch  «O),  vor  denen  Grisebachs  ß«)  sich  aus- 
zeichnet, Auswahl  aus  sämtlichen  Werken  f^'^),  Ausgaben  einzelner  Werke '»^-''Sb).  Besonders 
beliebt  ist  aber  in  unserer  für  Extrakte  schwärmenden  Zeit  die  Form  des  philosophischen 
Mosaikspiels.  Was  Schopenhauer  über  einen  bestimmten  Punkt  gesagt  hat,  wird  neben- 
einander gesetzt,  nicht  etwa  —  was  sehr  dankenswert  wäre  —  in  Form  einer  dokumentierten 


sohus  FrUhzeit:  AZgJudent.  S.  476/8.  —  38g)  M.  Kayserling,  E.  ungcdr.  Brief  Fromet  Mendots8ohns:  ib.  S.  106.  —  38) 
(1  6:308;  S.  61—72.)  —  40)  A.  Wrosclinor,  E.  Platners  n.  Kants  Erkenntnistheorie  in.  bes.  Beröcksirhtigung  Ton  Tetcns  n. 
Aenosideinus.  Diüs.  Boriiu.  25  S.  M.  0,üO.  —  41)  P.  Horgeniann,  Ernst  Platner  als  Moralphilusoph  u.  sein  Verhtütnis  t. 
Kantseben  Ethik.  Hallenser  Diss.  Leipzig,  Fock.  56  S.  M.  1,00.  —  42)  Liebmann,  Joh.  Scbulti:  ADB.  32,  S.  716/7.  —  43) 
Pagel,  Chr.  G.  Seile:  ib.  33,  S.  682/4.  -  44)  E.  Kühnoniaun,  G.  E.  .Schulze:ib.  32,  S.  776-80.  —  45)  Alfr.Bock,  Ungedr. 
Briefe  an  Fichte:  DDichtung  10,  S.  203/4.  —  46)  A.  Baier,  J.  G.  Fichte.  Akadom.  Festrede.  =  Aus  d.  Vergangebheit 
[I  3  :  7—8]  S.  93—129.  —  47)  K.  C.  F.  Krause,  Anschauungen  oder  Lehren  n.  EntwQrfe  i.  Höherbildung  d. 
Menschheitlebcns.  Aus  d.  hs.  Nachl.  d.  Vf.  her.  v.  P.  Hohlfeld  u.  A.  WOnsche.  2.  Bd.  Leipzig,  0.  Schulze. 
Vlll,  220  S.  u.  IV,  389  S.  M.  8,50.  Bd.  1  u.  2  M.  13,00.  l[-8s— :  LCBI.  S.  1778.]|  —  48)  F.  G.,  Schelling  nach  d.  Schlacht 
bei  Jena:  WUrttStaatsanzn.  S.  158.  —  49)  Maximilian  11.  v.  Bayern  u.  Schelling.  Briefwechsel  |  IVZg*.  N.  169;  J.  Kreyen- 
btlhl:  NZUrchZg.  S.  169-71;  H.  Porges:  MUnchNN.  N.  18  u.  22;  Heigel:  HZ.  67,  S.  102— 10;  Heigel:  DLZ.  12,  8.131; 
D.:  LCBI.  S.  36.]|  —  50)  W.  Hess,  Gotthilf  Heinr.  v.  Schubert:  ADB.  32,  8.  631/5.  —  51)  H.  Liepmann,  Schopenhauer: 
ib.  S.  333-46.  —52)  (IV  3:84.)—  53)  F.  BrUmmer,  Adele  Schopenhauer:  ADB.  32,  S.  332/3.  —  54)  A.  Schopenhauer  n.  seia 
Denkmal:  FZg.  N.  50.  —  55)  L.  Hofnor,  A.  Schopenhauer  u.  d.  Kunst:  WIDM.  71,  S.  140/3.  —  56)  E.  B.  Richard 
Müller:  Balth.  Gracian  u.  Schopenhauer:  VZgs.  N.  20/1.  —  57)  Kud.  Lehmann.  D.  litterarhist.  Stellung  Schoponhauera. 
Vottr.:  VZg.  N.  115.  —  58)E.  Ms.  Schopenhauers:  NFPr.  v.  24.  Mttrz.  — 59)  Schopenhauer,  Stmtliche  Werke  her.  t.  J.  Frauen- 
städt.  2.  Aufl.  Neue  Titel-Ausg.  6  Bde.  Leipzig,  Brockhaus.  H.  18.00.  —  60)  id.,  Werke.  Mit  Einl.,  Anm.  u.  Charakteristik 
in  Ausw.  her.  v.  M.  Brasch.  2  Bde.  Leipzig,  Fock.  XXXll,  740  u.  VI,  781  S.  M.  10,00.  —  61)  id  ,  Sämtliche  Werke  her. 
V.  E.  Grisobach.  Leipzig,  Reclam.  ILDDichtung  v.  24.  Febr.;  Eh.:  LCBI.  S.  1030;  Bud.  Lohmann:  DLZ.  12,  S.  843.]i  —  62) 
id.,  Lichtstrahlen  aus  seinen  Werken.  Mit  e.  Biogr,  n.  Charakteristik  v.  J.  Frauonstidt.  7.  Aufl.  Leipzig,  Brockhaua.  12". 
XXIII,  232  S.  M.  3,00.  —  63)  id.,  D.  Welt  als  Wille  u.  Vorstellung.  8.  Aufl.  Her.  t.  J.  Frauensttdt.  2  Bde.  ebda.  XXXVI, 
633  u.  VI,  743  S.  M.  6,00.  —  64)  id.,  Parerga  u.  Paralipomena.  7.  Aufl.,  2  Bde.  ebda.  XV,  532  u.  VI,  696  S.  M.  6,00.  — 
65)  id.,  D.  beiden  Grundproblemo  d.  Ethik.  4.  Aufl.  ebda.  XLll,  276  S.  M.  2,00.  —  66)  id.,  üeber  d.  rierfach«  Wnnei  d. 
Satzes  V.  zureichenden  Grunde.  5.  Auti.  Her.  v.  J.  Frauenstidt.  ebda  V,  100  S.  M.  1,50.  —  67)  id.,  üeber  d.  Willen  in 
d.  Katur.  5.  Aufl.  Her.  v.  J.  Frauenstadt,  ebda.  XXXIl,  147  8.  M.  1.50.  —  68)  id.,  Parerga  n.  Paralipomena,  B.  2,  mit 
Einl.  n.  Anm.  her.  v.  R.  v.  Koeber.  Berlin,  M.  Boas.  VI  u.  664  8.  M.  7,20.  |[NZg.  t.  7.  Okt.]]  —  68a) 
id.,  Aphorismen  z.  Lebensweisheit  (=  Meyers  Volksbücher  845/8.)  Leipzig,  Bibliogr.  Inst.  160.  255  S.  M.  0,40.  —  68b)  id., 
Parerga  u.  Paralipomena  111.  Aphorismen  z.  Lebensweisheit.  (=:  Bibl.  d.  Gesmmtlit.  N.  469— 70.)  Halle,  Hendel    476  S.    kl.  0,50.  — 


IV  6:  69  87.  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  124 

Entwicklungsgeschichte  seiner  Meinungen,  sondern  lediglich  in  halb  lexikalischer  Form  6ö-73^, 
Der  „konzentrisch-schaligen  Natur  der  Schopenhauerschen  Schriftstellerei"  entspricht  das 
wohl  weniger  als  dem  Bedürfnis  unfleissiger  Schopenhauerianer,  die  nun  bloss  nachzu- 
schlagen brauchen,  um  zu  wissen,  auf  welches  Wort  des  Meisters  sie  zu  schwören  haben.  — 
Die  Ausgabe  von  B rasch ''4- ''S)  hält  zwischen  einer  kommentierten  Neuausgabe  und 
einer  durch  inhaltliche  Gesichtspunkte  bestimmten  Neuordnung  die  Mitte.  Die  Erläute- 
rungen sind  auf  den  Mindestfordernden  berechnet;  für  die  litterarische  Urteilsfähigkeit 
des  Kommentators  stehe  die  Probe,  dass  er  Samuel  Smiles  neben  La  Rochefoucauld 
stellt.  —  Eine  dritte  Sammlung  von  Schopenhauer-Heften  hat  erst  begonnen ''9).  —  Wie 
diese  Hochflut  der  seit  1890  aus  Brockhaus'  Verlegermonopol  entlassenen  Schriften 
wirken  wird,  steht  dahin  80-82^j  f^j.  (\[q  j^j.^^  ^jg  -y^jj.  unsere  berühmten  Autoren  behan- 
deln, liefert  ihre  Gesamterscheinung  jedenfalls  kein  glänzendes  Zeugnis.  — 

Die  streng  wissenschaftliche  grosse  Ausgabe  der  Werke  Herbarts  von  Kehr- 
bach ^3)  schreitet  fort.  —  Sein  Gedenktag  ist  mehrfach  gefeiert  worden;  uns  sind  zwei 
Aufsätze  zugegangen:  eine  meisterhafte  Charakteristik  von  Seiten  seines  berühmten 
Schülers  Steinthal  ^4)  und  ein  populärer  Zeitungsartikel 85).  —  Ausserdem  ist  auch  seine 
Aesthetik  von  Hostinsky^e)  auf  dem  eben  charakterisierten  Wege  des  Mosaiks  aus 
Sätzchen  und  grösseren  Abschnitten  hergerichtet  und  mit  einer  knappen  Einleitung  ver- 
sehen worden.  — 

Viel  bedeutender  ist  das  Werk,  das  Bolin  *^'')  über  F-euerbach  geschrieben 
hat.  Aber  den  enthusiastischen  Urteilen  der  meisten  Recensenten  vermag  ich  mich  auch 
hier  nicht  anzuschliessen.  Wenn  statt  eines  geschlossenen  Werkes  über  den  merk- 
würdigen Mann  nur  eine  Reihe  einzelner  Kapitel  gegeben  werden,  die  streifenförmig 
nebeneinander  hängen,  so  erklärt  man :  der  Autor  habe  eben  nicht  mehr  geben 
wollen.  Aber  ein  gewollter  Kunstfehler  bleibt  ein  Kunstfehler,  und  wie  das  Werk  nun 
vorliegt,  berechtigt  es  das  Urteil  Barbey  d'Aurevillys,  statt  Bücher  zu  geben,  gäben  die 
Deutschen  nur  Vorbereitungen  zu  Büchern.  Wenn  die  von  Feuerbachs  Tochter  dem 
nordischen  Gelehrten  zur  Verfügung  gestellten,  höchst  interessanten  Papiere  des  Philo- 
sophen zu  einer  partiellen  Verarbeitung  reizen  konnten,  warum  komite  der  Herausgeber 
nicht  auch  den  letzten  Schritt  thun  und  alle  Materialien  zusammennehmen,  um  endlicli 
die  wahrhaftige  Gesamterscheinung  Feuerbachs  zu  zeichnen?  Aber  auch  hier  bleibt 
es  bei  mühsamem  Mosaik,  das,  durch  keine  geistige  Bindung  zusammengehalten,  für  den 
Leser  in  lose  Steine  auseinanderfällt.  Oder  soll  man  das  ein  geistiges  Band  nennen, 
dass  diesem  tapferen  Bilderstürmer  ein  Götzendienst  geweiht  wird,  der  ihn  als  den  Gott 
ohne  Fehl,  jeden  Andersgläubigen  als  verstockten  Sünder  erscheinen  lässt?  Man  braucht 
wirklich  weder  fromm  noch  reaktionär  zu  sein,  um  diese  Art  pfäfflsch  zu  finden, 
pfäffisch  wie  nur  irgend  eine  der  von  B.  verketzerten  Gegenschriften  es  gewesen  sein 
kann.  D.  F.  Strauss,  den  ich  wahrlich  nicht  liebe,  dem  aber  doch  wohl  jeder  Partei- 
gänger der  religiösen  Aufklärung  Achtung  schuldet,  tritt  völlig  zurück  hinter  Sternen 
sechszehnten  und  siebzehnten  Ranges,  die  wegen  ihrer  Bekenntnistreue  zu  Sonnen 
erhoben  werden.  Ligersoll  wird  uns  angepriesen,  dieser. Klassiker  der  Platitüde,  der  in 
dicken  Büchern  mit  etwas  Witz  und  viel  Behagen  beweist,  Moses  habe  es  versäumt, 
bei  Lyell  und  Darwin  in  die  Schule  zn  gehen.  Aber  er  hat  an  Feuerbachs  Tochter 
geschrieben,  er  verehre  ihren  Vater.  Man  kann  ja  die  persönliche  Tapferkeit  eines 
Bradlaugh  und  Foote  loben;  aber  Fanatismus  gehört  dazu,  in  diesen  Mäiniern  Vertreter 
philosophischen  Fortschrittes  zu  sehen.  Und  gar  Schüler  Feuerbachs,  Vollender  seiner 
Lehre!  Gerade  der  Kern  von  Feuerbachs  Lehre  fehlt  ihnen  ja:  die  Erkenntnis  der 
psychologischen  Genesis  des  Christentums;  ihnen  ist  die  Religion  nichts  als  ein  unge- 
heurer vom  Himmel  geschneiter  Irrtum.  Ich  wäre  auf  diesen  Punkt  des  vielgelobten 
Buches  nicht  so  ausführlich  eingegangen,  wenn  er  nicht  bewiese,  wie  B.  innerlich  zu 
seinem  Helden  steht.  Für  das  Positive  in  ihm  hat  er  nicht  das  mindeste  Verständnis. 
Da    er    ihn   aus   allen   Zusammenliängen    herausreisst,    ist    Feuerbach    ihm    nur    —    der 


69)  id.,  UeLer  Religion  u.  Schicksal.  Leipzig,  Brockhaus.  120.  VII,  171  S.  M.  2,00.  |[D.:  LCBl.  S.  1036.]|  —  70)  id.,  Ueber 
d.  Goistersehen.  ebda.  12».  VII,  127  S.  M.  2,00.  |[D. :  LCBl.  S.  1035.]|  —  71)  id.,  Philosophie  d.  Kunst.  2  Bdchen.  ebda. 
120.  VII,  168  u.  V,  253  S.  M.  je  2,00.  |[D.:  LCBl.  S.  1035.]|  —  72)  id.,  Ueber  Genie,  grosse  Geistor  u.  ihre  Zeitgenossen. 
E.  Samml.  v.  Stelion  aus  s.  Werken,  ebda.  12«.  VII,  151  S.  M.  2,00.  -  73)  id.,  Ueber  Urteil,  Kritik,  Beifall,  Ruhm,  Wahr- 
heit u.  Irrtum.  E.  Samml.  v.  Stellen  aus  s.  Werken,  ebda.  120.  VII,  151  S.  M.  2,00.  —  74)  id.,  Z.  Lebensweisheit.  Ab- 
handlgn.  Her.  m.  Einl.  v.  M.  B rasch.  2.  Aufl.  Leipzig,  Fock.  IV,  96  S.  M,  1,00.  —  75)  id.,  Ueber  Religion.  Her.  v.  M. 
Brasch.  2.  Aufl.  ebda.  35  S.  M.  0,50.  —  76)  id ,  Z.  Aesthetik  d.  Poesie,  Musik  u.  d.  bild.  KUnste.  Her.  v.  M.  Brasch. 
2.  Aufl.  ebda  43  S.  M.  0,50.  —  77)  id.,  Genie  u.  Wahnsinn.  Her.  u.  erl.  v.  M.  Brasch.  2.  Aufl.  ebda.  30  S.  M.  0,50.  - 
78)  id..  Kleinere  Aufs.  Tormischten  Inhalts.  Her.  m.  Eiul.  v.  M.  Brasch.  2.  Aufl.  ebda.  IV,  107  S.  M.  1,00.  —  79)  id., 
Z.  Metaphysik  d.  Geschlechtsliebe.  (=  Samml.  Fried.  Bd.  4).  Berlin,  Fried  &  Co.  157  S.  M.  1,00.  —  80)  M.  Kronenberg, 
Neue  Schopenhauer  Ausgaben:  Nation".  8,  S.  563|4.  —  81)  W.  Gwinner,  Schopenhauers  Werke  in  neuer  Gestalt:  AZg". 
N.  142.  —  82)  Schopenhauerus  redivivus:  Gronzb.  II,  S.  22-33.  —  83)  (I  6  :  33).  —  84)  U.  Steinthal,  D.  Philosoph  J.  F. 
Horbart:  Zeitgeist  v.  17.  Aug.  —  85)  F.  W.,  J.  F.  Herbart:  KielZg.  N.  14453.  —  86)  (I  3  :  12.)  —  87)  W.  B  olin,  jL.  Feuer- 
hach,  sein  Wirkon  n.  s.  Zeitgenossen.  Mit  Benutzung  ungedr.  Materials  dargest.  Stuttgart,  Cotta.  X,  353  S.  M.  6,00. 
IL.  Weis:  BLU.  S.  711/3;    Ch.  S.:  SchwttbKronik  N.  179;  Th.  Zioglcr:  Nation«.  9,  S.  22;  F.  .lodl:  DLZ.  12,  S.  1700.]|    — 


125  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhundert«.  IV  6:  88  102. 

Bekäniijfer  seiner  Gegner.  Aber  Fouerbadi  ist  positiv  wie  nur  Einer,  Theolofjf  ist  er 
von  Haus  aus,  religiöser  liefonnator.  Jene  gewahige  Bewegung  trägt  ihn,  die  das 
müde  offizielle  Christentum  zu  verjüngen  strebte.  Wie  Kierkegaard  in  ethischer,  La 
Mennais  in  socialer  Hinsicht,  so  geht  er  in  |)hilosoj)hischer  Weise  auf  die  Grundlagen 
des  Christentums  aus.  Luther  war  bis  zu  den  Schriften  gegangen;  er  geht  bis  zu  der 
Grundlage  der  Schriften,  zu  dem  Menschen  selbst.  Auch  hierin  steht  er  nicht  allein. 
Lichtenberg  hatte  schon  jenes  Wort  gesjn-ochen,  das  die  Wendung  der  Theologie  zur 
Anthropologie  bedeutet:  der  Mensch  iiabe  Gott  nach  seinem  Bilde  geschaffen;  Goethe 
liatto  nicht  nur  gesagt,  wie  einer  sei,  so  sei  sein  Gott,  sondern  er  hatte  schon  17H1  an 
Lavater  die  Grundformel  des  „Feuerbacliianismus"  geschrieben:  „Wohl  saget  ihr,  dass 
der  Mensch  Gott  und  Satan,  Himmel  und  Erde,  alles  in  einem  sei;  denn  was  sind  diese 
Bcgrifto  anders  als  die  Concepto,  die  der  Mensch  von  seiner  eigenen  Natur  hat"  (Briefe 
Weimarer  Ausgabef),  S.  1U8).  Alles  das  wird  verschwiegen.  Ja,  als  wenn  B.  jedes  tiefere  Urteil 
über  seinen  Heros  prinzij)iell  sclieuen  wollte,  wird  unter  den  vielen  „Aniiängern"  weder 
Dülu'ing  mit  seiner  meisterhaften  Charakteristik  noch  Brandes  mit  seinem  glänzenden 
Hymnus  erwähnt,  die  Feuerbach  doch  näher  stehen  als  viele  dort  genannte;  auch  auf 
die  Dichter  wird  keinerlei  Kücksicht  genommen  und  weder  Herweghs  begeisterte  Zu- 
stimmung noch  Gottfr.  Kellers  witzige  Ablehnung  erwähnt.  —  Zwei  kürzere  Aufsätze,  der  eine 
ebenfalls  von  Bolin***^),  der  andere  von  Th.  Ziegler  ^^),  entwerfen  von  dem  Philosophen 
von  Brück berg  jedenfalls  ein  zutreffenderes  Bild  als  der  breite  Panegyrikus.  —  Beide  aber 
scheint  mir  ein  gegen  Bolin  polemisiere:ider  Artikel  von  Valbert  (d.  i.  Cherbuliez)'''')  zu 
übertreffen,  der  auf  das  Dichterische  in  Feuerbach  verweist  und  des  Philosophen  Hsuss 
gegen  platten  Eationalismus  seinen  diese  Wege  einschlagenden  Verehrern  vorhält.  Es 
ist  überhaupt  nicht  selten  in  neuerer  Zeit,  dass  die  vielberufene  Gründliclikeit  auf 
französischer  Seite  mehr  zu  finden  ist  als  auf  deutsclier.  In  p.sj'chologischer  Hinsicht 
meine  ich;  in  bibliograpliischer  übertrifft  uns  niemand.  —  Anekdoten  über  unseren 
Denker  bringt  ein  anonymer  Zeitungsartikel^').  —  Als  ein  Zeichen,  dass  für  die  Bewe- 
gungen der  vierziger  Jahre  sich  erneutes  Interesse  zu  regen  beginnt,  sei  der  Neu- 
(Iruck  der  bekannten  Agitationsschrift  von  Weitling  "2)  genannt,  die  etwa  La  Mennais' 
Anschauungen  zum  Ausdruck  bi'achte.  —  Der  akademischeOptimismusCarriöres^*-^3k^  hat 
eine  neue  Auflage  erlebt"*).  —  Grosses  Interesse  erregte  Hamerlings  autodidaktische 
Philosophie  ö^*),  wie  zahlreiche  meist  mehr  das  dilettantische  als  das  poetische  Element 
betonende  Recensionen  bezeugen.  — 

Ueber  einen  grösseren  Einsamen  unter  den  Philosophen  hat  aus  eingehender 
persönlicher  und  litterarischer  Kenntnis  Lo\i  Andreas-Salome  ^ö-"^)  gehandelt,  ohne 
doch  dem  künstlerischen  Schaffenstrieb  Nietzsches,  seinem  Verlangen  nach  unablässiger 
Gedankonproduktion ,  nach  iniaufhcirlichem  Umformen  des  eigenen  Geistes  gerecht  zu 
werden.  —  Lorm"**)  liat  ihn  als  einen  Pfuscher  abgekanzelt;  die  alte  Geschichte:  Prusias 
hält  dem  Hannibal  einen  Vortrag  über  Strategie 0**»).  —  Mehr  als  Historiker  der  Philosophie 
denn  als  Philosoph  hat  Schwegler  Bedeutung,  dem  der  grösste  Teil  der  studierenden 
Jugend  Deutschlands  alles  verdankt,  was  er  von  Philosophie  weiss.  Sein  Lebensbild 
von  Teuffei  0'')  zeigt  einen  in  Theologie,  Geschichte  und  Philosophie  rastlos  sich  bemühen- 
den Mann,  der  sich  früh  zu  Tode  gearbeitet  hat.  — 

So  wären  wir  bei  der  Theologie  schon  angelangt '"O).  Es  sind  vorzugsweise 
Vertreter  der  liberalen  Theologie  zum  Gegensfand  der  Untersuchung  gemacht  worden. 
Semler  ist  von  Tschackert '"')  dargestellt  —  Mehrfach  wui-de  das  Bindeglied  zwischen 
Broad  Church  luid  High  Church  der  klassischen  Periode  behandelt:  Lavater. 
Funck""»)  erzählt  in  glatter  Form  Lavaters  Verhältnis  zum  Markgrafen  Karl  Friedrich 
von  Baden  grossenteils  auf  Grinul  ungedruckter  Quellen;  für  die  theologische  Thätig- 
keit  des  „Propheten"  ist  dies  Verhälfnis  sehr  lehiTeicIi;  auch  seine  „faustische"  Stellung 
zu  weisser  und  schwarzer  Magie  erfährt  neue  Beleuchtung 'o*-).  —  Wichtiger  als-  die  an 
drei    Stellen,    dreimal    zu    oft,    abgedruckte    Skizze     des     unheimlichen     Vielschreibers 


88)  id.,  Z.  EhrenKPdHchtnis  L.  Feuerbai- lis :  Nationn.  8,  S.  545/7.  —    89)Tlieob.  ZioRler.   Ludw.  Feoerbach:    ib.  9,  S.  22/S. 

—  90)  Q.  Valbert,  L.  Feuorbach:  KDM.  107,  S.  215—26.  —  91)  Dr.  H..  Erinnorungcn  an  L.  Feuorhacli:  NFPr.  29.  ApriL  — 
92)  W.  Weitling,  D.  Evangelium  o.  armon  SUndors.  Köln,  Teubner.  13.<  .•^.  M.  3,«0.  —  93)  O  M.  Carripre,  D.  sittl.  Welt- 
ordnung. 2.  erwoit.  Auil.  Leipzig.  HrockUus.  XIV,  468  S.  M  8  00.  !|R.  Eueken:  DLZ.  12,  S.  809.1|  —  93«)  Ad.  Lasgon. 
M.  Carri^res  „Sittliche  Weltordnung":  NatZg.  N.  2<)6.  —  94)  I..  HUchner.  Antwort  an  Herrn  M.  Carri^re:  DR,  16,  I, 
S.  246— 50.  —  95)  (IV  3:176.)  p.  v.  Hartmann:  Gegenw  39.  S.  5-8;  Ed. Graf  I.ameian:  NAS.59.  S.  212-25;  B.  MOni:  ÜZ.2. 
S.69-68;Grenzb  lI,S.470-^0;  K  Lasswitz:  DLZ.  S.  1371 ;  Eli.:  LCHI.  S.  106»;  c».  KZg.  N.  18.];  —  96)  L.  Andreas-Salom«, 
F.  Nietzsche:  VZgS.  N.  2-4.  —  97)  id.,  Z.Bilde  F.  Nietzsche.     E.  i>sjchologisclie  .Studie.   I-Ul :  Fr».  2,  S.  64/8,88—81.109—12. 

—  98)  H.  Lorm,  Naehtrllgl.  Über  F.  Nietzsche:  Gegenw.  39.  S.  409-11.  —  98«)  X  Georg  Adler,  F.  NietMcbe,  d.  Soxial- 
Philosoph  d.  Aristokratie:  Ni.."-*.  50,  .^.  224—40.  —  99)  W.  S  Teuffcl.  Alb.  .'J.hwegler:  ADU.  33.  S.  327/8.  —  100)  O  P»»*- 
kowski.  n.  Bedeutung  d.  theolog.  Vorstellung  fUr  d.  Ethik.  Berlin.  Mayer  &  »lUller  Vlll.  92  S.  M.  2.20.  ;[M.:  LCBL  8. 
l.'>77.]|  -  101)  P.Tsohackert.Joh.Sal.Semler:  A  DB.  33,  S.  698-704.  101«)  Heinr.  Funck,  J.  K.  Lavater  u.  d.  Markgraf  Karl 
Friedr.  V.  Baden.  Freibnrg  i.  B..  Mohr.  VI,  58  S.  M.  1,00.  |(AZgB.  N.  .342 ;  Ed  H.:  HZ.  68.  S.  120fl;  NZg.  189J, 
N.    269;      LCBl.    S.     1366.]]    -    102)     Ed.     Hang,    E.     Beitrag    zur    Biogrophi«      J      K.    Laraters:      AZgB-      N-    289.     — 


IV  6:  103-124.  E.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  126 

Kohut^o^-^)  ist  die  von  dem  bekannten  Jesuiten  Baumgartner  lOß)  gegebene  Würdi- 
gung, die  durchaus  massvoll  und  überwiegend  sympathisch  die  Unklarheiten  in  Lavaters 
Wesen  zeigt,  ohne  ihm  übrigens  eigentliche  moralische  Schwächen  zur  Schuld  zu 
legen.  — 

Schleiermachers  christliche  Sittenlehre  hat  einen  neuen  Abdruck  erfahren ^07), 
Nur  mit  einer  kurz  gehaltenen  Vorbemerkung,  ohne  jede  Einleitung,  ohne  jedes  herz- 
liche Begleitwort  wird  der  Text  hingeschoben;  die  unfreundliche  Art  thut  uns  gleichsam 
in  die  Seele  des  Mannes  hinein  weh,  der  für  des  Lebens  schmückende  Kleinigkeiten  einen  so 
warmen  Sinn  hatte. lO''^)  —  Alfr.  Bockio«)  veröffentlicht  drei  Briefe  Schleiermachers 
an  denselben  Professor  Schmidt,  der  auch  die  von  ihm  mitgeteilten  Briefe  Fichtes 
erhielt;  sie  malen  Schleiermachers  Interesse  für  die  neue  Universität  Berlin,  aber  auch 
seine  Vereinsamung  unter  den  ersten  Amtsgenossen,  lo^-iio)  —  Mit  kräftiger  Hand  zeichnet 
G.Frank  i")  das  charakteristische  Bild  des  „Zopf-Schulz",  des„Aufklärungsdragoners"  von 
Gielsdorf.  —  Recht  im  Gegensatz  zu  diesem  streitbaren,  hartnäckigen  Kämpfer  steht  ein 
späterer  Vertreter  der  liberalen  Theologie,  der  sanfte,  von  Sander  ^12)  geschilderte 
Lücke,  als  Freund  der  Brüder  Grimms  schon  aus  seinem  Briefwechsel  mit  ihnen  bekannt.  — 

Von  dem  anerkannten  Haupt  des  liberalen  Protestantismus,  Karl  Hase^i^-ii*), 
erschienen  posthum  zwei  weitere  biographisch  wertvolle  Bände  der  Gesamtausgabe.  — 
Ihm  reiht  der  Verfechter  derselben  Richtung,  K.  Schwarz,  sich  an,  dessen  Lebensbild 
Tschackert  11^)  zeichnete.  — 

Links  von  diesen  Theologen,  die  er  die  ,, Halben"  schalt,  steht  Strauss^^ß), 
rechts  Martensen  ii''),  der  in  die  deutsche  Theologie  kräftig  herüberwirkte.  Seinein 
neuer  Auflage  erschienene  Selbstbiographie  it-t  als  Ganzes  wertvoll  durch  ihr  Zeugnis 
von  der  damals  fast  unbedingten  Abhängigkeit  des  Nordens  von  der  deutschen  Theo- 
logie und  Philosophie;  im  einzelnen  führt  sie  zahlreiche  bedeutende  Persönlichkeiten  in 
interessanter  Schilderung  vor:  Daub  und  Marheineke,  Tieck  und  Baader;  Schleiermacher 
sehen  wir  unter  seinen  dänischen  Verehrern,  Schelling  im  Kolleg,  die  beiden  alten 
Poeten  Tiedge  und  Eberhardt  auf  ihrem  Altensitze.  Mit  Lenau  w^ar  M.  eng  befreundet 
und  vergleicht  seinen  „Faust"  vom  specifisch  christlichen  Standpunkt  mit  dem  Goethes. 
Doch  kennt  er  auch  Goethe  gut  (eine  kleine  Verwechselung  in  dem  Citat  S.  68)  und  ist 
überhaupt  ein  charakteristischer  Vertreter  des  in  deutscher  Bildung  sich  erhebenden 
Dänenthums.  —  Noch  weiter  rechts  stehen  Delitzsch  und  v.  Hofmann,  deren  Briefwechel 
Volckiis)  herausgab.  — 

Auf  die  Grenzscheide  zwischen  Protestantismus  und  Katholizismus  führen  uns 
D.  A.  Rosen thals  n^)  katholische  Konvertitenbilder;  aber  auch  die  von  D.  Erdmann  120) 
entworfene  Biographie  des  ersten  seit  der  Reformation  zum  evangelischen  Glaviben 
übergetretenen  katholischen  Bischofs,  etwas  zu  ausführlich  geraten.  —  Leicht 
kommen  wir  von  da  zu  dem  ehrwürdigen  Bilde  Döllingers,  von  dessen  Akademischen 
Vorträgen  der  letzte  Band  J-i)  erschienen  ist,  klar  und  gelehrt,  aber  auch  etwas  kühl  luid 
nüchtern  wie  die  vorigen.  Von  litterarhistorischem  Interesse  ist  speciell  der  Aufsatz 
über  die  Litteratur  Nordamerikas.  — Luise  von  Kobell  i--)  schildert  den  Greis  aus  per- 
sönlicher Kenntnis  in  einem  liebenswürdigen,  mehr  den  Menschen  als  den  Gelehrten 
uns  vor  Augen  führenden  Büchlein,  aus  dem  HeigeP^s^  geschickt  das  Wichtigste  aus- 
hebt. ^23  a-c)  —  XJm  endlich  einen  Theologen  auch  aus  dem  Lager  des  Alten  Testa- 
ments anzuführen,  verweise  ich  auf  das  im  tiefsten  Sinn  fromme,  gehaltreiche  Werk 
Stein  thals  124)^  clas  ich  seines  auch  in  den  nicht  biblischen  Vorträgen  immer  zur  Bibel 
in  engen  Beziehungen  stehenden  Inhalts  wegen  an  dieser  Stelle  aufführe.  —   Als  wilde 


103)  A.  Kohut,  J.  C.  Lavater:  BerlNN.  v.  15.  Nov.  —  104)  id.,  J.  C.  Lavater:  SammlerA.  N.  137.  —  105)  id.,  J.  C.  Lavator: 
Didaskalia  v.  15.  Nov.  —  106)  A.  Baumgartner,  J.  C.  Lavater:  Welzer  u.  Weites  Kirclienlexikon  7,  S.  1550/4.  —  107)  F. 
Sclileierraacher,  Christi.  Sittenlehre  in  Vorlesungen  (Wint.-Kein.  1822/3)  aus  Naehschr ,  her.  v.  L.  Jonas  1843.  (=  Bibl.  theolog. 
Klassiker  Bd.  87/8.)  Gotha,  Perthes.  265  u.  204  S.  Je  M.  2,40.  —  107a)  id.,  Ueber  d.  Religion.  (=  Meyers  Volksbücher 
877—81.)  Leipzig,  Bibliogr.  Inst.  Ifi".  375  S.  M.  0,50.  —  108)  AI  f  r.  B  ock ,  3  ungedr.  Briefe  Schleierniaehers :  Zeitgeist 
30.  Nov.  —  109)  O  V.  Borgen,  Aphorismen  aus  Schleiermaehers  Lehre  v.  d.  Taufe:  ThZSchw.  8,  S.  50.  —  110)  O  M.  Maass, 
Wie  dachte  F.  Schleieniiaclier  über  d.  Fortdauer  nach  d.  Tode:  JPTh.  17,  S.  40.  —  III)  G.  F  rank.  Job.  Heinr.  Schulz:  ADB.  32, 
8.745/7.-  112)  O  (1  2  :  7)  |[|9ig:  LOBl.  S.  809;  K.  Benrat  h  :  DLZ.  12,  S.  1048;  K.  Sallmaiin:  BLU.  S.  10/2.]|— 113)  Karl  v.Ha.se, 
Ges.  Werke  22.  Halbbd.  (=  Annalen  meines  Lebens).  Her.  v.  K.  A.  v.  Hase.  Leipzig,  Broitkopf  &  Hftrtel.  VIII,  3.56  S.  mit 
Bildn.  M.  6,00.  —  114)  id.,  Ges.  Werke  23.  Halbbd.  (=  Vaterland.  Reden  u.  Denkschriften  1.  Abt.)  ebda.  IX,  317  S. 
M.  5,00. —  115)  P.  Tschackert,  K.  Schwarz:  ADB.  33,  S.  242/0.  —  116)  0.  Moldonhauer,  Begegnungen  mit  D.  Fr.  Strauss: 
DB.  16,  1,  S.  C5'8.  —  117)  IJ.  M  arten  sen.  Aus  meinem  Leben.  Deutsche  v.  Vf.  selbst  her.  2.  vorb.  Aufl.  Berlin,  Reuther. 
VIII.  396  S.  M.  4,00.  |[G.  Heinrici:  DLZ.  12,  S.  180.]|  — 118)  O  W.  Volck,  Theolog.  Briefe  d.  Prof.  Delitzsch  u.  v.  Hofmann. 
Her,  bevorwort.  u.  mit  Register  vers.  XIII,  233  S.  M.  5,60.  \\ßi;:  LCBl.  S.  1265.]|  —  119)  Dav.  Aug.  Rosenthal,  Konver- 
litenbildor  aus  d  19.  Jh.  1.  Bd.  2.  Abt.  Deutschland  II.  3.  Aufl.  Regensburg,  Verlagsanstalt.  VIII.  610  S.  M.  6,30.  —  120) 
D.  Erdmann,  Graf  L.  Sedlnitzky:  ADB.  33,  S.  531-.53.  —  121)  J.  J.  J.  v.  Olillingor,  Akademische  Vortrr.  Bd.  3.  Mlinchpn. 
Beck.  X.  353  S.  M.  6,(X).  HLCHl.  S.  1186;  AZg».  N.  235.]|.  —  122)  L  u  iso  v.  Kob  el  1 ,  Ignaz  v.  Döllinger  Erinnerungen. 
Mllnchen,  Beck.  IV,  140  S.  m.  Holiograv.  M.  2,80.  |[M.  Bornstein:  ML.  60,  S.  575/0;  DLZ.  12.  N.  51;  AZgii. 
N.  143;  R.:  DR.16,IV,S.  126.]|  -  123)  K.  Th.  Heigol,  Z.  Erinnerung  an  Döllinger:  MUnchNN.  N.  2.58.  -  123a)  E.  Michael, 
nr.llinger:  ZKTh.  16,  S.  401  ff..  677  tf.  —  123b)  id.,  Aus  Drtllingers  Korrespondenz:  ib.  S.  763  if.  —  I23c)  M  Necker,  J.v.  DHl- 
linger:  Grenzb.  III,  163/0.  —  I23[l)  l!-r..  Neues  v.  u.  ULor  Dolliuger:  NFPr.  N.  96.32.    -    124)  H.  Stointhal.  Zu  Bibel  u.  Ke- 


127  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  6: 124»-136. 

Nebenschösslinge  der  Theologie  gliedere  ich  zwei  Wunderthäter  an,  halb  Theosophen  und 
halb  Charlatans  (wenn  Schrepl'er  nicht  das  letzere  ganz  war):  Christoph  Kaumiann'24») 
und  Schrepferi2*'*),  den  schweizerischen  Satyros  und  den  Leipziger  Cagliostro.  — 

Zahlreich  und  lehrreich  sind  die  litterarhistorischen  Arbeiten  zur  Geschichte 
in  unserem  BerichtHJahr.  Im  Gegensaty.  zu  den  unter  „Philosophie"  zu  verzeichnenden 
Schriften  liegen  hier  in  grösserer  Zahl  auch  abgerundete,  in  sieh  litterarisch  wertvolle 
Werke  von  zum  Teil  grosser  Bedeutung  vor.  Wenn  Bodnier  mehr  in  gesunden  Plänen 
und  zum  Teil  sehr  verständiger  Kritik  als  in  eigener  Geschichtsschreibung  sich  aus- 
zeichnet ^25^^  go  treffen  wir  in  seinem  Landsmann  Joh.  von  Mtiller  den  ersten  Historiker, 
der  die  deutsche  Geschichtsschreibung  wieder  auf  litterarische  Höhe  hob.  Den  Brief- 
weclisel  mit  seinem  Bruder,  Herders  Hausfreund,  beginnt  Haug'26)  herauszugeben.  — 
Als  ein  Pionier  wenigstens  für  bessere  Darstellung  der  Geschichte  muss  der  von 
Wegele'-^)  mit  einer  Skizze  bedachte  Michael  Ignaz  Schmidt  genannt  werden,  der 
lange  schlechtweg  „der  Geschichtsschreiber  der  Teutschen"  hiess.  —  Archenholz,  der 
„Geschichtsschreiber  von  Friedrichs  Ruhm",  verdiente  wohl  wieder  weiteren  Kreisen 
näher  gebracht  zu  werden;  sein  interessantes  „Gemälde  der  preussischen  Armee"  ist  in 
einem  billigen  Neudruck  erschienen'-''»),  der  durch  einige,  leicht  zu  gewinnende,  sachliche 
Berichtigungen  im  Wert  noch  gestiegen  wäi-e.  —  Auch  der  Vater  der  neueren  wissen- 
schaftliclien  Kircliengeschichte,  J.  M.  Schröckh,  hat  seine  Biographie  durch  G.  Frank  >2«) 
erhalten. '-'*'- 1='")  —  In  Schoopflin,  den  Wiegan d '•^')  behandelte,  verehren  wir  den  ersten 
schulbildenden  Lehrmeister,  gleichzeitig  auch  den  Begrtinder  einer  an  berCihmten,  wenn 
auch  nicht  immer  gesegneten  Schülern  (wie  Montgelas,  Cobenzl,  Mettemich:  S.  365) 
reichen  Diplomatenschule.  — 

Kein  Historiker  aber  kann  an  Wirksamkeit  sich  dem  Altmeister  Ranke  ver- 
gleichen. Die  von  Dove"^-)  heratisgegebenen  Briefe,  Notizen,  Abhandlungen  „Zur 
eigenen  Lebensgeschichte"  bilden  einen  kostbaren  Besitz  nicht  bloss  der  Wissenschaft, 
sondern  der  dexitschen  Nation.  Auch  über  Zeitgenossen  wie  Gentz  und  Bunsen  bringt 
das  Buch  Urteile  des  feinsinnigsten  Psychologen  unter  den  Historikern.  Mit  einer  gewissen 
inneren  Opposition  steht  er  Goethe  gegenüber  (S.  573).  Seine  tiefsten  Anschauungen 
giebt  das  „Bekenntnis"  (S.  639),  aucli  in  der  Form  eine  Perle  deutscher  Prosa.  — 
Manche  Nachträge  sind  von  Freunden  und  Mitarbeitern  an  dem  grossen  Werk  geliefert 
worden  I32a-u^;  wichtig  und  lehrreich  sind  besonders  Wiedemanns '=*2d^  Mitteilungen 
aus  Rankes  Werkstatt.  —  Rankes  Verhältnis  zu  Gentz,  den  er  so  merkwüdig  milde  be- 
urteilte, bespricht  Guglia^32e),  —  Wie  wir  hier  den  konservativen  Politiker  durch  den 
Histoi'iker  durchfühlen,  so  zeigt  sich  sonst  oft  der  fromme  Protestant  in  dem 
Forscher'-^-*).  All  das  hat  in  den  Lebenserinnerungen  neue  anschauliche  Lebendigkeit 
erlangt:  all  die  Unterströmungen  dieses  in  majestätischer  Ruhe  dahinfliessenden  Stromes 
werden  sichtbar.  —  Diesen  Schatz  hat  0.  Lorenz  i'^^^  gleichsam  in  Bewegxnig  zu  setzen 
versucht.  Indem  er  einige  Worte,  in  denen  Ranke  von  Generationen  spricht,  mit  seiner 
eigenen  Theorie  voii  den  jedesmal  zu  einer  Einheit  sich  zusammenschliessenden  drei 
Generationen  gleichstellt,  bringt  er  sich  in  die  Lage,  für  seine  eigenen  Meinungen  den 
Geist  des  Meisters  ins  Feld  zu  führen.  Wird  aber  diese  seltsame  und  gefährliche 
Theorie  auch  nicht  viel  Anhänger  finden,  so  bliebe  doch  die  ungemein  anregende  Kritik 
des  historischen,  und  auch  des  pliilologischen,  Betriebes  unserer  Zeit  ein  Ferment  von 
grosser  Kraft.  Insofern  L.  —  wie  Goethe  —  das  Recht  der  künstlerischen  Gestaltung 
in  der  Historik  bis  zur  Kanonisierung  von  Legenden,  wie  der  Tellsage,  flihrt,  greift 
er  in  eine  eminent  litterarische  Frage  ein  und  zeigt  aufs  neue,  wie  unentbehrlich  uns 
Philologen  die  Kenntnis  d(ir  Nachbarn  ist.  — 

Meisterhaft  wurde  das  Leben  eines  zu  Ranke  in  bestimmtem  Gegensatz 
stehenden  Historikers,  Max  Duncker,  von  Haym '•■'^)  beschrieben.  —  Historiker  und 
Politiker  wie  er  ist  Sybel,  dessen,  mir  nur  aus  einem  Referat  bekannte,  Familien- 
gescliichte  ^'^)  Mitteilungen  über  das   Urbild  von  Immermanns  Hofschulzen   enthält.  —  In 


ligionspliilosopliie.  Vortr.  u.  Abliandlgn.  Bnrlin,  Reimer.  1890.  IV.  237  S.  M.  4,.V).  If-ss-:  I.CRI.  S.  1778.1!  —  124«)  Q 
Noch  Einiges  v.  ii.  über  d.  Apostel  d  (ieniozi>it,  Cliristopli  Kuuriiiaiin  v.  Wiiitertliur:  ZUrchTb.  NF.  14.  S.  148-74.  —  I24II)  G. 
Wustmann,  Gtorg  Schrcpfor:  ADH.  M,  S.  490  U  -  125)  (Ml  .■>  :  19.)  —  126)  C  Ed.  Haug,  üriefwochsel  d.  BrBder  J.  H. 
Möller  u.  J.  V.  Müller  1789-1809.  1  Halbbd  :  17S9— 99.  FmiicnMd.  Huber.  XU,  218  u.  57  S.  M.  5,00.  Hl.CBI.  S.  I:l89; 
G  Tübler:  DLZ.  12,  S.  991.1;  — 127)  Wogele,  M.  J.  Sclimidt:  ADB.  32.  S.  6-8.-  I27a)  J.  W.  t.  Archenhoii,  Gemllde  d. 
preuss.  Armee  vor  u  in  d.  7j.  Kritge.  (:=  Mey»-rs  Volksblk-lier  N.  480.)  Leipzig.  Itibliogr.  Inst.  16*.  32  S.  M.  0.10.  — 
128)  G.Frank,  Joli  Mntlli.  S.brJickli:  APB.  32.  S.  498  501  —  1£9)  Otto  F.  M  n  II.' r,  D.  Henneberger  Geschichtsschreiber  J.  A. 
V.  Schulthess:  NKGHennoberg.  Lief.  9.  41  S.  mit  Pnrtr.  —  130)  M.  .'^tiiger,  D  frlink.  GeschiihUschreiber  P.  Ignaz  Gropp. 
.IB.  d.  Realschule.  Bad  Kissingen,  Schaihenmajer.  36,21  S.  m.  4  Beil.  —13!)  W.Wiegand.  J.  D.  Scboepflin:  AI'B.  32,  S.  359-68. 

—  132)  L.  V    Ranke.  Z.  eigenen  Lei ensgesih.   Her.  v.  A.  Dove.    Leip««g.  Duncker  &  Humblot.     1890.    XII,  731  S.    M.  15,00. 

—  132a)  E.  Guglia,  Aus  Rankes  Jugendzeit:  FZg.  5.-G.  Wsrz  —  132b)  O  I'  «ioiger,  iu  Uankea  Selbstbiogr.:  MOnchNN. 
N.  85,  91.  —  I32c)  Fr.,  Erinnerung  an  L.  v.  Ranke:  Sihle.«Zg.  K  247.  2f.O.  —  I32d)  Th.  Wiedemann.  16  Jahre  in  d.  Werkstatt 
L.v.  Rankes:  DR.  16,  IV,  S.  164-79,  322— 39.  -  I32e)  E.  Gu  gl ia.  Ranke  u.  Gentz:  Grenzb.  50, 1.  S.  409-17.  —  I32f)  E.  Protestant. 
Urteil  Über  Ranke  als  Hist. :  HPBll.  107,  S.  398-400.  —  133)  (I  1  :  27.1  —  134)  H  Haym,  I).  Üben  M?x  Hnnckers.  Berlin, 
Gärtner.    VIII,  470  S.  m    Portr.  M.  10,00.    i[LCBI.  S.  ISör.;  Baumgarten:  PLZ.  Ii.  S    l\)Jf,.]\   —    |3S)  O  *'•  L-  K.  ▼.  Sybel. 


IV  6:  136-143.  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  128 

die  Kreise  Rehmers  und  der  „Titanen  von  1840"  führt  E.  Rehmers  i^e^  Biographie  von 
H.  Schulthess,   dem  Begründer  des  Gescliichtskalenders.  — 

Charakterköpfe  aus  seinem  eigenen  Umkreis  zeichnet  der  Kiilturhistoriker 
Riehl  13''),  der  ja  schon  als  Novellist  selbst  der  Litteraturgeschichte  verfallen  ist;  ich 
hebe  vom  speciellen  Standpunkt  der  JBL.  aus  hervor  „Ein  vormärzlicher  Redakteur" 
und  „Eine  Rheinfahrt  mit  V.  Scheffel".  Andere  Aufsätze  beschreiben  jenen  berühmten 
Münchener  Kreis,  in  dem  Heyse,  Geibel,  Bodenstedt  neben  Liebig  und  Windscheid, 
Cornelius  und  Klenze  glänzten.  —  Eine  eigenartige  Stellung  nimmt  unter  den  Histo- 
rikern ein  anderer  „Neu-Münchener"  ein:  Ferdinand  Gregorovius,  der  seine  Lebens- 
tage der  Stadt  Rom,  den  Abend  eines  arbeitsvollen  Lebens  München  gewidmet  hat. 
Der  Tod  des  grossen  Künstlers  auf  dem  Gebiet  des  litterarischen  Historienbildes  hat 
zahlreiche  Nachrufe  von  Berufenen  i37a-c)  ^nd  Unberufenen  i37d-g^  veranlasst,  unter  denen 
jedoch  eigentlich  nur  die  Aufsätze  von  S.  Münz  I37h-ij  zur  Charakteristik  des  merk- 
würdigen Mannes  Neues  bringen.  Im  allgemeinen  wird  aber  nur  der  Historiker  gewürdigt; 
die  interessante  lit'terarhistorische  Stellung  des  Schriftstellers  empfängt  bloss  karge  Seiten- 
blicke. Und  doch  ist  ein  lebendiges  Stück  Litteraturgeschte  im  grossen  Stil  mit  dem 
letzten  Meister  der  in  unserer  Prosa  nicht  stark,  aber  glorreich  vertretenen  Psychologie 
der  Landschaft  ausgelöscht,  der  sogar  mit  seiner  Vorliebe  für  die  Liseln  in  ihrer  ein- 
samen Individualität  (Capri,  Corfu,  Corsika)  ein  Erbe  der  Otahaitischwärmerei  Forsters 
und  Chamissos  war  und  der  zugleich  als  einer  der  letzten  direkten  Schüler  Goethes  von 
.dem  „Wilhelm  Meister"  seine  litterarische  Laufbahn  begann,  um  dann  die  „Wanderjahre" 
in  Italien  nachzuschreiten  und  schliesslich  in  „Athenais"  und  der  „Geschichte  der  Stadt 
Athen  im  Mittelalter"  dem  dritten  Akt  des  zweiten  „Faust"  eine  historische  Untermauerung 
zu  geben.  — 

Die  Philologen,  für  die  Litteraturgeschichte  doppelt  wichtig  als  berufene 
Hüter  des  Stils  und  der  sprachlichen  Kultur,  sind  durch  ein  paar  charakteristische  Ge- 
stalten vertreten:  Lessings  Freund  Reiske,  dem  Rieh.  Förster  i'^S)  einen  an  anderer 
Stelle  besprochenen  Aufsatz  widmete,  dann  drei  verschiedene  Typen  des  klassischen 
Philologen  im  19.  Jh.,  die  uns  aus  drei  Beiträgen  von  Baumeister  i^o-HO)  und 
Schöin^i)  zur  ADB.  entgegentreten,  Schneidewin,  in  stiller  Zurückgezogenheit, 
gegen  das  öffentliche  Leben  verbittert,  nur  seinen  Büchern  lebend;  Schoemann,  ein  Ver- 
treter der  priesterlichen  Auffassung  unserer  Wissenschaft,  überall  dem  religiösen  Kern 
zugewandt,  an  der  Prometheusfrage  innerlichst  mitarbeitend;  endlich  G.  A.  Schoell  1*1), 
einer  der  Wenigen,  denen  das  öfters  missbrauchte  schöne  Wort  „goethereif"  in  seiner 
vollen  Geltung  zuerkannt  werden  darf.  Mit  rastlosem  Eifer  schreitet  der  Philologe  allen 
Interessen  Goethes  nach,  sucht  aus  allen  Dichtern  Goethe  und  aus  Goethe  alle  Kunst 
in  ihrem  Wesen  zu  erfassen,  formt  in  seiner  Schule  seinen  Stil  und  bleibt  nur  die 
grosse  Biograpliie  seines  grossen  Meisters  der  Nachwelt  schuldig.  Wie  der  erste  den 
philologischen  Stoff  als  solchen,  der  zweite  seine  tiefere  Deutung,  der  dritte  seine 
Genesis  zu  begreifen  sucht,  vertreten  sie  drei  Stadien  in  der  Geschichte  aller  Philologie 
und  aller  Litteraturgeschichte  insbesondere.  — 

Ein  Mann  von  kaum  minder  grosser  Vielseitigkeit,  Regis,  ist  uns  Deutschen 
der  berufene  Uebersetzer  der  grossen  Satiriker  Rabelais  und  Swift  geworden i*-). — An 
seinen  Namen  knüpfen  wir  eine  tiefgreifende  Untersuchung  über  die  für  alle  Philologie 
und  Litteraturgeschichte  fundamental  bedeutsame  Frage:  „W^as  heisst  übersetzen?" 
U.  vonWilamowitz-Möllendorff  143)  hat  seine Uebersetzung  vonEuripides',.Hippolytos" 
mit  der  Beantwortung  dieser  Frage  eingeleitet.  Seine  Urteile  über  die  deutsche  Ueber- 
setzungskunst  sind  weder  von  Härte  noch  von  Willkür  frei:  die  Leistung  des  vossischen 
Homer  wird  entschieden  unterschätzt,  und  ich  mindestens  kami  nicht  finden,  dass 
Heyses  Giusti  in  höherem  Grad  italienisch  ist  als  Mörikes  und  Geibels  Uebersetzungcn 
antik  sind.  Was  aber  prinzipiell  über  die  Wiedergabe  fremder  Dichtungen,  z.  T.  im 
Anschluss  an  M.  Haupt  vorgetragen  wird,  das  scheint  so  klar  gesagt  wie  inhaltlich 
unangreifbar.  Auf  die  innere  Form  soll  man  das  Hauptgewicht  legen,  nicht  auf  die 
äussere;  wo  dieselbe  -  metrische  Form  in  verschiedenen  Sprachen  ein  verschiedenes 
Ethos  hat,  da  wird  die  äussere  Treue  zur  Preisgebung  der  inneren  Wahrheit.  Dieser 
Satz,  der  sich  z.  B.  auch  an  den  verschiedenen  Uebersetzungen  Molieres  trefflich 
illustrieren    lässt,    wird    von    W.   mit  eigenem  Beispiel   erhärtet,    indem    er    Lachmanns 


Nachr.  über  d.  Soester  Farailio  Sybel  1423-1890.  Mltnclion,  Oldenbourg.  1S90.  IV,  189  S.  m.  6  Tab.  M.  3,00  |[NZg.  v.  6.  Feb.]| — 
136)  E.  Robmpr.  H.  Scliultlmss :  AHB.  32,  S.  69-6.  —  137)  (I  5  :  418.)  —  137a)  F.  Rllhl,  F.  Gregorovius.  Gcd.-Rede  geh.  in 
d.  Kgl.  Dlsch.  (iosellscb.  in  Künigsborf,'.  Klinigsborg,  Härtung.  16S.  —  137b)  O  K.  Kru  in  baclier,  F.  Gregorovius:  UZ.  I,  S.  561-72. 
-  137c)  C.  M  II b  1  i  n  g,  F.  Grogoroviüs  :  KZg.  N.  l.'ö.  —  I37d)  F.  Gregorovius:  ib.  N  122.  —  I37e)  V.  Walile  ,  F.  Grogoroviu«:  ML.  60, 
H.  312/4.  —  I37f)  F.  Grogoroviüs  t  (Aus  KZg.):  Didiiskalia  N.  lO.'i.  —  137g)  A.  Dresdner,  Gregorovius'  letzte  Scbrilt : 
Gegenw.  N.  22.  —  137h)  S.  Mllnz,  F.  Gregorovius:  Nation«.  S.  523/6.  —  I37i)  id.,  Erinnerungen  an  F.  Gregorovius:  NFI'r. 
N.  »697.— 188)  (IV  1  :  87.)  -  139)  A.  Baumeister,  F.  W.  Schneidewin:  ADB.  32,  S  150.  —  140)  id.,  G.  F.  Scboemann:  ib. 
S.  2:1,5.  —  [4lj  (I  2  :  M.)    -    142)  flV  3  :  92.)    —    143)  H    v.  Wilamo  wi  t7.-MfiI  londorf  f.  Enripi'les'  Hippolytos.   grieoh.  n. 


129  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19,  Jahrhunderts.  IV  6:  144-I68 

Wiedergabe  eines  Stücks  der  Ilias  in  mittelhochdeutschen  Versen  mit  dem  Gegenstöck 
einer  homerischen  Wiedergabe  von  Nibehmgenstrophen  versieht,  besonders  aber,  indem 
er  mit  virtuoser  Gewandtlieit  Goethes  „Ueber  allen  Gipfeln  ist  Ruh"  in  zwei  ver- 
schiedenen Stilfbrmen  wiedergiebt.  Eine  höchst  interessante,  obwohl  gelegentlich  etwas 
zu  energische  Beleuchtung  deutscher  Dichtungen  nach  ihrer  inneren  Form  schliesst  sich 
an:  „Es  ist  für  den,  der  die  Griechen  kennt,  belehrender  als  die  modernen  Poetiken, 
wenn  mau  sich  die  Analogien  überlegt.  Man  sieht,  wie  alle  die  Grenzen  der  Gattungen, 
selbst  die  von  Prosa  und  Poesie,  in  der  Luft  stehen.  Der  Gang  nach  dem  Eisenhammer 
wird  ein  Epyllion  in  alexandrinischem  Stile:  das  muss  aber  die  Hochzeit  des  Mönchs 
auch  werden.  Die  Braut  von  Korinth  zu  übersetzen,  ratisste  man  Rhadina  und 
Eriphanis  lesen  können.  Pater  Brey  wird  ein  Mimos,  Minna  von  Barnhelm  muss  sich 
in  Trimeter  kleiden,  während  für  den  Nathan  der  Sokratische  Dialog  besser  passt. 
Wahrhaft  erschreckend  ist,  auf  wie  viel  sog.  Poesie  die  Rhetorik  ihre  Hand  legt. 
Heines  Nordseebilder  und  Gellerts  Kirchenlieder,  den  ganzen  Scheffel  und  den  ganzen 
Scherenberg  holt  die  zweite  Sophistik,  die  Aristides  und  Lukian,  die  Philostratos  und 
Longos.  Und  belehrend  ist  doch  auch,  dass  die  stilisierte  Stillosigkeit,  die  menippische 
Satire,  ein  weites  Reich  erhält:  Jean  Paul  z.  B.  verfällt  ihr  rettungslos."  Man  wird 
nicht  all  diese  Urteile  unterschreiben;  wichtig  für  die  litterarhistorische  Würdigung  der 
besprochenen  Dichtungen  sind  sie  ausnahmslos.  —  Bei  den  nahen  Beziehungen  zwischen 
Litteraturgeschichte  und  Sprachwissenschaft  muss  man  hier  auch  wohl  anführen,  dass 
für  die  letztere  G.  von  der  Gabelentz  1*^)  ein  neues,  grosses  und  wohl  für  längere  Zeit 
abschliessendes  Lehrbuch  verfasst  hat.  (Ueber  W.  v.  Humboldt  S.  28;  über  Sprach- 
darstellung S.  81 ;  Sprachschilderung  S.  457.)  Das  Problem,  die  Sprache  eines  einzelnen 
Autors  aus  der  seiner  Zeit  vuid  seiner  Vorgänger  abzuleiten,  das  £üt  den  Litterar- 
historiker  (z.  B.  bei  Würdigung  der  Neologismen  von  „Sturm  und  Drang")  so  oft  wichtig 
wird,  ist  ja  im  Ginind  ein  rein  linguistisches.  — 

Ein  Meister  der  pliilologischen  Methode,  Pfadfinder  in  einer  neuen  Anwendung 
derselben,  ein  ausgezeichneter  Stilist,  ein  Kritiker  von  Bedeutung,  steht  V.  Hehn  vor 
uns,  auch  er,  wie  Schoell,  ein  Philolog,  dem  Goethe  zum  Leitstern  ward  auf  allen 
Wegen,  dabei  nicht  ohne  romantische  Neigungen,  Verehrer  Schellings,  für  Italien  in 
Eichendorffscher  Art  schwärmend,  ein  wütender  Feind  aller  Philister.  0.  Schra- 
ders  ^*ö-i'*^)  Lebensbild  ist  mehr  durch  Mitteilungen  aus  unbekannten  Jugendschriften 
als  durch  Eigenes  wichtig.  (Ueber  Goethe,  Hegel  und  Schelling  S.  8;  Hehns  Verhältnis 
z\i  Vischer  S.  10,  41;  Berliner  Umgang  S.  64  f.).  — 

Greift  die  Philologie  mehr  in  die  Litteraturgeschichte  ein,  so  sind  dafür  die 
Beziehungen  der  Kunstlehre  zur  Litteratur  selbst  um  so  enger.  Persönlich  waren 
diese  Beziehungen  bei  einem  Kunthistoriker  wie  L.  v.  Schorn,  dem  H.  Holland  1*'')  sich 
zuwandte,  loser  als  bei  Schnaase,  dessen  Bild  von  Donop^^)  lieferte:  er  gehörte 
nicht  bloss  dem  Düsseldorfer  Kreise  der  Immermann  und  Uechtritz  an,  sondern  er 
musste  auch  einmal  in  das  Leben  eines  Lyrikers  „mit  rauher  Hand"  eingreifen:  als 
Oberprokurator  leitete  er  die  Verfolgung  Ereiligraths  wegen  des  Gedichtes  „Die  Toten 
an  die  Lebenden",  vnid  seine  Freisprechung  hatte  dann  Schnaases  Fortgang  von  Düssel- 
dorf zur  Folge.  D.  brauchte  das  nicht  so  ängstlich  zu  umschreiben.  —  Springer, 
der  glänzendste  Redner  Unter  unseren  Kunsthistorikern,  wird  im  nächsten  Jahrgang 
ausführlicher  zu  behandeln  sein  i-*^-i49a^.  —  Als  einen  interessanten  Beweis,  wie  die 
Nachbarwissenschaften  selbst  in  iliren  Verirrungen  sich  ähneln,  erwähne  ich  hier  das 
berüchtigte  Buch  von  Lautner  ^S"),  in  welchem  eine  Shakespeare-Bacon-Frage  für 
die  Kunstgeschichte  insceniert  wurde.  — 

Verschiedene  Maler  sind  als  Didaktiker  zu  nennen.  Moriz  von  Schwind,  den 
der  unermüdliche  Biograph  Münchener  Kunst,  Holland  ^si)  für  die  ADB.  zeichnete,  hat 
zwar  nur  gelegentlich,  etwa  im  Briefwechsel  mit  Mörike,  sich  über  Kunstfragen  schriftlich 
geäussert;  doch  ist  er  hier  schon  wegen  des  Planes,  Goethes  Philistratische  Gemälde- 
galerie auszuführen  (S.  458),  zu  erwähnen.  —  Aber  Schnorr  v.  Carolsfeld '62)  hat  mehr- 
fache kunsttheoretische  Aeusserungen  hinterlassen  (S.  189),  und  Adolph  Schrödter,  den 
M.  G.  Zimmermann  1^3^  behandelt,  hat  nicht  nur  an  einer  berühmten  politischen  Satire 
Anteil  genommen,  nicht  nin-  mit  seinen  unsterblichen  „Trauernden  Lohgerbern"  einen 
wirkungsvollen  „Triumph  der  Empfindsamkeit"  geliefert,  nicht  nur  die  volkstümlichsten 
Gestalten  der  Weltlitteratur  als  Zeichner  populär  gemacht,  sondern  auch  gut  Goethisch 


dtsch.  Berlin,  Weidmann.  244  S.  M.  8,00.  —  144)  G.  v.  d.  Gabelentz,  D.  Sprachwijsenscliaft.  Leipiig,  Weigel  Nackf. 
XX,  502  S.  M.  14,00.  i[G.  M.:  LCBl.  S.  1728.]|  —  145/6)  0.  Scbrader,  Victor  Hehn.  E.  Bild  s.  Ubens  u.  s.  Werke:  S.-A. 
aus  Jw.  V.  Mullers  Biograph.  Jb.  f.  Altertumskunde.  Berlin,  Calrary.  76  S.  M.  3,00.  |[W.  Streitberg:  ladogForsch.  An«.  1. 
S.  87;  0.  Seeck:  DLZ.  J3,  N.  10.]|  —  147)  H.  Holland,  L.  v.  Schorn:  ADB.  32,  S.  379-82.  -  148)  t.  Donop,  K.  Sehnaase: 
ib.  S.  66-73.  —  149)  Anton  Springer:  WeserZg.  v.  12  Juni.  —  1498)  Anton  Springer:  FZg.  v.  3.  Juni.  —  150)  M.  Lantner,  Wer  ist 
Rembrandt?  Breslau,  Kern.  VIII,  470  S.  mit  7  Tafeln.  M.  11,(0.  |[W.  Bode:  DLZ.  12,  S.  1504,5.];  —  |5|)  h.  Holland,  Morix 
V.  Schwind:  ADB.  33,  S.  449-69.—  152)  F.  Sthnorr  v.  Carolsfeld,  J.  fchnorr  t.  Carolsfeld:  ib.  32,  S.  182/9.  —  153)  M.  G. 
Jahresberichte  fUr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  11  («|.  Q 


IV  6:  154-169.  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  130 

über  „das  Zeichnen  als  ästhetisches  Bildungsmittel"  geschrieben.  —  Anselm  Feuerbach, 
als  hervorragender  Schriftsteller  längst  durch  sein  „Vermächtnis"  bekannt,  wird  von 
Speidel  J5*)  als  Humorist  geschildert;  wir  gestehen,  in  der  mitgeteilten  Rede  über 
Makart  von  Humor  wenig  zu  finden,  viel  aber  von  packendem  Pathos.  —  Endlich  ein 
Mann,  der  vom  bildenden  Künstler  zum  Lehrer  grössten  Stils  ward,  Semper^^^)  hat 
längst  auch  auf  die  Litteraturgeschichte  mit  der  Tiefe  seiner  Auffassung  gewirkt.  — 
Sehr  lehrreich  ist  ein  Schriftchen  von  Laban  i^^),  welches  an  einem  einzelnen  Beispiel 
zeigt,  wie  sehr  die  Beurteilung  der  Kunstwerke  von  der  allgemeinen  Zeitstimmung  ab- 
hängig ist.  Die  Analogie  z.  B.  auf  die  verschiedenen  Auffassungen  des  Hamlet,  des 
Taust  liegt  auf  der  Hand.  — 

Damit  sind  wir  schon  bei  der  Kritik  angelangt.  Die  litterarische  Kritik  sehen 
wir  in  einer  Reihe  charakteristischer  Gestalten  sich  vor  unseren  Augen  entwickeln.  Von 
J.  J.  Schwabe,  dem  Schildknappen  Gottscheds,  den  Waniek  ^^'')  etwas  sehr  gründlich  be- 
handelt, und  von  Gottscheds  siegreichem  Gegner  Bodmer,  dessen  kritische  Zeitschrift 
Th.  Vetter  15''*)  sorgfältig  herausgegeben  und  dessen  in  beständigem  Wechsel  altdeutsclie 
Arbeiten  und  Bodmersche  Poesie  verzeichnendes  Tagebuch  Bächtold  ^^Tb^  veröffent- 
licht hat,  kommen  wir  zur  lessingianischen  Kritik  Gerstenbergs is^) ;  Schütz,  den 
Ho  che  159)  besprach,  begründet  die  Recensieranstalt  der  klassischen  Periode,  während 
gleichzeitig  auch  Stephan  Schütze  in  Weimar,  dessen  Biographie  Pröhlei^o)  verfasste,  die 
Kritik  vertritt.  —  In  zwei  Stadien  stellen  Schubarthi"i)  und  Grillparzer  die  auf  Goethe  ge- 
gründete Litteraturkritik  dar.  Poglars^''^)  Mitteilungen  enthalten  manches  interessante 
Urteil  Grillparzers,  besonders  über  Theater  und  Drama  (Hebbel  S.  35,  Th.  Körner  „be- 
sass  das  gewisse  Schwunghafte"  S.  37;  Raimund  S.  41;  Halm  S.  42,  66;  Kotzebue 
S.  46;  ferner  Herder  S.  30;  Lenau  S.  43).  —  Die  Kritik  der  Bildungsaristokratie  finden 
wir  in  den  Briefen  der  Pamilie  Mendelssohn  163-I63a^^  ^{q  wieder  in  neuen  Ausgaben  er- 
schienen.—  Wir  schliessen  zwei  Musikkritiker  an,  die  von  Wasiliewski  i*^*)  und  L.  A. 
Prankl  ^^^)  würdigten:  Robert  Schumann,  als  Schriftsteller  ein  talentvoller  Schüler  von 
Jean  Paul  und  E.  Th.  A.  Hoffmann,  und  Becher,  der  als  Opfer  der  Revolution  von  1848 
gefallen  ist.  —  Wesentlich  auf  die  Weltanschauung  des  Politikers  ist  die  Kritik  Ludwig 
Pfaus  begründet.  Der  siebzigste  Geburtstag  des  trefflichen  Lyrikers  und  originellen 
Kritikers  hat  neben  dem  unbedeutenden  Artikel  von  Sauli^Sa^  den  vortrefflichen 
von  Hör  th  165b)  gezeitigt,  der  von  dem  geistigen  wie  von  dem  allgemein  menschlichen 
Habitus  dieses  echten  Landsmanns  der  Ühland  und  Vischer  ein  anschauliches  Bild  ent- 
wirft. Mich  wundert  nur,  dass  beide  Aufsätze  dieselben  beiden  Gedichte  Pfaus  bringen, 
die  mir  doch  weder  besonders  schön  noch  besonders  charakteristisch  scheinen  wollen. 
Ich  weine  der  Zeit,  in  der  die  Anthologien  blühten,  sonst  keine  Thräne  nach,  aber  eine 
gewisse  Sicherheit  im  Herausstechen  guter  Proben  brachte  sie  doch  zuwege,  und  gar 
Sammlungen  wie  Storms  „Hausbuch"  oder  Scherrs  „Bildersaal"  können  darin  immer 
noch  gute  Dienste  leisten.  Pfaus  Wirkung  blieb  fast  ganz  auf  Süddeutschland  be- 
schränkt; einen  Dienst  aber  hat  er  der  Lesewelt,  soweit  die  deutsche  Zunge  klingt,  ge- 
leistet, der  seine  geistreichen  Kritiken  gewiss  und  seine  sinnigen  Gedichte  wahr- 
scheinlich überleben  wird:  er  hat  uns  Claude  Tilliers  ,, Onkel  Benjamin"  geschenkt,  diesen 
prächtigen  Franzosen,  den  er  fast  zum  deutschen  Klassiker  gemacht  hat.  Und  er  hat 
auch  zuerst  Millets  „Angelas"  nach  seinem  Werte  gepriesen:  wie  viel  Kritiker  können 
sich  zweier  solcher  Funde  rühmen  ?i''5c^  —  Allgemeine  Erörterungen  über  die  neuere 
Kritik  bringt  Giemen  i66)j  er  analysiert  besonders  einige  jungnordische  Kritiker.  1^7)   — 

Aus  den  anderen  Disciplinen  heben  wir  nur  den  berühmten  Anatomen 
Henle  hervor,  dem  Merkel  1^9)  eine  grosse  Darstellung  widmete.  Er  gehört  der  Litte- 
ratur  in  doppeltem  Sinn  an;  einmal  aktiv  durch  seine  vortrefflichen  ,, Anthropologischen 
Vorträge",  die  zu  dem  Besten  gehören ,  was  wir  an  populärwissenschaftlichen  Schriften 
besitzen,  wenn  sie  auch  von  einer  in  Carus  Sterne  schwelgenden  Zeit  vergessen  sind; 
dann  aber  passiv,  zwar  nicht  durch  die  mit  Unrecht  auf  seine  Liebesgeschichte  zu- 
rückgeführte „Frau  Professorin"  Auerbachs,  wohl  aber  durch  G.  Kellers  prächtige  Schil- 


Zimm ermann,  Adolph  Schrödter:  ib.  S.  545/8.  —  154)  L.  Sp[eidel],  Maler  Feuerbach  als  Humorist:  NFPr.  r.  3.  Mai.  — 
155)  H.  S.,  Gottfried  Semper:  ADB.  33,  S.  706-17.  —  156)  F.  Laban.  D.  GemUtsausdruck  d.  Antinous,  e.  Jh.  angewandter 
Psychologie  auf  d.  Gebiete  d.  antiken  Plastik.  Berlin,  Spemann.  92  S.  M.  3,00.  [T.  S  :  LCBl.  S.  1432.]!  —  I57j  (I  3  :  5.)  - 
167a)  (HI  5  :  18.)  —  I57b)  J.  Bachtold,  Bodmers  Tagebuch  (1752—1782):  Turicensia  S.  190—216.  -  I58j  H.  W.  r.  Gersten- 
berg, Briefe  Über  Merkwürdigkeiten  d.  Litt.,  ed.  Weilen.:  F.  Speyer:  ASNS.  86,  S.  315/7;  WIDM.  69,  S.  291/2;  Greuzb.  II 
8.  492;  Fr:  ML.  60,  S.  175.  —  159)  B.  Hoche,  Chr.  G.  Schutz:  ADB.  33,  S.  1115.-160)  H.  PrOhle,  Stephan  Schutze:  ib. 
8.  14e/7.  —  161)  (1  3  :  15.)  —  162)  Ad.  Foglar,  Grillparzers  Ansichten  Über  Litt.,  Bühne  n.  Leben  aus  Unterredungen.  2.  venu. 
Aufl.  Stuttgart,  Göschen.  VI,  71  S.  M.  2,00.  -  163)  .s.  Hensel,  D.  Familie  Mendelssohn.  Berlin,  Behr.  XV,  383  u. 
V,  400  S.  M.  12,00.  -  I63a)  F.  Mendelssohn-Bartholdy,  Reisebriefe  aus  d.  J.  1830/2.  (=  Meyers  Volksbücher  882/5.)  Leipzig, 
Bibliogr.  Inst.  160.  259  S.  M.  0,40.  -  164)  v.  Wasiliewsky,  Rob.  Schumann:  ADB.  33,  S.  44.  -  165)  (IV  1  :  62).  - 
165«)  D.  Saul  Ludwig  Pfau.  Zu  s.  70.  Geb.:  FZg.  N.  237.  -  165b)  0.  Hörth,  L.  Pfau.  Zu  s.  70.  Geb.:  NFPr. 
N.  9696.  —  I65c)  O  Kl.  Flltn,  Ehrungen  L.  Pfaus:  FZg.  N.  239.  -  166)  P.  Giemen,  Z.  Gesch.  d.  modernen  Kritik:  Gegenw. 
40,  S.  (10/2.  -  167)  O  X  M.  G.  Conrad,  Gelüftete  Masken.  Leipzig,  Friedrich.  1890.  V,  312  S.  M.  5,00.  -  168)  A.  t.  Hum- 
boldt, Ansichten   p».  Natur.  (.=  Meyers  Volksbücher  834  9).     Leipzig,  Bibliogr.  Inst.    W.   435  S.   M.  0,60.    -    169)  F.  Merkel, 


131  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18.'/19.  Jahrhunderts.  IV  6:  Hol», 

dening  im,,Grüneii Heinrich". "")  —  Ganz  eigentlichzurLitteraturistauchFechnerzu  rechnen, 
der  geistvolle  Humorist  und  Schüler  Jean  Pauls:  ihn  behandelt  Achelis '"),  —  Seinen 
Arbeitsgeiiosson  W.  E.  Weber  schildert  E.  Krause  "2).  —  Er  hat  ferner  von  dem  grössten 
Physiker  der  Gegenwart  ein  Bild  entwt)rfen''3^,  dessen  siebzigsten  Geburtstag  auch 
sonst  mancher  Zeitungsartikel  nach  Gebühr  feierte"*).  Alle  diese  Artikel  treten  zurück 
vor  der  ebenso  einfachen  als  sicheren  Selbstcharakteristik,  die  bei  der  Feier  im  No- 
vember 1891  der  grosse  Gelehrte  —  uns  ja  schon  wegen  seines  Anteils  an  der  Goethe- 
forschung wert  —  gab,  und  die  wir  erst    im    nächsten  Jahrgang  analysieren  dürfen.  — 

Ein  paar  Journalisten  leiten  zur  Politik  über:  Schubart,  dem  es  so  schlecht 
bekam,  zu  den  Vätern  der  politischen  Journalistik  in  Deutschland  zu  gehören,  und 
dessen  von  Wohlwill"*)  gezeichnetes  Lebensbild  allzu  sehr  die  charakteristischen 
Züge  schwäbisch-biedermännischer  Derbheit  vei-wischt;  F.  K.  J.  Schütz,  der  Sohn  des 
Begründers  der  Litteraturzeitung,  Gatte  der  Hendel-Schütz,  Vielschreiber  und  Journalist, 
von  L.  Fränkel"")  behandelt;  endlich,  damit  wir  in  der  absteigenden  Klimax  journa- 
listischer Ehrenhaftigkeit  die  tiefste  Stufe  erreichen  können,  Saphir "'),  die  greuliche 
Verkörperung  seelenloser  Witzelei,  dessen  „Werke"  zur  Unehre  des  deutschen  Publikums 
in  einer  neuen  „Klassiker-Original-Ausgabe"  erscheinen  können.   — 

Eine  Anzahl  von  Artikeln  der  ADB.  schildern  hervorragende  Politiker  und 
Staatsmänner  aus  der  Zeit  der  Aufklärung  in  Preussen  "^-isi)  und  Süddeutsch- 
land 182183)_  Hervorzuheben  sind  H.  Th.  von  Schön,  den  Maurenbrecher  "^j  behan- 
delt, auch  als  einflussreicher  Staatsschriftsteller,  und  Schuckmann,  von  Wipper- 
mann i^))  dargestellt,  jener  an  der  Einrichtung  der  Berliner  Universität  beteiligte  Minister, 
um  dessen  politische  Mitarbeit  ein  Goethe  und  ein  Humboldt  warben. i**)  —  Von  dem 
Hintergrund  der  Mainzer  Revolutionstage,  in  die  Forster  und  Caroline  sich  ver- 
wickelten, hebt  sich  die  düstere  Gestalt  des  Eulogius  Schneiderest).  —  Die  Reak- 
tionszeit der  Heiligen  Allianz  schildert  in  ihrem  berüchtigten  „Schutzengel",  Juliane 
von  Ki'üdener,  der  wohlwollende  Artikel  Strebers  '^5*).  —  Die  Restauration  ver- 
körpert der  durch  seine  Censurmassregeln  von  denen  Ilwofi^ß)  ergötzliche  Proben 
mitteilt,  berühmte  österreichische  Polizeimiuister  Sedlnitzky.   — 

Von  hier  schreiten  die  frommen  Publizisten  der  vormärzlichen  Zeit  vor:  der 
Katholik  W.  v.  Schütz,  den  Walzel  i*^')  zeichnete;  der  Protestant  Bunsen,  neben  Radowitz 
schriftsteUerisch  der  hervorragendste  Vertreter  der  entschieden  christlichen  Politik. 
Bunsens  hundertster  Geburtstag  hat  eine  Reihe  ven  Besprechungen  veranlasst,  die  in 
erfreulicher  Weise  zeigen,  wie  die  Gerechtigkeit  dem  einst  viel  verspotteten  „Gesandten 
für  Jerusalem"  gegenüber  sich  gehoben  hat.  An  einer  einzelnen  Episode  beleuchtet 
G.  von  Bunsen  es^y  die  politische  Stellung  seines  Vaters,  besonders  sein  Verhältnis  zu 
Russlaud.  —  Auch  Wald.  Hornlos»)  und  von  Hohenthal  i^Sb)  schildern  vorzugsweise 
seine  politische  Laufbahn,  während  B.  Münz  'ös<=)  das  Bild  des  ganzen  Menschen  zu  geben 
sucht.  i88d-e)  —  Merkwürdig  tritt  der  eigentümliche  Mann  in  seiner  Individualität  da  hervor, 
wo  er,  in  einem  Aufsatz  von  T.  von  Bunsen  ^^sf)^  neben  einer  vielfach  ihm  verwandten 
Natur,  Arndt,  erscheint.  — 

Bedeutend  ist  die  Gruppe  der  Achtundvierziger.  Mit  dem  eigenartigsten 
unter  ihnen,  Lothar  Bucher,  ist  der  deutschen  Litteratur  ein  verlorener  Schriftsteller 
von  nicht  geringer  Bedeutung  durch  von  Poschinger  i^^)  wiedergeschenkt  worden. 
Jene  Mosaikmethode,  die  wdr  bei  den  Philosophen  nicht  loben  konnten,  ist  hier  berechtigt. 
Denn  die  einzelnen  Schriften  und  Aufsätze  sind  nirgends  aufzufinden,  zu  einer  neuen 
Gesamtausgabe  aber  ist  entschieden  ein  Bedürfnis  nicht  vorhanden.  So  lernen  wir  in 
P.s  geschickter  Auswahl  und  gewandter,  wenn  auch  zuweilen  etwas  tendenziöser  Dar- 
stellung eine  durchaus  originelle  Persönlichkeit  kennen.  Bucher,  von  Haus  aus  eine 
zarte,  „einsame"  Natur,  ist  ein  Nachkomme  der  grossen  Indi\ädualisten  unserer 
klassischen  Epoche.  Wie  Herder,  wie  Görres,  wie  E.  Th.  A.  Hoffmann  hasst  er  mit 
ganz  persönlichem  Hass  die  ungeheiire,  aller  Eigenart  feindliche  Maschinerie  des  Staates. 


J.  Henle.  Brannschweig,  Vieweg.  XII,  410  S.  M.  10,00.  [[Wiedershaim:  DLZ.  12,  8.  1016/7.]|  —  |70)  Q  Oedenkbl.  z. 
Kerner  Feier  (Anton  Kerner,  Ritter  v.  Marilaun)  am  12  Nov.,  her.  Tom  Comit*.  Wien,  Dentieke.  25  S.  M.  0,60.  — 
171)  Achelis,  G  Th.  lechner:  NiS.,  SlSrz.  -  1721  O  E.  Krause,  Wilh.  Ed.  Weber:  WeeerZg.  N.  16004.  —  173)  O  »d-,  H 
V.  Helmholti:  ib.  N.  IfiOCS.  — 174)  Helmholtz:  VZg.  N.  35.  —  175)  Ad  Wohlwill,  Chr.  Schubatt:  ADB.  32,  S.  588W.  — 178)  L. 
Frankel.  F.  K.  J.  Schütz:  ib.  3:1,  S.  117-20.  —  177)  M.  G.  Saphir,  Schriften.  Kla.«!siker-Orig.-Au!>g.  BrBnn,  Karafiat.  85  Liefgen.- 
je  56  S.  M.  25.00.  —  178)  W.  Maurenbrecher,  H.  Th.  t.  Schtin:  ADB.  32.  S.  781-92.  —  179)  G.  Krause,  F.  L.  v.  S<hroelter:  ib. 
S.  579-82.  —  ISO)  id..  K.  W.  Frhr.  v.  Schroetter:  ib.  S.  583  5.  -  181)  Wippermann,  K.  F.  ▼.  Schuckmann:  ib.  S.  647-50.  - 
182)  Renn  er.  F.  K.  v.  Schönborn:  ib.  S.  268-74.  -  I83i  id..  Job.  Phil.  F.  v.  Sohöuborn:  ib.  S.  277-80.  —184)  O  J-  Gebele. 
l'eter  t.  Osterwald  ....  E.  Beitr.  z.  Oexch.  d.  Aufklarung  in  Bayern.  HUnrhen,  Kellerer.  V,  136  S.  mit  1  Bilde.  M.  1,50. 
—  185)  (I  3  :  11)  —  185a)  Streber,  Juliane  v.  Krüdener:  Wetzer  u.  Weites  Kirchenlexikon  7,  S.  1229—31.  —  186)  Ilwof, 
J.  Graf  Sedlnitzky:  ADB.  33,  S.  528  ff.  —  187)  0.  F.  Walzel. W.  v.  Schütz:  ib.  S.  134/6.  —  188)  0.  t.  Bunsen,  Christian  G.J. 
Bunsen,  geb.  25.  Aug.  1791:  Nation".  S.  725/7.  —  188a)  Wald.  Hörn,  Josias  v.  Bunsen.  Z.  Erinnerung  an  seinen  100.  Geb.: 
DIdaskalia  N.  198.  — 1881])  F.  von  Hohenthal,  Kitter  Bunsen.  E.  Säkular- Erinnerung:  KielZg.  T.20.Ang.  —  I88c)  B.Manx, 
Christian  C.  .1.  Bunsen:  VZgs  N,  34  ."..  —  I88d^  Chr.  K.  J.  v.  Buusen:  FrSnkMerkur  N.  433.  —  188»)  Kohlschmidt,  Zu 
HuMsens  (iedilditnis:  PKZ.  N.  38.  —  I88f    T.r.  Buusen,  Arndt  u.  Bunsen:  DB.  S.  44-68, 169— 82.  —  189)  U.  t.  P  osohinger, 

9* 


IV  6:190-203.  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  132 

Zuerst  tritt  ihm  diese  in  der  Bureaukratie  der  Restaurationszeit  entgegen.  Natürlich 
ist  sein  Platz  unter  den  Liberalen  und  kraftvoll  hält  er  Reden,  die,  wenn  endlich  einmal 
in  Deutschland  auch  die  mündliche  Beredsamkeit  litterarhistorisclie  Beachtung  finden 
wird,  ihm  einen  hervorragenden  Platz  in  ihrer  Geschichte  sichern.  Von  der  Reaktion 
vertrieben,  geht  er  nach  England,  das  damals  vielfach  den  Liberalen  als  Musterland 
galt.  Aber  wie  der  moderne  Geist  des  uniformierenden  Mechanismus  ihn  vorher  in  der 
preussischen  Staatsverwaltung  erschreckt  hatte,  grinst  er  ihn  nun  aus  der  philiströsen 
„öffentlichen  Meinung"  Englands  an.  Krämergeist,  religiöse  Heuchelei,  gelehrte  Un- 
ehrlichkeit verletzen  ihn.  Er  wird  bitter,  ungerecht  gegen  England,  dem  er  schliesslich 
nur  eine  Tugend  zuerkennt:  Reinlichkeit;  und  die  sollen  sie  von  den  Indern  gelernt 
haben!  Faraday  habe  nie  selbst  etwas  geleistet,  wie  die  englischen  Gelehrten  überhaupt 
von  deutschen  Gedanken  lebten.  Die  Türken  mit  ihrer  Langsamkeit,  ihrem  eigenartigen 
Kunstgewerbe,  der  Orient  überhaupt  zieht  ihn  mehr  an  als  alle  Kultur  Englands:  am 
Ganges  nur  giebts  Menschen!  Nun  kehrt  er  zurück,  eine  gewaltige  Individualität  tritt 
ihm  entgegen,  und  der  Steuerverweigerer  von  1848  wird  Bismarcks  rechte  Hand.  Aber 
das  selbständige  Leben  des  geistreichen  Journalisten  hat  damit  ein  Ende.  Bucher 
schreibt  nicht  frei  von  Aflfektation;  er  hat  mehr  als  gut  von  Börne  gelernt.  Man  lese 
z.  B.  die  Schilderung  der  englischen  Dame  beim  Essen  1,  S.  244.  Seine  Beschreibungen 
sind  zu  witzig,  um  anschaulich  zu  sein;  der  Markt  von  Aylesbury  1,  S.  275,  auch  die  von 
P.  gerühmte  Schilderung  der  Küste  von  Sandgate  2,  S.  93  macht  keine  Ausnahme. 
Aber  er  ist  ein  Meister  des  Bonmots,  ein  Virtuos  in  packenden  Sentenzen  und  ein  ganz 
vortrefflicher  Psycholog,  der  Leben  und  Zeiten  mit  wenigen  Worten  zu  charakterisieren 
versteht,  oft  ungerecht,  aber  immer  wirksam.  Goethe  steht  dieser  durchaus  auf  poli- 
tische Wirkung  gerichtete  Mann  fremd  gegenüber;  für  Schiller  schwärmt  er  (2,  S.  122, 
202).  Begeistert  spricht  er  vom  „Teil".  Seine  Jugendgeschichte,  in  Märchenform  er- 
zählt (2,  S.  217),  ist  für  die  Mischung  von  Romantik  und  scharfem  Wirklichkeitsgefühl 
besonders  bezeichnend;  und  gerade  dies  mag  ihm  auch  Lessings  einziges  halbromantisches 
Produkt,  die  „Erziehung  des  Menschengeschlechts",  besondert  wert  gemacht  haben 
(2,  S.  174).  —  Ein  anderer  politischer  Journalist,  bei  dem  die  Entwicklung  vom  „roten 
Demokraten"  zum  gouvernementalen  Offiziösen  selbst  in  der  Darstellung  seines  Sohnes 
nicht  gerade  so  „organisch"  scheint  wie  bei  Bucher,  ist  R.  Schramm  ^^^),  der  an  Buchers 
Wiederanstellung  im  Staatsdienst  lebhaften  Anteil  nahm.  Seine  feurigen  Reden  in  der 
Nationalversammlung  gehören  zu  den  wenigen,  die  im  Ohr  des  Lesers  bleiben;  seine 
litterarische  Thätigkeit  war  weniger  bedeutend.  : —  Schulze-Delitzsch,  von  Eheberg '^') 
behandelt,  interessiert  uns  schon  als  angeblicher  Autor  der  „Hussiten  vor  Naum- 
burg", Schwetschke  ^^")  als  vielseitiger  origineller  Satiriker  und  Lobsinger  des  Eürsten 
Bismarck.  ^^^)  — 

Mehrere  Staatsmänner  der  neuesten  Zeit  nach  1848  haben  wohl  als 
Redner,  aber  nicht  als  Schriftsteller  Bedeutung  194-196^  ^  doch  ist  AI.  v.  Hühner  i^''),  der 
ultramontane  Diplomat,  schon  als  geschmackvoller  Reiseschilderer  bekannt.  — 
Während  Segesser,  von  Meyer  von  Knonau^^S)  besprochen,  der  Schöpfer  der  ultra- 
montanen Partei  in  der  Schweiz,  in  Agitationsschriften  ein  reges  Treiben  entfaltete, 
verbarg  in  Berlin  Louis  Schneider,  den  Wippermann  ^^g^  schildert,  seinen,  wie 
vielfach  behauptet  wird,  nicht  geringen  politischen  Einfluss  und  trat  nach  dem  Konflikt, 
in  dem  er  zum  Teil  die  schriftstellerische  Hand  König  Wilhelms  gewesen  war,  nur  noch 
mit  mancherlei  dankenswerten  historischen  Gaben  an  die  Oeffentlichkeit.  Seine  „Er- 
innerungen aus  dem  Leben  Kaiser  Wilhelms"  sind  an  charakteristischen  Zügen  reich 
und  für  das  Verständnis  des  Gründers  unseres  Reiches  so  unentbehrlich  wie  für  das 
seines  Vaters  das  Buch  des  Bischofs  Eylert.  ^^^aj    — 

Den  grössten  Staatsmann  der  neueren  Zeit  endlich  haben  nach  seiner  rhetorischen 
Erscheinung  zwei  Schriften  behandelt.  Während  Blümner  200)  mit  philologischer  Gründ- 
lichkeit nur  über  den  bildlichen  Ausdruck  in  den  Reden  des  Pursten  Bismarck  handelt, 
fasst  das  ganz  ausgezeichnete  Schriftchen  von  Gerlach 201)  alle  Eigenheiten  des 
gewaltigen  Redners  in  knapper  Charakteristik  und  vorzüglich  gewählten  Beispielen 
zusammen.  —  Bismarck  nimmt  mit  vollem  Recht  auch  in  der  Auswahl  rednerischer  Prosa  eine 
Centralstellungein, die Wych gram  202 j  z^m  erstenmal  für  Schulzwecke  hergerichtet  hat.  Die 
Auswahl  ist  vielleicht  etwas  zu  modern  ausgefallen:  nur  Goethe  und  Schleiermacher  vertreten 
die   ältere    Zeit,    während    Schelling    und    Fichte,   Uhland    und  J.   Grimm  ganz    fehlen. 


E.  Achtundvierziger,  L.  Buchers  Leben  u.  Werke.  Berlin,  Hennig.  1890/1.  VIII,  308,  302  S.  je  M.  3,00.-190)  Rud.  Schramm, 
Rud.  Schramm:  ADB.  32,  S.  446-50.  -  191)  K.  Th.  Eheberg,  H.  Schulze-Delitzsch:  ib.  33,  S.  18-29.  —  192)  (IV  3  :  106/7).  — 
193)  X  vEisenhart,  Wilh.  Sohulz-Bodmer:  ADB.  32,  S.  762/3.  —  194)  H.  Granier,  Graf  Schwerin-Putzar:  ib.  33,  S.  429.  — 
195)  V.  Zeissberg.  Fürst  Felix  Schwarzenberg :  ib.  S.  266-90.  —  196)  K.  v.  Heigel,  K.  Frhr.  v.  Schrenck:  ib.  82,  S.  48.5.  — 
197)  (IV  1:173;  F. :  LCBl,  S.  1308;  0.  Lorenz:  DLZ.  12,  S.  1648/9.)  —  198)  Meyer  v.  K  non  au,  Segesser:  ADB.  33,  S.  594-605.  - 
199)  Wipperra  an n, Ludwig  Schneider:  ib.  32,  8. 134-4.5.  —  199a)  X  J.  v.  Schwarze,  Fr.  v.  Schwarze:  ib.  33,  S.  25.1/6.  -  200) 
(IV.  1  :  117.)  -  201)  (IV  1  :  116.;  -202)  (I  7  :  36).  -  203)  Ferd.  Lassalle,  Tagebuch.    Her.  u.  mit  e.  Einl.  vera.  v.  P.  Lindau. 


138  R-  M.  Meyer,   DiMaktik  deH  1H./19.  .TalnlnnidertB.  IV  6;  ao4>2i4 

Auch  ist  die  Predif^t  zu  stark  herücksicJiti^t;  es  liätton  aus  der  parlamentarischen  ßeredt- 
samkeit  wohl  einige  politisch  in  jeder  Hinsicht  ungefährliche  Meisterstücke  etwa  von 
Bonnigsen  den  Reden  von  Bismarck  und  Moltke  beigefügt  werden  können,  während  das 
gänzliche  Fehlen  der  forensischen  Beredtsanikeit  durch  deren  Stand  in  Deutscliland 
sich  zur  Genüge  erklärt.  Dagegen  hätte  die  bei  uns  blühende  Kunst  der  Vereins-  und 
Weihreden  wohl  durch  irgend  eine  glückliche  Probe  gekennzeichnet  sein  können :  Schülern 
steht  gerade  diese  Art  der  Beredtsainkeit  am  nächsten.  Im  übrigen  ist  die  schwierige 
Auswahl  mit  üescliick  getroffen.  Natürlich  liätte  jeder  sie  anders  gemacht  (ich  hätte 
z.  B.  statt  Goethes  Rede  auf  Anna  Amalia  lieber  die  auf  Wieland  gedruckt);  aber  ein 
triftiger  Grund,  eine  der  gewählten  Reden  fortzuwünschen,  liegt  nicht  vor.  Gescliickt 
hat  W.  gerade  solche  Stücke  gewählt,  die  besonderer  Kommentare  nicht  bedürfen, 
wenigstens  schriftlicher:  mündlich  wird  der  Lehrer    wohl    doch    nachhelfen    müssen.  — 

Eine  Beredtsamkeit  ganz  anderer  Art,  i)rickelnd,  aufreizend,  nicht  die  Beredt- 
samkeit  des  Staatsmannes,  sondern  des  Agitators  ist  Bismarcks  berühmtem  „Nachbarn" 
Lassalle  eigen.  Das  Tagebuch  des  Knaben,  von  P.  Lindau  203)  mit  unmotivierter 
Ehrfurcht  behandelt,  zeigt  in  dem  unausstehlichsten  aller  vorlauten  Schuljiyigen  doch 
schon  die  selbstbewusste  Kraft,  zu  imponieren,  zu  verachten  und  zu  hassen.  Listruktiver 
ist  selten  ein  „document  humain"  gewesen;  unerfreulicher  auch.  Die  Partei  wird  an 
dem  grossen  Agitator  deshalb  nicht  mhider  festhalten  204-5a).  —  Ein  ganz  lesbares, 
übrigends  nirgends  neue  Gedanken  oder  Thatsachen  bietendes  Lebensbild  Lassalles  gab 
Kätzler  205b^_ — Einen  socialdemokratischen  Eülu-er  von  selu-  viel  liebenswürdigerer  Art, 
freilich  auch  von  sehr  viel  geringerer  Bedeutung  schildert  das  hübsche  Buch  von  Theodora 
Wedde205c).  Johannes  Wedde,  ihr  Bruder,  ist  merkwürdig  diu-ch  den  ausgesprochen 
nationalen  Charakter  seiner  politischen  Entwicklung:  für  die  Socialdemokratie  wird  er 
nicht,  wie  fast  alle  anderen,  durch  die  Macht  internationaler  Propaganda  oder  zeitloser 
Abstraktion  gewonnen,  sondern  aus  einer  leidenschaftlicheii  Verehrung  altgermanischen 
Wesens  erwächst  ihm  der  Hass  gegen  all  die  Gewalten,  die  dies  zu  verdunkeln  und  zu 
hemmen  scheinen.  So  erklärt  sich  das  Wunder,  dass  ein  als  socialistischer  Agitator 
ausgewiesener  Mann  in  seinen  Schilderungen  altsächsischen  Bauernwesens  an  Moser 
erinnert,  dass  der  Bekämpfer  der  Reaktion  wie  ein  Romantiker  der  Restaurationszeit 
für  die  alte  Mythologie  schwärmt  und  sogar  mühevoll  in  mittelhochdeutschen  Strophen- 
formen dichtet.  Eine  in  harter  Schule  des  Lebens  und  Leidens  gestählte  Lidividualität 
tritt  überall  hervor,  die  über  dem  Kämpfen  das  Lieben  nicht  verlernt  hat,  die  selbst  in 
dem  grössten  Gegner  die  Grösse  zu  ehren  weiss,  wie  Weddes  Urteile  über  Bismarck 
zeigen,  und  die  von  dem  traditionellen  Bild  des  Berufsagitators  jedenfalls  weit  genug 
abliegt,  um  schon  deshalb  Beachtung  zu  fordern.  Für  den  Litterarhistoriker  ist  die 
geistige  Nahrung  eines  solchen  Mannes  merkwürdig.  Dass  er  Schiller  verehrt,  ist 
wie  bei  jedem  idealistisch  gesinnten  Politiker,  wie  bei  Bucher  oder  F.  A.  Lange  so 
bei  Wedde  selbstverständlich.  Aber  eine  tiefe  Versenkung  in  den  Geist  Eckarts,  eine 
Empfängliclikeit  für  alle  religiöse  Vertiefung  des  germanischen  Geistes,  eine  begeisterte 
Nachfolge  Goethes  (S.  66)  würde  man  nicht  von  vornherein  erwarten.  Dass  ein  aus  all 
diesen  Quellen  genährter  Geist  mit  seinen  klar  und  still  geschriebenen  Aufsätzen  sich 
die  dankbare  Verehrung  weiter  Kreise  erwerben  konnte,  bleibt  jedenfalls  ein  schöner 
Beweis  dafür,  wie  gründlich  die  flache  Volksrednerei  (in  allen  Parteien)  das  Bildungs- 
uud  Begeisterungsbedürfnis  gerade  der  niederen  Volksklassen  unterschätzt.  Dadurch 
wird  das  Buch  für  den  Litterarhistoriker  ein  unverächtlicher  Beitrag  zur  „Lehre  vom 
Publikum".  —  Grubers  206)  grosser  Artikel  über  den  Liberalismus  bietet  für  die  politische 
Litteratur  der  neueren  Zeit  reichhaltiges,  nicht  ungeschickt  geordnetes  Material.  Sonst 
bringt  er  wenig  Neues;  dass  der  Liberalismus  zwar  die  Hauptirrlelire  unserer  Zeit  ist, 
aber  bereits  vom  Sündenfall  datiert,  ist  schon  längst  bekannt.  — 

Drei  hervorragende  Universitätskvu-atoren  führen  von  den  Staatsmännern  zu  den 
Pädagogen  über:  W.  von  Humboldt,  von  dem  Carriere^o?)  einen  Brief  mitteilt  und 
dessen  Ruhestätte  J.  Löwenberg 208)  schildert,  Johannes  Schulze^**^),  der  berühmte 
„Minister  der  Hegeischen  Angelegenheiten",  lange  Jahre  geradezu  der  Regent  der 
preussischen  Universitäten,  und  Seebeck  2i0),  der  gefeierte  Kurator  von  Jena.  — 

Wir  kommen  zu  den  Schulmännern  und  Pädagogen.  Zwei  Berichte  über 
die  Prüfung  auf  dem  Philantliropin  wurden  neugedruckt 21  i-i3)^    mit  ausreichenden  An- 


Breslau, Schles.  Verlagsansi  250  S.  mit  1  Bild.  M.  3,00.  —  204)  X  >d.,  Beden  u.  Sohrifteii.  Nene  Oesamtausg.  Her.  im 
Auftr.  d.  Vorstandes  d.  socialdemokrat.  Partei  Deutschlands  v.  Ed.  Bernstein.  Berlin,  Verlag  d.  .Yorwlrts".  1  Lief.  48  S. 
M.  0,20.  -  205)  O  XX  id.,  Ausgew.  Keden  u.  Schriften.  (In  20-2.5  Lfgn.)  1  Lfg.  Leipzig,  Pfau.  64  S.  M.  0,40.  — 
205a)  O  A.  Kennard,  F.  Lassalle:  lO"-  Century  30,  S.  361  ff.  —  2056)  G.  KStzler,  F.  Lassalle:  VZgs.  N.  34/6.  — 
205C1  Theodora  Wedde,  Jf>h.  Wedde.  Gedenkbll.  v.  g.  Schwester.  Mit  2  Lichtdruckbildern.  Hamburg,  Grttning.  IV,  188  S. 
M.  1,20. —  206)  H.  Grub  er,  Liberalismus:  Wetzer  &  Weites  Kirclienlexikon  7,  fS.  1898-1944.  —  207j  H.  Carriöre,  E.  Brief 
W.  T.  Humboldts  Über  Gescliichtsschreibung:  AZg".  N.  242.  —  208)  J.  Loewenberg,  D.  Campo  Santo  im  Schlosspark  cn 
Tegel :VZg.T. 7.  Juli.  -209)  (I  6  :  106.)  —  210)  (I  6  :  77.)  -  211/3)  (1  6  :  24.)  -  214)  M.  Hippe,  J.  0.  Schummel:  ADB.  33 


IV  6:  215-225.  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jalirhunderts.  134 

merkungen;  der  Vf.  des  zweiten,  Schumuiel,  der  bekannte  Vielschreiber,  ist  von  Hi})i)e-i4 
behandelt  worden.  —  F.  Jonas  215)  hat  einen  seiner  Vorläufer  ins  Licht  gerückt,  Christoph 
Semler,  den  Begründer  der  ersten  Kealschule.  —  W^ie  die  pädagogischen  Grundsätze  der 
klassischen  Periode  praktisch  galten,  sucht  an  einem  geeigneten  Beispiel,  Vater  und 
Sohn  Kömer,  Gr.  Kreyenberg  216)  zu  zeigen;  viel  Eigenartiges  kommt  eben  nicht  zum 
Vorschein.  —  Pestalozzi  ist  in  Weiss' ^17)  Weltgeschichte  verhältnismässig  breit  geschil- 
dert. ^^^)  —  Sein  Gönner  Schulthess  hat  in  Hunziker^is)  einen  Biographen  gefunden.  — 
Hunziker2i9a)  j^at  auch  Pestalozzis  erstes  Bild  veröifentlicht  sowie  die  Briefe  seines 
Jugendfreundes  Blunschli,  die  in  ihrer  Begeisterung  für  Rousseau  und  Entrüstung  über 
Wieland  (S.  129),  in  der  naiven  Zudringlichkeit  pädagogischen  Ereundschaftseifers  und  in 
ihrem  zürcherischen  Lokalpatriotismus  sehr  charakteristisch  sind.  —  Knecht  220)  giebt 
eine  Geschichte  und  Kritik  der  Kindergärten,  die  das  Spielerige  und  Pedantische  in 
Fröbel  scharf  hervorhebt,  das  Sinnige  und  Gesunde  übersieht.  —  Als  trefflicher  Pädagog 
tritt  G.  Schwab  in  Herrn.  Eischers^ai)  liebevoll  anschaulicher  Schilderung  hervor.  — 
Und  ein  Pädagog  besonderer  Art  darf  nicht  vergessen  werden:  Schreber,  der  im  gesun- 
den Körper,  den  gesunden  Geist  aufbauend  die  „Erziehung  zur  Schönheit"  predigte  und 
mit  seinen  ärztlich-pädagogischen  Schriften  weiten  Kreisen,  besonders  des  „zu  sesshaften 
Gelehrtentums"  ein  wirklicher  Wohlthäter  geworden  ist.  Sein  Leben  und  Wirken  hat 
Brummer  222)  beschrieben.  — 

Indem  wir  nun  endlich  letztens  zu  den  Versuchen  kommen,  der  ganzen  Rich- 
tung und  Strömung  der  Zeit  entgegenzuarbeiten,  die  Volksseele  in  ihren  entschiedensten 
Trieben  zu  erziehen,  müssen  wir  auch  an  diesem  Ort  des  grössten  Meisters  der  Volks- 
erziehung  und  Zeitkritik  gedenken.  Als  Volkspädagogen  und  Zeitpädagogen  im 
grössten  Stile  kann  man  Goethe  erst  beurteilen,  seit  W.  von  Biedermanns  223)  Sammlung 
seiner  Gespräche  abgeschlossen  vorliegt  —  ein  Unternehmen,  das  statt  nationaler  Dank- 
barkeit nur  lauem  Lobe  begegnet  ist.  Gewiss  könnte  manches  anders  gemacht  sein, 
und  vor  allem  brauchten  die  Erläuterungen  nicht  gar  so  dürftig  auszufallen.  Aber  es 
ist  doch  weiten  Kreisen  ganz  neu  die  Möglichkeit  geschenkt  worden,  über  Goethes 
mündliche  Urteile  sich  zu  befragen;  prachtvolle  Unterredungen,  die  unzugänglich  waren, 
die  mit  Luden  z.  B.,  sind  jetzt  jedem  Zuhörer  geöffnet;  charakteristische  Be- 
gegnungen, wie  mit  Mickiewicz,  mit  dem  Ritter  v.  Lang,  mit  Victor  Cousin,  kann 
jedermaini  jetzt  beobachten.  Als  der  unvergleichliche  Lehrer  und  „Befreier"  steht  der 
Olympier  vor  uns  und  macht  Geibels  schönes  Wort  von  Platen  zur  Wahrheit:  Ich 
deutete  mit  jeder  leisen  Wendung,  Ein  Fackelträger,  nach  dem  Reich  des  Schönen.  — 
Von  Goethes  Mitarbeitern  haben  wir  Humboldt  schon  erwähnt.  Zum  zweiten  Mal 
müssen  wir  auch  Basels*)  nennen,  dessen  höchst  charakteristische  Reden  mit  ihrem 
Kultus  der  frommen  Vernimft,  mit  ihrem  warmen  Patriotismus  und  ihrem  Schwung  die 
Sclmle  Eichtes  deutlich  verraten.  —  Ein  Volkserzieher  in  grossem  Stil  —  darin  lässt 
am  besten  sich  auch  die  Charakteristik  E.  A.  Langes  zusammenfassen.  Eine  Pracht- 
natvir,  antik  im  höchsten  Sinne  mit  seiner  Vereinigung  von  PhilosopJiie  und  Politik, 
Turnlehrer  und  socialer  Agitator  zugleich,  ein  vortrefflicher  Geschäftsmann,  dabei  erfüllt 
\on  tiefer  Ehrfurcht  vor  dem  Schönen,  wie  Lothar  Bucher  auch  er  ein  begeisterter 
Verehrer  Schillers  und  auch  selbst  Dichter.  Für  den  Litterarhistoriker  bietet  Langes 
lieben  noch  ein  specielles  Interesse,  insofern  er  während  seines  Züricher  Aufenthalts  der 
politische  Antagonist  G.  Kellers  wurde;  denn  der  Staatsschreiber  von  Zürich  war  -ein 
überzeugter  Anhänger  jenes  Alfred  Escher  von  der  Linth,  den  Lange  so  heftig  bekämpft 
hat,  und  jene  „Verleumdungsseuche",  die  Keller  in  wuchtigen  Liedern  angegriffen  hat 
und  die  er  durch  das  Oelweiblein  im  „Verlorenen  Lachen"  parodierte,  fand  Mitai'beiter 
bis  in  die  nächste  Umgebung  Langes  hinein.  Davon  erfährt  man  aber  nichts  bei 
Ellissen  225^1  er  bringt  iür  die  lockende  Aufgabe  dieser  Lebensbeschreibung  nichts  mit 
als  warmen  Eifer.  So  ungeschickt  wird  der  Stoff  disponiert,  dass  dies  höchst  interessante 
Leben  in  der  Biographie  zuweilen  langweilig  wird.  Während  jeder  Brief  Langes  ein 
stilistisches  Denkmal  ist,  kommt  bei  E.  das  Buch  als  Ganzes  nicht  über  die  lockerste 
Form  hinaus.  Dazu  zeigt,  er  sich  in  den  Materien,  die  Lange  bearbeitet,  so  wenig  zu 
Hause,  dass  er  für  die  Philosophie  auf  jedes  eigene  Urteil  überhaupt  verzichtet.  Karl 
Matthys  Leben  von  G.  Freytag  hätte  hier  ein  prächtiges  Pendant  finden  können;  statt 
dessen  müssen  wir  das  Buch  mit  Bolins  Feuerbach  vergleichen,  das  es  zwar  durch  Höhe 
der  Anschauung    übertrifft,    von   dem    es    aber    in    schriftstellerischer  Kunst  weit  über- 


S. 69-61.  —  215)  F.  Jo  n»  8,  Chr.  Semler:  ib.  S.  694/8.  -  216)  G.  Kreyenb  erff.D.  Pädagogik  in  d.  Körnersohen  Familie:  BhBllEU.  65, 
S.  481— 601.  —  2I7J  J.  B.  V.  Weiss,  Lehrb.  d.  VVeltgesch.  Bd.  9.  2  Hälfte.  Graz,  Styria.  VI,  1508  S.  M.  10,00.  (Hier  vgl. 
S.  1108-16.)  —  218)  O  Pestalozzi  u.  d.  Beichte:  PastoralBlRottenburg  9,  S.  52  if.  —  219)  (I  6:28.)  -  219a)  0.  Hunziker, 
Beitr.  d.  Festalozziinuins  in  Zürich:  Turiciusia  S.  104—89.  —  220)  Knecht,  Kindergärten:  Wetzer  u.  Weites  Kirchenlexikon  7, 
.S.462— 71.  — 22l)Herm.  Fischer,  Gust.  Schwab:  ADB  33,8.152/5.-222)  F.  BrUmmer,  D.  G,  M.  Schreber:  ib.  32,  S.  464/5. 
—  223)  Goethes  Gespräche,  her.  von  W.  v.  Biedermann.  9.  Bd.,  1.  u.  2.  Hälfte  (Register,  u.  Erläuterungen  v.  0.  Lyon. 
Leipzig,  V.  Biedermann.    124,  280  S.    H.  6,85.  —  224)  (I  5  :  98.)  —  225)  0.  A.  Ellissen,  F.  A.  Lange.    £.  Lebeusboschreib. 


13Ö  R.  M.  Meyer,  Didaktik  den  18,/19,  Jahrhunderts.   IV6:22»»-227. IV7:i. 

troifeu  wird.'--^»-'')  —  Auch  Wustmanu -'^"^  versucht  VolkKerzieher  zu  «ein;  die  Sprach- 
duminheiteii  sind  ihm  nur  Exponenten  tieter  Hegender  Zeitfehler.  Darin  dürfte  er  recht 
haben,  weniger  schon  in  dem  übertriebenen  Anteil,  den  er  dem  JoumalismuH  »chuld 
giebt.  Unsere  Zeitungen  schreiben  im  ganzen  jetzt  besser  als  vor  dreissig  Jalu'en;  und 
dass  man  mit  solch  einem  „Stil",  wie  ihn  Gutzkow  aufweist,  heut  Klassiker  wird,  scheint 
gerade  durch  die  weiter  verbreitete  Strenge  undenkbar.  Ganz  und  gar  nicht  ver- 
mögen wir  mit  dem  neuen  Gottsched  zu  gehen,  wo  er  diktatorisch  Abhilfe  schaffen 
will:  gerade  weil  die  Sprachdummheiton  nur  ein  Symptom  sind,  ein  Symptom  der  all- 
gemeinen Formlosigkeit,  der  Nachlässigkeit,  der  geschäftlichen  Nüchternheit  —  gerade 
deshalb  wird  von  diesem  Buche,  so  aiu'egend  und  überwiegend  heilsam  es  auch  einen 
Augenblick  gewirkt  hat,  eine  dauernde  Besserung  nicht  zu  erhoffen  sein.  Denn  wie  soll 
man  von  einem  selbst  formlosen  Lehrer  Form,  von  einem  oft  so  willkürlichen  Gesetz- 
geber innere  Gesetzmässigkeit,  von  einem  sich  als  alleinige  Autorität  aufspielenden 
Meister  Ehrfurcht  vor  den  höchsten  Mustern  lernen?  —  Der  Zeitkritik  hat  auch 
W.  Busch  --'')  ein  seltsames,  nachdenkliches  Büchlein  gewidmet,  von  Witz  und  Menschen- 
kenntnis voll,  ziellos  über  alle  Fragen  dahinfahrend,  den  Geschäftsgeist  der  Zeit,  den 
Socialismus,  den  medizinischen  Unfehlbarkeitsdünkel  und  tausend  andere  Dinge  streifend. 
Hat  man  alles  gelesen,  so  bleibt  es  immer  —  ein  Traum.  Immerhin  hätte  das  geist- 
reiche Werkchen  wohl  mehr  Beachtung  verdient.  Litterarhistorisch  haben  wir  es  in  das 
Gefolge  der  zeitkritischen  Dichtungen  einzureihen,  wie  besonders  Voltaire  sie  kultiviert 
hat;  auch  das  jetzt  so  beliebte  Mittel,  in  Märchenform  lehrhaft  zu  sein,  verdient  Be- 
achtung. Und  so  knüpfen  wir  an  den  Anfang  mit  dem  Ende  an,  indem  wir  aus  den 
mannichfachen  didaktischen  Anregiuigen  der  Gegenwart  zurückdeuten  auf  die  grosse  Zeit 
der  Lelirdichtung  im  Zeitalter  der  Voltaire,  Pope  und  Haller.  — 


IV,7 

Lessing.    1890,  1891. 

Erich  Schmidt. 

Aug(faben  N.  1.  —  Briefe  N.  10.  —  Leben  N.  13.  —  Bilder  N.  25.  —  Werke:  Allgemeines:  .Letzings 
Plagiate"  (Kleinigkeiten  —  Sars)  N.  27.  —  Theater  N.  28.  —  Einzelnes:  Sinngedichte.  Tarantnla  N.  33.  —  Henzi,  Sara 
N.  35.  —  Thomson,  .Sbakespeare  N.  38.  —  Fabel  N.  40.  —  Minna  v.  Bamhelm  N.  44.  —  Faust  N.  50.  —  Laokoon,  Archaeologie 
N.  61.  —  Haniburgische  Dramaturgie  N.  68.  -  Emilia  Galotti  N.  62.  —  WolfenbUtteler  Beiträge  N.  68.  —  Nathan  N.  73.  — 
Philosophie  N.  76.  — 

Lessing  eröffnet  die  Reihe  der  Klassiker,  die  Jahr  für  Jahr  eine  neue  papierene 
Mauer  uinschliesst.  Diese  Menge  zeigt  freilich,  wie  unnütz  immer  wieder  in  Artikeln 
und  Programmen  dasselbe  Stroh  gedroschen  wird,  und  der  Bericht  muss  gerade  hier 
energisch  bei  Seite  schieben,  was  durch  kein  Ergebnis,  keinen  Gedanken,  keinen  Reiz 
der  Form  ausgezeichnet  ist.  So  mancher  trägt  Beobachtungen,  Zweifel,  Einfälle  ohne 
Rücksicht  auf  die  zugänglichste  Litteratur  vor.  Zahlreiche  Schulausgaben  werden  mit 
ganz  unselbständiger  Büchermacherei ,  pädagogisch  und  litterarhistorisch  gleich  un- 
Ihichtbar,  an  der  Hand  landläufiger  „Erläuterungen",  d.  h.  öder  Paraphrasen  des  Dichter- 
wortes mit  ärmlichen  Fussnoten,  hergestellt  und  ofl  von  ernsteren  Arbeiten  Frankreichs, 
Englands,  Amerikas  beschämt.  Demgegenüber  hat  der  Referent  die  Pflicht  des  Schweigens 
nach  dem  Martp'ium  des  Lesens.  — 

Ausgaben.  Von  Munckers  i)  sorgsam  revidiertem  und  vermehrtem  Neudruck 
des  Lachmannschen  Lessing  sind  di-ei  weitere  Bände  erschienen.  Der  5.  hatte  die  Vor- 
rede zur  Voltaireübersetzung  nachzutragen  und  gemäss  dem  Vorgange  B.  A.  Wagners 
und  Boxbergers  die  Tageskritiken  seit  1752  reichliclier  auszubreiten,  wobei  denn  zweifel- 
liafte  Stücke  lieber  gebucht  als  weggelassen  wurden:  Naumanns  Nimrod,  Börners 
Wurmsamen,    Acoluthus'  Heinrich  VII.,    Chariton,  Gesners  Chrestomathie,  Anatomisch- 


Leipiig,  Baedeker.  VI,  271  S.  M.  4,60.  |[LCB1.  S.  1748;  F.  J.  Schmidt:  Gegenw.  40,  248/8,  264/6.]|  -  225«')  XX  P- 
de  Lagarde,  Deutsche  Schriften  Gesamtausg.  letzter  Hand.  2.  Abdr.  GötUngon,  Dieterich.  420  8.  M.  4,00.  —  225b)  XX 
C.  Gurlitt,  P.  de  Lagardes.  Dtsih  Schriften:  Gegenw.  40,  S.  386,'9.  -  226)  (I  8  :  59).  —  227)  W.  Busch,  Eduards  Traum_ 
München,  Bassenuann.    85  S.     M.  2,00.  — 

I)    G.  E.  Lessings    sHmtl.  .><chrif'teii      Her.    v.   K.  Lfchinaun.     3.,    auf«    neue   durchges.   u.  rermehrte  Aufl.     Her.  t. 
F.  Munoker.    Bd.  5-7.    Stuttgart,  Göschen.    .\1X,  456  S.,  IX,  448  S,  XV,  479  S.  je  M.  4,60.    ILErich  Schmidt:  ADA.  17, 


XV  7:  2-12.  Erich  Schmidt,  Lessing.     1890,  1891.  136 

chirurgisches    Lexikon,     Crusius'    geistliche    Abhandlungen,     Darnmanns    Judenpredigt, 
d'Argens'  Philosophie    du  bon-sens,    Abels    Halberstadt    u.  a.      Wir    billigen    die  Weit- 
herzigkeit, während  im  6.  Bande  (Theatralische  Bibliothek,  Vorrede  zu  Mylius,  Pope  ein 
Metaphysiker)  sich  starke  Bedenken    gegen  den  von  Lachmann  über  bloss  verdeutschte 
Abschnitte,  sowie  über  Auszüge    aus  Riccoboni    und  Dubos    verhängten    Bann    erheben 
und  M.  die  mehrmals  verlassenen  Schranken  des  Meisters    freier  hätte   sprengen   sollen, 
statt  die  verspätete  Erkenntnis,  die  abgedruckte  Analyse  der  Montianoschen  Virginia  sei 
wirklich   bloss  dem  Hermilly  entlehnt,    zu  bedauern.     Nur  äussere  Gründe    können    die 
Uebersetzungen    Lessings  insgesamt    ausschliessen.      Dass    offenbare    Nicolaische  Arbeit 
keinen  Eingang  finden  darf,  ist  klar.     Leichthin  hat  M.  sich  nirgends    entschieden    und 
in  der  Textbehandlung    auch    da    nur   in    ein    paar  Kleinigkeiten   geirrt,    wo  Lachmann 
recht  eilig  verfahren  war.     Beträchtlich  vermehrt  erscheint  der  7.  Band.    Ob  es  nun  die 
Vossischen  „Knaben  alle"  sind,  wird  auf  dem  unsicheren  Boden    kaum  endgiltig  festzu- 
stellen,   aber    mit    scharfer  Stilkritik    zu    fördern    sein,    unter  Beachtung    des   richtigen 
Winkes,    dass    der    führende  Berliner  Journalist  Schule  machte.     Bei    der    Nicolaischen 
„Bibliothek"    rechnet  M.    vorsichtig    mit    den    Kriterien  Danzels    und    Redlichs,    dessen 
Sorgfalt    weiterliin    dem    Logau    frommt    wie    Proschs    rühmliche  Ausgabe    den    Eabel- 
abhandlungen  am  Schlüsse.     Das  Vorwort  giebt  zwar  die  von  Redlich  erhärtete  Unecht- 
heit  des  Sinngedichts  1,49  (Leyding)  zu,    sucht  aber  diesen  Verlust   durch    den  Gewinn 
zweier  kleiner  Prosanummern  aus  denselben  Sammlungen  Gleimscher  Kriegslieder  wett- 
zumachen:   7,  114 — 116,  unglücklich,  wie  Schüddekopf  des  nähern  beweisen  wird;  denn 
die  Uebereinstimmung  mit  Lessing  entspringt  Plagiaten  des  Nachdruckers.     Sonst  zeigt 
gerade  dieser  Band  den  erheblichen  Vorsprung.    —    Daneben    laufen,    sauber  gedruckt, 
die  für  ein  grösseres  Publikum  bestimmten  Göschenschen  2-5)  ^ind  Cottaschen  ß)  Ausgaben 
fort.  —  An  die  ersten  sechs  Bände  Munckers  hat  Erich  Schmidt,  zugleich  auf  Sauers  gehalt- 
volle Anzeige  ZOG.    39,   S.  36    ff.    verweisend,    allgemeine    und    specielle  Bemerkungen 
geknüpft,  den  Mangel  genauer  Beschreibung  der  Hss.  und  knapper  Anführung  der  Quellen 
bloss  eingedeutschter  Nummern  betont,  Kompositionen  verzeichnet,    die  Bedeutung   der 
Voltaireübersetzung  hervorgehoben  und  die  Lachmannsche  Methode,    nur  eine  Auswahl 
hs.  Varianten    mitzuteilen,    bekämpft,    auch  nach   einem  Hinblick   auf   die  „Emilia"    die 
Mss.  der  „Matrone"  und  besonders  des  Nathanentwvirfs  nach  verglichen.  —  Muncker  '') 
selbst    giebt,    leider    ohne    nähere    Beschreibung    der  Blätter    und    ohne    erschöpfen    zu 
wollen,  hs.  Lesarten  zu  den  Prosaoden  an  Mäcen,  Orpheus,  Gleim,  Kleist;  soweit  ich  die 
teilweise  schwer  lesbaren  Breslauer  Papiere  kenne,   mit  scharfem  Auge.    —    Haltlos  ist 
Distels  8)  Versuch,  noch  ein  Meissner  Gelegenheitsgedicht   auszugraben    und    das    von 
.  den    adeligen  Inspektoren    nach    einem  Sturm   gegen  den  Oekonomen  Walter   (22.  Sept. 
1743)  eingesandte  Gnadengesuch  an  den  König  (12.  Nov.):    „Wie?  dürfen  wohl  vor  Dich 
auch  frecheKinder  treten",  dem  SekundanerLessing  zuzusclnreiben,  der  laut  Untersuchungs- 
bericht   im    Dresdener    Archiv    zu    der    Katzenmusik    mitgelaufen    war,    aber  nicht    ge- 
schrieen und  bombardiert  hatte.   —  Boxb erger  9)  hat  die  „Collectaneen",  den  pliilolo- 
gischen  Nachlass,  das  italienische  Tagebuch,  das  Projekt  „Leben  und  leben  lassen",  die 
„Selbstbetrachtungen"  usw.  mit  knappen  Fussnoten  ausgestattet  und  vor  der  Biographie 
(s.  u.  N.  13)  Berichtigungen  zu  den  früheren  Bänden  geliefert,    darunter  auch   ein  Eabel- 
register  und  eine  Anekdote  („Lossii  narrationes  jocosae")  a\is    den    Breslauer  Papieren. 
Wozu  S.  439  ein  Dillersches  Apokryphum?  — 

Zu  den  Briefen  sind  gekommen:  durch  Redlich^o)^  aus  Maltzahns  dunklem 
Nachlass  in  C.  R.  Lessings  Besitz  übergegangen,  die  Korrespondenz  mit  Jacobi 
revidiert  und  um  drei  Schreiben  Eriedrich  Heinrichs  (1.  Aug.,  23.  Juli,  28.  Nov.  1780) 
vermehrt  nebst  genauen  Erläuterungen,  ferner  ein  bescheidener  Brief  v.  Breitenbauchs 
(Bucha  10.  März  1764)  über  seine  poetischen  „conatus",  mit  knapper  Skizze  des  Lebens 
und  Dichtens  und  Abdruck  einiger  Verse  auf  Lessing  aus  den  „Bukolischen  Erzälüungen  " ; 
durch  Erich  Schmidt^i):  Lessings  Bücherbestellung  an  J.  A.  H.  Reimarus  22.  Aug.  1769, 
Gleim  an  Lessing  28.  Dez.  1777  mit  Auszügen  aus  anderen  Gleimbriefen,  auf  Lessing  bezügliche 
Blätter  Leisters,  Kästners,  Jerusalems,  ein  interessantes  Schreiben  Goezes  über  sein 
Theaterbuch;  durch  F.  Wilhelm^^);  Ebert  an  Lessing  15.  Dez.  1770  (Bodes  Verlangen 
nach  Beiträgen  zum  „Wandsbecker  Bothen";  über  Ramler,  dem  Lessing  deshalb  den 
Brief  schickte).  — 


S.  136— 46.]  j  —  2)  id.,  Werke  mit  e.  Auswahl  aus  s.  Briefen  n.  e.  Skizzo  s.  Lebens.  Her.  v.  Goedeke -Muncker.  12  Bde. 
Stuttgart,  Gösc.lion.  geb.  M.  26,00.  —  3)  id.,  Werke  gos.  in  6  Bdn.  ebdii,  M.  6,00.  -  4)  id.,  Ausgew.  Worke.  2  Tle.  in  1  Bd.  ebda. 
M.  1,80.  —  5)  id..  Poetische  Schriften.  2  Bde.  ebda.  M.  2,fc0.  —  6)  id.,  Ausgew.  Werke  in  6  Bde.  2-3.  —  Cottasche  Volks- 
bibl.  15  u.  24.  Stuttgart,  C'ottaNachf.  255,  194  S.  je  M.  0,80.  —  7)  F.  Muncker,  Lessingischo  OdenentwUrfe  in  d.hs.  Uoborlieferung: 
Bomanische  Forscliungon  5.  Bd.  Festschrift  fUr  Koorad  Hofmann  z.  70.  (ieburtstage.  S.  280/4.  —  8)  Th.  Distel,  Gedicht  aus 
Lessings  Seknndancrzeit.  E.  Gedonkblatt  z.  Wiederkehr  d.  150.  Jahrestages  s.  Eintritts  in  d.  FUrstenschnle  zu  Moisscn 
21.  .luni  1741.  Pirna,  Eberlein.  4«.  4  S.  —  9)  R.  Boxberger,  Lessings  Werke.  14.  Tl.  Les.sings  Nachl.  2.  Tl.  Stuttgart, 
Union.  672  S.  M.  2,50.  —  10)  C.  Redlich,  Briefe  v.  u.  an  Lessing  aus  W.  Maltzahns  Nachlass:  VZg«.  N.  273.  —  II) 
E.  Schmidt,  Lessingiana;  VLG.  4,  S.  263-81.    —    12)   Fr iedr.  Wilhelm,   Briefe   an   K.  W.  Ramlor:    VLG.  4.    S.  226—263. 


137  Erich  Schmidt,  Lessing.     1890,  1891.  IV  7:  is-2i. 

Löl)cii.  Buxbergers'-^)  Biogi-aphio,  z.  T.  in  engem  AnschluKS  an  die  von 
ihm  besorgte  zw^^ite  Auflage  des  Danzelschen  Werkes,  mit  einem  seitenlangen  Vergleich 
zwischen  Lessing  und  Sokrates  eröffiiet,  strebt  nicht  nach  neuen  Gesichtspunkten  und 
geht  von  sachlichen  Daten  und  Auszügen  zu  gern  in  begeisterte  Deklamation  über,  die 
z.  B.  den  Berliner  Lessing  zum  deutschnationalen  Franzosenfeind  macht  und  die  Bedeu- 
tung Voltaires  ganz  in  den  Wind  schlügt.  F.  H.  Jacobi  von  einem  unermüdlichen 
Litterarhistoriker  S.  15')  zu  den  „untergeordneten  Geistern"  gerechnet  zu  sehen,  muss 
ebenso  befremden,  wie  dass  Moses  ohne  Lessing  eine  Null  (S.  522)  geblieben  wäre,  der 
„allein  poetisch  ebenbürtige"  Kleist  aber  mit  Lessing  „sein  Jahrhundert  in  die  Schranken 
gefordert"  hätte  (S.  544).  Der  Zeit  bis  17')')  sind  einige  (Jü,  den  Jahren  1755 — 1'<81 
nur  40  Seiton  gewidmet.  Ausser  Portiaitholzschnitten  ist  ein  Faksimile  des  Briefes  an 
Eschonburg  vom  81.  Dez.  1778  beigegeben.  —  Hoogstraten'*)  als  holländischer  Partei- 
gänger der  Hatfner  inid  Baumgartner  protestiert  gegen  üpzoomers  Aufschrift  „Leasing» 
(ie  Vriend  der  Waarheid"  und  will  sich,  „om  Lessing  onpartijdig  te  beoordeelen,  op  een 
zeer  hoog  standpunt  plaatsen:  Dat  standpunt  is  alleen  te  vinden  in  de  katholische  kerk", 
wonach  denn  li.,  der  Schüler  Bayles  und  Voltaires,  im  Gegensatz  zu  Leibniz  als  Revo- 
lutionär und  Freibeuter,  als  Trinker  „uit  den  giftbeker  des  ongeloofs",  der  „Nathan"  als 
Freimaureridol  erscheint  und  die  bewundernden  Analysen  des  „Laokoon",  der  „Dramaturgie" 
doch  in  eine  Verdammung  des  Glaubenslosen  umgebogen  werden:  „de  positieve  gods- 
dienstleer  des  ciiristendonis  was  heni  een  dwaasheid",  deshalb  war  sein  Schönheitsideal 
eitel,  seine  Aesthetik  ohne  „hersclieppende  kracht".  —  In  der  neuen  Auflage 
von  GoedekeslS)  Grundriss  ist  die  Lessinglitteratur  ungemein  vermehrt  worden;  man  spürt 
überall  den  kundigen  Revisor,  dessen  Anordnung  freilich  manchmal  etwas  Zufälliges  hat 
und  die  Benutzung,  abgesehen  von  unvermeidlichen  Lücken  oder  ein  paar  überflüssigen 
Nimnnern,  erschwert.  —  Den  Vater  will  van  Hoffsi^)  auf  Grund  kleiner  Danzelscher  Citate 
zum  Sprachreiniger  stempeln.  —  Einen  die  grosse  Reise  betreffenden  Brief  von  Mylius  an 
Hallor  (Berlin  2(5.  Sept.  1752)  teilt  L.  Geiger''')  mit.  —  Auf  des  jungen  Wieland  Verhältnis 
zu  Lessing  wii'ft  Hirzel'8)  neue  Streiilichter:  S.  38,  132,  141  Litteraturbriefe  und 
Philotas,  S.  74  „Grandison  in  Görlitz"  von  Bodmer  (vgl.  überhaupt  Bächtolds  Schweize- 
rische Littcraturgesdiichte),  S.  108  ff.,  201  ff.  die  Berliner  Preisaufgabe  über  Pope: 
Künzli  bewirbt  sich  vergebens,  Reinlxard  siegt;  Bericht  über  den  ganzen  Verlauf.  — 
Rahbeks  Anekdote  von  Klingers  Zusammentreffen  mit  Lessing  in  Wolfenbüttel  wieder- 
holt Minor'^).  —  Den  Bibliothekar  K.  v.  Cichin  und  seine  Geldnöte  zeichnet 
0.  V.  Heinemann20).  —  Gegen  eine  Stelle  dieser  Abhandlung  beweist  Riegel-^),  dass 
durch  Lessing,  dem  Heinemann  einen  Verstoss  gegen  seine  Amtspflicht  aufgebürdet  habe, 
Stiche  und  Handzeiclniungen  nicht  eigenwillig,  sondern  auf  herzoglichen  Befehl  nach 
Braunschweig  ausgeliefert  worden  seien. — Darauf  stellt  von  Heinemann^-)  sein  Urteil 
klar  und  zeigt  die  Unvereinbarkeit  des  Befehls  mit  Bestimmungen  im  Testament  Augusts 
d.  J.  —  Des  kurpfälzischen  Kabinetsekretärs  v.  Stengel  Bericht  über  Lessing  in  Mann- 
heim und  Heidelberg,  über  Hompesch  (Maler  Müller,  Morgenblatt  1820,  N.  48 — 50), 
über  Pater  Franks  Wühlerei  gegen  den  hochfahrenden  Eindringling,  über  freie  Station 
und  Reise,  Geldgeschenk,  Goldmedaillen  hat  Heigel^s)  nach  dem  ersten  Abdruck  in 
der  Zeitschrift  für  allgemeine  Geschiclite  1887,  Nr.  fi  f  wiederholt  (E.  Schmidt  2,  S.  803).  — 
Hübsche  Mitteilungen  v.  Dörings  an  Gökingk  über  den  Verkehr  mit  Lessing,  die  Arbeit  am 
„Nathan",  die  Andeutung  eines  mit  Goeze  verwandten  Patriarchen,  die  Krankheit  beschert 
L.  Geiger24).  _ 

Zu  den  Bildern  kam  eine  Silhouette,  im  Stammbuch  M.  L.  Rodowes  unter 
Terenzversen  (Leipzig  20.  Febr.  1775)  nachgetragen:  sie  wurde  1890  von  Herrn  Kil. 
Steiner  in  Stuttgart  ei-worben.  —  Das  Marmordenkmal  von  dem  Urgrossneffen  Otto 
Lessing  mit  bronzenen  Genien,  den  Medaillons  Kleists,  Mendelssohns,  Nicolais,  wurde 
im  Berliner  Tiergarten  am  14.  October  185K)  eingeweiht  und  gab  zu  zahlreichen  Artikeln 
Anlass-^).     Die  Festrede  hielt  Erich  Schmidts«).  — 

Werke.  Allgemeines:  Lessing  als  dem  Meisterdieb  und  Erzplagiarius  aller 
Zeiten  ein  Schandmal  zu  emchten,  unternahm  der  Anatom  Prof.  Dr.  med.  et  phil. 
Albrecht 27)  in  einem  riesig  angelegten  aber  schon  1891  abgebrochenen,    sehr  spendid 


(Darin  «rief  an  Lessing  S.  260/3.)  -  13)  (S.  o.  N.  9.)  -  14)  P.  F.  Tli.  T»n  Hogstraaten,  Ord.  Praed.,  Studien  en  Kritiken 
Eorste  Doel.  Nijmegen.  Malmbug.  („Leasing"  S.  188—276.)  —  15)  (IV  1:1,  S.  129^54.)  —  16)  F.  T»n  Hoffs: 
ZADSprV.  5,  S.  129.  -  17)  (JI  5:21.)  -  18)  (IV  3:30.)  —  19)  J.  Minor:  Aus  d.  SchillerarchiT  (1890  IV  12:2.  .s.  36).  — 
20)  0.  V.  Heinemann,  Les.^ings  Amtsgenosse  in  WolfenbUttel :  Gronib.  49.11.  S.  252—67.  —  21)  H.  Riegel.  Lessing,  die 
WolfenbUttler  Bibliothek  u.  d.  Mu.seum  in  Braunschweig:  VZgS.  1390,  N.  42.  —  22)  0.  t.  Heinemann:  ib.  N.  4."».  —  28)  K. 
Th.  Ueigel,  Quellen  u.  Abhandlungen  z.  neueren  Gesch.  Bayerns,  NF.  München,  Rieger.  1890.  424  S.  M.  10.00.  (S.  341t) 
—  24)  L.  Geiger,  E.  WolfenbUttler  Genosse  Les.«ings:  FZg.  1890,  N.  324.  —  25)  Ueber  d.  Denkmal:  L.  Pietsch:  VZg. 
14.  Okt.  1890;  AZg.  N.  288;  C.  Gurlitt:  Gogenw.  N.  43;  lUZg.  N.  2470;  ÜUj-M.  65,  N.  6;  P.  Schienthor:  VZg.  N.  41;  C. 
Bössler:  Post  N.  283f.;  F.  Mauthnor:  Deutschland  2,  S.  55;  Grenib.  49,  IV;  FrB.  1,  S.  1017.  —  26)  K.  Schmidt.  Fest- 
rede z.  Enthüllung  d.  Lessingdenkinals  zu  Berlin:  VZg.  u.  KZg.  14.  Okt  1890,  (Auch  separat  4  S.)  —  27)  P.  Albrecht. 
Leszings  Plagiate.     Selbstverlag  Hamburg  u.  Leipzig.      1890  f.    1— VI    l»:   S.  144—2494   (fehlt  Vorwort    u.   Heft   IV  3>),  jed«s 


IV  7:  27.  Erich  Schmidt,  Lessing.     1890,  1891.  138 

gedruckten  Werk,  das  links  mit  ungeheuren  Spatien  die  Plagiate,  rechts  die  Plagiomena 
und  ihre  Sippen  (auch  Faksimiles  —  wozvi  S.  192  aus  B.  Mencke?)  vorführt;  die  unei'hörte 
Ausgeburt  einer  erstaunlich  belesenen,  schwer  gelehrten  Monomanie.  Die  Forschimg  soll 
weder  lachen  noch  zürnen,  sondern  den  Wust  siebend  von  dem  furchtbaren  Lessingo- 
mastix  zu  lernen  suchen.  Es  wäre  auch  trotz  alledem  schade,  wenn  die  übrigen  Sammel- 
haufen für  immer  unterdrückt  blieben  und  keine  Hand  Spreu  und  Körner  darin  sonderte. 
A.,  an  dessen  wunderliche  Griechheit  man  sich  gewöhnen  muss,  scheidet  zwa,r  Ortho- 
plagiat,  Stenoplagiat,  dikrenisches  Plagiat,  Euryplagiat  usw.,  macht  aber  nicht  den  ge- 
ringsten Unterschied  zwischen  Gleichheit,  freier  Anlehnung,  blossem  Anklang,  zwischen 
bewusster  \ind  unbewusster  Erinnerimg.  Ihm  ist  Motivgeschichte,  zu  der  Lessings  oft 
musivische  Arbeitsweise  auffordert,  nur  ein  Arsenal  gegen  den  aller  „autokephalen" 
Gedanken  baren  Stehler,  den  Slaven  und  Juden  (S.  567),  den  Bestochenen  der  Amster- 
damer Hebräer.  Er  fragt  sich  nicht,  welch  ein  Meister  der  Kombination  der  sein  müsste, 
der  aus  ein  paar  hundert  verschiedenartigster  Fetzen  und  Fäden  ein  Gewand  wie  „Minna 
von  Barnhehn"  weben  könnte,  sondern  berechnet  im  Prospekte,  dass  „Minna"  aus  319, 
„Sara"  aus  436,  „Emilia"  aus  499,  „Nathan"  aus  340  Diebstählen  zusammengestoppelt 
sei.  Der  „Furtimagister"  war  nach  ihm  Weisse,  beutete  aber  als  der  Langsame  den 
gemeinsamen  Hamsterbau,  das  [xvoUvov  später  aus.  Der  Eest  des  Leipziger  Diebs- 
magazins liege  in  den,  allerdings  durchweg  geborgten,  „Comischen  Einfälle  nund  Zügen" 
vor.  Die  Einleitung  ist  nicht  erschienen.  So  muss  der  Leser  zunächst  selbst  prüfen, 
Mdeviel  für  die  naturgemäss  ergiebigsten  Epigramme  Haug  und  Genossen  vorgearbeitet 
liaben.  Die  Ueberfülle  der  Parallelen  bestätigt  nur,  dass  die  antike  Erbschaft  und  die 
ihrerseits  sehr  abhängige  Produktion  seit  der  Renaissance  ein  Gemeingut  war  und  dass 
bei  Lessing  alle  Grade  der  Aneignung  vom  treuen  Dolmetschen  bis  zur  freiesten,  oft 
geistreichen  Fortbildung  vertreten  sind,  A.,  den  wir  für  die  Dramen  genauer  ausbeuten 
wollen,  hat  nichts  von  Haug  unbesehen  angenommen:  z.  B.  nicht  Jacob,  sondern 
Stephanus  Paschasius  (Pasquier)  ist  der  Gewährsmann  des  „Avar".  Zum  „Fell"  citiert 
er  die  gi'ichische  Anthologie,  12  Neulateiner,  2  Franzosen;  zu  ,,Im  Essen  bist  du  schnell" 
die  Anthologie,  10  Lateiner,  1  Franzosen;  zur  ,,Galathee"  die  Anthologie  und  10  Lateiner. 
Epigrammatiker  wie  N.  Grudius  treten  hervor.  Die  Menagiana  werden  ausgebeutet. 
Plutarch  und  J.  B.  Rousseau,  Shakespeare  (so  früh  gewiss  unmöglich)  und  Haller  (S.  133 
,, Alexander"),  die  Bibel  —  der  hebräische  Text,  die  Septuaginta,  die  Vulgata  und  Luther 
werden  nacheinander  citiert  —  und  Hagedorn  müssen  herhalten.  A.  verschmäht  das 
formal  und  inhaltlich  Entfernteste  nicht,  wie  z.  B.  das  Plagiomenon  zur  ,, Beate"  oder 
gar  S.  371  die  Devise  „Tout  perdu  fors  l'honneur"  als  im  „Verlust"  bestohlen  lehrt. 
Zum  „Taback"  8  beliebige  Tabackcarmina;  zu  den  8  Zeilen  ,, Paradies"  6  Seiten  du 
Cerceau  und  5  Seiten  Hagedorn  ohne  jede  nähere  Beziehung;  ziim  „Niklas"  ausser  den 
]iaar  von  M.  Bernays  als  unmittelbare  Quelle  entdeckten  französischen  Reimen  3  Seiten 
H.  Bebel,  H.  Sachs,  Frey,  wie  denn  die  Frage,  was  das  eigentliche  Plagiomenon  sei, 
trotz  der  Leidenschaft  für  Stammbäume  oft  gar  nicht  gestellt  wird.  Das  Lied  „Phillis" 
(im  Drama  „Vor  diesem"  auch  bei  Weisse)  ist  wörtlich  der  Mlle.  Bernard  entlehnt. 
Ä.  macht  Lessings  Vertrautheit  mit  Vergiers  „Parodies  Bachiques"  wahrscheinlich.  Wer 
zum  übersetzten  ,, Orpheus"  7  S.  fremde  Texte  zuviel  findet,  wird  sich  die  15  zu  „Dem 
über  uns"  als  Beitrag  zur  vergleichenden  Litteraturgeschichte  eher  gefallen  lassen  und 
gern  Lessings  Schwanke  bequem  neben  Poggio,  H.  Bebel,  N.  Frischlin,  Kirchhof  lesen; 
so  zum  ,, Eremiten"  —  der  „Messferkelei"!  —  Poggio  (schon  von  R.  M.  Meyer  nach- 
gewiesen) und  d'Argens  (bereits  bei  Danzel),  zur  ,, Brille"  einen  Scherz  der  Menagiana.  — 
Die  Prosafabeln  wuchern  mit  altüberliefertem  Pfunde;  wie  geistreich,  manchmal  wie 
innig,  das  müssen  wir  uns  selbst  sagen.  A.  behandelt  nur  eine  Auswahl  und  stellt  etwa 
zu  den  ,, Furien"  ausser  dem  Lemma  des  Suidas  eine  schwerlich  irgendwie  benutzte 
Stelle  der  „Foire  St.  Germain"  des  Theätre  Italien.  —  Unergiebig  ist  die  Musterung  der 
Lehrgedichte,  denn  die  langen  Stellen  der  „Religion"  L.  Racines  liefern  nur  leise  An- 
klänge, und  bei  ähnlichem  Aufl)au  ist  der  Rückblick  auf  die  Kindheit,  die  Selbstprüfung 
ganz  anders  behandelt.  —  S.  582  beginnt  mit  dem  „Jungen  Gelehrten"  die  Zerfaserung 
der  Dramen  gemäss  dem  Leitfaden  der  Werke,  so  dass  „Dämon",  „Die  alte  Jungfer", 
die  Bruchstücke  fehlen.  Voran  immer  ein  oder  mehrere  Plagiatschemata.  Einen  Teil 
der  krausen  Terminologie  (Erodramen  mit  heterosexuellem  Hauptpaar  usw.)  muss  man 
sich  einprägen:  Egli  (Prinz),  Ella  (Emilia),  Paregli  (Appiani),  Parella  (Orsina),  Hypegli 
(Werner),  Hypeila  (Franziska).  Auf  Titelplagiat  und  Personenplagiate  —  die  genealo- 
logische  Wichtigkeit  der  Lessingschen  Namen  ist  ja  seit  Danzel  geläufig  —  folgen  die 
Textplagiate,  wobei  dem  Dieb  auch  ein  „Hören  Sie"  oder  ein  „Exit"  nicht  geschenkt 
wird.  A.  ignoriert,  ob  L.  dies  oder  das  überhaupt  kennen  konnte,  z.  B.  Marlowes  Faustus 
(S.  ()75  mit  einem  Seitenblick  auf  ,,von  Goethes"  Diebstahl  und  der,  nicht  ganz  neuen, 
Etymologie  fifjnföifikog:  Freund  des  S02-Schwefligsäureanhydringottes).  Es  giebt  keinen 
Unterschied    zwischen    Dieberei    und    behender    Nachbildung    französischer    Gesprächs- 


\:\9  Erich  Schmidt,  Lessing.     1890,  1891.  IV  7:27. 

tecluiiU;  ja  die  flüchtigste  Aiial«)^it3,  »las  <^»Miifiiistt)  ,,'J'licHtiüktema",  der  Anklang  1.1  an 
(>in(!  physiologische  Beiuerkniig  von  Mylius  wird  ebenso  streng  gebucht  wie  das  au8 
Holbergs  Betrogenem  alten  Freyer  (\bernominene  Latein ,  die  wörtliche  Uebersetzung 
H,!')  zweier  Sätze  des  Destoiiches  in  einer  überhaupt  dem  Envieux  nachgeahmten  Sceiie. 
Unbestreitbar  gehört  A.,  der  seinen  Lessing  auswendig  weiss,  das  Verdienst,  den  Irre- 
solu,  Envieux,  auch  Ligrat,  den  Erasmus  Montanus  u.  a.,  dazu  Plautinisches,  einiges 
bei  Moliero  und  im  Th^Atre  Italien  als  vorbildlich  oder  verwandt  erwiesen  und 
sclilagondo  Parallelen  (z.  B.  S.  719  zur  Wahl:  Mönch  oder  Ehemann)  beigebracht  zu 
haben.  S.  .")89 — G-'i;')  ein  langer,  nicht  unfruchtbarer  Excurs  über  Holbergs  „Plagiat«", 
wobei  auch  für  Weisse  einiges  abfallt.  Li  den  ,, Juden",  einem  ,,/9di/*trihypomimi8chen 
p]r6drama",  sollen  Gandinis  „Boh^miens"  geplündert  sein,  die,  wenn  damals  zugänglich 
nur  eine  leichte  Anregung  liefern  konnten.  In  dies  „Generalplagium"  seien  Einzel- 
motive eingeschmuggelt,  von  denen  nur  folgende  beachtenswert  scheinen:  dsw  Gauner- 
])aar  in  Holbergs  „Arabischem  Pulver":  die  Dialogtechnik  oder  Redefigur  Sc.  2,  vgl. 
„Bourgeois  gentilhomme"  3,19;  das  Epigramm  Sc.  10  „Lustspiele  zum  Weinen,  Trauer- 
s})ielo  zum  Lachen"  nach  Regnard  und  J.  B.  Rousseau;  der  Spass  Sc.  11  vom  Fechten 
mit  silbernen  Dosen,  vgl.  Mostellaria  3,1. —  „Der  Misogyne"  sei  plagiiert  aus  La  Mott«: 
L'amante  difficile,  St.  Foix:  La  Veuve  ä  la  raode,  Molieres  Avare,  Misantrope,  Malade 
imaginaire,  Regnards  Vendanges,  Schlegels  ..Geheimnisvollem"  und  „Triumph"  (daher  — 
der  Chronologie  zum  Trotz  —  Hilaria  in  Mannskleidern;  aber  „unter  dem  Namen  Lelio" 
aus  Le  [)rince  travesti  von  Marivaux).  1,2  „eine  Frau  .  .  .  ein  nothwendiges  Uebel"  aus 
Menander;  1,5  die  Geschwister  sind  nur  nach  der  Tracht  unterscheidbar,  vgl.  die  „Ca- 
landra";  2,5  Solbists  Steckenbleiben,  vgl.  Diafoirus  im  Malade  imaginaire  2,7.  S.  984  ff.  (dazu 
S.  993  t^itat  aus  der  Megere  amoureuse)  findet  man  Abbildungen  aus  neuen  illustrierten 
Ausgaben  und  dagegen  aus  dem  Theätre  italien  zum  Beweis,  dass  der  „Hermaphroditoid" 
3,9  auf  der  einen  Seite  männlich,  der  anderen  weiblich  gekleidet  sein  müsse,  nicht  mit 
einem  Mischkostüm.  —  „Der  Freygeist":  2,1  und  5,4  Beide  Teile  haben  Recht,  vgl. 
Poggio  110  (Bourgeois  gentilhomme  1,2,  Der  politische  Kannegiesser  5,3);  2,4  Bedienten 
die  Affen  der  Herren,  vgl.  Schlegels  „Geheimnisvollen"  2,2,  darunter  zu  dummen  Worten 
Martins  2,5  über  höllische  Atheisten  ein  langes  Dantecitat!  aber  S.  1053  findet  Martins 
Bild  vom  Wechselbalg  eine  frappante  Parallele  bei  Tertullian  De  haereticis  —  deshalb 
müsse  Lessings  Uebersetzung  vor  17.55  entstanden  sein;  2,5  Bekkers  Bezauberte  W^elt, 
vgl.  nicht  eine,  sondern  2  Stellen  Holbergs  bezw.  4,  da  A.  stets  den  Urtext  und  die 
alte  l^ebersetzung  zitiert;  5,6  Geständnis  der  Mittellosigkeit,  vgl.  du  Freny  Le  faux 
sincere  4,2. —  „Der  Schatz":  nicht  einmal,  wo  er  nur  Bearbeiter  sein  will,  darf  Lessing 
für  etwas  anderes  gelten  als  einen  „für"  und  „trifur"  am  Plautus.  Immerhin  ist  der 
Paralleldruck  bequem  und  Irrtlimliches  bisheriger  Forschung  verbessert,  Lückenhaftes 
ergänzt  worden;  mindestens  zu  erwägen,  was  A.  für  die  von  Lessing  geleugnete  Ver- 
trautheit mit  Destouches'  Tresor  cache  vorbringt,  und  unter  den  schwachen  Argumenten 
für  die  „Dote"  des  Cecchi  der  Name  Camilla  zu  beachten.  Sc.  11  Ri])s  Raps,  vgl.  Die- 
derich  Menschenschröck  7  (Weisses  „Projektmacher";  „Wo  Lessing  stiehlt,  stiehlt  auch 
Weisse":  „par  nobile  furum");  Sc.  9  vgl.  Lessings  Excerpt  „Octave-Peter"  aus  dem 
Theätre  italien  in  den  „Comischen  Einfällen";  Sc.  15  f.  vgl.  Fourberies  de  Scapin  3,11 
und  Holbergs  „Masqueraden"  3,3  u.  18  (12);  Sc.  17  zur  komischen  Retardation  vgl. 
auch  L'amour  medecin  1,6.  S.  1229  wird  ein  Felder  in  der  a\is  dem  „Arlequin  misan- 
trope" übersetzten  Nummer  der  „Comischen  Einfälle"  III  angemerkt.  —  Zur  „Minna 
von  Barnhelm"  sei  aus  den  ungeheuren  Anklageakten,  ohne  Rücksicht  auf  die  haar- 
sträubende Verknüpfung  der  Namen  mit  den  englischen  Orten  Barn-Elms  (einem  „Huren- 
winkel") und  Telham,  ohne  Rücksicht  auch  auf  allerlei  gewiss  rein  zufallige,  doch 
fesselnde  Aehnlichkeiten,  folgendes  als  neuer,  mindestens  diskutabler  Erti'ag  verzeichnet: 
(S,  1273  über  K.  G.  Lessings  „Wildfang");  S.  1278  ff.  die  scenische  Einrichtung  der 
„Ecossaise"  Voltaires  (so  sei  ,.Emilia  Galotti"  nur  Diebsvariante  des  „Droit  du  seig- 
neur");  Liebesprobe  d\u-ch  Vorspiegelung  von  Enterbung  (S.  16.33)  und  Armut  (S.  1640) 
iu\d  eine  Ringchicane"  (S.  1717  und  1758)  vgl.  La  Motte  L'amante  difficile  (S.  1725 
Weisse,  Grossmuth  für  Grossmuth);  eine  Liste  komischer  Spieler  S.  1285  und  die  Bildung 
des  offenbar  nur  angemassten  Adelsprädikates  nach  Crispin  de  la  Crispiniere,  Arlequin 
Seigneur  de  TArlequiniere  im  „Tresor"  des  Destouches:  S.  1318  ff.  Data  für  den  von 
Haus  aus  adeligen,  1750  als  östeiTeichischer  Rittmeister  in  preussische  Dienste  tiber- 
getretenen Paul  v.  Werner,  mit  Portrait;  zur  Marloffscene  vgl.  Gellerts  Armen  Schiffer 
(Löwen,  Ich  habe  es  beschlossen  3,3)  und  das  Zerreissen  des  Wechsels  in  der  Schwe- 
dischen Gräfin  4,  S.  385:  1,8  „für  seinen  Hemi  betteln  und  stehlen"  vgl.  Wycherlej'  Plaiu- 
dealer  3,1  „for  at  worst,  I  could  beg  or  steal  for  you"  in  ganz  ähnlicher  Situation:  nach 
S.  1427  hatte  auch  Kleist  „eine  chronische  traiunatische  Parese  des  rechten  Ai-mes'* 
(Minnas  Scherz  über  die  Blessur  soll  auf  des  N.  Ragot  de  Grandval  zotige  „Agate" 
zielen!);    1,12    „verti'inken,    verspielen,    ver— "    vgl.    Quistorp    Der   Hypochoudrist    5,3, 


IV  7:  28-29.  Erich  Schmidt,  Lessing.     1890,  1891,  140 

Lessing  an  Ebei-t  7.  Mai  1770;  1,12  ,, Packknecht  .  .  nicht  Soldat"  vgl.  Xenophon  Kyropädie 
IV  2,25  a?  (f  TovTo  nouoi'  ovxiT  fa'r,Q  ianu,  aXkcc  axtvo(f>ÖQog ;  2,2  zur  Ringgeschi eilte  Vgl. 
auch  Regnard  Joueur  5,6;  2,0  und  3,1  f.  ,, Schwester"  vgl.  das  Spiel  mit  ,,cousin"  in 
Farquhars  Constant  couple  IL  V.,  aus  dem  viel  von  früheren  Torschern  Verglichenes 
gleich  Scenen  Goldonis,  Regnards  umständlich  abgedruckt  ist;  2,9  ,,Ich  wüsste  auch 
nicht,  was  mir  an  einem  Soldaten  nach  dem  Prahlen  weniger  gefiele  als  das  Klagen" 
vgl,  Otway  The  soldier's  fortune  4,1  ,,I  would  as  soon  choose  to  hear  a  soldier  brag, 
as  complain";  3,2  die  Anrede  ,, Jungfer"  vgl.  Lazarillo  de  Tormes  2,  Kap.  9,  Holbergs 
Bramarbas  3,10;  —  S.  1648 — 1711  betreffen  nur  die  Riccautscene  und  geben  Brauch- 
bares für  die  allgemehie  Geschichte  der  Motive,  aber  u.  a.  ellenlange  Citate  aus  Trömer; 
,,8ang  royal"  vgl,  Mrs.  Centlivre  The  gamester  3,1  ,, Royal  blood"  (ebenda  IV  ,,I  must 
home  for  Recruits  too");  Diderot  Les  bijoux  indiscrets  1,  Kap.  6  „J'ai  joue  d'un  guignon 
qui  n'a  point  d'exemple";  Franziskas  Vorwürfe  nach  dem  Abgang  Riccauts  vgl.  Lesage, 
Turcaret  1,2  f.; —  S.  1737  über  den  Dragonermajor  Anton  Rvidolf  Marschall  von  Bieber- 
stein  (Citat  aus  Neumanns  Geschichte  Lübbens  1,143);  4,(5  ,,Ich  liebte  Sie  iim  dieser 
That  willen  .  .  .  Mohr  von  Venedig"  vgl.  Othello  1,3.  —  Vom  Heft  IV  3  fehlt  der 
Mitteltheil,  der  die  Einleitung  zur  „Miss  Sara  Sampson"  bringen  soll.  Wir  müssen  uns 
mit  S.  1871 — 2494  begnügen!  Kein  Wunder,  da  alle  erreichbaren  älteren  Medeastücke 
eingeschlachtet  sind.  Gar  manches  in  diesen  Excerpten  ist  anregend,  wenn  auch  nicht 
für  „Leszings  Plagiate" ;  bequem  die  freilich  masslosen  Abdrücke  aus  den  von  Danzel 
und  mir  gemusterten  Engländern  und  darüber  hinaus.  A.  zeigt,  dass  nicht  bloss  die 
Namen  Norton,  Betty,  Arabella  usw.,  sondern  auch  Beiford,  4,8  Dorkas,  Moor  von 
Richardson  stammen.  1,2  der  zweideutige  Wirt  will  sein  Haus  nicht  „in  einen  übeln 
Ruf  bringen"  lassen,  vgl.  die  Sinclair  und  die  Rowlands  in  der  Clarissa  (den  Triks  in 
Weisses  Amalia);  1,5  „die  erste  Thräne"  vgl.  Zaire  5,8;  1,5  „Verzögerung  einer  Cere- 
monie"  vgl.  Clarissa  Letter  III  56  ,,postpones  that  ceremony";  1,7  Travim  vgl.  Clarissa 
II  39  (Crisp,  Virginia  S.  26);  1,7  Reflexionen  über  die  Ehe  vgl,  Clarissa  VI  11,  55,  57, 
82  u.  ö.;  1,9  vgl.  Congreve  The  way  of  the  world  4,15  ,,the  superscription  is  like  a 
woman's  band  ,  .  .  By  heaven!  Mrs,  Marwood's";  2,1  vgl.  Medea  776  f^okövTt  d'ahrip 
fxakd^axovg  Af'^w  Uyovc;  2,3  „das  schöne  Landmädchen"  vgl.  die  häufige  Bezeichnung 
,,country  girl"  dgl,  bei  Richardson;  2,3  ,,Ich  will  Sie  an  den  ersten  Tag"  .  .  .  vgl.  The 
way  of  the  world  4,12;  2,6  „die  Schande  ihres  Geschlechts"  vgl.  Lillo  IV  „the  scandal 
of  her  own  sex";  2,7  keine  Erinnerung  mehr  an  Unschuld  vgl.  Beaumont  und  Eletcher 
The  maid  in  the  mill  5,2,  Steele  The -funeral  5,1;  2,7  der  Teufel  als  Verführer  luid  An- 
kläger vgl.  Hill  The  fatal  extravagance  1,  S.  303,  Lillo  IV  ,,The  worst"  etc.;  2,7  „Ich 
will  es  nicht  gestorben  sehen;  sterben  will  ich  es  sehen"  vgl.  Seneca,  Thyestes  V  907 
miserum  videre  nolo,  sed  dum  fit  miser  (Theatral.  Bibl.);  2,7  „jeden  ähnlichen  Zug" 
vgl.  Corneille  Medee  3,3,  Ch.  Johnson  Medaea  4,1;  2,7  zu  der  Rachevision  wird  ausser 
gleichgiltigen  Flüchen  bei  Otway  und  Banks  gut  die  Hamburgische  Dramaturgie  Stück  46 
citiert;  2,7  Entwaffnung  vgl.  Lillo  IV  Millwoods  Pistole,  Grandison  IV  24  Olivias  Dolch; 
2,8  und  4,6  Abreise  am  nächsten  Morgen  vgl.  Euripides  338  ff.  Seneca  285  ff.  u.  a. ; 
2,8  (4,6)  Verwandtenbesuch  vgl.  Lovelace,  der  frühere  Maitressen  als  Tante  und  Base 
einführen  will,  Clarissa  Letter  V  30  VI  45  f. ;  2,8  „dass  unsere  Kräfte  nicht  so  gross  sind, 
als  unsere  Wut"  vgl.  Scarron,  Jodelet  duelliste  1,3  ,,que  n'ay-je  de  la  force  au  gre  de 
ma  furie;  3,3  vgl.  Ch.  Johnson,  Caelia  3,1;  4,3  Furcht,  Abreise  der  Feindin  vgl,  Cor- 
neille, Medee  4,2;  4,4  „anständiges  Auskommen"  vgl,  Euripides  461  f.;  4,8  Marwoods 
Erzählung  über  Mellefont  vor  Sara  vgl,  Mrs,  Termagants  Erzählung  über  Beifond  vor 
Isabella:  Shadwell  The  squire  of  Alsatia  4,1;  4,8  Vogelfang  vgl.  Clarissa  L.  III  56 
IV  4;  4,8  „verdriesslich  .  ,  ,  verstanden"  vgl,  Pamela  „as  the  Poet  (wer?)  says,  They 
blush,  because  they  understand;  4,8  über  Freundschaft  mit  Untugendhaften  vgl,  Clarissa 
Vni  48;  4,9  Schmeicheleien  Gift  für  Frauen  vgl,  Clarissa  172  „complimental  nonsense, 
the  poison  of  female  minds";  5,5  „Plagio-plagiomenon:  Racheschrei  des  Egli  gegen  die 
Parella"  vgl.  Euripides  1316,  Seneca  979,  996,  Corneille  5,6,  Johnson  5,1;  5,8  nicht  mit 
des  Vaters  Fluch  sterben  ,  ,  ,  vgl.  Clarissa  VII  8  „my  father  has  withdrawn  that  heavy 
malediction  ,  .  ,  what  child  could  die  in  peace  under  a  parent's  curse;  5,9  Vater,  Tochter, 
Diener  vgl,  das  Wiedersehen  zwischen  Tochter  Caelia,  Vater  Lovemore,  Diener  Meanwell 
in  Ch.  Johnsons  Caelia  V,  auch  Grandison  Letter  VII  38,  — 

„Lessings  Theater"  behandelt  R,  M,  Meyer^s).  Lessing  erkenne  niir  die  Be- 
handlung des  Themas  als  litterarisches  Eigentum  an,  modernisiere  alte  Stoffe  von  innen 
und  aussen  und  maclie  sie  zum  Vehikel  gegenwärtiger,  persönlicher  Interessen,  Er 
übertrage  die  festen  Rollenfächer  der  Komödie  auf  die  Tragödie,  „Die  Juden"  gelten 
als  erstes  Beispiel  der  Verjüngung:  Parabel  vom  Samariter?  Philotas,  Tellheim,  Tempel- 
herr eine  Trias  waffenloser  Offiziere;  Tellheim  eine  Hypostase  des  Philoktet?     Lisette- 


Heft  M,  2,00.  —  28)  B,  M.  Meyer,  Lessings  Theater:  VLG.  3,   S.  208-323.    —  29)   K.   Heiuemannn,    Vorhang   u.  Drama: 


141  Erich  Schmidt,  Lessing.     1890,  1891.  rv  7:  ao-o. 

Franziska  sei  nach  einem  Winke  Geliert«  (Pro  ooraoedia  commovente,  Lachinann-Maltzahn 

4,  S.  152)  idealisiert.  M.  verfolgt  die  stsigende  moderne  Charakteristik  his  zu  Virginius- 
Odoardo,  wo  der  Wandel  der  von  der  Staatflumwälzung  losgelösten  Figur  alle  anderen 
Gestalten  vind  Motive  bestimme.  Er  vergleicht  die  egoistische  Opferung  der  Tochter 
durch  Jephthah  und  Agamemnon.  Marinellis  Zudringlichkeit  gegen  Appiani  erinnere  an 
Klotz.  Die  Verschmelzung  der  Ringparahel  mit  Lessings  altem  Thema  der  Religions- 
vergleichung sei  dm-ch  den  Handel  Lavater-Mendelssohn  gegeben,  primär  nur  die  beiden 
Oharakten»  der  Parabel8cei>e,  alle  (ibrigen  zu  ihrer  Exposition  geschaffen,  das  Stück  aus- 
gestaltet \niter  dem  Eintluss  der  in  Lessings  Kunstlehre  und  Philosophie  mächtigen 
Lifiblingsidee  von  der  Verwandlung  willkürlicher  in  notwendige,  künstlicher  in  natür- 
lich«^ Mittel:  hier  die  psychologische  Erklärung  der  Kraft  des  Rings,  die  Blutsverwandt- 
schaft. ■ —  Leichter  ist,  es,  die  in  K.  Heinemanns^^)  für  das  deutsche  Theater  des 
17.  und  18.  Jahrhunderts  wichtigen  Aufsätzen  nach  langer  historischer  Einleitung  speciell 
auf  Lessing  zielenden  Beobachtungen  knapp  zu  formulieren:  1.  auch  für  Lessing  war 
noch  Entfernung  aller  Personen  am  Aktschluss  Erfordernis  (vgl.  Hamb.  Dramat.  S.  13); 
er  endigt  keinen  Aufzug  bei  voller  Bühne,  doch  ohne  stets  eine  innerliche  Begründung 
des  Aufbruchs  und  des  beliebten  „Komm"  zu  finden;  2.  er  begründet  gern,  aber  nicht 
ausschliesslich  das  Auftreten  im  neuen  Akt  und  \äB::t  das  inzwischen  Vorgefallene  er- 
zählen; 8.  er  verändert  den  Schauplatz  hi  der  „Sara"  und  dem  „Nathan"  auch  inner- 
halb des  Aktes.  Sein  Verfahren  ist  französisch  und  stammt  wesentlich  aus  einer  Zeit 
ohne  Zwischen  vorhang  (aber  mit  Mitteigard  in  3).  Den  grossen  Gegensatz  zeigen  Schillers 
weder  verklingende  noch  anstückelnde,   sondern  stark  accentuierte  Schlüsse.  — 

lieber  den  geistigen  „liberateur"  und  die  Litteratur  ist  Le  vy-Bruhl-"'")  orientiert, 
bringt  aber  in  dem  ci tatenreichen  Abschnitt  nichts  Neues.  —  Frenzel'**)  wiederliolt 
seinen  Aufsatz  „Zu  Lessings  Gedächtnis".  —  Veraltetes  der  Sprache  zählt  Lode- 
man^-)  auf.  — 

Einzelnes.  Ein  vermeintes  Sinngedicht  Lessings  citiert,  nach  einer  Mit- 
teilung Frensdorffs^^),  Werlhof  an  Haller  18.  Aug.  1765  „I  remember  an  epigram  of 
Lessing,  I  think.  Virgil  hats  längst  gesagt,  dem  niemand  widerspricht  „Wer  Bodmers 
Noah  liebt,  hasst  Naumanns  Nimrod  nicht".  —  L.  H.  Fischers^)  Aufsatz  über  Marpurg 
streift  auch  die  „Tarantula"  gegen  Agricola  und  wiederholt  Spaziers  Mitteilung,  dass 
der  muntere  Greis  von  „Lessings  Gemeinschaft  an  seinen  Streifereien  ins  Gebiet  des  Jocus 
und  der  Venus  Vulgivaga  sehr  gern  und  viel  erzählte".  — 

Zu  den  historischen  Grundlagen  des  „Samuel  Henzi"  bringt  Maag^S)  neues 
bei.  —  Mittelbar  für  die  „Sara"  zu  beachten  ist  Brandls^«)  Studie  über  Lillos 
Merchant  usw.  und  H.  W.  Singers^^)  streng  chronologisch  vorschreitende  Arbeit  über 
die  bürgerlichen  Tragödien  Englands,  die  Bibliographisches  und  Inhaltsangaben  verbindet: 

5.  85  A.  Hill,  S.  89  Lillo,  S.  103  Moore.   — 

W^egen  Lessings  Thätigkeit  für  Thomson  sei  G.  Wenzels^*)  Abhandlung  er- 
wähnt. —  Ins  Blaue  wurde  von  Brauns^'*)  geraten.  Lessing  habe  177G  für  Schröder 
Shakespeares  Monolog  „To  be  or  not  to  be"  übersetzt.  — 

Die  Theorie  der  Fabel  legt  Edler^O)  eilig,  Alb.  Fischer*')  ausführlich 
und  in  manchen  Punkten  fördernd  dar;  weiter  führen  die  reichen  selbständigen  Beigaben 
von  Proach"*2)  zu  seiner,  korrekten  Ausgabe,  der  1887  ein  guter  Druck  der  Abhandlungen 
mit  Anhängen  aus  Phädrus,  La  Fontaine,  Lessing  zu  Schulzwecken  vorausgegangen  ist. 
P.  giebt  einen  trefflichen  Abriss  der  ganzen  Fabeldichtung,  eine  klare  Analyse  der 
Lessingschen  Theorie  und  der  ihr  gewidmeten  Kritiken,  mit  Baumgart  auf  Hamann 
eingehend,  und  hinter  dem  Text  nach  gut  gewählten  Proben  anderer  Theoretiker  und 
Fabulisten  drei  Abhandlungen  Herders,  endlich  Textkritisches  und  reiche  Anmerkungen. 
Sein  Buch  wird  die  Grundlage  weiterer  Forschmig  sein.*3)  — 

Von  der  „Minna  von  Barnhelm"  wiu-de  am  Tage  der  Enthüllung  des  Berliner 
Denkmals  ein  stilvoller,  mit  Eilers'  Stich  des  Graffschen  Portraits  und  einem  Faksimile  der 
Hs.  (Riccautscene)  gezierter  Prachtdruck  vom  Geh.  Justizrat  C.  R.  Lessing^) verschenkt,  — 


Grenzb.  49,  I,  S.  459-68  n.  r>20,'7.  -  30)  L.  L6  vy-Bruhl,  L'AlIemtgne  depnis  Leibnix.  (1890  IV  1 :  22).  S.  136—50.  —  3i) 
K.  Frenze),  Erinnerungen  u.  Strtfmungen.  =  Ge:«.  Werke  I.  Leipzig,  Friedrich.  1890.  S.  2.'>8  ff.  —  82)  O  X  A.  Lodeman. 
Forms  and  phrases  now  obsolete  from  Lessing:  ULN.  5,  N.T.  —  33)  F.  Frensdorff,  Briefe  iweier  hannoTeracher  Aerzt«  an 
Albrecht  v.  Haller:  ZHVNiedersachsen  S.  103—198.  (Hierfür  vgl.  S.  153.)  —  34)  L.  H.  Fischer,  Aus  Berlins  VergangenhAit. 
S.  82-91.  Berlin,  Oehmigke.  205  S.  M.  2,00.  -  35)  A.  Maag,  Z.  HenziverschwOrung  in  Bern  1749:  ASchwG.  21,  S.  85ff.  — 
36)  A.  Branäl,  Zu  Lillos  Kaufmann  von  London:  VLO.  3,  S.  47—62.  —  37)  H.  W.  Singer,  D.  bürgerliche  Trauerspiel  in 
England  (bis  z.  J.  1800).  Diss.  Leipzig,  O.Schmidt.  130  .<:.  —  38)  O.Wenzel,  Kritiseh-Isthetische  Studien  aber  James 
Thomsons  Tragödien:  ASNS.  84,  S.  26—70.  —  39)  C.  W.  E  Brauns.  D.  SchrOdersche  Bearbeitung  d.  .Hamlet'  n.  e.  Termutlich 
in  ihr  entlialtenes  Fragment  Lessings.  Breslau,  Freund.  1890.  35  S  M.  1,00.  |LL.  O(eiger):  AZg".  1890  N.158;J.  Minor:  ADA.  17, 
S.  175/6.]i  —  40)  (1890  I  3  :  10;  1891  I  3  :  10.)  —  41)  All).  Fischer,  Kritische  Darstellung  d.  Lessingschen  Lehre  v.  d.  FabeL 
Hallenser  Diss.  Berlin,  Haack.  47  S.  —  42)  F.  Frosch.  G.  E.  Lessing.  Abhandlungen  Ober  d.  Fabel.  Mit  Einl.,  Anm.  «. 
Textbeil.  her.  Wien,  Gräser.  1890.  LVH,  224  S.  Fl.  L-W.  —  43)  O  X  Lessing,  Choix  de  fablen,  contenant  des  notes  gramroaticalea 
et  littiraires  .  .  .  par  A.  Kirsch.  Paris,  Bolin.  1890.  11,  86  S.  —  44)  0.  E.  Lessing,  Minna  von  ItArahelm  oder  d.  SoldatenglUek. 


rv  7:  45-65.  Erich  Schmidt,  Lessing.     1890,  1801.  142 

Düntzers'*'^)Koinmentar  erfreut  sich  derfünftenAuflage,\vorinneuereNachweisez.T.  benutzt 
erscheinen,  doch  kann  die  genaue  Kollation  dieser  Hefte  niemandzugemutet  werden.  Kliigiiche 
Lehrer,  die  solche  Hilfsmittel  in  Schwung  bringen,  arme  Schüler,  die  derlei  gar  aus  zweiter 
Hand  empfangen !  —  Während  das  Drama  aucli  in  Frankreich  ^6)  und  Amerika  ^'i)  eifrig 
gepflegt  wird,  sucht  R.  Buchholz  ^^)  seinen  Knaben  den  Zvigang  in  Dichters  Lande 
durch  platte  moralisch-politische  Anklagen  gegen  die  falsche  Ehre  Teilheims,  die  ün- 
zartheit  Minnas,  die  sclüechte  Komposition  und  Motivierung  zu  sperren,  will  aber  selbst 
bis  zum  Erscheinen  des  zweiten  Teils  geschont  sein.  In  den  Dornenkranz  sind  lyrische 
Blütchen  und  antiquarische  Strohbhimen  eingeflochten.  Keineswegs  gemeint,  einem 
gedankenlosen  Götzendienst  das  Wort  zu  reden,  halten  wir  derartige  Schulprogramme 
gerade  in  Zeiten  des  Niedergangs  ästhetischer  Bildung  für  höchst  unpädagogisch,  ganz 
abgesehen  von  der  Unfähigkeit  dieses  Richters,  mit  künstlerischen  Massstaben  zu  han- 
tieren. —  Nicolai  ^s)  an  Grerstenberg,  21.  März  1767,  kündigt  die  „Minna''  an.  — 

Zum  Vorspiel  des  „Faust"  verweist  Holthausen  ^o)  auch  aufHonorius'  „Spe- 
culum  ecclesiae".  — 

Oosacks  öl)  sorgfältige  Ausgabe  des  „Laokoon"  behauptet  sich  in  vierter  Auflage 
neben  der  grossen  Blümerschen.  —  Eine  OUa  potrida  tischt  P.  Cassel^ä)  auf;  das 
von  Lessing  in  Bezug  auf  Winckelmann  gebrauchte  Wort  ,,Krokylegmus"  bestimmt 
endlich  Blümner  53);  Schmeichelei  durch  Aufmutzen  eines  winzigen  Fehlers.  —  Zur 
weiteren  Archäologie:  Lipperts  Biographie  giebt  Loose^*);  Gerstenberg  ^s),  an 
Nicolai  27.  April  1768,  schilt  Klotzen  einen  ,,gul"  (Tropf),  einen  „petit  maitrisch  frisirten 
Scioppius";  dem  Versuch  von  Weilens^ß),  eine  grosse  Hamburgische  Recension  gegen 
die  Reformationsgeschichte  des  Klotzianers  Hausen  Lessii  g  zuzuschreiben ,  hat 
Erich  Schmidt ö'')  eine  Abwehr  unmittelbar  nachgeschickt  (Leister?).  — 

Für  die  Hamburgische  Dramaturgie  ist  in  Cosacks^s)  vermehrter  zweiter 
Auflage  die  wissenschaftliche  Litteratur  nicht  hinlänglich  berücksichtigt  worden,  und  es 
wird  dabei  bleiben,  dass  Inhaltsangaben  ungekannter  Dramen  zu  lesen  viel  weniger 
fruchtet  als  die  Prüfung  Lessingscher  Urteile  an  einzelnen  französischen  Werken  selbst.  — 
Den  Unterschied  der  auf  poetische  Wahrheit  zielenden,  im  Gegenstande  gesuchten  Natur- 
gesetze und  der  Goetheschen  Kunstregeln  für  Schauspieler  legt  Schienther ^9)  scharf 
und  beredt  dar.  —  A.  C  Kali  seh  er  6")  hat  ältere  Aufsätze  über  Lessings  Verhältnis 
zur  Musik  in  einem  willkommenen  Heft  zusammengefasst.  Für  die  Meropekiitik  kommt 
Schlössers  bei  Gotter  zu  besprechende  Abhandlung  in  Betracht.  —  Die  Gelehrigkeit  des 
Juliendichters  Heufeld  zeigt  L.  Geiger  *5i)  an  einer  späteren  Ausgabe.  — 

L.  Volkmann  62)  will,  die  Schuldtheorie  von  der  „Theatralischen  Bibliothek" 
bis  zur  „Dramaturgie"  skizzierend,  auf  sehr  abstraktem  Wege,  der  nie  zu  künstlerischen 
Thaten  führt,  darthun,  dass  Lessings  aristotelische  Ansicht  ein  schuldloses  Leiden,  sein 
modernes  Bewusstsein  aber  ein  schuldiges  verlangte  und  er  diesen  Zwiespalt  sophistisch 
durch  Verwandlung  schuldloser  Hamartia  in  schuldiges  Hamartema  zu  überwinden  suchte; 
fiat  applicatio  auf  die  Emilia:  sie  schweigt  schuldlos,  empfindet  jedoch  diesen  Schritt 
„nach  geschehenem  Unglück  als  Verführung  von  Seiten  ihrer  Mutter"  und  glaubt  nun 
der  Verführung  überhaupt  nicht  mehr  gewachsen  zu  sein.63)  —  Unbefangen  erörtert 
S.  Schott ö*)  das  nachgebende  Wesen  Emilias  dem  Prinzen  gegenüber  in  einem  gut  ge- 
schriebenen Aufsatz,  freilich  mit  dem  falschen  Schein,  als  spreche  er  das  erste  lösende 
Wort;  er  zieht  auch  Seckendorffs  ödes  Orsinastück  heran  und  lässt  sich  zum  Ueberfluss 
von  0.  V.  Heinemann  bestätigen,  dass  die  Branconi  Lessing  nicht  vorschwebte:  wertvoll 
sind  zwei  Zeugnisse,  worin  P.  Heyse  und  G.  Keller  übereintrefFend  Emilias  so  oft  ver- 
kannte Stimmung  charakterisieren,  Keller  mit  dem  Zusatz:  Shakespeare  oder  Schiller 
würde  das  durchsichtiger  dargestellt  haben.  Die  von  Bertling  1888  mit  Beispielen  für 
„Die  Unwahrheit  in  Lessings  Schriften"  vorgetragene  Meinung,  Emilia  sage  eine  edle 
Lüge  vor  ihrem  Vater,  hatte  Jeep  1889  triftig  abgelehnt,  wogegen  Bertlings  6°)  morali- 

1890.  4».  VIII,  264  S.  —  45)  H.  Düntzer,  Erläuterungen  zu  d.  deutschen  Klassikern.  32  Bdchen.  Leipzig,  Wartig.  1890. 
171  S.  M.  1,00.  —  46)  X  ö.  B.  Lessing,  Minna  v.  Barnhelm,  publie6  arec  une  notiee,  un  argument  analytique  et  des  uoles 
en  franfais,  par  B.  L6vy.  Paris,  Hachette.  16".  VIII,  151  S.  —  47)  X  'd-.  Minna  v.  Barnhelm  .  .  .  witlt  an  introduction 
and  notes  by  S.  Primer.  Boston,  Health.  12".  245  S.  —  48)  R.  Buchholz,  Bedenken  Über  d.  Fuhrung  d.  Handlung  in 
Lessings  Lustspiel  Minna  v.  Barnhelm.     1.  T.:  D.  Exposition  u.  d.  Haupthandlung.    Gymn.-Progr.    Kössel,  Kruttke.    4".    24  S. 

—  49)  R.  M.  Werner,  Gerstenbergs  Briefe  an  Nicolai  nebst  e.  Antwoit  Nicolais:  ZDPh.  23,  S.  43—67.    (Vgl.  hierfür  S.  52.) 

—  50)  F.  Holthausen,  Zu  Lessings  Faustrorspiel :  VLG.  4,  S.  167.  —  51)  W.  Cnsack,  Lessinifs  Laokoon  filr  d.  weiteren 
Kreis  d.  Gebildeten  u.  d.  oberste  Stufe  höherer  Lehranstalten  bearb.  u.  erl.  Kerlin  Haude  &  Spener.  1890.  -XXIV,  212  S. 
M.  2,00.  —  52)  P.  Cassel,  Laokoon  in  Mythe  u.  Kunst.  Berlin,  Bibliogr.  Bureau.  1890.20  S.  M.  0,80.-53)  H.  Kitiraner,  Zu 
Lessings  Laokoon  (Krokylegmos):  VLG.  4,  S.  358—60.  —  54)  W.  Loos«,  l.ebens'äufe  Meissner  Künstler:  MVUMeissen.  2, 
S.  202/3.  —  55)  (N.  40.)  Hierfür  vgl.  S.  61.  —  56)  A.  v.  Weilen,  Lessings  Beziehungen  z.  Hamburgischen  Neuen  Zeitung: 
VLG.  3,  S.  398—412.  —  57)  E.  Schmid  t,  Beilage  (Lessing  u.  d.  Hamburgische  Nene  Zeitung):  ib.  S.  412/6.  -  58)  W.  Co  sack, 
Materialien  zu  G.  E.  Lessings  Hamburgischer  Dran-aturgie.  Paderborn,  Schöningh.  V.  458  S.  M.  4,80.  —  59i  P.  Selil  en  tlier. 
Lessing  u.  Goethe  über  Schauspielkunst:  VZg».  1890,  N.  13.  —  60)  A.  C.  Kalischer,  0.  E.  Lessing  als  Mu^ikästhetike^. 
Dresden,  Oehlmann.  1889.  42  S.  M.  0,9»'.  —  61)  L.  Geiger,  Wirkung  p.  I.e-singschen  Korrektur:  VLG.  3,  S  502/3.  —  62)  L. 
Volkmann,  D.  tragische  Hamartia  bei  Lessing.  Festschrift  z.  Feier  d.  25j.  Be-tehens  d.  Gymnasiums.  .S  35—52.  .lauer, 
Quercke.  —  63)  O  X  Studien  zu  Emilia  Galotti:  DBllhiioiipeno-sci.scljalt  N.  4»  f  -  64)  S.  .>^,liott,  Studien  z.  Emilia 
Galotti:    AZg».  1890.     N.    42,    44.    —    65)  Berti  ing,    l'eberredet    Emilia  lialotti  ihicn   Vuler  «Uirrli  Wahrheit  oder  Uurcli  eine 


14,}  Erirh  SnhmifU,  Lessing.     1H90,  1891.  IV  7:  M.78 

siereüde  DupUk  nicht  aufkommt.  —  Verschollene  phrasenhafte  Trteile  in  den  „Billetten 
der  Madame  F.  luid  Madame  H.  über  die  öchuchische  Schaubühne"  2.  Aufl.  Danzig  1775 
macht  Schienther ""i  wieder  zugänglich.  (Ueber  das  Lachen  in  Aufflihrungen  der 
„Emilia"  Stolberg  an  Voss  18.  Juni  1785.J  —  Nachgetragen  sei,  obwohl  nicht  in  unseren 
Zeitraum  fallend,  die  vom  Erbprinzen  Bernhard  von  Meiningen*')  mit  feinem  Stil- 
gefühl (soweit  wir  ein  Urteil  wagen  dürfen)  vollzogene  Uebersetzung  ins  Neugrieclüsche, 
die  den  iambischen  Nathanüborsetzungen  von  Rangab^  und  Vlachos  folgt;  doch  hat  der 
athenische  Korrektor  Fehler  nachgetragen  „und  namentlich  die  charakteristische  Sprache 
der  Orsina,  die  ihm  zu  vulgär  erschien,  verwässert  und  verschlimmbessert"  (voraus- 
gegangen war  von  demselben  Vf.  die  I^ebertragung  des  „Fiesko"^;  nur  die  niedem 
Personen  reden  die  lebendige  Umgangssprache,  alle  andern  die  übliche  Büchersprache.  — 

Dass  die  vielberufenen  Worte  über  Mikrologie  im  „Zweyten  Beytrag  aus  der 
Wolfenbütteler  Bibliothek"  1773  (Hirschau;  den  Frankfurter  Gelehrten  Anzeigen 
177B,  N.  1")  heimleuchten,  bemerkte  0.  Hoffmann  *®);  diese  Recension  Bahrdts  trug  Erich 
Schmidt'"')  nach.    — 

„Nathan".  Eine  langatmige  Kapuzinade  Brunners'"),  der  gegen  Strauss,  Düntzer, 
„Erich",  gegen  Juden  und  Judengenossen  wettert  und  den  ganzen  Lessing  in  die  Pfanne 
haut,  macht  den  Eindruck,  al.s  ob  der  joviale  Alte  es  gar  nicht  so  bös  meine;  das  Er- 
gebnis ist  in  jedem  Sinne  null,  eine  Diskussion  ganz  unfruchtbar.  —  Letzteres  gilt  auch 
von  dem  Geschling  P.  Cassels")  der  u.  a.  „Lessing"  von  „lass"  ableitet,  nach  Be- 
merkungen über  das  Rauchen  Ringsymbolik  treibt,  „Saladin  und  Sittah  und  Hassan" 
für  verkleidete  Christen,  das  Stück  für  durchaus  christlich  erklärt.  —  Während  der 
verstorbene  Pfarrer  Langhans  "2)  ganz  mit  dem  landläufigen  Liberalismus  segelt  und 
endlich  das  Drama  der  Schule  empfiehlt,  wohin  es  nicht  gehört,  zeichnen  sich  einige 
vom  positiv-christlichen  Standpunkt  geschriebene  Aufsätze  Portigs'^i  durch  Form  und 
Gedanken,  auch  durch  feine  Beobachtung  alttestamentlicher  Züge  und  ihres  Widerspiels 
aus,  obgleich  die  Tendenz  des  \'f.  die  Tendenzen  Lessings,  namentlich  der  Parabelscene, 
gewaltsam  umbiegt.  —  Die  Wahl  eines  jüdischen  Helden  nennt  Litzmann '■•;  einen 
aus  hoclientwickeltem  Gerechtigkeitsgefühl  erklärlichen  entschiedenen  Missgriff;  die 
Ringj)arabel  sei  keineswegs  Lessings  religiöses  Bekenntnis.  —  Schillers  Theater- 
bearbeitung hat  A.  Köster'^)  eindringlich  und  übersichtlich  geprüft  mit  stilistischen 
und  metrisclien  Beobachtungen:  äussere  Gründe  der  Entbehrlichkeit  (5,1  f.),  der  Länge 
und  Wiederholung,  der  Unverständlichkeit;  innere  der  Abneigung  gegen  zu  viel  Raison- 
nement  (Klosterbruder,  unglückliche  Ersatzverse  für  AI  Hafi),  wodurch  Recha  die  Philo- 
sophie einbüsst  und  die  Schwärmerei  behält;  etwas  mehr  „Würde";  Verdeutlichung  des 
Anschlags  vor  der  Parabelscene.  —  Wir  wollen  nicht  mit  Besprechung  vorläufig  in 
Zeitungen  abgedruckter  Stücke  aus  Büchern  K.  Werders  und  Erich  Schmidts  dem  nächst- 
jährigen Bericht  vorgreifen.  — 

Philosophie.  Welche  Autorität  Lessings  „Erziehung  des  Menschengeschlechts" 
fortbehauptet,  lehren  ohne  näheres  Ergebnis  für  die  inhaltschweren  Paragraphen  selbst 
die  von  der  Leipziger  Jennystiftung  gekrönten  Preisschi iften  von  W.  Friedrich'*) 
und  vonHauffe"),  der  im  Verlauf  seiner  Darstellung  auch  eine  Fidle  von  Citaten  aus 
Dichtern  und  Denkern  bringt.  —  Hoops'^)  erweckt  erst  durch  eine  anfechtbare  Dar- 
legung, Lessing  sei  schon  1753,  ja  von  Leipzig  her  mit  dem  Spinozismus  bekannt  ge- 
kannt gewesen,  den  Schein,  als  wolle  er  die  oft  hin  und  her  behandelte,  schwierige  und 
überhaupt  nicht  so  blank  zu  beantwortende  Frage  kräftiger  bejahen,  kommt  aber  weiter- 
hin zu  dem  Resultat,  dass  Les^ing  sich  zunächst  mit  Spinoza  nur  im  Gedanken  der 
Einheit  von  Gott  und  W^elt  berühre,  erst  in  der  Breslauer  Zeit  ihn  richtig  erfasse  und 
mit  genialer  Neubegründung  der  christlichen  Theologie  und  des  Leibnizianismus  auf 
spinozistisch-pantheistischer  Grundlage  endgiltig  Stellung  zum  Spinozismus  nehme,  aber 
gegen  die  eine  absolute  Substanz  die  Selbständigkeit  der  Individuen  walire.  Lessing, 
kein  spinozistischer  Determinist,  glaube  an  eine  sehr  beschränkte  Selbstbestimmung, 
und  die  vervollkommnende  Seelenwanderung  zeige  die  Kluft  zwischen  Lessing  und 
Spinoza.  Jacobis  Bericht  scheint  zu  skeptisch  beurteilt,  der  abschhessende  Hinweis  auf 
die  persönliche  Verschiedenheit  Lessings  und  Spinozas  unerheblich.  — 

Unwahrheit?:  NJbbPh.  142.  S.  5Ü3/8.  —  66)  P.  Schient  her:  VZg».  N.  33.  -  87)  BfQfttQdos  H^iyxtjtp  Juidoxos  r^f 
JSu^Mt'iag-Mäiviyyfi',  roiioq^^Qiöov  'Eq  ()(('( fi  Aiaatyy  At/uvhä  fnAörr«  TQuyiodia  */f  nQÜ^ftg  Ttirrt 
yqcttfiiau  iv  im  1772  jutTc<(fQaa9-flaa  fx  Tr,s  rfgunftx^s  dg  rijy  '  Eki.riy$xi]y  yJaücaar.  Athen.  Hesti». 
1889.  124  .'^.  —  68)  0.  Holfinann.  Notiz  zu  Le.<!sing:  VLG.  3,  S.  199.  —  69)  (X.  7.)  -  70)  ^^.  Brunner,  Lessingiasis  u. 
Nathanologie.  E.  Religionsstörung  im  Lessing-  u.  Nathan-Kultus.  Paderhorn,  SohOningh.  1890.  VIII.  .170  S.  M.  3,60.  —  7ll 
P.  Cas  sei,  Nathan  d.  Weise.  Litt.  Skizze  in  e.  Vortr.  t.  21.  Febr.  1890.  Guben  (Berlin,  H»ack).  12«.  15  S.  II.  0,5(>. 
—  72)  Ed.  Langhaus  e.  Zeuge  d.  6ei;>tesf  eiheit.  Aufsitze.  Vortrage,  Ueisebriefe.  Bern,  Schmid,  Franck«  A  Co.  XLII,  3M 
S.  M.  3,20.  S.  1—13.—  73)  G.  Porlig:  LZgB.  1890.  N.  111,  124,  126,  HO.  -  74)  B.  Litim»nn,  G.  E.  Lessing.  Vortr. 
im  Gewerbeverein:  JenaZg.  1890.  N.  300  2.  —75)  A.  KOster,  Schiller  als  Dramaturg  (IV  10:17),  S.  129,  308.  -  76)  W.  Frie- 
drich, l'eber  Lessings  Lehre  t.  d.  ^^eelenwanderung.  Leipzig,  Mutze.  1890.  II,  114  S.  M.  2,00.  —  77)  G.  Uau,ffe,  D. 
Wiedergeburt  d.  Menschen.  Ahbdig.  Über  d.  7  letzten  Paragraphen  v.  Le.s8ings  Erziehung  d.  Menacheugeschlechts.  Borna- 
Leipzig,  Jahuke.    o.  .1.    300  S.    M.  3,u0.  —  78)  J.  lioops,  Lessings  Verhtltnis  zu  Spinoza:  ASNS.  86,  S.  1—28.  — 


IV  8:  1-9.  E.  Naumann,  Herder.  144 

IV,8 

Herder. 

Ernst  Naumann. 

Allgemeines  N.  1.  —  Briefe  N.  4.  —  Leben  N.  7.  —  Nationale  Bedeutung  N.  8.  —  Spradie  N.  9.  —  Werke- 
Philosophische  Gedichte  N.  10;  Schulreden  N.  11;   Gesamtausgabe  N.  12;   Hebräische  Poesie  N.  13;   Cid  N.  14.  — 

Eine  zusammenfassende  allgemeine  Uebersicht  über  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Herderforschung  verdanken  wir  Suphans  und  Redlichs  unermüdlichem  Eleisse. 
Suphan  i)  verfolgt  in  einer  knapp  und  klar  gehaltenen  Darlegung  die  litterarischen 
Eädeii,  welche  sich  durch  Herders  Leben  hindurch  ziehen,  und  stellt  dabei  jedes  einzelne 
Werk  an  den  Ort,  den  es  im  Zusammenhange  der  schriftstellerischen  EntMÜcklung  seines 
Verfassers  einnimmt;  Redlich  2)  schliesst  daran  eine  Bibliographie  der  Werke  und  aller 
auf  Herder  bezüglichen  Forschungen,  ein  Verzeichnis  von  einer  Vollständigkeit  und 
Zuverlässigkeit,  wie  es  bis  jetzt  über  Herder  noch  nirgends  vorlag.  — 

Eine  Reihe  von  Briefen  ergänzt  das  Material,  aus  dem  wir  Herders 
Lebensbild  3)  schöpfen.  Diederichs  *)  giebt  uns  den  in  den  „Erinnerungen"  als  ver- 
misst  bezeichneten,  in  den  Rigaer  Politischen  Blättern  von  1811  allerdings  mehr  ver- 
grabenen als  veröffentlichten  Brief  vom  9.  Mai  1767,  durch  den  Kant  seine  Beziehinigen 
zu  Herder  neu  knüpft.  Die  Urschrift  findet  sich  in  einem  Manuskriptenbande  der  Morgen- 
sternschen  Bibliothek,  jetzt  zu  Dorpat.  Aus  derselben  Quelle  stammen  zwei  kleine 
Zettel  von  Herders  Hand  aus  Riga,  der  eine  mit  Notizen  über  seinen  Lebensgang; 
zwei  irrtümliche  Angaben  sind  daraus  in  das  Tagebuch  des  Oberpastors  von  Essen  über- 
gegangen; der  andere  enthält  einige  litterarische  Bemerkungen.  Auch  die  Briefe 
Weisses  an  Herder  werden  durch  zwei  vermehrt.  —  Vier  Biefe  an  Lavater,  aus  denen 
Bruchstücke  schon  hier  und  da  mitgeteilt  sind,  veröffentlicht  H.  Eunck  »)  vollständig, 
drei  aus  Bückeburg  voll  begeisterter  Teilnahme  für  die  „Aussichten  in  die  Ewigkeit" 
und  mit  Seitenblicken  auf  die  ,, Greuel  unserer  Zeiten",  aber  auch  mit  dringender  Bitte, 
aus  seinen  Briefen  nichts  mitzuteilen;  über  Lavaters  ,, Abraham";  der  vierte  stammt  aus 
Weimar  und  enthält  unter  anderem  eine  kurze  Schilderung  des  dortigen  Kreises.  — 
Ein  Briefchen  an  Jean  Paul  giebt  J.  Elias  6)  bekannt,  er  datiert  es  vom  10.  Dez.  1798. — 

Ueber  Herders  Leben  und  Werke  gewährt  R.  Eranz  '')  auf  Grund  der  vorhan- 
denen Forschungen  einen  knappen  Ueberblick,  welcher  der  vielseitigen  litterarischen 
Thätigkeit  Herders  durch  sorgfältige  Aufzählung  seiner  Schriften  und  durch  Lihalts- 
angabe  der  Hauptwerke  gerecht  wird.  Kurzgefasste  üebersichten  über  den  Lebensgang 
bieten  auch  die  unten  zu  erwähnenden  Sonderausgaben  einzelner  Werke.  — 

Ueber  Herders  nationale  Bedeutung  spricht  Kieser  ^)  in  einem  Vortrag. 
Er  geht  sein  Leben  durch  und  sucht  aus  einer  Reihe  von  Werken  nachzuweisen,  dass 
in  Herder  der  lebendigste  Volksgeist  eines  seiner  höchsten  Werkzeuge,  ja  einen  bis 
dahin  unübertroffenen  Typus  seines  Wesens  geschaffen.  Das  grosse,  frei  angelegte 
Ideal  der  Humanität  nimmt  K.  als  einen  Bestandteil  des  deutschen  Nationalcharakters 
in  Anspruch;  zu  diesem  Ideale  habe  in  Herder  auch  Griechenland  beigetragen,  aber 
seine  höchste  Ausbildung  habe  es  erhalten  durch  das  Vorbild  des  Menschensohnes.  Als 
Theolog  habe  Herder  seine  eigenen  Kunstanschauungen  gehabt,  aber  er  habe  sich  be- 
kannt zum  Prinzip  der  Reformation ;  in  ihm  habe,  wenn  auch  sein  Standpunkt  nicht  frei 
von  Einseitigkeit  gewesen  sei,  der  Geist  der  Freiheit  den  gewaltigsten  Zeugen  gefunden.  — 

Die  Sprache  Herders,  als  eine  Seite  seiner  geistigen  Entwicklung,  hat  Längin  ^) 
aus  den  Jugendwerken  bis  1769  zum  Gegenstand  seiner  Forschung  gemacht.  Wie  der 
Inhalt  der  Schriften,  so  könne  auch  die  äussere  Form  derselben,  die  Sprache,  die  viel- 
seitigen Beziehungen  der  Verfasser  widerspiegeln.  Es  komme  dazu  das  besondere 
sprachliche  Interesse  für  die  Entwicklung  unserer  Schriftsprache;  so  entwickele  sich  ein 
neues  Bild,  eine  neue  Aufnahme  von  der  Persönlichkeit  der  Schriftsteller.  Bei  dem 
sprachlich  so  feinfühlenden  Herder  müsse  eine  ausgedehnte  Behandlung  der  Sprache 
besonders  fruchtbar  sein;  vorliegende  Arbeit  soll  zv.  diesem  Gebäude  der  Sprache  einen 
kleinen  Beitrag  liefern,  sie  soll  die  Stellung  Herders  in  der  Entwicklung  der  neuhoch- 
deutschen Schriftsprache  darlegen.  Stil  und  Syntax  bleiben  dabei  ausgeschlossen,  da- 
gegen wird  Bezug  genommen  auf  den  Sprachgebrauch  der  Zeitgenossen.     Der  Stoff  ist 


I)  K.    Goedeke,   Qrundriss    z.    Gesch.    d.    dtsch.  Dichtung   (vgl.  IV  1:1)    S.  274-82.  -  2)  ib.    S.  282-299.  - 

3)  X  HambCorr.  N.  814;    FZg.  N.  323,  329.    (Herders  Geburtshaus    sollte  am  21.  Jan.  1892  gerichtlich  versteigert  werden.)  — 

4)  V.  Diederichs,  Zu  Herders  Briefwechsel.  S.-A.:  AltprMschr.  28,  Hoft  3-4.  16  S.  —  5)  H.  F  un  ck,  Briefe  Herders  an 
Lavater:  AZgR.  N.  264/5.  —  6)  J.  Elias,  E.  Schreiben  Herders  an  Jean  l'aul  Kr.  Richter:  VLG.  4.  S.  167/8.—  7)  (I  7  :  35.)  - 
8)  11.  Kieser,    Ueber  Herders  nationale  Bedeutung.  Vortr.:  DEBII.  Ui,  S.  789— SIO.  —  9)  Th.  Lilngin.D.  Sprach.'  d.  jungen 


145  E.  Naumann,  Herder.  IV  8:  in 

nach  sprachwissenschaftlichen  Grundsätzen  behandelt,  die  einzelnen  Erscheinungen  sind 
mit  zahlreichen  Beispielen  belegt;  allgemeine  Folgerungen,  die  nach  den  einleitenden 
Worten  erwartet  werden  durften,  sind  nicht  gezogen.  — 

Von  Herders  Werken  fanden  zunächst  diejenigen  Gedichte  Be- 
achtung, in  denen  sich  seine  philosophischen  Anschauungen  widerspiegeln.  Sie  sind 
in  der  Form  weniger  vollendet  als  die  rein  lyrischen,  besonders  die  dem  Altertum  nach- 
gebildeten, aber  dem  Inhalte  nach  bedeutender,  Kronenberg*®)  unterscheidet  nach 
Anleitung  der  letzteren  drei  Entwicklungsstufen,  eine  Sturm-  und  Drangzeit,  in  der  Herder 
den  Menschen  der  Natur  besingt  in  dem  Gedicht  „Der  Mensch";  eine  kurze  Periode  der 
Mystik,  in  der  die^  Welt  als  eine  Form  des  Daseins  erscheint,  in  welcher  Gott  am 
meisten  gegenwärtig  ist,  vgl.  „Die  Schöpfung,  ein  Morgengesang";  und  schliesslich  eine 
Periode  der  Reife,  eine  Zeit,  in  der  ihm  nicht  mein-  das  eigene  Ich  im  Mittelpunkt  der 
Schöpfung  zu  stehen  scheint:  das  Ich  erstirbt,  es  wird  aufgegeben  zu  Gunsten  der 
gesetzmässigen  Einheit  der  Natur,  ohne  dass  jedoch  die  Persönlichkeit  verloren  geht. 
Die  Gedichte  ,,Das  Ich"  und  „Das  Selbst"  ziehen  diese  Summe  am  kürzesten  und 
schärfsten.  — 

Von  den  Weimarer  Schulreden  legt  E.  Niemeyer*')  die  beiden  lateinisch 
geschriebenen  „Ueber  die  verkehrte  Gowolinheit,  die  Schule  vor  der  Zeit  zu  verlassen", 
gehalten  beim  Examen  1778,  und  „Ueber  die  Würde,  den  Nutzen  und  die  Heiligkeit 
des  Schulamts",  gehalten  bei  der  Einführung  des  Konrektors  Schwabe  am  20.  Febr. 
178G,  in  deutscher  TJebersetzung  vor.  — 

Zu  der  Erneuerung  von  Herders  Werken  steuert  Suphans'^)  monumentale 
Gesamtausgabe  den  lange  erwarteten  fünften  Band  bei.  Eine  inhaltsreiche  Gabe! 
Aus  den  schriftstellerisch  so  ertragreichen  Jaliren  1770 — 75  gesellen  sich  liier  die  historisch- 
pliilosophischen  Schriften  zu  den  schon  früher,  Bd.  6  und  7,  veröffentlichten  Werken 
theologischen  Inhalts.  Die  Abhandlung  über  den  Ursprung  der  Sprache,  die  „fliegenden 
Blätter"  von  deutsclier  Art  und  Kunst,  Auch  eine  Philosophie  der  Geschichte  zur 
Bildung  der  Menschheit,  Ursachen  des  gesunkenen  Geschmacks,  Wie  die  Alten  den  Tod 
gebildet,  und  einige  kleinere  Abhandlungen  erhalten  wir  in  einer  von  allem  Staube  der  Zeit 
gereinigten  Gestalt  wieder.  Die  in  den  Anhängen  zu  einzelnen  veröifentlichten  Proben 
aus  vorausliegenden  Bearbeitungen  geben  einen  klaren  Einblick  in  das  allmähliche  Aus- 
reifen der  letzten  Fassung;  besonders  dankbar  müssen  wir  dem  Herausgeber  sein  für 
die  ausführlichen  Mitteilungen  aus  den  älteren  Gestalten  der  Ossianbriefe  und 
des  Shakespeareaufsatzes.  Letzterer  ist  im  ersten  und  zweiten  Entwürfe  aufgenommen  und 
durch  wertvolle  Bruchstücke  aus  einer  Shakespeareübersetzung  vermehrt,  welche 
wiederum  ältere  Gestalten  der  unter  die  „Volkslieder"  aufgenommenen  Stellen  bilden. 
Den  mittleren  Teil  des  Bandes  nehmen  die  Recensionen  ein;  zu  den  22  Nummern  aus 
Nicolais  „Allgemeiner  deutscher  Bibliothek"  fügt  der  Anhang  einen  Entwurf  der  „Barden- 
recension"  sowie  drei  nicht  zum  Abdruck  gelangte  andere  lünzu;  von  den  Recensionen 
aus  den  ,, Frankfurter  Gelelirten  Anzeigen"  sind  nur  diejenigen  aufgenommen,  die  nach- 
weislich Herders  Eigentum  sind;  die  Beweisführung  ist  schwierig,  da  äussere  Anhalts- 
punkte fehlen,  an  handschriftlichem  Material  hat  sich  nichts  erhalten ;  die  Rechtfertigung 
der  Auswalil  wird  in  einem  besonderen  Aufsatze  verheissen.  Eine  Recension  im  „Wands- 
becker Boten"  war  zweifellos  von  Herder.  Es  ist  bekannt,  dass  der  Herausgeber  bei 
Mitteilungen  von  Ungedrucktem  äusserst  vorsichtig  verfährt  und  nur  das  Notwendigste 
zulässt:  dieser  Band  enthält  in  der  Abhandlung  „Caroli  M.  progenies,  principes  ceterum 
belli  gloriaeque  cupidi,  quare  solio  Regio  citius  deiecti,  quam,  quae  Clodovaeum  seque- 
batur,  ignaua  imbellisque  familia?"  ein  bisher  unbekanntes  Dokument  für  Herders 
Geschichtsbetrachtung.  Es  ist  ein  Aufsatz,  deutsch  in  Gedanken  und  Darstellmigsfonn, 
mit  der  vorangehenden  Darlegung,  ,,Wie  die  deutschen  Bischöfe  Landstände  wurden", 
stofflich  verwandt;  das  lateinische  Gewand  steht  nicht  überall  gut,  ist  dem  Vf.  aber 
nirgends  zu  eng  geworden  und  zeugt  von  ausreichender  Herrschaft  über  die  fremde 
Sprache.  Beide  Abhandlungen  dienten  auch  an  ihrem  Teile  Herder  als  Studium  über 
die  Entwicklunj^sgescliichte  der  Menschheit.  — 

Unter  den  Sonderausgaben  ist  diejenige  des  Werks  „Vom  Geist  der  Ebräischen 
Poesie"  zuerst  zu  erwäluien.  Fr.  Ho  ff  mann  *3)  bietet  damit  den  nur  in  der  Recht- 
schreibung veränderten  Text  der  Suphanschen  Ausgabe  mit  Kürzungen  in  den  An- 
merkungen; die  Einleitung  berichtet  über  Herders  Leben  und  Schriften,  besonders  über 
die  theologischen.  — 

Mehrfach  ist  der  „Cid"  herausgegeben  worden,  jedesmal  mit  bedeutenden 
Kürzungen.     Holdermann  **)    lässt,    abgesehen    von    gelegentlichen    Streichungen,    die 

Herder  in  ihrem  YerhaltDis  z.  Schriftsprache.  Freiburger  Diss.  Tauberbischofgheim,  Lang.  108  S.  H.  l,50(Tgl.  r  18:26).  —  10)  M. 
Kronenberg,  Herders  philosoph.  Gedichte.  Kation».  8,  S.  327—30.  —  II)  E.  Niemeyer,  D.Weimarer  Schulreden  Herders  :  COIBW. 
19,8.274—87.  —  12)  B.  Suphan,  Herders  samtl.  Werke.  Bd  5.  Berlin,  Weidmann.  XXXI,  732  S.  M.  9,00.  -  13)  J.  0.  Herder. 
V.  Geist  d.  Ebräischen  Poesie,  I— II,  her.  v.  Fr.  Hoff  mann.  (=  Bibl.  theoing.  Klassik.  Bd.  301).  Gotha,  Perthes.  1890.  295 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiehte  II  <t).  \\) 


IV  8:  14-16.  IV  9a:  i-s.  E.  Naumann,  Herder.  146 

Eomanzen  39 — 47,  57 — Gl  ganz  fort,  Hamann  ^^)  tilgt  nur  etwa  40  Verse,  behandelt 
aber  den  Text  ohne  Sorgfalt,  so  dass  sicli  sogar  metrische  Verstösse  eingeschlichen 
haben.  —  Mit  grösserer  Genauigkeit  in  dieser  Hinsicht  geht  E.  Groth^^)  zu  Werke,  er 
bietet  indessen  einen  sehr  lückenhaften  Text;  abgesehen  von  zahlreichen  kleineren  Vers- 
gruppen, lässt  er  umfangreiche  Stellen  in  Romanze  16,  41,  43,  45  und  54  und  die 
Romanzen  12/3,  19,  20,  33/6,  47,  53,  55—61,  64/6  und  68  fort,  teils  aus  Rücksicht 
auf  Mädchenschulen,  teils  um  überhaupt  zu  kürzen.  Wie  weit  jene  Kürzungen 
vom  pädagogischen  Standpunkte  aus  bei  der  Keuschheit  Herderscher  Darstellung  gerecht- 
fertigt erscheinen,  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  untersuchen;  eine  vollständige  Kenntnis  von 
Hei'ders  Cidromanzen  lässt  sich  aus  den  genannten  Ausgaben  nicht  gewinnen.  Alle 
drei  enthalten  in  der  Einleitung  geschichtliche  Vorbemerkungen,  in  der  letzten  findet 
sich  am  Schluss  Gelegenheit,  auch  einiges  aus  Herders  Vorlagen  anzuführen.   — 


IV,  9  \ 

Goethe. 

a)  Allgemeines. 

Veit  Valentin. 

Bilder  N.  1.  —  Denkmäler  N.  4.  —  Erinnerung^stättoii  N.  11.  —  Verein«  N.  22.  —  Feiern  N.  28.  —  Einwirkuni? 
auf  Zeitt,enossen  N.  34.  ■ — Aeusserungen  und  Urteile  über  Goetbe  N.  60.  —  Briefe  N.  66.  —  Tüeater  N.  73.  —  Bildende  Kun-t 
N.  79.  —  Musik  N.  93.  —  Religicm  N.  100.  —  Philosophie  N.  104.  —  Naturwissenschaft  N.  107.  —  Sprache  N.  115.  —  Werke 
Ausgaben  N.  119;  Darstellungen  N.  122.  —  Stellung  zur  Weltlitteratur  N.  126.  —  Goethe  als  Uobersetzer  N.  136.  —  Goethe- 
forscher N    138.  — 

So  wie  Goethe  seine  Mitwelt  durch  die  Erscheinung  seiner  Persönlichkeit  be- 
zauberte, so  möchte  sich  auch  die  Nachwelt  diesen  Eindruck  erhalten.  Mit  unermüd- 
lichem Eifer  werden  daher  zur  Eesthaltung  und  Wiederherstellung  dieser  äusseren  Er- 
scheinung ihre  Nachbildungen  aufgesucht  und  veröffentlicht.  So  bringt  K.  Heine- 
mann  ^)  das  seit  vielen  Jahren  für  verschollen  gehaltene  Bild  des  Knaben  Goethe,  wie 
er  auf  dem  von  J.  C.  Seekatz  1762  gemalten  Eamilienbild  erscheint.  Dieses  Bild  ist 
beim  Tode  der  Frau  Rat  Eigentum  Bettinas  geworden  und  befindet  sich  jetzt  ini  Besitze 
Herman  Grimms.  Es  stellt  Herrn  und  Frau  Rat  in  Schäfertracht  in  idealer  Landschaft 
dar:  neben  ihnen  ist  der  Sohn  beschäftigt,  einem  Lamm  ein  rotes  Band  umzulegen, 
während  Cornelia  dabeisteht.  —  Aus  dem  Jahre  1776  bringt  das  von  L.  Geiger  2)  her- 
ausgegebene Goethe-Jahrbuch  als  Titelbild  die  Nachbildung  einer  dem  Goethe-National- 
Museum  aus  dem  Nachlass  der  Schwester  Joh.  Jacobys  geschenkten  Bleistiftzeichnung, 
die  G.  M.  Kraus  als  Vorlage  zu  Chodowieckis  Stich  im  29.  Band  der  Nicolaischen 
„Allgemeinen  deutschen  Bibliothek"  anfertigte.  —  Aus  viel  späterer  Zeit  stammt  die 
Zeichnung  von  Delacroix,  nach  der  im  Anschluss  an  einen  Vortrag  Aldenhovens  •^)  eine 
Nachbildung  veröffentlicht  wurde.  Im  Besitze  des  Freien  Deutschen  Hochstiftes  befindet 
sich  das  von  J,  J.  Schmeller  1826/7  gemalte  Bild  von  ,, Goethe  in  der  Laube",  ein 
Kniestück  in  Lebensgrösse.  Für  den  Verleger  der  Stapferschen  Uebersetzung  des  „Faust" 
(1828)  Hess  Goethe  von  Schmeller  eine  Kopie  des  Bildes  skizzieren.  Delacroix  zeichnete 
sie  auf  Stein,  ohne  eine  gegenseitige  Zeichnung  zu  machen:  so  giebt  die  Lithographie 
das  Spiegelbild  von  Schmellers  Skizze.  In  der  vorliegenden  Nachbildung  ist  die 
ursprüngliche  Ansicht  wiederhergestellt,  die  die  Uebereinstimmung  mit  dem  Oelbild 
nun  deutlicher  erkennen  lässt,  zugleich  aber  auch  Zarnckes  Urteil,  die  Schmellersche 
Zeichnung  sei  durch  Delacroix  ins  Wilde  umgeschaffen  worden,  auf  das  richtige  Mass 
zurückführt:  in  dem  Blicke  tritt  eine  grosse  Energie  hervor,  von  Wildheit  ist  aber 
nichts  zu  spüren.  — 


810  S.    jo  M.  2,40.  -  14)  (I  7  :  67.)  —  15)  (I  7  :  29.)  -  16)  D.  Cid.    Nach    span.  Romanzen  besungen  v.  J.  G.  Herder,   her.  t. 
E.  Groth.    Bielefeld  u.  Leipzig,  Velhagen  u.  Klasing.    X,  97  P.    M.  0,50  — 

I)  K.  Heineraann,  Goethes  Mutter.  S.  u.  IV  9b  :  63.  ilLZg.  N.  76.] |  —  2)  Goethe- Jahrbuch.  Bd.  12.  Her. 
V.  L.  Geigor.  Frankfurt  a.  M.,  Litt  Anstalt.  IV,  359  S.  M.  10,00.  [LP.  Schienther:  VZgS.  N.  22;  G.  Phulstan: 
Didaskalia  N.  142;  F.  M[authner]:  ML.  60,  .=:.  368;  W.  Buchner:  BLU.  S.  436-40;  M.  Koch:  BFDH.  7,  S.  426f.; 
B.:   NederlandSpectator  S.  323f.]|    -    3)   C.   Aldenhoven,    Eugöue    Delacroix:    BFDH.   NF.  7,   S.  65/9.    (Hiernach    d.   Notiz 


147  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  9a:  4-i6. 

Jenen  grossen  Eindruck  der  äusseren  Erscheinung  Goethes  wiederherzu- 
stellen, ist  die  Aufgabe  der  nicht  mehr  nach  der  Natur  schaffenden  Künstler,  besonders 
dann,  wenn  Goethe  in  monumentaler  Grösse  und  Bedeutung  lebendig  gemacht  werden 
soll,  öo  weist  K.  J.  Schröer*)  im  Anschluss  an  das  für  Wien  geplante  Denkmal**) 
darauf  hin,  „dass  seit  der  Enth<\llung  des  Berliner  Denkmals  durch  die  Bemühungen 
um  Erforschung  von  Goethes  äusserer  Erscheinung,  parallel  neben  der  zunehmenden 
Erkenntnis  seines  Wesens  wie  seiner  Weltanschauung,  ein  neues  Bild  von  Goethe  sich 
uns  im  Geiste  gestalten  will,  das  nach  Verkörperung  verlangt".  Er  wünscht  daher  „ein 
Bild,  nicht  vom  jungen  Goethe,  —  mit  vierzig  Jahren  ist  man  nicht  mehr  jung  — ,  aber 
von  Goethe  auf  der  Höhe  des  Lebens,  wo  seine  Erscheinung  sein  ganzes  Wesen  dar- 
stellt in  voller  menschlicher  Schönheit  und  Grösse".  Er  verlangt  ein  stehendes  Bild: 
das  beste  Material  biete  besonders  das  Bild  von  G.  0.  May  von  1779  und  das  grosse 
Bild  von  Tischbein  (1788)  im  Städelschen  Institut  zu  Frankfurt  a.  M.;  er  möchte 
wünschen,  „diese  Gestalt  erhebe  sich,  lege  den  Hut  ab,  und  wir  hätten  das  herrlichste 
Goethestandbild".  —  Zu  gleichem  Ergebnis  gelangt  Schröer  5)  in  anderem  Zusammen- 
hange, nachdem  er  Goethes  Universalität,  seine  Methode  in  der  Wissenschaft  und  seine 
Art  zu  dichten  geschildert  liat.  —  Auf  eine  Veröffentlichung  Schröers  ^)  gleichen 
Inhalts  antwortete  A.  Bettelheim '),  man  solle  das  freie  Schaffen  des  Künstlers  für 
das  Wiener  Denkmal  nicht  von  vornherein  binden:  , jeder  dieser  Goethetypen,  der 
Dichter  von  „Werthers  Leiden",  von  „Hermann  und  Dorothea",  vom  zweiten  Teile  des 
„Faust",  hat  Heimatrecht  in  Deutschösterreich".  „Anders  liegt  die  Sache  wohl  an 
Orten,  die  in  Goethes  Lebensgeschichte  dauernde  Bedeutung  gewonnen  haben."  Zur 
Erinnerung  an  die  20jährige  Wiederkehr  der  Erneuerung  der  Strassburger  Universität 
schlägt  B.  für  Strassburg  ein  Denkmal  des  ,jugendlichen  Strassburger  Studenten"  vor. 
—  In  einem  Wiener  8)  Vortrage  rühmt  Schröer^)  den  Wert  eines  Goethedenkmals:  es 
„erhebt  uns  aus  dem  Zeitalter  der  Nationalität  in  das  der  Humanität";  es  dient  „als" 
Symbol  für  den  Zusammenhang  unseres  Geisteslebens  mit  den  höchsten  Erscheinungen 
der  Kultur".  —  Wirklich  errichtet  worden  ist  ein  Goethedenkmal  zu  Philadelphia:  eine 
überlebensgrosse  Statue  von  Harry  Manger  wurde  als  Geschenk  der  Deutschen  in 
Philadelphia  der  Stadt  am  29.  Mai  übergeben  i^).  — 

Das  Interesse  an  Goethes  Persönlichkeit  selbst  erweitert  sich  auf  die 
Erinnerungsstätten,  die  mit  ihr  enge  zusammenhängen.  Dahergeht  Schröer  ")  „auf 
Goethes  Spuren"  und  erzählt  von  seinen  Eindrücken  in  Frankfurt,  Leipzig,  Strassburg, 
Weimar,  während  L.  Blume  ^2)  Goethegedenkstätten  in  Italien  aufsucht:  er  stellt  fest, 
dass  das  Haus  der  römischen  Goethekneipe  mit  der  im  besten  Zustande  befindlichen, 
von  Ludwig  I.  von  Bayern  gestifteten  Gedenktafel  nicht  mehr  Via  di  monte  Savello  75, 
sondern  infolge  baulicher  Veränderimgen  auf  der  Piazza  Montanara  zu  finden  ist.  — 
Ueber  die  Erhaltung  des  Frankfurter  Goethehauses,  seine  Wiederherstellung  und  Aus- 
stattung sowie  die  Erweiterung  seiner  Sammlungen  berichtet  die  Goethehauskommission  13) 
des  Freien  Deutschen  Hochstifts.  In  ihrem  Auftrage  werden  genaue  Pläne  des  HauseS 
sowie  Zeichnungen  aller  Räumlichkeiten  und  ihrer  architektonischen  und  ornamentalen 
Beschaffenheit  hergestellt,  die,  auf  dem  Stadtarchiv  aufbewahrt,  eine  getreue  Wieder- 
herstellung des  Gebäudes  in  allen  seinen  Einzelheiten  ermöglichen  würden.  Die  römischen 
Prospekte  sind  wieder  auf  dem  Vorplatz  angebracht  worden,  das  Gemäldezimmer  des 
Herrn  Rat  liat  durch  zwei  Bilder  des  Frankfurter  Malers  J.  Juncker  eine  Bereicherung 
erhalten.  Durch  Schenkungen  sind  die  vortrefflichen,  von  H.  Junker  im  Auftrage  des 
Hochstiites  nach  den  Weimarer  Originalen  angefertigten  Kopien  des  Ehepaares  Willemer 
in  die  Sammlung  gekommen;  ferner  als  Gegenstück  zu  dem  im  Besitze  der  Familie 
Heuser-Nicolovius  befindlichen  Kölner  Pastellbilde  der  Frau  Rat,  von  dem  das  Hoch- 
stift eine  sehr  gute  Kopie  besitzt,  ein  von  H.  Junker  auf  Grund  des  Medaillons  von 
Melchior  geschaffenes  Pastellbild  des  Herrn  Rat,  ausserdem  flinf  schon  von  H.  Pall- 
mann  (BFDH.  1890,  S.  299  ff.)  veröffentlichte  Briefe  des  Grafen  Thoranc  und  ein  Brief 
Goethes  vom  1.  Juli  1814.  Die  sämtlichen  Akten  der  von  dem  jungen  Rechtsanwalt 
Goethe  geführten  Prozesse  sowie  das  von  ihm  eigenhändig  gesclu-iebene  Gesuch  um 
Zulassung  zur  Advokatur  hat  der  Magistrat  von  Frankfurt  dem  Goethehause  zur  Auf- 
bewahrung übergeben  i'*-!^).  —  Goethes  gänzliche  Lossagung  von  seinen  äusseren  Be- 
ziehungen zu  Frankfurt  hat  R.  Jung  ^^)   klar  gelegt.     Der  Gehässigkeit  Rüppels  entgegen, 

GJb.  14,  S.  354  zu  berichtigen.)  —  41  K.  J.  Schröer,  Goethes  nassere  Erscheinung  u.  Goethe-Standbilder:  Nation".  8,  N.  42. 
(=  ChWGV.  S.  38,  40/2.)  —  4a)  X  D.  Goethe-Denkmal  in  Wien:  FZg.  N.  170.  —  5)  K.  J.  SchrOer,  Zu  Goethes  Leben  u. 
Wirken:  ChWGV.  6,  S.  14/6,  1 8 '20,  22 '4.  —  6)  id.,  Goethes  äussere  Erscheinung  n.  Goethe -Standbilder:  Nationn.  8,  S.  646'7.  — 
7)  A.  Bettelheim:  ib.  S.  669.  —  8)  X  D.  Goethe  -  Denkmal  in  Wien:  NFPr.  N*.  0812.  —  9)  X  A.  Ilg,  V.  Wiener 
Goethe-Denkmal:  FZg.  N.  281.  —  10)  ChWGV.  6,  S.  33  i[HambCorr.  N.  475.]|  —  11)  K.  J.  Schröer.  Auf  Goethes  Spuren: 
ib.  S.  34,  37/8.  —  12)  L.  Blume,  Goethe-Gedenkstitten  in  Italien:  ib.  S.  9.  —  13)  Bericht  d.  Goethehaus-Komm.  an  d.  Haupt- 
versammlung: BFDH.  NF.  7,  S.  79—82.  —  14)  X  H.  Becker,  Goethes  Vaterhans.  Mit  2  Abbild.:  D.  int«mat.  elektrotechn. 
Ausstellung  7.u  Frankfurt  a.  M.,  Heft  6,  .*<.  209—11.  —  IS)  J.  Gr..  E.  Besuch  d.  Goethehanses  in  Frankfurt:  LZgB.  N.  102. 
Sehr    eingehend.)    —    16)    K.    Jung,    D.    Ehrenbürger    d.    Reichsstadt    u.    d     froien    Stadt    Frankfurt   a.  M.:    AFrankfurtü.   3, 

10* 


IV  9a:  17-24.  V.  Valentin,  Goethe:   Ä.llgemeines.  148 

der  im  Archiv  für  Fiankfurts  Greschichte  und  Kunst  (7,  S.  55  ff.)  die  Frage  be- 
handelt hat,  warum  man  Goethe  nicht  zum  Ehrenbürger  seiner  Vaterstadt  mache, 
schliesst  er  sich  an  eine  „kleine  Darstellung"  des  Rates  Fritz  Schlosser  an,  der  selbst 
den  Austritt  Goethes  aus  dem  Frankfurter  Bürgerrecht  schwer  empfand.  Mit  sprechen- 
den Zahlen  beweist  er,  wie  schwer  auf  Goethe  die  Geldopfer  mitlasteten,  die  seit  der 
französischen  Revolution  das  Frankfurter  Gemeinwesen  zu  tragen  hatte.  Den  ersten 
Schritt,  die  drückende  Last  abzuschütteln,  unternahm  er  1812,  wohl  auf  des  haushälterischen 
Sohnes  Veranlassung.  Der  Grossherzog  von  Frankfurt,  Karl  von  Dalberg,  wollte  die 
sehr  hohen  Abzugsgelder  aus  eigener  Tasche  zahlen  und  auf  Goethe  eine  Medaille 
schlagen  lassen.  Ehe  er  dazu  kam,  hörte  das  Grossherzogtum  auf,  und  Goethe  musste 
für  1813  und  1814  wieder  750  Gulden  hergeben.  Nach  Einführung  der  Freizügigkeit 
ohne  Abzugsgelder  that  Goethe  den  entscheidenden  Schritt,  und  die  Entlassung  erfolgte 
„in  kaltverständiger,  formenhafter  Weise".  Dagegen  ernannte  die  Polytechnische  Ge- 
sellschaft Goethe  1817  zu  ihrem  ersten  Ehrenmitglied;  der  70.  und  der  80.  Geburtstag 
wurden  festlich  begangen,  und  der  immer  lebendiger  werdende  Wunsch,  das  Versäumte 
nachzuholen,  fand  in  der  Anfrage  Mariannens  v.  WiUomer  ihren  Ausdruck;  Goethe  wäes  die 
Auszeichnung  als  verspätet  zurück.  Um  so  pietätvoller  ehrte  und  ehrt  man  das 
Gedächtnis  des  Toten.  —  Ein  Badearzt  in  Marienbad i'')  berichtet  über  das  ehemals 
„Zur  goldenen  Traube",  jetzt  Goethehaus  genannte  Gebäude  in  Marienbad,  das  der 
Dichter  1821/3  bewohnt  hat.  In  einem  alten  Hausbuch  findet  sich  unter  den  Wohn- 
parteien verzeichnet:  „1.  Juli  bis  20.  August  Herr  Johann  Wolfgang  von  Goethe, 
Staatsminister  aus  Weimar."  Der  Berichterstatter  giebt  Notizen  über  die  Wohnung, 
ihren  Preis,  sowie  über  andere  Bewohner  des  Hauses.  —  Das  Goethehaus  zu  Weimar, 
das  „Goethe-National-Museum",  hat,  wie  Ruland  i*^)  hervorhebt,  durch  die  Ausdehnung 
der  ständig  zugänglichen  Ausstellung  auf  die  Räume  des  Dachstocks,  wo  die  Porträte 
der  Zeitgenossen,  Handzeichnungen,  Stiche  aufgestellt  sind,  erhöhtes  Interesse  für  die 
Besucher  erhalten.  Von  den  reichen  Schenkungen  seien  neben  zwei  Junkerschen 
Kopien  der  Bilder  von  Goethes  Eltern  (vgl.  o.  N.  13)  erwähnt  das  Porträt  Goethes  von 
G.  M.  Kraus  (vgl.  o.  N.  2),  eine  von  Junker  früher  verfertigte  Kopie  des  jetzt  ver- 
schollenen, von  Julius  von  Egloffstein  gemalten  Porträts  Augusts  von  Goethe,  das 
einzige  in  Bronze  gegossene  Exemplar  der  von  Schadow  über  Leben  geformten  Maske 
Goethes,  ein  Faksimile  des  von  Schmeller  1829  gezeichneten  Goethebildnisses,  das 
wahrscheinlich  von  H.  Lips  gezeichnete  Bildnis  der  „Euphrosyne"  Christiane  Becker. 
—  Ferner  meldet  Ruland^^)^  dass  ein  von  Moritz  von  Bethmann  dem  Grossherzog 
Karl  Friedrich  überreichter  Bronzeabguss  des  Schwanthalersclien  Medaillons  des  Goethe- 
denkmals zu  Frankfurt  jetzt  dem  Goethe-National-Museum  überwiesen  worden  ist.  — 
Eine  Schilderung  der  Kunstschätze  des  Goethe-National-Museums  entwarfen  Helferich  20) 
und  eingehend  W.  Lübke^i).  — 

Weit  mehr  noch  als  die  Persönlichkeit  Goethes  selbst  ist  das,  was  wir  ihrer 
Eigenart  an  Schöpfungen  verdanken,  Gegenstand  unablässiger  Behandlung  und  Er- 
fahrung, llu'  haben  sich  Stiftungen  und  Vereine  gewidmet,  von  denen  als  älteste  das 
Freie  Deutsche  Hoclistift  zu  Frankfurt  a.  M.  seine  Gründung  am  10.  Nov.  1859  gehabt 
hat.  Seine  Aufgaben  sind  zwar  sehr  umfassender  Art  und  durchaus  nicht  auf  das  aus- 
schliessliche Ziel  der  Goetheforschung  beschränkt:  wohl  aber  bildet  diese  einen  sehr  beträcht- 
lichen Teil  seiner  Thätigkeit.  Ueber  diese  giebt  der,  der  wissenschaftlichen  Seite  des 
Hochstifts  vorstehende  Akademische  Gesamtausschuss  jährlich  in  vier  Heften  einen  Be- 
richt22)  heraus:  die  seit  der  Neugestaltung  des  Hochstiftes  1885  erscheinenden  Berichte 
bilden  deren  „Neue  Folge".  In  ihrem  ersten  Teile  geben  sie,  meist  dem  Wortlaute 
nach,  die  in  den  satzungsgemäss  zu  Goethes  und  Schillers  Geburtstagen  veranstalteten 
Gesamtsitzungen  gehaltenen  Vorträge.  Der  zweite  Teil  bringt  die  Berichte  aus  den 
„Fachabteilungen",  der  dritte  „liitterarische  Mitteilungen",  darunter  auch  den  berich- 
tenden Abschnitt  über  „Neuere  Goethe-  und  Schillerlitt eratur"  von  Max  Koch  23). 
Daran  schliessen  sich  geschäftliche  Notizen  und  ein  ausführliches  Register.  Fast  zu  jedem 
Bande  werden  Kunstbeilagen  gegeben,  so  diesmal  ausser  Goethes  Porträt  (s.  o.  N.  3) 
Schattenrisse  von  Klinger,  Kaiser  und  Agnes  Klinger.  Die  Münchener  „Zweigstiftung" 
des  Hochstiftes  steht  mit  dem  Hochstifte  zu  Frankfurt  nur  in  losem  äusserem  Zusammen- 
hang und  bethäiigt  sich  unter  eigener  Verantwortlichkeit.  —  Ausschliesslich  auf  Goethe 
lenkt  ihre  Thätigkeit  die  Goethe-Gesellschaft,  die  ilrren  von  Ruland24)  erstatteten 
Jahresbericht  dem  Goetlie  -  Jahrbuch  anfügt.  Dieser  beleuchtet  den  Verlauf  der 
Generalversammlung    der     Goethe  -  Gesellschaft     am     31.     Mai     1890,     die     geschäft- 


S.  136—41.  —  17)  KZg.  N.  659.  —  18)  C.  Ruland,  ß.  JB.  d  Gootho-Gos.:  GJb.  IL'.^Anhang  S  12/4.  —  19)  id.,  Aus  d. 
Goethe-National-Museum  7.u  Weimar:  WeimarZg.  1890,  27.  Dez.  (Vgl.  Didaskalia  N.  13;  FZg.  N.  15.)  —  20)  H.  Helferich, 
D.  Museum  in  Weimar:  Kw.  8.  123/4.  —  21)  W.  LUbke,  Altes  u.  Neuo.'^.  Studien  ii.  Kritiken.  Breslau,  Schles.  Vfrlagsanst. 
VII,  522  S.  M.  8,00.  S.  1—29.  —  22)  Berichte  d.  Fr.  Dtsch.  Hochstifts  zu  Frankfurt  a.  M.  Bd.  7.  Frankfurt,  Gebr.  Knauer. 
VII,  75-,  487  S.  M.  6,00.  -  23j  M.  Koch.  Neuere  Goethe-  u.  Schillorlitt  :  BFDU.  7,  S.  161  ff.,395ft'.  —24)  C.  Ruland,  6.  JB. 


140  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  Da:  25-30. 

lifheii  Verhältnisse,  die  Beziehungen  zur  fjuglisclien  Goethe  -  GeHcllschaft 
sowie  die  gfuistige  finanzielle  Lage  und  die  ansehnliche  Erweitenuig  der  Bibliothek 
durch  Kauf  und  Sclienkung.  —  Daran  schliessen  sich,  von  Suphan"''*)  mitgeteilt,  die 
Nachrichten  des  Goethe-Schillerarchivs  an,  das  sich  immer  mein*  zu  ein«5r  umfassenden 
Sammlung  des  Nachlasses  deutscher  Dichter  und  dadurch  zu  einer  künftigen  Central- 
stätto  der  wissenschaftlichen  Bearbeitung  der  neueren  deutscjjen  Litteratur  erweitert. 
Statt  wie  früher  auf  der  Grossherzoglichen  Bibliothek  sind  jetzt  im  Archiv  auch  zu 
finden  der  Nachlass  von  Heinricli  Meyer  mit  47G  Briefen  Goethes  an  Meyer,  ferner 
F.  W.  Jacobis  Nachlass  in  Abschrift.  Die  Briefsammlung  ist  durch  13  Briefe  Goethes 
an  Oeser,  Friederike  Oeser  und  durcli  Stücke  des  Briefwechsels  mit  Schiller  bereichert 
worden.  Sodann  sind  Schiller,  Herder,  Wieland,  v.  Einsiedel,  Lenz,  Winckelmann  und 
in  hervorragendem  Masse  Knebel  vertreten.  Aus  einer  Reihe  bedeutsamer  Schenkungen 
von  Handschriften  stellt  die  Tendenz  einer  Ausdehnung  auf  die  gesamte  neuere 
Litteratur  besonders  die  Gabe  Julius  Rodenbergs  dar:  sie  umfasst  die  Hss.  der  letzten 
grossen  Arbeiten  von  Gottfried  Keller,  sowie  Briefe  von  ihm,  ferner  Manuskripte  von 
B.  Auerbach,  Geibel,  Anastasius  Grün,  Heyse,  Storm.  Auch  Bücher  und  Drucke  wurden 
in  stattliclier  Zahl  dem  Archiv  geschenkt.  Das  Schillerarchiv  sowie  die  Sannnlung  der 
Hss.  Wielands  stehen  der  wi.ssenschaftlichen  Forschung  frei:  einschränkende  Be- 
stimmungen bestehen  nur  für  die  Benutzung  des  Goethearchivs  im  Interesse  der  Arbeiten 
für  die  Goetheausgabe.  Der  Plan  für  die  zunächst  ersclieinenden  Bände  wird  in  dem 
Berichte  mitgeteilt.  —  Ausserhalb  Deutschlands,  aber  auf  deutschem  Boden,  bethätigt 
sich  der  Wiener  Goethe-Verein,  dessen  Chronik  von  K.  J.  Schröer^«)  herausgegeben 
wird.  Der  Jahresbericht  legt  besonders  von  den  Bemühimgen  des  Vereins  um  die  Her- 
stellung des  beabsichtigten  Goethedenkmals  in  Wien  Reclienschaft  ab  und  bericlitet  sodann 
über  die  „Goethe-Abende",  die  Entwicklung  der  Chronik,  der  Bibliothek  sowie  über 
die  geschäftlichen  Verhältnisse.  —  In  nichtdeutschem  Lande  hatte  die  englische  Goetlie- 
Gesellschaft  (The  English  Goethe-Society)  zu  Anfang  des  Berichtsjahres  mit  grossen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen :  es  wurde  sogar  der  Antrag  auf  Auflösung  der  Gesellschaft 
gestellt:  in  Deutschland  verbreitete  sich  schon  die  Nachricht,  die  Gesellschaft  habe  sich 
aufgelöst  (vgl.  JBL.  1890  IV  IIa:  50).  Der  Antrag  wurde  jedoch  nicht  angenommen. 
Es  fand  vielmelu-  durch  die  eifrige  Thätigkeit  eines  Zwischenausschusses  eine  Neu- 
gestaltung der  Gesellschaft  statt,  durch  die  der  Zweck  der  Vereinigung  in  einer  für  das 
Fortbestehen  in  einem  fremden  Lande  jedenfalls  sehr  günstigen  und  vernünftigen  Weise 
erweitert  wurde.  Nachdem  sie  1880  „for  tlie  purpose  of  promoting  the  study  of  Goethes 
work  and  thought"  gegi'ündet  worden  war,  ist  jetzt  ihr  Ziel  dahin  gerichtet  „that,  while 
always  keeping  Goethe  as  the  central  figure,  the  attention  of  the  members  might  also  be 
directed  to  other  fields  of  German  literature  art  and  science".  Die  Gesellschaft  verfolgt 
dieses  Ziel  „by  means  of  meetings,  discussions,  the  publication  of  transactions,  and  any 
other  mode  w^liich  may  from  time  to  time  seeme  advisable  to  the  governing  body". 
Von  Juli  bis  Dezember  wurden  ^'ier  Sitzungen  gehalten,  in  denen  Goethe  in  folgenden 
Vorträgen  behandelt  wurde:  Dr.  Lange,  On  Goethe  and  Kosegarten,  introducing  original 
unpublished  letters  of  Goethe;  Mrs.  Coupland,  On  Goethe  and  Jena;  R.  G.  Alford,  On 
English  Criticism  of  Goethe.  Abhandlungen  über  Goethe  bringen  die  von  Oswald-^) 
herausgegebenen  „Publications",  im  Bande  des  Berichtsjahres:  H.  Schütz -Wilson,  The 
second  part  of  „Faust";  F.  F.  Cornish,  „Der  junge  Goethe";  Tomlinson,  A  critical  exami- 
nation  of  Goethe's  Tasso ;  C.  H.  Herford,  Goethe's  Epic  Poetry:  R.  G.  Alford,  Englishmen 
at  Weimar.  — 

Eine  Persönlichkeit  wie  die  Goethes  regt  naturgemäss  dazu  an,  sie  zu  feiern, 
zumal  an  Tagen,  die  für  sie  wichtig  waren  und  für  die  Erinnerung  an  sie  bedeutungs- 
voll sind.  Ein  recht  altes  Beispiel  solcher  Feiern  erwähnt  K.J.  Schröer^S).  Sie  fand 
in  Tivoli  in  der  Villa  d'Este  statt:  unter  den  grossen  Cypressen  las  Herder  der  Herzogin 
Amalie  und  ihrem  Hofstaate  Scenen  aus  „Tasso"  vor.  Diesen  Augenblick  hat  Georg 
Schütz  in  einem  die  einzelnen  Teilnehmer  porträtmässig  wiedergebenden  Bilde  vereinigt, 
von  dem  S.  dem  Wiener  Goethe-Verein  eine  Photographie  vorlegte.  —  Mit  Vorliebe 
veranstaltete  man  von  jeher  die  Feier  des  Geburtstages:  eine  stattliche  Sammlung  von 
Gedichten,  Reden  u.  ä.,  die  zu  solchen  Festlichkeiten  verfasst  und  gedruckt 
wurden,  hat  Renner  2«)  der  Goethebibliotliek  des  Frankfurter  Hochstiftes  geschenkt. — 
Goethes  Todestag  wird  vom  Wiener  Goethe-Verein  gefeiert:  die  Festrede  hielt  diesmal 
Frhr.  von  Berger 30)  über  eine  juridische  Frage    aus  Goethes  Faust.  —  Die  Goethe- 


d.  Goetlie-Ges.:  63h.  12,  Anbang  S.  1-7.  —  25)  B.  Saph an,  Bericht  d.  Ooethtt-Schiller-Arohires  Ilirer  K.  H.  d  Fran  Gross- 
lierzugin  v.  Sachsen:  ib.  19,  Anhang  S.  8—12.  —  26)  Chronik  d.  Wiener  Goethe-Vereins.  Im  Aaftr.  d.  Wiener  Goethe-Yerefns 
her.  V.  K.  J.  Schröer.  Jahrg.  6.  N.  1—12:  46  S.  4». —  27)  Publications  of  the  Engli>h  Goethe-.Society  ed.  hy  E.  Oswald.  Bd.  6. 
18901.  134  S.  12  sh.  6  d.  (Posifrei  erhältlich  von  Mr.  A.  Xntt.  As.M.stant  Secretary  of  the  English  Goethe-Society  London' 
270.  Strand,  W.C.)  —  28)  K.  J.  SchrOer,  Unter  d  Cypressen  d.  Villa  d'Este:  ChWGV.  «.  S.  39.  —  29)  J.  F.  Ch.  Renner,' 
Sammlung  v.  Festgedichten  u    Festredeo  zu  Goethes  Geburtsfeiern:   BFDH.  NF.  7,   S.  73.    —   38)  A.  Ton  Berger,   E.  jurid. 


IV  9a:  31-46.  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  150 

Gesellschaft  verbindet  ihre  Feier  mit  ihrer  Generalversammlung:  am  7.  Mai  sprach 
Valentin  ^1)  über  die  Einheit  der  Goetheschen  Faustdichtung  und  ihren  Schlüssel,  die 
klassische  Walpurgisnacht;  die  Namenzusammenstimmung  brachte  ein  Witzblattes)  zu 
der  Frage,  ob  „Valentin"  sich  von  einer  gewissen  Animosität  Faust  gegenüber  frei- 
halten könne ;  sicherlich  habe  er  über  den  Verkehr  im  Schwertleinschen  Hause  manches 
Neue  und  für  Goetheforscher  sehr  Interessante  beigebracht.  —  Das  Freie  Deutsche 
Hochstift  feierte  den  Geburtstagi:  die  Festrede  hielt  Siebeck^s)  über  die  Grundzüge  zu 
Goethes  Lebensphilosophie.  — 

Besonders  erfolgreich  ist  das  Bestreben,  Goethes  unmittelbare  Einwirkung 
auf  Zeitgenossen  in  der  Sammlung  seiner  Gespräche  zu  erhalten.  Sie  unermüdlich 
aufgespürt  und  ganz  vortrefflich  zusammengestellt  zu  haben  ist  das  hohe  Ver- 
dienst W.  von  Biedermanns  3*),  dessen  ebenso  mühevolles  wie  schön  gelungenes  Werk 
nun  abgeschlossen  vorliegt  und  sich  ungeteilten  Beifalls  erfreuen  darf.  0.  Lyon  weist 
in  seinen  „Erläuterungen"  darauf  hin,  wie  alle  Aeusserungen  Goethes  nur  im  Zusammen- 
hange mit  seiner  ganzen  Person  und  seinem  ganzen  Wesen,  niemals  vereinzelt  und  aus 
ihrem  Zusammenhang  herausgerissen  zu  betrachten  sind.  „Viele  seiner  Aussprüche 
stellen  nur  einen  Durchgangspunkt  seiner  Entwicklung  dar,  alle  sind  nichts  Anderes, 
als  aus  dem  jeweiligen  Zustande  seiner  lebendigen  Persönlichkeit  herausgewachsene  Ge- 
danken und  Erfahrungen."  —  Wie  Goethe  auf  die  Entwicklung  bedeutenderer  Zeitgenossen 
eingewirkt  oder  gar  massgebend  in  sie  eingegriffen  hat,  zeigt  ein  Blick  auf  die 
Lebensabrisse,  wie  sie  in  den  beiden  dem  Berichtsjahre  angehörenden  Bänden  der 
Allgemeinen  Deutschen  Biographie  vorliegen.  Muncker^o)  berichtet  über  die  Be- 
ziehungen F.  Schlegels  zu  Goethe;  von  Waldberg^ß)  erzählt  von  F.  W.  V.  Schmidt, 
wie  er  den  Plan  einer  umfassenden  beurteilenden  Geschichte  der  romantischen  Poesie 
mit  Dante  und  Shakespeare  als  Mittelpunkt  gehabt  habe :  bedeutende  Anregungen  gingen 
ihm  für  diesen  Plan  von  Goethes  „Propyläen"  zu.  W^enn  auch  dieses  Werk  nicht  zu- 
stande kam,  so  tritt  der  Einfluss  jener  Studien  doch  bedeutungsvoll  in  anderen  Schriften 
Schmidts  hervor.  —  Pröhle^'?)  beschreibt  eingehend  Leben  und  Werke  des  märkischen 
Naturschilderers  Schmidt  von  Werneuchen:  „eine  Kritik  Tiecks  über  den  „Almanach 
der  Musen  und  Grazien  in  der  Mark"  scheint  Goethes  Spottgedicht  auf  Schmidt  ver- 
anlasst zu  haben".  —  G.  A.  Scholl  findet  durch  R.  Scholl  ^s)  eingehende  Behandlung: 
seine  grosse  Bedeutung  für  die  Goethelitteratur  ist  nur  Eine  Seite  seines  reichen 
geistigen  Lebens,  das  allein  die  ihm  eigentümliche  Behandlungsweise  litterarischer 
Denkmäler  durch  die  überall  vorhandene  Verschmelzung  historischer  und  ästhetischer 
Betrachtung  ermöglichte:  in  ihr  vollstes  Licht  traten  diese  Vorzüge  in  seinen  Arbeiten 
über  die  neuere  deutsche  Litteratur,  unter  denen  die  über  Goethe  obenan  stehen: 
„Goethes  Briefe  an  Frau  von  Stein"  und  „Goethe  in  Hauptzügen  seines  Lebens  und 
Wirkens",  1882  kurz  vor  seinem  Tode  erschienen.  —  M.  Koch  39)  berichtet  über  G.  F. 
E.  Schönborn,  der,  mit  Klopstock,  Gerstenberg,  H.  P.  Sturz,  den  Brüdern  Stolberg  be- 
freundet, dem  nordischen  Litteraturkreis  angehörte:  ihn  sowie  Gerstenberg  und  Goethe 
versprach  Klopstock  1774  dem  Haine  zu  verbinden.  Zu  seiner  Beurteilung  sind  wir 
auf  seine  Freunde,  darunter  auch  Goethe,  angewiesen,  die  alle  sowohl  seinem  Charakter 
wie  seinen  Fähigkeiten  hohes  Lob  zollen.  —  F.  Kummer ^O)  schildert  die  persönlichen 
Beziehungen  von  Johanna  Schopenhauer  zu  Goethe:  eine  Beschreibung  der  Gemälde 
Goethes,  Schillers,  Herders  und  Wielands  von  Kügelgen  war  ihre  erste  litterarische 
Arbeit.  K.  teilt  Goethes  Urteil  über  ihren  berühmtesten  Roman:  ,, Gabriele"  mit.  — 
Ihres  grösseren  Sohnes  Beziehungen  zu  Goetli^  behandelt  H.  Liepmann*!):  als 
Frucht  des  persönlichen  Verkehrs  verfasst  Schopenhauer  seine  Abhandlung  ,,Ueber 
das  Sehen  und  die  Farben",  in  der  er  für  Goethe  gegen  Newton  eintrat.  —  Der 
Astronom  H.  L.  F.  Schrön  beschäftigte  sich,  wie  S.  Günther  ^2)  erwähnt,  auf  die  An- 
regung seines  Gönners  Goethe,  an  der  Sternwarte  zu  Jena  mit  Meteorologie:  ,,der  grosse 
Dichter  rühmte  mehrmals  die  ungemeine  Schärfe  der  Wolkenbeobachtung  des  jungen 
Gelehrten".  Die  älteren  Jahrgänge  seiner  mit  höchstem  Fleisse  angestellten  Witterungs- 
beobachtungen vermochte  Schrön  nur  dadurch  zu  veröffentlichen,  dass  Goethe  die  Re- 
gierung veranlasste,  die  Druckkosten  zu  übernehmen.  —  Schletterer  *3)  giebt  ein  ein- 
gehendes Bild  des  Lebens  der  Corona  Schröter  und   ihrer  Beziehungen  zu  Goethe.     In 


Frage  aus  Goethes  „Faust":  ChWGV.  6,  S.  17/8.  (Vgl.  u.  IV  9e:117).  —  31)  V.  Val  entin  ,  D.  Einheit  d.  Goetheschen  Faustdichtung: 
DDichtung  10,  S.  126/8, 143/7,  175/7.  (Vgl.  u.  IV  9e  :  84.).  —  32)  Kladderadatsch  44,  N.  20.  —  33)  H.  S  ieheck,  GrundzUge  zu  Goethes 
Lebensphilos.  |[FZg.  N.  243.]|  —  34)  W.  v.  Biedermann,  Goethes  Gespräche.  S.  u.  IV  9b  :  22.  |[W.  Büchner:  BLU. 
8.  1/2;  S.  789—40;  W.  K[awerau]:  MagdebZg.  N.  554;  H.  C.  Kellner:  LZg».  N.  23  u.  135;  0.  Lyon:  ZDU.  S.  588-607.]| 
—  35)  F.  Muncker,  F.  Schlegel:  ADB.  33,  S.  737—52.  (Vgl.  u.  IV  11.)  —  36)  M.  v.  Waldberg,  F.  W.  V.  Schmidt: 
ih.  82,  S.  14/6.  —  37)  H.  Pröhle,  F.  W.  A.  Schmidt  gen.  Schmidt  v.  Werneuchen:  ib.  S.  24/6.  —  38)  R.  Scholl,  G.  A. 
Scholl:  ib.  8.  218—24.  —  39)  M.  Koch,  G.  F.  E.  Schöiiborn;  ib.  S,  'J80/1.  — 40)  F.  Kummer,  Johanna  Schopenhauer:  ib. 
S.  346|9.  —  41)  H.  Liepmann,  Arthur  Schopenhauer:  ib.  S.  333—46.  —  42)  S.  Günther,  L.  F.  Schrön:  ib.  S.  555/6.  — 
43)  Schletterer,  Corona  Schröter;  s.o.  IV5:90.  —  44)  D.  Jacoby,  K.  E.  Schubarth:  ib.  S.  606-12.-45)  F.  BrUmmer, 


151  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  9a:  4«-5s. 

der  Beurteilung  von  Goethes  Heirat  steht  er  noch  auf  dem  Standpunkt  A.  Stahrs;  so 
sympathisch  uns  auch  die  edle  Gestalt  Coronas  erscheint,  so  berechtigt  sie  doch  nicht 
zu  einer  solchen  Verdammung  Christianens,  über  die  das  Urteil  doch  allmählich  ein 
recht  anderes  geworden  ist.  —  D.  Jacoby**)  schildert  den  philosophischen  und  ästhe- 
tischen Schriftsteller  K.  E.  Schubarth,  der  ,, durch  Goethes  IVilnahme  der  Vergessen- 
heit für  immer  entrissen"  worden  ist.  Durch  eine  kleine  Schrift  „Zu  Goethes  Beurtei- 
lung", die  späterhin  zu  einem  zweibändigen  Werk  erweitert  wurde:  „Zur  Beurteilung 
Goethes,  mit  Beziehung  auf  verwandte  Litteratur  und  Kunst",  trat  Schubarth  dem 
Dichter  nahe,  der  von  nun  an  nicht  müde  wurde,  für  ihn  zu  sorgen:  er  erlebte  noch 
die  Freude,  ihn  ,,in  das  bürgerliche  Tagesleben  eingeführt  zu  sehen",  als  Schubarth 
1830  an  das  Gymnasium  zu  Hirschberg  kam.  Der  letzte  Brief  Goethes  an  ihn  ist  fünf 
Wochen  vor  des  Dichters  Tode  geschrieben.  ,,Kaum  begegnet  man  einmal  Schubarths 
Namen  bei  den  Goetheerklärern  .  .  .  Goethes  Persönliclikeit  mit  ihrer  vollendeten  Har- 
monie zwischen  Geist  und  Natur,  mit  ihrer  Geschlossenheit  und  Ganzheit  war  sein  Vor- 
bild geworden  .  .  .  Indem  er  dei\  Zusammenhang  in  Goethes  Werken  nachwies  .  .  .  indem 
er  besonders  ein  richtigeres  Verständnis  des  ,, Faust",  vor  allem  der  Gestalt  Mephistos 
zu  verbreiten  suchte,  ward  Goethe  ihm,  nach  seinen  eigenen  Worten,  gleichsam  das 
Symbol  des  Wahren  und  Falschen,  das  er  an  der  modernen  Natur  anerkennen  oder 
ablehnen  musste."  —  F.  Brummer 45)  hebt  den  Einfluss  Goethes  auf  die  Dichtungen 
von  August  Schumacher  hervor;  KFränkel^^)  berichtet  ausführlich  über  den  Vf  von 
„Goethes  Philosophie"  und  anderen  Arbeiten  über  Goethe,  F.  K.  J.  Schütz;  Pröhle*') 
erzählt  von  dem  Weimarer  Original,  Dr.  Stephan  Schütze,  der  mit  Goethe  im  Hause 
der  Schopenhauer  verkehrte,  aber  Goethes  Haus  selbst  nicht  besuchen  wollte.  Schütze 
lernt  Goethe  dort  1800  kennen  und  gewinnt  seine  Gunst  durch  ein  Gespräch  über  das 
Erscheinen  Klärchens  am  Schlüsse  des  „Egmont".  Seiner  Begeisterung  für  Goethe  pflegte 
er  an  den  Geburtstagen  durch  ein  Carmen  Ausdruck  zu  geben;  dennoch  scheint  er  an 
Goethes  höherer  Richtung  keinen  sehr  lebhaften  Anteil  genommen  zu  haben.  — 
R.  Jung*8)  schildert  den  geistreichen  Erklärer  von  Werken  Goethes,  Konrad  Schwenck, 
Th.  Schön ■*'>)  den  durch  seinen  Verkehr  mit  Goethe,  Schiller,  Herder  zu  einer  Ueber- 
setzung  der  „Blüten  gi-iechischer  Dichter"  angeregten  Freiherrn  Leo  von  Seckendorff.  — 
D.  Jacoby^o)  weist  darauf  hin,  wie  Friedrich  v.  Sallet  seine  Zeit  genau  kennt  und 
scharf  beurteilt:  die  Poesie  sei  die  Verkündigung  der  echten,  d.  h.  geistig  verklärten 
Wirklichkeit.  Goethe,  ,,der  einzige,  der  es  in  Deutschland  gewusst  und  durch  die  That 
gezeigt  hat,  ist  vielfach  pfäffisch  verketzert  und  unrein  verehrt  worden".  —  H.  A.  Lier**) 
giebt  über  die  Heldin  des  Goetheschen  Gedichtes  „Johanna  Sebus"  Mitteilungen.  — ) 
R.  Keilö2)  verwendet  eine  Reihe  von  Gedichten,  um  an  sie  biographische  Erläuterungen 
über  Goethes  Beziehungen  zu  Käthchen  Schönkopf,  Friederike,  Lili,  Frau  von  Stein, 
Corona  Schröter  und  die  schöne  Mailänderin  zu  knüpfen.  K.  hebt  das  Bestehen  eines 
Liebesverhältnisses  Goethes  zu  Corona  Schröter  hervor,  das  von  1776 — 81  gewährt 
habe.  Die  heftige  Eifersucht  der  Frau  von  Stein,  die  den  harmonischen  Abschluss 
jenes  innigen  Verhältnisses  zu  verliindern  wusste,  hätte  dann  die  endliche  Entscheidung 
der  Beziehungen  Goethes  zu  ihr  hervorgebracht:  „Als  der  Frau  von  Stein  im  Jahre 
1781  Goethes  Neigung  zu  Corona  Schröter  der  Verlust  des  Geliebten  drohte,  verlor  ihr 
Liebesverhältnis  zu  ihm  den  früheren  platonischen  Charakter."  Hieraus  würde  sich 
dann  weiter  Goethes  Bestreben,  diesem  ungesunden  und  auf  die  Dauer  unmöglichen 
Verhältnisse  zu  entgehen,  begreifen  lassen:  seine  Flucht  nach  Italien  wäre  nur  die 
äussere  Ausführung  einer  wohl  schon  längst  im  stillen  sich  vorbereitenden  Zurück- 
ziehung, aus  der  die  Eifersuchtsausbrüche  der  Frau  von  Stein  zu  verstehen  wären. 
Goethes  Reise  sei  nicht  nur  eine  Bildungsreise,  sondern  eine  Befreiungsreise  gewesen 
zur  „Befreiung  aus  dem  Hofdienst,  aus  der  Enge  des  deutschen  Kleinstaates  und  dem 
wesenlos  gewordenen  Verhältnis  zu  Frau  von  Stein".  So  wird  er  in  Italien  fl\r  die 
Reize  der  schönen  Mailänderin  empfänglich,  durch  die  ihn  ein  wertlierähnliches  Schicksal 
traf:  sie  war  bereits  Braut.  —  K.  J.  Schröer  ^3)  erzählt  von  dem  Zusammentreffen  des  Dänen 
Oehlenschläger  mit  Goethe  1806 :  er  fand  die  beste  Aufnalime,  und  Goethe  beabsichtigte, 
Dramen  von  Oehlenschläger  aufzuführen,  was  durch  die  kriegerischen  Ereignisse  unmöghch 
wurde.  Bei  einem  zweiten  Besuche  1809  fülilt  sich  Oehlenschläger  durch  die  Zurück- 
sendung  eines  unleserlichen  Manuskriptes,  die  Goethe  mit  dem  Wunsche  begleitete, 
die  Handschrift  bald  gedruckt  zu  sehen,  so  gekränkt,  dass  er  von  Goethe  mit  Eklat 
Abschied  nahm.     S.  veröffentlicht  aus  der  ersten  Zeit  ein  Briefchen    Oehlenschlägers    an 


Aug.  Schumacher:  ib.  33,  S.  30/1.  —  48)  L.  Frank»!,  F.  K.  J.  Schütz:  ib.  S.  117-20.  —  47)  H.  PrOhle,  Stephmn  SchBtx« 
ib.  S.  146  7.  -  48")R.Jutip,  K.  Schwende:  ib.  S.  377.  —  49)  Th.  Schön,  Fr.  K.  Leopo"d  Frhr.  t.  Seckendorff:  ib.  S.  .M».  — 
50)  D.  Jacoby,  F.  v.  Sallet:  ib.  S.  717-27.  —  51)  H.  A.  Lier,  .Johanna  Sebns:  ib.  S.  510  1.  —  52)  K.  Keil.  E.  Goethe- 
Strauss.  Jugendgedichte  Goethes  nach  d.  Hs.  d.  Dichters  v.  17H8  biogr.  erl.  Stuttgart,  Dtsch.  Verlagsanst.  1%  S.  U.  5,00 
(Mit  10  Illnstr.   u.    e.   £ubigen  Lichtdruck:    D.  schone  Hmiltuderin.      Vgl.  o.  IV  9c  :  12).    —   SS)  K.  J.  SohrOsr,  Oo«the  n. 


IV  9a:  47-67.  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  152 

Riemer,  worin  die  Begeisterung  sich  kräftig  ausdrückt.  —  Schröerß-*)  berichtet  ferner 
von  einem  Besuche,  den  der  Komponist  und  Sänger  Johann  Carl  Gottfried  Loewe  als 
Student  bei  Goethe  in  Halle  1820  machte  ^5).  —  Bei  Gelegenheit  der  Grillparzerfeier 
schildert  K.  J.  S ehr ö er  »6)  in  einem  Vortrage  ausführlich  die  Beziehungen  Grillparzers 
zu  Goethe  im  Anschluss  an   die    in  Grillparzers    Selbstbiographie    gegebene    Erzählung. 

—  Den  Brief,  in  dem  Grillparzer  über  diesen  Besuch  an  Katharina  Fröhlich  geschrieben 
hat,  veröffentlicht  das  Grillparzer- Jahrbuch &''),  während  Max  Koches)  Grillparzers 
Beziehungen  zu  Goethe  vom  litterarhistorischen  Standpunkt  im  Zusammenhange  mit  der 
Gesamtentwicklung  des  österreichischen  Dichters  betrachtet 5^).  — 

Aus  unmittelbaren  persönlichen  Beziehungen  hervorgegangene  Aeusserungen 
und  Urteile  über  Goethe  finden  sich  in  Briefen  von  Zeitgenossen.  Wieland  warnt 
am  22.  Juli  1776  in  einem  durch  Linckelmann  ^o)  mitgeteilten  Schreiben  den  Leibmedikus 
Zimmermann:  „Glauben  Sie  nicht  leicht,  wenn  Sie  was  absurdes  und  schlechtes  von 
Weimar  hören.  Ich  bin  zwar  blosser  Spectator  von  allem,  was  passiert:  aber  Sie  können 
mir  glauben,  es  geht  so  gut  als  möglich."  Er  beruft  sich  darauf,  dass  Zimmermann  ihn 
„und  Goethen  und  die  Höfe  und  die  Höflinge  und  die  dethronisierten  Hofmeisters  und  die 
Menschen  überhaupt"  kenne.  —  Friedrich  Leopold  von  Stolberg,  dessen  Briefe  an  Voss 
Hellinghaus  ^^)  vorlegt,  giebt  1784eine  warm  gehaltene  Charakteristik  vouGoethe,  „der  die 
Wahrheit  selber  ist",  und  betont  dessen  Verehrung  für  Lavater.  —  J.  G.  Müller 
tadelt  an  einer  Stelle  seines  durch  Hang  62)  veröffentlichten  Briefwechsels  mit  Joh. 
Müller  Goethe  wegen  der  „Xenien" :    „Wir  sind  berufen  aufzubauen,  nicht  zu  zerstören." 

—  Auch  Gräfin  Schimmelmann  will,  wie  wir  durch  B  o  b  e  ^^^  hören,  von  den  „Xenien" 
nichts  wissen  und  freut  sich,  dass  Schiller  ihr  schreibt,  man  brauche  solche  Waffen 
nur  einmal,  um  sie  dann  für  immer  niederzulegen;  im  übrigen  ist  sie  für  Schiller  wegen 
seines  Verkehrs  mit  Goethe  besorgt,  wie  sie  denn  besonders  Misstrauen  hegt  gegen 
,,dies  Weib,  welches  die  Mutter  seines  Sohnes  ist":  sie  freut  sich  jedoch,  dass  dieser 
Sohn  gut  erzogen  wird,  und  erkennt  an,  dass  Goethe  in  dem  jungen  von  Stein  das 
Muster  eines  Jünglings  erzogen  hat.  —  Weit  schärfer  urteilt  Stapfer,  der  Vater  des 
Eaustübersetzers,  in  einem  durch  Luginbühl^*)  bekannt  gemachten  Schreiben  über 
Goethe,  durch  dessen  Einwirkung  die  deutsche  Litteratur  zwar  noch  nicht  im  Verfall, 
wohl  aber  im  Delirium  sei.  Er,  die  Schlegel,  andererseits  die  Ultrakantianer,  hätten 
die  Sprache  zur  Entartung  gebracht  und  die  Geister  auf  eine  falsche  Bahn  gelenkt.  — 
Am  schlimmsten  erscheint  aber  Goethe  in  der  Schilderung  eines  „Denkers" 
unserer  Tage,  namens  Mügge^^),  der  sein  Elaborat  schon  mit  einem  aufregenden  Titel 
ausstattet.  Das  Problem  von  Goethes  Geist  ist  „von  jetzt  ab  ein  für  alle  Mal  gelöst", 
,,wenn  wir  den  Schlüssel  seiner  geistigen  Welt  in  der  Sinnenwelt  suchen".  ,, Goethe 
war  gar  kein  Poet.  Das,  was  man  gewöhnlich  für  Naivität  zu  halten  pflegte,  war 
raffinierte  Schamlosigkeit,  und  sein  letztes  Atom  Naivität  bewusste  Heuchelei,"  Sie 
erscheint  besonders  in  Tasso,  der  „höchsten  Gattung  der  treulos-polygamisch-sinnlichen 
Poesie".  Von  einem  Gedankengang  ist  bei  M.  keine  Rede,  eine  Variation  des  Grund- 
themas löst  die  andere  ab.  Im  zweiten  Teile  wird  der  verderbliche  Einfluss  Goethes  auf 
Schiller  dargethan.  Der  Vf.  erzählt,  dass  eine  vorhergehende  Arbeit,  der  der  halbe  Grimm- 
preis der  Berliner  Universität  zu  teil  wurde,  ,,auch  nach  ihrer  totalen  Umarbeitung  von 
dem  Herrn  Geheimrat  (Herman  Grimm)"  für  den  Druck  abgelehnt  wurde:  M.  darf 
sehr  bedauern,  dass  eine  so  wohlthätige  Hand  niclit  auch  über  dieser  zweiten  Arbeit 
gewaltet  hat.  — 

Den  unmittelbarsten  schriftlichen  Ausdruck  der  Persönlichkeit  geben  die 
Briefe.  Eine  möglichst  vollständige  Sammlung  der  Briefe  Goethes  giebt  die  Weimarer 
Ausgabe  seiner  Werke.  Von  E.  von  der  Hellen*'*^)  herausgegeben,  ist  der  siebente 
Band  erschienen:  er  enthält  die  Briefe  vom  1.  Jan.  1785  bis  zum  24.  Juli  1786.  Bei 
diesem  wichtigen  Abschnitt,  dem  Tage  der  Abreise  nach  Italien,  halten  die  Herausgeber 
zunächst  ein,  um  die  ganze  erste  siebenbändige  Sammlung  mit  einem  umfassenden 
Register  auszustatten  sowie  Nachträge  und  Berichtigungen  zu  geben.  Der  Band  bringt 
fünfzehn   bisher   ungedruckte  Briefe  (2067,  2102,    2126,    2198,    2200,    2228,    2260,    2275 


öhlenschläger :  CLWGV.  6,  S.  14,  25/6.  —  54)  id.,  Loewe  bei  Goethe:  ib.  S.  43/4.  —  55)  X  F.  C.  Arnold:  Neue  Cristoterpe 
S.  138-76.  —  56)  K.  J.  Schröer,  Grillparzer  bei  Goethe:  ChWGV.  6,  S.  4-8.  —  57)  JbßrillparzerG.  1,  S.  106/7.  —  58)  Max 
Koch,  F.  Grillparzer.  E.  Charakteristik.  (.=  Schriften  des  Freien  Deutschen  Hochstiftes.)  Frankfurt  a.  M.,  Gebr.  Knauer. 
40  S.  M.  1,00.  (Vgl.  u.  IV  13.)  —  59)  (IV  9b  :  72—114.)  —  60)  Dr.  Linckelmann,  Aus  d.  Briefwechsel  d.  Leibmedicus 
J.  G.  Zimmermann  in  Hannover:  AZg".  N.  128.  —  61)  Briefe  F.  L.  Grafen  zu  Stolberg  u.  d.  Seinigen  an  J.  H.  Voss.  Nach  d. 
Orig.  d.  Münchener  Hof-  u.  Staatsbibl.  mit  Einl.,  Beil.  u.  Anm.  her.  v.  0.  Hellinghaus.  Münster  i.  W.,  Aschendorff.  LV, 
524  S.  M.  8,00.  —  62)  D.  Briefwechsel  d.  Brüder  J.  Georg  Müller  u.  Joh.  Müller  1789-1809,  her.  v.  E.  Hang.  1.  Halbbd. 
1789—99.  Frauenfeld,  Huber.  XII,  218,  57  S.  M.  5,00.  —  63)  L.  Bobö,  Ernst  u.  Charlotte  Schimmelmann  in  ihrem  Verh. 
BU  Schiller:  Nation".  8,  S.  575/8.  (Vgl.  u.  IV  10.)  —  64)  Aus  Ph.  A.  Stapfers  Briefwechsel.  Her.  v.  R.  Luginbühl.  2  Bde. 
(=  Quellen  z.  Schweizer  Gesch.  11/2.)  Basel,  Geering.  V,  CXLII.  400,  522  S.  M.  20,00.—  65)  R.  MUgge,  U.  Brandmal  d,  Seele 
oder  Schiller  u.  Goethe.  Bromberg,  Gruenauersche  Buchdr.  64  S.  M.  71.00.  (6  Exemplare  M.  300,00  — ;  unbemittelten  Künst- 
ern, Jungfrauen,  Studenten  u.  Schülern  gratis  gegen  VorgUtigung  von  20  Pf.  Wert  in  Briefmarken  v.  Vf.)  |[Gesellsch.  II, 
S.  1687j8]|.    —    66)   Goethes   Werke.    IV,  7  her.  v.  E.  v.  d.  Hellen.    S.  u.  IV  9a  :  2.  -  67)  Goethes  Werke.    Her.  im  Auf- 


153  V.  Valontin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  9a:  «8-73. 

teilweise;,  2350,  235K,  215a,  345a,  4«1  a,  K)Ha,  203i>a).  Die  mit  Sicherheit  datierten 
Briefe  ^elien  bis  2347.  An  sie  t-cliliesst  sich  als  besondere  Gruppe  eine  Anzahl  von 
undatierten  Briefen,  die  jedoch  alle  in  die  Zeit  vor  der  italienischen  Reise  fallen  (234H 
bis  2489).  Auf  den  kritischen  Apparat  folgt  ein  Anhang,  der  für  alle  sieben  Bände 
Nachträge  sowie  Berichtigungen  zu  Text  und  Lesarten  bietet.  Das  Personen-  und 
Ortsregister  enthält  sämtliche  Namen  mit  Nachweis  aller  Stellen  und  durch  besondere 
Schrift  angedeutet  di^  Nummern  der  Briefe  sowohl  bei  den  Namen  der  Empfänger  wie 
bei  den  Namen  der  Orte,  von  wo  aus  sie  gegeben  sind.  —  Gleichfalls  von  E.  von  der 
Hellen*^'')  herausgegeben  ist  noch  ein  zweiter  Band  Briefe  erschienen,  der  neunte  in 
der  Gesamtfolge.  Er  umfasst  die  Nummern  2657 — 292H  und  damit  die  Zeit  vom 
18.  Juni  1788  bis  zum  8.  Aug.  1792.  Bisher  ungedruckte  Briefe  enthält  er  zwanzig 
(2(>58,  2687,  27ü7,  274(5,  2767,  2789,  2H08,  2811,  2827,  2838,  2847,  2852,  2K55,  2871, 
2883,  2884,  2899,  2921,  2922).  Mit  2756  hören  die  Briefe  an  Charlotte  von  Stein  auf; 
neue  Beziehungen,  teils  ktinstlerischer,  teils  wissenschaftlicher  Art,  kntipfen  sich  an. 
Den  Lesarten  sind  noch  die  „Poslreclniungen"  angefügt,  wie  sie  sich  in  zeitlicher  Folge 
aus  einer  Zusammenfügung  der  vierteljährigen  Abrechnungen  des  Kaiserlichen  und  des 
sächsischen  Postamtes  sowie  der  Notizen  der  Ausgabebttcher  Goethes  und  seiner  Diener- 
schaft ergeben.  Den  Abschluss  macht  für  die  Jahre  1790  und  1791  ein 
grösstenteils  eigenhändig  von  Goethe  geführtes  „Briefverzeichnis",  zum  Teil  mit  kurzer 
Inhaltsangabe.  —  Eine  bedeutsame  Vennehrung  der  Briefe  Goethes  bringt  Steig*®) 
durch  Veröffentlichung  der  nach  Umfang  und  Gegenstand  der  Behandlung  ein  in  sich 
geschlossenes  Ganzes  bildenden  Korrespondenz  zwischen  Therese  v.  Jakob  (Talyj)  und 
Goethe  über  die  Uebersetzung,  Druckfertigstellung  und  Drucklegung  der  serbischen 
Volkslieder.  Dieser  wertvolle  Beitrag  entstammt  dem  Goethe-  und  Schüler-Archiv: 
Suphan  hat  den  Text  für  die  Herausgabe  hergerichtet  und  zu  den  Goethebriefen 
meist  auch  die  textkritischen  Noten  angefügt.  Der  Herausgeber  hat  den  ganzen  Brief- 
wechsel mit  erläuternden  Anmerkungen  versehen.  Besonders  bemerkenswert  ist  der 
Plan  der  Reihenfolge  der  Dichtungen,  durch  den  Goethe  Talvjs  Absicht  einer  rein  zeit- 
lichen Folge  ersetzt  hat  (vgl.  Brief  10):  er  ist  besonders  lehrreich  für  die  Frage,  wie 
Goethe  eine  solche  Aufgabe  betrachtete,  und  gestattet  Rückschlüsse  auf  sein  Verfahren 
bei  seinen  eigenen  Gedichtsammlungen.  —  K.  J.  Schröer^^)  veröffentlicht  unter  Dar- 
legung der  Beziehungen  Goethes  zu  dem  Altgrafen  Hugo  Franz  zu  Salm  das  Antwort- 
schreiben Goethes  auf  seine  von  diesem  bedeutenden  Mann  unterzeichnete  Ernennung 
zum  Ehrenmitgliede  der  kaiserlich-königlichen  mährisch-schlesischen  Gesellschaft  des 
Ackerbaues:  Goethes  Schreiben  ist  vom  20.  Juli  1817  datiert  und  erwähnt  die  ihm  jetzt 
gegönnte  „Absonderung  und  Müsse",  womit  seine  Zurückziehung  von  der  Theaterver- 
waltung angedeutet  ist.  S.  schliesst  die  Veröffentlichung  eines  bisher  unbekannten 
Briefes  Carl  Augusts  an,  der  vielleicht  an  Goethe  gerichtet  ist.  —  Heuer '<')  benutzt 
bisher  unbekannte,  im  Besitze  eines  Enkels  von  Kaysers  Schwester  Christine,  Herrn 
B.  Reges  zu  Frankfurt  a.  M.,  befindliche  Briefe:  ausser  zahlreichen  Schreiben  Kaysers  an 
die  Seinigen  sind  zwei  bisher  unbekannte  Briefe  Goethes,  einer  der  Grafen  Stolberg, 
mehrere  von  Klinger  sowie  viele  Sclu-eiben  der  Barbara  Schulthess  dort  erhalten.  Die 
Briefe  Goethes,  der  Stolberg  sowie  ein  Brief  Philipp  Seidels  und  verschiedene  Briefe 
Klingers  sind  abgedruckt.  —  Ruland''')  veröffentlicht  Goethes  Antwort  auf 
den  gleichfalls  abgedruckten  Brief  Seebecks  über  Farben phänomene  und  weist  auf  zwei 
weitere  Schreiben  Goethes  an  Professor  Schweigger  wegen  der  entoptischen  Farben 
hin.     Diese  Briefe  sollen  in  der  Weimarischen  Ausgabe  veröflfentlicht  werden '2).  — 

In  unmittelbare  Berühnuig  mit  der  Litteratur  tritt  Goethes  persönliche  Thätig- 
keit  durch  seine  Uebernahme  der  Leitung  des  Weimarischen  Theaters  im  Jahre  1791. 
Z\xr  Jubelfeier  dieses  Ereignisses  schildert  C.  A.  H.  Burkhardt  ^■*)  das  Repertoir  des 
Theaters  unter  Goethes  Leitung  bis  1817.  Er  legt  die  Hauptzüge  der  Geschichte  dieser 
Leitung  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  materiellen  Seite  dar  und  giebt  eine  Ueber- 
sicht  über  die  Filialen  des  Theaters,  durch  die  die  materielle  Existenz  des  Haupttheaters 
lange  Zeit  hindvirch  erst  ermöglicht  wurde:  die  Gesamtgastspiele  wurden  auf  Lauch- 
städt,  Rudolstadt,  Erfurt,  Halle  und  Leipzig  ausgedehnt.  B.  hat  mit  grosser  Mühe  und 
Sorgfalt  ein  genaues  Verzeichnis  aller  sowohl  in  Weimar  wie  in  den  übrigen  Städten 
aufgeführten  Dramen  hergestellt  und  diesem  chrunologischen  Verzeichnis  ein  alphabetisches 
beigefügt,    das  zugleich  die  Aufführungstage  angiebt:    ein    sehr    wertvolles  Material    für 


trage  der  Grossherzogin  Sophie  v.  (wachsen.  IV,  9  (t.  E.  t.  d.  Hellen.)  Weimar,  Bohlao.  XII,  397  S.  M.  4,20.  —  68)  B. 
Steig,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  u.  Therese  7.  Jakob.  S.  u.  IV  9b  :  4.  :[M.  Koch:  BFDH.  7,  S.  428 f.) |.  —  69)  K.  J. 
Schröer,  Altgraf  Hugo  Franz  zu  Salm  u.  Goethe.  S.  u.  IV  9b  :  13.  —  70)  0.  Heuer,  Ph.  Chr.  Kayser,  Goethe  u.  Elinger. 
S.  u.  rv  9b  :  7.  ^  71)  C.  Kuland,  Zu  Goethes  naturwissenhcbaftlichen  Forschungen.  S.  u.  IV  9b  :  5.  —  72)  V.  Valen- 
tin: BFDH.  7,  S.  206.'7.  —  73)  C.  A.  H.  Burkhardt.  P.  Repertoir  d.  Weimar.  Theaters.  S.  o.  IV  5  :  68.  I[1I.  Koch: 
I;FDH.  7,  S.  439;  R.  Gen6e:  NZg.  N.  169;  E.  Kiiian:  AZ?».  N.  102;  Didaskalia  N.  109;  A.  t.  Weilen:  DLZ.  12,  S.  1682; 
PrJbb.  67,  S.  714;ö;  DR.  16,  3,  S.  12S;  M.  Roediger:  ASNS.  S7,  S.  55;    HambCorr.  N.  331;    BambNaehrS.  N.  10;  J.  Minor 


IV  Pa:  74-79.  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  154 

litterarhistorische  und  ästhetische  Forschung.  Zunächst  fällt  die  Vorurteilslosigkeit  auf, 
mit  der  Goethe  den  Bedürfnissen  des  Publikums  durch  Vorführung  der  Tageswerke 
entgegenkommt,  um  dadurch  freiere  Bewegung  für  die  Erreichung  seiner  ästhetischen 
Ziele  zu  gewinnen.  —  Auf  der  so  geschaffenen  Grundlage  lassen  sich  fortführende 
Einzeluntersuchungen  weiterbauen.  So  hat  C.  Heine  ^4)  die  in  Weimar  aufgeführten 
ausländischen  Dramen  zusammengestellt  und  mit  dem  Anteile  des  Auslandes  am  Berliner 
Spielplane  verglichen. 's)  —  W.  von  Biedermann  76) -y^Teist  darauf  hin,  dass  „eine  gründ- 
liche Darlegung  von  Goethes  Wirksamkeit  als  Bühnenleiter  eine  noch  zu  lösende  würdige 
Aufgabe"  ist.  Er  giebt  die  Quellen  zu  einer  solchen  Arbeit  an  und  vermehrt  sie  durch 
einen  bisher  ungedruckten  Brief  Goethes  an  Kirms,  teilt  sodann  einige  Ergebnisse  einer 
Nachprüfung  des  Burkhardtschen  Buches  und  seiner  Quellen  mit  und  bietet  schliesslich 
zur  „Eeier  des  Jubeltages"  „ein  paar  ungedruckte  Aktenstücke".  Sie  beziehen  sich  auf 
den  in  Weimar  zuerst  aufgetretenen  Sohn  der  Schauspielerin  Unzelmann,  wobei  Goethes 
Verhältnis  zu  der  herzoglichen  Kommission  klar  gestellt  wird,  sowie  auf  den  Eintritt 
der  Frau  Genoveva  Weber,  der  Mutter  Carl  Marias,  in  das  Hoftheater  zu  Weimar.  77)  — 
Einen  Ueberblick  auf  Grund  des  bis  dahin  vorliegenden  Materiales  giebt  Wähle  78)  in 
seiner  dem  Hoftheater  zum  7.  Mai  1891  gewidmeten  Festschrift.  Er  geht  von  den  Zu- 
ständen der  deutschen  Bühne  im  18.  Jh.  aus  und  stellt  dem  gegenüber  die  Bedeutung 
der  Gründung  des  Hamburger  Naiionaltheaters  und  der  weimarischen  Hofbühne.  Hatte 
jenes  das  Verdienst,  eine  Reform  der  Theaterzustände  angebahnt  zu  haben,  so  nahm 
von  Weimar  aus  das  neue  Ideal  des  Dramas  und  das  neue  Ideal  der  Schauspielkunst  seinen 
Ausgang.  Nach  einer  Schilderung  der  theatralischen  Vergangenheit  Weimars  zeigt  W. 
besonders  das  Verdienst  der  Herzogin  Anna  Amalia  um  die  Förderung  des  Theaters 
bis  zum  Schlossbrand  1774.  Da  ist  es  dann  Goethe,  mit  dessen  Eintritt  in  die  Weimarer 
Kreise  das  Interesse  an  der  Bühne  neue  Nahrung  erhält:  er  ist  die  Seele  des  Lieb- 
habertheaters, das  auf  ihn  selbst  einen  bedeutenden  Einfluss  ausübte:  sein  bisher 
mehr  allgemein-ästhetisches  und  dichterisches  Interesse  am  Theater  erhielt  die  ent- 
schiedene Richtung  aufs  Praktische.  Nachdem  inzwischen  auf  Antrieb  der  Herzogin  Anna 
Amalia  ein  neues  grosses  Haus  gebaut  worden  war,  wo  die  Bellomosche  Gesellschaft 
bis  1791  spielte,  übernahm  nun  Goethe  selbst  die  Leitung  des  Theaters:  „Der  7.  Mai, 
an  dem  das  weimarische  Hoftheater  eröffnet  wurde,  ist  epochemachend  in  der  Geschichte 
des  Theaters  sowohl  als  in  der  Geschichte  unserer  Litteratur."  W.  stellt  in  grossen 
Zügen  dar,  was  Goethe  im  Vereine  mit  Schiller  diesem  Theater  und  damit  zugleich  dem 
ganzen  deutschen  Theater  geworden  ist.  Beigegeben  sind  Abbildungen  Carl  Augusts. 
Goethes,  Schillers,  der  Christiane  Neumann,  der  Jagemann,  Graffs  und  Pius  Alexander 
Wolffs,  endlich  die  Ansichten  des  alten  Theaters  (1779 — 1825)  und  des  neuen  Theaters 
soMde  eine  Nachbildung  des  Zettels  vom  7.  Mai  1791  („Die  Jäger"  von  Iffland).  — 
Den  Einfluss  der  griechischen  Bühnendichter  auf  Goethes  eigene  Bühnendichtung  stellt 
Morsch  78a)  (llar.  Der  Zweck  seiner  Arbeit  ist  „zunächst  weiter  nichts  als  eine  möglichst 
vollständige  Zusammenstellung  alles  dessen,  was  Goethes  Verhältnis  zu  den  griechischen 
Dramatikern  erläutert:  Stellen  aus  Goethes  Werken,  Briefen,  Unterredungen  usw., 
welche  seine  eigenen  Studien,  Urteile,  wie  mitunter  die  seiner  nächsten  auf  ihn  ein- 
wirkenden Umgebung  enthalten,  dann  natürlich  Verse,  Scenen  aus  seinen  antikisierenden 
Dramen,  verglichen  mit  solchen  der  alten  Dichter."  M.  begleitet  Goethes  dichterische 
Entwicklung  unter  diesem  Gesichtspunkt  von  seiner  frühesten  Bekanntschaft  mit  der 
griechischen  Dichtkunst  bis  zu  der  am  3.  März  1832  gethanen  Aeusserung  Goethes,  er 
wolle  sich  noch  einmal  an  den  „Phaethon"  des  Euripides  machen.  Beachtenswert  für 
den  Charakter  der  Arbeit  ist  der  Gesichtspunkt,  unter  dem  M.  die  angeführten  Parallel- 
stellen betrachtet:  „mit  ihrer  Anführung  soll  nicht  etwa  gesagt  sein,  dass  Goethe  jede 
einzelne  Stelle  vor  Augen  gehabt  hat,  vielmehr  soll  nur  gezeigt  werden,  wie  er,  grössten- 
teils unbewusst,  den  richtigen  Ton  zu  treffen  versuchte."  — 

Unter  den  reichen  Beziehungen,  die  Goethes  umfassende  Persönlichkeit  zu  be- 
gonderen  Lebensrichtungen  unterhalten  hat,  steht  die  zu  Kunst  und  Künstlern  obenan; 
in  erster  Linie  kommt  die  bildende  Kunst  in  Betracht.  In  seine  früheste  Zeit 
geht  das  Verhältnis  zu  J.  K.  Seekatz,  dem  Maler  in  Goethes  Vaterhaus,  zurück:  ihm  widmet 
Katzenstein  7ö)  eine  Lebensübersicht,  bei  der  das  Verhältnis  zu  dem  Goetheschen 
Hause  indessen  nur  sehr  spärlich  erörtert  wird.  Für  das  Kunstiuteresse  des  Studenten 
Goethe  legt  der  Eintrag  Zeugnis  ab,  den  in  Verbindung  mit  „Dr.  Schlosser  aus  Frank- 
furt am  Majm"  „Goethe  aus  Frankfurt  am  Mayn"  in  dem  Fremdenbuch  des  Richterschen 


GGA.  S.  682/4;  Nation».  8,  S.  608;  Grenzboten  II,  S.  346/7.] I  —  74)  C.  Heine,  D.  ansland.  Dramen  im  Spielplan  d.  Weimar. 
Theaters:  ZVLB.  NF.  4,  S.  319  ff.  —  75)  X  I'ina  Schneider,  Goethe  als  Tooneeldirecteur:  NedorlSpectator  S.  188—90.  — 
76)  W.  V.  Biedermann,  Am  7.  Mai  1791.  S.  u.  IV  9b  :  8.  —  77)  XX  Goethe  als  Thoaterdirektor:  SammlorA.  N.  58.  (Be- 
richt Über  Suphaiis  Vortr.  [1892  gedruckt]  )  —  78)  J.  Wähle,  D.  Weimar  Hoftheater  unter  Goethes  Leitung.  Z.  Feier  d.  100. 
Jahrestages  ».  Gründung  Braunschweig,  Westermann  4«.  29  S.  M.  1,50.  |[PrJbb.  67,  S.  715'6.]|  (S.-A.  aus  WIDM.  70, 
S.  390—415.)  -  78a)  H.  Morsch,  Goethe  u.  d.  griech.  Bühnendichter.    Leipzig,  Fock.    1890.    l«.    53  S.    M.  2,50.  —   79)  L. 


155  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  9a:  80-88. 

Kabinettes  gemacht  hat:  J.  Vogel  *">)  theilt  in  seiner  Beschreibung  der  Leipziger  Kunst- 
sammlungen ein  Faksimile  davon  mit.     Der  in  „Dichtung  und  Wahrheit"  bei  der  Stelle 
„Einer  Stadt  kann  kein  grösseres  Glück  begegnen  ..."  (W.  A.  27,  S.  162)  erwähnte 
Kunstfreund    F.  W.  Kreuchauff,    der    Vf.    des  Katalogs    der    Winklerschen    Sammlung, 
„das  geistige  Oberhaupt    der    ganzen  Kunstgomeinde,  ihr  Berater  und  sachverständiger 
Lenker"  wird  dabei  ausführlicli  geschildert,     V.  weist  darauf  hin,  dass  der  von  Goetlie 
dort  gebrauchte  Ausdruck  ,,Kiuists(»cietät"  keineswegs  ein  allgemeiner  Begrüf  ist,   dass 
vielmehr  die  ,, Errichtung  einer  Societät  von  Gelehrten,  schönen  Geistern,  Künstlern  und 
Kunstbeförderern"  ausdrücklich   bezeugt  wird.      Diese  von    Richter    begründete    Gesell- 
schaft hielt  regelmässige,  vielseitig  anregende  Zusammenkünfte  ab,  durch  die  auch    an- 
gehenden Künstlern  die  weitest  reichende  Unterstützung  ihrer  Studien    zu    teil    wurde. 
—  Ueber    J.  G.  Schütz,    ein    Mitghed    der  Frankfurter  Kttnstlerfamilie,    den  Goethe  in 
Rom    kennen    lernte,    berichtet    Stricker 8');    den    in  Rom     178G    ermordeten   Medail- 
leur   und  Siegelstecher  Josef  Schwendimann,  dessen  mitten  in  aufstrebender  Thätigkeit 
jah  hereingebrochenen  Tod  Goethe  tief  beklagte,  schildert  Th.    von    Liebenau^).  — 
Massgebend  eingegriffen    hat  Goethe    in    die    Entwicklung    der    Malerin    Luise    Seidler, 
deren  Leben  und  Schaffen  H.   A.  Lierö-')    erzählt,    während    H.  Holland 8*)    in    seiner 
ausführlichen  Schilderung  des  Lebens  und  Schaffens    von  Moritz    von    Schwind  auf  die 
„wahre  dithyrambische  Anerkennung"  hinweist,  mit  der  Goethe  den  jungen  Künstler  be- 
grüsste.  —  Besondere  Seiten  solcher  Beziehungen  hebt  Bechstein^^)  im  Anschluss  an 
Harnacks   „Nachgeschichte  der  italienischen  Reise"  hervor:    er   giebt    einzelne  Berichti- 
gungen   und    Erläuterungen     und    spricht     ausführlich    über    das    dem   Baroccio    zuge- 
schriebene Bild.  —  Noll  86*)  weist  in  seiner    verdienstlichen  Arbeit    über  Hundeshagen, 
der  „in  der  verhältnismässig  kurzen  Zeit,  die  zwischen  seinem  Dasein  (1784 — 1858)  und 
heute  verstrichen  ist,   fast    ganz    der  Vergangenheit    anheimgefallen",    darauf   hin,    dass 
Goethe  in  dem  regen  Verkehr    mit  ihm    und   Sulpiz  Boisser^e    in  Wiesbaden  1815  eine 
günstigere  Ansicht  über  die  altdeutsche  Kunst  gewonnen  hat:  er   nimmt  einen  Teil  des 
Verdienstes,  Goethes  Anschauungen  speciell  zu  Gunsten    unserer    mittelalterlichen  Bau- 
kunst modifiziert  zu  haben,  für  Hundeshagen  in  Anspruch:  Goethe  gedenkt  selbst  rühmend 
der    Verdienste    Hundeshagens     um     den     Palast     Friedrichs    I.     zu    Gelnhausen.    — 
J.  Bayerns)  will  nachweisen,  „dass  das  künstlerisch  fachmännische  Verhältnis  Schinkels 
zur  Gotik  im  allgemeinen  imd  ganz  speciell  znr  Dombaufrage  in  Köln  ein  ähnliches  war 
wie  das  nur  beurteilende  und  beschauende  Veihältnis  Goethes  in   derselben  Angelegen- 
heit".    Zu  diesem  Zweck  wirft  er    einen  Blick    auf  Goethes  Beziehungen    zur  Gotik  in 
seiner  Strassburger  Jugendzeit^')  und  dann  wieder,  nach  der  Anregung  durch  die  Brüder 
Boisseree,  in  späterem  Alter.     Schinkel  und  Goethe  hielten  sich    gleichmässig  fern  von 
der  „patriotisch-religiösen  Erregung  der  Gemüter"  und  vermengten  die  künstlerische  Be- 
deutung des  Stiles  nicht    mit   der  kirchlich-symbolischen.     Beide    standen    daher    einem 
Weiterbau  des  Kölner  Domes  kühl  gegenüber  und  erklärten  sich  für  Erhaltung  des  Be- 
stehenden.    Ganz  besonders    aber   war    die  Verpflanzung    der  Gotik    in    die  Gegenwart, 
der  gotische    Neubau,    durchaus    nicht    im    Sinne    Goethes.  —  Noch  vollendeter  ist  die 
Uebereinstimmung  Goethes    mit  Schinkel    zum  Ausdruck  gekommen,  wo  beide  auf  dem 
ihrer  innersten  Natur  am  meisten  zusagenden  Gebiete,    dem  Anschluss    an    die  Antike, 
zumal  in  Griechenland,  sich  begegnen.     Eingehend    und    treffend    schildert  Dobbert^) 
dies  Verhältnis.     Von  einem  Gegensatze  zwischen  Schadow  und  Goethe  ausgehend,  der 
durch  ein  Urteil  Goeihes  über  die  Berliner  Kunst  veranlasst  war,  legt  D.  den  allmählich 
eingetretenen  Ausgleich  zwischen  dem  Kritiker  und  dem  Künstler  dar  und  zeigt  .sodann, 
wie  ein   schönes    persönliches    Verhältnis,    veranlasst    durch    die    unter    Goethes    Ober- 
leitung ausgeführte  Arbeit  an  dem  Blücherdenkmal  für  Rostock,  sich  gestaltete  und  seit 
1806,  als  Schadow   nach  Weimar    kam,    sich    befestigte.     Damals    modellierte    Schadow 
des  Dichters  Profil  in  Wachs,  eine  Arbeit,  die  später   einer  Medaille   zu   Grunde  gelegt 
wurde;  auch  Goethes  Gesicht  wurde    abgeformt:    darnach    schuf   sodann    Schadow    die 
Marmorbüste,  die  jetzt  in  der  Nationalgalerie  sich  befindet.    Die  Uebereinstimmung  des 
Bildkünstlers  und    des    Dichters    ist   jetzt    so    gross,    dass    die    von    Schadow    für    das 
Blücherdenkmal  gewählte  antikisierende    „heroisch-dichterische  Bekleidung"    nicht    dem 
Bildkünstler  von  dem  Dichter  aufgezwungen  ist,  sondern  von  ihm  selbst  herrührt:    nur 
die  symbolisch-allegorischen  Motive    der  Sockelreliefs    sind  auf  Goethe    zurückzuführen. 
Die  Zusammenkunft  beider  im  J.  1820  wurde    durch    die  Teilnahme  Rauchs,  "F.  Tiecks 


Katzenstein,  J.  K.  Seekatz:  ADB.  33,  S.  674/5.  —  80)  J.  Vogel,  Leipziger  KansUammlangen  d.  vor.  Jh.  Mit  Abbild.: 
ZBK.  NF.  2,  S.  123/7;  146/9.  -  81)  W.  Stricker,  J.  G.  Schütz.  AD3.  33.  S.  108.  —  82)  Th.  t.  Liebenan,  J.  Schwendi- 
mann: ib.  S.  401/3.  —  83)  H.  A.  Lier,  Luise  Peidler:  ib.  .S.  642'5.  —  84)  H.  Holland,  Moritz  von  Sehwind:  ib.  S.  449—«». 
—  85)  B[echstei]n:  RostockZg  N.  15.  —  85.')  J.  NoU,  H.  B.  Hundesbagen  n.  seine  Stellang  i.  Bonumtik,  nebst  zwei  B«iL 
(Briefen  J.  Grimms)  rrograinm  N.  378.  Frankfurt  a.  M.,  Enz  n.  Rudolph.  4«.  45  S.  —  86)  J.  Bayer,  Goethe, 
SiJiiiilcol  u.  d  Gothjk:  NZg.  44,  N.  226,  229.  —  87)  X  T.  V.,  Z.  inneren  Gesch.  d.  „gotischen  Tendenzen"  d.  jungen  Goethe: 
HambNachry.  N.  24/5.    —   88)  E.  Dobbert,    Goethe  u.  d.  Berliner  Kunst.      Rede  geh.  am  Geburtstage    S.  M.  d.  Kaisers  in  d. 


IV  9a:  80-93.  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  156 

und  des  Staatsrats  Schultz  verschönert.  Die  hedeutsamen,  von  Goethe  gewonnenen  An- 
regungen ermutigten  Schinkel,  auf  seinem  Wege  weiterzugehen:  entsprach  doch  die  Art, 
wie  Schinkel  hei  seiner  ersten,  seinem  Genius  angemessenen  architektonischen  Aufgabe, 
der  Schaffung  des  Berliner  Schauspielhauses,  die  von  ihm  in  ihrer  feineren  Eigentüm- 
lichkeit erkannten  Formen  griechischer  Baukunst  den  modernen  Bedürfnissen  anzu- 
passen wusste,  so  ganz  Goethes  Kunstidealen.  Aber  auch  zu  Rauches)  wurden  die 
persönlichen  Beziehungen  zugleich  mit  der  Uebereinstimmung  auf  dem  Kunstgebiete 
immer  engere.  So  war  es  Goethes  Wunsch,  sein  in  Frankfurt  schon  seit  1819  ge- 
plantes Denkmal  möchte  von  Rauch  ausgeführt  werden.  Allein  weder  der  Entwurf  zu 
einer  Kolossalbüste  gelangte  zur  Verwirklichung,  noch  der  von  Goethe  günstig  beur- 
teilte Entwtirf  zu  einer  Statue.  Von  der  herzlichen  Freundschaft  zeugt  der  Brief- 
wechsel, besonders  der  Brief  Goethes  von  1827,  den  A.  v.  Humboldt  als  einen  der 
schönsten  Briefe  bezeichnete,  die  er  je  gelesen  habe.  In  diesem  Zusammenleben  zeigt 
sich,  wie  sich  das  Urteil  Goethes  über  Berlin  allmählich  umgewandelt  hat:  hatte  er 
früher  die  Musen  und  Grazien  in  der  Mark  verspottet,  dann  die  Engherzigkeit  des 
künstlerischen  Schaffens  getadelt,  so  erkennt  er  jetzt  die  Bedeutung  Berlins  für  Kunst 
und  Wissenschaft  im  höchsten  Grade  an  und  sagt:  „ich  lebte  dort  mehr  als  ich  sagen 
kann."  —  Ein  jüngerer  berühmter  Bildhauer  steht  zu  Goethe  dadurch  in  Beziehung, 
dass  er  ein  Goethedenkmal  geschaffen  hat:  es  ist  Schwanthaler,  dessen  Leben  und 
Schaffen  H.  Holland 9^)  eingehend  schildert.  —  Die  Geschichte  der  Entstehung  des 
Frankfurter  Goethedenkmals  erzählt  E.  Jung'-*!).  Schwanthaler  hatte  die  Ausführung 
des  Modells  unentgeltlich  übernommen  und  den  grossen  Teil  einer  Ehrengabe  den 
Stadtarmen  geschenkt:  da  ernannte  ihn  der  Senat  zum  Ehrenbürger.  —  Ein  anderes  be- 
sonderes Gebiet  behandelt  A.  Heusler^^).  Er  verfolgt  Goethes  Beziehungen  zur 
italienischen  Kunst  von  den  ersten,  durch  den  Vater  vermittelten  Jugendeindrücken  an 
und  zeigt  die  Entwicklung  dieser  Beziehungen,  indem  er  zunächst  auf  Oesers  bedeut- 
samen Einfluss  hinweist,  der  einen  Bruch  mit  dem  herrschenden  Kunstgeschmack,  der 
Freude  am  Rokoko  und  am  Zopfstil,  herbeiführte.  Im  Sinne  Winckelmanns  verweist  Oeser 
auf  das  Altertum  und  lässt  von  neueren  Meistern  nur  die  gelten,  in  denen  das  ihm 
als  das  charakteristischste  Merkmal  des  Altertums  Erscheinende,  die  „edle  Einfalt",  die 
sich  hier  als  Grazie  und  Glätte  der  Form  äusserte,  am  meisten  hervortrat:  die  Eklektiker 
von  Bologna.  Goethes  gesunde  Natur  verhinderte  ihn  aber  nicht,  in  Dresden  Gefallen 
an  den  Niederländern  zu  finden,  in  denen  er  die  ihm  bekannte  Natur  wiedererkannte, 
und  ebenso  versteht  er  die  Grossartigkeit  des  Strassburger  Münsters  nachzuempfinden. 
Aber  diese  Begeisterung  für  die  Gotik  ist  nur  ein  Intermezzo.  Er  wendet  sich  in 
Weimar  den  Studien  der  Renaissancebaukunst  zu,  liest  mit  Frau  v.  Stein  R.  Mengs  und 
kommt  so  nach  Italien,  das  er  nicht  mehr  in  fieberhaftem  Schwelgen,  sondern  ruhig 
und  sicher  beurteilt.  Seinem  Volkmann  und  den  von  diesem  vertretenen  Zeitgeschmack 
gegenüber  macht  er  sich  frei,  ohne  von  dessen  Führung  unbeeinflusst  zu  bleiben. 
Goethes  Interesse  wendet  sich  der  antiken  Baukunst  zu:  der  modernen  nur,  insoweit 
sie  denselben  Gesetzen  folgt  wie  diese.  In  der  Malerei  teilt  Goethe  die  Vorliebe  seiner 
Zeit  für  die  Eklektiker,  gewinnt  sich  aber  ein  eigenes  freies  Urteil  über  Michelangelo 
und  Raffael.  Die  moderne  italienische  Skulptur,  die  gar  nichts  Antikes  bietet,  übergeht 
er  mit  Schweigen.  Bedeutsam  ist  sein  treffendes  Urteil  über  Mantegna.  Dennoch  bleibt 
der  Einfluss  der  italienischen  Kunst  auf  Goethe  so  beschränkt,  dass  „neben  der 
Bedeutung,  welche  die  antike  Kunst  als  Ausdruck  antiker  Lebensstimmung  für  Goethes 
Denken  und  Dichten  gewann,  sich  von  einem  „Einfluss"  der  italienischen  Kunst  kaum 
sprechen  lässt".  Was  ihn  von  der  Kunst  selbst  eines  Michelangelo  und  Raffael  trennte, 
war  „ihr  specifisch  christlicher  Inhalt".  Er  findet  überall  „immer  Leiden  der  Helden, 
nie  Handlung":  der  rein  menschliche  Gehalt  kann  ihn  freilich  hier  und  da  über  diesen 
Mangel  hinaussetzen.  Goethe  hat  sich  selbst  als  Kunstforscher  bewährt:  im  „Cellini", 
in  der  „Reise  am  Rhein"  und  in  anderen  Aufsätzen  fiber  Kunst.  Aber  jetzt  erscheint  er 
nicht  mehr  als  einer,  der  kennen  lernt  und  in  eigener  Person  urteilt:  er  lässt  eigene  Vor- 
liebe, eigene  Abneigung  nicht  mehr  hervortreten.  —  Von  Goethes  eigener  bildnerischer 
Thätigkeit  liegen  unveröffentlichte  Zeugnisse  vor.  Heuer  92a)  teilt  die  Nachbildung  von 
drei  Silhouetten  mit,  die  aus  der  Kayserschen  Familie  stammen.  In  ganzer  Figur  erscheint 
Kayser  selbst,  von  Klinger  dagegen  und  seiner  Schwester  Agnes  nur  die  Köpfe.  Auf 
der  Rückseite  dieser  letzten  Silhouette  steht  von  einer  Frauenhand  des  vorigen  Jh. 
der  Vermerk:  „A.  Klinger,  nachherige  verehelichte  Anthäus,  von  Wolfgang  Göthe  ge- 
fertigt." Die  beiden  anderen  Silhouetten  nennen  ihre  Urheber  nicht:  Kayser  hat  die 
seinige  mit  seiner  eigenhändigen  Unterschrift  versehen.  —  R.  Keil^^b)  veröffentlicht  das 


Akad.  d.KUn8teani27.Jan.:NZg.44,  N.69,  71.  —  89)  X  W.  L  tt  bke,  Altes  u.  Neues.  S.  o.  N.  16.  S.397-407.  —  90)  H.  Holland, 
F.  Schwanthaler:  ADB.  33,  S.  191-204.  -  91)  R.  Jung,  1).  Ehrenbürger  d.  Stadt  Frankfurt.  S.  o.  N.  16.  —  92)  A.  Heusler, 
Goethe  u.  d.  iUl.  Kunst.    Basel,  Keioh.    41  S.    M.  1,00.    |  [Kw.  S.  204  f.]  |    -  92a)  S.  o.  N.  70.  -  92  b)  S.  o.  N.  52.  -  93)  H. 


157  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  9a:  M-ios. 

von  Goethe  selbst  ausgeführte  Bild  der  schönen  Mailänderin,  Signora  Pa  .  .  .  S  .  .  ,  z: 
F.  Preller  rühmte  davon,  dass  jeder  noch  so  bedeutende  Künstler  sich  die  Arbeit  zur 
Ehre  rechnen  köinit(5.  Goethe  hatte  das  Aquarell  mit  anderen  italienischen  Zeich- 
nungen und  A(juarc]len  in  ein  besonderes  Paket  gelegt,  wo  sie  alle  siebenunddreissig 
Jahre  ruhten.  Als  sein  ehemaliger  Privatsekretär,  der  Bibliothekar  Rat  Kräuter,  ihn 
früh  morgens  am  28.  Aug.  IH'25  beglückwünschte,  machte  er  das  Paket  „seinem  ersten 
(intulanten''  zum  Geschenk.  Durch  Erbschaft  ist  das  Bild  der  schönen  Mailänderin  in 
den  Besitz  K.s  gekommen,  der  es  nun  in  erfreulicher  Weise  allgemein  bekannt  ge- 
macht hat.  — 

Goethes  Beziehungen  zu  einer  anderen  Kunst,  zu  der  Musik,  werden  mehrfach 
erwähnt.  Wolti  ^•')  schildert  Goethes  EinHuss  auf  Schubert:  „Der  Wecker  dieses  Liebesfrüh- 
lings war  Goethe."  —  öch letterer  "*)  giebt  Nachricht  von  Anton  Schweizer  (Schweitzer), 
dem  Komponisten  von  „Erwin  und  Elmire".  —  Wasielewski 'ö)  berichtet  über  Schu- 
manns Kompositionen  Goethescher  Dichtungen  9*).  —  Max  Friedländer^')  veröffent- 
licht unter  Beigabe  treffender  Erläuterungen  eine  Reihe  von  Musikerbriefen,  die  teils  an 
Go  ithe  gerichtet  sind,  teils  zu  der  Autographensammlung  Goethes  gehören.  Die  erste 
Reihe  bilden  neun  Briefe  von  Felix  Mendelssohn  an  Goethe  von  1822  bis  1831,  die 
drei  letzten  von  grossem  Umfang  und  besonderem  Interesse;  sodann  ein  Brief  Schuberts, 
der  von  Goethe  freilich  nicht  beantwortet  wurde,  ein  Schicksal,  das  er  mit  dem  weiter- 
hin veröifentlichten  Briefe  von  Berlioz  teilt:  die  von  beiden  Künstlern  übersandten 
Kompositionen  konnten  dem  Geschmacke  Goethes  in  der  Musik  nicht  zusagen.  Hieran 
schliessen  sich  aus  der  Handschriftensammlung  Goethes  zwei  Briefe  Mozarts,  ein 
deutsch  und  ein  italienisch  geschriebener.  ^'8-99^  — 

Goethes  Stellung  zur  Religion  ist  in  einigen  wenig  erquicklichen  Arbeiten 
erörtert  worden.  J.  Friedrich'^)  reiht  an  Auszüge  aus  Vilmar  und  Lewes  Auszüge  aus 
Goethes  Werken  selbst,  die  bekanntesten  Stellen,  die  irgend  welche  Beziehung  zum 
Christentum  haben.  Nicht  einmal  ein  Schlusswort  wird  gegeben,  das  etwa  das  Ergebnis 
im  Zusammenhange  darstellte,  so  dass  zur  Kundgebung  der  Wertlosigkeit  des  Schrift- 
chens für  die  Wissenschaft  nichts  fehlt.  —  Julia  H.  Gulliver  i^ij  untersucht  vom 
Standpunkt  des  gläubigen  Christentums,  ob  Goethe  an  einen  persönlichen  Gott  geglaubt 
habe  oder  nicht.  Sie  verwirft  die  Auffassung,  dass  Goethe  kein  Christ  gewesen  sei 
und  hält  an  Goethes  Auffassung  von  der  Gottheit  als  einem  individueDen  Wesen  fest. 
Sie  giebt  jedoch  zu,  dass  Goethes  „teaching  on  this  point  is  shadowy,  vague,  unsatisfactory", 
entschuldigt  dies  aber  damit,  dass  Goethe  mehr  dem  18.  als  dem  19.  Jh.  angehöre: 
Goethe  konnte  das  Wunder  noch  als  „a  blasphemy  against  the  great  God  and  his  reve- 
lation  in  Nature"  halten:  „to  regard  miracles  as  violations  of  inviolable  law  is  to-day 
an  inexcusable  anachronism."  Dieser  Anschauung  gemäss  trägt  die  Abhandlung  den 
Charakter  einer  frommen  Betrachtung,  nicht  einer  wissenschaftlichen  Untersuchung,  die 
für  die  Weiterforschung  in  Betracht  käme  '0ä-i02a^.  —  Ein  ungenannter  Verfasser  '^3)  stellt 
dagegen  Goethe  dar  als  eine  Hauptquelle  des  „significant  and  widely-extended  movement 
in  our  time,  which  has  been  called  te  New-Paganism".  Er  geht  von  der  grossen 
geistigen  Bewegung  des  18.  Jh.  aus,  in  dem  der  Prophet  der  Gottheit  Jean  Jtacques 
gewesen  sei.  Drei  Pilgrime  ziehen  nach  Rom,  um  mit  Hilfe  von  Statuen,  Gemälden, 
Ruinen  die  Vision  der  längst  vergangenen  Zeit  wachzurufen:  Winckelmann,  Lessing, 
den  der  Vf.  seinen  „Laokoon"  schreiben  lässt,  nachdem  er  dort  „Laocoon  face  to  face" 
gesehen  hatte,  und  Goethe.  Au  sie  schloss  sich  eine  Fülle  von  „Humanisten",  aber 
keiner  „will  compare,  in  breadth  of  influence  or  large  achievement,  with  Goethe".  Im 
Anschluss  an  Spinoza  lernte  Goethe  „to  diride  between  light  and  dark":  aber  er  wie 
Schiller  wendet  sich  der  Lichtseite  als  Künstler  zu:  „the  immortality  in  which  they 
believe  is  a  visible  endurance  of  the  form  of  things  .  .  .  not  a  second  world  to  restore 
the  balance  of  the  first".  Goetlie  hat  sich  zwar  anerkennend  über  das  Christentum 
ausgesprochen,  aber  seiner  Toleranz  ist  es  doch  nur  „a  form  of  art" :  „Religion  itself  is 
but  a  dialect;  and  the  Christian  hero-worship  a  variety  of  that  dialect".  In  Goethes 
Ueberzeugung  „it  was  a  principle  that  ,Humanity'  atones  for  all  sius";  die  Folge  ist, 
dass  „the  heart  of  existence  for  man  is  man  himself".  — 

Eine  ganz  andere  Beleuchtung  der  Frage  nach  Goethes  religiösen  Ueberzeugungen 
giebt  eine  Veröffentlichung,   die  Goethes  Verhältnis  zur  Philosophie  klärt  und  fördert: 


Welti,  Schubert.  S  o.  IV  4  :  228.  —  94)  Schletterer,  Anton  Schweiier:  ADB.  83,  8.  371/3.  —  95)  W»si«lew»ki, 
Schumann.  S.  o.  IV  4  :  229.  —  96)  X  ChWGV.  5,  S.  4;J.  (Vortrag  Loewesoher  Kompositionen  an  e.  Gtoethe- 
abend.)  -  97)  M.  FriedUnder,  Musikerbriefe.  S.  u.  IV  9b  :  23.  IM.  Koch:  BFDH.  7.  S.  428.]  |  — 
98)  X  H.  Helferich,  Goethe  u.  Mozart:  Kw.  S.  124.  —  99)  X  A.  Heim,  Einige  Ausspruche  Goethes  x.  Bechtfertignug 
d.  Oper  als  Kunstwerk:  AMusikZg.  18,  S.  7.  —  100)  J.  Friedrich,  D.  GUube  Goethes  n.  Schillers.  Halle,  Kaenunerer. 
87  S.    M.  2,00.—  101)  Julia  H.Gulliver,  What  ralue  has  Goethe's  thougt  of  God  for  us?:  Andorer  Beriew  16,3.133—45.  — 

102)  X  V.  W.,    Goethe    u    d.  Bibol:    HambCorr.  N.  590.        102a)  X  Max  Müller,  Phisical    Religion:   Nation«.  9,  3.  59—60.  — 

103)  Neo-Paganism  (Goethe:   S«mmtliche  Werke.    Berlin,  1873.     F.  Schiller:    Briefwechsel  mit  Goethe.     Stuttgart,   1881,  u.  a.): 


IV 9a:  104-109.  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  158 

Suphani04)  veröif entlicht  und  kommentiert  ein  von  Wähle  aufgefundenes  Manuskript, 
das  ,  von  Charlotte  von  Stein  geschrieben,  zugleich  das  grösste  Schriftstück 
von  ihrer  Hand  im  Archiv  ist.  Nach  S.s  überzeugenden  Nachweisungen  ist 
es  nach  Goethes  Diktat  hergestellt  und  giebt  ein  wichtiges  Zeugnis  von  den 
Arbeiten,  von  denen  Goethe  sagte:  „wir  schreiben  daran,  wir  schreiben  weiter."  Das, 
wie  es  scheint,  in  zwei  Sitzungen  hergestellte  Manuskript  enthält  im  ersten  Teil  „eine 
bedächtig  von  Punkt  zu  Punkt  fortschreitende,  auf  das  oben  Gesagte  mehrfach  zurück- 
weisende Entwicklung"  Spinozistischer  Gedanken,  während  in  dem  zweiten  Teile,  der 
auch  in  der  Ausdrucksweise  mehr  Goethesohes  Gepräge  hat,  ein  „bei  aller  Gemessenheit 
doch  den  inneren  Anteil  mehr  verratender  freierer  Schwung"  zu  erkennen  ist.  Nach  S.  ist 
der  Aufsatz  eine  Parallele  zu  dem,  was  Goethe  besonders  im  Widerstreit  zu  Jacobi  und 
seinem  „extramundanen  Gott"  sich  gedrungen  sieht  als  sein  fV  xcd  nav  nachdrücklich  zu  be- 
kennen 105).  —  Auf  den  besonderen  Zweig  der  Philosophie,  die  Aesthetik,  geht  Sieb  eck  ^o«) 
in  einer  Besprechung  einer  Steinerschen  Schrift  ein.  Er  erkennt  die  „feine  und  bei 
aller  Kürze  klar  durchgeführte  Erörterung  eines  Prinzips  der  Aesthetik"  an,  das 
„schon  in  Schillers  Untersuchungen  nahegelegt,  bei  Goethe  in  mehr  gelegentlichen 
Aeusserungen,  aber  scharfer  Beleuchtung  hervortritt":  das  Schöne  „ist  eine  sinnliche 
Erscheinung  in  der  Form  der  Idee".  S.  w^eist  darauf  hin,  dass  die  Behauptung  Steiners, 
eine  „Aesthetik,  die  von  der  Definition  ausgeht,  das  Schöne  ist  ein  sinnlich  Wirkliches, 
das  so  erscheint,  als  wäre  es  Idee",  existiere  noch  nicht,  nicht  richtig  ist:  schon  bei 
Aristoteles  liegt  sie  den  Darlegungen  der  Poetik  zu  Grunde ;  dann  ist  es  aber  nicht  korrekt 
Goethe  als  „Vater  einer  neuen  Aesthetik"  zu  bezeichnen.  — 

In  Bezug  auf  Goethes  Beziehungen  zur  Naturwissenschaft  untersucht 
Dennert^OT)  ^{q  Trage  nach  dem  Verhältnis  Goethes  zum  Darwinismus.  D.  kommt  in 
seiner  geschichtlichen  Darstellung  des  Entwicklungsganges  der  Descendenztheorie  von 
den  ältesten  Zeiten  und  Völkern  bis  in  die  Gegenwart  zur  Darlegung  des  Grundge- 
dankens Goethes,  dessen  Stellung  er  dahin  bestimmt,  dass  Goethe  im  Sinne  St.  Hilaires 
sich  ausspricht.  „Als  Vorgänger  des  eigentlichen  Darwinismus  hingegen  lässt  sich  Goethe 
nicht  benutzen".  —  Im  unmittelbaren  Anschluss  an  Goethe  knüpft  R.  Steiner  1^8)  an 
den  durch  die  Publikationen  des  Goethe-  und  Schiller- Archivs  zu  Tage  geförderten 
Reichtum  an,  der  für  Goethes  Beziehungen  zur  Naturwissenschaft  gewonnen  worden  ist. 
Er  untersucht  die  wahre  Bedeutung  des  Begriffes  Erfahrung,  Empirie,  imd  kommt  zu 
dem  Ergebnis,  dass  die  Auffassung  der  Welt  durch  die  Sinne  nur  die  Hälfte  der  Dinge 
uns  kennen  lehrt,  dass  die  Anwendung  der  Vernunft  auf  die  Betrachtung  der  Dinge 
nicht  ein  Ueberschreiten  der  Erfahrung,  sondern  nach  Goethes  Anschauung  nur  die  Ent- 
faltung aller  unserer  Erkenntniskräfte  ist,  die  uns  die  andere  wichtigere  Hälfte  der 
Dinge  kennen  lehren,  nämlich  die  sie  zur  vollen  Klarheit  bringenden  Ideen,  die  gleich- 
falls ein  Ergebnis  der  Erfahrung  sind.  „Von  dem  Augenblick  an,  da  Goethe  durch 
Schiller  gedrängt  wurde,  doch  über  den  Charakter  der  Erfahrungen  nachzudenken,  wurde 
ihm  immer  klarer,  dass  sein  ganzes  Streben  nur  ein  Suchen  nach  Ideen  ist,  als  den 
höchsten  Formen,  in  denen  sich  die  Wirklichkeit  ausspricht."  Gerade  bei  der  Durch- 
sicht von  Goethes  hinterlassen en  Papieren  zeigt  sich  dies:  „da  bleibt  keine  Beobachtung 
einzeln  stehen:  stets  werden  weitere  verwandte  an  sie  gereiht  um  über  das 
„Was"  zum  „Wie",  über  das  Einzelne  hinaus  zum  Ganzen  zu  kommen,  um  von  der 
Kenntnisnahme  zur  Anschauung  aufzusteigen."  Der  Idealismus  ist  daher  mit  der  Er- 
fahrungswissenschaft durchaus  vereinbar;  denn  der  Idealismus  ist  nichts  Anderes  als  die 
ganze  Erfahrung,  während  das,  was  die  Empiriker  gewöhnlich  zum  Gegenstande  ihrer 
Wissenschaft  machen,  nur  die  halbe  Erfahrung  bleibt,  die  Summanden  ohne  die  Summe. 
Diese  Darlegungen  beruhen  auf  den  gründlichen  Studien  S.s  über  Goethes  Stelhnig  zu 
der  Naturwissenschaft,  wie  er  sie  früher  in  seinen  vortrefflichen  Einleitungen  zu  Goethes 
naturwissenschaftlichen  Schriften,  in  Kürschners  Nation allitteratur,  niedergelegt  hat.  — 
So  mussten  gerade  unter  seiner  Hand  die  Schätze  des  Archivs  die  rechte  Prägung  ge- 
winnen können:  zur  Bearbeitung  der  naturwissenschaftlichen  Abteilung  der  W^eimarer 
Goetheausgabe  berufen,  giebt  Steiner  109)  zunächst  eine  Abhandlung,  in  der  er  in 
grossen  Zügen  auf  den  Gewinn  hinweist,  der  durch  das  Goethearchiv  für  das  Ver- 
ständnis von  Goethes  naturwissenschaftlichen  Arbeiten  zw  erlangen  ist:  mit  dem  neu 
aufgefundenen  Material  werden  die  bisher  bemerkbaren  Lücken  in  Goethes  Schriften 
ausgefüllt,  ganz  besonders  aber  wird  die  Art  seines  Forschens  und  ihre  methodologische 


QR.  172,  8.  273—304.  —  104)  B.  Suphan,  Aus  d.  Zeit  d.  Spinoza-Studien  Goethes  1784|5:  GJb.  12,  S.  3—12.  |[M.  Koch: 
BFDH.  7,8.  430.]|  — l06)XM.Groeben,  Melzer,  Goethes  ethische  Ansichten  (JBL.  1890  IV  lla:ll):  BLU.  S.  552/3.  (D.Buch 
sei  nur  e.  Groppierung  Goethescher  Äusserungen.)  —  106)  U.  Sieb  eck,  K.  Steiner,  Goethe  als  Vater  einer  neuen  Aesthetik: 
LBlGRPh.  12,  S.  9-10.— 107)  E.  Dennert,  D.  gesch.  Entwickl.  d.  Descendenztheorie.  (=  Zeitfrag«n  d.  christl.  Volkslebens, 
her.  V.  E.  Frhr.  TOn  U  ngern-S  ternber  g  u.  H.  Dietz.  Bd.  15,  Heft  8.)  Stuttgart,  Belsor.  48  S.  M.  1,00.  —  108) 
R.  Steiner,  Gedanken  zu  d.  hs.  Nachlasse  Ooethes:  ChWGV.  6,  S.  10i2.  —  109)  id..  Über  d.  Gewinn  unserer  An- 
schauungen V.  Goethes   naturwiss.  Arbeiten    durch   d.  Publ.  d.  Goethe-Archivs:    GJb.  12,   S.  190—210.     [[M.  Koch:    BFDU.  1, 


159  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV9a:  iio-iu. 

Rechtfertigung  sowie  Goethes  ganzes  Verhalten  zur  Natur  in  ein  neues  Licht  gerückt. 
Goethe  fasste  die  Morphologie  ausser  in  einem  engeren  auch  in  einem  weiteren  Sinn: 
in  diesem  Sinne;  strebt  sie  nach  einer  TotalaufFassung  des  Lebens,  die  sich  nicht  damit 
begnügt,  mit  Hilfe  der  Einzel  Wissenschaften,  Naturgeschichte,  Naturlelire,  Anatomie, 
Chemie,  Zoonomie,  Physiologie,  alle  Seiten  des  organischen  Seins  zu  begreifen,  sondern 
die  lebendige  Einheit,  die  dem  Ganzen  zu  Grunde  liegt,  zu  erkennen  strebt,  also  „die 
Betrachtung  des  organischen  Ganzen  durch  Vergegenwärtigung  aller  dieser  Rücksichten 
und  Verknüpfung  derselben  durch  die  Kraft  des  Geistes".  —  Diese  Erkenntnis  giebt 
den  Grundsatz  für  die  von  Steiner""^  besorgte  Anordnung  der  den  nunmehr  ersten 
Band  der  „Morphologie"  bildenden  teils  bereits  gedruckten,  teils  noch  ungedruckten 
Aufsätze:  es  soll  aus  dieser  Anordnung  ersichtlich  werden,  dass  Goethe  eine  Lehre  von 
den  organischen  Wesen  als  Morphologie  begründen  wollte.  Diese  ist  dabei  als  Universal- 
wissenschaft des  Organischen  gedacht,  die  als  solche  auch  Physiologie  und  Entwick- 
lungsgeschichte umfasst.  So  kommen  hier  zum  ersten  Male  Goethes  morphologische 
Leistungen  in  ihrem  vollen  Umfange  zur  Anschauung.  Demgemäss  vereinigt  S.  mit  dem 
Aufsatz  „Versuch,  die  Metamoi*phose  der  Pflanzen  zu  erklären",  der  1790  erschien,  alles 
das,  was  der  Ergänzung,  Erklärung  oder  noch  tieferen  Begründung  der  dort  vorge- 
tragenen Anschauung  dient.  Nur  der  Aufsatz  S.  312/9  ist  vor  1790  geschrieben: 
er  wurde  dennocli  hier  eingefügt,  weil  er  eine  Seite  der  alle  Arbeiten  Goethes  be- 
henschenden  Methodik  in  so  scharfem  Gepräge  zeigt,  wie  es  sonst  nirgends  wieder 
hervortritt.  Die  ungedruckten  Arbeiten  erscheinen,  soweit  dies  möglich  war,  in  der 
Anordnung,  in  der  sich  die  einzelnen  Teile  in  ein  „System  der  Morphologie",  wie  es 
Goethe  gedacht,  einreihen  würden,  und  zwar  1.  Zur  Morphologie  der  Pflanzen  im  allge- 
meinen, die  Prinzipien  enthaltend.  (S.  279 — 322);  2.  Specielle  Eragen  und  Beispiele  zur 
Metamorphosenlehre,  Ausführung  des  Grundgedankens  an  konkreten  Beispielen  (S.323 — 44); 

3.  Naturphilosophische  Grundlagen  und  Konsequenzen    der  ganzen  Lehre    (S.  345 — 61); 

4.  Auf  Grenzgebiete  zwischen  Morphologie  und  Aesthetik  Bezügliches  (S.  361/3).  —  Die 
wissenschaftliche  Metliode  Goethes  bei  seinen  naturwissenschaftlichen  Studien  wird  in 
dem  grösseren  Zusammenhange  einer  Spinozastudie  von  M.  Berendt  und  J.  Fried- 
länder m)  dargelegt.  Die  Vff.  zeigen  zunächst,  wie  die  ratio  Spinozas  nichts  Anderes 
als  die  naturwissenschaftlich-mathematische  Erkenntnis  der  Dinge  ist,  wie  aber  Spinoza 
eine  zweite  höhere  Betrachtungsart  der  Dinge  kennt,  die  jedoch  immer  auf  der  Natur- 
wissenschaft als  der  festen  Basis  ihres  Wesens  ruhen  bleibt.  Es  ist  die  Intuition,  die 
die  Walirheit  unmittelbar,  mit  einem  Blick,  uno  intuitu,  erkennt:  sie  hat  nichts  mit  jener 
Art  höherer  Eingebungen  zu  thun,  die  in  der  Philosopliie  oft  eine  so  berüchtigte 
Rolle  gespielt  haben.  Es  tritt  vielmehr  auf  Grund  exaktester  Untersuchung  und  Einzel- 
forschung ein  durch  inneres  Schauen  gewonnenes  Erkennen  ein,  das  plötzlich  und  ohnfs 
dass  der  Weg  zum  Bewusstsein  gekommen  wäre,  eine  grosse  Anzahl  von  Einzel- 
erscheinungen auf  ein  gemeinsames  oberstes  Gesetz  zurückführt.  Eine  solche  intuitive 
Erkenntnis  wird  indessen,  die  geniale  Anlage  vorausgesetzt,  dennoch  niu-  bei  dem  ein- 
treten, der  sich  im  zureichenden  exakten  Erforschen  so  befestigt  hat,  dass  er  beim 
genial-instinktiven  Schauen  nie  vom  Boden  der  Wirklichkeit  abirrt.  Hierher  gehören 
Goethes  Entdeckung  der  Metamorphose  der  Pflanzen  sowie  seine  anatomischen  Erkennt- 
nisse der  Einheitlichkeit  des  körperlichen  Aufbaues.  Es  ist  mit  dieser  Darlegung  zu- 
gleich der  massgebende  Gesichtspunkt  festgestellt,  der  bei  Beurteilung  von  Goethes 
naturwissenschaftlichen  Leistungen  nie  ausser  Acht  gelassen  werden  darf:  in  ihm  tritt 
zugleich  die  enge  Verwandtschaft  der  Art  seines  wissenschaftlichen  Forschens  mit  der 
Art  seines  dichterischen  Schaffens  hei'vor.  —  Ueber  die  Hilfsmittel,  mit  denen  Goethe 
arbeitete,  und  ihre  jetzige  Aufstellung  im  Goethe-Nationalmuseum  berichtet  Ruland  >'-): 
„erstaunlich  ist  die  Anzahl  von  Hilfsmitteln  zur  Erforschung  der  Farben-  und  Lichtfrage, 
an  Prismen  jeder  Art  und  Grösse,  Polarisationsapparaten,  Glaswürfeln  uud  Platten  für 
die  entoptischen  Versuche  u.  a.  m.  Wer  in  Zukunft  mit  Goethes  Stellung  in  und  zu 
der  Naturwissenschaft  sich  beschäftigt,  wird  an  diesen  Schränken  nicht  vorübergehen 
dürfen".  —  Auch  der  verhältnismässig  neueste  Zweig  der  Naturwissenschaft  ist  Goethe 
nicht  fremd  geblieben:  unter  den  historischen  Stücken  der  grossen  „Internationalen 
elekti'otechnischen  Ausstellung  in  Frankfurt  a.  M."  fesselte  in  hervorragendem  Masse 
die  Aufmerksamkeit  die  vom  Goethe-Nationalmuseum  dort  ausgestellte  Elektrisier- 
mascliine  Goethes:  an  sie  knüpft  Schimmelbusch"'*)  an,  um  einen  Ueberblick  über 
Goethes  Beschäftigung  mit  der  Elektrizität  von  seiner  frühen  Jugend  an  bis  ins  Greisen- 
alter zu  geben.  —    Die  gleiche  Aufgabe  stellt    sich  Heuer ii*),    der    seine    Betrachtung 


S.  43I.]|  —  110)  Goethes  Kuturwiss.  Schriften.  6.  Bd.  Z.  Morphologie  I.  Teil  (.her.  t.  R.  Steiner).  (=:  Goethes  Werke. 
Her.  im  Auftrage  d.  Gro-shorzogin  Sophie  v.  Sach  eii.  II.  Abt.  6.  Bd.)  Weimar,  Böhlau.  VIII,  452  S.  M.  4,60.  —  III) 
M.  Berendt  u.  J.  Friedlünder,  Spinozas  ErkeiintniKlehre  in  ihrer  Beziehung  x.  modempn  Naturwissenschaft  n.  Philosophie. 
Herlin,  Ma>er  &  lUlllIer.  XIX,  31.5  8.  M  5.00.  —  112)  S.  o.  N.  71.  —  113)  W.  Schimmelbnsch,  Goethe»  Beochftftigang  mit 
d.  Elektrizität.    E.  zeitgomils&e  Betrachtung  za  d.  Dichters  142.  Geburtstag:  Didaskalia  t.  28.  Aug.  —  IM)  0.  Heuer,  GoethM 


IV  9a:  115-117.  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  160 

mit  den  prophetischen  Worten  Goethes  schliesst,  die  in  Frankfurt  an  Goethes  Elektrisier- 
maschine zu  lesen  waren:  „Die  Elektrizität  ist  das  durchgehende  allgegenwärtige  Element, 
das  alles  materielle  Dasein  begleitet;  man  kann  sie  sich  unbefangen  als  Weltseele 
denken."  — 

Neben  Goethes  Behandlung  der  Gegenstände  selbst  hat  auch  die  Form  der 
Sprache,  die  er  in  seinen  Schöpfungen  anwendet,  Beachtung  gefunden.  Olbrich  ii^) 
untersucht  Goethes  Sprache  in  seinen  Dichtwerken  mit  Bezug  auf  die  in  ihr  hervor- 
tretende Nachahmung  der  klassischen  Sprache  in  Wortstellung  und  Wortgebrauch.  Er 
geht  dabei  von  dem  Gedanken  aus,  dass  mit  der  inhaltlichen  Beeinflussung  einer 
Litteratur  durch  eine  fremde  stets  die  Aneignung  sprachlicher  Eigentümlichkeiten 
verbunden  ist.  Er  zeigt  dies  an  Beispielen  anderer  Sprachen,  geht  sodann  auf  die 
Entwicklung  der  deutschen  Sprache  seit  dem  Einflüsse  der  Schweizer  im  Gegensatz  zu 
Gottsched  genauer  ein  und  legt  dar,  wie  Klopstock  und  Voss  in  ihrem  Verdienst  um 
die  deutsche  Sprache  ebenbürtig  dastehen,  wie  die  Kritiker,  besonders  Herder,  fördernd 
eingreifen.  Während  früher  die  Antike  vorzugsweise  durch  das  Lateinische  wirkte, 
stellt  sich  jetzt,  seit  Homer  in  seiner  Bedeutung  mehr  und  mehr  erkannt  wird,  das  Griechische 
als  dem  Deutschen  kongenialer  mehr  in  den  Vordergrund.  In  diese  Bewegung  tritt 
Goethe  ein,  jedoch  nicht  als  Nachahmer  von  Nachahmungen:  der  Einfluss  der  Antike  ist 
bei  ihm  unmittelbar.  Herders  Forderung  der  Rückkehr  zu  älteren  Formen  und  die 
neugestaltende  Weiterbildung  erweisen  sich  bei  ihm  nebeneinander  wirksam.  Von  seinem 
Vater  mehr  auf  das  Lateinische  hingewiesen,  folgt  er  später,  auf  die  Belehrung  Herders 
hin,  den  griechischen  Originalen,  Pindar  und  besonders  Homer.  Nach  einem  Ueberblick 
über  den  Einfluss  des  Griechischen  auf  die  Sprache  der  Goetheschen  Dichtungen  und 
der  Betonung  der  fördernden  Beihilfe  des  üebersetzungseifers  im  vorigen  Jh.  will  0. 
zeigen,  wie  Goethe,  beeinflusst  von  der  antikisierenden  Sprache  seiner  Vorgänger  und 
Zeitgenossen,  von  seiner  Natur  auf  praktisches  Reproducieren  des  Empfangenen  hinge- 
wiesen, auch  seiner  Sprache  „Brosamen  von  dem  reichen  Tische  der  Alten"  einverleibt. 
Diese  Thatsache  steht  fest,  aber  die  Einflüsse  der  Antike  auf  Goethes  Wortfügung, 
Wortverwendung  und  Wortbildung  sind  noch  nicht  eingehend  behandelt.  Bei  der  Be- 
sprechung soll  einerseits  auf  Klopstock,  Bodmer,  Voss,  Ramler  u.  a.  (warum  nicht  auf 
Lessing?),  andererseits  auf  die  peinlich  am  Alten  festhaltende  Grammatik  Rücksicht 
genommen  werden.  Gelegentlich  wird  die  Sprache  Schillers,  Hölderlins,  H.  von  Kleists 
(„Penthesilea")  herangezogen,  von  den  Griechen  besonders  Homer  und  die  Tragiker. 
0.  behauptet  nicht,  dass  Goethe  absichtlich  bestimmte  Wendungen  habe  nachbilden 
wollen,  auch  will  er  nicht  alle  Einflüsse  für  ausgemacht  halten:  das  Urteil  über  solche 
Fragen  nennt  auch  er  stets  bis  zu  einem  gewissen  Grade  subjektiv.  Im  einzelnen  be- 
handelt er  1.  Wortstellung  und  zwar  die  Stellung  des  Adjektivums,  des  attributiven 
Participiums,  des  abhängigen  Genitivs,  der  Apposition,  der  Prolepsis  des  Subjektes  und 
des  Objektes,  die  Inversion  der  einzelnen  Satzglieder,  die  Inversion  abhängiger  und 
relativer  Sätze,  die  Attraktion  der  Adjektiva  in  Relativsätzen;  2.  dem  Wortgebrauch 
und  zwar  die  Kürze  des  Ausdrucks,  die  Steigerung  der  Adjektiva ,  den  Gebrauch  des 
substantivierten  Neutrums  der  Adjektiva,  den  Gebrauch  der  Adjektiva  und  Adverbia  für 
andere  Bestimmungen,  die  Nachahmung  der  Antike  im  Gebrauche  des  Kasus,  den  Ge- 
brauch der  Participia  und  der  zusammengesetzten  Epitheta.  Es  ergiebt  sich  u.  a.,  dass 
von  verschiedenen  Lesarten  bestimmte  Stellen  vorliegen,  wo  an  die  Stelle  der  einfachen 
ursprünglichen  Wendungen  stark  antikisierende  getreten  sind.  Der  gi'osse  Wendepunkt 
in  der  Sprache  Goethes,  der  1775  eintritt,  ist  wesentlich  die  Folge  der  Einmündung 
dieser  antikisierenden  Strömung.  —  Auch  Morsch  ^i^*)  behandelt  den  Einfluss  der 
Eigentümlichkeiten  der  antiken  griechischen  Ausdrucksweise  auf  Goethes  Sprache  und 
zwar  speciell  in  den  antikisierenden  Dramen,  zu  denen  er  hier  auch  „Tasso"  und  die 
„Natürliche  Tochter"  heranzieht.  Er  legt  ein  besonderes  Gewicht  auf  die  Paronomasien 
oder  Wortspiele,  von  denen  er  aus  „Elpenor"  und  „Iphigenie"  eine  grosse  Reihe  von 
Beispielen  giebt.  Aber  auch  z.  B.  die  Verwendung  von  Attributen,  Wortzusammen- 
setzungen, Wortwiederholungen,  bildlichen  Bezeichnungen  werden  herbeigezogen.  —  Auf 
die  ästhetische  Behandlung  der  Sprache  durch  Goethe  geht  W.  von  Biedermann  i^ß) 
im  Anschluss  an  Brunnhofers  Behauptung  ein,  „dass  in  Goethes  Gedichten  die  Ver- 
erbung auf  die  Dichtung  der  Indier  und  der  Arier  zurückzuführen  sei".  Nach  B.  ist 
der  „sogenannte  Atavismus  nichts  anderes  als  der  Wiedergebrauch  der  urersten  rier 
sprachlichen  Formen  der  Dichtung,  der  Wiederholung" :  Goethes  Dichtungen  liefern  eine 
Reihe  von  Beispielen  dafür.  B.  unterlässt  aber  nicht,  zum  Schlüsse  weitsichtig  darauf 
hinzuweisen,  dass  die  sprachlichen  Formen  der  Goetheschen  Dichtung    die    allermannig- 


elektriache  Stadien:  Elektrizität.  Offizielle  AusstellungaZg.  d.  internat.  elektrotechn.  Ausstellung  zu  Frankfurt  a.  M.  S.  39-40. 
—  115)  C.  Olbrich,  Goethes  Sprache  u  d.  Anlik«.  S  o.  I  8  :  27.  |[M.  Koch:  BFDII.  8,  S.  267f.l|  —  IlSa)  S.  o.  N.  78a.  — 
116)  W.  V.  Biedefmann,  D.  Wiedorholuug  als  Urform  d.  Dichtung  hei  Go"tho:    ZVLK.  NR  4.  S.  2(57-73.    —    117)  M    Kocli, 


Igl  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  9a:  us-iM». 

faltigsten  sind.  —  Den  Einfluss  inid  die  Bedeutung,  die  Goethe  selbst  der  Sprache  und 
der  Litteratur  zusclirieb,  betont  M.  Koch"'),  wenn  er  hervorhebt,  wie  Goethe  daran 
gedacht  hat,  dem  Fürstenkongress  zu  Erfurt  eine  Versammlung  deutscher  Männer 
entgegenzusetzen.,  um  die  Bande  der  Kultur  fester  zusammenzuziehen.  Zu  demselben 
Zweck  plante  Goethe  durch  Schaffung  eines  liistorisch-reHgiösen  jLiederbuches  für  das 
Volk    den  Deutschen  einen    geistigen  Nationalbesitz  in  die  Hand  zu  geben.  — 

In  der  Herausgabe  der  gesammelten  Werke  Goethes  schreitet  die  Weimarer 
Ausgabe  rüstig  fort.  Mit  den  bereits  erwähnten  Bänden  (vgl.  N.  68,  69,  110)  'sind  im 
Berichtsjahr  acht  Bände  erschienen '1«)^  über  die  im  einzelnen  anderweitig  berichtet 
wird.  Die  Kürschnersche  Sammlung  hat  zwei  von  Witkowski"^)  bearbeitete  Bände 
gebracht:  sie  enthalten  Aufsätze  zur  Litteratur  und  zwar  in  streng  chronologischer  An- 
ordnung und  mit  zahlreichen  Anmerkungen  versehen.  Der  erste  Band  umfasst  die  Zeit 
von  177G— 1821,  der  zweite  1822—1831.  Dieser  zweite  Band  giebt  zum  Schluss  ein 
systematisches  Verzeichnis  der  Aufsätze.  ^20-121^  — 

Von  darstellenden  Arbeiten  über  Goethes  Werke  kann,  da  sie  bei  der  Einzel- 
betrachtung zur  Erwäluiung  kommen,  hier    nur  Einzelnes  behandelt^^werden,    soweit    es 
allgemeineren    Charakter    hat.      Grisebach  ^"^J    will    das    ['„Goethesche     Zeitalter    der 
deutschen  Dichtung"  zeichnen.     Nach    ihm    hat  Herder    „die    von  Lessing   im  Laokoon 
entwickelte  Kunstansicht  so  gründlich  widerlegt,    dass    von  dem  stolzen  Gebäude    auch 
nicht  ein  Stein  auf  dem  andern  blieb" ;  desgleichen  hat  er  seine  anfängliche  Begeisterung 
für  Klopstock  so  überwunden,  dass  sowohl  die  „Odenseuche  Klopstocks"  wie  der  „Messias" 
für  ihn  nicht  mehr  vorhanden  sind.      Dennoch  war  er  für  den  wahren  Messias  nur  der 
Johannes.      Als  Goethe    bald    nach    dem    12.  Sept.  1770  Herder  in    Strassburg    kennen 
lernte,  begann  die  neue  Epoche,    die    mit    der    Entwicklung  Preussens    in    innigem  Zu- 
sammenhange steht,    „denn  die  vollen  Wirkungen  der  nationalen  Grossthaten  Friedrichs 
auf   die  Litteratur    vermochten    erst  nach  Beendigung    des  7j.  Krieges  hervorzutreten". 
Lessing  und  Klopstock  gehörten  zu  der  von  Friedrich  freilich  allein  ins  Auge  gefassten 
absterbenden  Epoche  uivd  haben    „die    in    den  ersten  siebziger  Jahren    anhebende  neue 
Epoche"  absolut  nicht  eingeleitet:  sie  stehen  ihr  feindlich  gegenüber.     Andererseits  hat 
Goethes  eigene  epische  wie  lyrische  Dichtung  nicht  das  geringste  gemein  mit  Klopstock : 
ihm  hat  er  so  wenig  zu  verdanken  wie  Lessing,  obgleich  Goethe  selbst    in    der  von  G. 
angeführten  Stelle  aus  den  Gesprächen  mit  Eckermann  seine  Verpflichtung  ausdrücklich 
hervorhebt.     Aber  auch  Herder  hat  nur  die  Anregung  gegeben:  in  seiner  weiteren  Ent- 
wicklung   stellte    er    sich    Goethes    Werken    feindlich    gegenüber.      Nichtsdestoweniger 
„bleibt    er  der  alleinige  Grund-  und  Eckstein,    auf   welchem    sich    der  Bau    der    neuen 
Litteratur  erhebt,  und  wenn  das  Goethesche  Zeitalter  der  deutschen  Dichtung  mit  dem 
Jahre  1770  anhebt,  so  ist  es,    weil  in  dieses  Jahr  Herders    persönliche  Einwirkung    auf 
den  jungen  Goethe  fällt".     In  diesem  Zeitalter  treten  nach  G.s  individueller  Auffassung 
die    Dichter    der    sinnlichen    und    der    phantastisch-schwärmerischen   Richtung    in    den 
Vordergrund.      Schiller  muss  von  den  ihm  gewidmeten  dreizehn  Seiten    noch  recht  viel 
nicht  nur  an  Goethe,  sondern  auch  an  seine  Nachfolger  abtreten :  die  eigentlichen  Helden 
sind  Bürger,   Heinse,   Blumauer,    Brentano,    Heine.      Das  Schlussergebnis  ist,    dass    das 
Goethesche  Zeitalter  noch  nicht  abgeschlossen  „und  noch  kein  Anfangspunkt  einer  neuen, 
nach  einem  grösseren  Nachfolger  zu  taufenden  Epoche    auch    niu-  von  fem  sichtbar  ge- 
worden ist".    —    In  scharfem  Gegensatze    zu    Grisebach    möchte    Düntzer  123-12S»)    ^^dje 
vuiglaubliche  Abhängigkeit,    in  die    man    neuerdings    den  jungen  Goetlie  von  Herder  zu 
setzen  sich  nicht    gescheut  hat",    die  „verwirrende  Vorstellung  von  dem  übermächtigen 
Einfluss  Herders  auf  den  genialen   jungen   Dichter    bei    seiner  Auffassung    des    grossen 
britischen  Dramatikers"  bekämpfen.      Der  Fülle    von    Ergebnissen    der    Einzelforschung 
kann  und  braucht  hier  nicht  nachgefolgt  werden,  nachdem  der  Hauptgesichtspunkt  her- 


Nationalitftt  u.  Nationallitt.  S.  o.  I  1  :  61,  —  118)  Goethes  Werke.  Her.  im  Auftrage  d.  Grosshersogrio  Sophie  r.  Sachsen. 
Weimar,  Böhlau.  I.  Abt.,  4.  Bd.  Gedichte,  4.  Teil,  lier.  t.  G.  t.  Loeper,  XX,  370  S.  M.  3,00.  Ohne  Lesarten  n.  Paralipoinena ; 
9.  Bd.  „Laune  d.  Verliebten",  her.  t.  G.  Roethe;  D.  Mitschuldigen,  her.  v.  F.  Schnorr  v.  Carolsfeld;  D.  Geschwister, 
her.  r.  K.  J.  SchrOer;  D.  Wette,  Romeo  u.  Julie,  her.  v.J. Wähle;  Hahomet,  Tanered,  her.  v.  0.  Hoffmann.  III,  623  S. 
M.  4,00;  29.  Bd.  Dichtung  n.  Wahrheit,  4.  Teil,  her.  t.  J.  Baechtold.  III,  255  S.  H.  2,00;  4«.  Bd.  Winckelmann,  her.  r. 
A.  Michaelis;  Philipp  Hackert,  her.  t.  0.  Harnack.  III,  414  S.  H.  3,20;  IIL  Abt.  4.  Bd.  Tagebllcher  s.  u.  IV  9b  :  1.  |[H. 
DUntzer:  ZDPh.  23,  S.  294—349.  (Über  I.  Abt..  Bd.  1,  2,  6,  7,  14,  15,  1  u.  2;  III.  Abt.  1.  2;  IV.  Abt,  1-3;  Nachschrift: 
1.  Abt.,  8,  10,  26,  27;  HI.  Abt,  3,  4,  5).]|  —  119)  Goethes  Werke.  Her.  t.  G.  Wi  tkowski.  (=  Dtsch.  Nationallitt  Her.  t. 
J.  Kürschner.)  Stattgart,  Union.  Bd.  31  XIX,  393  S.  mit  2  Abbild.;  Bd.  32:  421  S.  je  M.  2,60.  —  BO)  X  Goethes  Werke. 
Her.  V.  L.  Geiger.  Neue  Ausgabe.  5.  Aufl.  Berlin,  Grote.  1.  Bd.:  CXVII,  665;  2.  Bd.:  XXX,  634;  3.  Bd.:  XXXII.  486; 
4.  Bd. :  LXXIII,  544;  5.  Bd. :  LXX,  602;  6.  Bd.:  XXXI,  682;  7.  Bd. :  XL,  576;  8.  Bd. :  XVI,  618;  9.  Bd.:  XXXVin,  461;  10.  Bd  :  XIII,  510  S. 

—  12!)  X  Goethes  ausgew.  Werke  in  12  Bdn.  (=  Cottasche  VolksbibL  29,  31,  33,  35,  36,  38.)  Stuttgart  Cott*.  12<». 
208,  208,  260,  200,  298,  236,  203,  220.  267,  268,  192,  268  S.  mit  1  Bildnis.  Geb.  in  6  Bdn.  M.  6,00.  —  122)  E.  Grisebach, 
D.  Goetliesihe  ZeiUlter  d.  dtsoh.  Dichtung.  S.  o.  IV  1  :  3.  |[M.  Koch:  BFDH.  7,  S.  183f;  K.  J.  Schröer:  ChWQV.  S.  33f.]| 

—  123)  H.  Düntaer,  Herder  u.  d.  junge  Goethe  in  Strassburg.  ==  Z.  Goetheforschong.  Neue  Beitr.  Stuttgart,  Dtsch.  Ver- 
liigsanst    VII,   436  Ö.     M.  6,00.    |[L.    Geiger:    Nation».    9,   S.    165 f.;  TglRs.  N.  275.] |  S.  77—142.  -  123«)  id.,  Shakespeare 

Jahresberichte  fttr  neuere  deutsche  Litt«r»targe8ohichte  II  (t|.  2^ 


jy  Qa;  124-139.  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  162 

vorgehoben  ist.  —  Einen  Ueberblick  über  die  Arbeiten,  die  Goethe  nach  irgendeiner 
Seite  hin  zum  Gegenstande  haben,  giebt  L.  Geiger  124-12^^;  ^^  {^^  diesjährigen  Bande 
des  Goethejahrbuchs  der  Raum  für  die  vollständige  Wiedergabe  des  reichlichen  Materiales 
gefehlt  hat,  so  ist  die  Goethebibliographie  in  vollständiger  Fassung  besonders  ausgegeben. 
Sie  o-liedert  sich  in  drei  Hauptabteilungen:  Schriften,  Biographisches,  Verschiedenes, 
deren  jede  wieder  eine  Reihe  von  Unterabteilungen  hat,  so  dass  sich  eine  leicht  erkenn- 
bare Uebersicht  ergiebt.  In  sehr  vielen  Fällen  sind  Inhaltsangaben,  zum  Teil  recht  aus- 
führliche, geboten.  —  Der  Bibliographie  des  Goethejahrbuchs  ist  als  Anhang  eine  „Englisch- 
Amerikanische  Bibliographie"  von  H.  S.  White  i25a)  mitgegeben:  sie  lässt  einen  Blick 
in  die  Bedeutung  thun,  die  Goethe  auch  für  das  geistige  Leben  anderer  Völker  er- 
langt hat.  — 

Goethes  Stellung  zur  Weltlitteratur  wird  auch  durch  einige  Arbeiten  des 
Berichtsjahrs  angedeutet,  zn  denen  noch  die  in  den  folgenden  Kapiteln  genannten  Ueber- 
setzungen  Goethescher  Werke  gestellt  werden  müssten.  Ueber  Goethe  in  England 
liegen  ausser  den  oben  (N.  27)  genannten  Studien  eine  Reihe  von  Schriften  126-132-)  yor, 
die  freilich  für  England  grössere  Wichtigkeit  haben  als  für  Deutschland:  sie  vermitteln 
in  dankenswerter  Weise  die  Ergebnisse  deutscher  Forschung  den  englischen  Freunden 
Goethes  und  der  deutschen  Litteratvir.  —  Ueber  Goethe  in  Italien  hat  LoceUa,^'^^)  bei 
der  vorjährigen  Goethefeier  im  Freien  Deutschen  Hochstift  gesprochen.  Er  geht  von 
dem  Drange  aus,  der  Goethe  nach  Italien  treibt.  Goethe  sieht  dort  die  Natur  und  die 
Antike.  Die  damalige  italienische  Dichtung  lässt  Goethen  unberührt,  ebenso  noch  die 
Gelehrtenwelt  trotz  bedeutender  Männer,  die  sie  in  sich  schloss.  L.  giebt  einen  Ueber- 
blick über  die  Entwicklung  der  italienischen  Litteratur  von  1575 — 1750  und  schildert 
den  Beginn  der  Romantik  mit  Ugo  Foscolo  vuid  Manzoni.  Trotz  Goethes  Verkehr  mit 
Monti  werden  erst  seine  Beziehungen  zu  Foscolo  und  Manzoni  von  grosser  Bedeutung: 
einerseits  treibt  Goethes  Anteil  an  Manzoni  das  Studium  der  neueren  italienischen 
Litteratur  in  Deutschland  an,  andererseits  beginnt  auch  Italien  mit  Goethe  sich  zu  be- 
schäftigen ;  in  besonderem  Masse  ist  dies  seit  Italiens  politischer  Wiedergeburt  der  Fall. 
So  hat  Goethe  für  Italien  dauernde  Bedeutung  „als  einer  der  wichtigsten,  gewiss  der 
berühmteste  Vermittler  italienischen  Geistes  in  Deutschland",  und  es  gebührt  ihm  die 
dankbare  Erinnerung  der  heutigen  Italiener.  —  Wie  andererseits  Goethe  selbst  in  seiner 
Dichtung  von  der  Weltlitteratur  beeinflusst  gewesen  sei,  will  Pnioweri34^  durch  den 
Einfluss  des  Hohen  Liedes  auf  Ausdruck  und  Einzelheiten  bei  Goethe  nachweisen.  — 
Einen  eingehenden  Bericht  über  die  wichtigsten  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der 
Goethelitteratur  des  Inlandes  und  des  Auslandes  liefert  Max  Koch^^^):  in  ruhig  ab- 
wägender Weise  will  er  nicht  nur  über  den  Inhalt  der  Arbeiten  berichten,  sondern 
auch  über  ihren  Wert  ein  begründetes  Urteil  geben.  — 

Wie  Goethe  selbst  zu  der  Weltlitteratur  in  Beziehung  trat,  zeigen  seine  Ueber- 
setzungen:  eine  bis  jetzt  noch  unbekannte,  Bruchstück  gebliebene  Uebersetzung,  ver- 
öffentlicht Suphani36)  aus  dem  Goethe-  und  Schiller-Archiv.  Es  handelt  sich  um  ein 
englisches  Trauerspiel  „Bertram"  von  Maturin.  Eine  Uebersetzung  und  der  Original- 
text war  Goethe  von  dem  Uebersetzer  Iken  zugeschickt  worden.  Goethe  antwortete 
nur  indirekt,  schrieb  aber  eine  Anzeige  des  Trauerspiels  und  übersetzte  selbst  einige 
Stellen.  Anzeige  wie  Verdeutschungsproben  blieben  ungedruckt.  S.  teilt  ausser  der 
Korrespondenz  den  Inhalt  des  Diamas  mit  und  veröffentlicht  und  kommentiert  sodann 
Goethes  Aufsatz  und  seine  Uebersetzungsproben.  Das  Drama  selbst  ist  schwach,  aber 
„wie  Lessing  findet  Goethe  es  als  verdienstlich,  das  Beste  aus  schlechten  Büchern  zu 
geben".  —  Ueber  Goethes  Uebersetzungskunst  teilt  K.  J.  Schröer^^?)  ^[q  Titel  einiger 
früher  erschienenen  Schriften  mit,  die  in  Jahresberichten  österreichischer  Schulen 
enthalten  sind.  — 

Wir  können  diesen  Bericht  nicht  schliessen,  ohne  mit  einem  Worte  der  Klage 
des  Mannes  zu  gedenken,  der  im  Berichtsjahre  dem  Kreise  der  Goetheforscher  in 
unerwarteter  Weise   entrissen    worden    ist:    Gustav    von  Loeper    ist    am    13.  Dez.  1891 


u.  d.  junge  Goethe.  =  Z.  Goetheforschung  (s.  N.  123)  S.  380—486.  —  124)  L.  Geiger,  Bibliographie:  GJb.  12,  S.  275—328. 
—  125)  id.,  Bibliographie  d.  Goethe-Litt.  ITlr  1890.  Mit  e.  Beitr.  O.  v.  Loepers  u.  Mitt.  v.  Fachgenossen.  Erweit.  Abdr.  aus 
GJb.  12.  Frankfurt  a.  M.,  Litt.  Anst.  80  S.  M.  1,20.  —  125)  H.  S.  White,  Englisch-Amerikanische  Bibliogr. :  GJb.  12, 
S.  327|8.  —  126)  X  A.  W.  Ward,  Goethe  and  Bürger.  Essay  read  before  the  Manchester  Goethe-Society:  Ac.  39,  S.  18.  — 
127)  X  id.,  Goethe's  Egmont.  Address  before  the  Manchester  Goethe-Society:  ib.  S.  191.  —  128)  X  F-  E.  Cnrnish,  Goethe 
and  Frau  von  Stein:  ib.  S.  238.  —  129)  X  James  Tait,  The  Literary  Influence  of  Goethe's  Faust  in  England  1832-52 
with  special  reference  to  Mr.  P.  J.  Baileys  Festus:  ib.  S.  398.  —  130)  X  »•  G.  Alford,  English  Critics  of  Goethe.  Essay 
before  the  Manchester  Goethe-Society :  ib.  40,  S.  411.  —  131)  X  F- F- Co"""' sh,  Torquato  Ta.sso  in  its  relations  to  Goetlie"s  early 
life  at  Weimar  and  his  Italian  journey:  ib.  S.  507.  —  132)  X  M.  Kaufmann,  Faust  and  modern  thought:  ScottishReview  18, 
S.  143—74.  —  133)  Q.  Locella,  Goethe  u.  Italien:  BFDH.  NF.  7,  S.  28*— 46*.  -  134)  0.  Pniower,  Ein«,  d.  höh.  Liedes  auf 
Goethe.  Vortrag  in  d.  Ges.  tUr  dtsdi.  Litt.  (Ref.):  BerlTbl.  v.  3..]uni.  —  135)  S.  o.  N.  23.  S.  161-99,  39.''.— 442.  —  136)  B.  Snphan. 
Anzeige  d.  Trauerspiels  ,Bcrtr»m'*  nebst  Proben  e.  Uebers.  (=  Mittoilungen  aus  d.  Goetho-  u.  Schillor-Archiv  B.):  GJb.  12, 
S.  12-82.  —  187)  K.  J.  SchrOer:  ChWGV.  5,  S.  37.  -  138)  Gustav  v.  Loeper:    MagdebZg«.  N.  62.  -  130)  (I  2  :  43.)  — 


163  V.  Valentin,  Goethe:     Allgemeinefl.  IV  9a:  im.  IV 9b:  i-2. 

gestorben  i^'^-l^").  Von  der  frühesten  Jugend  an  mit  leidenschaftlicher  Neigung  den 
Goethestudien  ergeben,  ist  er  einer  der  hervorragendsten  Keiuier  und  Förderer  der 
Werke  Goethes  durch  Kritik  und  Erläuterung  geworden.  So  hat  er  schliesslich  eine 
hervorragende  Stellung  als  stellvertretender  Vorsitzender  der  Goethegesellschaft,  als 
Mitherausgeber  und  Redaktor  der  Weimarer  Goetheausgabe  eingenommen.  Auch  diese 
Berichte  sollton  sich  mit  seinem  Namen  und  seiner  Thätigkeit  schmücken  dürfen  — 
nun  bleibt  ihnen  nur  übrig,  ihm  das  treue  Angedenken  wahren  zu  helfen,  das  ihm  seine 
eigene  Trefflichkeit  bereits  gesichert  hat.  — 


b.  Leben. 

Ludwig  Geiger. 


Qn  eilen:  Tagebücher  N.  1.  —  Briefe  Ton  Goethe  N.  2.  —  Oespriche  N.  21.  —  Briefe  an  Ooethe  N.  2S.  — 
Dichtung  und  Wahrheit  N.  28.  —  Darstellungen:  Allgemeine«  N.  33.  —  Einielheiten  N.  40.  —  Vorfahren  nnd  Nachkommen 
N.  50.  —  Beziehungen  zu  anderen  Personen:  Napoleon  N.  72;  Herder  N.  8C;  Klinger  N.  88;  Lern  N.  90;  Wagner  N.  97; 
sonstige  Beziehungen  N.  Ö8.  — 

Die  wichtigsten  Quellen  zu  Goethes  Leben  sind  diejenigen,  die  er  selbst  hinter- 
lassen hat:  Tagebücher,  Briefe,  autobiographische  Schriften,  sodann  auch  die  Briefe, 
die  er  empfing.  Der  jetzt  veröffentlichte,  hauptsächlich  von  Wähle  i)  besorgte  vierte 
Band  der  Tagebücher,  der  die  Jahre  1809 — 12  umfasst,  bleibt  dem  Charakter  der  Vor- 
gänger treu.  Er  liefert  Notizen  über  Besuche,  Briefe,  gelesene  Bücher,  nennt  die 
Themata  der  Gespräche,  ohne  sie  auszuführen,  giebt  die  wichtigsten  Daten  über  di« 
Arbeit  an  einzelnen  Gedichten  und  grösseren  Werken.  Politisches,  Naturwissenschaft- 
liches wird  gestreift,  Vorfälle  in  der  eigenen  Eamilie  sind  berührt.  Unter  den  Werken, 
die  damals  entstanden,  sind  die  „Wahlverwandtschaften",  Stücke  der  „Wanderjahre" 
und  die  ersten  Bände  der  Autobiographie  die  wichtigsten;  für  sie  und  andere  kleinere 
Arbeiten,  z.  B.  das  Lustspiel  „Die  Wette",  erhält  man  genaue  Zeitangaben,  durch  die 
man  die  allmäUiche  Entstehung  leicht  erkennen  kann.  Aus  ihnen  ergiebt  sich  z.  B., 
dass  das  Gedicht  „Das  Tagebuch",  das  man  bisher  nach  Riemers  Zeugnis  dem  Jahre 
1810  zuwies,  dem  Jahre  1808  zugeschrieben  werden  muss.  Allgemeine  Sentenzen  sind 
verhältnismässig  selten,  sie  sowie  die  kurz  angeführten  Gegenstände  der  mit  den  ver- 
schiedensten Personen  gepflogenen  Unterhaltungen  beweisen  aufs  neue  die  Vielseitigkeit 
von  Goethes  Interesse.  W.s  Anmerkungen  sind,  wie  durchaus  zu  billigen  ist,  reichlicher 
als  die  zu  den  früheren  Bänden:  die  Tagebtlcher  in  ihrer  aphoristischen  Form,  in  ihren 
Andeutungen  und  kurzen  Hinweisen  würden  sonst  wenig  geniessbar  und  schwer  benutz- 
bar sein.  So  wird  unter  Zugrundelegung  der  Schätze  des  Goethe-Schiller-Archivs 
manche  Erklärung  gespendet:  der  Hinweis  auf  den  im  Auftrag  des  Sous-Präfekten  von 
Keverberg  gemachten  Bericht  der  Frau  von  Vemi^oul  über  die  That  Schön  Suschens, 
die  Goethe  auf  Bitte  der  Berichterstatterin  zum  Gegenstand  einer  Ballade  machte. 
Einzelne  Briefe  an  Goethe,  z.  B.  von  v.  d.  Hagen,  Steffens,  Niebuhr,  Klinger,  Trebra, 
werden  bruchstückweise  gedruckt;  die  Ausleihebücher  der  Grossherzoglichen  Bibliothek 
gaben  die  Mögliclikeit  zur  sicheren  Feststellung  von  Goethes  Lektüre;  die  Karlsbader 
Kurliste  lieferte  Material  zur  genaueren  Bezeichnung  einzelner  nur  kurz  genannten 
Persönlichkeiten.  Aus  Kalendern  und  Notizbüchern  werden  gelegentliche  Bereicherungen 
zum  Inhalt  der  Tagebücher  geboten.  — 

Für  das  innerliche  Leben  bedeutender  als  die  Tagebücher  sind  Goethes  Briefe. 
Der  die  Jahre  1785/G  umfassende  Band  der  Weimarer  Ausgabe  ist  von  E.  von  der  Hellen  2) 
mit  grosser  Sorgfalt  bearbeitet.  Er  unterscheidet  sich  von  den  früheren  zunächst  dadurch, 
dass  er  ein  auf  sie  alle  bezügliches  zweiteiliges  Register,  das  eine  über  Personen  und 
Orte,  das  andere  über  Goethes  Schriften  enthält,  sodann  dadurch,  dass  er  einen  Anhang 
der  während  des  Drucks  der  bisherigen  Bände  zugänglich  gewordenen  ungedruckten 
Briefe  mitteilt.  In  diesem  Anhang  und  in  dem  Korpus  des  vorliegenden  Briefbandes 
werden  im  Ganzen  28  bisher  nicht  veröffentlichte  Briefe  geboten,  von  denen  die  an  den 
Minister  von  Fritsch  Hervorhebung  verdienen,  meist  amtiiche  Schreiben;   an  Graf  und 


I)  J.  W.  V.  Goethe,  Werke  her.  im  Auftr.  d.  Grossheriogin  t.  Sachsen.  III.  TagebBcher.  4.  Bd.    1809—12  (her.  t. 
J.  Wähle.)    Weimar,  Böhlau.    IV,  431  S.    M.  4,40.    1[L.  Gfeiger]:  AZgB-  N.  238.]!    —    2)  J.  W.  t.  Goethe,    wie  N.  1 ;    lY, 

11* 


IV  9b:  3-16.  L-  Geiger,  Goethes  Leben.  164 

Gräfin  von  Brühl,  liebenswürdige,  vorzugsweise  französisch  abgefasste  Plauderbriefe,  die 
hübsche  Beiträge  zur  Selbstcharakteristik  des  Schreibenden  enthalten.  Auch  die  Briefe, 
die  früher  schon  bekannt  waren,  z.  B.  an  Karl  August,  Knebel,  den  Komponisten.  Kayser 
enthalten  anziehende  Zusätze  ,  wenn  auch  die  Aenderungen  und  Berichtigungen  der 
Briefe  an  den  Herzog  nicht  so  einschneidend  sind,  wie  man  früher  gelegentlich  ver- 
mutet hatte.  Sehr  interessant  ist  die  an  Knebel  gesandte,  bis  ins  einzelste  ausgeführte 
Reiseroute  für  die  Schweiz.  Die  Anmerkungen,  welche  ungedruckte  Briefe  an  Goethe, 
besonders  auch  die  amtlichen  Akten  der  Grossherzoglich  Weimarischen  Archive  und 
endlich  Knebels  Tagebücher  benutzen,  enthalten  ausser  den  eigentlichen  Lesarten  Be- 
gründung der  Datierung,  wichtige  Sacherklärungen  und  biographische  Notizen  über  die 
erwähnten  Personen.  —  Briefe  Goethes  aus  dem  Schüler-Goethe-Archiv  wurden  auch 
im  Goethe-Jahrbuch  gedruckt.  Der  eine,  an  J.  H.  Menken  gerichtet  (1817),  betrifft 
dessen  Zeichnungen  zu  Casti  und  Ikens  Uebersetzung  von  Maturins  „Bertram",  dem 
Goethe  dann  auch  seinerseits  seine  Uebersetzerthätigkeit  zuwandte;  ihn  hat  Suphan  ■^) 
mit  Stücken  eines  Briefes  von  C.  J.  L.  Iken  an  Goethe  und  reichhaltigen  erklärenden 
Bemerkungen  abgedruckt.  —  Sieben  Briefe  (1824)  an  Therese  Jacob ,  nebst  zehn 
Schreiben  der  Adressatin  durch  Steig  *)  vorgelegt,  beziehen  sich  auf  die  von  ihr  her- 
rührenden Uebersetzungen  serbischer  Lieder,  machen  Vorschläge  über  deren  Anordnung 
und  Ausgabe,  äussern  einzelne  Anmerkungen  und  Bedenken,  und  weisen  auf  ähnliche 
Erscheinungen  hin.  —  Aus  dem  Goethe-National-Museum  steuerte  Ruland  5)  einen 
Brief  an  Seebeck  (v.  23.  Febr.  1815)  bei,  die  Antwort  auf  ein  gleichfalls  mitgeteiltes, 
sehr  ausführliches  Schreiben,  das  Seebecks  Arbeit  über  Spiegelung  und  Brechung  des 
Lichts  erläutert  und  ergänzt  und  Goethe  als  Beitrag  zu  seiner  Farbenlehre  höchst  will- 
kommen war;  dazu  je  einen  dieselbe  Angelegenheit  berührenden  Brief  von  Hegel  und 
Schweigger.  —  Endlich  druckte  F.  Arnheim  6)  aus  des  Schweden  J.  J.  Björnsthal 
1782  erschienenem  Tagebuch  ein  französisches  Billet  Goethes  (9.  April  1774)  ab,  in  dem 
Goethe  sich  erbietet,  dem  Schweden  die  Frankfurter  Bibliothek  zu  zeigen.  —  Von 
Heuer'')  wurde  ein  Brief  an  Kayser  (1784)  veröffentlicht;  er  bezieht  sich  auf  gemein- 
schaftliche Arbeit;  ferner  ein  Brief  an  Kaysers  Schwester  (1788),  wo  über  des  Bruders 
Befinden  gesprochen  wird.  —  W.  von  Biedermann  8-9)  druckte  neben  Notizen  und 
kritischen  Bemerkungen  zur  Weimarer  Theatergeschichte  einen  Kontrakt  mit  der  Schau- 
spielerin Weber  (1794)  und  zwei  Briefe  an  Kirms  (9.  Aug.  1808  und  20.  Mai  1815) 
ab,  von  denen  der  eine  die  Effekten  des  Theaterschneiders  Eimann,  der  andere  das 
ungebührliche  Fortbleiben  des  Schauspielers  Unzelmann  betrifft;  ausserdem  ein 
Billet  Goethes  an  Frau  v.  Brösigke  (1.  Juni  1822),  die  Ankündigung  seines 
Besuchs  enthaltend,  und  Notizen  der  Herzogin  von  Kurland  (18.,  23.  Mai  1820)  über 
Goethes  Aufenthalt  in  Karlsbad.  —  Ein  Brief  an  Friederike  Unzelmann  (11.  Juli 
1804)  wurde  von  Franzosi**)  den  früher  veröffentlichten  hinzugefügt;  Briefe  der  cchau- 
spielerin  (1804 — 1813)  enthalten  ausser  persönlichen  und  Familiennachrichten  interessante 
Notizen  über  Berliner  und  litterarische  Angelegenheiten.  —  Gaedertz  11-12)  gab  als 
Ergänzung  zu  seinem  früher  erschienenen  Büchlein  über  den  Maler  Kolbe  einen  Brief 
(1804)  an  diesen,  in  welchem  Goethe  den  von  dem  Maler  erlangten  Preis  übersandte 
und  um  Nachrichten  über  Düsseldorfer  Künstler  bat;  er  teilte  ferner  sechs  Briefe  (1801 
bis  1817)  an  Voigt,  Lorsbach  (nicht  Diez,  wie  G.  vermutet),  von  Münchow  (den  Namen 
des  Adressaten  wusste  G.  nicht  anzugeben),  Eichhorn  und  Witzleben  mit:  Danksagungen 
für  Mineralien,  Begleitworte  zu  litter  arischen  Sendungen,  einzelne  amtHche  und  persön- 
liche Meldungen.  —  K.  J.  Schröer^^)  publizierte  ein  Schreiben  Goethes  an  H.  F.  zu 
Salm  (1817),  worin  Goethe  sich  für  die  Ehrenmitgliedschaft  einer  mährisch-schlesischen 
Gesellschaft  bedankt,  Valentin  1*)  das  Fragment  eines  höflichen  Briefes  an  einen 
Unbekannten  (30.  Aug.  1785).  —  Dass  Brief  175  der  Weimarer  Ausgabe  an  Kestner 
nicht  im  Oktober,  sondern  am  25.  Dez.  1773  geschrieben  ist,  wies  Goetze^^)  nach. 
—  Nur  ganz  beiläufig  darf  angeführt  werden,  dass  in  den  meisten  Autographenkatalogen 
Stücke  gedruckter  und  ungedruckter  Briefe  Goethes  zum  Abdruck  gelangten.  Auch 
darauf  sei  nur  kurz  hingewiesen,    dass    die    dem  Umfange  und  Inhalte    nach    vielleicht 


7.  Bd.  Briefe.  1.  Jan.  1785  bis  24.  Juli  1786  (her.  v.  E.  v.  d.  Hellen.)  Ebda.  478  S.  M.  4,50.  -  3)  B.  Suphan,  Anzeige 
d.  Trauerspiels  „Bertram"  nebst  Proben  e.  Uebersetzung.  (=  Mitt.  aus  d.  Goethe-  und  Schillerarchiv  B.):  GJb.  12, 
S.  12—32.  (Goethes  Brief  S.  16/7.)  —  4)  E.  Steig,  Briefwechsel  zw.  Goethe  u.  Therese  v.  Jakob.  (Mitt.  aus  d.  Goethe-  u. 
Schillerarchiy  C):  b.  S.  33—77.  —  5)  C.  Ruland,  Zu  Goethes  naturwiss.  Forschungen:  ib.  S.  152—74.  —  6)  F.  Arnheiui, 
Goethe  u.  BjOrnsthal  1774:  ib.  S.  266/7.  —  7)  0.  Heuer,  Ph.  Chr.  Kayser,  Goethe  u.  Klinger:  BFDH.  NF.  7.  S.  443-59. 
(D.  Brief  S.  448/9.)  -  8)  W.  Frhr  v.  Biedermann,  Am  7.  Mai  1791:  LZg".  N.  54.  —  9)  id..  Zu  Goethe  in  Böhmen: 
LJbCOINordböhmen  2,  S.  132/5.  —  10)  K.  E.  FraiizoK,  Aus  Goethes  Briefwechsel  mit  Friederike  Unznlmann-Bethmann: 
DDichtung  9,  S.  254-00.  -  II)  K.  Th.  Gaedertz,  Goethe  u.  Maler  Kolbo:  AZg.  N.  15«.  —  12)  id.,  E.  kleiner  Goethefund 
in  d.  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin.:  ML.  60,  S.  561/3.  {B.  im  Text  erwähnten  Berichtigungen  sind  mir  v.  W.  v.  Biodermann 
mitgeteilt.)-  13)  K  J.  S  o  li  röo  r,  AHgraf  Hugo  Franz  zu  .«alm  \i.  Goethe:  ChWGV.  5,  S.  29-31.  (D.  Ehrenmitglied- 
Pil>lom  d.  k.  k.  mllhriBch-schlesischen  Gesellschaft  d.  Ackerbaues  ahge.lruckt  S.  86.)  —  14)  V.  V  aleii  t  i  n,  Eifioiihändiger  liriel' 
Goethes:  BFDH.  NF.  7,  S.  206/8.  -    ISJ  Edm.  G  oetze.    Zu  Goethes  Briefen:  VLQ.  4,  S.  511/2.    -    16)  X  Goethes  Briefe  au 


IHf)  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  IV  9b:  n-3i 

hodeutendste  Sammlung  von  Briefen  Goethes,  die  Briefe  an  Charlotte  von  Stein,  von 
den  Erben  verkauft  werden  sollte "^-'8),  dass  sich  aber,  auch  als  statt  der  zuerst  gefor- 
derten ungeheuren  Summe  ein  viel  geringerer  Kaufpreis  genannt  wurde,  trotz  des 
nationalen  Wertes,  den  Schimmelbusch  i^)  betonte,  kein  Käufer  fand.20)   — 

W.  von  Biedermanns  achtbändige  Sammlung  von  Goethes  Gesprächen, 
bereits  im  vorigen  Berichtsjahr  wesentlich  abgeschlossen,  ebensowohl  ein  unterhaltendes 
Lesebuch  wie  ein  unentbehrliches  Nachschlagewerk  für  den,  der  sich  in  Goethes  mannig- 
fachen Lebensbeziehungen  unterrichten  will'-'),  eine  Sammlung,  die  bei  der  ungeheuren 
Zerstreutheit  des  Materials  von  einem  Einzelnen  kaum  zusammengebracht  werden  kann, 
wie  denn  auch  der  unermüdlich  thätige  Herausgeber  demnächst  einen  Nachtrags- 
band bieten  wird,  erhielt  eine  Ergänzung,  und  zwar  ein  reichhaltiges,  auch  die  Quellen 
umfassendes  Register,  das  W.  von  Biedermann  22)  bearbeitete,  und  einen  Kommentar 
besonders  über  die  in  den  Gesprächen  berührten  Gegenstände,  der  von  0.  Lyon  her- 
rührt. Das  Mass  solcher  Erläuterungen  ist  weniger  eine  wissenschaftliche  als  eine 
Taktfrage;  im  allgemeinen  traf  L.  das  richtige  Mass,  indem  er  das  Nötige  gab,  ohne 
überflüssige  Gelehrsamkeit  zu  zeigen.  — 

Die  Briefe  an  Goethe  erfuhren  eine  wesentliche  Bereicherung  durch  Musiker- 
briefe, je  einen  von  Schubert  und  Berlioz  (1825  und  1829)  und  neun  von  Mendelssohn- 
Bartholdy.  Dienen  diese  Briefe  auch  nicht  gerade  dazu,  unsere  Meinung  von  Goethes 
Stellung  zur  Musik  zu  verändern  oder  auch  nur  die  bestehende  zu  festigen,  so  zeigen 
sie  doch  einerseits  die  musikalische  Anregung,  welche  bedeutende  Meister,  der  erste  durch 
des  Dichters  Lieder,  der  zweite  durch  seinen  „Faust",  erfuhren,  und  lassen  andererseits 
aufs  neue  das  schon  bekannte  herzliche,  aus  wahrhafter  Bewunderung  und  kindlicher 
Zärtlichkeit  gemischte  Einvernehmen  erkennen,  in  dem  Felix  Mendelssohn  mit  Goethe 
stand.  Einzelne  Reisebriefe  Mendelssohns  aus  München,  Luzem,  Rom  über  Bilder  und 
sonstige  Kunstwerke,  über  Land  und  Leute  beweisen  von  neuem  die  Kunst  des  Brief- 
schreibens, die  Felix  und  die  Seinen  besassen;  auch  von  seinen  Eltern,  Abraham  und 
Lea,  wurden  einige  Briefchen  an  Goethe  abgedruckt.  Alle  diese  Briefe  sind  äusserst 
sauber  mit  Benutzung  des  ganzen  einschlägigen  Materials  von  Max  Friedländer 23) 
herausgegeben  und  riefen  vielseitiges  Interesse  24-25)  nicht  bloss  in  Musikerkreisen 
hervor.  26-27)  _ 

Goethe  hat  bekanntlich  nicht  gewartet,  bis  andere  aus  diesen  Quellen  sein 
Lebensbild  schufen,  sondern  selbst  die  wichtigsten  Beiträge  zu  seiner  Biographie  ge- 
liefert. Unter  diesen  ist  „Dichtung  und  Wahrheit"  der  ausführlichste  und  köstlichste. 
Der  ehemals  lebhaft  geführte  Streit  um  die  Glaubwürdigkeit  des  Werkes  ■wurde  im 
Berichtsjahr  glücklicherv^'eise  nicht  wieder  entfacht,  freilich  um  später  nur  desto  heftiger 
zu  entbrennen.  Vielmehr  ist  mit  Genugthuung  zu  bemerken,  dass  man  sich  in  und 
ausserhalb  Deutschlands  des  Werkes  voll  erfreut.  Dies  geht  aus  der  Thatsache  hervor, 
dass  in  Frankreich  Auszüge  des  Werkes  für  Schul-  und  Prüfungszwecke  durch  zwei 
Gelehrte  veranstaltet  wurden,  von  denen  der  eine,  L.  Schmitt 28)^  schon  durch  frühere 
pädagogische  Arbeiten  sich  bewährte,  der  andere,  Cart29),  seine  Vertrautheit  mit  Goethe 
durch  eine  Untersuchung  über  den  italienischen  Aufenthalt  bekundet  hatt«  und  nun 
einer  verständigen  Auswahl  sachgemässe  Bemerkungen  beifügte;  femer  daraus,  dass 
Courtheoux 30)  eine  erste  italienische  und  Oxenford^')  eine  neue  englische  Ueber- 
setzung  lieferte.  Die  letztere,  die  in  den  vorliegenden  zwei  Bänden  die  ersten  elf 
Bücher  enthält,  zierlich  ausgestattet,  ist  ein  bischen  zu  amerikanisch  in  ihren  Seiten- 
aufschriften z.  B.  bei  der  Klopstock-Recitation :  „a  great  uproar"  oder  bei  der  Schilde- 
rung von  Herders  Einfiuss:  „a  great  impression".  Ausser  diesen  Ueberschriften  hat  0. 
den  einzelnen  Büchern  nur  ganz  kurze  Inhaltsangaben  beigefügt.  Die  Uebersetzung  ist 
für  die  elf  Bücher  vollständig  und  liest  sich  leicht;  Kleinigkeiten  wären  hervorzuheben, 
wie  etwa  „wonderful  relation",  womit  gewiss  „in  einem  wunderbaren  Verhältnis"  (Weim. 
Ausg.  26,  S.  111, 15)  nicht  richtig'^^ wiedergegeben  ist.  —  Statt  die  Einzelheiten  des  auto- 


I 


Fren  T.  St«iii:  FZg.  N.  49.  —  17)  X  Goethes  Briefe  an  Fran  t.  Stein:  ib.  N.  206.  -  18)  X  D.  Originalbriefe  Goethes  «n  Fn» 
V.  Stein:  HambCorr.  N.  538.  —  I9)W.  SchimmelbQsoh.E.  Nationalschatz  im  Handel:  Didaskalia  N.  185.  —  20)  O  ^*^- 
entdeckte  Goethe-Briefe:  HambCorr.  N.  629.  —  21)  X  0.  Lyon,  Goethes  Gespriohe:  ZDU.  5,  S.  588—606.  (Uebertriebene 
Charakteristik  d.  Biedermannsohen  Werks.)  —  22)  W.  Frhr.  ▼.  Biedermann,  Goethes  Oesprtebe.  9.  Bd.  I.  HIfte :  Register. 
2.  Ulfte:  Erlant.  zu  Goethes  Gesprächen  v.  0.  Lyon.  Leipzig.  Biedermann.  VI,  123,  280  S.  V.  12.00.  —  28)  Max  Fried- 
lander.  Mnsikerhriefe.  (Mitt.  aus  d.  Goethe-  u.  Schillerarchiy  D.):  6JK  12,  S.  77—132.  -  24)  X  ^.  Langhans. 
Mnsikerbriefe  an  Goethe:  NBerlinMnsikZg.  45,  S.  360/3.  —  25)  X  A.  Heintz,  F.  Hendelssohns  Briefe  an  Goethe:  AMusikZg. 
23,  S.  416/8,  439-41,  457/8.  — 26)  X  R.M.Werner.  D.  neueste  Gabe  d.  Goetheuesellsch.:  NZg.  N.  17.  (0.  Harnacks  Nachgesch. 
d.  Ital.  Reise.)  —  27)  X  L-  Geiger,  Goethes  Beiiehungen  zu  lUlien  1788—1790.  Nation^.  S.  262/5.  —  28)  L.  Schmitt, 
Goethe,  Extraits  de  Tautobiographie,  pröc^d^s  de  denx  notices  et  annot^s.  Classe  de  troisiöme.  2.  Mition.  Paris,  DeUgrare. 
VIII,  76  S  F.  1,50.—  29)  Thöoph.  Gart,  Goethe,  Poesie  et  ▼«ritö.  Extraits  publica  avec  une  introdnction  et  des  notes. 
Paris,  BeMn  fr^res.  XVI,  224  S.  —  30)  A.  Courtheonx,  Goethe,  Autobiografla.  Poesia  e  reriti,  prima 
versione  italiana.  Vol.  2.  (=  Biblioteca  unirersale  N.  206/7.)  Milano,  Sonzogno.  ief>.  196  S.  L.  0,50.  —  31)  J.  W.  r.  Goethe, 
Boyhood  and  Touth.    Being  books  I  to  XI  of  the  antobiography  ,trath  and  poetry  from   my  own   life*.     Trmnslated   fh>m    the 


IV  9b:  32-39.  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  166 

biographischen  Werkes  kritisch  zu  untersuchen,  betrachtete  Gilow^a)  das  Ganze  als 
ein  Kunstwerk  und  führte  aus,  dass  Goethe  die  Charakteristiken  der  von  ihm  hervor- 
gehobenen Personen  nicht  nach  einem  trockenen  Schema  gab,  sondern  die  Kontrast- 
wirkung liebte,  also  die  entgegengesetzten  Eigenschaften  eines  Charakters  einander 
gegenüberstellte  oder  auch  Charaktere  nach  einander  behandelte,  die  im  vollsten  Gegen- 
satz standen,  z.  B.  den  ernsten  Thoranc  und  den  heiteren  Gevatter;  dass  er  die  Schil- 
derung anderer  entwarf  nach  der  Folge  der  Eindrücke,  die  sie  hervorriefen:  dass  er 
wieder  andere  historisch  aus  einem  leitenden  Gesichtspunkte  darstellte,  z.  B.  seine 
Schwester  Cornelie  aus  einer  verborgenen  Quelle;  dass  er  bei  seinen  Charakteristiken 
fast  immer  mit  dem  Aeussern  begann  auf  Grmid  seines  Ausspruchs:  „das  Auge  war  das 
Organ,  mit  dem  ich  die  Welt  fasste",  eine  Gewohnheit,  die  in  gewisser  Weise  eine 
freundschaftliche  Auszeichnung  der  geschilderten  Person  bedeutete,  aber  auch  den  Ein- 
fluss  von  Lavaters  Physiognomik  verriet.  — 

Diese  eigenen  Beiträge  Goethes  werden  für  jede  neue  Darstellung  zu  den 
vornehmsten  Quellen  gehören.  Ob  aber  eine  solche  allgemeine  Darstellung  jetzt  an- 
gebracht ist?  A.  Bettelheim  3^)  hat  einen  Preis  ausgeschrieben  für  die  beste  Goethe- 
biographie, die  in  der  von  ihm  herausgegebenen  Sammlung  „Führende  Geister"  Platz 
finden  soll.  Das  gegen  diesen  Plan  gelegentlich  lautgewordene  Bedenken,  ob  gerade 
die  in  Eluss  befindliche  Veröffentlichung  von  Material  und  die  jetzt  besonders  lebhafte 
kritische  Durcharbeitung  der  Werke  eine  solche  Arbeit  begünstige,  bekämpfte  B.  mit 
dem  Hinweis  darauf,  dass  eine  für  das  grössere  Publikum  bestimmte  Darstellung  von 
der  kritischen  Kleinarbeit  unabhä,ngig  sei  und  dass  die  Grundlinien  von  Goethes  Wesen 
zu  fest  stehen,  um  durch  neue  Funde  eine  vollständige  Veränderung  zu  erfahren.  —  Die 
ältere  Biographie  von  Lewes^*)  winrde  neu  aufgelegt,  wobei  aber  auch  an  dieser  Stelle 
bemerkt  werden  soll,  dass  die  16.  Auflage,  die  auch  meinen  Namen  trägt,  nichts  anderes 
sein  kann  (gesehen  habe  ich  sie  nicht)  als  ein  von  mir  nicht  durchgesehener  Abdruck 
der  allerdings  durch  mich  bearbeiteten  15.  Auflage.  —  Muncker^^)  gab  mit  seiner  ge- 
wohnten Gewissenhaftigkeit  eine  praktische  Zusammenstellung  der  wichtigsten  Lebens- 
daten. —  Eine  allgemein  gehaltene,  brauchbare,  zunächst  für  Franzosen  bestimmte  Dar- 
stellung lieferte  Bossert^ß)^  der  zu  jenem  Häuflein  unterichteter  und  im  ganzen  vor- 
Tirteilsloser  Franzosen  gehört,  die  den  Eifer  für  unsere  Studien  im  Nachbarlande  fördern. 
Seine  Darstellung,  durch  Analysen  der  Hauptwerke  und  Mitteilung  von  Proben  aus 
diesen,  natürlich  in  französischer  Uebersetzung,  unterstützt,  beweist  reiche  Kenntnis  und 
atmet  wohlthuende  Wärme,  ohne  jemals  in  übertriebenen  Panegyrismus  zu  verfallen.'^'')  — 
Seb.  Brunners 38)  zuerst  1887  erschienenes,  jetzt  neu  aufgelegtes  Buch  zählt  zu  jener 
schlimmen  Gattung  ultramontaner  Schriften,  die  unter  dem  Scheine  der  W^issen- 
schaftlichkeit  geradezu  Unwahres  zusammentragen  oder  das  Wahre,  das  sie  etwa  ent- 
halten, durch  Gruppierung  und  Darstellung  zu  ihren  Tendenzen,  d.  h.  zum  Kampf  gegen 
alles  Nichtultramontane  benutzen.  Solchen  Schriften  pflegt  man  insbesondere  im  pro- 
testantischen Norddeutschland  mit  vornehm-kühler  Verachtung  aus  dem  Wege  zu  gehen 
oder  meint  sie  durch  leichten  Spott  abthun  zu  können.  Das  Eine  ist  aber  so  falsch 
wie  das  Andere:  der  Eindruck,  den  solche  Schriften  auf  die  grosse  Masse  der  katho- 
lischen Leser  und  Käufer  macht  (derartige  Bücher  werden  nämlich  auch  gekauft), 
ist  bedeutend  und  verhängnisvoll,  und  es  wird  nichts  Anderes  übrig  bleiben  als  offenes 
Auftreten  wider  diese  Hetzarbeit,  allerdings  erst,  nachdem  ihre  Gefährlichkeit  auch  denen 
erkennbar  geworden  ist,  die  jetzt  absichtlich  ihre  Augen  schliessen.  —  Die  Hauptauf- 
gabe der  Wissenschaft  bleibt  freilich  das  Aufbauen.  Als  wichtige  Grundlage  zum  Auf- 
bau der  Litteraturgeschichte  gilt  mit  Recht  Goedekes39)  Grundriss;  der  Goethe  be- 
treffende Teil  wurde  von  M.  Koch  neu  bearbeitet.  Dabei  wurde  das  eigentlich  Bio- 
graphische, soweit  es  anging,  wörtlich  beibehalten  —  der  Umfang  beider  Bearbeitungen 
ist  so  gut  wie  gleich.  Aber  K.s  Verdienst  besteht  darin,  die  neuere  Forschung  um- 
fassend benutzt  und  dadurch  viele  einzelne  Irrtümer  berichtigt  zu  haben.  Weniger 
verdienstlich  ist,  dass  er  die  Analysen  der  Goetheschen  Werke  gestrichen  hat,  obwohl 
sie  Würdigung  und  Beurteilung  der  Werke  erleichtern.  Sonst  hätte  K.  im  Streichen 
dreister  sein  können  z.  B.  in  Bezug  auf  S.  439 — 41,  den  Abschnitt  über  die  deutschen 
Höfe,  der  doch  nur  dann  eine  Berechtigung  hätte,  wenn  gleiche  Darlegungen  über  die 
geistige  Physiognomie  Frankfurts,  Leipzigs,  Strassburgs  sich  fänden.     Die  Beibehaltung 


gennan  by  John  Oxenford.  London  u.  New-York,  G.  P.  Putnams  Sons.  16".  2  Bde.  401  S.  je  M.  5,00.  —  32)  H.  üilow, 
D.  Kunst  n.  Technik  d.  Charakterschilderung  in  Goethes  Dichtung  u.  Wahrheit:  GJb.  12,  S.  228-44.  —  33)  A.  Bettel- 
heim, D.  Unmöglichkeit  e.  Goethe-Biographie:  AZg".  N.  212.  —  34)  G.  H.  Lowes,  Goethes  Leben  u.  Werke.  Uebers.  v.  J. 
Frese.  16.  Aufl.  Durchgesehen  v.  L.  Geiger.  Stuttg.irt,  Krabbe.  2  Tle.  in  1  Bd.  XXIV,  288,  II,  380  S.  M.  7,00.  —  35)  F. 
Muncker,  Goethe:  PiererKL.  6,  S.  906—21.  —  36)  A.  Bessert,  Histoire  abr6g6e  etc.  S.  o.  I  1  :  36.  S.  276-327.  — 
37)  O  0.  Browning,  Goethe  bis  life  and  writings.  London,  Sonnenschein  &  Co.  —  38)  Seb.  Brunner,  D.  Hofschranzon 
d.  Dichterfürsten.  D.  Qoethekult  u.  dessen  Tempeldiener.  E.  unentbobrl.  Handbuch  z.  Verständnis  v.  Goethes  Charakter, 
Qeistesrichtung   u.   Schriften.     2.  Aufl.     Wien,  Woerl.    Vlll,  560  S.     M.  6,00.  -  39)  K.  Goedeke,    Grundriss  s.  o.  IV  1  :  1. 


If>7 


L.  Geiger,  Goethes  Leben.  IV  9b:  40-4». 


einzelner  AnHchaunngen,  z.  B.  über  den  ungünstigen  EinfluB»  de«  Aufenthalts  n»  ^«»nar 
auf  Goethe«  geistige  Entwicklung,  ist  nicht  zu  billigen:  einzelne  Zusätze,  z.  B.  (b.  4db) 
„Wer  den  Prolog  im  Himmel  gelesen  und  bedacht  hat,  bedarf  keines  Faustkommentars", 
sind  recht  bedenklich.  Gewisse  Auslassungen  sind  sonderbar,  z.  B.  der  Worte  »n  der 
(Charakteristik  Kaufmanns  „ein  schöner,  sehr  kräftiger  Mann",  die  gar  nicht  unwichtig 
sind,  um  den  Eindruck  anzudeuten,  den  dieser  seltsame  Apostel  auf  die  Zeitgenossen 
übte.  Sollte  es  vielleicht  beabsichtigte  Deutschtümelei  sein,  dass  K.  statt  der  Goedeke- 
schen  Worte  „dabei  spekulierte  er  allerlei  über  Farben"  setzt;,  „dabei  legte  er  sich 
allerlei  Gedanken  über  Farben  zurecht",  so  wäre  dies  recht  verkehrt,  da  die  Goedeke- 
schen  Worte  offenbar  die  Goethes  wiedergeben.  Fraglich  erscheint  die  Richtigkeit 
folgender  Aenderung.  In  dem  Goedekeschen  Satz,  der  die  Schilderung  der  italienischen 
Reisö  beschliesst:  „Moritz,  Meyer  und  die  Mailänderin  mögen,  so  meinte  er,  die  drei 
Personen  sein,  die  mein  Abschied  aus  Rom  iiuiigst  betrübt",  setzt  K.  statt  der  Mai- 
länderin den  Maler  Bury;  ich  weiss  nicht  aus  welchem  Grunde,  da  ich  den  betreffeuden 
Satz  weder  in  der  italienischen  Reise  noch  in  den  Briefen  jener  Zeit  finden  konnte. 
Das  Hauptverdienst  der  K.schen  Arbeit  bezieht  sich  aber  nicht  auf  den  biographiscl^n, 
sondern  auf  den  bibliographischen  Teil,  in  dem  die  umsichtige,  überaus  fleissige  Be- 
nutzung eines  weitschichtigen,  oft  schwer  zugänglichen  Materials  alles  Lob  verdient; 
allerdings  müssen  die  Bedenken,  die  Strauch  gegen  gewisse  Punkte  der  Anordnung 
erhob,  völlig  geteilt  werden.  — 

Biographische  Einzelheiten  wurden  nicht  viel  besprochen.  Hallberg*«)  stellte 
nicht  einmal  unter  Benutzung  der  seit  einigen  Jahren  allbekannten  Leipziger  Briefe  die 
erste  Jugendzeit  dar.  —  Meist  mit  Zugrundelegung  von  Goethes  eigenem  Berichte,  aber 
auch  mit  Heranziehung  anderen  Materials  und  selbständiger  Anschauungen  wurden  die 
künstlerischen  Anregungen  der  Frankiiirter  Jugendzeit  aufgezeigt**)  und  dabei  dar- 
gethan,  dass  einerseits  Goethe  die  Kunst  an  der  Natur  mass,  andererseits,  durch  die 
Maler,  unter  denen  er  lebte,  bestimmt,  mit  den  Augen  eines  Schülers  der  Niederländer, 
vor  allem  den  malerischen  Effekt,  nicht  die  Formen  sah.  —  In  einem  grösseren  Reise- 
werk über  die  Vogesen,  das  vorzugsweise  zur  anregenden  Unterhaltung  von  Engländern 
bestimmt  ist,  kam  H.  W.  Wolff  *^)  auch  auf  Goethes  Elsasser  Aufenthalt  zu  sprechen 
und  deutete  Goethes  Leben  in  Strassburg  und  Sesenheim  durchaus  nach  des  Dichters 
eigener  Erzählung  an,  ohne  Goethes  Enthusiasmus  zu  teilen.  —  In  selbständiger,  gut 
geschriebener  Sclülderung  sprach  Herzfelder  ^s-«)  von  Goethes  Schweizerreisen,  nach- 
dem er  von  dieser  Studie  schon  vorher  einen  Abschnitt  hatte  drucken  lassen.  Er 
schilderte  ausführlich  die  vier  Reisen  1775,  1779,  1788  (bei  der  Rückkehr  aus  Italien)  und 
1797,  erzählte  alle  einzelnen  Vorgänge,  nannte  und  charakterisierte  die  Personen,  mit 
denen  Goethe  zusammentraf,  und  besprach  die  in  jenen  Zeiten  entstandenen  Werke. 
Die  Darstellung  des  Vf.  verdient  vollständige  Billigung;  auch  sein  Urteil  wird  meist 
Zustimmung  finden,  freilich  nicht  die  übermässige  Hervorhebung  der  Schweizer  Briefe 
von  1779  und  ebensowenig  die  Herabsetzung  von  „ Jeri  und  Bätely".  Anderen  kritischen 
Ausführungen  aber  wird  man  durchaus  beistimmen:  der  scharfsinnigen  Benutzung  des 
Schweizer  Tagebuchs  aus  der  Weimarer  Ausgabe,  den  aus  Briefen  und  Romanen  ge- 
wonnenen Ergebnissen  über  die  Rückfahrt  aus  Italien,  der  Leugnung  eines  Aufenthalts 
in  Uhn  1775,  trotz  Schubarts  Zeugnis,  der  Zusammenstellung  einer  Strophe  des  Ge- 
dichtes „Kennst  du  das  Land",  dessen  Ausführung  erst  dem  Anfange  des  neunten  Jahr- 
zehnts angehört,  mit  einer  Stelle  des  Tagebuchs  von  1775.  —  Die  Reise  nach  Italien 
gab  Baron  Locella*^)  Anlass  zu  ehier  stimmungsvollen  Betrachtung,  in  der  die  da- 
malige Litteratur  Italiens  und  im  wesentlichen  die  Beziehungen  zwischen  Goethe  und 
Monti,  Ugo  Foscolo,  Manzoni  ohne  unbekanntes  Material  und  auch  ohne  neue  Gedanken 
dargelegt  werden.  —  Goethes  Aufenthalt  in  Lauchstädt,  der  Weimarischen  Filialbühne, 
wurde  von  A.  von  Hahn*'^)  gestreift.  —  Ueber  Goethes  Tod  und  Bestattung  ver- 
öffentlichte Wähle*')  einen  bisher  unbekannten  Bericht *8),  den  F.  J.  Frommann  im 
Auftrage  der  Ottilie  von  Goethe  wahrscheinlich  an  eine  Frankfurterin  gerichtet  hat  Er 
giebt  authentische  Mitteilungen  über  die  letzten  Tage,  über  die  grosse  Teilnahme  der 
Weimarer  Bevölkerung  bei  dem  tragischen  Ereignis.  Goethes  letztes  Wort  soU  die  zu 
Ottilien    gethane    Aeusserung  „Gieb  mir  Dein  Pfötchen"  gewesen  sein,    während  Jenny 


S.  419—756;  766/7.  —  40)  Hallberg,  La  premiöre  jennesse  de  Ooethe;  son  s4joar  k  Leipiic,  d*»prte  h  eorrespondenoe ; 
MAcToulouse  IX.  s^r.  II  tome.  S.  107—26.  —  41)  T.  V.,  D.  kUnstler.  Anregungen  d.  Frankfurter  Jugendjahre  Goethes:  Hamb. 
NachrS.  N.  36/7.  —  42)  H.  W.  Wolf  f.  The  Country  of  the  Vosges.  London.  Longman.  XIII,  368  S.  IL  16,00.  -  43)  J 
Herzfelder,  Goethe  in  d.  Schweiz.  E.  Studie  xu  Goethes  Leben.  Leipzig,  Hirzel.  221  8.  M.  3,60.  |[B.  Petzet:  FZg 
N.  162;  L.  Geiger:  AZg.  N.  164;  J.  V.  Widmann:  Bund  N.  104;  W.  Büchner:  BLU.  S.  269-61;  Qegenw.  89,  S.  389J 
S.  M.  Prem:  ÖLBl.  1892,  S.  320;i.]|  -  44)  id.,  Goethe  u.  d.  ZOrchersee:  ÜL*M.  33,  N.  44.  -  45)  G.  Baron  Locella. 
Goethe  in  Italien:  BFDH.  NF.  7,  S.  28*-46*.  —  46)  Alban  t.  Hahn,  Uuchatldt,  d.  Pynnont  Sachsens  im  Tor.  Jh.:  LZgB. 
N.  63.  —  47)  J.  Wähle,  Goethes  Tod  u.  Bestattung.  E.  Brief  v.  F.  J.  Frommann.  27.  Mkrz  1832:  QJb.  12,  S.  183,'8.  — 
48)  X  Goethes  Tod  u.  Bestattung:  DBühnenG.  N.  26.     (Wohl  nur  Abdr.  v.  N.  47.)    —   48)   Lilyr.  Kretschman,    Erinne- 


IV9b:  ^-ß*'  L-  Geiger',  Goethes  Leben.  168 

von  Pappenheim  nach  Lily  von  Kretschmans  ^9)   Mitteilung  poetischer  will,  Goethe 
habe  gesagt:  „Nun  kommt  die  Wandelung  zu  höheren  Wandelungen."  — 

Ausser  Goethe  selbst  fanden  seine  Vorfahren  und  Nachkommen  Beachtung. 
Aufzeichnungen  von  Goethes '  mütterlichem  Grossvater  J.  W.  Textor  werden  von 
Heuer "^0^  gewürdigt:  sie  enthalten  über  Goethes  Vater  die  eine  Angabe,  dass  er  bei 
Ueberreichung  seiner  Dissertation  vom  Rat  das  „gewöhnliche  honorarium"  bekam,  sonst 
meist  städtische,  juristische,  persönliche  Notizen,  daneben  eine  religiöse  Bemerkung, 
die  den  toleranten  Sinn  des  von  Goethe  gewiss  richtig  beurteilten,  von  J.  Ch.  Senken- 
berg aus  persönlichen  Motiven  verunglimpften  Stadtschultheissen  bekundet  5i).  —  Ihm 
widmet  Heuer  ^2)  auch  ein  anziehendes  Lebensbild.  —  Ist  Textor  an  und  für  sich  eine 
nicht  uninteressante  Persönlichkeit,  so  gewinnt  er  ein  besonderes  Interesse  dadurch, 
dass  er  der  Vater  von  Goethes  Mutter  war.  Ihr  wurde  im  Berichtsjahr  wiederholte 
Aufmerksamkeit  geschenkt.  Zunächst  gab  Ph.  Stein  ^*)  einen  Abdruck  ihrer  Briefe  an 
Sohn,  Schwiegertochter,  Enkel,  getreu  nach  der  4.  Schrift  der  Goethegesellschaft,  und 
machte  dadurch  die  bisher  einem  ausgewählten  Kreise  angehörige  Sammlung  zum 
Gemeingut.  Dass  er  die  ursprüngliche  Orthographie  dieser  Briefe  beibehielt,  ist  sehr 
zu  billigen;  nur  hätte  er  noch  mehr  Anmerkungen  hinzufügen  sollen.  —  Diese  Samm- 
lung gab  dann  erneute  Gelegenheit  ^^),  das  Wesen  der  Frau  zu  charakterisieren,  besonders 
ihre  Bibelfestigkeit  hervorzuheben.  Aber  auch  Einzelheiten  aus  den  Briefen,  über 
ein  Frankfurter  Nationalgebäck  ^6)  und  über  ihre  Einquartierung  5''),  wurden  gesondert 
mitgeteilt.  —  Das  grosse  Interesse,  das  jeder  Aeusserung  dieser  wunderbaren  Frau 
entgegengebracht  wird,  bekundete  sich  darin,  dass  ein  bisher  unbekannter,  durch 
Linckelmann  58)  vorgelegter  Brief  an  J.  G.  Zimmermann,  ein  neuer  prächtiger  Beweis 
ihrer  Kunst  im  Briefschreiben,  an  drei  verschiedenen  Orten  wiederholt  wurde  59-61) ;  es 
ist  ein  Brief,  der  über  die  Beziehung  der  Schreiberin  zum  Adressaten,  über  Frankfurter 
Verhältnisse  Licht  verbreitet  und  auch  eine  interessante  Notiz  über  Goethes  Weimarer 
Anfänge  enthält.  —  Ein  zwar  nicht  von  ihr  geschriebenes  aber  ihr  gehöriges  Dokument, 
ihr  Stammbuch,  behandelt  Unland  ^2)  —  sie  benutzte  dazu,  nach  der  Sitte  ihrer  Zeit- 
genossen, ein  gedrucktes  Buch,  das  „Güldene  Schatzkästlein  der  Kinder  Gottes"  1745  — 
und  teilte  daraus  die  Eintragungen  des  Fräulein  von  Klettenberg  und  der  Ihrigen,  ferner 
die  von  Fresenius,  Griesbach  und  ein  geistliches  Gedicht  des  Sohnes  (1765)  mit,  das 
unter  Goethes  Poesien  fi-eilich  keinen  hohen  Rang  einnimmt.  —  K.  Heinemanns  ß^) 
Versuch  einer  Biographie  der  Frau  Rat  musste,  da  neue  Quellen  sich  ihm  nicht  erschlossen, 
in  erster  Linie  aus  diesen  Briefen  schöpfen.  Dies  geschieht  aber  für  eine  Biographie, 
die  eine  selbständige  Bearbeitung  eines  Lebensgangs  sein  soll,  in  zu  starkem  Masse. 
Bei  dem  ganz  eigenartigen  Charakter  der  Briefe  hätte  auch  die  Orthographie,  die  ihnen 
ihr  Gepräge  verleiht,  nicht  modernisiert  werden  sollen.  Ein  drittes  Gebrechen  ist,  dass 
in  dem  Buche  ziemlich  viel  von  Dingen  die  Rede  ist,  die  streng  genommen  nicht  in 
eine  Biographie  gehören,  z.  B.  von  Goethes  Jugendleben,  und  nicht  genug  von  solchen, 
die  gerade  ein  Biograph  behandeln  müsste:  von  Frankftirts  geistiger  Atmosphäre  und 
den  gesellschaftlichen  Kreisen,  in  denen  Frau  Rat  lebte.  Doch  gerade  was  als  Fehler 
in  wissenschaftlicher  Beziehung  erscheint,  kommt  dem  Erfolg  des  Buches  zu  gute:  das 
Publikum  liest  Briefe  nur  dann  gern,  wenn  sie  ihm  in  der  nötigen  Umrahmung  dar- 
geboten werden,  es  verlangt  mühelosen  Genuss  und  wünscht  am  liebsten  von  solchen 
Personen  unterhalten  zu  werden,  über  die  es  schon  etwas  weiss;  dazu  kommt,  dass  H. 
gewandt  schreibt,  ohne  Künstelei,  freilich  auch  ohne  hervorragende  stilistische  Begabung, 
und  dass  er  es  verstanden  hat,  seinem  Buche  einen  gut  ausgewählten,  technisch  wohl- 
geratenen Schmuck  durch  Porträts  und  Landschaftsbilder  zu  verleihen.  Durch  solche 
inneren  und  äusseren  Vorzüge  hat  das  tüchtige  Buch  einen  Erfolg  errungen  (vier  Auf- 
lagen in  etwa  anderthalb  Jahren),  der  sonst  wissenschaftlichen  Büchern  in  Deutschland 
überaus  selten  zu  teil  wird.  —  Der  Mutter  unähnlich  war  die  Schwester  Cornelie;  die 
Erinnerung  an  sie  rief  L.  Geiger 6*)  wach,  hauptsächlich  mit  Zugrundelegung  von 
Goethes  Leiziger  Briefen;  er  suchte  darzuthun,  dass  neben  ihrem  unglücklichen  Tempe- 


rungen  t.  n.  an  Jenny  ▼.  Pappenheim:  OJb.  12,  S.  181/9.  —  50)  0.  Heuer,  D.  Aufzeichnungen  d.  Stadtschultheissen 
Joh.  Wolfg.  Textor:  BFDH.  NF.  7,  S.  199—206.  -  51)  X  Goethes  Grossvater:  NFPr.  N.  9515.  -  52)  0.  Heuer,  D.  Familie 
Textor  in  Frankfurt.  Vortrag  geh.  im  Verein  f.  Gesch.  u.  Altertumsk.  Frankfurt.  Ausführl.  Referat  v.  E.  G. :  Didaskalia  N.  75. 
—  63)  D.  Familie  d.  Mutter  Goethes:  NFPr.  N.  9549.  —  54)  Briefe  v.  Goethes  Mutter.  Mit  e.  Einl.:  Christiane  v.  Goethe, 
neu  her.  ▼.  Ph.  Stein:  ÜB.  N.  2786/8.  160.  295  S.  M.  0,60.  |IML.  60,  S.  592.]|  —  55)  Goethes  Mutter  in  ihren  Briefen: 
LZgB.  N.  103.  —  56)  Wie  macht  man  Frankfurter  Braten  (Goethes  Mutter):  FZg.  N.  31.  —  57)  Frau  Rat  Goethe  Über  ihre 
hess.  u.  franiös.  Einquartierung:  Hessenland  5,  S.  29—30.  —  58)  W.  Linckelmann,  Brief  d.  Mutter  Goethes  an  J.  G.  Zimmer- 
mann: AZg.  N.  128B.  (Auch  abgedr.  GJb.  13,  S.  118—20.)  —  59)  Schreiben  d.  Frau  Rat  an  d.  Leibmedikus  J.  G.  Zimmermann: 
TglBs.  N.  132.  -  60)  E.  Brief  d.  Frau  Rat  an  d.  Leibmedikus  J.  G.  Zimmermann:  FZg.  N.  158.  -  61)  E.  Brief  d.  Frau  Rat: 
HambCorr.  N.  897.  —62)  C.  Buland,  D.  Stammbuch  d.  Frau  Rat.  S.  o.  IV  1  :  28.  —  63)  K.  Heinemann,  Goethes  Mutter. 
E.  Lebensbild  nach  d.  Quellen.  Mit  Abbild,  n.  2  Heliograv.  Leipzig,  A.  Seemann.  XII,  368  S.  M.  6,50.  |[W.  Buchner: 
BLU.  8.  737/9;  L.  Geiger:  FZg.  N.  304;  P.  M.:  HambNachrö.  N.  50;  W.  Kawerau:  MagdebZg.  N.  563;  P.  Seliger:  NZg. 
N.  733;  NFPr.  N.  9753  (daraus  KielZg.  v.  23.  Okt]|     (D.  2—4.  Aufl.  sind  uicht  mehr  im  Berichtsjahre  erschienen.)    —    64)  L. 


169  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  IV9b:«»-77« 

rainent,  das  ilir  nioiual«  volle  Befriedigung  gewährt  hätte,  ihr  pedantischer,  dem 
Genialen  «^lurrhanH  abgewendeter  Gatte,  der  ihr  das  ehemals  Genossene  doppelt  herrlich 
erscheinen  üeHs,  Schnld  an  ihrem  Lebensunmut  war.  —  Während  über  Goethes 
Scliwester  kaum  neues  Material  zu  erwarten  ist,  strömt  seit  einigen  Jahren  vieles  zu- 
sammen, um  uns  Goethes  Gattin  richtiger  kennen  zu  lehren.  Ihre  vor  bald  vier  Jahr- 
zehnten zum  ersten  Male  veröffentlichten,  vor  einigen  Jahren  neu,  z.  T.  in  Faksimile- 
druck hergestellten  Briefe  an  Nikolaus  Meyer,  den  Hausfreund  Goethes,  der  Arzt, 
Dichter  und  nebenbei  Vermittler  von  allerlei  Gutem  für  Küche  und  Haus  war,  regten 
J.  Loew^*)  zu  einer  neuen  Betrachtung  an,  die  freilich  ganz  allgemein  gehalten  ist 
und  nur  zum  geringsten  Teil  jener  Korrespondenz  gilt.  —  Zur  Wertschätzung  der  viel- 
verleumdeten Frau  trug  die  Art  bei,  in  der  Frau  Rat  gleich  von  vornherein  die  Genossin 
ihres  Sohnes,  die  Mutter  ihres  Enkels  aufnahm,  die  Herzlichkeit  und  Freundschaft,  die 
sie  ihr  persönlich  und  in  ihren  Briefen  bezeugte;  der  Herausgeber  dieser  schon  er- 
wähnten Briefe,  Ph.  Stein  ß"),  setzte  daher  seiner  Ausgabe  eine  Betrachtung  voran,  in 
der  er  nach  Zurückweisung  ungünstiger  Charakteristiken  von  Zeitgenossen  und  Späteren 
aus  Goethes  Zeugnissen  und  den  Briefen  der  Frau  Rath  ein  zutreffendes  Bild  Christianens 
entwarf.  —  Aber  weder  er  noch  K.  Heinemann '*^),  der  auf  Grund  desselben  Materials 
ein  Gleiches  versuchte  und  mit  der  schon  früher  an  ihm  gerühmten  Gewandtheit  aus- 
führte, konnten  zu  einer  vollständigen  und  ganz  richtigen  Würdigung  gelangen,  weil 
ihnen  die  wichtigste  Quelle  zur  Erkenntnis  des  Verhältnisses  von  Goethe  und  seiner 
Frau  fehlten,  nämlich  die  erst  nach  dem  Berichtsjahre  in  der  Weimarer  Ausgabe  ge- 
druckten Briefe  des  Ersteren  an  die  Letztere.  —  August  von  Goethe,  über  den  die 
Akten  ebensowenig  geschlossen  sind  wie  über  seine  Mutter,  dessen  Stellung  zum 
Vater  und  dessen  amtlich  -  geschäftliche  Thätigkeit  noch  sehr  der  Aufklärung  harrt, 
besass,  nach  der  Sitte  seiner  Zeit,  ein  Album,  dessen  Li  halt  Vulpius  *8)  mit  allzugrosser 
Freigebigkeit  mitteilte.  Unter  den  vielen  längeren  Inschriften  in  Prosa  und  Vers 
(auch  von  Herder,  Schiller,  Wieland;  die  oft  gedruckten  Verse  Goethes  tragen  hier 
das  Datum:  22.  Nov.  1801)  ist  allerdings  manches  inhaltlich  Vollwichtige,  vieles,  was 
uns  den  Weimarer  Kreis  kennen  lehrt,  der  wie  den  Vater  so  den  Sohn  umgab;  die 
JBL.  gehen  an  anderer  Stelle  darauf  ein.  —  Den  hier  Angedichteten  und  ebenso  seine 
Gattin  Hess  Lily  von  Kretschman  ^ö)  als  Dichter  auftreten.  Die  Gedichte,  die 
äusserlich  Vorbild  und  Einfluss  der  väterlichen  nicht  verleugnen,  verraten  statt  der 
Weltfreudigkeit  jener  einen  schwermütigen  Ernst;  ganz  besonders  trübe  ist  das  ernste  und 
vorwurfsvolle  Gedicht  „Abschied",  das,  nach  einer  Vermutung  der  Herausgeberin,  vor 
Antritt  der  verhängnisvollen  Reise  nach  Italien  an  Ottilie  gerichtet  wurde.  — 
Aus  derselben  Quelle,  dem  Nachlasse  und  den  Erinnerungen  der  Frau  Jenny 
von  Gustedt  geb.  von  Pappenheim,  schöpfte  Lily  von  Kretschman '^<')  eine 
Schilderung  Ottiliens  und  ihrer  Söhne,  die  sehr  viel  Neues  und  sehr  viel  Anmutiges 
enthält.  Die  Berichterstatterin  war  in  den  letzten  Jahren  von  Frau  Ottiliens  Ehe  und 
in  den  ersten  ihrer  Wittwenschaft  ein  sehr  vertrauter,  fast  täglicher  Gast  im  Goetheschen 
Hause,  und  wie  sie  den  alten  Herrn  in  der  Intimität  des  Hauskleids  sah  und  darstellte, 
so  wusste  sie  in  allerliebstem,  natürlichem  Unterhaltungston,  der  keine  schriftstellerischen 
Prätentionen  macht  und  doch  Zeugnis  von  einer  grossen  Begabung  ablegt,  dfe  Um- 
gebung zu  erkennen  und  zu  charakterisieren,  die  Mischung  von  Genialität  und  Leicht- 
sinn, hausfraulicher  Sorg&  und  wilder  Unordnung,  wie  sie  im  Wesen  Ottiliens  lag, 
darzustellen.  Auch  mit  den  Enkeln,  besonders  mit  Wolfgang,  stand  Jenny  von  Gustedt 
Jahre  lang  in  vertrautem  Verkehr,  und  nirgends  erscheinen  jene  mit  ihrer  Mutter  so 
anmutig  und  liebenswürdig  wie  in  dieser  Schilderung.  —  Gegen  eine  solche  kann 
Schwalbes'i)  Versuch  nicht  aufkommen.  — 

Unter  Goethes  Beziehungen  zu  anderen  Personen  wurden  die  zu  Napoleon 
am  meisten  besprochen.  Der  Herzog  von  Broglie  verlas  nämlich  in  einer  Sitzung  der 
französischen  Akademie  den  Abschnitt  aus  TaUeyrands  Memoiren,  der  den  Fürsten- 
kougress  von  Erfurt  und  die  bei  dieser  Veranlassung  erfolgte  Unterredung 
Napoleons  mit  Goethe  und  Wieland  behandelt.  Diese  Memoiren  wurden  von  dem 
Genannten  in  ihrer  Originalform  herausgegeben  und  alsbald  von  Ebeling'2)  ins 
Deutsche  übertragen.  Teils  nach  dieser  Uebersetzung,  teils  nach  dem  Akademieberieht 
wurde  in    deutschen    Zeitungen    die  Unterredung  einfach  mitgeteilt''"'**),  manchmal  mit 


Geiger.  Goethes  Schwester:  WIDM.  69,  S.  41—53.  —  65)  J.  Loew,  Goethes  Fnu:  StrasabPost  N.  60.  —  66)  S.  o.  N.  54. 
S.  1—40.  —  67)  K.  Heinemann,  Fran  Christiane  t.  Goethe  geh.  Vnlpins:  WIDM.  69,  S.  808—16.  —  68)  W.  Vulpius,  D. 
Stammbuch  t.  A.  t.  Goethe.  S.  o.  lY  1  :  29.  —  69)  Lily  t.  Kretschman,  Dichtungen  r.  Aogust  a.  Ottilie  t.  Goethe: 
DDichtang  10,  S.  249—52.  —  70)  id.,  Ottilie  v.  Goethe  u.  ihre  SOhne.  Aas  d.  Erinnerungen  e.  Zeitgenossin:  WIDM.  70, 
Ö.  97—109.  —  71)  J.  Schwalbe,  Goethes  Enkel:  DR.  16,  S.  339—46.  —  72)  Memoiren  d.  Fürsten  Talleyrand.  her.  mit  e.  EinL 
u.  Anm.  y.  Herzog  v.  Broglie.  Dtsch.  Originalausg.  r.  Ad.  Ebeling.  3  Bde.  KOln,  Ahn.  M.  18,00.  |[BLU.  S.  7«l/2; 
UZ.  S  501  6.]  —  73)  D.  Kaisertage  t.  Erfurt.  Nach  d.  Memoiren  TaUeyrands:  FZg.  t.  30  Jan.  —  74)  (Mitteil.  d.  Unterredung 
zw.  Goethe  u.  Napoleon  in  Erfurt,  aas  Talleyrands  Memoiren):  TglKs.  N.  26.  —  75)  Goethe  u.  Napoleon:  SchwtbMerkur  r. 
2.  Febr.  -  76)  Goethe  and  Napoleon,    ^TaUeyr»nd):  NYCritic.  18,  S.  75/6.  -  77)  Goethe  n.  NH»oleon :  NFPr.  N.  9499.  —   77«) 


IV  9b:  78-87.  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  170 

ein  paar  Bemerkungen  verbrämt,  welche  die  Bedeutung  des  Zusammentreffens  dar- 
legen und  auf  den  Inhalt  der  Unterredung  hinweisen  sollten,  ohne,  wie  Sittard '''^a)  ui  d 
M.  Gold  stein  ■'S),  die  Bedeutung,  den  kritischen  Wert  der  neuen  Nachrichten  zu  unter- 
suchen''8a-79).  —  Sehr  ausführlich,  auch  mit  Berücksichtigung  Wielands  und  unter  wört- 
licher Mitteilung  der  von  Talleyrand  überlieferten  Gespräche  ging  Menge  ^O)  auf  den 
Gegenstand  ein.  —  Der  Widerspruch  zwischen  dem  Berichte  Goethes  und  Talleyrands 
wurde  mehrfach  hervorgehoben,  teils  mit  der  Absicht,  die  Widersprüche  unbedeutender 
erscheinen  zu  lassen,  als  sie  wirklich  sind,  oder  gar  Talleyrand  als  den  zuverlässigeren 
wahrheitsgemässerenBerichterstatter  zu  bezeichnen  ^i-^^),  teils  mit  der  stark  ausgesprochenen 
Tendenz,  wie  bei  0.  von  LeixnerS^)^  den  gallischen  Lügner  zu  brandmarken.  —  Eine 
kritische  Vergleichung  beider  Berichte,  des  Talleyrandschen  und  des  von  Goethe  in  den 
„Biographischen  Einzelheiten"  gegebenen,  mit  Hinweis  auf  die  unmittelbar  nach  dem 
Ereignisse  niedergeschriebenen  Zeugnisse  von  Zeitgenossen  versuchte  L.  Geiger  ^5) 
und  kam  zu  dem,  übrigens  durch  neuere  Forschungen  französischer  und  deutscher 
Gelehrten  ausser  jeden  Zweifel  gesetztenErgebnis,  dass  Talleyrands  Mitteilung  unauthentisch 
sei.  Ist  der  betreffende  Abschnitt  wirklich  von  ihm  so,  wie  er  nun  veröffentlicht  wurde, 
geschrieben,  so  geschah  es,  da  Talleyrand  nicht  bei  der  Unterredung  zugegen  war  und 
keineswegs,  wie  er  flunkerte,  von  Goethe  unmittelbar  Mitteilungen  erhielt,  aus  trüber 
Erinnerung,  vielleicht  auch  nach  bestimmten  Tendenzen,  die  jetzt  nicht  mehr  zu  erkennen 
sind.  Er  lässt  Goethe  über  Kotzebue  und  den  Weimarischen  Hof  in  einer  Weise 
reden,  die  Goethes  Wesen  und  seinem  ausdrücklichen  Zeugnisse  widerspricht,  er 
lässt  die  allbekannten  Worte  Napoleons  über  den  „Wertlier"  aus.  Er  begeht  historische 
Fehler,  lässt  die  „Iphigenie"  in  Erfurt  aufführen,  während  eine  solche  Aufführung  nicht 
stattfand,  lässt  Goethe  sagen,  er  habe  keine  seiner  Schriften  einer  fürstlichen  Person 
gewidmet,  während  dies  mehrfach  geschah,  ihn  behaupten,  er  kenne  den  Kaiser  von 
Russland  nicht,  während  er  ihn  in  Weimar  kennen  gelernt  hatte.  Die  einzelnen  Wider- 
sprüche zwischen  dem  Goetheschen  nicht  zur  Veröffentlichung,  sondern  nur  zur  eigenen 
Information  bestimmten  Bericht  und  dem  Talleyrandschen,  in  der  Art  der  Begrüssung, 
der  Verabschiedung,  dem  Wesen  und  Inhalt  der  ganzen  Unterredung  sind  so  schlagend, 
die  inneren  und  äusseren  Gründe  für  die  völlige  Glaubwürdigkeit  der  Fassung  Goethes 
so  zahlreich  und  unanfechtbar,  dass  Talleyi'ands  Mitteilung  durchaus  in  das  Reich  der 
Erfindungen,  um  nicht  zu  sagen  der  Fälschungen  verwiesen  werden  muss.  Die  ausser- 
ordentliche Verbreitung  dieses  Berichts  in  deutschen  Zeitungen  und  Zeitschriften  ist 
nur  ein  neuer  Beleg  dafür,  mit  welcher  Gier  das  aus  der  Fremde  Stammende  bei  uns 
ergriffen  und  mit  welcher  Unwissenheit  und  Kritiklosigkeit  es  aufgenommen  und 
gepriesen  wird.  — 

Den  vielbesprochenen  Beziehungen  Herders  zu  Goethe  widmete  Düntzer****) 
eine  neue  Betrachtung.  Sie  richtet  sich  im  wesentlichen  gegen  ältere  Behauptungen 
von  Minor,  Scherer,  Suphan,  die  alle  als  unbegründet  dargethan  werden  sollen:  D. 
leugnet  Herders  übermässigen  Einfluss  auf  Goethe  in  der  Strassburger  Zeit.  In  diesem 
Leugnen  geht  er  ganz  gewiss  zu  weit,  zumal  Herders  Einfluss  in  der  Weise,  in  der  er 
von  den  Neueren  behauptet  wird,  schoii  in  ,, Dichtung  und  Wahrheit"  festgestellt  ist: 
zugegeben  mag  allerdings  werden,  dass  man  neuerdings  viel  zu  weit  gegangen  ist  in 
dem  Streben,  Herders  Wesen  und  Worte  in  einzelnen  Stellen  späterer  Goethescher 
Dramen  dargestellt  und  wiedergegeben  zu  sehen.  Doch  gehört  dieser  Punkt,  die  Be- 
nutzung von  Persönlichkeiten  für  die  Dramen  in  ein  anderes  Kapitel  der  JBL.  —  Aus 
denselben  Gründen  kann  eine  andere  Abhandlung  Düntzers^'^)  über  den  Einfluss 
Shakespeares  auf  den  jungen  Goethe,  vornehmlich  in  und  unmittelbar  nach  der  Strass- 
burger Zeit,  hier  nur  genannt  werden,  da  es  sich  ausser  der  sog.  Shakespeare-Rede 
ausschliesslich  um  Dramen  handelt.  Genannt  wird  sie  an  dieser  Stelle,  weil  sie  wiederum 
an  jene  vorgebliche  Ueberschätzung  Herderscher  Einflüsse  anknüpft.  Es  versteht  sich 
von  selbst,  dass  D.  hier  wie  sonst,  im  Namen  der  Wahrheit,  die  er  ganz  allein  kennt, 
gegen  alle  Behauptungen  jüngerer  Forscher  Front  macht,  die  in  seinen  Augen  nichts 
als  Wahrheitsverdreher  sind,  sobald  sie  nämlich  seine  Behauptungen  nicht  annehmen 
und  dass  er  unter  diesen  mit  höhnischen  Ausdrücken  besonders  die  ,, Schüler  Scherers" 
verfolgt,  die   nach  seiner  Meinung  an    allem    Unglück    auf   dem    Gebiete    der    Goethe- 


J.  Sittard,  Napoleon  u.  Ooetbe:  HambCorr.  N.  77.  —  78)  M.  Ooldstein,  Napoleon  u  Qoethe:  Gesellsch.  1,  S.  325/9.  — 
78a)  Napoleons  Zusammenkunft  mit  Qoethe  während  d.  Erfurter  Kongresses:  VZg.  N.  48.  —  79)  H.  W  — nn,  Goethe  u.  Napoleon. 
Nach  d.  Memoiren  d.  Fürsten  Talleyrand:  NFPr.  N.  9564.  —  80)  K.  Menge,  Goethe  u.  Wieland  vor  Napoleon  in  Erfurt  u.  Weimar, 
nach  Talleyrands  Memoiren:  ZÜU.  5,  S.  321-34.  —  81)  X  K.  George,  Napoleon  u.  seine  Beziehungen  zu  Goethe  u.  Wieland: 
LMerkur.  N.  18/9.  —  82)  Bojanowski,  Goethes  Gespräch  mit  Napoleon:  SchlesZg.  N.  8,'!.  (Weimarer  Korresp.  v.  31.  Jan.)  — 
83)  B..  Napoleon,  Goethe  u.  Wieland:  NZg.  22.  u.  24.  Febr.  —  84)  ü.  v.  Leixner,  E.  LUguer  übers  Grab  hinaus  :  DRomanZg. 
—  85)  L.  Geiger,  Napoleon  u.  Goethe.  Kritisches  zu  Talleyrands  Memoiren:  Nation».  8,  S.  500/2.  —  86)  H.  DUntzer, 
Herder  u.  d.  junge  Goethe  in  Strasaburg.  =  Zur  Goetheforschung.  Neue  Beitrr.  S.  76—140.  Stuttgart,  Dtsch  Verlagsanst. 
VI,  436  S.    M.  6,00,     |[NZg.  t.  24.  Okt.;    L.   Geiger:    Nation".   S.  335/6]|.   —  87)  id.,  Shakespeare   u.   d.  junge  Goethe:  ib. 


171  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  IV  9b:  «s-w. 

foruülmng  Mcliuld  mnd.  GlückliolierweiHe  haben  iiuit  andere  dafür  geMorgt,  in  den  Zom- 
ausbrüchon  des  alten  Löwen  die  erste  Stelle  einznnehmen.  — 

UiM  Goethes  Verhältnis  zu  Klinger  handelt  es  sich  in  einer  Untersuchung 
Düntzers^"),  welche  den  von  L.  Geiger  veröflientlichten  „Auszug  einer  Stelle  aus  einem 
Briefe  des  Herrn  Klinger  aus  Giessen  eines  gebohrnen  Frankfurters  an  Lenzen"  als 
eine  Fälschung  Lenzens  erweisen  soll.  Bei  einer  derartigen  Fälschung  müsste  irgend 
welcher  Grund  ersichtlich  sein;  bei  diesem  Schriftstück,  einem  Goethes  Güte  und 
liebevolle  Sorge  für  andere  neu  bezeugenden  Dokumente,  das  Lenz  Frau  von  Stein 
übergab,  liegt  gar  kein  Grund  vor.  Welches  Interesse  sollte  Frau  von  Stein  haben, 
ein  neues  Zeugnis  Wir  Goethes  Menschenfreundlichkeit  zu  verlangen,  welches  Interesse 
Lenz,  den  man  gern  als  einen  darstellt,  der  Goethes  Stellung  bei  Charlotte  untergrub, 
dieses  zu  befestigen?  Gewiss  war  Lenz  unwahrhaftig;  aber  jedes  von  ihm  herrührende 
Zeugnis  als  verdächtig  anzusehen,  ist  Hyperkritik.  Auch  die  von  Düntzer  aus  dem  Briefe 
selbst  gewonnenen  Stützen  für  seinen  Beweis  sind  unhaltbar.  Die  Ausdrucksweise  hat 
allerdings  manche  Aehnlichkeit  mit  der  Lenzschen,  aber  die  Sprache  aller  der  jungen 
Stürmer  hat  so  viel  Verwandtes,  dass  man  aus  einzelnen  Uebereinstimmungen  keinen 
Schluss  ziehen  darf  (warum  soll  z.  B.  das  Wort  „Informator"  nicht  von  Klinger  ge- 
hraucht worden  sein?);  übrigens  ist  ja  auch  denkbar,  dass  Lenz  bei  seiner  Flüchtigkeit 
und  W^illkür  den  ihm  vorliegenden  Brief  ungenau  abschrieb.  Der  Brief  enthält  ferner 
kleine  IiTtümer  und  Widersprüche  in  Bezug  auf  Klingers  Kindheit  und  auf  die  Ge- 
schichte seiner  Eltern.  Aber  erstens  sind  diese  Abweichungen  so  geringfügig,  dass  man 
sie  auch  recht  wohl  Klinger  zuschreiben  darf;  zweitens  wollte  Klinger  gar  keine 
dokumentierte  Geschichte,  sondern  eine  allgemeine  Uebersicht  seines  Lebensganges  geben, 
sogar  mit  einer  gewissen  Tendenz,  seine  Dürftigkeit  grösser  darzustellen,  als  sie  wirklich 
war;  drittens  widersprechen  einige  Behauptungen  des  Briefes  gar  nicht  wirklich  beglau- 
bigten Thatsachen,  sondern  nur  den  U eberlief erungen,  an  denen  Klingers  Kindh«t8- 
geschichte  reich  ist.  Die  D.  hauptsächlich  verdächtige  Stelle  lautet:  „Nun  wollte  ich 
auf  Akademieen  gehen,  hatte  keine  100  Fl.  Ich  ward  mit  Goethe  bekannt.  Das  war  die 
erste  frohe  Stunde  meiner  Jugend.  Er  bot  mir  seine  Hilfe  an  .  .  .  Die  100  Fl.  waren 
bald  all.  Der  grosse  Goethe  drang  in  mich,  machte  mir  Vorwürfe,  und  nun  leb'  ich 
schon  ein  ganzes  Jahr  von  seiner  Güte."  Da  Klinger,  wie  D.  nachweist,  nicht  vor  dem 
IB.  März  1770  mit  Lenz  bekannt  wurde,  so  musste  die  Unterstützung  im  Laufe  des  Jahres 
1775  erfolgt  sein.  Nun  war  Goethe  damals  allerdings  mit  Geld  recht  knapp,  aber  er 
hatte  für  andere  stets  mehr  als  für  sich.  Eine  unbestrittene  Thatsache  ist  ferner,  dass 
Goethe  schon  1774  den  Ertrag  kleiner  litterarischer  Arbeiten  Klinger  zuwies;  es  wäre 
möglich,  dass  er  beträchtlich  war  und  lange  vorhielt.  Mit  Unrecht  nimmt  D.  ferner 
daran  Anstoss,  dass  Klinger  erst  im  Frühjahr  1774,  zur  Zeit  sehies  Abgangs  auf  die 
Universität,  Goethes  Bekanntschaft  gemacht  haben  will,  und  vermutet,  Klinger  werde 
schon  vorher  gesucht  haben,  an  den  berühmten  Landsmann  heranzukommen ;  auch  einer, 
der  wie  lüinger  kein  Musterschüler  war,  hat  in  den  letzten  Monaten  des  Schulbesuchs 
wohl  anderes  zu  thun,  als  Mitglied  litterarischer  Zirkel  zu  werden.  So  viel  wird  man 
aus  den  Untersuchungen  D.s  folgern  dürfen,  dass  Klinger  und  Lenz,  jener  im  Nieder- 
schreiben seiner  Aufzeichnungen,  dieser  in  deren  Wiedergabe  nicht  urkundliche  Treue 
bewahrten;  die  thatlcräftige  Unterstützung  Klingers  durch  Goethe,  zu  deren  Erfindung 
seitens  Lenz'  auch  nicht  der  Schatten  eine«  Beweises  beigebracht  wird,  bleibt  durchaus 
bestehen.  —  Ueber  Klinger  und  einen  andern  Frankfurter  Freund  Goethes,  den  Musiker 
Ph.  Chr.  Kayser  wurde  von  Heuerte)  neues  Material  dargeboten.  Hier  werden  die 
Beziehungen  Kaysers  zu  den  Brüdern  Stolberg  beleuchtet;  einzelnes  über  die  ge- 
meinschaftliche Arbeit  Kaysers  und  Goethes  an  Opern  und  Operetten  wird  erwiesen. 
Auch  ein  Zeugnis  von  Ph.  Seidel,  Goethes  Getreuen,  über  Kayser  und  die  grosse  Be- 
deutung der  italienischen  Reise  flir  Goethe  findet  sich:  Kayser  verlor  wolil  Goethes 
Unterstützung  und  musste  sich  auch  von  der  Herzogin  Ainia  Amalia  trennen,  weil  er 
nach  des  Dichters  Worten  zu  denen  gehörte,  „die  auf  ihrem  Wege  schlendern  und  irren''. 
Ueber  einen  Vei-such  Klingers,  Kayser  1792  nach  Petersburg  zu  ziehen,  wird  ein 
interessanter  Brief  des  ersteren  mitgeteilt;  dazu  kommen  einzelne  andere  Klingersche 
Schriftstücke  aus  späterer  Zeit.  Von  Beziehungen  Goethes  zu  einem  der  Genannten  ist 
freilich  in  ihnen  nicht  die  Rede.  — 

Die  hyperkritische  Weise,  mit  der  Froitzheim*®)  das  Verhältnis  Goethes  zu 
Lenz  darzulegen  suchte,  dem  ersteren  alle  Schuld  autbürdend,  den  letzteren  entlastend, 
wird  an  anderer  Stelle  der  JBL.  gewürdigt.  —  Von  mehreren  Seiten  wurde  die  Auf- 
sehen erregende  Schrift  besprochen.  J.  Loew'*)  stellte  sich  ganz  auf  Seite  Froitz- 
heims^2)  ^^^^  glaubte  mit  diesem  an  ein  von  verschiedenen  mit  Goethes  Beteiligung  ge- 


S.  :{80 — mi  —  88)  id..  Goethes  Unt«r8tlltzun«r  d.  jungen  Klinger:   ib.  S.  53—76.  —   88)  S.  o.  N.  7.  —    90)  J.  Froitzheim. 
Lenz  u.  Goethe,  s.  o.  IV  4  :  15.  —  91)   J.^Loew,    Aus  d.  Tagen  d.  Sturm-  u.  Onngperiode:    StnsjbPosf  N.  122.  —  82)  "(IV 


IV 9b:  93-100.  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  172 

schmiedetes  Komplott,  den  unglücklichen  Dichter  aus  Strassburg  fortzuziehen. 93)  Während 
unter  Anknüpfung  an  das  Froitzheimsche  Buch,  aber  ohne  innere  Beziehung,  dagegen 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Goetheschen  Briefwechsels  sein  Verhältnis  zu  Lenz 
neu  dargelegt  wurde  ^*),  wendete  sich  W.  von  Biedermannes)  mit  starken  Ausdrücken 
gegen  Froitzheim,  sprach  von  seiner  „Taschenspielerei,  durch  willkürliche  Auslegung 
Goethescher  Erklärungen  etwas  darthun  zu  wollen",  und  erklärte  namentlich  auch  jene 
obenerwähnte  Komplottgeschichte  für  „ganz  aus  der  Luft  gegriffen".  Auch  die  weitere 
Behauptung,  dass  Lenz'  Roman  „Der  Waldbruder"  der  eigentliche  Anlass  zur  Entfernung 
des  Dichters  aus  Weimar  gewesen  sei,  wurde  zurückgewiesen.  Es  ist  gut,  an  solche 
kräftige  Abwehr  zu  erinnern.  Denn  der  „imaginäre  Hass  gegen  Goethe",  der  in  früheren 
Froitzheimschen  Schriften  unter  dem  Anscheine  der  Wissenschaftlichkeit  hervortrat, 
hat  sich  üppig  weiter  entwickelt,  während  leider  die  energische  Abwehr  solcher  Ver- 
suche nicht  immer  gleich  stark  und  konsequent  geblieben  ist.  —  Ueber  die  folgen- 
den drei  Jahre  aus  Lenz' Leben  1776 — 1779  stellte  Grottewitz  9^)  die  zerstreuten  Nach- 
richten zusammen,  ohne  viel  Neues  herauszubringen  und  ohne  manche  Dunkelheiten 
erhellen  zu  können.  — 

Im  Gegensatze  zu  Froitzheims  unerquicklicher  Gabe  darf  einer  gehaltvollen 
Untersuchung  Pniowers^'')  gedacht  werden,  die  H.  L.  Wagner  zum  Gegenstande  hat 
und  sich  mit  der  Abwehr  Froitzheimscher  Vorwürfe  beschäftigt.  In  Betreff  auch  dieses 
Goetheschen  Jugendgenossen  hatte  der  genannte  Forscher  Goethe  der  Unwahrheit  ge- 
ziehen; seine  Behauptungen  sind  JBL.  1890  IV  IIb  :  8  auseinandergesetzt.  Nicht  alles, 
was  P.  dagegen  vorbrachte,  ist  stichhaltig;  warum  soll  Wagner,  dessen  unrege  Phantasie 
sich  an  Wirkliches  anklammerte,  nicht  eine  Episode  aus  einem  Vorfall,  von  dem  er  Kunde 
hatte,  entnommen,  und  nicht  den  letzten  Anlass  zu  seinem  Drama  durch  ein  vielbe- 
sprochenes Strassburger  Lokalereignis  erhalten  haben,  während  er  die  ursprüngliche  Idee 
längst  Goethe  abgelauscht  hatte?  Aber  darin  hat  P.  gewiss  Recht,  dass  nicht,  wie 
Froitzheim  will,  nun  umgekehrt  Wagner  oder  die  auch  von  Wagner  benutzten  Strass- 
burger Vorkommnisse  Quellen  für  Goethe  gewesen  sein  können.  Ganz  abgesehen  von 
Goethes  Behauptung  muss  die  Schwierigkeit,  ja  Unmöglichkeit  betont  werden,  dass  der 
in  Frankfurt  Weilende  Ereignisse  einer  fremden  Stadt  gekannt  haben  soll.  Wenn  dann 
Froitzheim  den  Ohnmachtsanfall  der  Heldin  in  der  Kirche,  durch  den  ihre  Schuld  an  den 
Tag  gekommen  sein  soll,  als  Wirkung  einer  in  französischen  Kirchen  üblichen  Vorlesung 
eines  Edikts  gegen  verhehlte  Schwangerschaft  darstellte  und  gar  Goethe  auch  hier  als 
Plagiator  Wagners  bezeichnete,  so  bekämpft  P.  diese  an  und  für  sich  recht  thörichte 
Vermutung  mit  dem  Hinweis  darauf,  dass  die  Entstehung  der  Domscene  und  damit  auch 
des  „Ohnmachtsmotivs"  (eine  abscheuliche  Bezeichnung,  deren  Verschwinden  aus  littera- 
turgeschichtlichen  Betrachtungen  freudig  zu  begrüssen  wäre)  wegen  ihrer  Anklänge  an 
einzelne  Stellen  aus  dem  „Satyros"  wohl  schon  in  den  Herbst  1774  zu  verlegen  ist,  — 

Von  Goethes  sonstigen  persönlichen  Beziehungen  soll  hier  in  alpha- 
betischer Reihenfolge  die  Rede  sein.  Eine  ältere  Arbeit  Reinhold  Köhlers  ^8),  des 
Unvergessenen,  dessen  stillhingebende,  sorgsame  Unterstützung  mancher  unter  uns 
schmerzlich  vermisst,  eine  gelehrte  Untersuchung  über  Goethes  Verhältnis  zu  D.  Batacchi, 
die  auch  einiges  neue  Material  brachte,  wurde  ins  Italienische  übersetzt.  —  Die  in 
Goethes  letzten  Lebensjahren  unter  seinen  Augen  zum  Teil  durch  ihn  selbst  redigierte 
Zeitschrift  „Das  Chaos"  fand  in  Lily  von  Kretschman  ^9)  eine  durch  ihre  Vorstudien 
mit  der  Weimarer  Gesellschaft  vertraute  Bearbeiterin,  die  auch  in  diesem  Artikel  in  erster 
Linie  die  Aufzeichnungen  ihrer  Grossmutter,  der  Frau  Baronin  von  Gustedt  (Jenny 
von  Pappenheim)  als  Quelle  benutzte.  Was  Goethe  speciell  angeht,  so  wurden,  nebst 
einigen  Proben  seiner  Redaktionsführung,  die  mannigfachen  auf  ihn  bezüglichen  Verse 
abgedruckt,  darunter  auch  die  schon  in  der  Hempelschen  Ausgabe  befindlichen  Gedichte 
„An  Ihn",  die  eine  Erwiderung  der  bekannten  Verse  „Goethe  an  Sie"  gebildet  hatten. 
Unbekannt  war  bisher  die  gleichfalls  mitgeteilte  Uebersetzung  einzelner  seiner  prosaischen 
und  poetischen  Beiträge,  neu  wohl  die  Aufstellung,  dass  die  Verse  „Mit  einem  buntge- 
stickten Kissen"  an  Auguste  Gräfin  Egloffstein  gerichtet  sind :  Th.  Creizenach  und  Loeper 
(Weim.  Ausg.  4,  S.  275)  weisen  sie  Marianne  Willeraer  zu.  —  Eine  andere  aus  der 
ebengenannten  verzweigten  Familie,  Henriette,  erschien  in  einem  von  Wähle 'O") 
veröffentlichten  Stück  ihrer  Memoiren  als  Berichterstatterin  über  Weimarer  Zu- 
stände, freilich  über  eine  Zeit,  in  der  Goethe  gerade  in  Italien  war.  Trotzdem  ver- 
dient dieser  Bericht  eine  Erwähnung,    weil    in    ihm  von    einer    mit  den  Weimarer  Ver- 


4  :  16)  —  93)  O  Lenz  "•  Goethe:  HambNachrS.  N.  2.-94)  X  H.  R.,  Lenz  u.  Goethe:  HambCorrs.  N.  16.  — 
95)  W.  Frhr.  v.  Biedermann,  Imaginärer  Hass  gegen  Goethe:  LZg".  N.  30.  —  96)  C.  Grottewitz,  D.  Dichter 
J.  R.  Louz  s.  0.  IV  4  :  14.  -  97)  0.  Pnio  wer,  Goothe  u.  H.  L.  Wagner:  VZg».  N.  15.  —  98)  Reinhold  Köhler,  Goethe 
e  il  poeta  Dumenico  Batacchi:  ASTP.  20,  S.  21/7.  —  99)  Lily  v.  Kretschman,  Weimars  Gesellsch.  u.  d.  Chaos:  WIDM.  70, 
S.  235—64.    (Mit   Ansichten   v.    Tiefurt,  Bttersberg  u.   Portr.   mancher  Weimar.    Persönlichkeiten.)    —    100)  J.  Wähle,   Aus 


173  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  IV  9b:  101-112. 

hältnissen,  besonders  denen  des  Hofes,  wohlvertrauten  Zeugin  Schilderungen  einiger 
Personen,  mit  denen  Goethe  verbunden  war,  gegeben  werden,  z.  B.  des  Herzogs  Karl 
August  und  seiner  Mutter.  —  Stahrs  loi)  Buch,  das  ausser  den  in  Goethes  Dichtung 
geschilderten  Frauen  auch  manche  vorführt,  mit  denen  er  Umgang  pflog,  wurde  zinn 
achten  Male  aufgelegt,  ein  deutliches  und  durchaus  nicht  unerfreuliches  Zeugnis  dafür, 
(lass  die  geschmackvollen  Darstellungen  dieses  belesenen  und  unterrichteten  Autors, 
über  dessen  Auffassung  sich  freilich  manchmal  streiten  und  dessen  Kritik  sich  oft  an- 
fechten lässt,  noch  mehr  als  zwei  Jahrzehnte  nach  seinem  Tode  ohne  jede  Veränderung 
und  Umarbeitung  als  ein  gern  gesehenes  Lesebuch  wiedererscheinen.  •"2)  —  Wenig  er- 
freuliches lässt  sich  von  einem  Aufsatze  Malkowskys  i*^)  über  Angelika  Kauffmann 
sagen,  einem  jener  Wanderartikel,  dem  man  häufiger  begegnet  und  dem  man  lieber 
gar  nicht  begegnen  möchte,  der  nicht  das  geringste  Neue  und  auch  das  Alte,  Längst- 
l)ekannte  in  keiner  originellen  Form  behandelte.  Originell  dürfte  nur  sein,  dass  der 
Artikel  aus  Anlass  des  150.  Geburtstags  der  guten  wackeren  Frau  geschrieben  ist:  wen 
in  aller  Welt,  ausser  dem  Feuilletonschreiber,  könnte  dieser  Tag  interessieren?  —  Neues 
über  Susanne  von  Klettenberg  teilte  R.  Jung  i*'*)  mit:  es  handelt  sich  um  ihr  Testament, 
um  das  nach  ihrem  Tode  im  Beisein  Goethes  aufgenommene  Inventar,  aus  dem  das 
V'orzeichnis  der  Gemälde  und  Bücher  gedruckt  wird.  Theologische  und  philosophische 
Werke  waren  hauptsächlich  vertreten;  von  Goethe  befand  sich  nichts  darunter.  Von 
einem  Päckchen  „Diverse  Briefe  .  .  von  Herrn  D.  Gothe"  war  nur  der  Umschlag  er- 
halten, doch  fanden  sich  ein  paar  Zettelchen  Goethes,  nicht  bedeutenden  Inhalts  neben 
(iinigen  an  Fräulein  von  Klettenberg  gerichteten  Briefen.  —  Goethes  ältester  Weimarer 
Freund  K.  L.  v.  Knebel  war  von  einem  seiner  Verwandten  Hugo  Knebel-Döberitz  im 
vorigen  Berichtsjahr  zu  panegyiüsch  dargestellt  worden  i05)j  mit  Anknüpfung  an  dies 
Buch  gab  L.  Geiger  lo*^)  ein  Charakterbild  von  Goethes  Urfreund,  in  dem  mehr  das 
Schwächliche,  Launische,  Halbe  in  seinem  Wesen,  seine  satanische  Freude  an  den 
Thorheiten  anderer  hervorgehoben  werden,  Eigenschaften,  denen  weder  Lust  noch  Kraft 
gegenüberstand,  selbst  etwas  Gutes  und  Verständiges  zu  schaffen.  —  Biltz'"')  gab  nicht, 
wie  der  Titel  seiner  Arbeit  vermuten  Hess,  eine  Kritik  des  Knebel-Döberitzschen  Buches, 
sondern  eine  breite  Wiedergabe  seines  Lihalts,  mit  wörtlichem  Abdruck  mancher  Schrift- 
stücke, ohne  Neues  zu  bringen  und  ohne  eine  selbständige  Beurteilung  zu  versuchen, 
in  einem  burschikosen  Ton,  der  sich  für  solche  Darlegungen  nicht  schickt;  eine  Aeusse- 
rung,  wie  er  sie  bei  Erwähnung  der  Thatsache,  dass  Knebel  im  69.  Lebensjahre  einen 
Sohn  bekam,  vorbringt:  „und  da  spricht  man  noch  von  der  Unproduktivität  Knebels", 
sollte  in  einem  wissenschaftlichen  Vortrage  nicht  gethan  werden.  i^S)  —  Die  hundertste 
Wiederkehr  von  Mercks  Todestag  —  „Hundertjahrestag  seines  Todes"  ist  doch  ein  gar 
zu  abscheulicher  Ausdruck  —  gab  Ph.  Stein  109)  Anlass  zu  einer  Betrachtung,  in  der 
besonders  Mercks  Einfluss  auf  Goethe  mehr  behauptet  als  nachgewiesen  und  Merck 
gegen  einige  Anschuldigungen  in  „Dichtung  und  Wahrheit"  in  Schutz  genommen  wurde. 
Ein  Satz  wie  der  folgende:  „Die  Eigenart  und  die  grosse  Wirkung,  die  Merck  als 
Kritiker  ausgeübt  hat,  erklären  sich  aus  seiner  Selbstlosigkeit",  ist  entweder  völlige 
Phrase  oder,  wenn  er  ernst  gemeint  ist,  recht  verkehrt.  —  AusführHcher  wurde  derselbe 
einflussreiche  Ratgeber  Goethes  von  R.  Proelssi^oj  behandelt,  der  das  gesamte  Leben 
und  Wirken  Mercks  darstellte  und  dabei  auch  auf  seine  übrigen  Lebensbeziehungen  und 
schriftstellerischen  Arbeiten  einging,  besonders  bemüht,  die  einseitige  Auffassung  zu  ent- 
kräften, Merck  sei  bloss  als  Kritiker  thätig  gewesen.  Dagegen  wird  man  freilich  sagen 
müssen,  dass  seine  sonstige  schriftstellerische  Thätigkeit  nicht  viel  bedeutete  und  dass 
er  nur  seinen  kritischen  Arbeiten  und  dem  durch  sie  geübten  Einfluss  sein  Fortleben 
in  der  Litteratur  verdankt.  —  Fallen  die  Beziehungen  zu  Merck  in  Goethes  Frühzeit, 
so  gehören  die  zu  Jenny  von  Pappenheim  in  die  spätesten  Tage  des  Dichters.  Was 
über  sie  Lily  von  Kretschman  111)  aus  den  Aufzeichnungen  ihrer  oft  genannten 
Grossmutter  mitteilte,  gehört  zu  dem  Liebenswürdigsten,  was  man  von  dem  Alternden 
weiss.  Nicht  als  strengwaltender  Olympier  und  nicht  als  weitabgewandter  Greis  erscheint 
er  hier,  sondern  als  freundlicher,  mitten  im  Leben  stehender,  an  Spielen  und  Scherzen 
der  Jugend  teilnehmender,  für  die  Reize  jugendlicher  Enthusiastinnen  empfänglicher 
Alter.     In  diesem  Bericht  fand  manch  hübsches  Wort  und  manche  artige  Anekdote  Platz, 


Henriettens  v.  Egloflfstein  Memoiren.  Weimar:  GJb.  12,  S.  139-50.  —  KH)  Ad.  Stahr,  Goethes  Frauengestalten.  Mit 
2  Bildn.  sowie  Faksim.  8.  Aufl.  Berlin,  Brachvogel  &  Ranft.  VU,  260  u.  292.  M.  6,00.  —  102)  (IV  9a :  56'8.)  -  103) 
G.  Malkowsky,  Angelika  Kauffmann.  Z.  150.  Wiederkehr  ihres  Geb.  (.30.  Okt.  1741):  KielZg.  N.  14569.  (Auch  Didaskalia  t. 
1.  Nov.  D.  Artikel  entstammt  d.  „Berliner  Feuilleton-Correspondenz".)  —  104)  R.  Jui.g,  Aus  d.  Nachlasse  d.  Frlnleios  Sus. 
Katharina  v.  Klettenberg:  BFDH.  NF.  7,  S.  57—68.  —  105)  X  W.  Buchner,  v.  Knebel-Doeberitz,  Knebel  (JBL.  1890 
lY  IIb  :  110):  BLU.  N.  3.  —  106)  L.  Geiger,  K.  L.  v.  Knebel:  MUnchNN.  N.  26.  —  107)  K.  Bilti,  D.  neueste  Biographie 
Knebels  =  Neue  Beitrige  z.  Gesch.  d.  dtsoh.  Sprache  u.  Litt  Berlin.  Stargardt  S.  193-219.  -  NM)  (IV  »a :  54.)  —  109) 
Pb.  Stein.  Job.  TIeinr.  Merck.  Z.  H underf Jahrestage  seines  Todes  (27.  Juni):  KielZg.  N.  14355.  (Aneb  Didaskalia  N.  147.) 
—  110)  Hob.  l'rölss,  Job.  Heinr.  Merck:   LZgu.  N.  79.    —    lli)  S.  o.  N.  49.  —  112)  X  *".  F.  Cornish,  Goethe  »nd  Frau  Ton 


rV 9b:  113-114. IV 9c:  1-4.  L.  Geiger,  Goethes  Leben.  174 

die  als  authentisch  gelten  können,  obwohl  man  im  Auge  behalten  muss,  dass  die  Auf- 
zeichnungen nicht  gleichzeitig  gemacht,  sondern,  wenngleich  auf  Grund  eines  treuen 
Gedächtnisses,  Jahrzehnte  nach  den  Ereignissen  niedergeschrieben  wurden.  —  Der  Ver- 
kehr der  Letztgenannten  mit  Goethe  war  für  ihn  eine  Episode,  für  sie  ein  Lebens- 
ereignis; der  Verkehr  mit  Charlotte  von  Stein  ist  unter  die  epochemachenden  Abschnitte 
des  Lebens  zu  rechnen,  über  die  zu  grübeln  man  nicht  aufhören  wird,  n^-iisj  j^^,j. 
müsste  dies  freilich,  wenn  es  etwas  nützen  soll,  in  ganz  anderer  Weise  erfolgen,  als 
es  in  drei  Artikeln  eines  Ungenannten  i^*)  geschehen  ist.  Zum  Verständnis  der  Goethe- 
schen  Briefe,  dem  sie  dienen  wollen,  bringen  diese  schlechtgewählten  Auszüge  und 
nichtssagenden  Betrachtungen  gar  nichts  bei.  Was  sollen  Behauptungen  wie  die,  dass 
Auguste  V.  Kalb  sich  zuerst  „der  Galanterien  des  bewunderten  Mannes  zu  rühmen 
hatte"  und  dass  Goethe  dann  „Seladon"  der  Amalie  von  Kotzebue  war.  Woraus  ent- 
nimmt der  Vf.  das  Recht  zu  der  Behauptung,  Goethe  habe  von  Frau  von  Stein  die 
Scheidung  „von  ihrem  Manne  verlangt  und  dafür  versprochen,  Rang  und  Stellung  am 
Hofe  aufzugeben"?  Wie  kann  jemand,  dem  man  doch  zumuten  sollte,  er  habe  die  vor 
einigen  Jahren  veröffentlichten  Briefe  aus  Italien  gelesen,  niederschreiben:  „dort  sank 
die  Flamme  seiner  Liebe  zu  Charlotten,  weil  sie  keine  Nahrung  mehr  in  deren  Nähe 
fand,  in  Asche  zusammen"!  Für  das  Verständnis  des  wunderbaren  Verhältnisses  zeigt 
sich  in  diesen  seltsamen  Aeusserungen  und  den  langen,  sie  begleitenden  Auseinander- 
setzungen nicht  der  geringste  Anhalt;  viel  eher  sind  derlei  breite  Bettelsuppen  völlig 
geeignet,  den  Geschmack  an  der  kräftigen  Nahrung  zu  verderben,  welche  Goethes  Briefe 
bieten  sollen.  — 


e.  Lyrik. 

Otto  Pniower. 

Funde  N.  1.  —  Ausgaben  N.  7.  —  Allgemeine  Charakteristik  N.  13.  —  Einzelne  Schöpfungen 
Strassburger  Zeit:  Friederikenlieder  N.  19;  HeidenrOslein  N.  22.  —  Frankfurter  Zeit:  An  Schwager  Kronos  N.  24;  Herbst- 
gefUhl  N.  25.  —  Weimarer  Zeit:  Hans  Sachsens  poetische  Sendung  N.  27;  Grenzen  der  Menschheit  N.  28;  Wer  nie  sein 
Brod  mit  Thränen  ass  N.  29;  Venetianisehe  Epigramme  N.  30;  Sonette  N.  31;  Verschiedenes  N.  32.  — 

Auch  für  dieses  Berichtsjahr  gilt,  dass  die  litterarische  Thätigkeit  auf  dem  Ge- 
biete der  Goetheschen  Lyrik  weder  eine  sehr  reichhaltige  noch  ergiebige  war.  Niir  in 
wenigen  Fällen  ward  ein  Blick  auf  das  Gesamtgebiet  gewagt,  und  selbst  in  der  Einzel- 
forschung bewegte  sich  die  Betrachtungsweise  nach  wie  vor  in  den  ausgefahrenen 
Geleisen.  Chronologie  oder  Einwirkung,  das  sind  die  Fragen,  auf  die  die  Aufmerksamkeit 
gerichtet  blieb.  Jenen  Wegen  und  Zielen  zuzuschreiten,  die  Wilhelm  Scherer  vor  langer 
Zeit  und  ten  Brink  im  Berichtsjalu-  (I  1  :  20)  der  Behandlung  der  Lyrik  vorgezeichnet 
haben,  macht  man  keine  Miene.  Und  doch  wäre  es  hier,  wo  das  biographische,  über- 
haupt das  erklärende  Material  so  reichlich  vorhanden  ist  wie  nirgends  sonst,  am 
leichtesten  und  zugleich  am  lohnendsten,  jenen  Fragen  nach  der  inneren  Redeform,  nacli 
dem  Verhältnis  des  Dichters  zu  seinem  Stoff,  nach  der  rhetorischen  Syntax  im  ganzen 
wie  nach  der  Wirkung  des  einzelnen  Wortes,  nach  dem  Verhältnis  des  Rhythmus  zum 
Stoff  und  ähnlichen  Dingen  ernsthaft  nachzugehen  und  so  die  Lösung  des  Problems 
über  das  Geheimnis  der  dichterischen  Wirkung  vorzubereiten.  An  Funden  bisher  un- 
veröffentlichter Gedichte  ergab  aber  das  Jahr  mancherlei.  Ruland  i)  teilt  aus  dem 
Stammbuch  der  Frau  Rat  eine  poetische  Umschreibung  der  Abendmahlsworte  mit,  die 
der  jugendliche  Goethe  am  30.  Sept.  1765,  am  Vorabend  oder  am  Tage  selbst,  da  er 
nach  Leipzig  aufbrach,  in  das  Erbauungsbuch  seiner  Mutter  eintrug.  —  Von  den  Gedichten 
Goethes,  die  uns  ein  Aufsatz  von  W.  Vulpius  2)  vorführt,  ist  freilich  keines  bisher  un- 
gedruckt, aber  für  die  zwei  Distichen  (S.  80),  mit  denen  der  Dichter  dem  Stammbuch, 
das  er  seinem  Sohne  schenkte,  die  Weihe  gab,  ist  hier  wenigstens  die  authentische  Da- 
tierung (22.  Nov.  1801)  geliefert.    Ein  anderes,  das  Distichon  vom  12.  Juli  1805  (S.  247), 


stein.  Essay  read  before  the  Manchester  Goethe  Society:  Ac.  39,  S.  238/9.  —  113)  X  T.  Hitehcock,  Unhappy  loves  of  nien 
of  genins.  New-York,  Harper.  II,  212  S.  M.  6,00.  l[NYCritic  16,  N.  61;  Literary  World  (Boston)  22,  N.  25.]|  (Auch 
über  Goethe  u.  Frau  v.  Stein.)  —  114)  Charlotte  v.  Stein.  Z.  Yerstandn.  d.  Goetheschen  Briefe  an  sie:  NorddAZg. 
N.  304.  366.  368.  — 

I)  (IV  1  :  28.)  —  2)  (IV  1  :  2Ö.)  -  3)  (IV  9b  :  49.)  -  4)  (IV  9b  :  104;  Tgl   D.  Sanders:  ZDS.  4,  S.  193  f.)  - 


175  0.  Pniower,  Goethes  Ljrrik.  IV  9c:  s-ir. 

mit  dem  Goethe  ein  zweites  Stammbuch  seines  Sohnes  schmückte,  ist  in  wenig  veränderter 
Gestalt  in  seine  Werke  übergegangen.  Zwei  weitere  Gedichte,  die  der  Vf.  anführt,  kennt 
die  Weimarer  Ausgabe  schon.  —  Lily  von  Kretschman  ^)  teilt  ein  Gelegenheitsge- 
dichtchen mit,  das  Goethe  am  1(5.  Jan.  18H2  für  Jenny  v.  Pappenheim  verfa«Hte.  Es  ist 
Wühl  eines  seiner  letzten  poetischen  Produkte.  —  Zwei  Findlinge  erweisen  sich  bei 
näherer  Betrnchtiuig  als  nicht  Guethesch.  Den  einen  bilden  die  aus  dem  Nachlasse  des 
Frl.  von  Klettenberg  von  R.  Jung  ♦)  mitgeteilten,  von  Goethes  Hand  geschriebenen  Verse, 
die  GJb.  12,  S  282  noch  einmal  abgedruckt  sind.  Sie  sind,  wie  mich  A.  Fresenius  be- 
lehrt, ein  Citat  aus  dem  zweiten  Buch  von  Wielands  „Musarion".  —  Den  zweiten  veröflFent- 
licht  Gartz  5).  Zu  den  Sonetten,  die  Bettina  in  dem  „Briefwechsel  Goethes  mit  einem 
Kinde"  als  an  sie  gerichtet  in  Anspruch  nimmt,  gehört  auch  das  fünfte,  „Wachstum" 
überschrieben.  G,  ist  der  Ansicht,  die  er  auch  schon  frtiher  entwickelt  hat,  dass  das  Sonett 
nicht  Bettinen,  sondern  Wilhelmine  Herzlieb  gilt.  Weil  aber  Bettina  ausdrücklich  bemerkt, 
dass  das  Sonett  auf  einem  Blättchen  stand,  das  einem  Briefe  Goethes  an  seine  Mutter 
eingelegt  gewesen  sei,  luid  weil  dieses  Blättchens  auch  in  einem  Schreiben  des  Dichters 
an  das  ,.Kind"  Erwähnung  gesrhieht,  meint  G.  wohl  (er  spricht  sich  darüber  nur  sehr 
kiu'z  und  unklar  aus),  dass  eine  reine  Fiktion  nicht  vorhegen  könne  und  dass  sich  auf 
jenem  Blättchen,  wenn  auch  nicht  das  Sonett  „Wachsthum",  so  doch  ein  anderes  Gedicht 
befunden  haben  müsse.  Und  dieses  glaubt  er  in  drei  Strophen  von  je  vier  Versen  ent- 
deckt zu  haben,  von  denen  eine  „Goethe"  unterzeichnete  Abschrift  sich  im  Besitze  des 
Frl.  Cäcilie  Wattenbach  befindet.  Ich  vermag  dieser  Hypothese  jedoch  nicht  die  ge- 
ringste Glaubwürdigkeit  beizumessen.  Dass  das  Gedicht  Goethesch  .sein  könnte,  will  ich 
nicht  leugnen,  wenn  ich  auch  die  Meinung  Düntzers,  auf  die  G.  sich  beruft,  dass  sein 
Ton  durchaus  den  Sonetten  von  1807  zu  entsprechen  scheint,  nicht  durchaus  teilen 
kann.  Aber  es  ist  mit  der  Ueberlieferung  so  bestellt,  dass  nicht  einmal  eine  Beziehung 
des  Gedichtes  zu  Bettina  durch  sie  beglaubigt  ist  und  dass  G.  nur  auf  Grund  ganz 
vager  Judicien  vermutet,  es  stamme  aus  ihrem  Besitze.  Auch  seine  Behauptung, 
dass  die  Verse  ihrem  Sinn  und  Inhalte  nach  sich  mit  von  ihm  angeführten  Prosazeilen 
Goethes  an  Bettina  decken,  trifft  nicht  zvi.  —  Eher  wird  Goetheschen  Ursprungs  ein 
aus  zwei  vierzeiligen  Strophen  bestehendes  Gedicht  auf  den  Carlsbader  Sprudel  sein, 
das  Lily  von  Kretschman  ^)  aus  dem  „Chaos"  mitteilt.  Die  Weimarer  Ausgabe 
hat  es  auch  aufgenommen :  Bd.  4,  S.  282.  — 

An  Ausgaben  der  Gedichte  liegt  uns  ausser  solchen,  die  engeren  Zwecken 
dienen'-**),  der  vierte,  von  G.  von  Loeper^)  besorgte  Band  der  Weimarer  Edition  vor. 
Er  enthält  vom  vierten  Bande  der  Ausgabe  letzter  Hand  die  Gi*uppe:  Inschriften,  Denk- 
und  Sendeblätter,  dann  was  dort  teils  keine  Aufnahme  gefunden  hat,  teils,  weil  es  erst 
später  entstanden  ist,  keine  hat  finden  können.  Diese  Gedichte  „Aus  dem  Nachlass" 
sind  nach  Goetheschen  Rubriken  („Vermischte  Gedichte",  „Antiker  Form  sich  nähernd" 
usw.)  geordnet.  Zuletzt  folgen  solche,  von  denen  der  Goethesche  Ursprung  nicht  völlig 
sicher  bezeugt  ist.  Da  Lesarten  und  kritischer  Apparat  erst  nachgebracht  werden  sollen, 
so  muss  eine  nähere  Besprechung  des  Bandes  aufgespart  bleiben.  Dagegen  haben  wir 
an  dieser  Stelle  auf  die  früher  erschienenen  Bände  der  Ausgabe  zurückzukommen,  soweit 
sie  die  Gedichte  enthalten.  Es  sind  dies  die  Bände  1 — 3  und  6 — 7  („West-östlicher  Divan"). 
Sie  haben  in  dem  Berichtsjahr  eine  lebhafte  Kritik  von  Düntzer'^*)  erfahren,  auf  die 
G.  von  Loeper")  in  einer  Gegenkritik  geantwortet  hat.  D.  verbreitet  sich  eingehend 
über  die  Handhabung  der  Orthographie  und  Interpunktion.  Er  hält  .sich  dabei  nicht 
frei  von  Kleinlichkeit,  Rechthaberei  und  jener  an  ihm  bekannten  Art,  den  Dichter  selbst 
zu  meistern.  Er  verschmäht  es  nicht,  auch  auf  ganz  belanglose  Inkonsequenzen  auf- 
merksam zu  machen  luid  die  Fälle  zu  notieren,  wo  Anführungsstriche  ausgelassen  sind, 
wo  statt  eines  Punktes  ein  Gedankenstrich  steht  u.  dgl.  Die  einzelnen  Ausgaben  der 
Goetheschen  Werke  findet  er  unglücklich  bezeichnet.  Auch  rügt  er,  dass  eine  Charak- 
teristik von  ihnen  fehle,  sowie  eine  zusammenfassende  Auseinandersetzung  über  ihr  gegen- 
seitiges Verliältnis.  Man  kann  ihm  darin  nur  soweit  Recht  geben,  dass  diese  Arbeit 
natürlich  gemacht  sein  muss,  bevor  man  an  die  endgültige  Feststellung  des  Textes  geht 
Ob  aber  eine  Darstellung,  wie  sie  ihm  vorschwebt,  in  eine  Ausgabe  von  dem  Charakter 
der  Weimarer  gehört,  ist  doch  wohl  eine  Frage,  die  man  nicht  ohne  weiteres  wird  be- 
jahen können.  Aber  auch  die  Anführung  der  Lesarten  findet  D.  unzidänglich.  Freihch 
haut  er  bei  dem  Versuch,  dies  nachzuwei.sen,  wiederum  über  die  Schnur,  indem  er  auch 
ganz  unwesentliche  Mängel  hervorhebt.  Ebenso  rügt  er  ihre  Unübersichtlichkeit.  Prin- 
zipiell meint  er,  hätten  die  Redaktoren  von  der  Ausgabe  letzter  Hand  eine  viel   zu  günstige 


5)  K.  Th.  Oaedert«,  E.  unbekanntes  Gedicht  t.  Goethe:  Gegenw.  39,  S.  68  9.  —  6)  GV  »b  :»«.)—  7)  X  Gedichte  v.  Goethe. 
Auswahl,  her.  y.  K.  Franz.  Bielefeld  u.  Leipzig,  Velhagen  &  Klasing.  o.  J.  191  S.  M.  0,75.  —  8)  X  Goethes  Gedichta^ 
Fllr  d.  Frauenwelt  ausgew.  v.  Clara  Braun.  Stuttgart,  Greiner  A  Pfeiffer.  XI.  368  S.  M.  8^.  —  9;  (IV  9a  :  118)  — 
lOj  H.  ÜUntzer,  Ueber  Goethe»  Werke:    ZDPh.  23,  S.  2»4-a49.    -    II)  (IV  9a  :  125;  S.  5-16.)  —  tt)  B.  Keil,  E.  Goethe- 


rv  9c:  13.  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  176 

Vorstellung.  Nach  seiner  Ansicht  hätte  man  Göttlingsche  Aenderungen,  selbst  wenn  sie 
Goethe  Billigung  fanden,  zu  prüfen  und  gegebenen  Falles  rückgängig  zu  machen. 
Auch  wendet  er  sich  gegen  die  Beibehaltung  der  Anordnung  der  Gedichte,  wie  sie  die  Aus- 
gabe letzter  Hand  darbietet,  weil  dafür  vielfach  rein  äusserliche  Momente  massgebend 
waren.  Kurz,  er  lässt  so  zu  sagen  kein  gutes  Haar  an  der  in  diesen  Bänden  nieder- 
gelegten Arbeit.  Man  wird  eine  kritische  Erörterung  des  D.schen  Standpunktes  oder 
gar  der  Fülle  diskutierbarer  Einzelheiten,  die  in  der  sehr  ausführKchen  ßecension  zur 
Behandlung  kommen,  hier  nicht  erwarten.  Wir  müssen  uns  begnügen,  auf  die  wichtigeren 
Punkte  hinzuweisen  und  eine  Aufzählung  derjenigen  Stellen  der  Gedichte  zu  geben,  die 
bei  ihm  eine  eingehendere  Besprechung  finden.  Dabei  verzichten  wir,  weil  auch  das  zu 
weit  führen  würde,  in  den  meisten  Fällen,  unsere  eigene  Auffassung  kund  zu  thun. 
S.  311  giebt  er  eine  sehr  dankenswerte  Zusammenstellung  der  Gedichte,  die  in  jener 
mit  H^  bezeichneten  Sammlung  enthalten  waren,  die  „die  Quelle  der  meisten  bisher 
bekannt  gewesenen  Gedichtsabschriften  Herders  und  der  Frau  von  Stein  ist".  S.  312  f. 
bespricht  er  das  im  ersten  Band  der  Ausgabe  S.  365  f.  abgedruckte  Gedichteverzeichnis 
der  Bäbe  Schulthess.  Unter  den  S.  318  f.  aufgezählten  Druckfehlern  sind  bemerkens- 
wert die,  die  beim  ersten  Druck  entstanden  und  nun  unbemerkt  in  allen  Ausgaben  sich 
erhielten;  dabei  werden  allerdings  auch  Lesungen  erwähnt,  bei  denen  an  Fehler  niclit 
zu  denken  ist.  Dazwischen  wird  die  Frage  des  so  häufigen  Wechsels  der  Tempora  bei 
Goethe,  namentlich  des  Praesens  und  Praeteritum  erörtert.  S.  323  f.  bespricht  D.  die 
Datierung  des  Gedichts  „Der  Müllerin  Reue",  womit  aber  L.  S.  12  zu  vergleichen  ist. 
Zu  V.  23  von  ,, Gewohnt,  gethan",  sucht  D.  (S,  296)  vergeblich  seine  Lesart  „Jungen" 
zu  retten.  Das  gelingt  ihm  auch  nicht  in  Bezug  auf  V.  12  des  Liedes  „Epiphaniasfest" 
(S.  319).  Dagegen  hat  er  wohl  Recht,  dass  im  dritten  Vers  des  „Frühzeitigen  Früh- 
lings" das  Komma  nach  Sonne  vom  Uebel  ist  (S.  322).  S.  297  wird  V.  204  der  elften 
Römischen  Elegie  erörtert  und  V.  231  der  zwölften.  Vom  zweiten  Band  wird  S.  319  ff. 
V.  16  des  Gedichtes  „An  die  Cicade"  besprochen,  S.  322  die  schwierige  Stelle  V.  119 
des  Gedichtes  „Ilmenau".  S.  13  seiner  Entgegnung  beweist  L.  aber  die  Richtigkeit  der 
von  ihm  gewählten  Lesart.  Genau  dasselbe  Verhältnis  zeigt  sich  in  Bezug  auf  den 
letzten  Vers  des  Gedichtes  „Kommt  Zeit,  kommt  Rat"  (D. :  S.  322  f. ;  L. ;  S.  13).  Dagegen 
wird  D.s  Vorschlag  im  V.  12  von  „Künstlers  Abendlied"  statt  „nur"  „nun"  zu  lesen 
(S.  319)  von  L.  (S.  14)  beachtenswert  gefunden.  Andererseits  erhält  D.s  Ansicht  in 
Bezug  auf  die  Lesung  der  V.  12/6  des  Gedichtes  „Juni"  (S.  323)  L.s  Billigung  mit 
Recht  nicht  (S,  14).  Eine  eingehende  Kritik  hat  D.  auch  dem  ,,Divan"  gewidmet. 
S.  326  f.  wird  die  erste  noch  vor  dem  Wiesbadener  Register  liegende  Sammlung  besprochen 
und  dann  dieses  selbst,  wobei  die  Datierung  von  Gedichten  wie  „An  Schach  Sedschan 
und  Seinesgleichen"  und  „Berechtigte  Männer"  erörtert  wird.  Aus  den  ,, Entwürfen  zu 
Divangedichten"  werden  N.  5,  7  und  9  behandelt.  An  einzelnen  Stellen  werden  folgende 
betrachtet:  S.  329  :  V.  32  des  Gedichtes  „Segenspfänder",  wo  eine  ganz  verfehlte  Er- 
klärung geboten  wird;  V.  20  des  Gedichtes  „An  Hafis";  V.  13  des  Gedichtes  „Geheimstes"; 
S.  297:  V.  15  des  Spruches  aus  dem  „Buch  der  Betrachtungen"  „Haben  sie  von  deinen 
Fehlen."  S.  328  :  V.  13  des  Gedichtes  „Hab  ich  euch  denn  je  geraten";  S.  330:  der 
Spruch  „Die  Flut  der  Leidenschaft,  sie  stürmt  vergebens",  zusammen  mit  dem  „Dunkel 
ist  die  Nacht" ;  V.  10  f  des  Liedes  „An  Suleika".  S.  297  geht  D.  bei  der  Besprechung 
der  V.  29  f.  des  dialogischen  Gedichtes  „Wie  des  Goldschmieds  Bazarlädchen"  von 
einer  ganz  falschen  Lesung  aus;  S.  331  bestreitet  er  die  Interpungierung,  die  L.  dem 
V.  2  des  Gedichtes  „Nachklang"  zu  teil  werden  Hess.  Seinen  Standpunkt  all  diesen 
Einwänden  gegenüber  spricht  L.  in  seiner  Entgegnung,  in  der  er  D.s  Streben 
nach  Ebenmässigkeit  und  Gleichheitsmacherei  mit  Glück  entgegentritt,  mit  den  Worten 
aus:  „Was  D.  Sorgfalt  nennt,  heisst  uns  Korruption,  Uebermalung".  S.  11  berichtigt 
er  einen  von  ihm  in  der  Interpungierung  der  16.  Römischen  Elegie  V.  358  f.  began- 
genen Irrtum.  —  Als  eine  Ausgabe  mit  Kommentar  ist  auch  ein  kleines  Büchlein  R. 
Keils  12)  anzusehen,  das  sich  zur  Aufgabe  stellt,  eine  Auswahl  von  20  Jugendgedichten, 
die  der  Zeit  von  1767 — 87  angehören,  eingehend  zu  charakterisieren.  Der  Vf.  ist  mit 
Erfolg  bemüht,  in  liebevoller,  geschmückter  Darstellung  die  äusseren  wie  inneren  Umstände, 
unter  denen  ein  jedes  der  besprochenen  Gedichte  entstanden  ist,  zu  schildern,  und  thut 
dies  mit  unleugbarer  Kenntnis.  Aber  von  einer  Interpretation  im  wissenschaftlichen 
Sinne  ist  er  noch  recht  weit  entfernt.  In  Auffassung  und  Deutung  schliesst  er  sich 
stark  an  Loeper  (Hempel*)  an,  ohne  ihn  irgend  zu  übertreffen.  Da,  wo  er  einmal  von 
ihm  abweicht,  in  der  Deutung  der  letzten  Strophe  der  Ode  „Gränzen  der  Menschheit", 
verfällt  er  in  Irrtümer.  Dankenswert  ist  auf  S.  10  ff.  das  Verzeichnis  der  Gedichte,  die 
uns  in  den  beiden  hs.    in    der  Weimarer  Ausgabe    mit  H'  und  H*  bezeichneten  Samm- 


StrauM.       8.    o.     IV.9a:62a.       Stuttgart,    Dtiutsche    VerlagaansUlt.       |  [PrJbb.    67,     S.    228/9;      ULU.    S.    68;     Kw.    t. 
S.  236/7;  HambCorr  s-  N.  16.]|  -    13)  E.  Gnad,  üeber  GoetUos  Lyrik.      Litt.  Essays.    2.  vorm.  u.  verb.  Aufl.      Wien,  Konspflu. 


177  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  TV  9c:  14-19. 

hingen  überliefert  sind.    Ihren  Bestand  konnte  man  bisher  nur  aus  den  verzettelten,  bei 
den   einzelnen  Gedichten  gemachten  Angaben  der  Weimarer  Ausgabe  zusammenrechnen. 
Den   Versuch    einer    allgemeinen '  Charakteristik    der    Goetheschen    Lyrik 
macht  Gnad  '•*)  in  einem  schon  1808  geschriebenen  Aufsatz.    Kr  will  Andeutungen  darüber 
geben,  worin  der  eigentümliche  Vorzug    dieser  LjTik    liegt,  und    nimmt  den  Anlauf,   zu 
erörtern,  warum  die  Gedichte  uns  gefallen.     Aber  allzurasch  verfällt  er  der  Resignation, 
indem  er  bekennt,  dass    es  vergebliche  Mühe  sei,  „aus    den    einzelnen  Ausdrücken,  aus 
Reim  und  Vers  die  "Wirkung  herauszifFern   zu  wollen".     So    begnügt    er  sich  denn    mit 
einer  höchst  unvollständigen  Erklärung  des  Problems  und  kommt  über  ganz  allgemeine 
Beobachtungen  und  die   sattsam    bekannten  Momente  wie  „Selbsterlebtes  und  -empfun- 
denes",   „Naturlaute  des  Herzens",   „Unmittelbarkeit    und    Wahrheit    des  Gefühls"  usw. 
nicht  hinaus.  —  Viel  weiter    dringt    und    mehr  Aufklärung    bietet  G.  Brandes'*),  ob- 
gleich er  Goethes  Lyrik  nur  im  Vergleich   zur  Heineschen    betrachtet.     Den  Wert,   den 
die  Vergleichinig  für  die  Erkenntnis    hat,    erkennt    man    hier    schlagend.     B.  stellt  hin 
und  wieder  Inkommonsurables    einander    gegenüber,    so  dass  die  Parallelisierung  schief 
erscheint;  auch  wird  das  Urteil  gelegentlich  dadurch  getrübt,  dass  in  Bezug  auf  Goethe 
der  Blick  zu  sehr    auf    das    einzelne   Gedicht    geheftet    bleibt    und    sich    nicht    zu   den 
Stücken  verwandten  Inhalts  erhebt,  so  dass  vorschnelle  Schlüsse  und  Verallgemeinerungen 
nicht  vermieden  werden;   im  ganzen  aber  gewährt  B.  eine  Fülle  ebenso  geistreicher  wie 
fruchtbarer    Beobachtungen.      S.  156f.    ein    rascher    belehrender    Blick    historischer  Art 
über  Goethes  Verhältnis  zur  Natur.     S.  IGO  wird  Goethes  ursprüngliche  Bildlichkeit  im 
Gegensatz  zur  Heineschen  Bildermanier  besprochen.     S.  102  wird  an  einem  Beispiel  der 
Ausdruck    für    verwandte    Stimmungen    oder    Gefühle    bei    beiden   Dichtern    verglichen. 
S.  178  ein  kurzer  Vergleich    von   Goethes   „Fischer"    luul    Heines    „Loreley".     S.  181  f. 
bemerkt  B.,  wie  verschieden    die  beiden  Dichter    das  Thema  der  Liebe    behandeln,  wie 
anders  sie  die  Begierde,    dann  die    reine  Liebessehnsucht    darstellen.     S.  180  f.   handelt 
er  ein  wenig    flüchtig    über    Bitterkeiten,,  Cynismen    und    Blasphemien    bei   Heine    und 
Goethe.     S.  187  f.  weist  er  darauf  hin,  wie  beide  Dichter  das  Gefühl  der  Selbstermannung 
darstellen.     S.  189  wird  die  Behandlung  des  gleichen  Stoffes  (der  heiligen  drei  Könige) 
verglichen.  S.  190f.  einige  kurze  Bemerkungen  über  die  Art,  wie  Heine  und  Goethe  Begrifte 
personifizieren.  —  Von  durchgehenden    stilistischen  Formen,  die  der  Goetheschen  Lyrik 
eigentümlich    sind,    erörtert  W.  von  Biedermann  i^)    nicht    sehr    tief   eindringend    die 
verschiedene  Anwendung  der  Figur  der  Wiederholung.  —  Unter  den  Gedichten,  die  auf  der- 
selben metrischen  Form    ruhen,   behandelt    zusammenfassend  Goldbeck-Loewe '^)    die 
in  freien  Versen,  indem  er    sie  an  dem    Klo];)stockschen  Vorbilde    misst.     Er  giebt  eine 
chronologische  Uebersicht    über    sie    und    weist,    freilich    nicht    eindringlich    genug,  auf 
die  Entwicklung  der  von  jenem  Dichter  empfangenen  Impulse  hin,  wie  sich  Goethe  von 
dem  Einflüsse  Klopstocks    mehr    und  mehr  befreit  und  demjenigen  Pindars  erliegt,  wie 
er  im   Gegensatz  zu  Klo})stock  nach  Gesetzmässigkeit  strebt  und  mehr  als  jener    einem 
bestimmten    Rhythmus    folgt,  überhaupt  in    der  Anwendung    der    Form  Mass  zu  halten 
weiss.     Man    mag    es  bei    einer  Dissertation  entschuldigen,  dass    die  Betrachtungsweise 
des  Vf.  zu  mechanisch  ist  und  sich  zu  sehr  auf   die   Hervorhebung    weniger    und    dazu 
äusserlicher  Merkmale  beschränkt.     In   das  Verhältnis  des  Rhythmus  zum  Stoff  versucht 
Ol-  nicht  einzudringen.    Die  notwendig  zu  stellenden  Fragen,  welche  Stoffe  sind  in  freien 
Versen  behandelt  und  warum  gerade  diese,   wirft   er  nicht  auf.    Der  Einttuss  Klopstocks 
auf  Goethe  hätte    viel    schärfer    gezeigt  werden  können.      So    sind  z.  B.    die  Figur  der 
Wiederholung  und  die  Bevorzugung  langtönender  Kompositia  nicht  erwähnt.  —  Von  Ge- 
dichten   derselben  Art    handelt  zusammenfassend  über  Goethes  Balladen  Chevalier ''), 
oder  vielmehr  er  streift  sie  in  einem  historischen  Ueberblick  über  die  Entwicklung  dieser 
Dichtform.    Doch  bietet  seine,  zwar  auf  einem  reichen  Material  ruhende,  aber  ungeordnete 
und  der  Straffheit  gar  zu   sehr    ermangelnde  Darstellung  in  Bezug  auf  unseren  Dichter 
nur  wenig  Greifbai'es,  und  dieses  wenige  ist  nicht  neu.  —  Der  Schrift.  Herzfelders  **) 
muss  an  dieser  Stelle    gedacht    werden,    weil  Gedichte  in  ihr  zur  Sprache  kommen,  die 
sich  über  einen  grossen  Zeitraum  der  Goetheschen  Produktion  erstrecken,    nämlich    alle 
die,  die  auf  den  drei  Schweizer  Reisen  entstanden  sind  oder  auf  ihnen  empfangene  Ein- 
drücke verwerten.     Bei  jenen  ist  es  hauptsächlich  die  genauere  Datierung,  die  den  Vf. 
beschäftigt,    wobei  er    in   zwei  Fällen  zu  neuen  Ergebnissen  gelangt.    So  verlegt  er  (S.  0) 
den    bekaiuiten  Stamnibucheintrag  an  Lenz:  ,,Zur  Erinnerung    guter  Stunden",    auf  den 
5.  Juni  1775,    freilich    ohne  für  seine  Behauptung  einen  Beweis  anzutreten.     Und  S.  45 
stellt  er  in  Bezug  auf  das  „Schweizerlied"    die  Ansicht  auf,  dass  es  Goethe  auf  seiner 
letzten  Reise  im  Jahre  1797  aus  dem  Volksschatz  gehoben  habe,  wenn  es  für  uns  auch 
erst  1811  zum  Vorschein    kommt.     Aber  auch  hier  harren  wir  des  Beweises.    In  Bezug 


875  S.    M.  5.00.    S.  3—35.    —  14)  6.  Brandes.  D.  Litt.  d.  19.  Jh.  in  ihren  Hinptstr«mnngeD.    Bd.  6,  S.  JBL.  1S90  IV  14:  1. 

-   15)  (IV  9a:  116).  -  16)  (I  9  :  18.)  -  17)  (I  3  :  132;  S.  20  ü.)  —  18)  (IV  9b  :  43    -    18)  A.  Bielsehowsky,   tJber  Bebt- 

Jahresberichte  fUr  neuere  deutsohe  Littentorgesohichte  II  (S|.  12 


IV  9c:  i9a-2i.  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  178 

auf  die  Chronologie  zweier  anderer  Gedichte  steht  H.  avif  dem  Loeperschen  Standpunkt. 
Auch  er  nimmt  von  der  Elegie  ,,Euphrosyne",  von  der  er  eine  nichtssagende  Charak- 
teristik giebt,  an  (S.  179),  sie  sei  im  ersten  Entwurf  schon  auf  der  Schweizer  Reise  in 
Stäfa  niedergeschrieben.  Im  folgenden  Jahre  sei  sie  dann  nicht  eigentlich  „ausge- 
arbeitet", sondern  nur  vollendet  worden.  Von  der  Ballade  der  „Müllerin  Verrat" 
meint  er  (S.  187  f.)  gleich  Loeper,  Goethe  habe  schon  am  5.  Nov.  1797  daran  gedichtet 
(vgl.  Hempel  126,  160  f.).  Nachwirkung  von  Reiseeindrücken  vermutet  der  Vf.  sehr  be- 
achtenswert in  der  dritten  Strophe  von  Mignons  Lied  „Kennst  Du  das  Land"  (S.  29  f.), 
vermeidet  aber  mit  Recht  Schlussfolgerungen  auf  gleichzeitige  Abfassung.  Auch  v.  7  f. 
der  Elegie  „Amyntas"  beruhen  nach  H.  (S.  155)  auf  Eindrücken,  die  der  Anblick  des 
eben  beobachteten  Rheinfalls  bei  Schafthausen  in  Goethe  hinterlassen  hatte.  — 

Was  nun  die  einzelnen  Schöpfungen  betriift,  so  haben  die  Lieder  der  Strass- 
burger  Zeit  wieder  das  lebhafteste  Interesse  erweckt.  Die  Friederikenlieder  insge- 
samt behandelt  ein  eingehender  Aufsatz  von  Biels  chowsky  i^),  der  an  die  zuerst  von 
Heinrich  Kruse,  dann  im  Hirzelschen  „Jungen  Goethe  (1,  S.  261 — 70)  herausgegebenen 
Gedichte  die  kritische  Sonde  legt.  In  der  Frage,  in  welcher  Weise  sich  Goethe  und 
Lenz  in  die  Autorschaft  dieses  Liederbestandes  teilen,  kommt  B.  zu  dem  Ergebnis,  dass 
fünf  der  Gedichte  (bei  Hirzel  N.  4,  5,  3.,  1,  8)  nicht  Goethe,  sondern  Lenz  zum  Vf. 
haben.  Den  Beweis  für  diese  Behauptung  sucht  er  mit  allen  Mitteln  philologischer 
Kritik  zu  erbringen.  Eine  Fülle  sprachlicher,  stilistischer  und  metrischer  Beobachtungen 
häuft  er;  selbst  die  Statistik  wird  zu  Hilfe  gerufen.  Besonders  reichhaltig  ist  die 
Behandlung  des  vierten  Gedichtes.  Um  dessen  stilistischen  Charakter  festzustellen, 
wird  eine  sehr  gründliche  und  eindringende  Heerschau  über  Lenzsche  Eigentümlichkeiten 
abgehalten,  dabei  freilich  im  Heranziehen  von  Parallelen  ein  äusserliches  und  unkritisches 
Verfahren  eingeschlagen.  Allen  diesen  Bemühungen  zum  Trotz  scheint  uns  durch  den 
Vf.  die  Frage  über  den  bisherigen  Stand,  wonach  nur  N.  4  und  5  Lenzschen  Ursprungs 
sind,  nicht  wesentlich  hinausgekommen  zu  sein.  Dieser  Stand  wird  durch  die  Loepersche 
Auffassung  dargestellt,  die  auch  Weinhold^^)  in  seiner  Ausgabe  der  Gedichte  Lenzens 
teilt.  Am  meisten  möchte  man  noch  mit  B.  geneigt  sein,  N.  8  Lenz  zuzuweisen  und 
zwar  wegen  des  recht  matten  Schlusses;  aber  auch  dem  stellt  sich  v.  6  entgegen:  „Wenn 
sie  meine  Lieder  sang."  Denn  dass  Friederike  Lenzsche  Lieder  gesungen  hat,  wissen 
wir  nicht,  w^ohl  aber  überliefert  es  uns  Goethe  von  sich.  Und  ganz  gewiss  ist  N.  3 
Goethesch  und  vor  allem,  wie  uns  scheint,  unlenzisch.  Auch  bei  N.  1  hat  uns  der  grosse 
vom  Vf.  aufgebotene  Apparat  nicht  bewegen  können,  es  für  ein  Produkt  Lenzens  zu 
halten.  Unleugbar  hat  das  Lied  Schwächen,  und  es  ist,  von  Uebertreibungen  und  Missver- 
ständnissen abgesehen,  ein  Verdienst  B.s,  sie  ins  Licht  gesetzt  zu  haben.  Aber  man  darf 
nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  das  Gedicht  eine  vielfach  noch  im  Stile  der  Ana- 
kreontik  befangene,  rasche  Improvisation  ist.  Dazu  kommt,  dass  gerade  dieses  Gedicht  bis 
jetzt  das  einzige  ist,  auf  das  jene  Bemerkung  Goethes  in  „Dichtung  und  Wahrheit"  passt, 
er  habe  für  Friederike  manchen  Liedern  bekannte  Melodien  untergelegt  (vgl.  Erich 
Schmidt:  ZDA.  21,  S.  306).  Glücklicher  ist  der  Vf  in  der  Bestimmung  der  Chronologie. 
liier  kann  man  seinem  Nachweis,  dass  die  Lieder  in  der  Reihenfolge:  N.  2  (Herbst  1770), 
N.  6  (Weihnachten  1770),  N.  10  (30.  März  1771),  N.  7  (zwischen  Ostern  und  Pfingsten 
1771),  N.  11  (Frühling  oder  Sommer),  N.  9  (schon  in  Frankfurt  im  Herbst)  entstanden 
seien,  im  allgemeinen  folgen.  —  Im  allgemeinen,  denn  für  das  Lied  „Willkommen  und 
Abschied"  (N.  10)  hat  inzwischen  L.  Blume  ^o),  wie  uns  scheint,  mit  Erfolg,  ein  früheres 
Datum  geltend  zu  machen  gesucht.  Nach  seiner  Ansicht  gehört  das  Lied  nicht,  wie 
man  seit  Loepers  Kommentar  zu  „Dichtung  und  Wahrheit"  gemeinhin  annimmt,  in  den 
Frühling  1771,  sondern  in  den  Herbst  des  vorhergehenden  Jahres.  Von  seinen  Grün- 
den scheint  mir  der  durchschlagendste  der,  dass  die  in  den  Eingangsstrophen  des  Ge- 
dichtes herrschende  Stimmung  besser  für  eine  früh  hereinbrechende  Herbstnacht  als  für 
eine  Frühlingsnacht  passt.  Aber  auch  in  den  anderen  Erwägungen  wie  in  der,  dass  das 
Lied  eine  eben  erst  geknüpfte  Bekanntschaft  voraussetze,  dass  die  Darstellung  in 
„Dichtung  und  Wahrheit"  kritisch  betrachtet  gegen  einen  dem  ersten  Besuch  rasch 
folgenden  zweiten,  wie  ihn  diese  Annahme  allerdings  erheische,  nicht  spreche,  muss 
man  dem  Vf.  beistimmen.  B.  geht  noch  weiter  und  sucht  den  Titel,  unter  dem  das 
Lied  in  dem  Verzeichnis  von  Bäbe  Schulthess  angeführt  ist:  „den  XXX.  Abend"  mit 
seiner  Aufstellung  in  Einklang  zu  bringen,  indem  er  ihn  als  XX.  X.  d.  h.  20.  Oktober 
deutet,  während  Bielschowsky  die  römische  Zahl  als  30.  März  nimmt.  Der  Einfall  des 
Vf.  scheint,  so  fein  er  ist,  ein  wenig  zu  geistreich,  um  wahr  zu  sein.  Da  indessen 
alle  Umstände,  wenn  nicht  für  diesen  Tag,  so  doch  für  diese  Zeit  sprechen,  so  wird 
man  auch  daran  keinen  Anstoss  nehmen.  —  Anders  deutet  DüntzerSOa)  ^{q  rätselhafte 

heit  u.  Chronologie  d.  Sesonheiiner  Lieder:  GJb.  12,  S.  211—27.  —  19a)  J.  M.  R.  Lenz,  Gedichte.  Mit  Benutzung  des  Nach- 
lasses W.  T.  Maltzahn.  Her.  v.  K.  Weinhold.  Berlin,  Hertz.  XXIl.  328  S.  M.  5,00.  —  20)  L.  Blumo,  Zu  Goethes  Ge- 
dicht  „Willkommen  u.  Abschied":    ChWGV.  5,    S.  26/8.  —  20a)  S.  o   N.  10;  vgl.  N.  11,  S.  10  f.  —  21)  II.  DUntzor,  Goethes 


179  0.  Pili o wer,  Goethes  Lyrik.  IV  9c:  22-2Ö. 

Zahl.  Er  sieht  in  ihr  (S.  313  f.)  eine  Bezeichnung  der  —  Christnacht  und  kommt  so 
notwendig  zu  der  Folgeioing,  dass  mit  ihr  ein  anderes  Gediclit  bezeichnet  sei  als  „Will- 
kommen und  Abschied",  dessen  Titel  zufällig  mit  der  Zahl  zu  Einer  Ueberschril't  zu- 
sammengeschmolzen sei.  Doch  ist  seine  ganze  Argumentation  willktirlich  und  falsch.  — 
Ein  unermüdlicher  Kämpfer  für  seine  Meinungen,  wie  er  ist,  wendet  sich  DOntzer^i) 
in  einem  besonderen  Aufsatz  auch  gegen  Bielschowskys  Aufstollungen.  Er  richtet  seinen 
Angi'iff  ausschliesslich  gegen  seine  Auffassung  der  Ueberlieferung.  Namentlich  erregt 
Bielschowskys  Zweifel,  ob  Kruse,  als  er  bei  Sophie  Brion  die  Lieder  abschrieb,  in  der 
That  Gocthcsche  Originale  vorlagen,  und  seine  Meinung,  dass,  was  er  vor  sich  hatte, 
wohl  Abscliriften  von  Lenzens  Hand  gewesen  seien,  seinen  ganzen  Zorn.  Die  letztere 
Annahme  hat  Bielschowsky  wohl  nicht  bis  zur  Wahrscheinlichkeit  geführt,  andererseits 
aber  hat  D.  weder  seinen  Zweifel,  noch  seine  Hypothese  widerlegt  trotz  allem  Aufwand 
an  starken  und  leidenschaftlichen  Worten.  Im  übrigen  scheint  uns  ein  Streit  über  diese 
„äusseren  Kriterien"  völlig  unfruchtbar:  so  wie  die  Sache  liegt,  kann  aus  der  Ueber- 
lieferung kein  Argument  für  oder  gegen  die  Autorschaft  Goethes  oder  Lenzens  geschöpft 
werden.  — 

Die  eifrige  Teilnahme,  die  die  von  Rudolf  Hildebrand  und  Minor  von  neuem 
zur  Erörterung  gebrachte  Autorschaftsfrage  in  Bezug  auf  das  „Heidenröslein"  im 
vorigen  Berichtsjahre  hervorrief,  wirkte  in  diesem  noch  nach.  Erich  Schmidt^S)  stellte 
für  eine  Besprechung  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  deutsche  Litteratur  die  ganze  ftlr 
das  Problem  in  Betracht  kommende  Litteratur  in  prägnanter  Kürze  zusammen  und 
knüpfte  daran  vier  Thesen,  die  in  der  Sitzung  eine  lebhafte  Diskussion  hervorriefen 
und  im  wesentlichen  Beistimmung  fanden.  S.  stellt  einen  Zusammenhang  fest  zwischen 
dem  in  den  „Blättern  vonDeutscher  Art  xind Kunst"  von' Herder  mitgeteilten  ,.Fabelliedchen" 
und  dem  bekannten  Aelstschen  Volksliede.  Er  bestreitet,  dass  Herder  das  Gedicht,  da« 
er  dem  Publikum  vorlegte,  aus  dem  Volksmunde  aufgefangen  habe  und  erklärt  Goethe 
für  seinen  Verfasser,  während  das  im  „silbernen  Buch"  überlieferte  „Kinderlied''  eine 
Herderscho  Kontrafaktur  des  Goetheschen  Gedichtes  ist.  Man  wird  die  Richtigkeit 
dieser  Thesen  nicht  zu  bestreiten  vermögen.  Doch  erschöpfen  sie  das  Problem  nicht. 
Es  bleibt  (vgl.  JBL.  1Ö90)  ein  Rest,  der  noch  der  Lösung  harrt.  —  Dieser  bringen  uns 
die  Erörterungen  W.  von  Biedermanns  2<J)  nicht  näher.  Er  verficht  anknüpfend  an 
die  Ausführiingen  Hildebrands  und  Dungers  (JBL.  1890  IV  11c:  11/2)  noch  einmal 
seinen  in  den  „Goetheforschungen"  eingenommenen  Standpunkt.  Danach  hielt  Herder 
das  ,, Heidenröslein"  allerdings  für  ein  im  Volke  lebendes,  „ihm  aus  dem  Munde  genom- 
menes" Volkslied.  In  Wahrheit  aber  war  es  von  Goethe  verfasst.  Herders  Meinung  ist 
nur  die  Folge  einer  scherzhaften  Mystifikation,  die  sich  der  jxigendliche  Dichter  seinem 
Freunde  gegenüber  erlaubte.  Weiterhin  sucht  er  etwas  kleinlich  Dungersche  Auf- 
fassungen eigener  Worte  zu  rektifizieren,  um  sich  schliesslich  über  die  Art  auszusprechen, 
in  der  Goethe  Dichtungen  anderer  zu  eigenen  Schöpfungen  verwertete.  Dabei  erörtert 
er  von  neuem  das  von  ihm  für  das  Verfahren  des  Dichters  gewählte  Schlagwort  „pro- 
duktive Kritik",  wählt  aber  als  Beispiel  Verse,  deren  Goethescher  Ursprung  noch  erst 
zu  erweisen  ist  (vgl.  Goethejahrbuch  11,  S.  189  f.).  — 

Für  die  ältere  Fassung  der  Schlussstrophe  des  schon  in  die  Frankfurter 
Zeit  gehörigen  Gedichtes  „An  Schwager  Kronos"  sucht  0.  Erdmann^^)  Einwirkung 
einer  Stelle  aus  dem  „Messias"  wahrscheinlich  zu  machen.  Der  Nachweis,  dass  den 
Dichter  bei  der  Produktion,  natürlich  unbewusst,  Worte  aus  dem  Jesaias  leiteten  (JBL. 
1890  IV  11c:  17),  schliesst  nicht  aus,  dass  zugleich  auch  die  Lektüre  des  „Messias" 
nachwirkte,  zumal  der  Wortlaut  der  Dichterstellen  sich  ziemlich  nahe  kommt  Aber 
den  sicheren  Beweis  zu  erbringen,  dürfte  gerade  in  diesem  Falle  überaus  schwierig  sein. 
Jedenfalls  ist  die  Uebereinstimmung  mit  der  Bibel  charakteristischer,  weil  sie  sich  nicht 
auf  den  Gleichklang  der  Worte  beschränkt,  sondern  ein  poetisches  Bild  umfasst.  — 

Zum  Gedicht  „Herbstgefühl"  liefert  Heuwes^^)  ein  Beiträglein,  indem  er  mit 
Loeper  „Zwillingsbeeren"  richtig  als  Einem  Stiel  entwachsene  Beeren  deutet,  und 
Sprenger  2«),  der  vielgewandte,  beeilt  sich,  dazu  seine  Zustimmung  auszudrücken. 
Was  er  freilich  zur  weiteren  Begründung  der  Auffassung  beibringt,  der  Hinweis  auf  die 
im  ersten  Abdnick  des  Liedes  erscheinende  Singularform  „Zwillingsbeere"  ist  gänzlich 
verunglückt.     Es  handelt  sich  hier  lediglich  um  einen  Druckfehler.  — 

Zu  dem  Gedicht  „Hans  Sachsens  poetische  Sendung",  das  uns  in  die 
Weimarer  Zeit  hinüberführt,  weist  D.  Jacoby^')  daraufhin,  dass  ftir  die  Schluss- 
wendung des  Poems  „In  Froschpfuhl  all  das  Volk  verbannt",    zwei    im    März    1775  ,er- 


Sesenheimer  LiedT:  AZg".  N.  252.  —  22)  Erich  Schmidt,  Heidenröslein.  Gedr.  lu  e.  BeDpr.ehang  in  d.  Gosetltchart  fBr 
dtsche  Litt,  zu  Kerlin.  4  S.  (Vgl.  den  Bericht  über  die  Sitzung:  DLZ.  12,  N.  30.)  —  23)  W.  Frhr.  ».  Biedermann, 
Heidenröslein:  ZDU.  6,  S.  334/9.  —  24)  0.  Erdmann,  Z.  Einflass  Klopstocks  auf  Go«tho:  ZDPh.  23,  S.  I08'9.  —  25) 
^^leuwes,  Zu  Goethes  „Herb.stgefUhl" :  ZDU.  5,  S.  649—50.  —  26)  R  Sprenger,  Zu  Goethes  HerbstgefOhl :  ib.  S.  782.  - 
27)    D.   Jacoby,    Hans    Sachsens  poetische  Sendung:   VLQ.    4,    S.   622.    -    27«)    Erich    Schmidt,    ib.    S.   522.    -    28)  H. 

12* 


rV  9c:  29-31.  0.  Pniower,  G-oethes  Lyrik.  180 

schienene  Recensionen  Schubarts,  die  Nicolais  „Freuden  des  jungen  "Werthers"  und 
Wagners  „Prometheus,  Deukalion  und  seine  Recensenten"  zum  Gegenstände  haben, 
Parallelen  bieten.  Da  Schubart  sich  ganz  im  Sinne  des  jungen  Goethe  äussert,  so  läge 
die  Annahme  einer  Nachwirkung  im  Bereiche  der  Möglichkeit.  —  In  einer  Anmerkung 
zu  der  Notiz  weist  Erich  Schmidt  2'?»)  auf  verwandte  Wendungen  in  Klingers  ,,Simsone 
Grisaldo  (1776)  hin.  — 

Für  die  noch  immer  nicht  chronologisch  fixierte  Ode  ,,Gränzen  der  Mensch- 
heit" sucht  H.  Herzoges)  eine  Zeitbestimmung  zu  gewinnen.  Indem  er  in  den  ihrem 
Gedankengang  nach  zusammengehörenden  Gedichten  ,, Prometheus",  „Das  Göttliche" 
und  der  vorliegenden  Ode  mit  feinem  Gefühl  eine  Antiklimax  aufzeigt,  in  der  wir  das 
stufenmässige  Herabsinken  des  Titanentrotzes  zur  völligen  Anerkennung  der  mensch- 
lichen Ohnmacht  beobachten,  kommt  er  zu  dem  Schluss,  dass  sie  auch  in  dieser  Reihen- 
folge entstanden  sein  müssen,  dass  also  die  „Gränzen  der  Menschheit"  erst  nach  der 
Ode  „Das  Göttliche"  verfasst  seien.  Diese  gehört  aber,  wie  wir  sicher  wissen,  in  den 
Herbst  des  Jahres  1783.  Folglich  sind  alle  Ansätze,  nach  denen  jenes  Gedicht  aus 
den  Jahren  1775  oder  1779  usw.  herrühren  soll,  falsch.  In  dieser  Argumentation  findet 
sich  H.  dadurch  bestärkt,  dass  er  in  der  Vorstellung  (N.  2):  ,,Hebt  er  sich  aufwärts 
Und  berührt  mit  dem  Scheitel  die  Sterne,  Nirgends  haften  dann  Die  unsicheren  Sohlen, 
Und  mit  ihm  spielen  Wolken  und  Winde"  einen  Reflex  der  im  Jahre  1783  unternom- 
menen ersten  Versuche  mit  dem  Luftballon  erblickt,  für  die  Goethe  und  nicht  bloss  er 
(vgl.  Sprüche  1039)  bekanntlich  ein  lebhaftes  Interesse  zeigte.  Die  Kombination  scheint  uns 
in  dem  Wortlaut  keine  genügende  Bestätigung  zu  finden.  Auch  der  nur  schüchtern  ge- 
wagte Versuch  H.s,  die  Entstehung  des  Gedichtes  mit  einer  Stelle  aus  einem  Brief  an 
Frau  v.  Stein  vom  Juni  1784  in  Verbindung  zu  bringen,  findet  in  den  herangezogenen 
Worten  selbst  keine  genügende  Stütze.  Bleibt  also  nur  jene  aus  dem  logischen  Ver- 
hältnis der  Gedichte  zu  einander  geschöpfte  Vermutung,  die  doch  auch  nur  dann  Be- 
stand haben  kann,  wenn  wir  eine  ideal  konsequente,  durch  keinen  Stimmungswechsel, 
keine  Laune  gestörte  Entwicklung  der  Gedanken  Goethes  über  das  Verhältnis  des 
Menschen  zu  Gott  und  dem  Schicksal  vorauszusetzen  den  Mut  haben.  Nun  entspricht 
aber  ausserdem  die  Gruppierung,  in  der  die  drei  zusammengehörenden  Gedichte  seit 
1789  in  den  Ausgaben  erscheinen,  nicht  einmal  der  vom  Vf.  herausgefundenen  Anti- 
klimax. Goethe  war  sich  ihrer  also  später  wenigstens  nicht  mehr  bewusst.  Unter  so 
bewandten  Umständen  kann  man  die  Frage  nicht  als  vom  Vf.  gelöst  betrachten.  — 

Zum  Harfnerlied:  ,,Wer  nie  sein  Brod  mit  Thränen  ass"  hat  Julius 
Schneider  29)  eine  immerhin  beachtenswerte  Parallele  aus  Racines  ,,Thebaide"  III,  2 
beigebracht.  Dieselbe  furchtbare  Anklage  gegen  die  Götter  hier  wie  dort.  Sie  werden 
als  diejenigen  hingestellt,  die  den  Menschen  fehlen  lassen,  für  sein  Sündigen  aber  keine 
Entschuldigung  haben.  — 

D.  Sanders  3'')  nimmt  an  der  hergebrachten  Lesung  der  ersten  Verse  des 
14.  Venetianischen  Epigramms  Anstoss  und  schlägt  Aenderungen  vor,  die  aller- 
dings die  leichtere  Verständlichkeit  der  Stelle  für  sich  hätten,  aber  nicht  im  Sinne  des 
Dichters  wären.  Ein  Blick  in  den  Lesartenäpparat  der  Weimarer  Ausgabe  zeigt,  dass 
Goethe  hier  schwankte  und  dass  die  ersten  Niederschriften  sowie  der  erste  Druck  die 
zweite  von  S.  empfohlene  Lesung  boten.  Der  Dichter  hat  also  die  ursprüngliche  Form 
bewusst  geopfert,  und  so  ist  es  verfehlt,  an  der  mit  Bedacht  vorgenommenen  Aenderung 
zu  rütteln.     Das  verstandesmässig  Klare  ist  nicht  immer  das  Poetische.  — 

Ueber  Goethes  Sonette  handelt  eine  Vorlesung  des  Engländers  Tom- 
lins on^i).  Nach  einer  Charakteristik  des  englischen,  dann  des  italienischen  Sonetts 
kommt  er  zu  Goethe.  Richtig  hat  er  den  Unterschied  seiner  in  dieser  Form  abgefassten 
Gedichte  von  denen  seiner  Vorgänger  und  Zeitgenossen  erkannt,  aber  er  schiesst  in 
ihrer  Beurteilung  über  das  Ziel  hinaus.  Goethe  verwendet  die  Form  des  Sonetts  auf 
eine  ganz  individuelle  und  neue  Weise.  War  es,  namentlich  für  die  Schlegels  und  Ge- 
nossen, das  beliebte  Gefäss  für  didaktisch-philosophische  Stoffe,  diente  es  der  Reflektions- 
poesie,  so  gewann  es  Goethe,  nachdem  er  die  Scheu  vor  seiner  Verwendung  überwvuiden 
hatte,  vor  allem  für  die  Lyrik  und  zwar  für  seine  eigene,  auf  Handlung,  Begebenheit 
gestellte  Lyrik.  T.  aber  schliesst  aus  der  Geringschätzung,  die  Goethe  der  Form  zunächst 
entgegenbrachte,  sowie  aus  dem  Gegensatz,  in  den  er  zu  ihren  gleichsam  berufsmässigen 
Handhabern,  den  Romantikern  trat,  auf  einen  durchgehenden  satirischen,  überlegen 
ironischen  Gehalt  der  Sonette,  von  dem  in  Wahrheit  die  17,  den  zweiten  Band  der 
Gedichte  eröffnenden  nur  gelegentlich  einen  ganz  leisen  Hauch  verspüren  lassen.  Diese 
falsche  Auffassung  hat  dann  auch  zur  Folge,  dass  T.  die  Rolle  des  Liebenden  verkennt,  die 
Goethe    in    dem    Cyclus    spielt.    Nach    der    allgemeinen    Erörterung    nimmt    der  Vf.  die 


Herzog,    Goethe,    Grenzen    d.    Menschheit:    ZOG.    42,    S.  1068—70.    —    29)  Julius  Schneider,  Z.  Gedicht  ,Wer  nie  sein 
brod  mit  Thränen  ass":  GJb.  12,  S.  258.    —    30)  D.  Sanders,    Z.  14.  Venetian.    Epigramm  Goethes:  ZDS.  4,  S.  104.  —  3\f 


181  0.  Pniower,  Goethes  L3rrik.  IV  9c:  32-34.  rV  9d:  1-8. 

Gedichte  einzeln  durch  und  fügt  eine  meist  gute  Uebersetaung  zu.  Auch  diese  Dar- 
legungen sind  nicht  frei  von  Missverständnissen.  80  ist  dem  zehnten  Sonett  fälschlich 
ein  satirischer  Charakter  beigelegt,  die  Terzette  des  zwölften  sind  verkannt  u.  ä.  Wäre 
der  Vf.  in  die  wahren  Absichten  Goethes  eingedrungen,  dann  hätte  er  am  Schluss  das 
absprechende  Urteil  über  ihn  als  Sonettendichter  schwerlich  gefällt.  — 

Endlich  verschiedene  ganz  kleine  Bemerkungen.  Zu  den  Versen  des  Liedes 
Trost  in  Thränen:  „Die  Sterne,  die  begehrt  man  nicht  .  .  .  ."  bringt  Sprenger ^2)  eine 
Parallele  aus  John  Lillys  „Campaspe".  —  Sprenger^)  wiederholt  lerner  (vgl.  JBL. 
1890  IV  11c:  2(5)  die  Ansicht,  dass  Goethe  das  Schweizerlied  aus  dem  Volksmund 
geschöpft,  und  spitzt  sie  zu  der  Behauptung  zu,  dass  „er  es  ganz  entlehnt  und  sich  hier 
dieselbe  Freiheit  wie  beim  Heidenröslein  genommen  habe".  Zum  Beweise  führt  er  an, 
dass  wenigstens  die  erste  Strophe  in  einer  verwandten  Fassung  in  „Des  Knaben  Wunder- 
horn"  vorliege,  ohne  zu  sehen,  dass  Biedermann,  Düntzer  und  Loeper  dies  längst  bemerkt 
und  sich  damit  auseinander  gesetzt  haben.  —  Für  den  „Divan"  liegen  nur  zwei  kleine  Bei- 
träge von  C.  Siegfried  34)  zu  den  Noten  und  Abhandlungen  vor.  Zu  S.  81  der  Weimarer 
Ausgabe  wird  die  inkorrekte  Bezeichnung  eines  arabischen  Monats  Demazsul  Sani 
erläutert,  dann  der  S.  84  a.  a.  0.  von  Goethe  gebrauchte  Ausdruck  „Ku  -  tu"  erklärt.  — 


d.  Epos. 

Ludwig  Geiger. 

Epen  in  Versen:  Hermann  und  Dorothea:  Ausgaben  und  Uebersetzungen  N.  1;  Einzeluntersaehangen  N.  9.  — 
Achilleis  N.  12.  —  Ewige  Jude  N.  13.  —  ProsaerzÄhlungen:  Werther  N.  14.  —  Wilhelm  Heister  N.  18.  —  Novelle  N.  22. 
—  Unterhaltungen  deutscher  Ausgewanderter  N.  23.  —  Wahlverwandtschaften  N.  26.  — 

Von  Goethes  Epen  in  Versen  das  wirklich,  um  nicht  zusagen  einzig  gelesene 
ist  und  bleibt  „Hermann  und  Dorothea".  Es  bildet  einen  wesentlichen  Teil  der  Schul- 
lektüre, ja  vertritt  wohl  in  den  Schulen,  in.  denen  die  peinlichsten  sittlichen  Bedenken 
vorwalten  und  in  denen  man  aus  irgend  welchen  Gründen  der  gemeinschaftlichen  Durch- 
nahme von  Dramen  abgeneigt  ist,  ausschliesslich  Goethes  Dichtung.  Aus  diesem  Grunde 
erklären  sich  die  massenhaften  Ausgaben  des  genannten  Epos,  die  auch  im  Berichts- 
jahr einen  Zuwachs  erhielten  i-*).  Sie  einzeln  durchzunehmen  wäre  Zeit-  und  Raum- 
verschwendung. Manchmal  sind  es  unbedeutende  Versuche  eines  Lehrers,  der  sich  auch 
einmal  gedruckt  sehen  will  und  unfähig  ist,  etwas  Eigenes  zu  produzieren,  manchmal 
Spekulationen  eines  Verlegers,  der  in  seiner  Sammlung  der  kommentierten  Schriftsteller 
unserer  Klassiker  das  vielbegehrte  Buch  nicht  missen  will,  seltener  pädagogische  Unter- 
suchungen eines  Schulmanns,  der  den  rein  menschlich  vielfach  anregenden  Inhalt  des 
Gedichtes  Jüngeren  klarlegen  und  lieb  machen  will.  Höchstens  für  diese  pädagogische 
Seite,  die  an  dieser  Stelle  nicht  zu  berühren  ist,  kommen  die  meisten  Ausgaben  des 
Epos  in  Betracht;  für  die  sogenannte  Goethephilologie,  füi-  die  wissenschaftliche  Er- 
klärung des  Textes,  für  die  ästhetische,  geschichtliche  Würdigung  des  Werkes,  für  .die 
Quellen,  aus  denen  der  Dichter  schöpfte,  die  Personen,  die  er  schilderte,  bedeuten  sie 
keinen  Fortschritt.  —  Auch  für  eine  neue  illustrierte  Ausgabe  ^)  und  je  eine  franzö- 
sische ^)  und  italienische  '')  Uebersetzung  genügt  der  einfache  Hinweis.  —  Eine 
specielle  Erwähnung  dagegen  verdient  W.  T.  Hewetts  8)  Ausgabe,  nicht  bloss  weil  sie 
den  löblichen  Eifer  bekundet,    der  in  Amerika  unseren  Studien    entgegengebracht  wird, 

Charles  Tomliuaon,  A  critical  examination  of  Goethes  Sonnets.  A  leoture.  London,  D.  Nutt  1890.  16  S.  —  32)  R. 
Sprenger,  Z.  Trost  in  ThrSnen :  ZDÜ.  5,  S.  782/3.  -  33)  id..  Zu  Gedichten  Goethes.  1.  Z.  SchweiierUed :  ib.:  S.  781,'2.  —  3«) 
C.  Siegfried,  Zu  GoeUies  Divan:  GJb.  12,  S.  259.  - 

I)  Goethes  Hermann  u.  Dorothea.  Her.  n.  bearb.  v.  G.  Hofmeister.  (=  Sammlang  dtseh.  Dicht-  n.  Schriftwerke 
fUr  höhere  Töchterschulen.  15.  Bandch.)  Leipzig,  Teubuer.  XIV,  68  S.  H.  0,60.  —  2)  Goethe,  Hermann  n.  Dorothea,  liit 
ausfuhrt.  Erörterungen  fUr  d.  Schulgebrauch  u.  d.  Privatstudium  v.  A.  Funke.  6.  Anfl,  Paderborn,  Scb«ningh.  147  S.  M.  1,00.  — 
3)  Goethe,  Hermann  n.  Dorothea.  Schulausgabe,  bearb.  v:  L.  Sevin.  2.  Aufl.  Berlin,  Reuther.  64  S.  —  4)  Goethes 
Hermann  u.  Dorothea,  erläutert  in  100  Dispositionen  t.  J.  Schrammen.  (=  Erltuterungen  zu  deatsehen  Klassikern.  1.  Hefb) 
64  S.  M.  0,60.  —  5)  Goethe,  Hermann  n.  Dorothea.  Mit  45  lUustr.  v.  H.  Looschen.  (=  Xllnstr.  Klassiker-Bibliothek.  2.  Bd.) 
Berlin,  Bong  &  Cie.  123  S.  U.  2,50.  —  6)  Goethe,  Hermann  et  Dorothie.  Tradaction  franfaise  par  B.  L  6vy  aneien  inspeeteur  gönöral  de 
l'instruction  publique.  Avec  le  texte  allemand  et  des  notes.  Parts.  Hachette.  160.  IV  u.  187  S.  Fr.  1,50.  —  7)  Shakespeare, 
Otello,  La  tempesta  e  Goethe,  Arminio  e  Dorotea,  trad.  d.  A.  Maffei.  Firente,  Succ.  le  Monier.  L.  4,00.  —  8)  J.  W.  v.  Goethe, 
Hermann  u.  Dorothea,  ed.  with  introdnetton  and  notcs,  by  W.  T.  Hewett.   (JBL.    1890    11  d :  15)  Boston,   Heath.   L,   243   S. 


IV  9d:  9-13.  L.  Geiger,  Goethes  Epos.  182 

sondern  weil  sie  sich  durch  volle  Beherrschung  des  Materials  auszeichnet.  Bei  dem 
Texte  wurde  die  Ausgabe  letzter  Hand  zu  Grunde  gelegt,  doch  über  Interpunktion  und 
Orthographie  freier  geschaltet.  In  Einleitungen  und  Anmerkungen,  die  den  Text  um 
das  Doppelte  überragen,  werden  sowohl  Schreyers  Textuntersuchungen  verwertet  als 
nach  den  erst  in  den  letzten  Jahren  erschienenen  Briefen  und  Tagebüchern  die  Ent- 
stehung des  Werkes  schrittweise  verfolgt  und  die  allmähliche  Textgestaltung  aufgezeigt. 
Alles,  was  von  einer  derartigen  Ausgabe  zu  fordern  ist:  Darlegung  der  Quellen,  Biblio- 
graphie, Wortverzeichnis  wird  in  erwünschter  Art  geboten.  Auch  die  eigentlichen 
Anmerkungen,  die  für  den  Lehrer  und  den  Gelehrten  bestimmt  sind,  enthalten  in 
reicher  Fülle  sprachliche,  geschichtliche  Erklärungen,  auch  viele  Parallelstellen  aus 
Schriften  Goethes  und  aus  älteren  und  neueren  Autoren,  nicht  alles  gerade  zum  Ver- 
ständnis notwendig  aber  willkommen,  das  Ganze  weniger  ein  Zeugnis  von  Scharfsinn 
und  Selbständigkeit  des  Herausgebers,  als  von  seiner  grossen,  keineswegs  aufdringlichen 
Belesenheit.  — 

Auch  Einzeluntersuchungen  über  die  Dichtung  wurden  angestellt.  Während 
Draheim^o)  ziemlich  überflüssiger  Weise  den  Pfarrer  der  Dichtung  charakterisierte 
und  darthat,  dass  in  ihm  die  Bedeutung  des  geistlichen  Berufs  gewürdigt  werden  sollte, 
zeigte  Löbell^^)  recht  ansprechend,  dass  Goethe,  der  ja  Einzelheiten  zur  Ausstaffierung 
seiner  Helden  von  den  verschiedensten  Seiten  zu  nehmen  sich  nicht  scheute,  gar  manche 
in  der  Charakteristik  Hermanns  vorkommende  Züge,  wie  seine  Neigung  zum  Landbau, 
auch  einzelne  Erlebnisse,  z.  B.  seine  Kränkung  im  Hause  des  Kaufmannes  aus  J.  H. 
Mercks  „Geschichte  des  Herrn  Oheim"  entlehnt  habe.  — 

Nur  mittelbar  wurde  ein  anderes  Epos,  die  „Achilleis",  gestreift.  Schreyer^^) 
nämlich,  der  das  Bedürfnis  fühlt,  neben  seinen  Untersuchungen  Goethescher  Dichtungen, 
auch  die  in  ihnen,  namentlich  in  den  nur  fragmentarisch  erhaltenen  Stücken  behandelten 
Stoffe  nach-  und  auszudichten,  Hess  seiner  früher  veröffentlichten  und  mehrfach  mit 
Erfolg  aufgeführten  „Nausikaa"  ein  Drama  folgen,  das  einem  Abschnitte  aus  dem  Leben 
des  Achilles  gewidmet  ist.  Bei  dieser  Gelegenheit  lag  es  ihm  nahe,  die  verscliiedene 
Art  zu  beleuchten,  in  der  Achilles  bei  Homer  und  bei  Goethe  erscheint.  Doch  sind 
die  Bemerkungen  über  die  „Achilleis"  etwas  kahl:  eine  Analyse  des  ersten  Gesangs, 
keine  Würdigung;  nur  ein  kurzer  Hinweis  auf  die  damals  bekannte  Notiz  (Goethejahr- 
buch 8,  S.  2G9)  über  das  im  Goethe-  und  Schiller-Archiv  erhaltene  Schema.  — 

Paul  Hoffmanns^^^  Untersuchungen  über  den  ,, Ewigen  Juden"  betreffen  ein 
wenig  berührtes  Gebiet.  H.  zeigt,  dass  der  in  „Dichtung  und  Wahrheit"  mitgeteilte 
Entwurf  (1814)  des  Gedichts  in  seinen  diei  Teilen  als  hauptsächlichste,  ja  fast  aus- 
schliessliche Quelle  das  deutsche  Volksbuch  benutzt,  ausgenommen  natürlich  für  die  Wan- 
derungen des  Juden,  z.  B.  das  Zusammentreffen  mit  Spinoza,  dass  für  einige  Einzel- 
heiten vielleicht  die  in  Frankfurt  lebendigen  Traditionen,  für  die  Charakteristik  des 
Schusters  Goethes  Erlebnisse  bei  dem  Dresdener  Schuster  einflussreich  gewesen  sein 
mögen.  H.  will  ferner  darthun,  dass  das  erhaltene  Fragment  im  wesentlichen  jenem 
Entwurf  entspreche,  die  „hervorstechenden  Punkte  der  Religions-  und  Kirchengeschichte" 
darzustellen.  Zu  diesem  Zwecke  deutet  er  sehr  geistreich  die  Fragmente  2 — 6  auf 
Chiliasten,  Ketzer,  das  kleine  Fragment  „0,  Freund,  der  Mensch  ist  nur  ein  Thor,  Stellt  er 
sich  Gott  als  seines  Gleichen  vor"  auf  Jung-Stilling.  Doch  vermag  die  Beweisführung  nicht 
völlig  zu  überzeugen :  es  scheint  fast  unmöglich,  dass  ein  1774  gefasster  und  rasch, 
wenn  auch  nur  fragmentarisch  ausgeführter  Plan  dem  Dichter  noch  1814  deutlich  vor- 
geschwebt haben  soll,  um  so  weniger,  als  die  Briefe  Goethes  auf  den  Plan  gar  nicht 
eingehen:  ein  Zeugnis  dafür,  dass  die  Sache  für  ihn  nur  ein  flüchtiger  Einfall  war,  ihn 
aber  nicht  dauernd  und  innerlich  beschäftigte,  als  ferner  die  beiden  anderen  Erwähnungen 
des  Plans  1788  (Italienische  Reise)  und  1830  („Annalen")  wesentlich  davon  abweichen. 
Als  Enlstehungszeit  des  Fragments  wird  gegen  frühere  Annahmen,  die  Lavater  (also  vor 
23.  Juni  1774)  bei  seinem  Besuche  in  Frankfurt  zum  Leser  des  Stücks  machen  wollten, 
da^  spätere  Frühjahr  (etwa  Mai)  1775  erwiesen,  während  der  Plan  in  die  Zeit  der 
Trennung  von  der  Brüdergemehide  ins  Jahr  1774  falle.  Den  Grund  für  die  Unterbre- 
chung der  Arbeit  sieht  H.  mit  Recht  darin,  dass  die  krankhafte  Stimmung,  aus  der  das 
Gedicht  entstand,  mit  der  Uebersiedlung  nach  Weimar  gewichen  war.  H.s  Untersuchung 
ist  geistreich  und  gewährt  schöne  Aufschlüsse;  zu  vollkommen  gesicherten  Ergebnissen 
wird  man  bei  diesen  abgerissenen  Fetzen,,  die  meist  aus  sich  selbst  erklärt  sein  wollen, 
schwerlich  gelangen.  — 


M.4,00.  |[NYCriticl6,  S.  366;A.  Ch[uquet]:  RCr.  32,  S.  463.]|  -  9)  X  B-  Kade,  Linsenbarth,  D.  örtlichkeit  in  Ooethes  Hermann 
u.  Dorothea:  ib.,  u.  Tb.  Werther,  Z.  Entstehung  v.  Goethes  Hermann  u.  Dorothea:  ZDU.  5.  —  10)  H.  Draheim,  Zu 
Goethe  u.  Schiller:  ib.  S.  557—60.  —  II)  R.  LöhelJ,  Z.  Kapitel:  Goethe  o.  grosser  Nehmer,  Goethe  u  J.  H.  Morck: 
ib.  S.  770/5.  —  12)  H.  Schreyer,  D.  Hochzeit  d.  Achilleus.  Drama.  Nebst  e.  Anhang:  Achilleus  bei  Homer  u. 
Goethe.  Gütersloh,  Bertelsmann.  160  S.  M.  1,60.  j  [F.  K  u  m  m  e  r :  BLU.  S.  708/9.]  |  (D.  Anhang  v.  S.  127-47;  ,v.  S.  149  au 
'obendeRecensionen  frUhererWerko !  1)  —  13) P a u  1  Uot'fmann,  Untersuchungen  über  Goethes  ewigen  Juden  :  VLG.  4,  S.  116— 52. 


Ih:{  L.  Geiger,  G<.of]«<  E^ok.  IV  9d:  u-2ft. 

Unter  den  Prosacrzahlungcii  bleiben  „Werthers  Leiden"  die,  welche  am 
meisten  besprochen  wird.  Das  Berichtsjahr  lieferte  fieilich  nicht  viel  Erhebliches. 
Der  früher  schon  erwähnte  Roninn  von  Osknr  Klein  wurde  wegen  seiner  bis  ins  Einzelste 
gehenden  Nachahmung  des  Goethewchen  Romans  als  „ein  der  Komik  nicht  entbehrendes 
Muster  von  Nacliempfindnng"  bezeichnet '^■^'^).  —  Eine  ältere,  den  Roman  behandelnde 
Ajbeit  von  Gnad'^)  wurde  mit  anderen  Goetheanfsiitzen  desselben  Vf.  neu  aufgelegt.  — 
Die  vollständige  Abhängigkeit  der  „Letzten  Briefen  des  Jacopo  Ortis"  L'go  Foscolos 
von  Goethes  Roman  wurde  von  Marcus  Landau'^)  auf  Grund  seiner  früheren  Unter- 
•suchung  als  völlig  erwiesen  behauptet  gegen  Th.  Tiemann,  der  nur  von  einem  merk- 
würdigen Zusammentreffen  beider  Dichter  gesprochen  hatte.  — 

Die  bekannte  englische  ITebersctzung  „Wilhelm  Meisters",  die  Th.  Carlyle  i*-**) 
vor  mehreren  Jahrzehnten  lieferte,  wurde  in  zwei  verschiedenen  Ausgaben  neugedruckt, 
die  eine  mit  einer  Einleitung  des  geistvollen  und  kenntnisreichen  E.  Dow  den,  dem 
Neudruck  einer  1885  erschienenen  und  deswegen  hier  nicht  zu  beurteilenden  Arbeit.  — 
Einzelne  Urteile  des  freilich  sehr  jugendlichen  Lassalle  in  dessen  von  P.  Lindau  20) 
mitgeteiltem  Tagebuch  sind  deswegen  interessant,  weil  sie  die  wunderbare  Frühreife 
(los  dem  Knabenalter  kaum  Entwachsenen  bekunden,  der  sich  „bis  auf  einige  Ab- 
weichungen" im  „Meister"  geschildert  sah,  wie  jener  vor  dem  Scheidewege  stand,  die 
Kunst  lassen  xnid  sich  ein  Gewerbe  wählen  musste.  —  Die  Studie  Prodniggs^i)  gehört 
nur  mittelbar  in  diesen  Znsammenhang,  da  sie  nur  im  Anschluss  an  den  Goetheschen 
Roman  Schlegels  Romantheorie  und  die  Definition  der  romantischen  Poesie  in  den 
Fragmenten  des  „Athenäums"  behandelt.  Da  sich  in  einem  der  folgenden  Bände  der 
JBL.  .Gelegenheit  finden  wird,  ausführlicher  fiber  den  Einfluss  des  „Wilhelm  Meister" 
auf  die  Romane  und  Romantheorie  der  Romantiker  liberhaupt  zu  haiideln,  so  sei  hier 
nur  auf  die  zwei  Hauptsätze  der  Schrift  hingewiesen:  1)  Der  „Meister"  sollte  der  Vor- 
bote und  das  Gesetzbuch  für  eine  neue  Art  von  Poesie  sein;  2)  Die  in  Jena  vereinten 
Angehörigen  der  neuen  litterarisclu  n  Schule  fanden  in  dem  genannten  Romane  ihre 
Welt  wieder.  — 

DerNeudruckvonGoethes„N  ovelle"'--)  verdient  höchstens  deshalb  eine  Erwähnung, 
weil  er  zeigt,  dass  unsere  Industriellen  bestrebt  sind,  den  Benutzem  der  Automaten 
ausser  Schokolade  und  gebrannten  Mandeln  für  zehn  Pfennige  auch  eine  gesunde  geistige 
Nahrung  darzubieten.  — 

Mit  den  „Unterhaltungen  deutscher  Ausgewanderter"  beschäftigten 
sich  Meyer  von  Waldeck'-'')  und  R.  Steiner^*).  Jener  ging  wieder  auf  die  bekannte 
Abhängigkeit  der  dritten  und  vierten  Novelle  von  Bassompierres  Memoiren  ein,  wollte 
aber  die  früher  geäusserte  Bemerkung  nicht  gelten  lassen,  dass  es  sich  dabei  um  eine 
wörtliche  Uebersetzung  handle,  sondern  wies  für  einzelne  Stellen  nur  eine  geschmack- 
volle Benutzung  nach.  Dieser  versuchte  eine  neue  Deutung  des  oft  genug  schon 
unglücklich  behandelten  Rätsels.  Seine  Formulierung  geht  dahin,  das  Rätsel  wolle  das 
Problem  lösen,  dem  Schiller  in  den  „Briefen  über  ästhetische  Erziehung"  sich  zu 
nähern  versuche,  nämlich  die  Frage:  „Wie  kommt  der  von  Gesetzen  der  Natxir  und 
des  sinnlichen  Daseins  beherrschte  Mensch  zu.  jenem  höchsten  Zustande,  wo  er  der  vollen 
uneingeschränkten  Freiheit  teilhaftig  sein  kann."  — 

Ueber  die  „Wahlverwandtschaften"  gab  D.  Sanders  25)  eine  Fortsetzung 
seiner  JBL.  1B90  IV  11  d  :  24  charakterisierten  Anmerkungen:  auch  diese  neuen  Beiträge 
sind  nur  grammatische  Fingerzeige  eines  sehr  belesenen  Fachmannes.  — 


—  14-15)  Oscar  Klein,  Öchinerzliche  Wonnen  (1890  IV  lld  :  16):  KZg.  v.  3.  Jan.  —  16)  X  E-  Gnad,  Litterarische  Esm;«. 
2.  Terra,  n.  verb.  Aufl.  Wien,  Konegen.  IV,  37.5  S.  51.5,00.  (S.  1—176  enthalten  fUnf  Goethe- AufsXtte  Ober  Lyrik,  ,T»sgo'. 
„Egmont",  „Faust''  nebst  d.  hierher  gohnrigen  „Briere  an  Lotte  n.  Werthers  leiden*.)  —  17)  Maroas  Landau, 
Th.  Thiomann,  Dtsch.  Kult.  u.  Litt,  im  Lichte  d.  zeitgen.  ital.  Kritik  (1888):  ZVLR.  NF.  4.  S.  2M/N  —  M)  X  J-  W. 
V.  Goethe,  Wilhelm  Meisters  Apprenticoship  and  Travels.  Trans,  by  Thomas  Carlyle.  Chicago,  Clary  t  Co. 
M.  6,00.  —  19)  Ooethes  Wilhelm  Meisters  Apprenticeship  and  Travels.  Transl.  by  Thomas  Carlyle.  With  critioal  intro- 
duction  by  Edward  Dowden.  Edited  with  notes  by  Clement  King  Shortor  London,  Stott.  2  Bde.  12«.  880  S. 
Sh.  5,20.  (Dowdens  iStudie  erschien  ursprünglich  in  d.  Quartnightly  Review  1885,  Juni.)  —  20)  F.  Lassalle,  Tagebuch,  her.  r.  Fan  1 
Lindau:  N&S,  Mai,  S.  184-211.  (Vgl.  o.  IV  1.  Enthält  auch  einzelne  Urteile  Über  .Clavigo*  n.  .WahlverwandtachafUn".)  —  21)  H. 
Prodnigg,  Goethes  Wilhelm  Meister  «.  d.  ästhetische  Doctrin  d.  alteren  Romantik.  (—  XL.  Jahresber.  d.  steierm.  Laade»- 
oberrealsthule.  Graz.)  (Vgl.  u.  IV  11: 4)  —  22)  Novelle  v.  J.  W.  Goethe.  Lahr,  Schauenburg.  64*.  63  S.  M.  0,10.  (N»ch  d. 
Novelle  folgen  noch:  Erlkönig,  D.  getreue  Eckardt.  Zauberlehrling.)  —  23)  F.  Meyer  ron  Waldeck,  D.  Memoiren  d.  Mar- 
schalls T.  Bassompierre  u.  Goethes  Unterhaltungen  dtsch.  Ausgewanderten:  ASNS.  87,  S.  252/5.  —  24)  R.  Steiner, 
Geheimnis  in  Goethes  Rittselmitrchen  in  d.  Unterhaltungen  dtsch.  Ausgewanderten:  ChWGV.  S.  44.  —  2S)  D.  Sanders, 
Sprachliche  Anmerkungen  zu  d.  2.  Teil  t.  Goethes  „Wahlverwandtscbaften"  bis  (.  Novelle.  40blnd.  Ausg.  15,  S.  151—242: 
ZDS.  S.  389-93,  429—34,  445/8.  — 


IV  9e:  1-8.  G.  Witkowski,  Goethes  Drama  184 

e)  Drama. 

Georg  Witkowski. 

Gesamtdarstellungen  und  Ausgaben  N.  1..  —  Die  Laune  des  Verliebten  und  Die  Mitschuldigen  N.  11.  —  Giilz 
N.  16.  —  Satyros  N.  25.  —  Clavigo  N.  26.  —  Stella  N.  28.  —  Die  GescLwister  N.  31.  —  Der  Triumph  der  Empfindsamkeit 
N.  32.  —  Singspiele  N.  34.  —  Elpenor  N.  38.  —  Egmont  N.  40.  —  Iphigenie  N.  46.  —  Tasso  N.  59b.  —  Der  befreite  Pro- 
metheus N.  69.  —  Mahomet,  Tankred  N.  70.  —  Die  natürliche  Tochter  N.  72.  —  Romeo  und  Julia  N.  73.  —  Die  Wette  N.  74. 
—  Faust:  Allgemeines  N.  75;  Quellen  N.  107;  Urfaust  N.  109;  Erster  Teil  N.  115;  Zweiter  Teil  N.  122.  — 

Goethes  dramatische  Thätigkeit  hat  noch  keine  Gesamtdarstellung  gefunden; 
es  liegen  bisher  nur  dürftige  Versuche  von  Düntzer  und  Hasper  i)  über  diesen 
Gegenstand  vor.  Um  so  zahlreicher  und  in  fast  bedenklichem  Masse  anwachsend  ist 
freilich  die  Litteratur,  die  sich  mit  den  einzelnen  dramatischen  "Werken  Goethes  be- 
schäftigt, insbesondere  mit  dem  „Faust".  Neue  Anregung  erhalten  diese  Studien  wie 
alle  Goethe  betreffenden  durch  die  Weimarer  Ausgabe,  die  im  Berichtsjahr  uns  wieder 
einen  Dramenband  -)  gebracht  hat.  Der  Grundsatz,  die  Anordnung  der  Ausgabe  letzter 
Hand  beizubehalten,  zeigt  hier  seine  bedenklichen  Konsequenzen.  Denn  es  sind  in 
diesem  Bande  wie  im  siebenten  der  Vorlage  eine  Reihe  sehr  verschiedenartiger  Bühnen- 
stücke vereinigt:  die  beiden  frühesten  Lustspiele  (1768/9),  die  „Geschwister"  (1776),  die 
„Wette"  (1812),  die  Bühnenbearbeitung  von  ,, Romeo  und  Julia"  (1812),  „Mahomet" 
(1800)  und  „Tankred"  (1801).  Die  „Wette"  und  „Romeo  und  Julia"  sind  zu  dem  alten 
Bestände  neu  hinzugekommen.  —  Unmittelbar  durch  die  neu  erschlossenen  Schätze  des 
Goethearchivs  angeregt  ist  eine  umfangreiche  Schrift  Düntzers  ^).  Seinen  Standpunkt 
gegenüber  dem  „nicht  immer  geistreiclien  Spiel"  der  sog.  Goethephilologie  bezeichnet  er 
als  den  der  besonnenen,  nüchtern-klaren,  auf  lebendigem  Innern  Verständnis  beruhenden 
Untersuchung,  was  man  mit  Ausnahme  der  zuletzt  genannten  Eigenschaft  wohl  als 
richtig  anerkennen  kann.  —  Tür  die  Sprachtechnik  Goethes,  soweit  sie  von  antiken 
Mustern  beeinflusst  ist,  hat  Olbrich  *)  gutes  Material  zusammengetragen,  ohne  den 
tieferen  Gründen  der  Erscheinungen  nachzugehen.  Woher  kommt  es  z.  B.,  dass  der 
griechische  Einfluss  fast  nur  in  der  dramatischen  und  epischen  Dichtung  hervortritt,  in 
der  Sprache  der  Lyrik  aber  gar  nicht,  abgesehen  von  den  frühen,  Klopstock  und  Pindar 
nachahmenden  freien  Rhythmen?  —  Die  merkwürdigen  Aeusserungen  Grillparzers  über 
das  Historische  im  ,, Egmont"  (S.  4,6),  über  den  Schluss  des  ,, Tasso",  der  ihm  zu  epi- 
grammatisch erscliien  (S.  22)  macht  Eoglar  5)  von  neuem  bekannt.  ^)  —  Für  die  Wir- 
kungen  der  Goetheschen  Stücke  auf  der  Bühne  bietet  das  an  anderen  Stellen  der  JBL. 
allgemeiner  besprochene  Buch  C.  A.  H.  Burkhardts  '')  wichtige  Belege.  Es  wurden  unter 
Goethes  Direktion  in  Weimar  22  (nicht  20)  seiner  Stücke  in  246  Auffülirungen  gegeben 
und  zwar  „Claudine  von  Villa  Bella"  (in  Vulpius'  Umarbeitung  1795,  einmal),  „Clavigo" 
(1792—1809,  neunmal),  der  „Bürgergeneral"  (1793—1805,  16 mal),  der  „Gross-Cophta" 
(1791/2,  viermal),  die  „Geschwister"  (1792  6,  neunmal),  die  „Laune  des  Verliebten" 
(1805—10,  neunmal),  die  „Mitschuldigen"  (^805—16,  28mal),  die  „Natürliche  Tochter" 
(1803/7,  siebenmal),  „Egmont"  (1796—1816,  21  mal),  des  „Epimenides  Erwachen"  (1816, 
dreimal),  „Götz  von  Berlichingen"  (1804 — 13,  15 mal),  „Jery  und  Bätely"  (1804 — 16, 
25 mal),  „Iphigenie"  (1802—15,  22 mal),  „Mahomet"  (1800—17,  13 mal),  „Paläophron  und 
Neoterpe"  (1803,  einmal),  „Proserpina"  (1815,  viermal),  ,.Romeo  und  Julia"  (1812/6, 
neunmal),  „Stella"  (;i806— 15,  14mal),  „Tankred"  (1801—14,  16mal),  „Torquato  Tasso" 
(IWl — 13,  14mal),  „Was  wir  bringen"  (1802,  viermal,  1814,  zweimal).  —  Das  Deutsche 
Theater  in  Berlin  veranstaltete  im  November  einen  Goethecyclus,  der  zweimal  wieder- 
liolt  wurde.  Er  umfasste  in  acht  Abenden  „Stella",  die  „Mitschuldigen",  „Götz",  ,, Ge- 
schwister", „Clavigo",  „Tasso",  „Egmont",  „Iphigenie",  „Fangt  I  und  II" ^-ö).  Die  Kritik 
tadelte  die  Auslassung  der  ,, Natürlichen  Tochter",  des  ,,Biirgergenerals"  und  des  „Jahr- 
marktfest zu  Plundersweilern"  und  die  Unzulänglichkeit  des  Personals  für  die  Dai'- 
stellung  einer  Anzahl  von  Hauptrollen.  In  der  „Stella"  wurden  schlimme  Lücken  im 
Text  bemerkt.     Stellas  nächtlicher  Monolog  war  verstümmelt,  das  wiederkehrende  Motiv 


1)  L.  Hasper,  Goethe  als  Dramatiker,  1889:  DDichtung  10,  S.  79.  —  2)  Goethes  Werke.  9.  Band.  Weimar,  Bölilau. 
IV,  521  S.  M.  4,00  [|BLU.  1892,  S.  755;  M.  Koch:  BFDH.  NF.  8,  S.  288.]|  ^Vgl.  d.  Beraerkgn.  d.  Herausgeber  GJb.  13, 
S.  262/7.)  —  3)  H.  Düntzer,  Z.  Goetheforschung.  Neue  Beitrr.  (s.  o.  IV  9b  :  86)  S.  1—25  Goethes  „Befreitor  Prometheus; 
S.  143—52  Zu  Goethes  „Natürlicher  Tochter";  S.  153—98  D.  Göchhausonsche  Abschrift  v.  Goethes  „Faust*;  S.  246—313  D. 
Entstehung  d.  beiden  ersten  Akte  d.  2.  Teiles  d.  „Faust"  bis  z.  „Klass.  Walpurgisnacht";  S.  314—79  D.  Entstehung  d.  beiden 
letzten  Akte  d.  2.  Teiles  d.  „Faust".  —  4)  (I  8  :  27  =  IV  9a  :  115.)  —  5)  A.  Foglar,  Grillparzers  Ansichten  über 
Litt.,  Bühne  u.  Leben.  2.  u.  verm.  Aufl.  Stuttgart,  Göschen.  VI,  71  S.  M.  1,80.  —  6)  X  H.  Unbescheid, 
Boitr.  z.  dramatischen  Lektüre.  S.  o.  I  7  :  14.  |[M.  Koch:  BFDII.  NF.  7,  S.  438.]|  (Zergliederung  v.  „Clavigo",  „Egmont", 
„Tasso",  „Iphigenie".)   —    7)  (.IV  5  :  68  =  IV  9a  :  7.3.)  —  8)  M.  H[arden],  Stella.      D.  Mitschuldigen  (Deutsches  Theater): 


18»  G,  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  9e:     »-w, 

des  Ternandobildes  ausgetilgt.  Das  Trauerspiel  von  1805,  nicht  das  „Schauspiel  für 
Liebende"  wurde  gegeben. '<*)  — 

Ffir  die  „Laune  des  Verliebten"  konnte  der  Bearbeiter,  Roethe"),  die  einzige 
vorhandene  Hs.  benutzen,  die  jedenfalls  vor  dem  G.  März  1805  entstanden  ist  Ihre 
wichtigste  Abwoiclmng  von  dem  früheren  Text  besteht  in  vier  bisher  unbekannten 
Versen  iiacli  v.  425,  die  später  gestriclven  wurden,  weil  sie  der  dargestellten  Situation 
durcliaus  nicht  angemessen  sind.  Ausserdem  wäre  nur  noch  eine  scenische  Bemerkung 
vor  V.  424  als  Vermehrung  des  Textes  hervorzuheben.  —  Für  die  „Mitschuldigen"  ver- 
wertete F.  Schnorr  von  Carolsfeld^^)  ^um  ersten  Male  die  früher  im  Besitz  des  Dresdener 
Regiorungsrats  Wenzel  befindliche  Hs.,  von  der  man  bereits  durch  Erich  Schmidts 
Nachrichten  einige  Kenntnis  hatte.  Sie  trägt  die  Jahreszahl  1769  und  umfasst  nur  den 
IL  und  III.  Aufzug  der  späteren  Bearbeitungen,  zusammengezogen  in  einen  Akt,  der 
15  Auftritte  zählt.  Diese  entsprechen  den  sechs  Auftritten  des  zweiten  und  den  zehn 
des  dritten  Aufzugs  der  Plirzelschen  Hs.  mit  der  Abweichung,  dass  III,  1-2  nur  eine 
Scene  bilden,  weil  der  Eingangsmonolog  des  Wirts  auf  wenige  Verse  beschränkt  ist 
Die  Abweichungen  des  Textes  sind  nicht  so  erheblich,  wie  man  früher  wohl  annehmen 
mochte.  Das  Wichtigste  hat  Erich  Schmidt  schon  mitgeteilt;  hinzuzufügen  wäre  nur  noch, 
dass  in  v.  537  if.  Russen  und  Türken  später  die  Rollen  getauscht  haben  und  dass  v. 
<>7fi  auf  den  Grafen  von  Traventhal  angespielt  wird:  so  nannte  sich  Christian  VII.  von 
Dänemark  auf  seiner  Reise  17(58.  Ganz  anders  gefasst  sind  die  Versreihen  348 — 5(), 
859— G9,  379—81,  383/G,  539—59,  571/2,  593/8,  859— Gl,  907—33,  9G5— 70,  und  zwar 
durchweg  wesentlich  kürzer.  Eine  weitere  interessante  Hs.  des  Stückes,  die  hier  eben- 
falls zum  ersten  Male  verglichen  wurde,  ist  das  Manuskript  von  1783  (?),  das  eine  grosse 
Reilie  von  Korrekt\iren  Herders  zeigt.  Aus  ihnen  geht  hervor,  mit  welcher  Sorgfalt  er 
sich  der  Vorbereitung  der  „Schriften"  annahm;  zugleich  erkennt  man,  dass  Goethe 
Herders  Aenderungen  teils  beibehalten,  teils  in  demselben  Sinne  weitergeführt  hat.  — 
Nachtraglich  hat  Suphan^-^)  noch  weiteres  Material  zur  Textgeschichte  aus  Bemerkungen 
beigebracht,  die  Goethe  eigenliändig  in  ein  Exemplar  von  S  eingetragen  hat.  Sie  waren 
zum  Teil  bestimmt,  dem  Stücke  1805  bei  der  Auiführung  erhöhte  Aktualität  zu  ver- 
leihen. —  M.  M.  A.  Schröeri*)  hebt  gelegentlich  einer  Vergleichung  Mario wes  und 
Shakespeares  (S.  98.  103)  hervor,  dass  wie  bei  diesem  ebenso  auch  bei  Goethe,  schon 
in  den  „Mitschuldigen",  die  dichterischen  Gestalten  keine  abstrakten  Typen,  sondern 
wirkliche  Menschen  seien,  dass  ein  leitender  Zug  beider  in  der  Toleranz  und  in  der 
Vorstellung  von  der  Unklarheit  der  Grenze  zwischen  gut  und  böse  bestehe.  —  Max 
Koch^^)  möchte  die  Hirzelsche  Hs.  später  als  17G9  ansetzen,  da  er  die  Anspielung  auf 
den  Kometen  von  diesem  Jahre  nicht  für  beweisend  hält.  Indessen  sind  doch  mit 
Rücksicht  auf  Goethes  dramatische  Entwicklung  in  der  unmittelbar  folgenden  Zeit  und 
auf  die  Herkunft  der  Hs.  aus  dem  Besitz  der  Friederike  Brion  die  ersten  Strassburger 
Monate  als  Entstohungsgrenze  festzuhalten.  — 

F.  Winter  und  E.  Kiliani*"')  bringen  Neues,  aber  nicht  sehr  Förderndes  zur  Bühnen- 
geschichte des  ,,Götz".  W.  behandelt  die  erste  Aufführung  in  Hamburg.  Er  wiedei'- 
holt  im  Eingang  die  bekanntesten  Thatsachen  aus  der  Geschichte  des  Dramas  und 
druckt  dann  eine  Reihe  von  gleichzeitigen  Zeugnissen  ab:  die  Recensionen  aus  dem 
„Wandsbecker  Boten"  (vom  2.  und  3.  Juli  1773;  die  eigentliche  Bespreclmng  ist  schon 
bei  Redlich,  Claudius-Nachlese  S.  28  f.  wiederholt),  dem  „Hamburgischen  Correspon- 
denten"  vom  21.  Juli,  der  „Hamburgischen  Neuen  Zeitung"  vom  20.  August,  dann  die 
Ankündigung,  die  zwei  Tage  vor  der  ersten  Aufführung  in  der  „Hamburgischen  Neuen 
Zeitung"  erschien,  schliesslich  das  Scenarium  Schroeders,  das  20  Seiten  umfasst.  Recht 
äusserlich  wird  die  Hamburger  Bearbeitung  mit  dem  Original  verglichen,  fiir  weitere 
Parallelen  wird  der  Leser  auf  die  allbekannte  Litteratur  verwiesen.  Den  Schluss  bildet 
der  unnötig  vollständige  Abdruck  von  zwei  Recensionen  und  die  kurze  Erzählung  der 
weiteren  Scliicksale  des  ,,Götz"  in  Hamburg  nach  Schütze,  Meyer  und  Ulide.  Ver- 
dienstvoller ist  K.s  Arbeit.  Die  erste  Aufführung  des  „Götz"  in  Wien  fand  am  13.  März 
1810  im  ,, Theater  an  der  Wien"  statt,  vierzehn  Tage  nachdem  das  „Käthchen  von 
Heilbronn"  an  derselben  Stelle  zuerst  auf  der  Bühne  ersclrienen  war.  Das  Burgtheater 
brachte  den  „Götz"  erst  am  11.  März  1830  in  Schreyvogels  Bearbeitung,  die  im  ganzen 
fünfmal  bis  zum  G.  Jan.  1833  gegeben  wurde.  Sie  ist  auf  Grund  der  ersten  Ausgabe 
(1773)  selbständig  von  Schreyvogel  verfasst:  der  Bearbeiter  billigte  also  wohl  Goethes 
eigene  Bühneneinrichtung  nicht.     K.  giebt    ein    genaues  Scenarium    des  Wiener  Textes 


GegenM-.  40,  S.  331.  —  9)  M.  Kent,  Deutsches  Theater:  Stella.  D.  Mitschuldigen:  NationB.  9,  S.  105/7.  —  10)  X  O- Carel, 
Friedwagner,  Goethe  als  Corneille-t^Prsetier  (1890  IV  lle  :  3):  ZFSL.  2,  S.  58.  -  II)  S.  o.  N.  2.  —  12)  S.  o.  N.  2.  —  O)  B 
Suphan,  d.  Mitschuldigen:  GJb.  13,  S.  262/3.  -  14)  M.  M.  A.  SchrOer,  Ober  Titos  Andronicus.  Z.  Kritik  d.  neuesten 
Shakespeareforschung.  Marburg,  Elwert.  VI,  140  S.  M.  3,20.  —  15)  M.  Koch:  BFDH.  NF.  8,  S.  288.  —  16)  F.  Winter  u. 
E.  Kilian,  Z.  HUhnengesch.  d.  Götz  v.  Berlichingen.  (—  Theatergesch.  Forschungen  her.  t.  B.  Litimann  2.)  Hamborg  u. 
Leipzig,  Voss.    99  S.    M.  2,40.     ilW.  Un.:  AZ".  N.  192;  M.  Koch:  BFDH.  NF.  8,  S.  287;  A.  ▼.  Weilen:  DLZ.  13,  S.  697;9.]| 


IV  96 :  17-32  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  186 

mit  Anführung  aller  Zusätze.  Die  Reihenfolge  der  Scenen  ist  gegenüber  B  verschoben, 
textliche  Aenderungen  und  Striche,  abgesehen  von  Kürzungen  aus  praktischen  Gründen, 
sind  ausschliesslich  durch  den  Druck  der  Wiener  Censur  veranlasst.  Schreyvogel  hat 
sich  nach  Kräften  eigener  Zuthaten  enthalten  und  keinen  Eingriff  in  die  Handlung  und 
die  Oekonomie  des  Stückes  versucht.  Die  50,  richtiger  56,  Verwandlungen  sind  auf 
siebzehn  herabgemindert.  K.  giebt  den  Theaterzettel  der  ersten  Aufführung,  den 
hübschen  Prolog  Schreyvogels  und  eine-  Gelegenheitseinlage  bei.  —  Ueber  eine  weitere 
Hs.  des  Stückes  die  sich  in  Karlsruhe  befindet,  liefert  ebenfalls  Kilian  i'')  Nachricht 
Sie  ist  eine  stark  gekürzte  Abschrift  der  Mannheimer  Regie- Hs.,  die  bis  1849  in  Karls- 
ruhe in  Geltung  blieb.  —  Sprenger  i^)  führt  die  glückliche  Deutung  des  in  die  Herde 
einfallenden  Wolfes  (I,  3)  auf  alten  und  noch  bestehenden  Aberglauben  zurück.  — 
Bender  19)  erklärt  in  II,  9  die  Stelle  „Ihr  besitzt  sie  ohne  Recht,  ich  schenkte  sie 
einem  Andern  auf  Lebenslang"  (Weim.  Ausg.  8,  S.  74,  14  f.)  richtig  dahin,  dass  der 
„Andere"  das  Idealbild  sei,  das  sich  Adelheid  von  Weisslingen  gebildet  hatte.  —  Heuwes^o) 
stellt  V,  14  „Die  Welt  ist  ein  Gefängnis"  zusammen  mit  Hamlet  II,  2:  „Dänemark  ist 
ein  Gefängnis  ...  So  ist  die  Welt  auch  eins".  —  Y.  Winter  2i)  macht  es  wahr- 
scheinlich, dass  die  Auskunft  auf  die  Frage:  ,, Welche  Hand  Götzens  v.  Berlichingen 
eisern  gewesen?"  (im  ,, Wandsbecker  Boten"  vom  14.  Jan.  1774)  von  Goethe  verfasst  sei^s).  , 
—  Vor  dem  Gebrauch  der  Schulausgabe  des  „Götz"  von  Uellner^s)  müssen  wir 
ernstlich  warnen,  da  die  Zuthaten  des  Herausgebers  ebenso  unzuverlässig  wie  ärmlich 
sind.  Es  ist  kaum  zu  begreifen,  dass  jemand  die  Verwegenheit  haben  kann,  Schülern 
höherer  Lehranstalten  eine  Tabelle  über  Goethes  Leben  darzubieten,  wie  sie  hier  auf 
den  letzten  zwei  Seiten  enthalten  ist.  ^)  — 

M.  M.  A.  Schröer25)  glaubt,  die  Annahme,  dass  Herder  zu  der  Gestalt  des 
Satyr  OS  Modell  gesessen  habe,  sei  nicht  mehr  zu  bestreiten.  Das  gewaltige,  offenbarende 
Prophetentum  Herders  konnte  für  Goethe,  der  für  die  Behandlung  eines  falschen 
Prophetentums  prädisponiert  war,  in  dieser  Richtung  fruchtbar  werden.  Ausser  Herder 
hätte    die  Vorstellung    anderer    Persönlichkeiten,    namentlich    Basedows,   mitgewirkt.  — 

Auch  „Clavigo"  wird  von  Ch.  Semler  26)  mit  einem  seiner  phrasenhaften  Auf- 
sätze bedacht,  deren  gemeinsames  Attribut  das  Wort  „Weltanschauung"  in  der  Ueber- 
schrift  ist.  Als  Goethes  Ziel  bezeichnet  es  S.,  „seine  Zeitgenossen  der  krankhaft  ge- 
wordenen Innerlichkeit  und  der  formlosen  Kleinbürgerei  zu  entreissen  und  sie  dem 
äusseren  Leben  (!)  zu  gewinnen".  Als  Beweis  dafür  betrachtet  er  „das  kleine  Trauer- 
spiel" Clavigo,  Carlos  ist  ihm  „wohl  der  am  meisten  dramatische  Charakter,  welchen 
Goethe  geschaffen",  der  wahre  Mensch,  Faust  und  Mephisto  in  einer  Person.  In 
Bismarck  ward  Fleisch  und  Blut  das  willenstarke  Denken,  wie  es  Carlos  beseelt.  — 
Magnussens  27)  dänische  Uebersetzung  des  „Clavigo"  ist  getreu  bis  auf  die  Unterdrückung 
einiger  zu  starker  Stellen  mit  Rücksicht  auf  die  Bühne.  — 

Hei  big  28)  verfolgt  kurz  die  historische  Ueberlieferung  des  Stella -Problems  in 
der  Gleichensage  bei  Sagittarius,  Peccenstein,  Melisantes,  Olearius,  in  der  Thüringer 
Chronik  von  1741.  Die  Uebertragung  des  Problems  ins  Leben  fiindet  sich  zuerst  bei 
Swift.  „Stella"  ist  noch  mehr  als  durch  diesen  durch  F.  Jacobis  Beziehungen  zu  Johanna 
Fahimer  beeinflusst,  die  im  Anschluss  an  Urlichs  dargelegt  werden.  Lewes'  schiefes 
Urteil  über  den  ersten  Schluss  wird  wiederholt.  Als  Gegenstück  zu  „Stella"  ist  Jacobis 
„Woldemar"  entstanden.  Goethe  hat  später  selbst  die  Rolle  des  Grafen  von  Gleichen 
zwischen  Frau  v.  Stein  und  Christiane  gespielt.  —  Cornish2&)  behauptet  fälschlich  auf 
Grund  der  Notiz  Tagebücher  I,  S.  11,  dass  Stellas  Monolog  in  Leipzig  am  25.  März 
1776  geschrieben  sei.  —  Eine  bei  Braun  fehlende  Recension  der  „Stella",  verfasst  von 
Westenrieder  nach  der  Aufführung  in  München,  druckt  Max  Koch^O)  (S.  42/3)  ab. 
Westenrieder  nennt  das  Stück  einen  poetischen  Beweis,  dass  die  Vielweiberei  des  Herzens 
möglich  sei.  Er  könne,  so  erklärt  er,  es  nie  ohne  Schauder  sehen,  es  besitze  aber  auf 
der  poetischen  Seite  grosse  Verdienste.  In  München  habe  man  einmal  die  Stella  sterben 
lassen  (also  Goethes  späteren  Schluss  schon  vorweggenommen);  später  musste  sie  in 
ein  Kloster  gehen.  Die  Philosophie  der  Bühne  fordere  die  Aufopferung  der  Leiden- 
schaften für  das  Wohl  und  Wehe  der  Gesellschaft.  Westenrieders  Recension  des 
„Clavigo"  wird  von  K.  nur  erwähnt  (S.  23),  obwohl  sie  ebenfalls  bei  Braun  fehlt.  — 

Den  Text  der  „Geschwister"  hat  M.  M.  A.  Schröer  ^i)  auf  Grund  der  zur  Ver- 


—  17)  E.  Kilian,  E.  Karlsruher  Hs.  d.  ersten  Goethesehen  BUhnenbearbeituug  d.  Götz:  AZG".  N.  211.  —  18)  R.  Sprenger, 
Zu  Götz  V.  Berlichingen:  ZDU.  6,  S.  56.  ^Vgl.  JBL.  1890  IV  11  e  :  11.)  —  19)  F.  Bender,  Zu  Goethes  Götz  v.  Berlichingen: 
ib.  S.  136/8.  —  20)H6uwes,  E.  Reihe  älinlich  lautender  Versstelion:  ib.  S.  647/9.  —  21)  F.  Winter,  Goethes  Anteil  am 
Wandsbecker  Boten:  VLG.  4,  S.  513-28.  —  22)  X  F-  Kummer,  0.  Devrient,  Goethes  Gottfried  v.  Berlichingen:  BLÜ.  S.  102. 
(„Kathedereinfall".)  —  23)  (I  7  :  60.)  —  24)  X  Bindewald,    Goethes  Götz,  her.  t.  Heuwes  (1890   I  7  :  71):    COIR.    S.    151. 

—  25)  S.  0.  N.  14,  S.  100/3.  —  26)  C.  Semler,  Carlos  in  Goethes  Clavigo  u.  d.  Weltanschauung  d.  Neuzeit:  ZDU.  6, 
S.  817-22.  -  27)  Goethe,  Clavigo.  Oversat  af  Joh.  Magnussen.  Kopenhagen,  Schou.  70  S.  —  28)  (IV  4  :  124.)  — 
29)  F.  F.  Cornish,  D.  junge  Goethe:  PublEnglGoetheSoc  6,  S.  22—61.  —  30)  M.  Koch,  Über  L.  v.  Westenrieders  schOn- 
wissenschaftl.  Thatigkeit.    S.  JBL.  1890  IV  6:19.  -  31)  S.O.N.2.-32)  A.  Dietorich,  Sohlafscenen  auf  d.  attischen  BUhue: 


187  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  9e:    88-38. 

l'üguiig  stehenden  drei  Hss.  wesentlich  verbessert  und  vermehrt.  Die  genaue  Zusaramen- 
stelhing  seiner  Aenderungen  ist  im  Goethejahrbuch  13,  8.  263  zn  finden.  Besondere 
Ei-wähnung  verdient  der  eigentümliche  alte  Ausdruck  aller  Hs.  „wenns  an  (ans)  Bund- 
riemon  kam",  der  sonst  bei  Goethe  und  seinen  Zeitgenossen  nicht  nachgewiesen  ist 
und  in  den  Drucken  durch  einen  moderneren  ersetzt  wurde.  — 

A.  Dietorich^2)  fand  zufällig,  dass  im  „Triumph  der  Empfindsamkeit"  die 
Verse,  die  Merkulo  im  2.  Akt  gegen  den  Scliluss  singt:  „Du  gedrechselte  Laterne  — 
mildesten  Glanz"  aus  Aristophanes,  Ekklcsiazusen  v.  1  ff.  übersetzt  sind.  In  dem 
folgenden  Dialog  ist  aber,  was  D.  nicht  erwähnt,  ausdrücklich  bemerkt,  dass  die  Verse 
aus  dein  Griechischen  stannnen.  —  A.  Köster-'^)  weist  auf  „Proserpina",  die  Kerkerscene 
im  „Egmont",  Orests  Tartarusvision  als  Beispiele  für  die  Verbindung  von  Musik  und 
gesprochenem  Text  hin.  — 

Auch  den  Singspielen  gelten  einige  Mitteilungen.  Wichmann ^)  giebt  ein  an- 
regendes geselliges  Gespräch  über  Goethes  Operntexte  mit  Anführung  von  Goethes 
Urteilen  über  fremde  Arbeiten  wieder;  u.  a.  hat  er  das  Sujet  des  „Freischütz" 
gelobt.  — Eine  gründliclie  Arbeit  über  „C-laudine  von  Villa  Bella"  hat  Kippenberg ^6) 
geliefert.  Er  setzt  die  erste  Bearbeitung  mit  Strehlke  bis  in  den  Oktober  1773  hinauf 
und  stützt  sich  dabei  auf  die  frühere  falsche  Datierung  des  an  Kestner  gerichteten 
Briefes  von  Weihnachten  1773  (s.  VLG.  4,  S.  511),  der  sich  nur  auf  „Claudine",  nicht 
auf  „Erwin"  beziehen  lasse.  Auch  die  Bekanntschaft  mit  Andre  1773  wird  für  die  Ent- 
stohuugszeit  des  Werkes  angeführt.  Die  Quelle,  jedenfalls  ursprünglich  spanisch,  ist 
nicht  nachzuweisen.  Der  Stoff  ist  Goethe  durch  französische  Vermittlung  als  Novelle 
oder  als  Operette  zugekommen.  Der  Zusammenhang  mit  der  Don  Juan-Sage  (Wilmanns) 
wird  abgelehnt,  höchstens  könnte  die  Fassung  bei  Goldoni  „Don  Giovanni,  ossia  il  disso- 
luto  punito"  in  Betracht  kommen,  weil  hier  in  einer  Scene  Don  Juan  einer  Geliebten 
den  Dolch  auf  die  Brust  setzt,  eine  andere  Geliebte  ihm  in  Männertracht  folgt,  zweimal 
mit  ihm  ficht  und  weil  Don  Juan  während  des  zweiten  Duells  von  einer  Wache  um- 
zingelt wird,  um  gefangen  genommen  zu  werden.  Auch  Räuber  verwendet  Goldoni, 
allerdings  hinter  der  Scene.  Indessen  sind  das  alles  Züge,  die  sich  bei  vielen  Spaniern 
finden,  eine  Entlehnung  von  Seiten  Goethes  ist  nicht  anzunehmen,  ebensowenig  aber  eine 
selbsterfundene  Handlung  mit  spanischem  Kolorit  im  Anschluss  an  spanische  Quellen.  Die 
Scene  auf  der  Gartenterrasse  ist  nur  die  poetische  Darstellung  eines  Landschaftsbildes 
in  Offenbach,  wie  K.  überzeugend  nacliweist.  Wilmanns'  symbolische  Auffassung  des 
ganzen  Werkes  verwirft  K.  wohl  zu  unbedingt.  Auch  von  einer  Neigung  Claudinens 
zu  Crugantino  will  er  nichts  wissen.  Die  lyrischen  Stellen  enthalten  nach  K.s  Urteil 
gut  gefühlte  Natur,  die  Sprache  des  prosaischen  Dialogs  ist  wenig  gefeilt  und  durch- 
geistigt, aber  kraftvoll,  bestimmt  und  warm.  K.  weist  darauf  hin,  dass  schon  in  dem 
Briefe  an  Carl  August  vom  23./6.  Dez.  1775  die  Form  „Rugantino"  steht.  Für  die  Um- 
arbeitung existiert  ein  nicht  ausgeführter,  vom  späteren  wesentlich  abweichender  Plan 
vom  23.  Jan.  1786  (an  Kayser).  Beide  Bearbeitungen  werden  nach  Zahl,  Bezeichnung, 
Verteilung  der  Personen  und  Scenen  verglichen.  Die  Opera  buffa  forderte  drei  Akte, 
daher  die  grössere  Breite  am  Schluss  in  B.  Der  idealistischen  Behandlung  widerstrebte 
der  Stoff,  Rugantino  besonders  hat  viel  verloren.  Als  Gewinn  erscheint  nur,  dass  durch 
die  Einfülirung  der  Lucinde  auch  für  ihn  eine  befriedigende  Lösung  herbeigeführt  wird. 
Die  Handlung  ist  in  B  nicht  mehr  so  einheitlich  wie  früher,  der  Zufall  spielt  eine 
grössere  Rolle.  Das  jüngere  Stück  hat  den  Vorzug  der  schönen  Sprache  und  des 
reichen  Wechsels  der  Handlung,  seine  Mängel  sind  auf  die  Erfüllung  der  Bedingungen 
des  Singspiels  zurückzuführen.  Schon  die  erstei  Bearbeitung  besitzt  reich  ausgestattete 
musikalische  Teile,  grosse  Finales.  In  der  zweiten  ist  der  Dialog  als  Secco-Recitativ  ge- 
dacht, wofür  allerdings  die  durchgehenden  fünffüssigen  Jamben,  vielleicht  eine  Kon- 
zession an  die  Leser,  nicht  geeignet  sind.  Für  diese  Behauptung  möchte  K.  aber  doch 
die  Beweise  schuldig  bleiben.  Goethe  wollte  ja  allerdings  die  Opera  buffa  auf  die 
deutsche  Bühne  bringen,  aber  er  und  Kayser  werden  sich  wohl  darüber  klar  gewesen 
sein,  dass  eine  mechanische  Nachahmung  aller  Aeusserlichkeiten  unmöglich  war.  Am 
Ende  liefert  K.  eine  Aufzählung  der  Kompositionen  und  eine  genaue  Uebersicht  von 
A  und  B.  —  Gelegentlich  einer  Dilettantenauffühiimg  von  „  Jery  und  Bätely"  ^^)  giebt 
H.  Bodmer  in  der  Einleitung  zu  dem  Text  der  Gesänge  eine  gute  kurze  Uebersicht  der 
Erlebnisse,  die  zur  Abfassung  des  kleinen  Stückes  geführt  haben,  der  ersten  Bearbeitung 
und  der  Kompositionen.  —  Heuer  37)  teilt  den  ersten  der  auf  „Scherz,  List  und  Rache" 


RliMusPh.  46,  S.  25—46.  (S.  36  Anm.  3.  Vgl.  ZVLK.  NF.  4,  S.  407.)  -  38)  (IV  4:7.)  -  34)  H.  Wichmann,  Ges.  Auf- 
sätze. Bd.  3.  Florenz.  Loescher  &  Seeber.  VIII,  291  S.  M.  2,00.  (S.  158—60.)  —  35)  K.  Kippenberg,  Über  Goethe« 
„Claudina  von  Villa  Bella".  Progr.  d  Altstjldt.  Realschule.  Bremen,  Guthe.  A".  27  S.  —  36)  Goethe,  Jery  n.  B&taly. 
Musik  V.  H.  Stiehl.  Aufgeführt  am  KrSnzchen  d.  Lesezirkels  Uottingen,  14.  Htrz  1891  im  Pfauentheater.  18  S.  (Nicht  im 
Handel.)  —  37)  (IV  9b  :  7  =  IV  9a  :  70.)  -    37«)  Goethes  Briefe  (S.  o.  IV  9b  :  2)  7,  S.  150/1;    181/2.    —    38)  G.  Kettner, 


IV  9e:   39-41.  Gr.  Witkowski,  Goethes  Drama.  Ib8 

bezüglichen  Briefe  Goethes  an  Kayser  mit  (Herbst  1784).  Goethe  hat  die  Operette  an- 
gefangen, um  den  deutschen  Komponisten  der  italienischen  Manier  näher  zu  bringen. 
Am  13.  Nov.  1787  meldet  Seidel  an  Dorothea  Kayser,  dass  der  letzte  Transport  der 
Operette  angekommen  ist.  —  In  einem  Briefe  37&)  an  Kayser  vom  28.  Dez.  1785  spricht 
Goethe  ein  günstiges  Urteil  über  die  Musik  zu  den  ersten  zwei  Akten  aus.  Die  Arie 
„Arm  und  Elend"  (v.  67  ff.)  rücke  auch  zu,  was  hier  nur  bedeuten  kann,  die  Ausführung 
der  Kayserschen  Komposition  werde  deutlicher.  Herder  gewährt  dazu  seinen  Beirat. 
Am  19.  Febr.  1786  schreibt  Goethe  an  Christine  Gräfin  Brühl,  er  erwarte  mit  Ungeduld 
die  Komposition  des  dritten  Aktes,  dessen  erste  Hälfte  schon  angekommen  sein  sollte.  — 

Die  vielumstrittene  Frage  der  Bedeutung  und  der  Fortsetzung  des  Fragments 
„Elpenor"  brachte  Kettner  38)  diu-ch  eine  sorgfältige  Untersuchung,  die  alle  in 
Betracht  kommenden  Verhältnisse  berücksichtigte  und  erwog,  zu  einem  gewissen  Ab- 
schluss.  Wie  Zarncke  führt  auch  er  Entstehung  und  Namen  des  Stückes  auf  die  ver- 
gebliche Hoffnung  (1781)  und  die  endliche  Erfüllung  des  Wunsches  nach  einem  Erb- 
prinzen (1783)  zurück.  K.s  Vermutung,  dass  die  Bezeichnung  „ein  Trauerspiel"  von 
Riemer  willkürlich  hinzugefügt  sei,  wird  durch  die  Weimarer  Ausgabe  bestätigt.  Die 
Quellen  hätten  nur  die  äusserlichste  Anregung  gegeben,  die  Dichtung  sei  im  wesent- 
lichen frei  erfunden.  Elpenor  ist  der  Sohn  der  Antiope.  Wie  die  Vertauschung  der 
Knaben  vor  sich  gegangen  ist,  bleibt  dunkel,  auch  Polymetis  weiss  nichts  davon. 
Durch  das  Auftreten  des  totgeglaubten  angeblichen  Sohnes  der  Antiope,  in  Wahrheit  des 
Lykos,  soll  ein  Streit  der  Neigung  für  ihn  und  Elpenor  in  Antiope  entstehen,  der  noch 
verschärft  wird,  weil  der  neue  Ankömmling  roh,  ungeschlacht,  verwildert  ist.  Evadne 
soll  nicht  nur  als  Confidente  die  Exposition  erleichtern,  sondern  wird  auch  für  den  Verlauf 
bedeutsam:  sie  kennt  das  Geheimnis  der  Geburt  Elpenors  und  soll  ihm  als  eine  Art 
Schutzengel  zur  Seite  stehen.  Polymetis  wird  nach  dem  Hervortreten  des  Nebenbuhlers 
in  Elpenor  die  Herrschbegierde  anfachen.  Elpenor  ist  in  dem  Vorhandenen  noch 
wesentlich  passiv;  in  ihm  verkörperten  sich  vielleicht  Eigenschaften  des  jugendlichen 
Carl  August.  Von  einer  Entwicklung  seines  Charakters  ist  im  Verlaufe  der  zwei  Akte 
nichts  zu  spüren.  Ihr  Stil  entspricht  wie  der  der  „Iphigenie"  dem  französisch-klassischen 
Drama,  die  Charaktere  sind  mehr  typisch  als  individuell,  auch  die  Einheit  des  Orts 
und  der  Handlung  ist  sichtlich  angestrebt.  Wie  in  der  „Iphigenie"  muss  Goethe  das 
ähnliche  dramatische  Problem,  die  Sühnung  einer  alten  Blutschuld,  versöhnend  gelöst 
haben,  denn  er  kann  nicht  nach  so  kurzer  Zeit  zu  der  überwundenen  Form  der  Tragik 
zurückgekehrt  sein;  die  Versöhnung  sollte  gewiss  durch  ethische  Lösung  des  Konflikts 
herbeigeführt  werden.  So  ergiebt  sich  folgender  Plan  der  Fortsetzung:  Elpenor  ist 
vom  Felsen  hinabgestürzt,  durch  den  Sohn  des  Lykos  gerettet  worden,  kehrt  zurück 
und  erscheint  vor  Lykos  und  Antiope.  Der  Sohn  des  Lykos  wird  zuerst  an  der  Aehn- 
lichkeit,  dann  an  der  Halskette  mit  dem  Bilde  der  Sonne  erkannt;  weitere  Enthüllungen 
giebt  Polymetis.  Elpenor  erkennt,  dass  sein  vermeintlicher  Vater  der  Mörder  ist,  dem 
er  Rache  geschworen ;  er  soll  nun  dem  besten  Teile  seiner  Herrschaft  zu  Gunsten  eines 
Nebenbuhlers  entsagen.  Nach  innerem  Kampfe  bleibt  er  in  beiden  Konflikten  Sieger: 
er  tritt  dem  Nebenbuhler  den  rechtmässigen  Anteil  an  der  Herrschaft  ab  und  erkennt 
ihn  als  den  Sohn  Antiopes  an.  Damit  erlischt  die  Verpflichtung  zur  Rache  an  dem 
Mörder.  Lykos  dagegen  sucht  den  plötzlich  hervorgetretenen  Sohn  der  Antiope  zu 
ermorden.  Entweder  es  gelingt  ihm,  er  erkennt  zu  spät,  dass  es  der  eigene  Sohn  war, 
und  giebt  sich  selbst  den  Tod,  oder,  wahrscheinlicher;  Elpenor  wendet,  von  Evadne 
unterrichtet,  im  letzten  Moment  das  Schicksal  von  dem  Vetter  ab,  und  nun  kehrt  Lykos 
das  Schwert  gegen  sich  selbst.  Am  Schluss  kann  Antiopes  Sohn  den  Thron  besteigen. 
K.  spricht  den  richtigen  Grundsatz  aus,  dass  nebensächliche  Züge  nicht  für  eine  weitere 
Bestimmung  der  Einzelheiten  des  Dramas  zu  verwenden  seien.  Die  Handlung  leidet 
an  einer  Ueberfülle  der  Motive,  an  komplizierten  Voraussetzungen,  an  zu  starkem  Ein- 
fluss  des  Zufalls;  sie  wurzelt  zu  wenig  in  eigenen  Erlebnissen  und  Empfindungen  des 
Dichters.  —  Aus  der  Verwandtschaft  des  „Elpenor"  mit  Gotters  „Merope"  folgert 
B.  SeuffertS9),  dass  ebenso  wie  Aegisth  auch  Elpenor  am  Leben  bleiben  und  einen 
Jüngling  erschlagen  sollte.  Die  Vossische  Homerübersetzung  von  1781  mag  auf  die 
Hervorhebung  des  Bogens  eingewirkt  haben  und  der  Polymetis  vom  7TX)kv/ut]TK;  'o&vaatiq 
beeinflusst  sein.  Der  Stil  im  „Elpenor"  ist  durch  die  Einwirkung  der  „Merope"  etwas 
weniger  antik  als  der  der  „Iphigenie".  — 

Gnad^O)  wendet  sich  in  einem  ziemlich  wertlosen  Essay  hauptsächlich  gegen 
die  Egmont-Kritik  Schillers,  der  Egmont  und  Clärchen  nicht  habe  verstehen  können. 
Egmont  ist  ihm  eine  wahrhaft  tragische  Gestalt,  auch  der  Tadel  des  opernhaften 
Schlusses  wird  ztu-ückgewiesen.   —  D.  Jacoby*i)  nimmt    mit    W.    v.    Biedermann    an, 

Goethes  Elpenor:  Pr.lbb.  67,  S.  149—72.  -  39)  B.  Seuffert,  Merope  u.  Elpenor:  VLG.  4,  S.  115/6.  —  40)  E.  Gnad,  Litter. 
Essais.  2.  venu.  u.  verb.  Aufl.  Wien,  Konegen,  VI,  375  S.  M.  5,00.  |[M.  Koch:  BPDH.  NF.  7,  S.  256.]|  (S.  73— 106  , Egmont», 
S.  109—86  «Tasio",  8.  139-74  „Faust".)  —   41)  D.  Jaooby,    Zu  Goethes  Egmont.    1.  Egmont  u.  Shakespeares  Julius  Cäsar. 


189  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  9e:    42-47. 

dass  das  stärkere  Interesse  am  ,,Egmont"  der  (irund  zum  Aufgeben  des  Cäsarplanes  war. 
Egmonts  Charakter  ist  älinlich  dem  des  beabsichtigten  Cäsar,  es  ergeben  sich  die 
Parallelen  Alba-Egmont,  Sulla-Cäsar.  Einwirkung  von  Shakespeares  „Julius  Cäsar"  auf 
„Egraont"  findet  J.  in  den  Vclksscenen,  in  Brackenburga  Monolog  am  Schluss  des  ersten 
Aufzugs,  in  Vunsens  Berufung  auf  das  Buch  der  Privilegien,  in  Egmonts  darauf  folgen- 
den Fragen  an  die  einzelnen  Bürger  über  ihr  Gewerbe,  und  endlich  in  Clärchens  Hede 
an  die  Bürger  V,l.  Das  realistischere  Gepräge  des  „Wallenstein"  gegenüber  allen 
früheren  Dramen  Schillers  (?)  wird  von  J.  auf  den  Einfluss  des  „Egmont"  zurückge- 
fl'ihrt.  Egmonts  Stellung  zu  den  Bürgern  entspreche  der  des  Wallenstein  zu  seinen 
Soldaten.  Die  Thaten  beider  werden  vor  ihrem  Auftreten  gerühmt.  Die  poetische 
Stimmung  des  Vorspiels  soll  beeinflusst  sein  durch  Egmonts  Worte  V,2  (Weim.  Ausg. 
S.  281,  19  ff.).  Eine  Anzahl  weiterer  Zusammenstellungen  dieser  Art,  die  ebensowenig 
eine  Abhängigkeit  Schillerg  beweisen  können,  folgen.  Batraneks  Buch  „Goethes  Egmont 
und  Schillers  Wallenstein"  (Stuttgart  18(52)  scheint  J.  nicht  zu  kennen,  -»z-«)  —  Schillers 
Bühnenbearbeitung  bespricht  A.  Köster'**)  mit  feinem  und  massvollem  Urteil.  —  Sie 
ist  von  de  Vos"*^),  Regisseur  am  Theater  zu  Gent,  ins  Holländische  übersetzt  worden, 
um  Goethes  Werk  der  niederländischen  Bühne  zu  gewinnen.  V.  deutet  deshalb  die  in 
Deutschland  üblichen  Striche  an  und  giebt  eine  Anzahl  bühnentechnische  Anmerkungen, 
in  denen  er  u.  a.  die  Darstellung  des  Vermummten  durch  Alba  abweist.  —  Buchheims*^») 
Egmont-Ausgabe,  der  erste  Band  seiner  bekannten  und  oft  gewürdigten  „Gennan  Clas.sics", 
ist  in  vierter  Ausgabe  erschienen.  Die  Vorzüge  dieser  Bearbeitungen  praktische 
Einrichtung  für  den  englischen  Schulgebrauch,  reichliche  und  den  Bedürfnissen  des 
Ausländers  entsprechende  Anmerkungen,  treten  auch  hier  wieder  hervor;  doch  darf  nicht 
verschwiegen  werden,  dass  B.s  Beigaben  nicht  ganz  den  Ansprüchen  genügen,  die  wir 
jetzt  an  Arbeiten  dieser  Art  stellen.  Besonders  in  der  kurzen  Skizze  von  Goethes  Leben, 
die  er  dem  ,, Egmont"  vorausschickt,  fallen  eine  Reihe  von  thatsächlichen  Unrichtig- 
keiten unangenehm  auf.  Er  setzt  die  zweite  Bearbeitung  des  „Götz"  in  den  Herbst  1772, 
den  Beginn  der  Aibeit  am  „Faust"  ins  Jahr  1774,  er  citiert:  „Sieh!  Dir  winkt  sein  Geist 
aus  der  Höhle".  —  f 

Von  positiv  christlichem  Standpiinkte  aus  beleuchtet  Heinzelmann  ^)  die 
„Iphigenie"  in  einem  gut  durchdachten,  von  selbständigem  Urteil  zeugenden  Vortrag. 
Goethe  hat  in  dem  Drama  die  Härten  der  antik  religiösen  Weltbetrachtung  gemildert 
durch  seine  eigene  religiöse  und  sittliche  Lebensanschauung,  durch  die  demütige  An- 
betung der  Macht  des  Göttlichen,  zu  der  er  in  den  Jahren  1779 — 84  gelangt  ist.  Der 
Fluch,  der  auf  den  Tantaliden  ruht,  wird  gelöst  durch  die  leibhaftige  Verkörperung  der 
himmlischen  Milde  imd  Güte,  der  gottgeborenen  Humanität  in  Ipliigenie.  Mit  Recht 
vermeidet  H.  es,  den  künstlichen  Begriff  des  stellvertretenden  Leidens  einzuführen. 
Das  „weibliche  Heldentum"  Iphigeniens,  wie  H.  es  glücklich  nennt,  liegt  in  der  sittlichen 
Bewährung,  zugleich  im  Religiösen,  in  der  „gewissen  Zuversicht",  nicht,  wie  K.  Fischer 
will,  in  der  himmlischen  Gelassenheit.  Die  Frage,  ob  „Iphigenie"  christlich  sei,  beant- 
wortet H.  daluTi,  dass  zwar  ein  streng  positiv  biblisches  Christentum  in  ihr  als  welt- 
licher Dichtung  nicht  zu  finden  sei;  wohl  aber  nennt  er  das  Werk  in  Bezug  auf  die 
religiösen  und  sittlichen  Ideen  durch  und  durch  protestantisch  christlich,  weil  es  den 
Sieg  des  Theismus  über  den  heidnischen  Irrglauben  vorführt.  Dadurch,  dass  dies  ohne 
polemische  Tendenz  geschieht,  unterscheidet  sich  die  „Iphigenie"  vorteilhaft  von  dem 
ihr  verwandten  „Nathan".  —  Gründlich  belehrend  handelt  Morsch  <")  über  die  Vorge- 
schichte des  Goetheschen  Dramas.  Das  Vorbild  der  deutschen  ,, Ipliigenie"  war  La^ranges 
„Oreste  et  Pilade  ou  Iphigenie  ien  Tauride"  (1609):  von  ihr  gehen  J.  E.  Schlegels 
„Geschwister  auf  Tam-ien"  (1737)  und  Derschaus  „Orest  und  Pylades"  (1747)  aus.  La- 
touche  löst  1757  auf  der  französischen  Büluie  Lagrange  mit  seiner  „Ipliigenie  en  Tau- 
ride" ab,  auf  ihm  beruht  Glucks  Text  von  1779.  Ausserdem  kommen  noch  in  Betracht 
Crebillons  „Electra"  (1708),  Voltaires  „Oreste"  (1750)  und  Gotters  „Orest  und  Elektra" 
und  „Merope",  1772/3  in  Weimar  aufgeführt,  1774  gedruckt.  Die  Parallelen  zwischen 
diesen  Dramen  und  dem  Goethes  werden  von  M.  im  einzelnen  mit  etwas  zuviel  Spür- 
eifer aufgesucht.  Man  kann  doch  kaum  glauben,  dass  Goethe  die  schwäclilichen  Er- 
zeugnisse der  Schlegel  und  Derschau  oder  gar  Lagrange  und  Latouche  so  genau  im 
Gedächtnis  hatte,  dass  er  sich  in  Einzelheiten  des  Planes  nach  ihnen  richtete  und  sogar 
ganz  nahe  liegende  Ausdrücke  von  ihnen  entlehnte,    oder    dass    er    nötig  gehabt  hätte, 


2.  Egmont  n.  Sdiillers  Wallenstein :  GJb.  12,  S.  247-56.  i[M.  Koch:  BFDH.  NF.  7,  S.  4.33.]|  —  42)  X  B  ,  D-  Sümmungs- 
malerei  in  Beethovens  Musik  zn  Goethes  „Egroont":  LZg**.  N.  38.  —  43)  X  H.  DOntzer,  Goethes  Egmont  erUntert.  4.  neu 
durchgcs.  Aufl.  (=  Erl.  zu  d.  dtsch.  Klassikern.  12.  Bdchen.)  Leipzig,  Warlig.  VI,  162  S.  M.  1,00.  —  44)  A.  KSster, 
Schiller  als  Dramaturg.  Berlin.  Hertz.  VII,  343  S.  (S.  u.  IV  10  :  117.)  —  45)  Goethe-Schiller.  Egmont  Vor  het  Neder- 
landsch  tooneel  bewerkt  door  Jac.  de  Vos.  Zaandijk,  Heijnis.  o.  J.  108  S.  —  45a)  Goethe,  Egmont,  ed.  with  engl,  notes  etc. 
by  C.  A.  Buchheim.  4.  ed.  (=  Gennan  Classics  1.)  Oxford,  Clarendon.  XL VIII, 204 S.  M.3,00.  —  48)W.  Heinzelmann,  Goethes 
Iphigenie.    E.Vortrag.   Erfurt,  Neumann.   V,  38  S.  M.  0,60.    [[M.Koch:  BFDH.  NF.  8,  S.2«7.]|  —  47)  H.  Morsch,  Ausd.  Vorgesoh. 


k 


r\r  9e:  48-64.  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  190 

für  die  Gräuel  im  Hause  der  Tantaliden  von  Crebillon,  Voltaire  und  Gotter  seine 
Kenntnis  antiker  Sagen  zu  beziehen.  Die  Goethesche  Wahnsinnscene  ist  von  der 
Gotterschen  grundverschieden,  und  so  wird  man  wohl  auch  die  Anknüpfung  im  Detail 
leugnen  und  hier  eher  ein  Zusammentreffen  auf  dem  Boden  der  Tradition  annehmen 
dürfen.  Weit  wichtiger  als  die  Auffindung  dieser  Aehnlichkeiten  ist  der  Vergleich  mit 
den  Vorgängern,  der  die  Weiterbildung  der  Sage  und  die  Vertiefung  des  Seelenlebens 
als  Goethes  Verdienst  ergiebt.  Vor  allem  erscheint  bei  ihm  eine  neue  sittliche  Welt- 
anschauung, von  deren  Grösse  die  früheren  kaum  eine  Spur  zeigen.  Lehrreich  ist  eine 
Zusammenstellung  (S.  108  f.),  in  der  M.  den  Einfluss  der  französischen  Bühnensprache 
auf  die  Goethes  festzustellen  sucht.  Gotters  „Merope"  soll  vor  allem  anregend  und 
vorbildlich  für  Goethes  ,,Iphigenie"  gewesen  sein.  Die  Beweise  dafür  aber  scheinen 
wieder  entweder  durch  den  Zufall  dargeboten,  z.  B.  die  nicht  einmal  wörtliche  XJeber- 
einstimmung  eines  Verses  der  ,, Merope"  mit  einem  des  ,,Elpenor",  oder  auf  gemeinsame 
antike  Muster  zurückzuführen.  Die  metrische  Form  der  ,, Merope",  die  M.  als  Zeugnis 
anführt,  spricht  dagegen,  denn  weshalb  hätte  der  Dichter,  wenn  er  sich  an  sie  anlehnte, 
die  Prosa  gewählt?  Wenn  M.  schliesslich  betont,  dass  Goethe  im  Gegensatz  zu  den 
früheren  Dramatikern  wieder  zu  den  Griechen  hinaufstieg,  so  bringt  er  dadurch  selbst 
den  bei  weitem  grössten  Teil  seiner  Darlegimgen  um  die  überzeugende  Wirkung  auf 
seine  Leser^S).  —  Auch  Gloede^^)  erklärt  „unwillig"  v.  636  als  ,,indignatus"  mit  Be- 
rufung auf  Aen.  XI,  828  und  XII,  951,  sowie  Met.  VII,  377.  Zu  v.  899  erinnert  er  an 
Caesars  Verhüllen  des  Hauptes  beim  Nahen  des  Brutus  und  deutet  es:  ohne  Gegenwehr 
(wehrlos),  also  auf  schmachvolle  Weise.  ^o-Ma)  —  Dass  ,,Iphigenie"  noch  immer  als  Schul- 
buch bei  uns  wie  im  Auslande  die  erste  Stelle  unter  allen  Goetheschen  Dramen  ein- 
nimmt, bezeugt  die  grosse  Anzahl  von  neu  erscheinenden  vnid  neu  aufgelegten  Aus- 
gaben ^2-55)  und  Uebersetzungen  56-58^^  unter  denen  sich  auch  eine  ungarische  ■'^^),  unseres 
Wissens  die  erste,  befindet.  —  Die  englisclie  Schulausgabe  der  „Iphigenie"  von  Buch- 
heim^'-'^)  ist  neu  aufgelegt  worden.  Auch  von  ihr  gilt  das  oben  (N.  45a)  über  den 
„Egmont"  desselben  Herausgebers  Gesagte;  kleinere  und  grössere  Versehen  sind  nicht 
selten,  z.  B.  dass  Goethe  die  erste  Bearbeitung  beschleunigt  habe,  um  das  Stück  zur  Eeier 
des  Geburtstags  der  Herzogin  Luise  am  6.  April  aufführen  zu  können. 

In  dem  zum  ersten  Mal  gedruckten  Briefe ^9^)  an  Knebel  vom  8.  Mai  1789 
äussert  Goethe:  „An  Tasso  muss  ich  nun,  es  koste  was  es  wolle."  —  W.  Buchner^O) 
giebt  richtige,  wenn  auch  nicht  sehr  tiefe  Bemerkungen  über  das  dichterische  Schaffen  im 
allgemeinen,  vergleicht  die  Charaktere  mit  den  historischen  Gestalten  und  zieht  massvolle 
Parallelen  mit  den  Goethe  nahestehenden  Persönlichkeiten.  Für  die  Gräfin  wird  die 
Marquise  Branconi  (nacli  Düntzer,  nicht  ohne  berechtigten  Zweifel),  daneben  eine  ganze 
Reihe  anderer  Frauen  genannt,  für  Antonio  auf  den  Grafen  Goertz,  Geheimrat  von  Edels- 
heim,  v.  Fritsch  verwiesen.  Merck  und  Herder  werden  abgelehnt.  In  der  Antonio- 
Frage  schliesst  sich  B.  an  K.  Fischer  an.  Der  glückliche  Tasso  ist  Goethe,  der  un- 
glückliche neben  Lenz,  PJessing,  Kraft,  Herder,  Knebel,  für  den  gut  auf  Karl  Augusts 
Brief  an  ihn  vom  4.  Okt.  1781  hingedeutet  wird,  vor  allem  der  historische  und  sagenhafte 
Tasso  selbst.  —  Ganz  wertlos  ist  die  Arbeit  von  Cornish^i),  der  auch  über  die  be- 
kanntesten Thatsachen  nicht  im  klaren  ist.  Der  Einfluss  von  F.  A.  Wolfs  Ideen  soll 
für  Goethe  die  italienische  Reise  so  fruchtbar  gemacht  haben,  der  „Tasso"  sei  während 
des  letzten  Teils  derselben  vollendet  worden.  —  Auf  ebenso  niedriger  Stufe  steht  eine 
zweite  englische  Arbeit  von  Tomlinson  62)^  die  dasselbe  Drama  behandelt.  —  Gnad^^^ 


T.  Goethes  Iphigenie:  VL6.  4,  S.  80—115.. —  48)  O  X  D-  Halpert,  Antikes  Element  in  Goethes  Iphigenie.  [—  Non  multa. 
Litterarische  Streiflichter.)  Breslau,  Zimmer.  |[MagdebZg.  N.  24  ]|  —  49)  P.  GlOde,  Zu  Goethes  Iphigenie:  ZDU.  5,  S.  53/4. 
(S.  JBL.  1890  IV  lle  :  26/7.)  —  50)  XX  E.  S  chunck,  Goethes  „Iphigenie  auf  Tauris"  u.  d.  gleichnamige  Euripidoische  StUck. 
Programm  d.  Gymnasium  Theodorianum  in  Paderborn.  Gymn.-Progr.  Paderborn,  Junfermann.  4".  28  S.  —  51)  X  K.  Engeion, 
Iphigenie  auf  Tauris.  Trier,  Stephanus.  1890.  |[Sühlen:  COlB.  S.  571.]|  —  51a)  O  Giist.  Sc  blosser,  Goeihe 
Iphigenie"  nach  ihrem  religiös-sittl.  Gehalte.  (=  Vortrage,  Gütersloh.  Bertelsmann.  III,  432  S.  M.  5.00.  —  521  X 
Goethe,  Iphigenie  auf  Tauris.  Für  d.  Zwecke  d.  Schule  erl.  u.  methodisch  bearb.  von  H.  Vockeradt.  Paderborn,  Schöiiingh. 
VIII,  174  S.  M.  1,36.  —  53)  X  Goethe,  Iphigenie  auf  Tauris.  Schulausg.  bearb.  von  L.  Sevin.  Mit  Anhang  „Iphigenie  bei 
d.  Tauriern"  von  Euripides.  2.  Aufl  Berlin,  Eeuther.  78  S.  M.  0,70  —  54)  Goethes  Iphigenie  auf  Tauris.  Her.  u.  bearb. 
von  G.  Hofmeister.  (=  Teubners  Sammlung  dtsch.  Dicht-  u.  Schriftwerke  f.  höh.  Töchterschulen.  18.  Bdchen.)  Leipzig, 
Teubner.  X,  67  S.  M.  0,60.  —  55)  X  J-  Schrammen,  Goethes  Iphigenie  auf  Tauris  erl.  in  106  Dispositionen,  verwendbar 
zu  Vortragen  u.  Aufsätzen.  (=  Erl.  zu  dtsch.  Klassikern  2.  Bdchen.)  Köln  u.  Leipzig,  Ahn.  VIII,  89  S.  M.  0,60.  —  56)  X 
Goethe,  Iphigenie  en  Tauride.  Texte  allemand,  publiö  avec  une  notice,  un  argument  analytique  et  des  notes  en  fran^ais  par 
B.  L6vy.  Nouv.  6d.  Paris,  Hachette.  160.  135  S.  —  57)  XX  Goethe  Iphigönie  en  Tauride,  drame  en  cinq  actes.  Avec  une 
introduction  et  des  notes  par  E.  Eicjuiez.  Paris,  Garnier  fr6res.  12".  VllI,  101  S.  —  58)  XX  Goethe,  Iphigenia  in  Tauride, 
trad.di  A. Maf  fei.  Firenze,  Le Monier  Succ.  —  59)  Goethe,  Iphigenia  Tauriban  forditotta  CsengeriJdnos.  Budapest,  Franklin- 
Gesellschaft.  1890.  86  S.  —  59a)  Goethe,  Iphigenie  auf  Tauris,  ed.with  engl. notes  by  C.  A.  Buehhoim.  New. ed.  (=  German  Classics  5.) 
Oxford,  Clarendon  Press.  1890.  XXXV, 168.  M..3,00.-  59b)  Goethes  Briefe.  Bd.  9  (s.  o.  IV9a:67)  S.lll.  -  60)  W.  Buchn  er,  Beitrr. 
z.  Erl.  V.  Goethes  Tasso.  JB.  d.  höh.  Mädchenschule.  Crofeld.  Kühler.  38  S.  |LM.  Koch  :  BFDU.  NF.  8,  S.  255.]j  —  61)  Cornish  , 
Torquato  Tasso  in  its  relations  to  Goetho's  Early  Life  at  Weimar  and  his  Italian  Journoy,  read  in  tho  Manchester  Goethe- 
Society  the  25.  November:  Ac.  40,  S.  507.  —  62)  C  Tomlinson,  A  Critical  examiuatiou  of  Goethes  Tasso:  PublEnglGoethe- 
Soc.  6,  S.  68—93,      |[M.  Koch:    BFDH.  NF,  8,  S,  256.]|    —   63)  S,  o,  N,  40,    -    64)  6,  A,  Hench,    Kuno  Fischer,  Goethes 


191  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  9e:  «»-78. 

erklärt  den  fragmentarischen  Abschlußs  aus  der  Entstehungsgeschichte.  In  Italien  soll 
der  Gegensatz  von  Weltmaiui  und  Dichter  verschwunden  sein,  an  die  Stelle  der  Ver- 
herrlichung des  träumerisclien  Idealismus  trat  die  sittliche  Besonneidieit  vnid  Selbst- 
besclu'änkung.  Auch  G.  findet  in  seiner,  zuerst  1885  ersciiienenen  Arbeit  die  von 
K.  Fischer  behauptete  Antinomie  der  ersten  beiden  und  der  letzten  Akte;  dagegen 
weiss  er  nichts  von  einer  späteren  Einführung  des  Antonio.  —  K.  Fischers  neue  Auf- 
stellungen haben  neben  vielfacher  Anerkennung'''*)  auch  Widerspruch  erfahren.  Kern***) 
findet  den  Hauptfehler  Fischers  in  der  verkehi*ten  Vorstellung  vom  Bau  des  Dramas. 
Kleine  Unklarheiten  und  Verschiebungen .  in  der  Inhaltsangabe  werden  stark  aufge- 
bauscht, K.  s])richt  Fischer  sogar  die  genaue  Kenntnis  der  Dichtung  ab.  Die  drama- 
tische Antinomie  leugnet  er,  hält  die  dafCir  angef(\hrten  Stellen  nicht  für  beweisend  und 
citiert  für  das  Gegenteil  v.  767 — 75,  1250,  (>  und  besonders  1)41/4.  Die  Worte  „den  ich 
gleichsam  jetzt  zum  ersten  mal  erblicke"  (v.  119G/7)  legt  K.  dahin  aus,  dass  Tasso 
jetzt  erst  Antonio  im  rechten  Lichte,  nämlich  mit  den  Augen  der  Prinzessin  sehe, 
lieber  die  stark  für  Fischers  Ansicht  sprechenden  Verse  1220/2  derselben  Scene  setzt 
sich  K.  etwas  zu  leicht  hinweg.  Aus  den  drei  letzten  Akten  nennt  er  zur  Unterstützung 
seiner  Meinung  v.  198G— 93,  2307—17,  2349—51,  2650/1,  2723,  3419-20  und  die 
Schlussworte.  K.  lässt  weder  die  alte  Gegnerschaft  Tassos  und  Antonios,  noch  Fischers 
Zweifel  an  der  Möglichkeit  gelten,  die  Freundschaft  der  beiden  Leonoren  mit  dem 
Charakter  der  Prinzessin  zu  vereinen.  Die  einzige  vorhandene  Unklarheit  habe  Fischer 
gerade  tibersehen,  dass  nämlich  jede  Andeutung  über  die  Beweggründe  der  Prinzessin 
zur  schnelleren  Rückkehr  nach  Ferrara  fehle.  K.  führt  die  Schwierigkeit  auf  ein  Ver- 
sehen des  Dichters  zurück,  was  ihm  dadurch  noch  wahrscheinlicher  wird,  dass  die 
letzten  vierzehn  Verse  von  V,l  auf  einem  besonderen  Blatte  nachträglich  hinzugefügt 
wurden,  um  die  ursprünglich  unerklärt  gebliebene  veränderte  Situation  aufzuhellen. 
Dass  hier  der  Herzog  dem  Antonio,  den  er  dringend  in  Ferrara  braucht,  die  Sorge  für 
Tasso  überträgt,  ist  von  seinem  Standpunkte  unbegreiflich,  nur  von  dem  des  dramati- 
schen Dichters  zu  erklären,  der  die  Schlussscene  ermöglichen  wollte.  —  E.  Reichel  ^) 
besitzt  nicht  die  Fähigkeit,  sich  in  die  hohe  Gefühls-  und  Denkweise  des  Dramas  zu 
versetzen.  Was  er  bietet,  ist  neu  nur,  weil  kein  Früherer  das  Drama  unter  einem  so 
niedrigen  Gesichtspunkt  betrachtet  hat.  —  Ueber  die  erste  Tasso-AufFülirung  in  Berlin 
am  25.  Nov.  1811  berichtet  nach  Franzos'  ß^-cs)  Mitteilung  Friederike  Bethmann  in 
einem  Briefe  vom  nächsten  Tage  an  Goethe.  Sie  charakterisiert  die  einzelnen  Darsteller 
und  giebt  eine  ausführliche  Beschreibung  ihrer  Kostüme.  Die  Beifallsbezeugungen  sind  häufig 
gewesen.  — 

Düntzer®^)  behandelt  ausführlich  die  von  Zarncke  im  9.  Band  des  Goethe- 
Jahrbuchs  veröifentlichten  Fragmente  des  „Befreiten  Prometheus"  und  vertritt  gegen 
Zarncke  den  Satz,  dass  Goethe  schon  vor  der  Bekanntschaft  mit  W.  v.  Humboldt  eine 
eingehendere  Kenntnis  der  griechischen  Tragiker  besessen  habe;  sorgfältig  stellt  er  die 
Nachrichten  über  Goethes  Beschäftigung  mit  ihnen  und  die  Anfänge  des  Dramas  im 
Stile  des  Aeschylus  zusammen,  das  von  Zarncke  bereits  mit  genügender  Vollständigkeit 
Angefülu-te  genauer  belegend.  Nach  D.  beginnt  der  Chor  das  Stück.  In  v.  2  vermutet 
er  „umflutet"  statt  „umflossen",  in  v.  7  recht  müssig  „Tiefinn".  Scharfsinnig  bestimmt 
er  Tageszeit  und  Lokalität  des  Stückes,  künstlich  erklärter  die  Erwähnung  des  „Ades" ; 
seine  Annahme,  dass  Prometheus  nach  dem  Chorlied  mit  dem  ungeheuren  Felsen,  an 
den  er  geschmiedet  ist,  aus  dem  Boden  steige,  ist  für  ein  griechisches  Theater,  das 
Goethe  hier  sicher  vorschwebte,  unmöglich.  Mit  Recht  weist  D.  die  letzten  Verse  dem 
Hermes,  nicht  wie  Zarncke  dem  Apollon,  zu.  Den  weiteren  Verlauf  des  Stückes 
skizziert  er  auf  Grund  des  „Gefesselten  Prometheus";  es  fehlt  aber  jedes  sichere  Zeugnis, 
dass  Goethe  wirklich  eine  solche  Fortsetzung  geplant  hat.  Endlich  bekämpft  er  Roberts 
Hinweis  auf  Hygin  als  Goethes  Quelle.  — 

„Mahomet"  und  „Tankred"  sind  von  Otto  Ho  ff  man  n'^)  herausgegeben 
worden.  Ueber  die  geringfügigen  Verbesserungen  auf  Grund  der  früheren  Drucke  und 
des  französischen  Originals  (Hss.  sind  niciit  vorhanden)  hat  H.  selbst  Goethejahrbuch  13, 
S.  264  berichtet.  —  A.  Köster  'i)  stellt  Gotters  „Merope"  als  Vorbild  von  Goethes  Ueber- 
setzungen  französischer  Dramen  hin.  Sie  sind  veranlasst  durch  die  Vorliebe  des  Wei- 
marer Hofes  für  die  französische  Dichtung,  direkt  angeregt  durch  Humboldts  Brief  vom 
August  1799.  Wie  bei  Gotter  sind  auch  bei  Goethe  die  Alexandriner  durch  fünflFüssige 
Jamben  wiedergegeben,  unter  die  sich  aber  bosondei-s  im  Anfang  hier  und  da  scchs- 
füssige  mischen.  Der  Parallellismus  der  Aloxandrinerhälften  wird  oft  glücklich  nach- 
geahmt, bald  mit  Hilfe  der  klingenden  Cäsur,  bald  durch  Zerlegung  in  zwei  Fünifüssler. 


Tasso:  MLN.  6,  S.  l]G|9.  —  65)  F.  Kern,  Goethes  Tasso  u.  Kuiio  Fischer:  VZ^^g.  N.  40  1.  (S.  JBL.  1890  lY  lle  :  ?8a.) 
—  66)  E.  K  eiche  1,  Neue  Gesichtspunkte  fllr  .1.  Beurteilung  d.  Torquato  Tasso:  HambNachrR.  N.  47  a  (N.  48  0-)  — 
67  8)  (IV  9h  :  10.)  —  69.1  S.  o.  N.  3.  -  70)  S.  o.  N.  2.  —  71)  S.  o.  N.  44  i^S.  237  ff.)  -  72)  S.  o.  N.  3.  -    73)  S.  o.  N.  2.  — 


IV  9e:  ;4-75.  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  192 

Das  Pathetische  ist  vermindert,  die  Sprache  vereinfacht,  die  Wärme  des  Ausdrucks 
und  die  Lebendigkeit  des  Dialogs  erhöht.  Am  meisten  verbessert  ist  die  Ermordungsscene 
im  ,,Mahomet"  (IV,  4),  in  der  K.  Einflüsse  von  „Macbeth"  und  Goethes  eigener  „Iphigenie" 
nachweist.  Aber  trotzdem  ist  Goethe  immer  in  den  Grenzen  des  Uebersetzens  geblieben, 
nirgends,  wie  Schiller  vorschlug,  zu  einer  freien  Bearbeitung  fortgeschritten.  Nur  in 
der  Charakteristik  der  Personen  hat  er  dem  deutschen  Gefühl  und  dem  Ton  der 
deutschen  Bühne  Zugeständnisse  gemacht.  Mit  etwas  grösserer  Freiheit  als  bei  ,,Maho- 
met"  verfuhr  Goethe  bei  „Tankred".  Seine  Absicht,  die  einzelnen  Akte  durch  Chöre 
zu  verbinden,  konnte  er  aus  Mangel  an  Zeit. nicht  ausführen.  — 

Eür  die  ,, Natürliche  Tochter"  weist  Düntzer  "'-)  darauf  hin,  aus  der  Be- 
zeichnung „Zimmer  des  ersten  Aktes"  (S.  445,  15)  gehe  hervor,  dass  ursprünglich 
wenigstens  ein  Teil  des  ersten  Akts  im  königlichen  Schlosse  spielte,  und  vermutet,  dass 
der  jetzige  Anfang  des  Stückes  erst  später  hinzugefügt  sei.  Alles  der  Entführung 
Vorausgehende  musste  nach  dem  frühesten  Plan  in  den  ersten  Akt  fallen.  In  dem  aus- 
geführten Schema  ist  die  V  (von  S.  449,  100  an)  von  Goethe  irrtümlich  statt  IV  ge- 
schrieben. Im  fünften  Aufzug  wäre  wohl  bei  der  Ausführung  kaum  das  Gefängnis  bei- 
behalten worden.  Ohne  genügende  Begründung  nimmt  D.  an,  dass  den  Schluss  der  Sieg  des 
Königtums  und  die  Lossagung  Stephanies  von  ihrem  Gatten  bilden  sollte.  Ebensowenig 
haltbar  ist  die  Vermutung,  dass .  den  vorhandenen  Scenarien  der  Gedanke  an  eine  Fort- 
setzung in  zwei  Stücken  von  je  zwei  und  di-ei  Aufzügen  zu  Grunde  liege.  Abgesehen 
von  dem  unschönen  Eindruck,  den  ein  so  ungleicher  Umfang  der  drei  Stücke  der  Tri- 
logie  hervorbringen  müsste,  ist  gar  nicht  einzusehen,  weshalb  Goethe,  wenn  mit  fünf 
weiteren  Aufzügen  auszukommen  war,  diese  auf  zwei  Stücke  hätte  verteilen  sollen. 
Vielmehr  muss  man  bei  der  Meinung  der  Weimarer  Ausgabe  stehen  bleiben,  dass  diese 
Entwürfe  einem  früheren  Stadium  der  Ausgestaltung  angehören,  als  dasjenige  ist,  welches 
in  den  Annalen  1803  beschrieben  wurde.  Wie  vorher  aus  dem  ursprünglichen  ersten 
und  zweiten  Aufzug  ein  ganzes  Drama  gestaltet  wurde,  so  konnte  Goethe,  wollte  er 
die  breite  Behandlungsart  des  Anfangs  beibehalten,  nicht  die  Eülle  der  weiteren  Er- 
eignisse in  drei  Akte  zusammendrängen.  Die  notwendige  Aenderung  der  Herausgeber 
in  V.  2831  greift  D.  an,  ohne  zu  berücksichtigen,  dass  der  Geist  doch  nicht  als  König 
und  als  Vater  bezeichnet  werden  kann.  — 

„Romeo  und  Julia"  erscheint  zum  erstenmal  in  Goethes  Werken,  von 
Wähle  ''^)  bearbeitet.  Die  Anregung  zu  Goethes  Arbeit  ging  von  P.  A.  Wolf  aus,  wie 
ein  Brief  desselben  an  Rühle  von  Lilienkron  beweist.  Eine  Reihe  von  Zeugnissen  thut 
dar,  dass  die  Bearbeitung  in  der  Hauptsache  von  Goethe  stammt;  später  hat  Riemer 
Nachträge  und  Zusätze  in  der  Hs.  bewii'kt,  die  in  den  Text  der  Ausgabe  aufgenommen 
worden  sind.  Goethe  war  anfangs  gegen  den  Druck  (an  Cotta  21.  Dez.  1812),  scheint 
aber  nachher  seine  Ansicht  geändert  zu  haben.  — 

,,Die  Wette"  hat  ebenfalls  Wähle  '*)  herausgegeben.  Er  konnte  auf  Grund 
der  von  Goethe  durchkorrigierten  Originalhs.  einige  Versehen  des  bisher  iiblichen  Textes 
verbessern.  — 

Höchst  unerfreulich  ist  der  Eindruck,  den  der  grösste  Teil  der  Faust- 
Litteratur  hervorruft;  denn  neben  dem  Bedauern  über  nutzlose  Verschwendung  geistiger 
Kraft  regt  sich  der  Unwille,  wenn  man  sieht,  wie  unsere  grösste  Dichtung  zu  müssigem 
Spiel  flacher  Spekulation  und  philologischen  Sports  missbra;icht  wird.  Dankbar  ist  auch 
die  kleinste  Gabe  zu  begrüssen,  durch  die  unsere  Erkenntnis  der  grossen  rätselreichen 
Dichtung  und  ihrer  Geschichte  vermehrt  wird:  aber  wie  selten  entdeckt  man  unter  der 
Menge  des  Nichtigen  etwas  wirklich  Förderndes.  Auf  der  einen  Seite  wird  mit  unver- 
mindertem Eifer  trotz  Goethes  ausdrücklicher  Ablehnung  das  Suchen  nach  der  „Idee" 
des  Werkes  fortgesetzt,  auf  der  andern  übt  sich  der  Scharfsinn  an  der  Zerlegung  des 
Ganzen  in  kleine  Teilchen,  gestützt  auf  das  blinde  Vertrauen  zu  einer  alleinseligmachenden 
Methode.  Der  Grund  aller  dieser  vergeblichen  Anstrengungen  liegt  in  der  Unklarheit, 
die  noch  bei  so  vielen  über  die  Aufgaben  und  die  Wege  der  Faustforschung  im  all- 
gemeinen waltet.  Man  möchte  allen,  die  über  den  ,, Faust"  arbeiten,  EJrich  Schmidts  ''^) 
vortreffliche  Rede  über  dieses  Thema  in  die  Hand  geben,  und  es  ist  nur  zu  bedauern, 
dass  die  tiefen  und  feinen  Gedanken,  die  sie  ausspricht,  mit  Rücksicht  auf  die  gelehrte 
Versammlung,  vor  der  sie  gehalten  wurde,  in  einer  Form  dargeboten  werden,  die  sie 
den  meisten  schwer  zugänglich  macht.  Nach  einer  kurzen  Uebersicht  über  die  früheren 
Versuche,  das  Werk  philosophisch  und  philologisch  zu  erklären,  bezeichnet  S.  als  die 
Aufgabe  der  Faustforschung:  von  der  Ueberlieferung  ausgehend  Werden,  Inhalt,  Form, 
Absicht  und  Gestaltung  der  Dichtung  zu  erfassen.  Die  Bezeichnung  „Faiistphilologie" 
weist  nicht  auf  einseitiges  Kleben  am  Worte  und  Kleinki-ämerei   hin,    sie    schliesst    die 


74)  S.  0.  N.  2.    —    75)  Erich  Schmidt,  Aufgaben    u.  Wege   d.     „Faust-Philogie".      Vortr  ,    geh.    am  20.  Mai    in  der  Vers, 
dtsoh.  Philologen  u.  Schulmänner  zu  München:    AZgB.  N.  119,  S.  l-ö.     |[Hammer:  ZGymn.  NF.  25,  S.  585/8.]|     (Auch  in  d. 


193  G.  Witkowski,  Goethes  Praina,  IV  9e:  7«-79. 

philosophische  Betrachtungsweise  nicht  aus.  Die  Lachmannsche  Methode  hat,  auf  den 
„Faust"  mit  kritischen  Mitteln  angewandt,  nicht  zu  so  gesicherten  Ergebnissen  geführt, 
wie  man  wohl  glaubt.  Die  „nesciendi  ars  et  scientia"  muss  dem  Fragmentarischen  gegen- 
iiber  geübt  werden,  damit  man  niciit  die  eigene  Einbildung  dem  Dichter  unterschiebe. 
Eine  völlige  Einheit  des  Gedichts  ist  nicht  zu  konstruieren,  sie  liegt  nur  in  ,der  Einheit 
des  Dichters.  Man  soll  das  Einigende  statt  der  Widersprüche  aufzudecken  suchen; 
aber  statt  dessen  ist  eine  jugendlich  genial  geschaffene  Skizze  allmälig  zu  einem  Mosaik 
aus  Stiftchen  verschiedener  Zeit  und  verschiedenen  Schliffs  gemacht  worden-  Die 
Parallelstellen  beruhen  oft  auf  rein  zufälligem  Zusammentreffen,  bestimmte  Urquellen 
(Bibel,  ,, Hamlet",  Swedenborg)  fliessen  durch  Goethes  ganzes  Leben  und  Dichten;  Ge- 
danken inid  Motive  können  in  verschiedenen  Epochen  wiederkehren.  Analoge  Situationen 
geben  analoge  Wendungen  an  die  Hand.  Goethes  Gedächtnis  ist  kein  „weitlöcheriges 
Sieb"  gewesen,  er  braucht  z.  B.  für  den  Spaziergang  vor  dem  Thore  nicht  erst  serae 
Erinnerung  an  die  Umgegend  der  Vaterstadt  1797  aufgefrischt  zu  haben.  Am  bedenk- 
lichsten sind  die  Versuche,  für  ganze  Scenen  bestimmte  Quellen  nachzuweisen,  die 
Stimmung  der  Zeit  im  allgemeinen  ist  da  zu  befragen.  Die  Stilkritik  ist  das  Werkzeug 
der  Chronologie;  aber  man  darf  dem  Dichter  damit  nicht  Gewalt  anthun,  wie  Scherer 
in  seiner  Analyse  des  ersten  Monologs.  Warum  sollte  Goethe  nicht  zwei  Gefühls-  und 
Stilwelten  an  einem  Tage  umfasst  haben?  Um  Kriterien  des  Sprachgebrauchs  und  der 
Metrik  richtig  zu  verwenden,  fehlt  es  uns  für  das  18.  Jh.  an  Hilfsmitteln.  Es  wird 
allzu  schroff  periodisiert.  Weder  kann  der  Jugendstil  für  das  Jahr  1800  ausgeschlossen, 
noch  eine  Scheidung  der  Jahre  1773,  1774  und  1775  vorgenommen  werden.  Die  Hypo- 
these des  Prosa-Faust  ist  eingeschlummert  (auch  Minor'ö)  spricht  jetzt  von  dem 
„leidigen  Prosa-Faust").  Der  Urfaust  stammt  aus  der  vorweimarischen  Zeit,  ist  nicht 
aus  der  flir  die  Herzogin-Mutter  angelegten  Sammlung  hervorgegangen,  die  nur  vor- 
weimarische  Werke  enthält.  Zuzugeben  ist,  dass  der  Göchhausen  nicht  alles  vorhandene 
Material  vorgelegen  hat  und  dass  selbstverständlich  die  Verbindung  mit  Mephisto  und 
der  Zweikampf  mit  Valentin  mindestens  in  Gedanken  entworfen  war,  aber  fertige  und 
halbfertige  Scenen  müssten  doch  in  der  Kopie  zu  finden  sein.  Die  Folge  der  Gretchen- 
Scenen  greift  wie  die  Glieder  einer  Kette  in  einander,  das  späteste  sind  jedoch  die 
lyrischen  Monologe  Gretchens.  Für  ihre  Chronologie  helfen  mehr  als  die  exakten  Daten 
aus  Goethes  Leben  die  Werther-Stimmung  und  die  Episode  des  armen  Mädchens  (in 
dem  Briefe  vom  12.  Aug.  1771).  In  Rom  sind  „Hexenküche"  und  der  Monolog  „Er- 
habener Geist"  hinzugekommen,  beide  aus  Goethes  italienischeji  Erfahrungen  hervor- 
gegangen: im  ersten  das  Motiv  der  Verjüngung,  Helena  im  Zauberspiegel,  im  zweiten 
die  beruhigte  Erkenntnis.  Die  Prosa  „Grosser  herrlicher  Geist"  sollte  getilgt  werden. 
Mit  den  Worten  „Nach  jenem  schönen  Bild"  ist  die  Hexenküche  gemeint,  auf  die  der 
Monolog  ursprünglich  folgen  sollte,  noch  ohne  Gretchen.  Der  folgende  Dialog  ist  im 
Anschluss  daran  in  Weimar  gedichtet.  Darin  beziehen  sich  V.  3294/6  auf  die  Prüderie, 
die  sich  neuerdings  gegen  Egmonts  Clärchen  Luft  gemacht  hatte.  Später  hat  Goethe 
den  Plan  geändert,  Einfügung  in  die  Gretchen-Scenen  beschlossen  und  sehr  kühn  den 
Dialog  Mephisto-Faust  (ursprünglich  nach  dem  Monolog  Valentins)  durch  ein  neues 
Mittelstück  damit  verbunden.  1790  erscheint  diese  disparate  Masse  nach  der  Brunnen- 
scene  (da  ist  aber  Mephistos  Kuppelei  überflüssig),  1808  vor  „Meine  Ruh'  ist  hin" 
wegen  der  von  Mephisto  bereits  umschriebenen  Stimmung,  aber  es  sind  doch  Wider- 
sprüche geblieben.  —  Auf  die  Ankündigung  von  Schmidts  Vortrag  hin  wurde  das  prak- 
tisch erfundene  Wort  „Faustphilologie"  mit  absichtlicher  Missdeutung  ins  Anmaasende 
im  üblichen  Grenzbotenstil  verspottet''').  —  Mustern  wir  nun  zuerst  die  Schar  der 
,.Sinnhuber".  Gnad ''8)  identifiziert  Gretchen  äusserlich  unmittelbar  mit  der  Frankfurter 
Jugendliebe,  innerlich  vor  allem  mit  Friederike.  Der  Antrieb  zur  Faustdichtung  lag  in 
der  Unzugänglichkeit  (?)  alles  menschlichen  Wissens  und  Strebens.  Die  bekannte  letzte 
Aeusserung  zu  W.  von  Humboldt  über  das  Alter  der  Conception  führt  G.  auf  unklare 
Erinnerung  des  Greises  zurück;  denn  Goethe  hätte  die  Gretchenepisode  nicht  zur  selb- 
ständigen Ti-agödie  heranwachsen  lassen,  wenn  er  schon  mehr  als  eine  dunkle  Ahnung 
gehabt  hätte,  dass  er  in  die  Faustsäge  den  ganzen  Lihalt  seines  inneren  und  ätisseren 
Lebens  für  die  Nachwelt  niederlegen  werde!  Von  Anfang  an  musste  dem  Dichter  nur 
klar  sein,  dass  Faust  nicht  in  der  Hölle  enden  konnte.  Das  Faustproblem  war  nicht 
zu  lösen,  weil  Goethe  die  Lösung  aus  sehiem  eigenen  Bildungsgange  zu  finden  suchte. 
Falsch  ist  G.s  Ansicht,  dass  Goethe  beim  ersten  Teil  unzweifelhaft  praktische  Bühnen- 
effekte im  Auge  gehabt  habe.  —  Andrews  ''")  glaubt  den  Schlüssel,  den  die  gelehrten 
Kommentare,  ausgehend  von  der  Legende  des  fünfzehnten  (!)  Jh.  nicht  hätten  finden 
können,  in  Goethes  Leben  und  Denken  und  den  Beziehungen  der   Dichtung    dazu    ent- 


Berichteu  d.  41.  Philologenversamml.  S.  11—22.)    —    76)  J.  Minor,    Erlauterungsschriften    xa  d.  dUeh.  Klassikern:  ZOG.  42, 

8.  218—28.    (Bes.  S.  220.)  -  77)  Z.  neuen  Faustphilologie :  Grenib.  50,  U,  S.  234  8     -    78)  S.  o.  N.  40.    —   79)  W.  P.  An- 

Jahresberiohte  fltr  neuere  deotaohe  Litteraturgeschichte  II  (•'),  13 


IV  9e:  fto-s:v  Cr.  Witkowski,   Goethes  Drama.  194 

fleckt  zu  liaben.     Die  Faust-Legenrle  ist  nach  A.  Goethe  mir  das,    was    dem    Maler  die 
Palette,  dem  Bildhauer  der  Stein  ist.     Das  Thema    des    Stückes    kann    die    Jagd    nach 
dem  Glück  genannt  werden,  das  in  Wahrheit  im  Leben,    nicht    im    Empfangen,  besteht, 
in  „schaffender  Freude''.     Das  Vorspiel  auf  dem  Theater  stellt    das    Ziel    der  Dichtung 
fest,  der  Prolog  im  Himmel  zeigt  als  eigentlichen  Helden  den  Herrn,    der    als  Erschaf- 
fender gefeiert  wird  wie  im  „Mahomet".     Im  Gesang  der  Erzengel  wird  als  Gegenstand 
des  Dramas  der  Kampf  von  Licht  und  Finsternis  angekündigt.     Dieses  Drama  lässt  der 
Poet,  vom  Direktor  gezwungen,  sich    abspielen    als    ein    gewöhnliches    Melodrama,    die 
Geschichte  eines  unmöglichen  Zauberers  und  eines   harmlosen    Mädchens,    während    der 
wahre  Held  der  Schaffensdrang,  die  wahre  Heldin  die  unschuldige  Liebe    im    höchsten 
Sinne  ist.     Trotzdem  zeigt  auch  dieser  etwas  geti'übte  Spiegel  des  ersten  Teils    die  be- 
freiende Macht  des  Ewig-Weiblichen,    durch    das    der    Schaffensdrang    in    uns  geweckt 
wird.     Die  Parallelen  mit  Goethes  Leben  und  seinen  übrigen  Aeusserungen  werden  mit 
guter  Kenntnis  der  Werke,  besonders  des  „Meister"  und  der  „Sprüche  in  Prosa"  durch 
den  ganzen  „Faust"  verfolgt,  indessen  läuft  dabei  manches  durchaus  Falsche  mit  unter. 
ITeberall  spürt  A.  tiefere  Beziehungen  auf,    im    Refrain    des    Rattenliedes    z.  B.    hat    er 
entdeckt,  dass  darin  die  erste  Andeutung  der  herannahenden  Tragödie,  ein  Hinweis  auf 
die  grauenvolle  Heiterkeit  der  schwatzenden  Mädchen  am  Brunnen    zu  finden  sei !     Der 
Kaiser    im  Flammen gaukelspiel    wird    gedeutet    als    die    Autorität,    die    sich    gegen    die 
Mächte  des  Aufruhrs  behauptet,    —    man  sieht,   wir  haben  hier  einen  englischen,  etwas 
zahmeren    Louvier.     —     Ebenso      „tiefsinnig"     ist     eine     andere     englische     Fauster- 
klärung von  M.  Kaufmann  ^^),   der  die  Dichtung    als    die  dramatische  Darstellung  der 
Anschauungen  des  19.  Jh.  ansieht.     Zu  dem  Grundgedanken  der  individuellen  Freiheit, 
den  schon  das  alte  Faustbuch    als    Ausdruck    des    Protestantismus    zeigt,    hat    Goethes 
Dichtung    neu    die    evolutionistische    Entwicklung     des    Charakters    durch    den    Natur- 
prozess  der  Selbstbildung  hinzugefügt.     K.  vergleicht  Faust  mit  Hiob,  Prometheus,  der 
„Göttlichen  Komödie",  „Hamlet"    (Polonius-Mephisto,  Ophelia-Gretchen,   Horatio-Valen- 
tin!).    —    Nicht    weniger    absurd    als    diese    beiden    Ausländer    geberdet   sich  ein  neuer 
deutscher    Erkläi'er    unter    dem    Pseudonym    Humanus  ^*).     Auch    er    will    die    ganze 
Dichtung  symbolisch-allegorisch  auffassen.    Mephisto  entspricht  nach  ihm  nicht  dem  Teufel 
der    Sage,    in    der    überhaupt    nicht  die  Wurzeln  von  Goethes  Dichtung  zu  suchen  sein 
sollen:    sie    liegen    vielmehr    in    Shakespeares  „Sturm"  und  „Hamlet".     Faust  geht  von 
dem  Punkte  aus,  an  dem  Hamlet  stehen    blieb.      In    der    Entwicklung    des    Menschen- 
geistes   stellt    die    griechische    Tragödie  die  erste  Hauptphase    dar :    Natur  schlechthin ; 
Shakespeares   Dichtung     die    zweite:     Abfall    von    der   Natur  (!);  Goethes    „Faust"    die 
dritte:    Rückkehr    zur   Natur.     Die    Faustdichtung    ist    eine    Darlegung    der    bewussten 
psychischen  Entwicklung,  des  geistigen  Werdens  des  Menschen  auf  Grund  des  eigenen 
Lebens  des  Dichters,  und  diese  geistige  Entwicklung    stellt    H.    nun    im    Anschluss    an 
den  „einzigen  wahren    Philosophen  der    Neuzeit",  A.  Spir,  dar.     Sie  vollzieht  sich  nach 
dem  Schema  Hingabe.  Verinnerung  und  Verleiblichung,  und  zwar  im  „Faust"  sechsmal. 
Die  beiden  Seelen  erklärt  H.  als  den  Verstand  und  das  Gefühl,  zugleich  bedeutet  auch 
der  Pudel  und  schliesslich  Mephisto    den  Verstand.     Die    Hexenküche    ist    das    Geistige 
im  Menschen,  der  Spiegel  die  Vorstellung,  der  Trank  die  Poesie,  die  Hexe  das  Wissen 
und  Schauen.     Der  Sumpf  im  fünften  Akt    des    zweiten  Teils  weist  auf  das  Innere  des 
Menschen  hin,  der  faule  Pfuhl  ist  der  Egoismus,    aber  das  Höchste,    wie  er  abzuziehen 
sei,  enthüllt  uns  die  Dichtung  nicht.     Das  sind  nur  einige  Proben  des  hier  entwickelten 
Unsinns.  —  Von  erquickender  Freude  am   eigenen    Beruf   durchweht    ist    die    Festrede 
G.  Haucks^-j.     Goethe  lässt  seinen  Faust  schliesslich  Ingenieur  werden,  stellt  also  den 
Technikerberuf   als   den   schönsten  dar.     Faust  frevelt,  da  er  die  Gottähnlichkeit  in  der 
Erkenntnis    beansprucht,    er    vermag  jedoch    sich    zur    göttlichen    Schöpferkraft    aufzu- 
schwingen kraft  der  von  Gott  stammenden  Willenskraft    und  Willensfreiheit.     Der  Ide- 
alismus der  Gegenwart  ist  der  Idealismus  der  That;  seine  Verkündig\ing  ist  der  „Faust". 
Dem  Helden  ist  allerdings  die  volle  Schönheit    des    Ingenieurberufs    nicht  aufgegangen, 
weil  er  das  Geleistete  der  Geisterhilfe,  nicht  der  eigenen  Kraft  verdankt.  —  W.  Kühn  ^j 
glaubt  eine  neue  vierte  Erklärungsart  neben    den    drei  angeblich  vorhandenen  gefunden 
zu  haben,  dass  nämlich  die  Dichtung  weiter    nichts    darstellt,    als    das    Leben    Goethes 
selbst.     So  bedeutet    ihm    der    erste  Monolog  Fausts  die  Zeit  der  Krönung  Josephs  IL 
und  Goethes  damaliiien  Seelenzustand;    der    Erdgeist    die    beim   Eintreten  der  Pubertät 


drewB,  Uoetltes  Key  to  Kaust:  Atlautic  Monllily  «7,  S.  538—46,  676—87,  820—38.  —  80)  M.  Kaufmann,  Goethes  Faust  aiid 
modern  thonght:  ScottisU  Review  18,  S.  143—74.  —  81)  Huraanug,  D.  naturgemässe  Entwicklung  d.  Menschen  u.  Goethes 
Faust.  E.  neue  WUrdigunt?  d.  Faustdichtung.  Leii.iig,  Findol.  140  S.  M.  2,00.  |[W.  v.]  B[  ie]d  [e  J  r[  man  ]  n  :  LZg«.  S.  537  ; 
A.  n.:  MJ-.  HO,  S.  3:^0;  h.  Frllnkel:  BLU.  S.  3l5;  M.  Koch:  BFDH.  NF.  8,  S.  268.1|  -  82)  O.  Hauck,  Technikers  Faust- 
ErklUrung.  Festrede  geli.  bei  d.  Schiukelleier  d.  Arciiitekten-Vereins  in  Berlin  am  13.  Mürz  1891.  S.-A.  aus  d.  CBI.  d.  Bau- 
verwaltung. Berlin,  Ernst  i  Sohn.  14  8.  M.  0,50.  |tBLU.  S.  601/2.]|  —  83)  W.  Kuhn,  Goethes  Leben  u.  sein  Kaust.  E. 
Intnrsuchung.  Berlin,  Mayur  i  MUller.  32  S.  M.  0,80.  i[H.  S  :  Oesellschart  8.  .'V79  (gUnstig)    J.Zg".  S.  116;  H.    Lfibner:  BLU. 


195  G.  Witkowski,  Goethes  Drama,  TV  öe:  84-m. 

sich  zeigenden  Erscheinungen;    Wagner    Goethes    späteren    Hofmeister;    die  Walpurgis- 
nacht entspricht  der  Zeit  des  ecliten  Sturmes  und  Dranges  usw.     Was  sich  nicht  dieser 
Ausdeutung  fügen  will,    wie    die    ganze  Gretchentragödie,    wird    durch  das  dramatische 
Bedürfniss  oder  dadurch  erklärt,  dass  der  Dicliter  sich  von  dem  Stoffe  habe  fortreissen 
lassen.     An  den  zweiten  Teil  geht  K.    nur,    um    „die  meist  recht  schalen  Allegorien  in 
ihrer  ganzen  Nacktheit  zu  zeigen".     Mutig    führt   er    seine    Parallelen  fort:    Vorsuiel  — 
Schweizerreise;    Kaiser  •=- Karl  August,    Baccalaureus -=  derselbe;    Chiron  ==  Tischbein; 
Manto  —  Angelika  Kaufmann ;    Helena  =  Schiller.     So    fügt   sich  bis  auf  Philemon  und 
Baucis  alles  aufs  beste.     Als  Zugabe  versucht  K.  noch    eine    Erklärung    des    „Wilhelm 
Meister"  nach  derselben  Methode.    —    Hoch    über    den   bisher  besprochenen  Versuchen 
steht    eine  Arbeit  Valentins  ^*),    der    ebenfalls    eine    Gesamterklärung    der    Dichtung 
liefern  will.     Seit  den  neunziger  Jahren  wird  der    „Faust"    für  Goethe    das  Mittel,    das 
im  „Wilhelm  Meister"  bereits  dichterisch  behandelte  Problem  der  Erziehung    des  Men- 
schen nun  in  einem  höheren,  Schillerschen  Sinne  zu    behandeln.      Im    Urfaust    standen 
zwei  Motive  unverbunden    nebeneinander:    Sehnsucht    nach    der    Natur    und    ihrer    Er- 
kenntnis und  das  tragische  Schicksal  Gretchens.     Darin  findet  nun  Goethe  die  Elemente 
für  die  Lösung  der  neuen  Aufgabe  und  in  der  Wette    den    „poetischen  Reif',    der    die 
Masse  zusammenhält.     Die  Einheit  des  Kunstwerks,    in    dem    notwendigen    inneren  Zu- 
sammenhang aller  einzelnen  Teile  beruhend,  ist  trotz  der  scheinbaren  Widersprüche  zu 
erkennen.     Besonders  schwierig  ist  die  Bedeutung  der  „klassischen  Walpurgisnacht"  für 
das  Ganze  zu  bestimmen.     Die  Triebkraft  des  dramatischen    Fortgangs    im    „Faust"  be- 
steht in  dem  Suchen  nach  völliger  Befriedigung  auf  allen  Seiten  der  Materie.     Mephisto 
und  Faust  unternehmen  dies  ihren  Charakteren  gemäss  in  durchaus  verschiedener  Weise, 
und  es  entsteht  das  Problem,  welcher  von  beiden  den    andern    in    seine  Wege  zwingen 
werde.     Bis  zum  Kaiserhofe  hat  Mephisto  die  Führung,    von  da  an  wird  er  zum  unter- 
geordneten Helfer.     Er  weiss    kein    neues    Gebiet    mehir    für    seine    Versuche,    aber    es 
bleibt  die  Frage,  ob  Faust  nicht    in  einer    früheren    Epoche    die    gesuchte    völlige    Be- 
friedigung hätte  finden  können.     So  greift  Goethe  die  Zeit    und    das    Land   heraus,  das 
am  ersten  volles  Genügen  gewähren  möchte,    das    klassische  Griechentum.     Helena  soll 
mit  Faust  körperlich  vereinigt  werden;   um    sie  wieder    entstehen    zu    lassen,    wird    der 
Homunculus,   ein  neutraler  Lebenskeim,  geschaffen,   der,    nachdem  er  in  der  klassischen 
Walpurgisnacht  bewusst  sein  Ziel,  real  zu  werden,  gesucht  hat,    im  W^asser    den   Urbe- 
ginn  des  Daseins  erkennt  und  sich  ins  Meer  ergiesst,    um    dort  den  Ausgangspunkt  für 
ein  wirldiches  Dasein  zu  finden.     Die  Wirkung    davon    zeigt    die    Erscheinung  Helenas 
im  dritten  Akt.     Auch  in  der  Verbindung  mit  ihr  findet  Faust  die  völlige  Befriedigung 
nicht,  Vergangenheit  und  Gegenwart  haben  sie  also  nicht  geboten,    sie    ist    in    der  Zu- 
kvuift  zu  suchen.     Auch  das  letzte  Bemülien,  eine  ganz  neue  Welt  zu  gewinnen,    miss- 
lingt,  weil  die  Magie  ihre  Hilfe    dazu    leiht,    und    Faust    kehrt    zur    Natur,    zur    reinen 
Menschheit  zurück,  indem  die  Sorge  sich  zu  ihm  gesellt.     Li  diesem  Stadium    sieht    er 
den  Zustand  der  Befriedigung    ahnend    vor    sich;    diese    Ahnung    hat    er    durch    eigene 
Kraft  und  eigene  Phantasie  gewonnen.     Um  sie  zu  verwirklichen,  muss  die  Dichtung  im 
Jenseits  fortgesetzt  werden.     Mephisto  hat  seine  Wette  verloren,  weil  selbst  der  nur  in 
der  Vorahnung  genossene  Augenblick  höchster  Befriedigung  niclit  sein,  sondern  Fausts 
eigenes  Werk  war.     Dennoch  kann  Fausts  Seele  nur  gerettet  werden,    wenn    das  weib- 
liche Prinzip  in  Gott,  die  Gnade,  das  männliche,  die  Gerechtigkeit,    überwindet,     Faust 
steht  am  Schluss,    nicht  auf  dem  Wege  zu  endlicher   Vollkommenheit,    sondern  in  dem 
endlosen  Zustande  wirklich  erreichter  Vollkommenheit     Als    Rahmen  der  Dichtung  er- 
scheint die  Hingebung  an  die  Magie  nnd  die  Lossagung  von    ihr    und,    ausserhalb    des 
Dramas  selbst,  die  beiden  Scenen  im  Himmel.  Von  derWette  weiss  Faust  nichts,  er  glaubtMe- 
phisto  vom  Erdgeist  gesendet,  und  wenn  er  diesen  später  erwähnt,  so  zeugt  das  nicht  für 
die  unpassende  Verbindung  zweier  ursprünglich  inkongi-uenter  Dichtungen,  sondern  da- 
für, dass  Goethe  seinen  Faust  als  in  der  Sache  stehender  echter  Dichter  behandelt  hat. 
Faust  glaubt  sich  noch,  echt  tragisch,  in  der  schützenden  Obhut  des  Erdgeistes  und  ist 
thatsächlich    den    Angriffen    des    Teufels    scliutzlos  preisgegeben,  der  ihm  sein  wahres 
Wesen  nicht  entliüllt.     —     Biese  ^)  vergleicht  die   Sagengestalten  des  Hiob,  Herakles 
und  Faust  als  Typen  des  altjüdischen,  des  antiken  und    moderneu    Geistes    und    findet, 
dass  Faust    dem    Herakles,    zumal    wie    ihn    v.    Wilamowitz-MöUendorf    aus    der    Ver- 
hüllung der  späteren  Mythen  herausgelöst  hat,  näher  steht  als  dem  Hiob.*5)  —  Für  die 
pliilologische     Betrachtung    des   „Faust"    hat    die    Weimarer    Ausgabe    eine    Fülle    von 
neuem  Material  und  Anregungen  geliefert.      In    seiner    umfangreichen    Besprechung  hat 
Düntzer  87)  den  „Faust"  besonders  ausfuhrlich  behandelt,    selbstverständhch  auch  hier 

S,  378/9;  NorddAZgB.  N.  47  ;  M.  Koch:  BFDH.  NF.  S,  S.  258;  DDichtungS.  31;2.]|  -  84)  V.  Valenti  n,  D.  Einheit  d.  GootUescheii 
FftustdichtuuR:  DDichtung  10,  S.  126/8,  143/7,  175/7.  |[M.  Koch:  BFDH.  NF.  7,  S.  440.)i  —  85)  A.  Biese.  Hiob.  Henikles  u. 
Faust:  ZVLR.  NF.  4,  8.  287—302.  —  86)  O  X  A.  Frauzem,  D,  leitende  Idee  in  Goethes  Fanst:  EULotlirSchulBI.  21, 
S.  113—22.  —  87)  H.  DUntxer,    Goethes  Werke  (Weimarer  Ausg.).      I,  1.  2,  6,  7,  14,  15:  ZDPh.  23,  S.  294—349.    -    88)  U. 

13» 


IV- Oe:  A9-00.  ft.  Witk^wski,  Goethes  Drama.  196 

das  von  anclereii  Ofeleistete  zum  grössten  Teil  ablehnend.     Er  erörterfc  breit  luawichtige 
Dinge,  wie    die  Priorität    von    B    oder   E  ^^    tadelt    die  Inteiiiunktion  als  iiikonsequent, 
rindet    im    Text    als    den    schlimmsten    Fehler    „Leid"    statt    „Lied",   womit  er  die  not- 
wendige Besserung  „Dich"  statt  „doch"   v.   2348    ganz    mit    Unrecht  in  Parallele  stellt. 
Beizustimmen  ist  D.  darin,   dass    v.  279  das  frühere    „Sonn"    zu    erhalten,    238  ,,Thier'' 
zu   setzen  gewesen  wäre.     Vor    v.  4339    betont  er    ,,rideler".     Paral.  40  v.  9  f.  bezieht 
er  airf  Hennings  „Genius  der  Zeit",  N.  35  soll  auf  die  Kritiker  im  allgemeinen  gehen  (?), 
N.    36/7    scheinen    ihm   irrig  auf  den    Blocksberg    bezogen    und    wohl    ursprünglich    an 
Stelle    von  v.  286  ff.  für  den  ,, Prolog  im  Himmel"  bestimmt  gewesen  zu  sein;  der  Grund 
ist  nicht  einzusehen.     Im  zweiten  Teil  tadelt  D.  im  allgemeinen  die  nicht  durchgeführte 
Ausstossung  von    i    und  e,    wo  sie  metrisch   störend    sind.      Die    Konjektur    ,,in"    statt 
,,ein"  \.  5592  wird  verworfen,  dagegen  werden  die  Aenderungen  Eckermanns,  die  Erich 
Schmidt  beseitigen  musste,  durchgängig  anerkannt.     Von  einem  ,,völhgen  Missverstehen" 
der  Stelle  v.  9307  ff.,  das   sich    in    der  Wiedereinsetzung    von    „Nun"    für    „Nirr"    aus- 
sprechen soll,  wird  wohl  nur  D.  reden,    der  in  seiner  Ansicht  befangen,  übersieht,  dass 
auch  H    diese  Lesart  hat,  und  niclit  empfindet,  dass  der  Pleonasmus  ,,nm'  allein"  stört. 
Mit  Recht  tadelt  D.  die  Zeichensetzung  in  v.  10280  f.     Unnötig    bekämpft    er    das   gut 
belegte  Bessere  in   v.  lllßO.     Was  in  v.  11703   durch    die    Trennung    des    Wortes    am 
Sinne  geändert  werden  soll,  ist  nicht  klar,    v.  5685  dürfte  auf  Grund  der  Entwürfe  mit  D. 
,, heben"  statt  ,, haben"  anzunehmen  sein.     N.  156  ist  kein  Paralipomenon,    sondern    ein 
Entwurf  der  Verse  der  Sphinx  V.  7209  ff.,  aber  nicht  der  Sirenen:  so  sagt  nämlich  D.  und 
zeigt  dadurch,  dass  auch  er  sich  irren  kann.    —    Mit  Verwertung  der  neuen  Materialien 
liefert    Stiller  ^^)    eine    Skizze    der    verschiedenen    Stadien    der    Dichtung.      Er    nimmt 
drei    Pläne    an,    indem    er    alles    nach    1797    Entstandene    auf  dem  damals  entworfenen 
Schema  beruhen  lässt.     Jede  der  drei  Fassungen  ist  ihm  das  Ergebnis  einer  besonderen 
Schaffensperiode.     Die  erste    ist    entworfen    in    Anlehnung    an    die    überlieferte    Faust- 
sage   (vgl.  U  194/5),    Mepliisto    ist    liier    wie    im    Volksbuch  nur  ein  Geschöpf  Lucifers 
(vgl.    ü  '526/9    und    443/5).     Dieser    ist    mit    seinen    Scharen    dem  Erdgeist  untergeben. 
Faust  ist  (wegen  U  111/4!)  ein  heissblütiger  Jüngling,    der    für    die  Wissenschaft  noch 
nicht  r?if  ist,  sondern  gemessen  will,  für  den  das  Professorentum  nur  ein  äusseres  Ge- 
wand bildet.     Er  erscheint  in  U  schliesslich  reif,  der  Hölle  überliefert  zu  werden.     Als 
Goethe  in  Italien  den  zweiten  Plan  fasste,  musste  er  den  ernsten  Gelehrten    mehr  her- 
vortreten lassen  und  für  ihn  neue  Züge  erfinden.      Derartiges  in  F:    die  Betonung  von 
Fausts  Alter    v.    2555 — 60,   2341/2,    sein    Benehmen    iii    Auerbachs  KeUer    und    in    der 
Hexenküche,  der  hochfliegende  Geist  v.   658/9.     Mephistopheles  ist  jetzt    der    Vertreter 
der  nüchternen  Kritik,    er    wird    der    Führende,    und    seine    Aufgabe    ist    dem    ernsten 
Forscher  gegenüber  eine  schwierige:  v.  2052,  er  muss  ihn  durch    den  Zaubertrank  ver- 
jüngen, durch  das  Bild  im  Spiegel  seine  Sinnlichkeit  erregen.     Die    dritte  Bearbeitung, 
die  fertige  Dichtung,  untex'scheidet  sich  von  F    vor  allem    dvirch    die    neue,    unbefriedi- 
gende Einordnung  von  „Wald  und  Höhle".     Faust  ist  der  in  seinem   Glauben    erschüt- 
terte, in  allen  seinen  Hoffnungen  getäuschte  Mensch,    der    doch    nicht  auf   das  Streben 
nach  dem  Idealen  verzichten  kann.     Er  erkennt    „Im  Anfang  war  die  That",    aber    ehe 
er  ein  Leben  der  That  beginnen  kann,  tritt  ihm  der  Versucher  entgegen,     hi  der  Wette 
wird  das  Thema  des    neuen    Planes    aufgestellt:    der    ungestüme    Drang    nach    rastloser 
Bewegung.    Es  kann  sich  dabei  nur  darum  handeln,  ob  in  Fausts  Seele  der  erschlaffende 
Genusstrieb  oder  der  dunkle  Drang  nach  dem    Idealen    die    Oberhand    behalten    werde. 
Nach  den  Worten  des  Herrn  v.  327/9    ist    der    Ausgang    nicht    zweifelhaft.     Auch    das 
Böse  muss  der  göttlichen  Weltordiiung  dienen.     Es  handelt    sich    nur    um   das  rastlose 
Streben,  das  auch  durch  Alter  und  Blindheit  nicht  gebrochen  wird,    nicht    um    die   Er- 
füllung eines  ethischen  Ideals.     Sicher  ist  für  S.,  dass  Goethe    von    vornherein  an  eine 
Fortsetzung  über  Gretchens  Ende  hinaus  und  an  eine  Darstellung  von  Fausts  Zusammen- 
leben mit  Helena  dachte.     In  Par.  63  steht  nichts  über  Fausts  Ende,  weil  dies  erst  um 
die  Wende  des  Jh.  entworfen  wurde.     Der  Urfaust    sollte    nicht    Darstellung    einer  be- 
stimmten Idee,  sondern  Ausdruck  der  Unbefriedigung,  der  Auflehnung  sein,  welcher  der 
Untergang  folgte  wie  im  „Prometheus".     Ebenso    wenig    lag    dem    Fragment  eine  Idee 
zu  Grunde,  aber  jetzt  sollte  Faust  sicher  nicht  mehr  zur  Hölle  fahren.    —    Zwei    Hilfs- 
mittel für  das  Studium  der  ganzen  Dichtung  von  verschiedenem  Wert  hat  Strehlke  ^^-w) 
geliefert.     Das  erste  bietet  einerseits  weniger,  andererseits  mehr,    als    der    Titel  besagt. 
Es  ist  nicht  ein    vollständiges    Wörterbuch,    sondern    nur    eine    Zusammenstellung    der 
Eigennamen  und  der  in  Fonn  und  Bedeutung    nicht    gewöhnlichen   Worte.     Ausserdem 


.stiller,  Goethes  Entwürfe  z.Fauht.  i'rogr.  d.  Gyuin.  z.  Grauen  Klostor.  «erlin,  Gärtner.  4".  43  S.  M.  1,00.  HL.  Fräiikel : 
BLU.  S.  599;  M.  Koch:  BFDH.  NK.  8,  S.  264.]|  —  89}  F.  Strehlke,  Wörterbuch  zu  Goethes  Faust.  Stuttgart,  Dtsch. 
Verl.-Anst.  VIII,  157  S.  M.  3,00.  |[0.  Pniower:  DLZ.  13,  S.  1894  ff;  W.  v.  Biedermann:  LZg*".  S.  537;  F.  Mauthner: 
ML.  60,  S.  752;  BLÜ.  S.  600;  M.  Koch:  BFDH.  NF.  8,  S.  262;  Gesellschaft  S.  1689.]|  —  90)  id.,  Paralipomena  zu  Goethes 
Faust.      Entwilrfo,  Skizzen,    Vorarbeiten,  Fragmente  geordnet  u.  9rl.      ebda.      XV,  151  S.      M.  8,00.      (Uecens.    s.    N.  89.)    — 


197  G.  Witkowfiki,  Goethes  Drama.  IV  9«:  »i-w. 

aber  giebt  S.  eine.  Reihe  vortrefflicher  Sammelartikel  (ühm-  giaiiiinatikaliHclje  mu\  gtilistigche 
Eigentümlichkeiten  der  Dichtung,  sowie  längere  Exkurse  über  einzelne  Punkte  wie 
(las  Bild  in  der  Hexenküche,  das  er  auf  Helena  deutet,  den  Erdgeist,  den  Homunculus, 
der  nach  8.  der  Menech  selbst  ist,  anfangs  nur  nach  der  geistigen  Seite  hin,  wie  er 
alley  Wissen  und  Können  umfasst,  zuletzt  nach  der  leiblichen,  deren  thatsächliche  Ver- 
bindung mit  der  geistigen  nur  in  der  Idee,  nicht  in  der  Wirklichkeit  liegt.  Von  Einzel- 
heiten wäre  zu  bemerken,  dass  die  Erklärung  von  v.  1710  und  7b<)(»  sicher  fehlgeht, 
dass  die  Deutung  von  „da"  v.  2^)8  gesucht  ist,  dass  die  „Latschen"  Par.  27,2  wohl 
richtiger  als  „Krummholz"  zu  erklären  sind:  endlich  ist  zu  „bekleiben"  U  v.  310  nicht 
gesagt,  dass  erst  die  Negation  die  hier  entwickelte  Bedeutung  ergiebt.  —  Einem  ent- 
schiedenen Bedürfnis  entspricht  die  zweite  Schrift.  Denn  da  die  Paralipomena  bisher 
nur  in  der  Weimarer  Ausgabe  vollständig  enthalten  sind,  ergiebt  sich  die  Notwendigkeit 
eines  Sonderabdi-ucka  von  selbst.  Indessen  lässt  sich  leider  nicht  sagen,  dass  S.s  Arbeit 
billigen  Anforderungen  genügte.  Einer  Anzahl  von  Zusätzen,  wie  den  von  Luden  ange- 
führten, improvisierten  Mephistopheles- Versen,  Matthissons  Bericht  von  der  neuen  Wal- 
purgisnachtscene  1815,  Falks  Worten  über  den  ersten  Akt  des  zweiten  Teils,  stehen 
Lücken  gegenüber:  so  fehlt  besonders  U  und  die  Helena  von  1800.  Par.  150,  Zeile  147 
ist  ausgelassen.  Die  Interpunktion  und  Schreibung  entbehrt  fester  Grundsätze,  der 
Wechsel  lateinischer  und  deutscher  Schrift  wird  nicht  genau  wiedergegeben,  Aende- 
rungen,  Durchstrichenes,  Spatieii,  Zusät>re  am  Rande  sind  selten  und  ohne  erkennbares 
Prinzip  berücksichtigt.  Die  Prüderie  gegenüber  den  Derbheiten  der  Walpurgisnacht 
geht  noch  weiter  als  in  der  Weimarer  Ausgabe.  Beim  zweiten  Teil  ist  die  älteste  Pha.se 
von  den  jüngeren  nicht  geschieden,  hier  wie  überall  die  Anordnung,  meist  nicht  zum 
Vorteil,  völlig  geändert.  So  ergiebt  sich  z.  B.  für  den  ersten  Akt  des  zweiten  Teils 
folgende  Reihenfolge:  Par.  04;  03;  100/2:  104;  105;  103:  10<j;  107:  123,  1  Z.  48— 63: 
05;  (>7:  68;  81;  110  v.  2—6:  113:  116;  117:  Skizze  zu  Vmi—CAOii  ohne  v.  3—5  (aus 
den  Lesarten);  119;  121;  120;  118;  ()6:  7t):  122.  Dann  ohne  sicheren  Anscliluss:  80; 
79;  HO  V.  1;  128;  74;  71/3;  75;  132:  127.  Im  Anhang  sind  Stücke  als  nicht  bestimm- 
bar bezeichnet,  die  schon  von  Erich  Schmidt  richtig  eingeordnet  wurden.  Unbrauch- 
bar für  jeden  wissenschaftlichen  Gebrauch  wird  S.s  Arbeit,  abgesehen  von  den  bereits 
erwähnten  Mängeln  vor  allem  dadurch,  dass  mannigfache  Stellen,  infolge  von  falscher 
Lesung  oder  Flüchtigkeit  einen  lunichtigen  Text  bieten.  Nur  selten  erweisen  sich  die 
Abweichungen  von  der  Weimarer  Ausgabe  als  Verbesserungen,  wie  ein  Vergleich  der 
Hss.  im  Goethearchiv  ergeben  hat.  So  Par.  27  Z.  15  Tauft;  Par.  104  Z.  9  nimmt 
(mit?);  Par.  142  v.  1  kost  (?);  Par.  149  v.  1  thust;  Par.  142  Z.  4  Anmuth  pp.;  Par. 
169  Z.  2  Ufer.  Plätze  Den.  Lesarten  15,  2,  48  zu  7271 :  gebildeteres  —  Erhmening  an 
den  Traum.  Die  ge.samten  übrigen  sehr  zahlreichen  Aenderungen  S.s  sind  falsch.  — 
Die  Chronologie  einiger  Paralipomena  hat  0.  Harnack  "')  erörtert.  Richtig  hat  er  be- 
obachtet, dass  der  Inhalt  von  Par.  1  U  entspricht,  nur  ist  dann  nicht  einzusehen, 
warum  man  es  nicht  weit  früher  als  1788  ansetzen  soll.  Da.ss  der  Student  hier  .schon 
Schüler  heisst,  kann  doch  dafür  nicht  massgebend  sein.  Wäre  Pai-.  1  eine  Rekapitula- 
tion des  Vorhandenen  und  eine  vorläufige  Andeutung  des  weiteren .  Planes  bei  Wieder- 
aufnahme der  Arbeit,  so  hätte  die  Skizzierung  des  Folgenden  doch  wohl  genauer  aus- 
fallen müssen.  Für  Par.  .22  scheint  H.  die  Entstehungszeit  dadurch  gegeben,  dass  Faust 
hier  die  Vorteile  der  Roheit  und  Abgeschmacktheit  entwickelt,  was  nur  durch  die 
Rolle,  die  ihm  U.  in  Auerbachs  Keller  zuweist,'  zu  erklären  ist,  und  dass  andererseits 
schon  von  dem  Trank  die  Rede  ist.  H.  setzt  also  Par.  22  etwa  gleichzeitig  mit  1  an. 
Par.  27 — 50  (zur  Walpurgisnacht)  weisen  auf  einen  ganz  anderen,  oder  besser  umfang- 
reicheren, Plan  hin,  als  den  später  au.sgeführten.  Sie  köinien,  so  meint  H.,  nicht  viel 
früher  entstanden  sein,  da  Par.  48  erst  nn  Dez.  1797  geschrieben  sei,  womit  zugleich  die 
Entstellungszeit  von  Par.  24 — 31  (auf  demselben  Blatte)  entschieden  wird.  Auch  fiir  alle 
anderen  ergiebt  sich  etwa  dieselbe  Zeit  mit  Ausnahme  von  Par.  41/3  und  Par.  50  (uicht  51), 
die  aber  nicht  fi'üher  als  48  fallen  könne.  —  Das  wichtige  Par.  1  hat  Düntzer«2)  in 
einem  besonderen  Artikel  behandelt,  den  er  mit  einer  Polemik  gegen  Erich  Schmidt, 
Strehlke  und  0.  Harnack  eröffnet.  Er  leugnet  dann  überhaupt  die  Auffassung  des 
Blattes  als  Faustplan  und  sieht  darin  nur  allgemeine  Gedanken  in  der  Art  der  „Sprüche 
in  Prosa",  für  die  nur  im  zweiten  Teil  des  Par.  Personen  aus  dem  „Faust"  als  Beispiele 
herangezogen  würden.  Die  letzten  Worte  deutet  er  als  einen  seltsamen  augenblicklichen 
Einfall  Goethes.  Auch  für  Par.  2  verneint  D.  die  Zugehörigkeit  zum  „Faust". ^*-^5)  — 
Die  Einwirkung  von  Goethes  „Faust"  auf  England  behandelt  Tait»*)    in    einem  kiu-zen 


91)  0.  Harnmck,  Beitrr.  z.  Ckrounlogie  d.  Faustparalipomena :  VLO.  4,  S.  ItiU—T:).  —  92)  U.  DOntzer,  E.  neues  rktsellmfles 
Blatt  Goethe»  über  seinen  .Faust":  BLU.  S.  609— 13. —  93)  C  XX  F-  Saiten,  Mephiatopheles:  ModBs.  Heft  2.  —  M)  XX 
QpetUe,  Faust.  Illustr.  v.  ersten  litsoh.  Künstlern.  Stuttgart,  Dtsch.  Verl.-Änst.  4».  183  S.  M.  12jOO.  'LZg.  N.  284.1i 
—  95)  X  Q-.  tjl>er  Goethes  Faust  auf  d.  BOhne:  FrankKur.  N.  431.    —    96)  J.  Tait,  Tb«  LitAr^ry  ipflueui»  jf  Gopthes  Faust 


IV  9e:  »7-111.  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  198 

Vortrag.  Bis  zu  Goethes  Tode  hat  in  England  im  allgemeinen  Misstrauen  und  Verach- 
tung gegen  seine  Schöpfungen  geherrscht,  aber  sein  Hinscheiden  hat  eine  Fülle  von 
Lobeserhebungen  und  Uebersetzungen  hervorgerufen.  Damit  hat  auch  der  Einfluss  von 
Goethes  „Faust"  auf  die  Werke  der  jüngeren  englischen  Dichter  begonnen,  besonders 
auf  Brownings  „Paracelsus"  (1835)  und  noch  mehr  auf  Baileys  „Festus",  der  in  seinen 
fünfzehntausend  Versen  eigentlich  nur  eine  Faustparodie  darstellt.  —  Weitere  Zeugnisse 
für  die  vom  Faust  ausgehende  Wirkxing  haben  L.  Geiger  ^'')  und  die  Herausgeber  von 
Faustspielen  K.  Engel  ^s),  Tilleso)  und  Kolmann  i^o)  beigebracht.  —  Neue  Ueber- 
setzungen und  Auflagen  älterer  sind  mehrfach  erschienen  ioi-i05^_  . —  ^g  Kuriosum  sei 
die  Fausttragödie  von  Schilfige)  erwähnt,  die  zu  den  höchsten  Leistungen  tmfrei- 
williger  Komik  gerechnet  werden  darf.  — 

Wenig  ist  über  die  Quellen  des  Dramas  gearbeitet  worden.  Edw.  Schrö- 
der ^ö'')  erinnert  daran,  dass  im  Spiel  von  Frau  Jutten  eine  Scene  äussere  Aehnlichkeit 
mit  der  Schülerscene  zeigt.  Goethe  hat  das  Stück  gewiss  aus  Gottscheds  „Nöthigem 
Vorrath"  gekannt.  Es  ist  darin  auch  ein  Pakt  mit  dem  Teufel,  in  Jutta  eine  gewisse 
Verwandtschaft  mit  Gretchen,  und  in  der  Schlussscene  wird  ein  Weib  aus  der  tiefsten 
Schmach  zu  den  Himmlischen  emporgehoben.  Auch  hier  mag  ein  Keim  der  Tragödie 
Goethes  liegen  i^s).  — 

Die  Göchhausensche  Abschrift  des  Urfaust  führt  Düntzer  lo»)  irrtümlich  auf 
die  Sammlung  von  Goethes  Schriften  für  die  Herzogin  Anna  Amalia  zurück.  Er  betont 
mit  Recht  die  Unmöglichkeit,  aus  der  abweichenden  Fassung  des  „Königs  von  Thule" 
weitere  Aenderungen  in  U  zu  erschliessen,  und  die  Einheitlichkeit  des  ersten  Wurfes 
der  Dichtung.  Am  Schlüsse  angefügte  Einzelheiten,  Einschiebsel  und  Veränderungen 
beim  häufigen  Vorlesen  will  er  daneben  als  möglich  annehmen.  In  der  grossen  Lücke 
ist  in  U  nichts  Vorhandenes  fortgelassen.  Die  Scene  auf  der  Landstrasse  kann  nicht 
zu  den  ursprünglich  gedichteten  Hauptscenen  gehört  haben,  Goethe  hat  ihre  weitere 
Ausführung  beabsichtigt,  was  aus  der  Ortsangabe  hervorgehen  soll,  und  sogar  den  In- 
halt dieser  Fortsetzung  weiss  D.  anzugeben!  Von  einer  Verschiebung  der  Reihenfolge 
oder  von  Auslassungen  in  U  will  6r  nichts  hören  und  weist  Pniowers  und  Kögels  Be- 
gründung ab.  Sonderbar  setzt  er  die  Scene  „Ti-über  Tag.  Feld"  unter  die  spätesten 
des  Jahres  1775,  der  neue  Plan  von  1787  soll  an  sie  angeknüpft  sein.  —  Ein  Muster- 
produkt der  „höheren  Kritik"  liefert  Pniower  ^^^)  für  die  Schülerscene.  Er  geht  von 
dem  Grundsatze  aus;  Wiederholungen  auf  engem  Räume  beweisen  verschiedene  Ent- 
stehungszeiten. Beim  Wiederaufnehmen  der  Dichtung  nach  längerer  Zeit  lehnt  sich  der 
Dichter  an  das  bereits  Vorhandene  unwillkürlich  oder  absichtlich  aus  Bequemlichkeit 
an.  In  der  Schülerscene  sollen  die  Verse  1990 — 2000  aus  U  383  geflossen  sein.  Eine 
Wiederholung  finde  sich  v.  1954  f.  und  v.  1908  f.,  die  in  U  fehlen.  Sie  sind  einge- 
schoben, um  nach  der  allgemeiner  gefassten  Rede  des  Schülers  und  dessen  Wunsch 
nach  Zerstreuung  den  Gegensatz  stärker  hervorzuheben.  Die  "  Stelle  U  339  ff.  scheint 
P.  nicht  in  Ordnung,  was  vor  allem  durch  die  Anrede  v.  341  bewiesen  werde.  Die 
beiden  ersten  Verse  der  Rede  sind  erst  nachträglich  vorgeschoben,  um  zwei  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  gedichtete  Stücke  zusammenzuflicken.  Wir  hätten  also  in  der  Scene 
zwei  verschiedene  Partien  a  und  b.  In  a  handelt  es  sich  um  materielle  Dinge,  in  b  um 
die  geistige  Seite  des  Studiums,  in  a  fehlt  der  „Professor  Ton",  von  dem  b  spricht,  a 
ist  übertreibend  parodistisch,  b  überlegend  satirisch,  a  zeigt  mangelhafte  Ausdrucks- 
fähigkeit, b  ausserordentliche  Gewandheit  und  Glätte  der  Sprache.  Auch  durch  eine 
statistische  Zusammenstellung  stilistischer  und  metrischer  Eigenheiten  glaubt  P.  das 
bestätigen  zu  können.  Anklänge  aus  a  in  b  werden  nicht  ohne  Zwang  konstatiert: 
„irrlichteliren"  z.  B.  soll  in  demselben  Geiste  wie  ,,vertripplistreicheln"  gebildet  sein. 
Dürfte  man,  wenn  das  als  beweisend  anerkannt  wird,  nicht  eher  daraus  auf  Gleich- 
zeitigkeit beider  Partien  schliessen?  a  soll  einer  Periode  engsten  Anschlusses  an  die 
alte  Form  angehören  und  am  nächsten  dem  „Pater  Brey"  verwandt  sein,  den  P.  ins 
Jahr  1772  setzt,  b  dagegen  gesellt  sich  metrisch  zur  ersten  Gartenscene,  ist  mit  mit  ihr 
erst  1775  verfasst.  Wann  endlich  die  beiden  verbindenden  Verse  339  f.  gedichtet 
sind,    ist    schwer  zu  ermitteln;  P.  meint,  sie  seien    vielleicht  in  Weimar    zur  Vorlesung 

in  England  1832—1852,  rfad  in  the  Manchester  Goethe  Society  the  15.  April  1891:  Ac.  39,  S.  398.  —  97)  L.  Geifer,  Faust- 
dichtungen d.  19.  Jh.  (Vortr.  Ref.):  FZg.  N.  49.  —  98-99)  X  A.  v.  Weilen,  Engel,  Volksschausp.  v.  Dr.  Faust  (1890  111 
4  :  26);  Tille,  Dr.  Faust  (ib.  27):  DLZ.  12,  S.  338/9.  (Ergänzung  durch  d.  Scenen,  wo  Fausts  Vater  erscheint.  Einfluss  Goethes 
sichtbar  im  Anbohren  »1.  Tisches.)  —  100)  (III  4  :  28,  S.  99—100.  Einfluss  v.  Goethes  Dichtung  auf  d.  Puppenspiele  d.  Gegenw.) 
101)  E.  K.,  Hansens  FaustUbersetzung:  ML.  60,  S.  160.  —  102)  X  J-  W.  v.  Goethe,  Faust:  a  tragedy;  translated  into  English 
verse  with  notes  and  preliminary  remarks  by  J.  S.  Black ie.  New-York,  Macmillan.  120.  77,  296  S.  M.  7,00.  (2.  Ter. 
edition.)  —  103)  XX  Goethes  Faust;  from  the  German  by  J.  Anster.  New-York,  Stokes.  1890.  —  104)  X  Goethe, 
Faust  trad.  da  G.  ScaWini  e  G.  Gazzino  2.  ed  coli'  aggiunto  della  loggende  del  Widmann.  Firenze,  Le  Monnier  Succ. 
M.  3,20.  -  105)  Gootbuv  Faust.  Prelozil  Jaroslav  Vrchlicky.  Prag,  Simacek.  208,  XVII,  328  S.  M.  2,40.  —  106)  H.  Schilf, 
Fanst.  Tragödie  in  fUnf  Akten.  Petersburg,  Sehmitzdorff.  128  S.  M.  2,00.  |[F.  Kummer:  BLU.  1892,  8.  368.]|  — 
107)  Edw.  Schröder,  Goethei  Faust  u.  d.  Spiel  v.  Frau  Jutten:  VLQ.  4,  S.  336/9.  —  108)  (III  3  :  5.)  —  109)  S.  o.  K.  3.  — 
HO)  0.  Pniower,  D.  Schülerscene  im  „Urfaust":    VLQ.  4,  S.  317-35.    —    III)  B.  Seuffert,    D.   älteste  Scene    im  Fau»t:  ib. 


109  G.  Witkowski,  Goethe«  Drama.  rV9e:  na  ii5 

am  Hofe  hiuzugel'ügt.  Wozu  dient  dieser  Aufwand  von  minutiöHen  Beobachtungen, 
statistischen  Tabellen,  schaifsinnigen  Kombinationen?  Daö  kleine  und  unsichere  Er- 
gebnis steht  in  keinem  Verhältnis  zu  der  aufgewandten  Mühe.  —  Dieselbe  Scene 
wie  Pniower  behandelt  B.  Seuffert  "•)  und  kommt  dabei  zu  ganz  anderen  ErgebnisBen. 
Er  giebt  seine  frtihere  Annahme  auf,  dass  „Auerbachs  Keller"  nocli  in  Leipzig  verfasst 
sei,  glaubt  aber  die  Schülerscone  dorthin  verlegen  zu  sollen.  Der  erste  Teil,  den  er 
dem  ötrassburger  Goethe  nicht  mehr  zuzuschreiben  vermag,  soll  in  F  gestrichen  worden 
sein,  weil  Ton  und  Inhalt  dem  später  entstandenen  zweiten  widersprächen.  Die  Pen-ücke 
Mephistos  soll  au  die  Gottscheds  eriiuiern.  Vielleicht  haben  wir  hier  eine  Karikatur 
von  Clodius  vor  uns;  die  Scene  hält  S.  für  einen  ähidichen  Scherz  wie  den  gegen  ihn 
gerichteten  (s.  Werke  27,  S.  141)  mit  Lokalanspielungen  für  den  Leipziger  Kreis  und 
möglicherweise  für  den  Urfaust  umgebildet.  S.  lässt  das  Neue  bei  v.  395  einsetzen 
wegen  der  Häufigkeit  der  Reimverschränkung  und  der  Veränderung  von  Metnnn  und 
Stil.  Auch  v.  B31 — 40  möchten  später  eingeschoben  sein,  ebenso  354  f.  Das  ältere 
Stück  ist  der  jedenfalls  erst  später  concipierten  Faustdichtung  wohl  eingefügt  worden, 
weil  es  den  Namen  des  Mepliistopheles  trug.  Aber  wie  kam  Goethe  denn  in  Leipzig 
dazu,  seine  Satire  dem  Mepliistopheles  in  den  Mund  zu  legen?  und  ferner:  wo  haben 
wir  sonst  bei  ihm  ein  Beispiel,  dass  er  eine  Dichtung  aus  älterer  Zeit,  die  er  selbst 
schon  missbilligte,  in  ein  neues  Werk  einschob,  noch  dazu  in  eines,  das  ihm  sicher  von 
vornherein  den  Gipfel  seiner  Kunst  bedeuten  sollte?  —  Bronner '•2)  leugnet  es,  dass 
„Auerbachs  Keller"  am  17.  Sept.  1775  entstanden  sei  und  vermutet,  gestützt  auf 
den  Brief  an  Auguste  Stolberg  von  demselben  Tage  (W^eim.  Ausg.  S.  29*2  f.),  in  dem 
Monolog  „Meine  Ruh'  ist  hin"  die  an  diesem  Tage  gedichtete  Scene:  ein  inuititzes 
Herumraten.  —  Pniower  i'^)  setzt  die  Domscene  mit  Scherer  in  die  älteste  Zeit  der 
Dichtung,  weil  darin  das  „Dies  irae"  vei'wertet  sei,  das  auch  dem  Chorlied  des  „Satyros" 
(vor  dem  Nov.  1774)  zu  Grunde  liegt,  weil  dieser  Chor  ebenfalls  in  vierfüssigen  Jamben 
abgefasst  ist,  in  einem  Tempel  erklingt  und  weil  der  Schluss  einer  Strophe  lautet: 
„Schrecklich  nahet  sein  Gericht".  Zudem  erkläi-t  Goethe  an  Zelter  (11.  Mai  1820),  dass 
der  „Satyros"  in  die  gleiche  Zeit  mit  einem  wichtigen  Teile  des  „Faust"  falle.  Wir 
glauben  kaum,  dass  jemand  diese  Gründe  für  überzeugend  halten  wird.  —  Sprenger"*) 
erklärt  eine  Anzahl  Stellen  in  U;  so  S.  28  Z.  176  „sie  sind  nun  eingeschiift"  =  sie  sind 
nun  schon  im  besten  Zechen,  v.  1326  „Brandschande"  =  Brandmal  und  „Malgeburt" 
aus  dem  Volksglauben,  nach  dem  uneheliche  Kinder  ein  Muttennal  tragen.   — 

Speciell  in  des  Dramas  ersten  Teil  führt  zunächst  die  vielfach  erörterte  Frage 
nach  dem  Verhältnis  von  Erdgeist  und  Mephistopheles;  sie  behandelt  Graffunder  J'^)  von 
neuem  kenntnisreich,  vorsichtig  und  gründlich.  Er  weist  die  von  Hegel  ausgehende 
Deutung  des  Erdgeistes  zurück.  Der  Makrokosmus  ist  nicht  einheitlich,  sondern  wird 
in  den  alchimistischen  Werken  allgemein  als  dreiteilig  angenonmien.  Zu  Grunde  liegt 
die  Anschauung  von  der  durch  das  Univensinn  gehenden  Wechselwirkung  der  Kräfte. 
Zu  V.  447 — 53  verweist  G.  auf  eine  Stelle  bei  F.  M.  van  Helmont,  die  den  Gedanken 
in  ähnlicher  Einkleidung  enthält.  Auch  der  Erdgeist  stammt  aus  derselben  Quelle.  Er  be- 
deutet den  alten  Kabbalisten  und  Mystikern  die  in  allen  Dingen  waltende  Lebenskraft, 
Bei  Goethe  stellt  er  die  ewig  schaffende  Kraft  der  Natur  dar,  aber  ausserdem  den  Geist 
der  That,  der  Geschichte.  Li  Par.  1  reflektiert  Goethe  über  das  Fragment  von  1790,  G. 
setzt  es  ins  Jahr  1797,  in  die  Zeit  der  Erörterungen  mit  Schiller.  Wenn  Mephisto- 
pheles von  diesem  Natur-  und  Thaten-Genius  dem  Faust  als  Genosse  beigegeben  ^närd, 
so  muss  er  seiner  teuflischen  Natur  entkleidet  werden.  In  U  ist  er  aber  durchaus  der 
mittelalterliche  Teufel,  der  die  Seele  des  Menschen  zu  gewinnen  sucht,  und  diese  hat 
ihm  Faust,  wie  G.  nachweist,  nach  dem  ursprünglichen  Plane  verschrieben.  Als  Send- 
ung Lucifers  kaini  er  nicht  ein  Untergebener  des  Ei'dgeistes  sein.  Dieser  arbeitet  durch 
die  reinigende  Macht  der  Natureindrücke  dem  Mephistopheles  gerade  entgegen.  Die 
bekannten  Stellen  in  „Wald  und  Höhle"  und  der  Prosascene,  die  dagegen  zu  sprechen 
scheinen,  will  G.  so  erklären,  dass  Faust  bei  der  hohen  Stellung,  die  er  dem  Erdgeist 
als  mittelbarer  Kundgebung  Gottes  auf  Erden  zuschreibt,  annehme,  dieser  habe  auch  Ober 
Mephistopheles  Macht.  In  U  sollte  Faust  nach  der  Beschwörung  des  Erdgeistes  hinaus 
ins  weite  Land  fliehen  und  dort  mit  Hilfe  des  Buches  von  Noatradamus  den  niedem 
Geist  Mephistopheles  beschwören  (für  diese  Stelle  wären  ursprt\nglich  die  v.  33 — 74 
bestimmt  gewesen),  der  ihm  zuerst  in  Hundsgestalt  erschien.  Auch  das  Motiv  des 
Spaziergangs  glaubt  G.  schon  in  der  Frankfurter  Zeit  erfunden  und  teilweise  ausgeführt. 
Die  Giinidstimmung  Fausts  gleicht  der  Goethes  nach  der  Rückkehr  aus  der  Schweiz 
1775,  wie  sie  in  dem  Briefe  an  Auguste  Stolberg  vom  3.  August  ausgedrückt  ist,  das 
Bruchstück  vom  Sonnenuntergang  muss  deshalb  bald  nach  diesem  Briefe  enstanden  sein, 


S.  339—42.  -  112)  F.  Bronner,  Zu  Goethes  Faust:  ZDPli.  23.  S.  290/2.  —  113)  (.IV  9b  :  97.)  — 1|4)  B.  Sprenger.  Z.  ürfcmt: 
ZDU.  5,  ::.  :)4>J— 52.  —  115)  P.  Uraffuuder,  D.  Erdgeist  u.  Mephistophelei  in  Uoethea  Faust:  PrJbb.  .S.  700— 2ö.    {M.  Kueh: 


IV  9e:  116-122.  G-.  Witkowski,  Goethes  Drama.  200 

die  nächtliche  Besshwörungsscene  ist  die  Fortsetzung  des  Spaziergangs  gewesen ;  ebenso 
soll  auch  die  Evangelienübersetzung  wegen  der  angeblichen  Entlehnung  der  Bedeutungen 
des  Xöyos  derselben  Zeit  angehören.  Auch  das  Motiv  des  Selbstmords  kann,  so  meint  G., 
in  U  nicht  gefehlt  haben.  Gestützt  auf  Par.  56  nimmt  er  endlich  für  die  grosse  Lücke 
in  U  noch  eine  Scene  an,  in  der  Mephisto  Faust  durch  Erregung  der  Sinnlichkeit  vom 
Wissensdrange  abzuleiten  sucht,  deren  zweiter  Teil  in  F  mit  den  Worten  beginnt; 
„Und  was  der  ganzen  Menschheit  zugeteilt  ist".  Im  Originalcodex,  aus  dem  die  Göch- 
hausensche  Abschrift  geflossen  ist,  haben  sich  G.s  Ansicht  nach  keine  vollendeten  Scenen 
ausser  den  dort  mitgeteilten  befunden.  „Trüber  Tag.  Feld"  gehört  nicht  einer  älteren 
Schicht  an,  die  vor  der  Entstehung  von  U  liegt,  vielmehr  bilden  alle  Teile  von  U  eine 
zusammenhängende  Fassung  der  Dichtung,  und  wenn  dem  so  ist,  kann  auch  Mephisto 
nach  dem  ursprünglichen  Plane  nicht  vom  Erdgeiste  ausgehen.  —  Cornish  ii^)  sieht 
in  der  Scene  vor  dem  Thor  Erinnerung  an  die  Leipziger  Eindrücke,  wie  sie  in  dem 
Briefe  an  Karl  August  vom  25.  März  1776  geschildert  sind.  Li  dem  Briefe  an  Behrisch 
vom  7.  Nov.  1767  findet  er  Keime  der  Gretchentragödie.  —  Li  einem  Vortrag  hat 
A.  Frhr.  von  Berger  i^'')  den  Vertrag  vom  juristischen  Standpunkte  aus  behandelt. 
Zwei  Auffassungen  sind  möglich,  entweder  als  Dienstmietvertrag  auf  Fausts  Lebens- 
dauer, oder,  die  Ansicht,  der  sich  B.  anschliesst,  als  Glücksvertrag  oder  Wette.  Wird 
diese  von  Faust  gewonnen,  so  ist  ihm  der  Teufel  Zeit  seines  Lebens  dienstbar  (?),  er 
erhält  daher  den  Preis  der  Wette  schon  im  voraus  ausbezahlt.  Gewinnt  der  Teufel  die 
Wette,  so  verfällt  ihm  die  Seele  Fausts.  Mephistopheles  verliert  die  Wette  wegen  der 
hypothetischen,  erst  auf  die  Zukunft  bezüglichen  Form  des  entscheidenden  Ausspruchs  an 
Fausts  Lebensende.  Man  kann,  so  glaubt  B.,  aus  diesen  Umständen  einen  Schluss  auf 
Goethes  Meinung  vom  Wesen  der  Menschen  ziehen.  Jeder  lässt  sich  mit  den  höllischen 
Mächten  ein,  weil  er  weiss,  dass  er  ihnen  doch  nicht  gehört,  wenn  er  sich  auch  ihnen 
verschreibt,  um  sich  ihrer  zu  bedienen,  in  dem  dunklen  Gefühl:  wenn  ich  auch  oft  das 
Böse  thue,  böse  bin  ich  doch  nicht.  Aus  diesem  uralten  Menschengefühl  ist  der  Teufels- 
bund hervorgegangen.  —  Mit  der  ihm  eigenen  Tiefe  und  Wärme  behandelt  ß.  Hilde - 
brand^is^  Fausts  Glaubensbekenntnis.  Goethe  spricht  hier  seinen  eigenen  Standpunkt 
aus,  im  Geiste  der  Sturm-  und  Drangzeit.  Durch  das  Ablehnen  des  Gottesnamens  wird 
nicht  Gott  selbst  abgelehnt,  sondern  er  soll  hoch  über  das  unzureichende,  abgenutzte 
Alltagswort  hinaus  erhöht  werden.  Wer  sein  Wesen  in  Worte  fassen  will,  wird  zum 
Spotte.  Die  Frage  an  Priester  und  Weise  bezieht  sich  nicht  nur  darauf,  ob  sie  an  Gott 
glauben,  sondern  bedeutet  mehr,  was  sie  von  Gott  glauben  oder  denken  und  wissen. 
Mit  dem  Bekenntnis  des  blossen  Namens  ist  nichts  bekannt;  wer  aber  darüber  hinaus 
das  Wesen  Gottes  in  sich  empfindet,  der  kann  das  Bekenntnis  nicht  versagen.  Das 
folgende  ist  ein  Versuch,  die  Empfindung  des  Göttlichen  wachzurufen,  die  dem  Menschen 
nur  durch  das  Gefühl  zugänglich  ist.  Zum  Vergleiche  werden  ein  Gespräch  mit  Ecker- 
mann (Biedermann  3,  S.  22),  Sprüche  in  Prosa  N.  569  und  „Trilogie  der  Leidenschaft" 
herbeigezogen.  Ueberall  ist  an  einen  Gott  in  pantheistischer  Fassung  zu  denken.  Am 
Schlüsse  weist  H.  noch  hin  auf  Klopstocks  Aufsatz  „Von  der  besten  Art  über  Gott  zu 
denken",  der  Goethe  wohl  durch  Herders  „Fragmente"  nahe  gebracht  war,  auf  die  Ode 
„Dem  Allgegenwärtigen"  und  auf  die  gleiche  Anschauung  bei  den  Mystikern.  — 
Lyon  11^)  widerspricht  der  Annahme  Kreyssigs,  dass  der  Fall  Gretchens  zwischen  die 
erste  Gartenscene  und  „Wald  und  Höhle"  zu  setzen  sei.  —  W.  von  Biedermann  120^ 
wiederholt  seinen  Widerspruch  gegen  die  Identität  des  „erhabenen  Geistes"  mit  dem 
Erdgeist  sowie  gegen  alle  daraus  gezogenen  Folgerungen.  Er  weist  ausserdem  hin  auf 
den  in  den  Annalen  genannten  „Mundus  anthropodemus  plutonicus"  von  Joh.  Praetorius 
(1666),  der  Blocksbergscenen  zur  Anschauung  bringt,  und  auf  ein  Kunstblatt  ähnlichen 
Gegenstandes  von  Michael  Hertz.  Auch  er  entscheidet  sich  für  die  Betonung  „fideler".  — 
Eine  grössere  Anzahl  von  Stellen  des  ganzen  Dramas  hat  Sprenger  121)  erläutert. 
Manchem  wäre  wohl  zu  widersprechen,  doch  ist  hier  zur  Polemik  über  solche  Einzel- 
heiten nicht  der  Ort.  — 

Ohne  Kenntnis  der  neuen  Veröffentlichungen,  aber  mit  warmem  Gefühl  und  im 
ganzen  richtigem  Verständnis  behandelt  der  Italiener  Cesarii22)  vornehmlich  den 
zweiten  Teil.  Das  Fragment  von  1790,  der  übrige  erste  Teil  und  der  zweite  Teil 
stellen  drei  Perioden  der  moralischen  und  der  intellektuellen  Entwicklung  Goethes  dar: 
die  erste  romantisch,  die  zweite  klassisch  im  edelsten  Sinne  der  Uebere  in  Stimmung  von 
Gedanken  und  Bild,  von  Form  und  Inhalt,   die    dritte    eklektisch,    Poesie    und  Wissen- 


BFDH.  NF.  8,  S.  261.]|  -  116)  S.  o.  N.  29.  -  117)  (IV  9a  :  30.)  i[FreradenBl.  N.  79;  DBUhneug.  20,  S.  126/7;  TglRs.  N.  100.]| 
—  118)  B.  Hiidebrand,  Zu  Fansts  Glaubensbekenntnis,  dabei  t.  e.  bedeutsamen  Eigenheit  In  Ooethes  Denk-  u.  Sprachweise: 
ZDU.  6,  8.  869-76.  -  119)  0.  Lyon,  F.  Kreyssig,  Vorles.  Über  Goethes  Faust,  her.  v.  F.  Kern  (1890  IV  lle  :  37):  ZDU.  5, 
8.  73.  —  120)  [W.  Frhr.  v.]  B[ie]d[e]rn)  [»]  nn,  Faustisches:  LZg".  N.  135.  —  121)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  Faust.  Erl. 
Bemerk,  im  Ansohluss  an  SohrOers  erklar.  Ausgabe,  2.  Aufl.:  ZDPh.  23,  S.  451/7.  —  122)  A.  Cesari,  Goethe  e  la  seconda 
parte  del  „Faust".   Fiorenzuola  d'Arda,  Pennaroli.    1890.  30  S.    (Nicht  im  Handel.    Spanische  Übersetzung  von  Kubeus  Dario; 


201  G.  Witkowaki,  Goethes  Drama.  IV  9©:  i»-i». 

Schaft,  modernen  und  antiken  Geist  vereinend.  Aus  der  Tragödie  des  GefühlsQber- 
schwangs  wird  die  Epopöe  der  Läuterung  durch  vervielfiiltigte  Thätigkeit  filir  die  Zu- 
kunft. Das  dramatische  Interesse  verachwindet  vor  dem  philosophischen.  Faust  erreicht, 
nachdem  er  sich  in  Helenas  Annen,  an  der  Antike,  neu  gestärkt  hat,  da«  Ziel  der 
menschlichen  Vollkommenheit  in  dem  Gleichgewicht  der  physischen  Kraft  mit  der 
moralischen  und  intellektuellen,  der  Verbindung  von  Idealismus  und  fruchtbarer  Tliätig- 
keit.  Goethe  schloss  den  „Faust"  nicht  tragisch,  weil  ihm  am  Ende  seines  Lebens  die 
Bedingimgen  der  dramatischen  Produktion  im  höchsten  Stil  mangelten.  Er  betrachtete 
ruhig  die  Mensrliheit,  und  der  frühere  Skeptiker  Faust  fand,  gestützt  auf  die  Geschichte, 
die  Hoffnung  auf  ihre  Zukunft  wieder.  —  Unzureichend  in  jener  Beziehung  ist  der  Auf- 
satz von  Schütz -Wilson  !-<*),  der  den  ganzen  zweiten  Teil  für  eine  lange  dunkle  Alle- 
gorie erklärt,  die  nirgends  das  Herz  rühren  könne.  —  An  drei  verechiedenen  Stellen 
hat  Düntzer  124-126)  die  Genesis  des  ganzen  zweiten  Teils  vorgeführt.  Zuerst  behandelt 
er  die  ersten  beiden  Akte.  Er  verlegt  den  Anfang  ins  Jahr  177<)  nnd  sieht  als  erstet» 
Entwurf  Par.  (55  an.  Eckennatwis  Angabe,  die  Terzinen  des  Vorspiels  entstannnten  den 
schweizer  Eindrücken,  hält  er  für  ungenau.  Par.  UX3  wird  vor  dem  Juli  1827  angesetzt. 
Er  stellt  alle  Daten  für  die  weitere  Arbeit  genau  zusammen  mit  zuweilen  willkürlichen 
Bestimmungen  der  Entstehungszeit  einzelner  Teile  und  giebt  dann  einen  klaren  Abriss 
beider  Akte  mit  steter  Hinzuziehung  der  früheren  Entwürfe,  selbstverständlich  nicht 
ohne  polemisches  Beiwerk.  Die  Vermutung  Erich  Schmidts,  „Pliallus'  für  „Phillus" 
(zu  V.  5192/5)  findet  er  „entsetzlich"  und  schlägt  statt  dessen  ..Niklas"  vor.  Warum 
nicht  sonst  irgend  einen  beliebigen  Nainen?  Par.  105  Z.  11  vermutet  er  „Elemente" 
statt  „Stände".  Zu  K^^  (15,  2,  21)  schlägt  D.  statt  „alle  singt"  vor  „alles  eint";  woher 
weiss  er  aber,  ob  dieses  „offenbar  Sinnlose"  der  Angabe  Schmidts  nicht  auf  durchaus 
sicherer  Lesung  beruht,  und  welche  Gründe  hat  er  gerade  für  seine  eigene  Fassung, 
da  sie  doch  graphisch  jener  nicht  näher  steht  als  viele  andere,  die  ebensowenig  innere 
Beziehung  z\i  der  Stelle  haben?  So  kann  man  auch  bei  den  meisten  anderen  Ver- 
mutungen D.s  fragen.  Par.  127  wird  willkürlich  zu  „Finstere  Gallerie"  gezogen, 
V.  640B— 14  für  einen  späteren  ungehörigen  Zusatz  erklärt.  Besonders  beachtenswert 
ist,  was  D.  zur  Schöpf\ing  des  Baccalaureus  und  der  neuen  Gestalt  Wagners 
beibringt.  Mit  Recht  erklärt  er  die  Einordnung  von  Par.  128/0  und  130/1 
für  bedenklich.  Aufs  ernsteste  ist  es  zu  rügen,  dass  er  gegen  den  Scliluss, 
noch  dazu  bei  Gelegenheit  einer  ganz  gleichgültigen  Quisquilie ,  einen  durch- 
aus unparlamentarischen  Ausdruck  gegen  den  Forscher  gebraucht,  dem  er  wie 
alle  anderen,  überhavipt  erst  die  Möglichkeit  einer  solchen  Untersuchung,  wie  er  sie 
anstellt,  verdankt.  In  derselben  Weise  und  dem  gleichen  Tone  bespricht  D.  die  „Klas- 
sische W^alpurgisnacht".  Er  bemängelt  in  seinem,  viele  Einzelheiten  fördernden  Aufsatz' 
die  W^eimarer  Ausgabe,  ohne  zu  sagen,  wie  denn  die  ungeheure  Menge  übersichtlicher 
vorzulegen  war,  fordert  Faksimiles  —  d.  li.  einen  riesigen  Atlas  der  unleserlichen  Stellen, 
zu  denen  er  schai-fsinnige  Vermutungen  beibringt,  stattet  auch  die  sicher  gelesenen  selu 
zuversichtlich  mit  zahlreichen  Konjekturen  aus,  verlangt  fortwährend  Anmerkungen,  die 
im  Plane  der  Ausgabe  nicht  möglich  sind,  und  nimmt  an,  dass  der  Herausgeber  alles 
nicht  weiss,  was  er  nicht  sagt.  D.  geht  zunächst  die  ältesten  Helenapartien  durch, 
emendiert  külni  Par.  84,  14  0  .  .  .  in  „El[ysiuinJ",  verweist  Par.  85  in  die  zwanziger 
Jalire,  da  die  älteste  Phase  keine  Triiueter  und  keine  Phorkyas  kenne,  wiederholt  die 
Entstehungsdaten  von  1800,  um  dann  „Abschied"  und  „Abkündigung"  auslührlich  zu 
besprechen:  die  Annalime,  sie  möchten  vielleicht  schon  1797  entstanden  sein,  heisst 
„kaum  begreiflich",  richtig  scheint  ihm  vielmehr  1802;  die  Lesart  „ähnliches"  (dem 
„Faust"  ähnliches!),  blosser  Hörfehler  statt  „episches,"  ist  „reiner  Unsinn'-,  und  so  wird 
alles  polemisch  gefasst.  Er  nimmt  die  Chronologie  wieder  auf,  bezieht  Par.  115  nicht 
auf  den  Mmnmenschanz,  sondern  giebt  es  dem  Euphorion,  119  dem  be8chwt)renden  Faust. 
geht  dann  die  Schemata  der  „Klassischen  Walpurgisnacht"  von  182<»  und  1830  langsam 
nacherzählend  und  Kleines  einordnend  durch  und  erörtert  lehrreich  Verschiebungen  in 
Skizzen  und  Ausfülu-ung.  Er  korrigiert  den  Lapsus  (wohl  vei-standen :  in  der  chaotischen 
Masse  der  einzige  Lapsus  dieser  Art)  beim  Par.  1.5(5,  das  der  Sphinx  gehört  und  worin 
der  „Grossen  Chöre"  in  „der  grosse  Chiron"  zu  ändern  ist.  N.  153  teilt  er  dem  Chiron 
zu,  N.  142,  das  der  Herausgeber  übrigens  nicht  „dem  Seismos  giebt",  bezieht  er  auf 
Pluto  und  knüpft  an  die  selbstverständliche  Belehrung  über  trochäische  und  jambische 
Varianten  in  N.  133  weiteres  über  Pluto  al."  ursprünglichen  Ersatzmann  des  Seismos. 
Zu  N.  137  wird  „Reich"  in  das  graphisch  ferne  „gleich"  geändert  „ohne  Zweifel",  in 
N.  135  „mir"  in  „nun",    N.  141    der  Ureas    und    N.  140    der  Drjas    gegeben,    N.  143/6 

RerisU  de  Artes  y  Letras  di  Santiago  7,  S.  142 ff.)  -  123)  H.  SihOti-WilBon.  Tho  Mcond  pari  of  Fangt:  PnblBnglGMtlM 
Soc.  6,  S.  1—21.  |[M.  Koch.  BFDH.  NF.  8,  S.  260.]  -  124)  S.  o.  N.  3.  —  125)  H.  DBntier,  D.  EnUt«hun)C  d.  2.  Teile« 
V.  Goathas  „Fanst",  iiisbes.  d.  klass.  Walpurgisnacht,  uaoh  d.  neuesten  Mitteilungen:  ZDPh.  23,  S.  67— 104.  [M.  Koch:  BFDH. 
NF.  8,  S.  2t>5.]i  —  126)  S.  o.  N.  3.  -  127)  0.  Cl.,  Homunkulus:  LZg".  N.  6».  -  128)  (IV  9b  :  100.)    -    129)  C.  Nohle,    Za 


IV 9o:  130-131.  G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  202 

unserem  Gedicht  abgesprochen.  Die  Dichtung  sei  wohl  im  März  1830  bis  zur  VerM'and- 
lung  des  Mephisto  in  eine  Phorkyade  abgeschlossen  gewesen.  D.  geht  dann  den  Rest 
durch:  bei  den  Schemaworten  „Cory-banten  von  Cor."  ist  ihm  „E.  Schmidts  allen  kriti- 
schen Grundsätzen  widerstrebendes  Verfahren  unbegreiflich",  weil  der  Herausgeber  (doch 
wohl  nach  einer  Quelle  Goethes!)  das  Cor.  „zu  Corybissa"  ergänzt  habe,  statt  „Cr[eta]" 
zu  lesen  oder  zu  emendieren.  Par.  149  soll  dem  Proteus  gehören,  N.  151,  sehr  korrupt, 
giebt  zwei  Versuche  zum  Sirenenlied  v.  8034  ff.  Ueber  D.s  Behandlung  der  beiden 
letzten  Akte  können  wir  uns  etwas  kürzer  fassen.  Das  Wenige,  was  aus  dem  ältesten  Stadium 
der  Arbeit  hier  erhalten  ist,  kommentiert  D.  in  einer  Weise,  dass  man  sich  fragen 
muss,  an  welche  Art  von  Lesern  er  überhaupt  gedacht  haben  mag,  nebenbei  aber  trübt 
er,  besonders  zu  Par.  94,  3 — 5,  den  leichtverständlichen  Sinn.  Er  setzt  die  Stelle  nur 
wegen  der  Uebereinstimmung  mit  dem  „Prolog  im  Himmel"  ins  Jahr  1797.  Alle  be- 
kannten Daten  zur  Entstehungsgeschichte  stellt  er  gewissenhaft  zusammen,  erörtert  die 
Reihenfolge  der  Schemata  und  erläutert  sie,  wobei  hier  und  da  wieder  gesuchte  Parallelen 
auffallen  (wie  z\i  Par.  178,  27  f.  die  Erinnerung  an  den  Siegesjubel,  den  Goethe  1792  (!) 
im  österreichischen  Lager  gehört  hat).  Die  wichtigen,  ja  für  das  Ganze  unentbehrlichen 
Stellen  v.  11403 — 18  und  11433 — 52  nennt  er  eine  ,, nicht  besonders  glückliche"  An- 
knüpfung an  den  ersten  Teil,  während  wir  gerade  diese  Partien  ihrem  ganzen  Tone 
und  der  Beschaffenheit  der  Hss.  nach  (siehe  15,2  S.  147  zu  H"  und  S.  150  zu  v.  11043 
bis  11419)  für  älter  als  das  Uebrige  halten  möchten.  Dagegen  erhält  die  Aiuiahme, 
dass  der  Schluss  des  vierten  Aktes  das  zuletzt  Gedichtete  sei,  eine  weitere  Stütze  durch 
D.s  Mitteilung,  dass  Goethe  am  14.  Juli  1831  Olenschlagers  Erläuterung  der  goldenen 
Bulle  von  der  Bibliothek  entliehen  hat.  Li  der  Betrachtung  beider  Akte  deutet  D. 
treffend  manchen  Punkt  in  den  Skizzen,  die  der  Ausführung  vorangingen,  bei  anderen 
erzielt  seine  unwiderstehliche  Neigung  zum  Besserwissen  gewagte  Behauptungen.  So 
in  Par.  179,  wo  er  für  das  angeblich  ,, unsinnige"  Paralogus  ,,Prologus"  verlangt, 
während  doch  in  der  Hs.  das  Wort  höchst  deutlich  ist  und  auch  einen  guten  Sinn  als 
„Nebenrede,  Betrachtung"  ergiebt.  Den  Knoten  Par.  179,  3  f.  löst  er  gewaltsam  durch 
Annahme  eines  Schreibfehlers  und  macht  es  Schmidt  zum  Vorwurf,  dass  er  den  Text 
ohne  jede  Hinweisung  auf  die  von  Goethe  ,, offenbar  beabsichtigte"  (aber  nicht  vor- 
handene!) Passung  gegeben  habe.  D.s  Behauptung,  dass  Z.  7  ff.  nicht  Fortsetzung  des 
Entwurfs,  sondern  weitere  Ausführung  des  Schlusses  seien  und  dass  Z.  10  ein  neues 
Schema  beginne,  erscheint  begründet.  In  den  Versen  am  Schlüsse  von  Par.  179  will 
er  statt  „Thyrsus"  —  ,,Kürass"  lesen,  Par.  185  löst  er  in  Prosa  auf  und  teilt  es  durch 
Punkt  (mit  welchem  Recht?);  Par.  181,  8  soll  es  statt  „bewährt"  jedenfalls  ,, gewährt" 
.  heissen.  Par.  199,3  ist  ,, Griechin"  eine  gute  Konjektur.  Den  vorsichtigen  Versuch, 
N.  204  einziu-eihen,  brauchte  er  nicht  mit  dem  feinen  Ausdruck  „geradezu  abgeschmackt" 
zu  verwerfen.  Auch  die  Zugehörigkeit  von  N.  190  und  198  zum  ,, Faust"  lehnt  er  ab. 
N.  195,  8  vermutet  er  Christus  und  dessen  Mutter.  V.  11934 — 65  (so  ist  wohl  statt  56 
zu  lesen)  glaubt  er  als  später  gedichtet  ausscheiden  und  11966 — 80  den  das  Unsterbliche 
Fausts  tragenden  Engeln  zuweisen  zu  müssen.  Eine  neue  Deutung  des  Homunculus  ^^7) 
erklärt  ihn  für  das  Symbol  einer  nach  dem  Leben  rii]genden  Idee,  der  Idee  der 
Schönheit.  Fausts  Traum  im  Studierzimmer  zeige  das  Entstehen  der  Schönheit,  den 
Hinweis  auf  Griechenland,  um  sich  dort  das  Ideal  anzueignen,  das  ihm  bis  jetzt  in 
unerreichbarer  Ferne  vorschwebte.  Dieser  Prozess  wird  durch  die  Einführung  des 
Homunculus  vor  Augen  gestellt,  der  dann  überflüssig  ist,  als  Faust  das  Schöne  (Helena) 
erlangt  hat.  —  Eine  anmutige  Erklärung  des  Euphorion  teilt  Wähle  ^^s)  mit.  —  In 
V.  10067  erklärt  Nohle  1^9)  das  „endlich"  aus  dem  ungeduldigen  Charakter  des  Me- 
phistopheles.  —  Irmisch'^o)  erläutert  auf  Louviers  dunklen  Pfaden  schreitend  v.  8994 
bis  9041.  Die  Farben  im  letzten  Verse  sind  ihm  die  des  Buchdruckerwappens,  die 
Wappen  die  Drucker-  und  Verlegermarken,  der  muntere,  kecke,  wohlgebildete  Mann 
(v.  9011  f.)  ist  Cotta,  das  Thalgebirg  die  Litteratur,  der  Bach  Eurotas  die  Bücher  usw.  - 
Ströhli^ij  ixat  sich  die  unnötige  Mühe  genommen,    doni  zu  widersprechen.  — 


Qoethes  Faust:  ZDU.  5,  8.  60/1.    —    130)    L.    Irmisch,  1).  Buchgewerbe    in  Goethes  Fsust:    ZDUuchdnicker   3,  S.  143/4. 
81)  H.  Ströhl,  D.  Buchgewerbe  in  Goethes  Faust,     ^Entgegnung):  ib.  S.  163. 


203  A.  Köster,  Schiller.  IV  10:  PI. 

IV,10. 

Schiller. 

Albert  Köster. 

Biof;r«pb  ittehes:  VollbUndig^  Biographien  N.  1.  —  Eini«lb«itrtf«  N.  8:  Frthtait  N.  9;  Dratdm  und 
HudoUUdt  N.  14;  Totenfeier  N.  18;  Verkehr  mit  Zeitgenoneen  N.  19.  —  Rriefwechael  N.  2H.  —  Werlie  N.  33: 
rrosaschriften  N.  'Xi.  —  Gedichte:  Allgemeines  N.  41;  Einteloeii:  Olock«,  Kampf  mit  dem  Draehoo,  Ritt«r  dea  Spital«  •« 
Jerusalem,  Stammbuchrera  N.  40.  —  Dramen  N.  68:  AllgemelneB  N.  08;  Rlnber  N.  6fi;  Kahalo  und  Liebe  N.  10;  Don  Carlos  N.  72; 
Wallenstein  N.  78;  Maria  Stuart  N.  1K);  .lungfrau  TOn  Orifans  N.  95;  Braut  von  Messlna  N.  109;  Teil  N.  110;  r«b«rs«tanngan 
und  Bulinenbearbeitungen  N.  116;  Nacblass  N.  12:1.  —  Verschiedenes  N.  ISU.  — 

Die  Zahl  der  vollständigen  Biographien  Schillers'-*)  ist  im  Berichtsjalire 
nicht  vermehrt  worden,  denn  die  13.  Auflage  von  Palleskes  '^)  Schillerbiographie  ist 
ein  unveränderter  Abdruck  der  12.,  die  auf  dem  Titel  den  Zusatz  hatte:  „bearbeitet  von 
Hermann  Fischer."  Selbst  der  Druckfehler  „Wilhelm  von  Hoven"  statt  „Friedrich 
von  Hoven"  ist  1,  S.  56  stehen  geblieben.  — 

Aber  einen  wichtigen  Einzelbeitrag  zu  einer  Schillerbiographie  bildet  die 
zweite  Auflage  von  Kuno  Fischers  8)  Sclirift  „Die  Selbstbekenntnisse  Schillers" 
ferste  Auflage  1858).  Man  darf  freilich  kaum  von  einer  zweiten  Auflage,  sondern  muss 
fast  von  einem  neuen  Werke  reden,  das  denn  auch  seinem  erweiterten  Inhalt  ent- 
sprechend den  Titel  trägt:  „Schillers  Jugend-  und  Wanderjahre  in  Selbstbekenntnissen." 
Den  ursprünglichen  Charakter  eines  gesprochenen  Vortrags  hat  der  Vf.  nur  in  den  ein- 
leitenden Sätzen  festgehalten,  im  weiteren  Verlauf  jedoch  und  besonders  in  allen  neuen 
Zusätzen  aufgegeben.  Die  Grundauffassung  von  Schillers  Charakter  und  Entwicklung 
ist  die  gleiche  geblieben;  aber  überall  ist  der  Text  durch  Einschaltungen  bereichert, 
nicht  immer  zum  Vorteil  des  Ganzen.  So  soll  gleich  im  Beginn  die  in  der  ersten  Auf- 
lage stetig  fortschreitende  Darlegung,  wie  in  Schiller  der  Dichter,  dessen  Phantasie  ins 
Unbegrenzte  hinausstrebt,  mit  dem  Künstler,  der  an  geschlossene  Formen  gebunden  ist, 
streitet,  durch  eine  Reihe  von  Lebensdaten  erläutert  werden,  die  aber  an  dieser  Stelle 
nur  den  Zusammenhang  unterbrechen.  Ganz  wie  in  der  ersten  Auflage  setzt  dann  die 
Betrachtung  mit  Rousseaus  Natur-  und  Freundschaftskultus  ein;  aber  sehr  reizvoll  ist 
es,  zu  beobachten,  mit  wie. viel  grösserer  Souveränität  F.  jetzt  den  Stoff  behandelt. 
Wohl  lässt  er  der  Darstellung  den  bisweilen  rhythmischen  Schwung,  aber  er  befreit  sie 
von  allem  entbehrlichen  Detail  und  schaltet  ferner  zwischen  Rousseau  und  Schiller  eine 
neue  Mittelsperson  ein:  H.  P.  Stiu'z.  Dabei  geht  er  allerdings  in  der  Aufdeckung  von 
Einfltissen  des  dänisch-deutschen  Schriftstellers  etwas  zu  weit.  Es  liegt  kein  zwingender 
Grund  vor,  in  ihm  das  Urbild  des  ..i'eisenden  Dänen",  der  den  Mannheimer  Antiken- 
saal besucht,  zu  sehen;  J.  Minor  hat  vielmehr  mit  grösserem  Recht  auf  K.  L.  Rahbeck 
hingewiesen  TAus  dem  Schiller-Archiv  S.  36).  Und  das  Motiv  von  der  Kindesraörderin 
war  in  den  siebenziger  und  achtziger  Jahren  zu  verbreitet,  als  dass  hier  die  Schriften 
von  H.  P.  Sturz  die  alleinige  Anregung  gegeben  haben  sollten.  Von  den  ersten  Er- 
örterungen über  die  Seelenstimmungen,  die  Schiller  mit  Rousseau  teilte,  ging  nun  der 
zu  Grunde  liegende  Vortrag  F.s  gleich  auf  die  dramatischen  Dichtungen  über,  beutete 
also  Schillers  Selbstbekenntnisse  in  der  „Anthologie"  bei  weitem  nicht  aus.  Das  holt  die 
zweite  Auflage  nach;  mehr  als  100  Seiten  widmet  F.  jetzt  diesem  Nachtrag.  Nach  einer 
Würdigung  der  Freundschaftsode  werden  vier  ganz  neue  Abschnitte  eingereiht:  Die 
Laiu-alieder,  Der  Streit  in  der  Seele  des  Dichters,  Die  Bilder  des  Todes,  Der  Herzog 
Karl  und  Schiller.  Die  gleiche  gegenstandslose  Sehnsucht  nach  Freundschaft  und  Liebe, 
die  auch  Rousseau  beseelt  hatte,  hat  die  Freundschaftsode  und  die  Lauralieder  hervor- 
gerufen. F.  erklärt  die  Frage,  ob  an  diesen  Liebesphantasien  die  Witwe  Vischer  oder 
ilire  Nichte  Wilhelmine  Andrea  irgend  welchen  realen  Anteil  gehabt  haben,  mit  Recht 
für  gleichgiltig.     Ihm  liegt  dai-an,  zu  zeigen,  wie  Schiller  bei  seiner  Freundschaft-  und 

I)  X  Karoline  v.  Woixogen,  Schillers  Leben.    Leipiig,  Bibliograph.  Inst.    o.  J.    SS8  S.   M.  0,50.   (TezUbdrack.)  — 

t)  X  J-  Minor,  Schiller.  Bd.  1    u.  2  (Tgl.  JBL.    1890    IV    12):  I'.  Weixslcker:  KBIGRW.  38,  S.  189—72;  0.  HcUinghaut: 

^LBs.  17,S.  21:  Vey  ssier:  KCr.  26,  S.  4;  Nation».  S.  317  8;  K.  Francke:  MLN.  6,8.  41.S/7;  E.  .Strl  ler:  Post  N.  22;  0.  Seliger: 

'     (genw.  39,  S.  136/8;  Q.:  DR.  16,  I,  S.  126. —  3)  X  Weltrich,  Schiller:  H.  Falkenheim:  NaÜon".  S.  317/8;  E.  Strlter:  Post 

22;    A.  KO»ter:    HZ.  67,    S.  96.  —  4)  X  E-  Strlter,  0.  Brahm.    Schiller:    Post  N.  22.  —  8l  X  K-  B.,    Bec  t.  S«hille« 

Leben  u.  Wirken.   In  zwanglos  gebundener  Rede  dargest.  v.  e.  Ungenannten,  aber  doch  Bekannten.    Stuttgart  1888:  DDichtung  10, 

299.  —  6)  XX  0.  Brahm.  Aus  Schillers  Leben.    I-III  (sJehluss):  FZg.  N.  267.  26'.».  271.    (BruchstBcke  aas   B.s  SchUI«r- 

ttgraphie.)    —    7)E.  Palleske,    Schillers  Leben  u.  Werke.     13.  Au«.    2  Tle.  In  1  Bd.     Stuttgart,   Krabbe.    XVI,  368  u.  III, 

S.    M.  5,00.  —  8)  Kuno  Fischer,  Sehillers  Jugend-  u.  Wandeijahre  in  Selbstbekenntnissen.    2.  neabearb.  n.  rem.  Aul. 

„Schillers  Selbstbekenntnissen".  (=  Schillerscbriften.   Erste  Reihe.    1.)  Heideibei^.  Winter.    262  S.    D.  erst«  Reihe  M.  6,00. 

Meyer  t.  Waldeck:  AZgB.  (1890)  N.  301  (304)  u.  (1891)  M.41;  SchwIbKron.  25.  Ulrs;  ML.  «0,  S.  400;  BLU.  &  IM-M, 


IV  10:  5>-io.  A.  Köster,  Schiller.  204 

Liebessehnsucht  Genüge  fand  in  der  Betrachtung  jener  grossen  Weltharmonie,  die  in 
der  Körperwelt  herrscht  wie  in  der  Welt  der  Geister,  dort  als  Gravitation,  hier  als  An- 
ziehung der  Seelen.  Eine  lichtvolle  Deutung  der  rätselhaften  Schlussstrophen  des  „Ge- 
heimnisses der  Reminiscenz"  trägt  F.  auf  S.  61  vor.  Vergleicht  man  unter  den  Lauraoden 
die  erste  mit  der  letzten,  die  „Phantasie"  mit  der  „Melancholie",  so  erkennt  man  zwei 
polar  entgegengesetzte  Lebensanschauungen,  die  in  dem  jungen  Schiller  zu  seiner  eige- 
nen Qual  sich  bekämpften:  neben  den  freudig  optimistischen  Vorstellungen  seiner 
Theosophie  wohnt  ein  pessimistisch  gefärbter  Materialismus.  Sie  ringen  mit  einander  um 
die  Oberherrschaft  wie  in  dem  Gespräch  „Der  Spaziergang  unter  den  Linden".  Dass 
dieser  Widerstreit  auf  litterarische  Einflüsse  zurückgeht  und  zwar  hauptsächlich  auf 
„Hamlet"  und  die  „Nouvelle  Heloise",  ist  richtig;  doch  wären  hier  auch  noch  andere 
Eaktoren  zu  nennen.  Mit  Recht  aber  leitet  E.  aus  diesem  „Streit  in  der  Seele  des 
Dichters"  zum  guten  Teil  die  Bestimmung  Schillers  zum  tragischen  Dichter  ab.  Er 
erkennt  denn  auch  die  tragische  Grundstimmung  schon  in  manchen  Jugendgedichten, 
besonders  in  den  auffallend  zahlreichen  „Bildern  des  Todes".  Des  Dichters  eigene 
Todessehnsücht  ist  nun  freilich  nicht  allein  aus  widrigen  äusseren .  Umständen  zu  er- 
klären. Schiller  teilt  sie  vielmelir  mit  vielen  reich  begabten  Menschen,  denen  zeitweilig 
die  Welt  zu  eng  erschien,  um  Grosses  zu  leisten,  und  darum  der  Tod  als  „ein  Ziel 
aufs  innigste  zu  wünschen".  Hier  hätte  also  manches  psychologisch  tiefer  gedeutet 
werden  müssen.  Aber  alle  weiteren  Erörterungen,  die  F.  an  die  „Bilder  des  Todes" 
knüpft,  sind  ausserordentlich  gelungen:  die  Konsequenzen  aus  der  vorherigen  Ausein- 
andersetzung über  den  seelischen  Zwiespalt  Schillers  ergeben  sich  ungezwungen,  und 
vieles  deutet  schon  in  diesen  unreifen  Jugendschöpfungen  auf  den  künftigen  grossen 
Tragödiendichter.  Die  „Schlimmen  Monarchen"  und  die  „Todtenfeyer  am  Grabe  Riegers" 
leiten  sodann  zu  dem  folgenden  Abschnitt  hinüber:  Der  Herzog  Karl  und  Schiller. 
E.  urteilt  ungerecht,  wenn  er  sich  als  den  ersten  hinstellt,  der  Karl  Eugen  nach  seinem 
wahren  Werte  würdigt.  Es  ist  wahr,  man  hat  sich  meistens  damit  begnügt,  diesen 
Fürsten  nach  Möglichkeit  zu  entschuldigen;  ihn  zu  rühmen,  gelingt  auch  F.  nicht.  Auf 
die  unausgeglichenen  Gegensätze  in  den  Erziehungsplänen  des  Herzogs  hat  Schiller 
selbst  hillgewiesen  und  jeder  Biograph  daraus  die  Konsequenzen  für  die  Entwicklung 
des  Dichters  gezogen.  Was  aber  mit  solcher  Eindringlichkeit  nie  vorgetragen  iind  des- 
halb neu  bei  F.  ist,  das  ist  die  grosse  Wirkung,  die  Karl  Eugen  und  sein  Hof  auf  die 
dichterische  Phantasie  des  jimgen  Militärschttlers  ausgeübt  hat.  Kein  Dichter  hat  so 
wie  Schiller  fürstliches  Wesen  in  den  mannigfachsten  Abstufungen  zu  schildern  ver- 
mocht; es  ist  daher  mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  diese  Fähigkeit  aiis  Jugend- 
erinnerungen entsprang,  die  unbewusst  in  ihm  fortwirkten.  •Ueberzeugend  ist  der  Nach- 
weis solcher  Erinnerungen  im  „Geistei-seher".  Mit  dem  achten  Abschnitt,  der  von  den 
dramatischen  Selbstschilderungen  handelt,  lenkt  F.  wieder  in  die  Bahnen  der  ursprüng- 
lichen Untersuchung  ein.  Doch  finden  wir  auch  hier  beinahe  auf  jeder  Seite  Erweite- 
rungen, die  aus  den  Resultaten  der  vier  erwähnten  grossen  Zusatzkapitel  hergeleitet 
sind.  Wie  es  das  Thema  verlangt,  betrachtet  F.  die  vier  Jugenddramen  nicht  in  ihrem 
ganzen  Umfang,  sondern  fasst  nur  die  Personen  ins  Auge,  die  uns  Spiegelbilder  des 
jungen  Schiller  geben:  Karl  Moor,  Fiesco,  Ferdinand  von  Walter,  Don  Carlos,  Posa. 
Sich  selbst  getreu,  dabei  aber  von  Jahr  zu  Jahr  i-eifend,  beichtet  der  Dichter  seine 
Lebensanschaimngen,  am  umfassendsten  und  reinsten  als  Mar(juis  Posa,  weil  hier  kein 
Zweifel,  keine  Leidenschaft,  kein  Egoismus  die  reine  Begeisterung  trübt  und  weil,  als 
Schiller  den  grossen  Forderungen  dieses  Freiheitsapostels  Worte  verlieh,  der  „Streit  in 
seiner  Seele"  ausgekämj)ft  war.  Wie  das  geschehen,  wann  der  Dichter  Frieden  ge- 
funden hat,  verraten  die  „lyrischen  Selbstbekenntnisse".  Auch  hier  erweitert  und  er- 
gänzt F.  das  Gesamtbild  durch  Heranziehung  der  , .Freigeisterei  der  Leidenschaft", 
der  ,, Resignation"  und  des  „Liedes  an  die  Freude".  Es  zeigt  sich,  wie  der  Dichter  in 
hartem  Kampfe  die  düsteren,  trostlosen  Elemente  in  seiner  Lebensanschauung  bezwingt, 
wie  die  Verbitterung  sich  mildert  zur  Klage,  wie  er  seines  Künstlerberufes  nach  und 
nach  inne  wird.  Zu  weit  geht  F.  mit  der  Leugnung  jedes  Einflusses  von  Charlotte 
von  Kalb  auf  die  „Freigeisterei";  es  steckt  doch  ein  weit  stärkeres  persönliches  Element 
in  diesem  Gedicht  als  in  den  Lauraoden.  Die  Abhandlung  schliesst  wie  einst  der 
Rosen-Vortrag  mit  der  Erläuterung  der  „Götter  Griechenlands'  als  Elegie,  nicht  als 
Hymnus  und  mit  einem  Ausblick  von  den  „Künstlern"  zur  „H\ildigung  der  Klinste". 
Die  Schrift  zeigt  alle  Vorzüge  und  Nachteile  der  Werke  F.s.  Kein  Schriftsteller 
schickt  seiner  Darstellung  eine  so  eingehende  Disposition  voraxif,  keiner  teilt  seinen 
Stoff  in  so  viele  Abteilungen  und  Unterabteilungen  ein.  Gedankenklar  begrenzt,  ver- 
einfacht und  isoliert  F.  seine  Probleme  und  schreibt  im  durchsichtigsten  Stil.  Das  wirkt 
natürlich  bestechend,  denn  regelmässig  geht  seine  Rechnung  völlig  glatt  auf,  ohne  dass 

337/8;   NZg.  N.  127;   HambC'orrs.  N.  1;   HambNscbr».   N.   H.]j  -   9)  X  V.  Marbacher  Schillerhaus:   FZg.    N.   260.    -    10)  X 


205  A,  Köster,  Schiller,  TV  10:    11-2«. 

ein  Rest  oder  ein  Bruch  bleibt.  Nun  liegt  jedoch,  nach  einem  Goetheschen  Faust- 
})aralipomenon,  ein  grosses  ClelioinmiH  gerade  in  den  Brüchen.  Und  menschliche  Ver- 
hältnisse sind  meistens  so  kompliziert,  dass  das  Exempel  nicht  rein  zu  lösen  ist.  Je 
reicher  ein  Mensch  veranlagt  ist,  desto  tiefere  Rätsel  giebt  er  auf.  Nach  F.s  Dar- 
stellung aber  muss  man  glauben,  er  habe  Scliiller  auf  den  Grund  der  Seele  gesehen; 
hier  giibe  es  keine  Rätsel  mehr.  Wir  schöpfen  reiche  Belehrung  aus  dem  Buche, 
dürfen  aber  nicht  vergessen,  dass  jenseits  dieser  Darlegung  noch  neue  Rätsel  der 
Lösung  warten.  — 

lieber  Schillers  Frühzeit '"*<>)  haben  wir  einige  neue  Beiträge  erhalten  aus 
dem  Nachlass  des  ehemaligen  Karlschülers  Petersen.  •!)  Sie  gewähren  neben  ein  paar 
unbedeutenden  Notizen  (SclüUers  Vorliebe  für  Sdiinken,  ergebnisloser  Besuch  bei  dem 
Göttinger  Historiker  Spittler,  der  in  Stuttgart  anwesend  war,  und  Schillers  Aeusseres 
in  den  Jahren  J781  und  1782)  einen  intiM-cssanten  Beleg  für  den  brietiichen  Verkehr  mit 
Wieland.  Dieser  schreibt  am  »5.  März  17H2  an  Herrn  H.  W.  in  Stuttgart  viel  Rührendes 
über  den  Menschen  Schiller,  kann  aber  des  Verfassers  der  „Räuber"  nur  mit  einem 
„Leider!"  gedenken.  —  Unter  Zugrundelegung  des  bekannten  Berichtes  über  die  „Grau- 
bündener  Händel"  im  Schwäbischen  Museum  1785  erörtert  HummeH^^  noch  einmal  die 
Gründe  und  den  Zeitpunkt  der  Denunciation,  die  Schiller  bei  dem  Herzog  durch  den 
Garteninspektor  Walter'^)  erfuhr,  auch  diesmal  ohne  dass  die  unbekannten  Beweg- 
gründe zu  dem  niedrigen  Vorgehen  klar  würden.  — 

Eine  Reihe  kleiner  Publikationen  fülu:t  uns  an  die  Stätten,  wo  Schiller  vor- 
übergehend gelebt  hat'"*).  Nestlers  1^)  Schrift  über  das  ehemalige  Körnei-sche  Besitztum 
in  Loschwitz  bei  Dresden  fusst  in  ihren  biographischen  Partien  nur  auf  den  gangbaren 
Darstellungen,  bringt  aber  manche  schätzbare  Einzelheiten  über  das  äussere  Schicksal 
des  Körnerschen  Weinberges,  Besitzweclisel  usw.  Das  Bemühen,  die  Vergangenheit 
möglichst  anschaulich  zu  machen,  giebt  sich  in  der  Beigabe  zweier  Ansichten  von  Losch- 
witz und  Blasewitz  aus  dem  Jalire  171)0  kund,  die  aber  sehr  dürttig  ausgefallen  sind. 
Was  uns  Lewinsky^'')  über  die  Schiller-Erinnerungen  in  Rudolstadt^^)  mitteilt,  ist 
so  sehr  mit  unverbürgten  Anekdoten  und  geschmacklosen  Anmerkungen  durchsetzt,  dass 
es  auf  Beachtung  keinen  Anspruch  hat.  Erwähnt  sei  nur,  dass  dort  ausser  Schüler  und 
Lotte  auch  ihre  älteste  Tochter  Karoline,  die  Frau  des  Bergrats  Junot,  die  eine  Er- 
ziehungsanstalt leitete,  im  Andenken  der  Nachwelt  fortlebt.  — 

Sonst  haben  wir  von  Beiträgen  zu  Schillers  Biographie  nur  noch  eine 
Musterung  der  Totenfeiern i^)  zu  verzeiclmen,  die  bald  nach  des  Dichters  Ende  auf  den 
deutschen  Bühnen  veranstaltet  wurden.  Ausser  liflands  Bericht  über  die  BerUner  Fest- 
vorstellung vom  9.  Mai  1806  wird  ein  Artikel  aus  dem  „Freimütliigen"  reproduciert,  der 
die  Stuttgarter  Auiführung  vom  10.  November  1805  besclu"eibt.  Das  für  diesen  Tag 
gedichtete  Festspiel  des  Epigrammatikers  Haug  ist  bis  heute  verschollen;  nach  den 
Proben,  die  der  „Freimüthige"  mitteilt,  lässt  sich  dieser  Verlust  aber  verschmerzen.  — 

lieber  Schülers  Verkehr  mit  Zeitgenossen  *'••■-')  ist  mancher  neue  Beitrag 
veröffentlicht  worden.  E.  Schneider  ^2^  brachte  einen  Lebensabnss  des  ersten  Inten- 
danten der  Militärakademie  auf  der  Solitüde,  Dionys  von  Seeger,  der  es  mit  bewunderns- 
werter Schnelligkeit  vom  Staudartenjunker  und  Gouverneur  der  Garten-  und  Stuccatur- 
knaben  zu  den  Jiöchsten  militärischen  Elirenstellen  gebracht  hat.  Mit  Recht  wird  neben 
der  oft  übertriebenen  Strenge  dieses  pflichttreuen  Mannes  seine  grosse  Begabung  und 
Thatkraft  hervorgehoben.  Der  Vf.  der  kurzen  Lebensskizze  keiuit  die  Frhrl.  Seegerschen 
Famüienpapiere,  hat  sie  aber  sicherlich  für  diesen  Abriss  nicht  ausbeuten  können.  — 
Die  Gebeine  von  Schillers  Jugendfreund  Andreas  Streicher-'*)  (f  -5.  Mai  1833),  seiner 
Frau  Nanette  (f  18.  Jan.  1833)  und  seinem  Sohne  Johann  Baptist  (f  28.  März  1871) 
sind  1891  auf  dem  Wiener  Centralfriedhof  beigesetzt  worden.  —  In  der  ADB.  hat  durch 
Schott--*)  auch  der    berüchtigte    Schwäbische    Räuber    Schwan,    der    ,.Sonnenwirtlüe-, 


Schiller  auf  d.  Karlsschule.  BSr  17,  S.  4(il.  (UnrerbUrgto  Anekdote  v.  e.  angeschickt«!!  Ausred»  .Schiller»  «af  d.  Militlr- 
;>kademic.)  -  II)  J.  H.,  Zu  Schillers  Leben:  BItSW.  S.  31,2.  -  12)  F.  lllnmniel].  Zu  Schillers  Flacht  «O!« 
Württemberg:  ib.  8.  33-41.—  13)  X  A.  t.  Sclilo  ssberger,  Akten  über  d.  Denunziaaten  ."Schillers,  Garten-Insp«ktor  Walt«r,  f  ta 
Ludwigsburg  1787.  Nachtr.  zu  d.  Aufsatze  ,Zu  Schillers  Flucht*  (.ib.  N:'):  ib.  S.  113  5.  —  W)  x  F.  Lampadius.  D.  Oebarto- 
Ktatte  d.  Liedes  an  d.  Freude.  Das  Schillerhaus  in  Gohlis  (mit  Bild).  Leipzig,  Weber.  16  .^.  M.  0.60.  —  15)  M.  J.  Nestler, 
KOruerberg  u.  .Schillerhaus  in  Loschwitz  bei  Uresden.  Chronikartig  geschild.  u.  als  Bcitr.  i.  Lokalgesch.  d.  uniiiitt«lbai«n  I7a- 
gebung  V.  Dresden  her.  Dresden,  Goldstein.  42  S.  H.  1,00.  —  16)  J.  Lcwinsky,  Auf  Schillers  Spar«n  in  Badolstsdt  u. 
Volkstedt:  Didaskalia  N.  43.4.  —  17)  X  W.  Uenzen,  SchilUr  u.  Lotte.  LnsUpiel  in  4  Aafs.  (=  ÜB.  N.  2706.)  Leiptig,  B«claiB. 
o.  J.  72  S.  M.  0,20.  (Geethes  Konzeption  d.  „Wahlverwandtschaften",  d.  luf  offener  Scene  1789  in  Budolstadt  Tor  sieh  geht, 
ist  V.  grosser  ungewollter  Komik.)  —  18)  E.  M.,  Zu  Schillers  Gedächtnis  am  10.  Nov.:  SchwibKron.  N.  266.  —  I9j  X 
D.  Philosoph  V.  Gravenstein:  HambCorr.  N.  ;<10,  313.  (Beschäftigt  sich  mit  d.  Herzog  r.  Aagnstenburg,  d.  mit  .'^ehiller  im 
Hriclwechsel  stand.)  —  20)  X  E.  Dowden,  Schillers  Friendship  with  Ooeth«:  FortnR.  56.  .'^.  163—75.  (Auch:  EolMtir 
Magazine  117,  S.  493  u.  Littols  Living  Age  190,  S.  771  [Boston.))  —  21)  X  F.  Hammel,  D.  erstmalige  Begegnung  ."^chelling*  mit 
Schiller:  BBSW.  S.  191/2.  (Bespricht  d.  Brief  Schellings  an  s.  ElUm  t.  29.  Apr.  1796.)  —  22)  E.  Schneider, 
Christ.  Dionys.  Freih.  v.  Seeger:  ADB.  33,  S.  570  2.  —  23)  D.  Freund  Friedrich  Schillers:  HambFreradenbl.  N.  239  (aueb 
KZg.    N.283).    —   24)  (.1  5  :  402c.)    —    25)  E.  Hermann,  Christ.  Friedr.  Schwan:  ADB.  33,  S.  176  7.    —   26)  I..  Bob«,  Enat 


IV  10:  27-39.  A.  Kost  er,  Schiller.  206 

eine  Stelle  gefunden,  weil  er  als  Hauptperson  in  Schillers  „Verbrecher  aus  verlorner 
Ehre"  und  H.  Kurz'  „Sonnenwirth"  das  Interesse  in  Anspruch  nimmt.  S.  hat  für  diese 
Biographie  noch  neues  hs.  Material  benutzen  können.  —  Des  Räubers  Namensvetter, 
den  Mannheimer  Buchhändler  Schwan,  behandelt  E.  Hermann  25).  Er  legt  mit  Recht 
in  der  kurzen  Skizze  dieses  wechselvollen  Lebens  den  Hauptnachdruck  auf  die  Be- 
ziehungen zu  Schiller  und  knüpft  bei  dieser  Gelegenheit  ein  paar  Daten  über  die  älteste 
Tochter,  Margarethe  Schwan,  an,  um  deren  Hand  Schiller  im  Jahre  1785  ohne  Erfolg 
geworben  hatte.  —  Die  kleine  lebensvolle  Biographie,  die  B  o  b  e  ^6)  unter  Benutzung 
ungedruckter  Briefe  von  dem  Grafen  Schimmelmann  und  seiner  zweiten  Erau  entwirft, 
erweckt  von  neuem  das  Bedauern,  dass  durch  die  rohe  Vernichtung  des  gräflichen 
Archivs  in  Kopenhagen  die  Zeugnisse  für  den  reichen  Ideenaustausch  mit  Schiller  un- 
wiederbringlich verloren  sind.  Einen  kleinen  Ersatz  können  nach  Andeutungen  B.s 
einzelne  Stellen  aus  dem  Briefwechsel  zwischen  der  Gräfin  Schimmelmann  und  Luise 
Stolberg,  der  Gattin  des  Grafen  Christian  Stolberg,  bieten.  Denn  die  Gräfin  Charlotte 
hat  der  Ereundin  wiederholt  Schillersche  Aeusserungen  mitgeteilt.  Solch  einen  Wiederhall 
vernehmen  wir  aus  einer  Briefstelle,  die  B.  abdruckt.  Schiller  hat  über  sein  Verhältnis 
zu  Goethe  gesprochen,  hat  die  ,,Xenien"  verteidigt,  hat  (ohne  Zweifel  auf  eine  Anfrage 
der  Gräfin)  sich  über  Christiane  Vulpius  geäussert  und  einige  Bemerkungen  über  Fritz 
von  Stein  angeknüpft.  Sollte  sich  in  dem  Briefwechsel  der  beiden  Erauen,  der  von 
der  gräflich  Reventlowschen  Eamilie  bewahrt  wird,  noch  mehr  solcher  Stellen  finden,  so 
würde  sich  die  Veröffentlichung  ausgewählter  Partien  in  eirjer  Zeitschrift  lohnen 2'').   — 

Der  gedruckte  Briefwechsel  Schillers  ist  im  Jahre  1891  nicht  erheblich  ver- 
mehrt worden.  Die  neue  Gesamtausgabe  von  E.  Jonas  28)  hat  ihren  ersten  Band  im 
Jahre  1892  abgesclüossen  und  kann  deshalb  erst  im  dritten  Jahrgang  der  JBL.  zur  Be- 
sprechung gelangen.  —  Einen  neuen  Brief  von  Schiller  veröffentlicht  Minor 2»),  ein 
liebenswürdiges,  herzliches  Schreiben  vom  17.  Juni  1802  (ohne  Zweifel)  an  den  Schau- 
spieler Heinr.  Beck,  den  Mannheimer  Jugendfreund,  mit  dem  Schiller  erst  seit  kurzem 
wieder  m  brieflichen  Verkehr  getreten  war.  Er  sichert  ihm  Abschriften  der  „Maria 
Stuart",  der  „Jungfrau  von  Orleans"  und  der  jüngst  vollendeten  „Turandot"  zu  und 
erbittet  dafür  die  Unterstützung  des  jungen  Höltzlin  (Hölzel),  der  am  Mannheimer 
Theater  beschäftigt  ist  und  dessen  Eltern  einst  Schiller  in  Mannheim  so  uneigennützig 
Hülfe  geleistet  hatten.  Für  seine  „Turandot"  hofft  der  Dichter  bei  jedem  „fröhlichen, 
sinnlichen  Publikum"  das  Beste.  Mit  grosser  Nachsicht  urteilt  er  über  Iffland  und 
Charlotte  von  Kalb  und  giebt  schliesslich  seiner  plötzlich  erwachten  Reiselust  Aus  Iruck: 
nicht  nur  Mannheim,  auch  Schwaben  und  die  Schweiz  hofft  er  im  nächsten  Frühjahr 
besuchen  zu  können.  M.  schliesst  noch  einen  Brief  von  Charlotte  von  Schiller  an  einen 
Freund  (d.  i.  wahrscheinlich  jener  Schulz,  bei  dem  Lottens  Sohn  sonst  die  Weihnachts- 
ferien zubrachte)  an:  15.  Jänner  1813.  Der  Schmerz  über  den  unersetzlichen  Verlust 
ihres  Gatten  bleibt  ihr  immer  gleich  fühlbar.  Nach  einigen  Mitteilungen  über  ihren 
Neffen  Adolf  von  Wolzogen  und  ihren  Sohn  Ernst  streift  sie  die  wichtigsten  Ereignisse 
der  jüngsten  Vergangenheit:  das  Gastspiel  Ifflands  und  die  letzte  Krankheit  Wielands. 
—  Die  Hamburger  Nachrichten,  gestützt  auf  die  litterarische  Beilage  des  „Staats- 
anzeigers für  Württemberg",  drucken  schon  wieder  einmal  den  allzu  bekannten  Brief 
Schillers  an  Christophine  vom  6.  Nov.  1782  (nicht  1787)  ab^O)^  durch  dessen  von 
Weimar  aus  weit  verbreitetes  Faksimile  nun  schon  so  mancher  heitere  Irrtum  ver- 
anlasst wurde.  —  Zwei  Briefe  an  Schiller  von  Ludwig  Schubart,  die  Ad.  Wohlwill  3^) 
mitteilt,  zeigen  ähnlich  wie  der  bei  ürlichs  abgedruckte,  mit  welcher  landsmännischen 
Kollegialität  sich  der  Schreiber  seinem  berühmten  ehemaligen  Akademiegenossen 
näherte.  — 

Unter  den  Werken  32)  Schillers  wenden  wir  uns  zunächst  den  Prosa- 
schriften 33-38)  zu.  Die  Anekdote  „Herzog  Alba  bey  einem  Frühstück  auf  dem  Schlosse 
zu  Rudolstadt.  Im  Jahre  1547",  die  Schiller  nach  eigener  Angabe  aus  Söffings  „Res  in 
Ecclesia  et  Politica  Christiana  gestae"  geschöpft    hat,    weist    0.  Walther 39)    in    einer 


u.  Charlotte  Schimmelmann  in  ihrem  Verhältnis  zu  Schiller:  NationB.  8,  S.  575/8.  —  27)  X  J-  W.  Braun,  Ernst  y.  Schiller. 
Geb.  am  11.  Juli  1796  lu  Jena,  gest.  am  19.  Mai  1841.  E.  Lebensbild  v.  Schillers  jüngstem  Sohne:  TglRs».  N.  113.  —  28) 
Schillerbriefe:  LMerkur  11,  N.  49.  (Vgl.  HambCorr.  N.  791.)  —  29)  J.  Minor,  Z.  Geburtstage  Schillers.  (Briete  v.  Schiller 
u.  seiner  Witwe):  NFPr.  N.  9773.  (Auch  Didaskalia  N.  270.)  —  30)  E.  bisher  uugedr.  Brief  Friedr.  Schillers :  HambNachr. 
29.  Juli  u.  27.  Okt.  (Vgl.  HambCorr.  N.  758.)  -  31)  A.  Wohlwill,  Briefe  v.  Ludw.  Sohubart  an  Schiller:  ASNei.  87, 
8.  28—32.  —  32;  X  Schillers  Werke.  Her.  v.  R.  Boxberger.  Neue  illustr.  Ausg.  6  Bde  3.  Aufl.  Berlin,  Grnte.  M.  18,00. 
—  33)  X  id.,  D.  Geisterseher.  1.  Buch.  Edited  witb  introduction  and  notes  by  Edw.  S.  Joynes,  M.  A.  Boston,  Heath. 
VIII,  118  S.  ü.  0,25.  (D.  Noten  geben  Anweisungen  fUr  d.  Übersetzung  ins  Englische.)  —  34)  XX  0.  Brahm,  Schillers 
Geschichtschreibung:  Nation»  8,  S.  682/4,  698—700.  (Bruchstücke  aus  Brahms  Schillerbiographie.)  —  35)  X  Schiller,  Storia 
della  Bivoluzione  dei  Paesi  Bassi.  Milano,  Battezzati  Succ.  16°.  L.  2,50.  —  36)  KOhnemann,  d.  Kantischen  Studien  Schillers  u.  d. 
Komposition  d.  Wallenstein.  1889:  C.  Drescher:  AZg».  N.  203;  A.  Köstor:  ADA.  17,  S.  149-54.  —  37)  X  M.  Groeben 
(=M.  Kronenberg),  Philippson,  die  ästhetische  Erziehung.  1890:  BLU.  S.  449-50.  —  38)  X  Ft.  v.  Schiller,  V.  Erhabenen. 
E.  Ergänzung  zu  d.  gangbaren  Schiller-Ausgaben.  Mite.  Einl.  v.  S.  Sänger  »=  XTß.  N.  2731.)  Leipzig,  Reclam.  o.  .).  74  S. 
U.  0,20.     (T«xt  nach   d,  10.  Bd.    d.    hist.-krit.    Ausg.)    —    39)    0.  Walther.    Beitr.    z.   Lehensgesch.    d.    Gräflu    Katharina   d. 


207  A.  Köflter,  Schiller,  IV  10:  w»»-5«. 

originaleren  Fassung  im  „Adelaspiegel"  des  Oyriarus  Spangenberg,  T.  I.  1591,  Buch  13, 
Cap.  B2,  8.  45nb — 4oH  nach.  Spangenherg  gieht  in  »einer  „Heunebergischen  Chronik" 
dazu  die  Vorsicherung,  dass  er  die  Erzählung  aus  dorn  eigenen  Munde  der  Gräfin 
Katharina  zu  Schwarzburg  am  24.  Mai  1552  erfahren  habe,  und  W.  druckt  sie  S.  415yi> 
getreu  ab.  Sie  ist  wortreicher  als  die  bekannte  Fassung,  weicht  aber  inhaltlich  nicnt 
wesentlich  von  dem  Bericht  bei  Söfting  und  Schiller  ab.-'^»)  —  Die  wenigen  Seiten,  auf 
denen  R.  Sommer <°)  von  Schillers  Briefen  „Über  die  ästhetische  Erziehung  des 
Menschen''  handelt,  bilden  einen  kleinen  Bruchtheil  von  der  Schrift  des  Vf.  „GrundzQge 
einer  Geschichte  der  Psychologie  und  Aesthetik  von  Wolff-Baumgarton  bis  Kant- 
Schiller".  Aus  dem  Zusammenhang  gerissen  hätte  man  diese  aphoristischen  Bemer- 
kungen nicht  veniffentlichen  sollen;  so  wie  sie  da  liegen,  sind  sie  schlechterdings  nicht 
zu  verstehen  und  fördern  gar  nicht.  — 

Jetzt  zu  den  Gedichten!  "»i-«)  Es  war  uns  leider  unmöglich,  den  Fortscliritt, 
den  Dtxntzer*^)  jn  (^er  dritten  Auflage  seiner  allgemeinen  Erläuterungen  gemacht 
hat,  festzustellen,  da  uns,  soweit  wir  Umfrage  gehalten  haben,  keine  private  und  öffent- 
liche Bibliothek,  auch  der  Verleger  nicht,  ein  Exemplar  der  zweiten  Auflage  zur  Ver- 
fügung stellen  konnte.  Soweit  zufällige  Nachprüfung  reichte,  hat  D.  die  seit  1875  er- 
schienene Litteratur  benutzt  und  also  ohne  Zweifel  sein  Buch  an  manchen  Stellen 
wesentlich  erweitert.  —  Da  wir  im  1.  Band  der  JBL.  die  Unvorsichtigkeit  begangen 
haben,  den  ersten  Teil  von  Neides  *'')  Programm  gesondert  zu  besprechen,  so  mQssen 
wir  damit  fortfahren,  obwohl  die  Abhandlung  auch  in  dem  zweiten  Programm  noch 
nicht  zu  Ende  geführt  wird.  N.  behandelt  diesmal  die  „Ideale"  und  „Ideal  und  Leben", 
leider  mit  der  alten  Weitschweifigkeit.  Die  bekanntesten  Stellen  aus  dem  Briefveechsel 
zwischen  Schiller  und  Humboldt  werden  nicht  etwa  im  Wortlaut,  sondern  in  einer  er- 
weiternden Umschreibung  mitgeteilt;  dazu  kommen  einige  wenige  Zusätze  des  Vf.  selbst 
Wenn  nun  das  di'itte  Programm  nicht  den  Einfluss  Humboldts  von  einem  höheren  Ge- 
sichtspunkt aus  betrachtet  und  die  Nachwirkungen  seiner  Kritik  berücksichtigt,  so  sagt 
uns  die  ganze  lange  Untersuchung  nichts  Neues.  —  Gegen  Draheims*^)  Aufsatz  über 
„scliwebende  Betonung"  bei  Schiller  ist  einzuwenden,  dass  man  dergleichen  metrische 
Freiheiten  nicht  alle  übereins  beurteilen,  sondern  lieber  einzeln  betrachten  muss;  man 
kann  sie  auch  in  vielen  Fällen  aus  dem  Inhalt  erläutern.  — 

Die  einzelnen  Gedichte  ordnen  wir  wieder  alphabetisch.  Einen  originellen 
Gedanken  hat  der  Techniker  Uellner  *y)  gehabt.  Er  betont  mit  Recht,  dass  zum  vollen 
Verständnis  von  Schillers  „Glocke"  ^o)  die  Kenntnis  des  Verfahrens  beim  Glockenguss 
nötig  ist.  Deshalb  hat  er  von  dem  Gedicht  nur  die  Partien  abgedruckt,  die  sich  auf 
den  Vorgang  des  Giessens  beziehen.  Zur  Erläuterung  schickt  er  zwei  gemein  fassliche 
Abhandhnigen  voraus:  Das  Formen  der  Glocke,  Der  Schmelzofen.  Und  schliesslich  ver- 
weisen Buchstaben  vom  Text  auf  eine  farbig  ausgeführte  Wandtafel,  die  den  ganzen 
Vorgang  zu  einem  Bilde  zusammenfasst.  Die  Tafel  wird  ohne  Zweifel  für  den  Unter- 
richt brauchbar  sein.  5i-5;i)  —  Unser  Urteil  über  Seilers  Programm  „Die  Behandlung  des 
sittlichen  Problems  in  Schillers  Kampf  mit  dem  Drachen  usw."  (JBL.  1890  IV 
12:79)  wird  jetzt  durch  R.  Reichel  ^-i)  erhärtet,  ^ö)  —  Köster'^)  weist  nach,  wie 
Schiller  eine  Stelle  aus  Vertots  „Histoire  des  Chevaliers  hospitaliers  de  S.  Jean  de  Je- 
rusalem", an  der  von  den  Samariterdiensten  der  Johanniter  die  Rede  ist,  zunächst  in 
einem  Passus  seiner  Vorrede  zu  Niethammers  Uebersetzung  des  Vertotschen  Buche-s  er- 
weitert hat  und  wie  dann  das  gleiche   Bild    der    dienenden    Brüder    ausgestaltet    ist    in 


I 


Heldenmutigen  zu  Schwarzburg,  geb.  Fürstin  zu  Henneberg-Schlensingen,  unter  erstmaliger  Verwertung  d.  Beise-Tagebueh* 
ihres  Eidams,  des  Grafen  Wolrad  H.  zu  Waldeck  v.  Jahre  154«.  Zunächst  e.  wichtiges  Supplement  tu  ächiller«  .Uenog  t. 
Alb»  bei  e.  FrUhstllck  auf  d.  Schlosse  zu  Rudolstadt  im  Jahre  1547":  ZVThOrO.  NF.  7,  S.  407—43.  -  89«)  X  Schulen  hUt 
Skizzen:  Eginonts  Leben  u.  Tod,  Belagerung  v.  Antwerpen  edited  with  English  note«  etc.  by  C.  A.  It  och  heim.  Fifth, 
reviseii  editiou,  with  a  map.  (=  Clarendon  Press  Series.  Oerman  classic».  4.)  Oxford,  Clarendon  Press.  XX,  162  S. 
2  s.  t)  d.  (D.  5.  Aufl.  d.  geschätzten  Schulausg.  ist  e.  sorgfHltiger  Neudr.  d.  dritten.)  —  40)  B.  Sommer,  D.  pqrcholog. 
(Jrundlage  v.  Schiller,s  Briefen  „Veber  d.  ästhetische  Erziehung  d.  Menschen»:  BayreuthBll.  14,  S.  333—41.  —  41)  X  Schiller« 
Uedichte.  Illustr.  v.  ersten  dtsch.  Künstlern.  Mit  e.  Lichtdruckbild,  87  Test-IUustr.  u.  20  Tonbild.)  Stnttgmrt,  DUch.  Ver- 
lags-Anst.  4«.  108  S.  Geb.  M.  12.  —  42)  X  i^-.  L«  liriche.  Firenze,  Le  Monnier  Succ.  L.  12,00.  —  48)  X  M-  I  due  seMi, 
pnesia  tradott«  da  E.  Castelnuovo.  Venezia,  Visentini.  7  S.  (Per  le  nozze  Morpnrgo-Levi.)  —  44)  X  (.1  7  :  «2.)  (Hinxn- 
gekommen  bind  d.  .Ideale"  u.  d.  , Flüchtling".)  -  45)  X  W.  Koenig.  Inhalt  u.  DarsUllung  d.  S«hillencben  Balladrn: 
MschrKathLehrerinneu  4,  S  268-70.  —  46)  H.  DUntzer,  .Schillert  lyr.  Gedichte  4  u.  8  erl.  a  nen  durchge«.  Anll.  (—  Er- 
lluterungen  zu  d.  dtsih.  Klassikern.  3!t.  u.  43.  Bdchen.)  Leipzig,  Wartig.  146.  143  S.  Zus.  M.  2,00.  —  47)  S.  Neide 
Wilh  T  Humboldt  als  Richter  u.  Ratgeber  bei  Schillers  lyr.  Gedichten  1.  (Schlnss)  u.  2.  Progr.  d.  Oymn.  n.  BeiJgyMn.  Laads- 
berg  a.  W.  Frankfurt  ».0.,  Trowitzsch,  4".  23  S.  -  48>  (19:16.)  -  49)  (I  7:67)  |[L(ydwi)g:  COIBW.  I», 
S.  497];  —  50)  X  Wie  nele  ,E"  sind  in  Schülers  Glocke i  (Anekdote):  HaabCoir.  N.  404.  —  51)  X 
Schillers  Handschuh"  im  Spanischen:  Schw«bMerkur  N.  172.  (Ungst  bekannt  gemacht,  tuletst  1881  in  d.  SchiOk- 
Mibliothek.'Heft  5,  S.  82)  -  52)  X  Jellinek.  Hero  u.  Leander  (JBL.  1890  IV  12  :  77):  LBOBPh.  12,  S.  27;  PLZ  12.  S.  »20.  — 
5J)  X  A.  Frank,  D.  Ideal  u.  d  Leben  t.  Schiller.  Versuch  e.  Erkllrong  d.  Gedichtes.  JB.  d.  k.  k.  StMUmittelachsle. 
Beichenberg.  Pelbs'tverl.  d.  k.  k.  Staatsraittelschule.  1890.  17  S.  -  54)  B.  Reich  el.  Zu  Schillers  Kampf  mit  d.  Drachen: 
'ADV.  5  S.  567—70.  —  55)  X  Was  p.  alter  Grabstein  erzählt:  HambNachr*.  N.  30.  ^Parallele  i.  Erslhlg.  ▼.  d.  Kranichen  d. 
Ibyküs.)  —  56)  A.  KRster,   Schillers  Handbibliothek:    HambCorr.  N.  419.    —    57)  F.  Sertaes,    Oesellschan  f.  dtsch.  Litt.: 


rVlO:    58-60.  A.  Köster,  Schiller,  208 

dem  kleinen  Gediolit  „Die  Ritter  des  Spitals  zn  Jerusalem".  Angeknüpft  ist 
diese  Mitteilung  an  ein  Feuilleton  über  Schillers  Handbibliothek.  Sie  befindet  sich  zur 
Hälfte  auf  der  Hambvirger  Stadtbibliothek  und  kann  durch  ihre  Lesespuren,  Randbe- 
merkungen usw.,  die  sich  in  einzelnen  Bänden  befinden,  bei  systematischer  Durch- 
forschung vielleicht  noch  manches  Resultat  gewähren.  —  Auch  um  ein  bisher  unbe- 
kanntes Stück  ist  die  Sammlung  von  Schillers  Gedichten  vermehrt  worden.  In  der 
Gesellschaft  für  deutsche  Litteratur  zu  Berlin  hat  0.  Harnack  ^'')  einen  Stammbuch- 
vers mitgeteilt,  den  Schiller  unter  dem  Datum  28.  März  1790  in  das  Album  des  liv- 
ländischen  Malers  und  Dichters  Karl  Grass  (vgl.  Charlotte  von  Schiller  und  ihre 
Freunde  3,  S.  130 — 65)  eingetragen  hat.  Das  Gedicht  hat  17  Zeilen  und  beginnt:  „Die 
Kunst  lehrt  die  geadelte  Natur.  In  Menschentönen  zu  uns  reden;  In  todte,  seelenlose 
Oeden  Verbreitet  sie  der  Seele  Spur."  Diese  und  die  vier  folgenden  Zeilen  waren  vor- 
aussichtlich ganz  neu  gedichtet.  Die  neun  letzten  Zeilen  dagegen  haben,  wie  sich  aus 
dem  Briefwechsel  mit  Körner  ergiebt,  in  einer  nur  wenig  abweichenden  Fassung  ur- 
sprünglich in  den  „Künstlern"  gestanden,  wurden  aber  dann  wegen  ihres  zu  allgemeinen 
Inhalts  entfernt.     Schiller  hat  sie  bei  dieser  Gelegenheit  wieder  verwertet.  — 

Auffallend  zahlreich  war  im  Jahre  1891  die  Litteratur  über  Schillers 
Dramen  58-62),  "Wir  stellen  zwei  allgemeine  Abhandlungen  voran,  die  uns  die  beiden 
Seiten  des  Dramatikers,  den  tragischen  nnd  den  komischen  Dichter  zeigen.  Deike  ^^) 
präzisiert  nach  einer  kurzen  Erörterung  der  Stellung  der  Kunst  in  der  modernen  Welt 
und  im.  Altertum  klar  die  wichtigsten  Punkte  in  Schillers  ästhetischer  Lehre:  die  Idee 
des  Schönen  und  Erhabenen,  die  Absonderung  des  Individuums  und  seines  Innenlebens 
von  der  Aussenwelt,  die  Schicksalsidee,  die  Auflösung  furchtbarer  Eindrücke  in  erhabene 
Rührung.  Dann  tritt  D.  in  den  Vergleich  von  Aristoteles'  und  Schillers  Ansichten 
über  die  Tragödie  ein  und  findet  bei  der  Frage  über  die  Erregung  von  Furcht  und 
Mitleid  den  Unterschied,  dass  Aristoteles  hier  von  Furcht  des  Zuschauers  vor  dem 
Walten  des  Schicksals  in  allen  menschlichen  Beziehungen  spreche,  während  Schiller  die 
Furcht  vor  dem  einen  unglücklichen  Ereignis  meine,  das  den  Personen  der  Tragödie 
zustossen  wird.  Die  Furcht  ist  also  bei  Schiller  fast  eins  mit  dem  Mitleid,  d.  h.  nicht 
dem  gemeinen,  sondern  dem  ästhetischen,  tragischen  Mitleid.  Bei  der  Definition  der 
Katharsis  wird  hervorgehoben,  dass  sie  in  Schillers  Ideenbau  keinen  Platz  habe.  Tra- 
gische Rührung  ist  stets  sein  Ziel;  deshalb  erläutert  D.  diesen  Begriff  eingehend.  Mit 
der  nachdrücklichen  Hervorhebung  der  künstlerischen  Form  der  dramatischen  Dichtung 
steht  Schiller  auf  dem  Standpunkt  des  Aristoteles,  nur  dass  hier  Schiller  die  specifiscli 
dramatische  Form  ganz  aus  dem  Wesen  des  Dramas  ableitet,  also  fest  gegen  das  Epos 
und  andere  Gattungen  abgrenzt,  was  Aristoteles  nicht  mit  gleicher  Konsequenz  thut. 
Uebereinstimmung  herrscht  jedoch  in  dem  Betonen  der  Handlung  vor  den  Charakteren, 
in  der  Bevorzugung  einer  tragischen  Katastrophe  und  der  Forderung  einer  geschlossenen 
einfachen  Fabel.  —  In  erster  Linie  mit  Schiller  als  Dramatiker  beschäftigt  sich  auch 
die  zweite  Auflage  von  Kuno  Fischers  ^)  Aufsatz  „Schiller  als  Komiker",  der  zuerst 
als  Vortrag  in  Frankfurt  a.  M.  1861  erschien.  Der  Grundgedanke  und  der  Gang  der 
Untersuchung  ist  der  alte  geblieben,  aber  die  Zahl  der  betrachteten  Schillerschen 
Dichtungen  hat  sich  vergrössert.  Gleich  in  dem  einleitenden  Abschnitt  sind  die  Ge- 
dichte „Hugo  Sanherib"  und  „Bittschrift",  sowie  „Körners  Vormittag",  in  dem  Kapitel 
über  die  Anthologie  „Kastraten  nnd  Männer",  „Die  Journalisten  und  Minos"  und 
mehrere  Epigramme  eingefügt  worden.  Aber  auch  die  Erläuterung  der  schon  früher 
aufgenommenen  Gedichte  hat  gelegeiitlich  Erweiterungen  erfahren  (vgl.  das  Epigramm 
auf  Lavater).  Ueberhaupt  ist  es  lehrreich,  den  ursprünglichen  Vortrag  neben  die  um 
ein  Menschenalter  jüngere  Fassung  zu  legen,  aus  der  jetzt  alle  aufdi'ingliche  Lehr- 
haftigkeit  verschwunden  ist  mid  die  durch  die  freie  Beherrschung  des  Stoffes  erfreut. 
Auch  bezieht  sich  die  Umarbeitung  an  mehreren  Stellen  auf  den  Aufsatz  über  Schillers 
Selbstbekenntnisse.  In  der  grösseren  zweiten  Hälfte,  die  von  Schillers  Dramen  handelt, 
ist  wenig  geändert  worden:  die  Abschnitte  über  Spiegelberg  und  den  Musikus  Miller 
sind  um  einige  Belegstellen  bereichert,  die  Kapuzinerrede  hat  F.  in  engere  Beziehung 
zu  Abraham  a  Sancta  Clara  als  Vorbild  gesetzt.  — 

Aus  den  „Räubern"  ßs-ee^  ^^nd  den  übrigen  Jugenddramen    Scliillers  hat  Paul 


BerlTBl.  N.  273.  —  58)  X  Schiller,  11  Teatro.  3  vol.  l'irenze,  Le  Monnier  Succ.  L.  50,00.  —  59)  X  id.,  Tealro  oonipleto, 
interamente  tradotto  da  A.  Maffei  e  Carlo  Rusconi,  con  ceiini  biograflci.  Napoli,  Bideri.  VIII,  451  S.  L.  8,00.  — 
60)  X  id.,  Teatro  Tragico,  trad.  d.  A.  Maffei.  4  voll.  Firenze,  Le  Monnier  Succ  L.  16,00.  —  61]  X  Schillerdramen  in 
Wien:  DBUhnenG.  20,  .S.  453.  --  62)  X  L-  Bob 6,  Dtsch.  Dramen  auf  d.  Kopenhagener  Theater:  Nation«.  S.  ,548.  (^Erwähnt 
AulFtthrungen  v.  d.  ^Eäubern"  u.  „Kabale  u.  Liebe".)  »-  63)  W.  Deike.  Schillers  Ansichten  über  d.  tragische  Kunst  verglichen 
mit  denen  d.  Aristoteles.  Jenenser  Diss.  u.  Trogr.  d.  Herzogl.  Gymn.  Helmstedt,  Schmidt ;  Kudolstadt,  Dabis.  4".  34  S. 
II.  1,00.  —  64)  Kuno  Fischer,  Schiller  als  Komiker.  2.  neubearb.  u.  verra.  Aufl.  (=  Schillerschriften.  1.  Reihe.  2. 
.S.  263-377.)  Heidelberg,  Winter.  115  S.  D.  1.  Reihe  M.  6,00.  (Vgl.  N.  8.)  -  85)  X  H.  Herzog,  Z.  Erzählung  Koslnskys 
in  SchUleri  Ruubern:  ZÖü.  42,  S.  394/6.  —  66)  X  E-  amUsanter  „Räuber''-Theaterzettel:  HambFreradenBl.  N.  254.     (AnkUndi- 


209  A.  Köster,  Schiller.  IV  10:   07.73. 

II  offmaiin  ö')  lehrreiche  Zusammenstelhingen  gemacht;  sie  verdienen  fortgesetzt  zu 
werden.  H.  weist  nämlich  unter  den  Mitteln,  durch  die  der  junge  Dichter  seiner  Prosa 
Erhabenheit  vorlioh,  die  Einmisclnnig  einer  ganzen  lloihe  vollständiger  und  fragmen- 
tarischer Hexameter  nach.  Offenbar  liat  also  Schiller  sein  Pathos  an  Klopstockschen 
Rhythmen  erhitzt.  —  Elisabeth  Mentzel^'^),  die  Verfasserin  der  vortrefflichen  Geschichte 
der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  a.  M.,  veröffentlicht  zur  Ergänzung  ihres  Hauptwerkes 
eine  lieihe  von  umfänglichen  Aufsätzen,  deren  erster  die  Frankfurter  Aufführungen  der 
„Räuber"  behandelt.  Nicht  erst  1788,  wie  noch  Minor,  Schiller  1,  S.  409,  angiebt,  sonderu 
schon  am  19.  Nov.  1782  wurde  das  Stück  in  Frankfurt  gespielt  und  zwar  von  der 
Truppe  des  Theaterdirektors  Böhm,  dessen  Fähigkeiten  M.  rühmend  hervorhebt. 
Eine-  zweite  Aui!\ihnnig  fand  am  30.  Jan.  1783  statt.  Leider  sind  die  Theaterzettel 
verloi'on;  aber  nach  der  Besetzung  anderer  Stücke  lässt  sich  die  Rollenverteilung  mit 
ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  herstellen,  auch  ist  zu  vermuten,  dass  in  Anlehnung  an 
das  Mannheimer  Beispiel  im  Kostüm  der  Ritterzeit  gespielt  wurde.  Eingehend  be- 
leuchtet dann  M.  die  Frankfurter  Räuber-Aufführungen  von  1785,  bei  der  JJerr 
Bock,  der  erste  Karl  Moor,  als  Gast  auftrat,  und  die  beiden  Darstellungen  von  1788. 
Ueber  die  erste  dieser  beiden  existiert  noch  ein  zeitgenössischer  Bericht  von  W.  A. 
Schreiber,  den  M.  abdruckt;  die  zweite  erhielt  dadurch  besondere  Bedeutung,  dass 
ItFland  den  Franz  spielte.  Um  diese  Aufführungen  im  Rahmen  des  ganzen  Frankfurter 
Bühiienwesens  zu  zeigen,  teilt  M.  im  Anhang  wichtige  Repertoiniotizen  und 
Theaterzettel  mit  xnul  geht  in  ihrer  Darstellung  besonders  auf  die  Bemühungen  der 
Grossmannschen  Ti;uppe  und  auf  das  Leben  des  Schauspielers  Heinrich  Wilhelm  Sey- 
fried  (1755 — 1800)  ein,  der  ein  geborener  Frankfurter  war.  Sie  hält  diesen  Mann,  der 
sich  auch  der  Jugendfreundschaft  mit  Goethe  rühmte,  für  den  Verfasser  der  Erwiderung 
auf  Schillers  Selbstrecension  der  „Räuber".  —  Die  Ausgabe  der  „Räuber"  von 
Spengler  6Ö)  bringt  in  ihrer  Einleitung  das  wichtigste  aus  den  litterarhistorischen  Vor- 
aussetzungen und  beschränkt  sich  in  den  Anmerkungen  fast  ganz  auf  Worterklärung 
(dabei  manche  LTtümer)  und  Erläuterungen  von  Realien,  In  den  Gang  der  Handlung 
jedoch,  in  die  Charakteristik  usw.  will  sie  den  Leser  nicht  einführen.  Was  aber  die 
Ausgabe  ganz  wertlos  macht,  ist,  dass  der  Text  aus  verwerflicher  Prüderie  beschnitten 
oder  in  usum  Delphini  verändert  worden  ist.  Taugen  unsere  Klassiker  für  die  Schul- 
lektüre nicht  so,  wie  sie  sind,  so  lasse  man  sie  den  Erwachsenen.  Sie  in  beliebiger 
Weise  zu  verstümmeln,  dazu  sind  sie  zu  gut.  — 

Aus  ganz  demselben  Gnmde  ist  zu  warnen  vor  der  sclilechten  Ausgabe  von 
„Kabale  und  Liebe"  von  K.  A.  Schmidt '<').  Sonst  sind  gerade  hier  die  eigenen 
Zuthaten  des  Herausgebers  zu  loben.  Denn  die  Einleitung,  die  auf  Minor  fusst,  unter- 
richtet kurz  imd  nicht  ungeschickt  über  Entstehung  des  Dramas,  Stoff  und  Charakte- 
ristik; und  die  Anmerkungen  nehmen  sogar  Ansätze,  die  Beziehungen  des  Dramas  zu 
verwandten  Erzeugnissen  der  gleichzeitigen  Litteratur  aufzudecken. 'i)  — 

Wie  weit  die  ,,Nouvelle  historique  et  galante"  von  St.-R^al  und  Schillers  „Don 
Carlos"  von  der  historischen  Wahrheit  abweichen,  war  lange  bekannt '2).  Das  Urteil 
von  Gachard,  Maurenbrecher  u.  a.  ist  jüngst  von  Büdinger''^)  bestärkt  und  in  wich- 
tigen Punkten  ergänzt  worden.  Es  wird  aus  seinem  Buche  unwiderleglich  klar,  dass 
König  Philipp  die  gewichtigsten  persönlichen  und  politischen  Gründe  gehabt  hat, 
seinen  schwachsinnigen,  iinberechenbaren  Sohn  gefangen  zu  setzen,  und  dass  Don 
Carlos  einer  Krankheit,  die  längst  an  ihm  zehrte  und  die  er  durch  die  unsinnigsten 
Diätfehler  verschlimmerte,  erlegen  ist  Es  ist  deshalb  nur  das  tiefste  Mitleid  am  Platz 
für  den  unglücklichen  Monarchen  und  Vater,  der  lange  genug  vor  den  äussersten  Mass- 
regeln zurückgescheut  war.  —  Wie  aber  dennoch  unmittelbar  nach  der  Katastrophe 
sich  in  Madrid  der  Stadtklatsch  an  diese  betrübenden  Ereignisse  anheftete,  beweist  ein 
kürzlich  veröffentlichtes  Dokument.  Im  Archiv  der  Herzöge  von  Alba  nämlich  in 
Madrid  hat  sich  im  Lauf  der  Jahrhunderte,  trotzdem  Brandschaden,  Veruntreuung  und 
brutale  Vernichtung  den  Besitzstand  wiederholt  geschmälert  haben,  ein  luigeahnter 
Reichtum  von  liistorischen  Dokumenten  angesammelt,  ungeahnt  deshalb,  weü  diese 
Schätze  ungeordnet  dalagen  \ind  sich  daher  der  wissenschaftlichen  Verwertung  entzogen. 
Jetzt  hat  die  Herzogin  von  Berwick  und  Alba,  die  selbst  eine  umfassende  gelehrte 
Bildung  besitzt,  das  Archiv  ordnen  lassen  und  einen  stattlichen  Band  der  wichtigsten 
Briefe  und  Aktenstücke  herausgegeben.  Es  befindet  sich  darin  ein  Bericht  über  die 
letzten  Monate  des  Don  Carlos,  Fragmente  einer  für  deutsche  Leser  bestimmten  Zeitung, 
in  denen  sich  schon  die  Ansätze  finden  zu  der  Legende    von    dem    tyrannisierten  Sohn 


gnng  V.  Director  Wohler  in  Bopflngen,  21.  Apr.  1861.)  —  67)  (I  9  :  16.)  -  68)  (IV  5:71;  Tgl.  FZg.  N.  118.)  —  69)  (I  7  :  50.) 
-  70)  (I  7  :  46.)  -  71)  XX  E.  MUller,  Schillers  Kabale  u.  Liebe:  KBIGRW.  38,  S.  1-33,  271—98,  459-73.  -  72)  X  O- 
Valbert  (=  Cherbnliez),  Don  Carlos  dans  la  poösie  et  daas  l'histoire:  RDM.  108,  S.  672—83.  —  TS)  M.  Bndinger,  Oon 
Carlos'  Haft  a.  Tod  insbes.  nach  d.  Aoffassungen  seiner  Familie.  Hit  Don  Carlos'  Portr.  Wien  n.  Leipxig,  BraomlUler.  TI, 
Jahresberichte  fUr  neuere  dentsohe  Litteratnrgesohichte  II  (S).  14 


IV 10:  74-87.  A.  Köster,  Schiller.  210 

Carlos  und  seinem  fühllos  grausamen  Vater  Philipp  1174-75).  Von  diesen  Gerlichten 
fülirt  eine  direkte  Strasse  zu  St.-ßeals  Novelle.  —  Ergänzend  zu  dieser  und  anderen 
Schriften,  die  Schiller  benutzt  hat,  möchte.  L.  Geiger ''6)  die  Diderotsche  Skizze  „Don 
Carlos,  trag^die  du  marquis  de  Chimenes  1759"  hinzufügen.  Man  müsste  dann  an- 
nehmen, dass  Schiller  sie  im  Ms.  gekannt  habe.  Denn  gedruckt  wurde  sie  erst  1818. 
Die  Hypothese  ist  äusserst  schwach  gestützt.  —  Vom  „Don  Carlos"  geht  auch 
Grundig  '''')  in  seiner  Abhandlung  aus.  Er  untersucht,  indem  er  das  Drama  kurz 
analysiert  und  dabei  auch  die  Mängel  der  Komposition  erklärt,  die  Ideen  von  sittlicher 
Freiheit,  die  der  Marquis  Posa  verkörpert,  und  verfolgt  dann  diese  Ideen  durch  andere 
Schillersche  Werke  hindurch,  bis  er  in  der  Schauspielhandlung  des  „Teil"  die  Vollendung 
dessen  erblickt,  was  in  dem  tragischen  Konflikte  des  „Don  Carlos"  hatte  scheitern 
müssen.  — 

Bei  jedem  der  historischen  Dramen  Schillers  drängt  sich  natürlich  die  Präge 
nach  dem  Verhältnis  der  Dichtung  zur  Geschichte  auf.  Es  kann  aber  nicht  aus  diesem 
Grunde  die  ganze  einschlägige  historische  Litteratur  in  den  JBL.  verzeichnet  werden. 
Ausschlaggebend  ist  in  jedem  einzelnen  Palle  die  Präge,  ob  die  betreffende  Schrift  mit 
Schillers  Drama  zusammenhänge,  es  erläutere  oder  von  ihm  erläutert  werde.  Wo  dieser 
Zusammenhang  fehlt,  endet  auch  unsere  Berichterstattung.  —  Wallen  st  eins  '^^)  Charakter- 
bild schwankt  noch  wie  vor  hundert  Jahren  in  der  Geschichte.  Zu  Rankes  besonnenem 
Urteil  bekennt  sich  heute  noch  mancher  Porscher.  Nach  zwei  Richtungen  ist  man  aber 
auch  über  ihn  hinausgegangen.  Auf  protestantischer  Seite  ist  man  vielfach  bereit,  den 
Peldherrn  völlig  rein  zu  waschen  und  geht  da  bis  zur  Vergötterung  vor;  auf  katholi- 
scher Seite  spricht  man  gern  von  Wallensteins  Schuld  und  formuliert  sie  annähernd  so, 
wie  es  Schiller  aus  dramatischen  Rücksichten  gethan  hat.  Jüngst  begegnet  man  aber 
auf  katholischer  Seite  auch  dem  Bemühen,  alle  Historiker,  die  über  Wallenstein  ge- 
schrieben haben,  als  Gefolgsmannen  einiger  katholischer  Schriftsteller  (Hurter  u.  a.) 
zu  charakterisieren ''^-^o"^.  —  Bei  Schillers  „Wallenstein"  ^^-86)  ist  zum  ersten  Male  der 
zweite  (Schluss-)  Band  von  L.  Bellermanns  ö'')  Werk  über  Schillers  Dramen  zu  nennen. 
Er  besteht  wie  der  erste  aus  einer  Reihe  selbständiger  Aufsätze.  Wir  ordnen  die  ein- 
zelnen Abschnitte,  die  uns  vom  ,, Wallenstein"  zum  ,,Tell"  führen,  an  den  entsprechenden 
Stellen  ein.  In  der  Vorrede  fixiert  B.  nochmals,  besonders  polemisch  gegen  Otto 
Brahm,  seinen  Standpunkt  und  macht  mit  Recht  geltend,  dass  neben  einer  rein  histo- 
rischen Betrachtung  der  Kunstwerke  auch  eine  Würdigung  der  abgeschlossenen  Dichtungen 
ohne  Rücksicht  auf  ilire  Entstehung  am  Platz  sei.  Und  so  giebt  B.  getreu  dem  Pro- 
gramm seines  ersten  Bandes  nicht  so  sehr  eine  Einführung  in  Schillers  Dramen  als 
vielmehr  Essays,  die  sich  am  besten  erst  an  die  Lektüre  der  Werke  anschliessen.  Ihre 
Idare  Porm  und  behagliche  Ausführlichkeit  auch  in  Dingen,  über  die  es  keine  Kontro- 
versen giebt,  machen  sie  zur  Lektüre  für  weite  Kreise  geeignet;  doch  gewähren  kritische 
Erörterungen  auch  dem  Fachmann  gelegentlich  neue  Anregung.  Eine  kleine  Dosis 
Pedanterie  erhöht  die  Liebenswürdigkeit  des  Buches.  Im  allgemeinen  gliedern  sich  die 
Aufsätze  so,  dass  nach  sorgfältigen  Erörterungen  über  Gang,  Einheit,  Verknüpfung  der 
Handlung  und  Charakteristik  eine  Reihe  von  Erläuterungen  einzelner  schwieriger  Stellen 
den  Schluss  bildet.  Wir  beginnen  mit  dem  „Wallenstein".  Nach  der  Analyse,  die  die 
historische  Persönlichkeit  des  Peldherrn  nur  flüchtig  streift,  handelt  B.  von  der  Ver- 
teilung der  Jahres-  und  Tageszeiten  der  Handlung  auf  die  einzelnen  Alcte  des  Stückes. 
So  kleinlich  dieses  Nachrechnen  erscheinen  mag,  es  ist  bei  einem  so  sorgsam  erwägenden 
Dichter  wie  Schiller  doch  am  Platz.  Die  Liebe  von  Max  und  Thekla  wird  als  inte- 
gi'ierender  Teil  der  Handlung,  nicht  als  blosse  Episode  aufgefasst.  Indem  ferner  B. 
in  der  Scene  „Wallensteins  Tod"  I,  7  den  Angelpunkt  des  ganzen  Dramas  erkennt,  muss 
er  gegen  K.  Werder  Front  machen,  der  nicht  den  Verrat  Wallensteins  am  Kaiser,  son- 
dern sein  Vergehen  gegen  die  ganze  Menschheit  für  den  Anlass  seines  Sturzes  hält. 
Besonders  energisch  tritt  B.  für  die  Einheit  des  „Wallenstein"  ein;  nicht  zwei  selb- 
ständige Trauerspiele  (G.  Preytag),  auch  keine  Trilogie  sieht  er,  sondern  eine  erweiterte 
fünfaktige,  jetzt  zehnaktige,  Tragödie  mit  einem  Vorspiel.  Von  dem  Walten  der 
antiken    Schicksalsidee    will    B.  wie    Fielitz  u.  a.  für    den  „Wallenstein"   nichts  wissen. 


817  S,  M.  8,00.  (Vgl.  L.  HCeves]  i:  FremdenBl.  N.  295.)  -  74)  F.  M.,  Aus  d.  Archiv  d.  Herzöge  v.  Alba.  I-II:  VZg 
N.  451,  S.  463.  —  75)  X  Neues  über  d.  Herzog  v.  Alba:  DBUbnenG.  20,  S.  347/8.  —  76)  L.  Geiger,  Zu  Schillers  „Don  Carlos": 
AZgB.  N.  27.  —  77)  Grundig,  „Don  Carlos"  u.  d.  Schillerschen  Freiheitsideon :  PädBll.  20,  S.  557-73.  -  78)  X  K.  Ueber- 
horst.  Wallenstein  als  Student  in  Altdorf.  Nach  bist.  Quellen  dargest. :  DBUbnenG.  20,  S.  2—4.  —  79)  B.  Duhr  S.  J., 
Wallonsteins  Schuld:  StML.  40,  II,  S.  195-206  u.  III,  S.  303—12.  —  80)  id.,  Randglossen  z.  Wallenstein-Litt.:  ib.  I.  S.  63—78.  — 
81)  X  (1  7  :  53.)  —  82)  X  G.  Irmer,  D.  dramat.  Bebandl.  d.  WallensteinstoiTes  vor  Schiller:  N&S.  57,  S.  246-61.  -  83)  X 
Vigelius,  Schillers  Drama  Wallenstein  als  Beweis  fUr  Schillers  Behauptung,  dass  d.  Schaubtlline  o.  moral.  Anstalt  sei: 
SchulblProvBrandenb.  66,  S.  175—83.  —  84)  X  M-  H[arden],  ^Wallensteins  Tod"  im  Berliner  Theater:  Gegenw.  39, 
S.  252/4.  (Eingehende  Analyse  v.  Wallensteins  Charakter  im  Hinblick  auf  d.  Verkörperung  durch  Sonnenthal.)  —  85)  X  P- 
Seliger,  K.  Werder,  Vorles.  über  Schillers  Wallenstein;  Gegenw.  39,  S.  138/9.  —  86)  X  L-  Kölscher,  Reuss,  D.  Stellung 
d.  Max  Ficcolomini  in  d.  Wallenstein^Dlohtang.    1889:  ASNS.  86,  S.  96/6.  —  87)  L.  Bellermann,  Schillers  Dramen.     Beitr. 


211  A.  KAqfer,  Srhillfr.  IV  10;  wi-ioo. 

Bei  der  ausführh'clien  Entwicklung  von  Wallonsteins  Charakter  verteidigt  er  den  Feld- 
herrn besonders  gegen  den  Vorwurf  der  Schwäche  und  UnschlüHsigkeit;  weniger  glücklich 
findet  er  sich  mit  dorn  Tadel  ah,  dass  Wallenstein  sich  Buttler  gegenüber  der  Doppel- 
züngigkeit schuldig  gonmcht  habe.  Bei  der  Betrachtung  der  übrigen  Personen  des 
Stückes  fallen  manche  treffende  Bemerkungen  allgemeineren  Inhalts,  über  typische  und 
individuelle  Charakteristik  hei  Schiller  auf.  In  dem  Kapitel  „Die  Darstellung"  finden 
sich  einige  sehr  interessante  statistische  Beobachtungen  über  Schillers  Metrik.  In  die 
Diskussion  über  einzelne  Stelleu  kann  ich  hier  nicht  eintreten.  —  Als  eine  Ergänzung 
zu  Bollermann  kann  man  den  kleinen  Aufsatz  von  Deneke**)  betrachten.  D.  beweist 
trotz  Düntzers  gegenteiliger  Ansicht,  dass  Schiller  schon  im  Vorspiel  in  der  Charakte- 
ristik der  typischen  Vertreter  der  verschiedenen  Regimenter  den  späteren  Abfall  des 
Heeres  von  Wallenstein  ausreichend  vorbereitet  habe.  —  Birlinger *•)  trägt  ganz  wie 
in  seinen  früheren  Miscellen  ein  paar  sachliche  und  sprachliche  Erläuterungen  bei,  dies- 
mal zu  den  Versen  „Dirnen  die  liess  er  gar  nicht  passiren"  und  „Eh'  an  Conjunktion 
zu  denken".  — 

Von  der  „Maria  Stuart"  90-9i)  hat  G.  Baumann  *2)  eine  neue  Ausgabe  ver- 
anstaltet. Die  Analyse  ist  nach  einer  strengen  Schulterminologie  gemacht;  die  historische 
Einleitung  übergeht  den  wichtigsten  Punkt,  die  Berechtigung  der  Elisabeth,  Maria  ge- 
fangen zu  setzen.  —  Bei  der  Analyse  der  „Maria  Stuart"  sucht  L.  Bellermann  •*)  die 
Richtigkeit  des  Ausspruches  von  Frau  von  Stael  zu  beweisen,  dass  dieses  Stück  das 
])lanmässigste  unter  allen  deutschen  Trauerspielen  sei.  Die  Zoitberechnung  ist  höchst 
einfach.  Maria,  etwa  dreissig  Jahre  alt,  steht,  obwohl  leidend,  durchweg  im  Mittelpunkt 
aller  Interessen.  Wenn  auch  schon  im  Beginn  des  Stückes  das  Todesurteil  ausge- 
sprochen wird,  so  liegt  rein  dramatisch  doch  die  Entscheidung  erst  in  dem  Streit  der 
Königinnen.  Durch  eine  so  leidenschaftliche  Scene  wird  nachträglich  auch  Marias 
blutige  Vergangenheit  glaubhaft,  von  der  sie  sich  durch  den  Tod  läutert.  Die  drei 
freien  Zuthaten  Schillers  (Verhältnis  Lasters  zu  Maria,  Mortimers  Leidenschaft,  Be- 
gegnung der  KCniginnen)  werden  auf  ihre  historische  Berechtigung  geprüft.  Bei  der 
Charakteristik  kann  sich  B.  nicht  damit  abfinden,  dass  Maria  die  Ermordung  König 
Darnleys  so  leicht  nehme  und  dass  ihre  Reue  darülDer  zu  äusserlich  sei;  ebenso  wenig 
mit  Elisabeths  Verhalten  gegenüber  Mortimer.  —  Ein  Stück  Vor-  und  Nachgeschichte 
zu  Schillers  „Maria  Stuart"  giebt  uns  L.  H.  Fischer^).  In  seiner  üebersicht  über 
die  Dramen,  die  den  gleichen  Stoff  behandeln,  geht  er  vor  allem  auf  die  Trauerspiele 
von  Spiess  (in  Berlin  zuerst  1787  gegeben)  und  Raupach  (1838)  ein.  Die  Reihe  der 
Maria  Stuart-Dramen  ist  übrigens  in  diesem  Aufsatz  lange  nicht  erschöpft;  Mont- 
chrestien,  Riemer,  Alfieri,  Boursault,  Lebrun,  Bjömson  werden  gar  nicht  erwähnt  — 

Wie  soll  man  den  Namen  der  Jxingfr au  von  Orleans  schreiben?  Semmig**) 
ereifert  sich  heftig  gegen  die  Schreibung  ohne  Apostroph,  die  allerdings  der  Ortho- 
graphie des  15.  Jh.  gemäss,  heute  aber  durch  die  Form  d'Arc  zu  ersetzen  sei,  wie  denn 
auch  Shakespeare  Joan  of  Are,  nicht  Joan  Darc  schreibt.  S.  leitet  den  Namen  von 
dem  Orte  Are  (Haute-Marne)  her,  der  in  der  Nähe  von  Ceffonds,  dem  Geburtadorfe  von 
Johannas  Vater,  liegt.  —  Wir  haben  im  Vorjahr  der  Litteratur  gedacht,  die  luis  Jeanne 
d'Arc  in  der  Dichtung  schildert.  Als  Ergänzung  erwähnen  wir  einen  Aufsatz  von 
B  a  p  s  t  ^ö-^'),  der  unter  einer  Reihe  von  patriotischen  Festspielen  aus  dem  15.  Jh.  ein 
Mysterium  nachweist,  das  schon  bald  nach  der  Befreiung  der  Stadt  Orleans  mehrfach 
im  Anschluss  an  die  grosse  Procession  und  die  Feier  des  8.  Mai  gespielt  wurde  und 
das  die  That  der  Jungfrau  und  den  Beistand  der  Heiligen  zum  Gegenstand  hatte.  •*■*•)  — 
Bei  dem  Vergleich  von  Schillers  romantischer  Tragödie  mit  der  Geschichte  haben  wir 
eine  Reihe  wunderlicher  Feuilletons  von  Semmig^oo)  zu  erwähnen.  S.  kann  es  Schiller 
nie  verzeihen,  dass  er  für  seine  „Jungfrau  von  Orleans"  nicht  grt\ndlichere  geschichtliche 
Quellenstudien  gemacht  hat.  Bekannt  ist,  wie  S.  in  seinem  weitschweifigen  Buche  über 
Jeanne  d'Arc  dem  Dichter  seine  Verstösse  gegen  die  geschichtliche  Wahrheit  nach- 
rechnet, bekannt  aber  auch,  wie  ofl  seine  eigene  Darstellung  parteiisch  ist.  Die  Reihe 
der  neuen  Aufsätze  befasst  sich  nun  besonders  mit  den  Frauen  aus  Karls  VH.  Um- 
gebung, wobei  es  zu  den  geschmacklosesten  Auslassungen  über  die  Weiber  im  allge- 
meinen   und    die  Schwiegermütter    im    besonderen    kommt.     Ginge  es  nach  S.,  so  hätte 


tu  ihrem  Veratandnis.  2.  Teil.  Berlin,  Weidmann.  Vni,  600  S.  M.  9.00.  (Vgl.  hier  8.  1—178.)  —  «)  A.  Desek«: 
Über  Wallensteins  Lager:  ZDÜ.  5,  S.  44/9.  ~  89)  A.  Birtinger,  Zu  Schillers  Wallenstein  u.  Teil:  AUmanni«  19,  S.  67— 7S. 
-  90)  X  H.  Forst,  Beitrr.  z.  Gesch.  d  Maria  Stuart:  HZ.  66,  S.  241-270.  —  9J)  X  Dr-  A.  E.,  Neuere  Litt.  Ober  d.  letxten. 
Lebensschicksale  Maria  Stuarts:  HPßH.  107,  S.  393/8.  -  92)  (I  7  :  u'5.)  -  93)  Vgl.  o  N.  87,  S.  174—226.  -  94)  L.  H. 
Fischer,  Maria  Stuart  auf  d.  Berliner  Hofbühne.  =  Aus  Berlins  Vergangenheit.  (15:308)  S.  191—205.  (Ans  VZg«. 
1887,  N.  19)  -  95)  H.  Semmig,  Jeanne  d'Arc  oder  Darc:  AZgs.  N.  40.  —  96)  0.  Bapst.  Le  th«Atre  et  le  patriotisne  an 
moyen-ftge.  La  fite  de  Jeanne  d'Arc  et  la  dölivrance  de  la  France  4  la  fin  de  la  guerre  de  cent  ans:  BPL.  S.  568—70.  — 
97)  X  D-  erste  Jeanne  d'Arc-Dichtung:  FZg.  N.  129.  —  98)  X  J.  Sarrazin,  R.  Mabrenholts,  Jeanne  d'Arc  ia  Gesch., 
Legende  u.  Dichtung:  ZFSL.,  13,  II  S.  54/6.  —  99)  X  R.  Mahrenholx,  Comte  de  Pnymaigre,  Jeune  d'Arc  au  thöAtr« 
(1439—1890.):  ib.  S.  49-54.   —   MO)  H.  Semmig,  Agnes  Sorelle  u.  d.  Familie  Karls  TU.  Biograph.  Skiise  s.  Erllaterang  o4«r 


IV  10:101-110.  A.  Köster,  Schiller.  212 

sich  Schillers  Drama  hauptsächlich  aus  zwei  Bestandteilen  zusammensetzen  müssen: 
einerseits  aus  einer  enthusiastischen  Verherrlichung  der  Jungfrau,  andererseits  aus  einer 
Reihe  von  rührenden  Familien scenen:  da  hätte  streng  historisch  die  fettleibige,  an  Po- 
dagra leidende  Isabeau  im  Rollstuhl  gefahren  werden  müssen,  Karl  VII.  hätte  stets 
zwischen  seiner  guten  Hausfrau  und  seiner  vortrefflichen  Schwiegermutter  erscheinen 
sollen:  die  ganze  Schale  seines  Zornes  aber  hätte  der  Dichter  über  die  freche  Buhlerin 
Agnes  Sorelle  ausgiessen  dürfen.  —  Die  Ausgabe  ^oi)  der  „Jungfrau  von  Orleans"  von 
G.  B  all  mann  ^<^2)  isi;  ein  Seitenstück  zu  der  der  „Maria  Stuart".  Dem  Text,  der  so  abge- 
druckt wird,  wie  er  seit  der  Ausgabe  von  Schillers  Theater  1805  Bd.  1  normiert  ist, 
geht  eine  doppelte  Einleitung  voraus:  zunächst  eine  Zusammenstellung  der  wichtigsten 
Daten  aus  Schillers  Leben  nach  Hofmeister  und  Palleske,  die  mit  einer  Uebersicht  über 
Schillers  Hauptwerke  schliesst.  Die  zweite  Einleitung,  eine  kurze  Lebensskizze  der 
Jeanne  Darc,  ist  zu  selir  im  Geist  von  Schillers  Tragödie  geschrieben,  um  als  historisch 
gelten  zu  können.  —  Von  Erläuterungsschriften  103-105^  verdient  die  vierte  Auflage  von 
Düntzers  ^*'*^)  Buch  Erwähnung.  D.s  Auffassung  der  Tragödie  hat  sich  nicht  wesentlich 
geändert.  Im  ersten  Teil  besonders  setzt  er  sich  polemisch  mit  anderen  Forschern  aus- 
einander. Bei  der  Quellenfrage  wird  sehr  genau  Schillers  Benutzung  der  Weimarer 
Bibliothek  verfolgt;  D.  glaubt  nicht  so  fest  wie  Boxberger  an  ein  Studium  der  ,,Histoire 
d'Angleterre"  des  Rapin  de  Thoyras.  An  dem  Gespräch  zwischen  Schiller  und  Böttiger 
vom  26.  Nov.  1801  hält  D.  nach  wie  vor  fest;  doch  meint  er,  es  sei  in  den  „Litterarischen 
Zuständen  und  Zeitgenossen"  entstellt  wiedergegeben.  Infolge  dessen  muss  sich  D. 
auch  skeptisch  gegenüber  allen  Gerüchten  verhalten,  die  von  einem  zweiten  oder  gar 
dritten  Schillerschen  Plan  zu  einer  „Jungfrau  von  Orleans"  sprechen.  An  die  Ein- 
führung eines  Minnehofes,  eines  Hexenprocesses,  eines  Scheiterhaufens  kann  er  nicht 
glauben.  Schwierigkeiten  bleiben  bei  Betrachtung  dieses  Dramas  immer  bestehen.  Mit 
den  Wundern  (Donner  aus  heiterem  Himmel,  Sprengung  der  Ketten  usw.)  hat  sich  noch 
kein  Erklärer  rein  abgefunden.  — Auch  L,  Bell  ermann  1°'')  kann  hier  Schiller  nur  ver- 
teidigen auf  Kosten  anderer  Dichter  (Kleist,  Hebbel,  Wildenbruch).  Er  hält  die  ganze 
Handlung  schon  an  und  für  sich  für  ausreichend  motiviert  und  rein  psychologisch  er- 
klärlich; er  degradiert  damit  die  Wunder,  gewiss  nicht  im  Sinne  des  Dichters, 
zu  einer  Zuthat,  die  jene  Zeit,  in  der  man  noch  an  Wunder  glaubte,  charakterisieren 
soll.  Rein  dramatisch  sind  sie  ihm  ein  Mittel,  psychologische  Vorgänge  zu  objektivieren 
und  unter  schwankenden  Meinungen  eine  Entscheidung  zu  gewinnen.  Weitere  Fragen 
knüpfen  sich  an  den  Charakter  der  Jungfrau:  ist  ihre  plötzliche  Liebe  zu  Lionel  eine 
Inkonsequenz  in  der  Charakterzeichnung?  Sinkt  Johanna  schon  im  zweiten  Akt  bei 
den  Werbungen  Dunois'  und  La  Hires  allmählich  von  der  Höhe  ihres  göttlichen  Berufes 
herab?  B.  verneint  in  beiden  Fällen.  Den  schwarzen  Ritter  definiert  er  als  einen  Geist 
der  Hölle,  der  mit  der  Absicht  nahe,  Johanna  in  ihrem  Selbstvertrauen  irre  zu  machen, 
und  der  für  das  Drama  die  Bedeutung  habe,  in  dem  Zuschauer  sowohl  als  in  der  Heldin 
die  dunkle  Ahnung  eines  drohenden  Unheils  wachzurufen.  In  der  Lionelscene  sieht  B. 
den  Gipfelpunkt  der  Handlung,  das  „tragische  Ziel";  von  dieser  Scene  an  ist  Johanna 
mit  einer  Schuld  beladen,  die  zwar  nicht  gegen  eine  ausser  ihr  befindliche  sittliche 
Macht  anstösst,  aber  nicht  minder  schwer  wiegt,  wenn  sie  still  in  ihrer  eigenen  Brust 
ruht.  In  keinem  Abschnitt  hat  B.  den  Dichter  mehr  verteidigen  müssen,  ohne  dadurch 
überzeugender  als  sonst  zu  wirken,  als  bei  der  Behandlung  der  „Jungfrau  von  Orleans". 
Es  scheint,  als  ob  dieses  Drama,  das  wir,  wenn  es  Schiller  auch  die  rauschendsten 
Ehren  eingetragen  hat,  doch  zu  seinen  schwächsten  Schöpfungen  zählen,  uns  heute  kaum 
anders  als  durch  historische  Betrachtung  erläutert  werden  kann.  Man  muss  nur  mit 
den  überlieferten  Zeugnissen  auch  stets  die  richtige  Deutung  verbinden  und  nicht  ver- 
fahren wie  J.  W.  Braunio'^^  der  zwar  die  Einwände  Carl  Augusts  gegen  Schillers 
„Jungfrau  von  Orleans"  registriert,  das  Wichtigste  aber  auslässt:  nämlich  dass  alle 
diese  wortreichen  Bedenken  hervorgegangen  waren  aus  der  Rücksicht  für  Demoiselle 
Jagemann.  — 

Bei  Betrachtung  der  „Braut  von  Messina"  legt  L.  Bellermann  109)  (Ja^.^  (j^ss 
nicht  das  Geschick  aller  drei  Geschwister  den  Mittelpunkt  der  Handlung  bilde;  denn 
nur  einer  von  ihnen,  nur  Don  Cesar  sei  ein  handelnder  tragischer  Held,  sein  Bruder- 
mord das  „tragische  Ziel"  des  Stückes.  Und  selbst  diese  That  Surfte  man  nach  des 
Dichters  Willen  nur  als  ein  Glied  einer  grösseren  Kette  betrachten,  als  Teil  des  prophe- 

Beleiiclitung  v.  Schillers  Drama.  1.  Karl  VII.  u.  seine  Familie.  2.  Agnes  Sorelle:  Didaskalia  N.  111/8.  —  101)  X  Buchhelms 
Edition  of  Schillers  Jungfrau:  Nichols:  MLN.  6,  S.  21/3;  Lawrence:  ib.  S.  94/5.  —  102)  (I  7:26.)-  103)  X  E.  Speck,  Z.  Er- 
klärung V.  Schillers  Jungfrau  v.  Orleans:  ZDU.  5,  S.  677—87.  —  104)  X  E.  MUUer,  Ueber  d.  Verheiratung  d.  Jungfrau  t. 
Orleans.  Tübingen,  Fues.  7  S.  M.  0,30.  —  105)  X  F-  Bachmann,  F.  Ullsperger,  d.  schwarze  Ritter  in  Schillers  Jungfrau 
T.  Orleans.  1890:  ASNS.  86,  S.  321/3.  -  106)  H.  DUntzer,  Schillers  Jungfrau  v.  Orleans.  4.  neu  durchges.  Aufl.  {—  Erläut. 
zu  d.  dtsch.  Klassikern  BO/1.  Bdchen.)  Leipzig,  Wartig  (Hoppe).  280  S.  M.  2,00.  -  107)  Vgl.  N.  87,  S.  227-306.  —  108)  J.  W. 
Braun  (verdruckt:  Baum.),  Einige  gesch.  Erinnerungen  zu  Schillers  Jungfrau  v.  Orleans:  TglKsn.  N.  i*65.  (Vgl.  DBUhnenG. 
20,  S.  427/8.-  109)  Vgl.N.87,  S.  307-420.  -  lOOa)  Vgl.  N.  87,  S.  421-600.  -  110)  XSiUia  Andrea,  W.  TelL    Hiat.  Erxahlung . 


213  A.  Köster,  Schiller.  IV  lOtiiM». 

zelten  Schicksale.  Ausgehend  von  „König  Oedipus"  zeigt  B.  die  wichtigste  Aenderung, 
die  Schiller  mit  dem  Schicksalsbegriff  vornahm:  bei  Sophokles  vollzieht  sich  das  Fatum 
ohne  Schuld  des  Oedipus,  bei  Schiller  ist  Don  Cesar  in  Schuld  verstrickt,  die  rein  durch 
sich  selbst  erschütternd  genug  wirkt  und  der  Verstärkung  durch  die  Orakel  nicht  bedarf. 
Mit  den  zwei  Problemen  der  Bedingtheit  alles  Handelns  und  der  freien  Verantwort- 
lichkeit des  Menschen,  mit  Schicksal  und  Schuld  setzt  sich  B.  auseinander,  wobei 
mancher  Seitenblick  auf  Schicksalstragödien  und  moderne  Vererbungsdramen  fallt.  Das 
Missliche  des  doppelten  Orakels  bei  Schiller  wird  beleuchtet.  Eine  Schicksalstragödie 
im  Snine  des  Sophokleischen  „Oedipus",  der  eine  Gattung  für  sich  bildet,  ist  die  „Braut 
von  Messina"  nicht;  aber  die  Einiiihrung  der  Schicksalsidee  auch  in  veränderter  Form 
ist  nicht  gut  zu  heissen.  Sie  hat  so  stark  auf  den  Bau  des  Stückes,  besonders  in  seiner 
ersten  Hälfte,  gewirkt,  dass  um  ihretwillen  sogar  Unwahrscheinlichkeiten  der  Moti- 
vierung stehen  bleiben  mussten,  die  B.  klar  und  gerecht  beurteilt.  Und  ebenso  hängt 
mit  der  Schicksalsidee  die  allgemeiner  gehaltene  Charakteristik  aller  Personen  zusammen. 
Besonnene  Ausführungen  über  den  Chor,  über  Metrum  und  Sprache  machen  den  Schluss 
dieser  Abhandlung.  — 

In  das  lockere  Gefüge  des  „Teil"  mit  seinen  drei  sich  zwar  durchkreuzenden, 
aber  doch  allzu  selbständigen  Handlungen  führt  L.  Bellermann  ^^*)  den  Leser  durch  eine 
knappe  Analyse  ein.  Die  Episode  des  Parricida  sähe  er  gern  beseitigt  Teils  Apfel- 
schuss  verteidigt  er  im  Gegensatz  zu  Börne,  Weber,  Kern  und  dem  Fürsten  Bismarck. 
Auch  die  Scene  in  der  hohlen  Gasse  nimmt  er  in  Schutz  und  will  Teils  Monolog  dxirch- 
aus  nicht  als  Rechtfertigung,  sondern  als  ernste  Bereitung  zu  dem  unabwendbaren  Morde 
angesehen  wissen.  —  Von  anderen  Seiten  sind  zur  Erläuterung  des  „Teil"  no-iii)  nm» 
Kleinigkeiten  beigebracht  worden.  Birlinger 'i2j  teilt  ein  paar  Belege  zu  den  Stellen 
„Es  war  ein  grosses  Volk"  und  „Wo  er  sich  anleimt  mit  dem  eignen  Blut"  mit  und 
bespricJit  mit  kurzem,  aber  nachdrücklichem  Lob  zwei  in  Davos  erschienene  Schriften 
von  A.  Florin  über  Schillers  „Teil"  (s.  o,  I  7  :  19).  —  Heuwes  ^^^)  vergleicht  die  Stelle  v.  1954 
bis  19G2  mit  der  Antwort,  die  Arthur  (Shakespeare,  „König  Johann"  IV,  1)  dem  Hubert 
giebt.  —  Von  Ausgaben  ^^^^  sei  die  neue  Auflage  von  Funke  i'*")  genannt,  deren  Text 
mit  seinen  Annäherungen  an  die  moderne  Schriftsprache  die  Mitte  zwischen  den  Aus- 
gaben von  Körner  und  Joachim  Meyer  hält.  Die  Schöninghschen  Klassikerausgaben 
vervollkommnen  sich  mit  jeder  neuen  Auflage.  — 

Die  Uebersetzungen  und  Bühnenbearbeitungen  ^i^)  Schillers  hat  zum 
ersten  Male  A.  Köster  ^i'')  in  grösserem  Zusammenhange  untersucht.  Leider  hat 
er  seinem  Buch  einen  Titel  gegeben,  der  die  Erwartung  manches  Lesers  täuschen  musste. 
Der  Inhalt  ist  nämlich  niclit  eine  zusammenhängende  Darlegung  der  Grundsätze,  nach 
denen  der  Dichter  in  seinen  verschiedenen  Lebensepochen  als  Bühnenpraktiker  verfuhr, 
sondern  eine  Geschichte  der  Dichtungen,  die  er  in  der  Zeit  seiner  Verbindung  mit 
Goethe  für  das  Theater  bearbeitete.  Es  zerfällt  also  das  Buch  in  eine  Reihe  selb- 
ständiger Aufsätze  von  ungleichem  Wert.  Noch  recht  unreif  ist  der  zuerst  entstandene 
Aufsatz  über  „Turandot",  am  besten  gelungen  das  zuletzt  ausgearbeitete  Kapitel  über 
„Macbeth".  Ueber  den  buntscheckigen  Inhalt  des  Buches  orientiert  ein  sehr  sorgfaltig 
angelegtes  Register.  Die  Einleitung  erörtert  im  Zusammenhang  mit  Goethes  Theater- 
reform \ind  Ifilands  Weimarer  Gastspiel  Schillers  Egmontbearbeitung  ^'^j  und  betont 
ihre  Bedeutung  für  den  „Wallenstein".  Dann  folgt  ein  Kapitel,  das  von  „Macbeth" 
handelt.  Um  eine  feste  Grundlage  für  die  Untersuchung  zu  gewinnen,  schickt  K.  eine 
Analyse  des  Stückes  mit  Berücksichtigung  aller  Varianten  des  englischen  Textes  voraus. 
Konsequenter  als  sonst  ist  hier  der  Charakter  Macbeths  dargelegt;  ob  K.  mit  dieser 
Analyse  das  Richtige  getroffen  hat,  kann  einzig  und  allein  eine  Bühnenauffuhrung,  die 
auf  ilir  fusst,  entscheiden.  Eine  wichtige  Anregung  für  die  Charakteristik  hat  der  Roman 
„Niels  Lyhne"  von  J.  P.  Jacobsen  gewährt.  Vom  englischen  Original  zu  Schillers  Be- 
arbeitung 119-20)  führt  dann  eine  stetig  fortlaufende,  wenn  auch  mehrfach  gewundene 
Strasse.     Es  sind  deshalb  die  Bearbeiter,  die  man  nicht  auf  diesem  Wege  trint,  von  der 


D.  Schweizervolke  c.  Bandesfeier  gewidmet.  Frauenfeld,  Huber.  167  S.  M.  2,00.  —  lli)  XE-  Roustett*.  Monolof  d»  Tall 
nail»  giaas«  itretU.  Prova  del  dialect  da  St.  Maria:  ASRR.  6,  S.  281/3.  -  IS)  Vgl.  N.  89.  -  113)  Ben w«i.  NU«  V«rwsadt- 
sohaft  e.  Stelle  aas  Schillers  Teil  n.  Shakespeares  KOnig  Johann:  ZDU.  5,  S.  55.  —  IM)  F.  t.  SehiUtr,  W.  T»ll,  edited  with 
introduction  andnotes,  by  K.  Bruel.  New-York,  Macniillsn.  28,  208  S.  M.  2,00.  —  115)  (I  7  :  54.)  —  l»)  XX  B-  Schmidl- 
mayer,  Schillers  Iphigenie  in  Aulis  u.  ihr  Verhältnis  z.  gleichnam.  Drama  d.  Euripides.  (Fortssts.)  Progr.  d.  dtach.  Gyma. 
Badweis.  (Abermals  erschien  nur  e.  Bruchteil  d.  Arbeit.)  —  117)  A.  KCster,  Schiller  alt  Dramaturf.  Behrr.  t.  dtsch.  Litt- 
Gesoh.  d.  18.  Jh.  Berlin,  Hertz.  VIT,  343  S.  M.  6,00.  ![0.  F.  Walzel:  ZVLB.  NF.  4,  3.  38*— W;  E.  Schmidt:  DEe.  «7.  S.  316; 
C:  LCBl.  N.  14;  GJb.  12,  S.-A.  34;  A  v.  Weilen:  DLZ.  S.  1747;  0.  Harnack:  PrJbb.  M,  S.  652,4;  AZg.  t.  13.  Dez.  1890; 
H.  Unbesoheid:  ZDU.  5,  S.  486/8;  W.:  HambCon«.  1890,  S.  297;  Söhnt:  COIRW.  S.  672,3;  M.  Koch:  BFDIL  NF.  7, 
S.  172/5;  W.P.:  Bund  N.49;  WeimarZg.  21.  Dez.  1890;  SchwäbSron.  3.Jan.Abd.;  E.StrIter:  Pott  21.  Nor.  1890  u.  22.  Jan. 
1891;  M.  Groeben:  BLU.  805/6.  Grössere  Feuilletons:  F.  Serraes,  Sohiller  als  Uebersetier:  B«rlTBL  N.  178;  K.  Frentel, 
Nene  Schiller-Studien  II:  NatZg.  N.  136;  K.  Drescher,  Z.  Schiller-Litt.,  AZg».  N.  204;  L.  Geiger,  Schiller  als  Dramaturg, 
FZg.  V.  17.  Doz.  1890.]  —  |||8)  X  E-  K-.  Egmont  auf  d.  Btthne:  KarlsmherZg.  t.  2.  April.  —  119)  X  B.  Sandmann,  Schillers  Maebeth. 
u.  d.  engl.  Original:  H.  Koch:  EnglStud.  16,  S.  94,6;  HGOEnglSL.  2.  —  BO)  X    P.  H.  Beckbaus,  SbakespearM  Uacbeth  n.  d. 


IV  10:  121.  A.  Köster,  Schiller.  214 

Betrachtung  ausgeschlossen  worden.  Den  Ausgangspunkt  bilden  die  Uebersetzungen 
von  Wieland  und  Eschenburg,  die  schärfer  von  einander  gesondert  werden,  als  es 
gewöhnlich  geschieht.  Von  hier  aus  eine  Geschichte  der  Auffassung  von  Macbeths 
Charakter  in  Deutschland  zu  geben,  wurde  K.  dadurch  möglich,  dass  er  in  der  Bibliothek 
des  Hamburger  Stadttheaters  die  Bearbeitung  von  Friedrich  Ludwig  Schröder  wieder- 
fand und  nun  nachwies,  wie  die  Macbethdramen  von  Stephanie  d.  J.,  F.  J.  Fischer, 
Schröder  und  Bürger  eine  geschlossene  Kette  bilden,  ein  Nachweis,  durch  den  vor 
allem  eine  gerechtere  Beurteilung  von  Bürgers  „Macbeth"  möglich  geworden  ist.  Es 
gehören  ferner  diese  vier  Bearbeitungen  und  nur  diese  vier  durchaus  in  die  Vor- 
geschichte von  Schillers  „Macbeth",  weil  noch  Schiller  die  durch  sie  befestigte  An- 
schauung von  Macbeths  Charakter  teilte.  Aus  dem  Kapitel,  in  dem  die  Schillersche 
Bearbeitung  selbst  betrachtet  wird,  seien  die  Stellen  hervorgehoben,  wo  Schillers  Text 
mit  den  älteren  Uebersetzungen  verglichen  und  wo  der  Einfluss  nachgewiesen  wird,  den 
zuerst  Shakespeares  „Macbeth"  auf  den  „V^allenstein",  dann  dieser  wieder  auf  Schillers 
„Macbeth"  ausgeübt  hat.  Das  Beste  an  dem  Kapitel  über  die  Einrichtung  von  Lessings 
„Nathan"  ist  die  Charakteristik  der  einzelnen  Personen,  besonders  der  Recha.  Auf  sehr 
weitem  Umweg  nähert  sich  K.  dann  im  folgenden  Abschnitt  „Turandot"  ^^i^  seinem 
eigentlichen  Thema.  Von  den  einzelnen  Motiven  des  Märchens  geht  es  zu  der  ab- 
geschlossenen Erzählung  in  der  Sammlung  „1001  Tag"  und  zu  Gozzis  Fiaba,  die  ebenso 
wie  Gozzis  ganze  dichterische  Thätigkeit  sorgfältig  charakterisiert,  wird.  Die  folgende 
Untersuchung  der  Uebersetzung  von  Friedr.  Aug.  Clemens  Werthes  führt  unmittelbar 
zu  Schiller,  so  dass  also  ein  eingeschobenes  Kapitel  über  Turandotbearbeitungen  vor 
Schiller  ohne  Schaden  hätte  fehlen  können.  Es  behandelt  ein  Drama  im  bardischen 
Geschmack,  „Hermannide",  das  Joh.  Friedr.  Schmidt  für  das  Wiener  Preisaussclu-eiben 
von  1777  verfasste  und  Fr.  Rambachs  „Drey  Räthsel"  aus  dem  Jahre  1799.  Bei  der 
Würdigung  von  Schillers  ,, Turandot"  i^^*)  wird  der  Nachdruck  auf  die  Charakteristik  der 
einzelnen  Personen  gelegt,  wobei  die  Einwirkung  von  Moretos  ,,E1  desden  con  el  desden" 
ins  Auge  fällt.  Auch  die  Mühe,  die  sich  Schiller  bei  der  Einführung  der  Masken  der 
italienischen  Komödie  gegeben  hat,  und  die  Sorge  für  das  chinesische  Kolorit  seiner 
Bearbeitung  wird  anerkannt.  Aber  ebenso  klar  tritt  zu  Tage,  dass  Schiller  mit  der 
Bearbeitung  der  stillosen  Gozzischen  Dichtung  doch  keinen  ganzen  Erfolg  erringen 
konnte.  Aufführungen  und  Kritiken  aus  dem  Anfang  des  19.  Jh.  sprechen  sämtlich  für 
das  geringe  Interesse  des  Publikums.  Es  lag  jedoch  K.  nicht  nur  daran,  zu  zeigen, 
dass  Schiller  in  diesem  einzelnen  Falle  die  Verwertung  italienischer  Masken  auf  der 
deutschen  Bühne  missglückt  ist,  sondern  dass  eine  Einführung  dieser  Figuren  innerhalb 
Gozzischer  Märchen  bei  uns  überhaupt  eine  Unmöglichkeit  ist.  Diesem  Zweck  dient 
ein  Schlusskapitel  des  Abschnittes,  das  von  den  mannigfachsten  Einbürgerungsversuchen 
von  Gozzis  Fiaba  handelt.  Es  tritt  nicht  mit  dem  Anspruch  auf,  den  Einfluss  des 
Venetianers  auf  die  deutsche  Litteratur  zu  erschöpfen,  sondern  greift  aus  dem  reichen 
Stoff  charakteristische  Einzelfälle,  leider  in  zu  grosser  Zahl,  heraus.  Nachdem 
auf  die  ausserordentliche  Verwandlungsfähigkeit  der  Masken  trotz  ihres  unveränder- 
lichen Charakters  hingewiesen  worden  ist,  passiert  unter  Lessings  Führerschaft  eiiie  ganze 
Reihe  deutscher  Dichter  Revue:  Klinger  mit  seinem  ,,Simsone  Grisaldo",  Schröder, 
Reinecke,  Dyk  mit  mehreren  Bühnenbearbeitungen,  Gotter  mit  dem  „Öifentlichen  Ge- 
heimnis", einem  der  wenigen  Stücke,  in  denen  der  Charakter  des  Truffaldino  annähernd 
richtig  getroffen  ist,  Franz  Hörn  und  E.  T.  A.  Hoffmann,  die  ihre  Begeisterung  für  Gozzi 
in  prosaischen  Aufsätzen  aussprachen,  Goethe  mit  seinem  „Triumph  der  Empfindsamkeit", 
Tieck  mit  einigen  seiner  ersten  Märchendichtungen:  ,, Prinz  Zerbino",  „Blaubart",  „Der 
gestiefelte  Kater".  Clemens  Brentano  mit  dem  Märchen  „Liebseelchen"  und  vor  allem 
mit  seinem  Singspiel  ,,Die  lustigen  Musikanten",  Richard  Wagner  mit  seiner  Oper  „Die 
Feen",  Streckfuss,  der  in  seinem  „Zeim"  und  seinen  „Zwey  Geheimnissen"  die  Masken 
gänzlich  beseitigte,  Treitschke,  der  sie  in  seiner  „Zobeis"  dvirch  beliebte  deutsche  Lust- 
spielfiguren ersetzte,  und  endlich  Paul  Heyse,  der  einen  letzten  Versuch  mit  den  „Glück- 
lichen Bettlern"  machte,  eine  lange  Reihe  Schiffbrüchiger,  die  alle  an  der  gleichen 
Klippe  gescheitert  sind.  Allzubreit  ausgesponnen  ist  der  Abschnitt  über  die  Phädra- 
Uebersetzung,  zumal  da  die  einleitenden  Bemerkungen  über  die  haute  trag^die  der 
Franzosen  nicht  aus  dem  Vollen  geschöpft  sind.  Doch  lehrreich  ist  dann  die  Unter- 
suchung der  Uebersetzung  selbst;  die  Grundsätze  für  das  Verfahren  Schillers  lassen  sich 
fast  ganz  aus  dem  Unterschied  von  Alexandrinern  und  fünffüssigen  Jamben  ableiten. 
Ueberhaupt  sei  hier  auf  die  Partien  des  K. sehen  Buches,  die  über  metrische  Fragen, 
über  den  dramatischen  Vers  handeln,  besonders  hingewiesen ;  die  Stellen  sind  mit  Hülfe 
der  Seitenüberschriften  und  des  Registers  leicht  zu  finden.  Für  das  Uebersetzungs- 
verfahren  hatte  Schiller  übrigens  schon   seine  Vorgänger    in  Gotter    und  Goethe,  deren 


SeliillerBChe  Bearb.:  M.  Koch:  EngIStud.  16,  8.94/0;  llGQEnglSL.2.  -  121)  X  Schiller,  Turandot.  Trud.  da  A.Maffei.  Firenze, 


2lb  A.  Köster,  Schiller.  17  lO:  122-129. 

„Merope",  „Mahomet"  und  „Tancred"  wegweisend  für  ihn  waren.  Es  war  deshalb  be- 
rechtigt, diese  Dramen  vorher  zu  prüfen,  eingehender  als  es  bisher  geschehen  war.  In 
die  Untersuchung  ist  auch  eine  kurze  Charakteristik  von  Schillers  Uebersetzungen  der 
Picardschen  Lustspiele  ,.M6diocre  et  rarapant"  und  „Encore  des  M^nechmes"  ein- 
geflochten, wobei  die  Varianten  im  Hamburger  Theatermanuskript  des  „Neffen  als 
Onkel"  122)  ins  rechte  Licht  treten.  Mancherlei  Beigaben  hat  K.  endlich  noch  in  den 
nllzu  zahlreichen  Anmerkungen  aufgespeichert,  vor  allem  sind  hier  alle  textkritischen 
Erörterungen  erledigt;  zu  den  stilistischen  und  metrischen  Untersuchungen  im  dar- 
stellenden Teil  ist  das  statistische  Material  zur  Kontrolle  hinzugeftigt.  Im  Einzelnen 
handelt  Anmerkung  26  von  französischen  Macbethdramen;  79  von  dem  Einfluss  Dave- 
nants  auf  Bürgers  „Macbeth";  lOG  von  der  Einwirkung  H.  L.  Wagners  auf  Schillers 
„Macbeth";  143  bringt  eine  Hypothese  zum  Briefwechsel  zwischen  Schiller  und  Goethe, 
lier.  von  Vollmer,  4.  Aufl.  2,  S.  258;  248  bespricht  den  Zusammenhang  zwischen  dem 
Turandotdrama  und  Schillers  Entwurf  zu  „Rosamund"  (Werke  15,  1,  S.  349  ff.).  Endlich 
bringt  Anm.  3GG  eine  Kollation  der  Phädrahandschrift,  so  weit  sie  noch  vornanden  ist 
und  dem  Vf.  eneichbar  war.  — 

Höchst  erfreulich  ist  es,  wenn  man  sich  in  letzter  Zeit  viel  mit  dem  Nachläse 
Schillers  beschäftigt,  denn  hier  sind  noch  manche  Rätsel  zu  lösen.  Was  es  z.  B.  mit 
dem  Entwurf  zu  einem  „Attila"  auf  sich  hat,  ist  bis  heute  noch  dunkel.  E.  Müller '2») 
stellt  die  erreichbaren  Zeugnisse  zusammen,  aus  denen  sich  ergiebt,  dass  sich  Schiller 
in  den  letzten  Lebensjahren  mit  dem  Stoff  getragen  haben  muss.  Im  Goethe-  und 
Schiller-Archiv  hat  man  jedoch  keine  Spur  von  dem  Drama  gefunden.  —  Die  von  Minor 
(Aus  dem  Schiller- Archiv  S.  121  ff.)  mitgeteilte  Demetriusscene '24)  jgt  jetzt  erheblich 
besser  nach  neuer  Vergleichung  der  Handschrift  von  Suphan'25)  abgedruckt  worden. 
Der  Herausgeber  beweist  unwiderleglich,  dass  hier  ein  Diktat  vorliegt  und  wir 
also  Schiller  selbst,  nicht  Charlotte  als  den  Vf.  ansehen  müssen.  —  Die  gleiche  Ansicht 
hatte  bereits  Düntzer^^ß)  mit  guten  Gründen  gestützt  und  die  Entstehung  der  Scene, 
die  in  die  letzte  Passung  des  Demetriusentwurfes  nicht  mehr  hineinpasste,  in  den 
Oktober  1804  oder  dea  Pebruar  1805  verlegt.  Die  äusseren  Umstände,  besonders  aber 
(worauf  nicht  hingewiesen  ist)  die  unleugbaren  Mängel  der  Scene  legen  die  Vermutung 
nahe,  dass  der  Dichter  sie  in  einer  Zeit  körperlichen  Leidens  au8geft\hrt  hat.  —  Ein 
anderes  ist  es  nun  freilich,  in  dieser  Weise  Schillers  Fragmente  kritisch  zu  würdigen, 
ein  anderes,  sie  zu  Ende  zu  dichten.  Mit  der  Ausführung  Schillerscher  Dramenentwürfe 
hat  noch  keiner  rechtes  Glück  gehabt;  man  sollte  die  Fragmente  Fragmente,  die  Ent- 
würfe Entwürfe  bleiben  lassen  und  sie  als  solche  fieissig  studieren.  Sie  wurzeln  zu  tief 
in  des  Dichters  Individualität  und  in  seiner  Zeit,  um  von  einem  beliebigen  Epigonen 
fortgesetzt  werden  zu  können.  Vollends  sollte  man  sich  von  den  Versuchen  fernhalten, 
an  denen  Schiller  selbst  gescheitert  war.  So  war  es  von  vornherein  ein  unglücklicher 
Gedanke  A.  Walds ^27)^  die  „Kinder  des  Hauses"  auszuführen.  Ftxr  Schiller  war  diese 
Skizze  ein  Experiment;  er  wollte  gewisse  antike  Vorstellungen,  denen  er  in  den 
„Kranichen  des  Ibykus",  im  „Ring  des  Polykrates"  u.  ö.  Ausdruck  verliehen  hatte, 
auch  einmal  in  einem  ganz  modernen  Stoff  verkörpern,  gab  aber  den  Versuch  wesentlich 
deshalb  au^  weil  ihm  die  freie  Erfindung  einer  dramatischen  Fabel  Schwierigkeiten 
machte.  In  seinem  Plane  häuft  sich  eine  L'nwahrscheinlichkeit  auf  die  andere,  der 
Dichter  hat  selbst  darauf  hingewiesen.  Das  Drama  von  W.,  in  dem  alle  diese  Mängel 
wiederkehren,  verrät  nicht  eine  Spur  Schillerschen  Geistes.  In  einigen  Partien  wirkt 
es  wie  eine  Parodie  auf  die  Schicksalstragödie.  Dass  Professor  Schanz  nichtsdesto- 
weniger das  Schauspiel  ernst  nimmt,  ist  kein  Wunder.  Die  beiden  Schriftsteller  loben 
sich  seit  Jahren  gegenseitig.  —  Ueber  die  Willkür,  mit  der  Goedeke  in  der  historisch- 
kritischen Ausgabe  Bd.  15,  1  Schillers  dramatische  Entwürfe  herausgegeben  hat,  ist  oft 
geklagt  worden;  in  der  That  ist  diese  Ausgabe  völlig  unbrauchbar,  weil  sie  die 
Schwierigkeiten,  die  sich  an  den  Nachlass  knüpfen,  durch  die  wiiTe  Anordnung  noch 
wesentlich  vermehrt  hat.  Auch  Boxberger,  der  im  125.  Band  von  Spemanns  National- 
Litteratur  die  Entstehungsphasen  der  einzelnen  Entwürfe  kenntlich  machen  wollte, 
komite  nicht  zum  Ziel  kommen,  weil  er  sich  lediglich  an  das  gedruckte  Material  hielt. 
Es  ist  daher  eine  kritische  Ausgabe  dieser  kostbaren  Hinterlassenschaft  noch  immer  ein 
dringendes  Bedürfnis  und  eine  höchst  lohnende  Aufgabe.  Wie  viel  noch  zu  thun  ist, 
zeigt    Kettner  128)    an    dem    Beispiel    des    Malteserentwurfes.      Er    unterscheidet    zwei 


Le  Monnier  Snco.  L.  4,00.  —  122)  X  id-  Oncle  et  nevcu,  com^die  en  qutre  »ot«8  poblii«  et  annott«  p»r  M.  Alex.  Pey. 
Paris,  Delagrave.  65  S.  Fr.  0,75  —  123)  E.  Müller.  Ueber  e.  anbekannten  dramak  Plan  Schillers:  BBSW.  N.  li. 
—  124)  XX  A.  Stein,  Schillers  Deraetrius-Fraj^ment  u.  s.  Fortsetzangen.  1.  Teil:  D.  Fragment.  Progr.  d.  Oewerbeüchale. 
MUhlhauson,  VeuTe  Bader  &  Cie.  40.  23  S.  —  125)  B.  Snphan,  Za  Sohillers  Demetriui:  VLO.  4,  S.  343-54.  —  126)  H. 
DUntzer,  Zu  Schillers  Donietrius:  ib.  S.  173—81.  —  127)  A  Wald,  D.  Kinder  d  Hauses.  Sehauspielfragm.  t.  F.  t.  Schiller. 
Für  d.  dtscb.  Btlhne  bearb.  Mit  e.  Vorw.  von  Prof.  Uli  Sehanz.  Pressbarg  a.  Leipzig,  Heekenast  (Drodtleff).  71  S.  M.  1.00. 
i[ K.F.Kummer:  BLU.  S.  209— 10.]*—  128)  G.  Kettner,  Schillers  Malteser:  VLG.  4,  S.  528—66.  -  129)  K.  Frank,  Schillers 


rv  10:  130-139.  A.  Köster,  Schiller.  216 

grosse  Perioden  innerhalb  Schillers  Arbeit  an  diesem  Drama:  I  1788 — 96,  II  1797 — 1803. 
Mit  Hilfe  der  zahlreichen  Briefstellen,  in  denen  Schiller  von  der    immer    erneuten  Lust 
zu  diesem  Stoff  redet,  lassen  sich  die  vielen  erhaltenen  Personenverzeichnisse,  Scenare, 
Erwägungen,    Skizzen  usw.  mit    ziemlicher    Sicherheit  chronologisch  ordnen.     Dabei  er- 
giebt  aber  die  Prüfung  der  Hss.,  die  K.  vorgenommen  hat,  dass  Goedeke  grosse  Partien 
einfach    übersehen    oder    absichtlich  ungedruckt  gelassen  hat.     So  holt  K.  S.  536/8  ein 
umfängliches  Bruchstück  nach,   das    er  für  einen  Rest  des  ältesten  Entwurfs  hält;  ebenso 
S.  540/1  zwei  kleine  Skizzen  der  Handlung,  in  der  schon  die   episodische    Intrigue    das 
Hauptmotiv    gefährdet;    endlich   S.  543  ein  Fragment,  das  sich  unmittelbar  an  Goedeke 
S.  118,  33  anschhesst,    so    dass    also    dort    die  Skizze  des  Stückes  nicht  mehr  mit  dem 
vierten    Akt    abbricht,    sondern    zu    Ende    geführt    wird.      Soweit    die   erste  Phase    der 
Malteserdichtung.     Die  Zahlenreihen    bei  Goedeke  S.  113    bedeuten  wohl  a)  die  Anzahl 
der  wichtigsten  Scenen,  die  sich  nach  Möglichkeit  gleichmässig  über  das  Stück  verteilen 
mussten,    b)  die  mutmassliche  Anzahl    der  Druckseiten,  wenn    das    Stück  in  den  Hören 
veröffentlicht  werden  sollte.     Die  jüngere  Phase  der  Entwürfe  seit  1797  wird  äusserüch 
gekennzeichnet    durch    das    Fehlen   jeder    Akteinteilung.     Auch    hier  ist  neben  völliger 
Umstellung  der  von  Goedeke  durcheinander  geworfenen  Partien  auch  eine  Bereicherung 
des    Textes    zu    konstatieren:    S.  554/5    teilt   K.  ein    kurzes    Schema    der  Perioden  des 
Johanniterordens  mit,  die  Rückseite  des  Blattes,  das  Goedeke  S.  92,6-93,2  abdruckt.    Auch 
dieses  Blatt,  auf  dem  zuerst  der  Seemann  Romegas  auftritt,   deutet  auf  eine  abermalige 
Weiterentwicklung  der  Dichtung.     K.  spricht  von  der  Romegasstufe.     Gegen  das  Ende 
der  Untersuchung  hin  ist  die  Datierung  der  Bruchstücke  nicht  so   überzeugend  wie  am 
Anfang;    doch    sagt    K.  selbst,    dass    er    hier  noch  nicht  das  letzte  Wort  geredet  habe. 
Die  Ansätze  zur  Ausarbeitung  des  Dramas  hat  K.  von  dem  Entwurf  im   engeren  Sinne 
abgetrennt.     Am  Schluss   wird    der  Unwert    des    Körnerschen    Scenars    betont,    das    in 
Ziikunft    von    jeder    kritischen    Ausgabe    auszuschliessen    ist.    —    Die    Untersuchung 
K.  Franks  ^29)    über    die  „Prinzessin  von  Zelle"  kann  nicht  ausreichen.     Heyses  „Graf 
Königsmark"  ist  allerdings  eine  seiner  kraftlosesten  dramatischen  Leistungen.    Aber  die 
Unterschiede  zwischen  seinem  Stücke  und  Schillers  Entwurf  verdienen  doch  eine  etwas 
tiefere  Ergründung,  als  F.  ihnen  zuteil  werden  lässt.  — 

£i  einer  Schlussrubrik  „Verschiedenes"  findet  eine  Reihe  kleinerer  Bei- 
träge 130-135)  Platz.  Max  Kochi^*»)  setzt  seine  jährliche  Wanderung  durch  die  Schiller- 
litteratvir  fort.  —  Tragikomisch  erscheint  dem  heutigen  Leser  der  Aufruf  i^''),  den  am 
17.  Okt.  1805  R.  Z.  Becker  in  Gotha  erliess  zum  Ankauf  eines  Gutes  für  Schillers 
Erben,  zu  dem  die  Kosten  durch  Benefizvorstellungen  an  sämtlichen  deutschen  Theatern 
aufgebracht  werden  sollten.  — Vollmers  Exemplar  von  Schillers  Kalender,  das  der  Ver- 
storbene mit  der  Originalhs.  verglichen  und  mit  zahlreichen  Korrekturen  versehen  hatte, 
ist  in  den  Besitz  von  E.  Müller  i^^^  in  Tübingen  übergegangen,  der  nun  die  Resultate 
der  Vollmerschen  Kollation  veröffentHcht.  Viele  seltnere  IS  amen  und  manche  Daten 
werden  verbessert,  auch  sind  einige  grössere  Zusätze  zu  verzeichnen :  eine  Berechnung 
der  Einnahmen  vom  Jahre  1799  und  mehrere  ähnliche  Tabellen.  Inzwischen  ist  (1893) 
bei  Cotta  ein  Neudruck  des  ganzen  Kalenders  erschienen.  —  Endlich  erwähnen  wir  eine 
Reihe  von  Briefen,  geschrieben  von  Prof  Dr.  Jos.  Fick^^gj  (^Wien  1800  — .Graz  1881), 
dem  „Wiener  Anonymus",  einem  eifrigen  Mitarbeiter  der  Historisch-politischen  Blätter. 
Sie  stammen  aus  dem  Jahre  1881,  also  dem  letzten  Lebensjahre  F.s  und  sind  in  ganz 
ultramontanem  Geist  geschrieben.  Hatte  Daumer  in  seiner  Abhandlung  „Schiller  und 
sein  Verhältnis  zu  den  poHtischen  und  religiösen  Fragen  der  Gegenwart"  (Mainz  1862) 
in  dem  Schiller  der  letzten  Lebensjahre  einen  Neunzehntelkatholiken  sehen  wollen,  so 
bemüht  sich  F.  nachzuweisen,  dass  er  noch  lange  niclit  katholisch  genug  war.  Am 
eingehendsten  wird  dabei  die  ,, Jungfrau  von  Orleans"  betrachtet.  Gegenüber  dem 
durchweg  parteiischen  historischen  Urteil  wollen  einzelne  chronologische  Irrtümer 
(„Don  Carlos"  schon  1782  erschienen!)  wenig  sagen.  Seltsamerweise  hat  sich  mitten 
in  diese  Briefe  über  Schiller  auch  einer  über  GriUparzers  „Weh'  dem  der  lügt"  (S.  428—30) 
verirrt.  — 


„Prinzessin  v.  Zelle"  u.  Heyses  „Graf  Königsmark".  JB.  d.  Landes-Realgymn.  M.  SchOnterg,  Slawik.  14  S.  — 
130)  XX  L-  Böhme,  Sohillerstudieu  I.  Progr.  d.  Gyinn.  Albertinum.  Freiberg  i.  S.,  Eugolhardt.  4".  32  S.  M.  1,25.  (Nur 
e.  Bruchstuck  d.  ganzen  Abhandl.)  —  131)  X  ö-  Unbe  scheid,  Anzeigen  aus  d.  Schiller-Litt.  1890/91:  ZDU.  5,  S.  485-501.  — 
132)  X  E.  M.  Schranka,  Neues  aus  d.  Miniaturlitt.  (Lichtstrahlen  aus  Schillers  Werken  v.  Ad.  Wechsler.  Leipzig,  Opetz 
1890.  80.  1  M.):  BLU.  S.  149.  —  133)  X  UV  ya:65).  —  134)  X  D-  Schillerpreis:  HambCorr.  N.  795  (Auch  FZg.  N.  112; 
Kw.  4,  S.  228.)  (D.  Schillerstiftung  in  Augsburg  hat  ihren  ersten  Preis  für  hervorragende  Leistungen  in  dtsch.  Litteratur 
ierrn  Rieh.  Zoo/mann  in  Berlin  zuerkannt.)  —  135)  X  D-  latein.  Prüfung:  Didaskalia  N.  143.  (Anekdote  v.  Schillers  Sohn  Karl, 
d.  WUrttembg.  Oberförster.)  -  136)  M.Koch,  Neuere  Goethe-  u.  SchiUerlitt.:  BFDH.  NF.  7,  S.  161-'J9,  395-442.  -  137) 
E.  Müller,  Z.  Gesch.  d.  Schillerverehruug :  BBSW.  S.  78/9.  —  13^  id.,  VollmerB  Nachlese  zu  Schillers  Kalender:  VLG.  4, 
S.  440-50.    -    139)  Briefe  über  SohlUer:  HPBll.  107,  S.  321-33,  428-41.  - 


217  0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  11:  1-7. 


IV,ll 

Romantik. 

Oscar  F.  Walzel. 

Allgemüiiieii  N.  1.  —  KchlogeUchnr  Krei«:  August  Wilhelm  Schlegel  N.  3;  Friedrieb  8ehlegi>l  N.  10:  CwoIiM 
Sclilegel  N.  26;  Philipp  Veit  N.  26a;  Tieck  und  VVackenroder  N.  29.  —  No?»1i«,  W.  r.  Schutz,  tirieii,  L.  r.  »eckeadorf. 
F.  W.  V.  Schmidt  N.  :sa.  -  Hölderlin  N.  38.  -  Heidelberger  Rnmantik :  Arnim  und  KrenUnoN.  M;  Hettin»  N.  AO.  -  Scbwlbiech« 
Romantik:  Allgemoines  N.  60;  Uhland  N.  71;  Waiblinger  N.  82.  —  Emat  Hcbulze  N.  84.  —  Eicbendorff  N.  87.  —  Knoet  and 
Künstler  N.  89.  — 

Im  Berichtsjahre  ist  keine  Arbeit  allgemeinerer  Art  hervorgetreten,  die  zu- 
sammenfassend über  eine  grössere  Gruppe  von  Romantikern  handelte.  In  dem  durch 
Vulpius  1)  vorgelegten  Tagebuche  Augusts  von  Goethe  nur  findet  »ich  eine  Anzahl 
romantischer  Freunde  zusammen:  A.  W.  Schlegel  (2.  Sept.  1801),  Leo  v.  Seckendorff 
(3.  Jan.  1805),  Stoll  (11.  Jan.  1805),  Schleiermacher  (24.  Juli  1805),  H.  Steffens  (30.  JuU 
1805),  Ludwig  und  Amalie  Tieck  (8.  Juni  1828).  —  Merkwürdigerweise  hat  auch  noch  nie- 
mand Anlass  genommen,  die  gerade  im  Jahre  1891  energischer  auftretende  Bewegung 
des  französischen  Symbolismus  mit  der  in  wesentlichen  Punkten  übereinstimmenden 
deutschen  Roman t'ik  zusammenzuhalten.  Nur  Bruneti^re  2)  gedenkt  der  analogen  Be- 
mühungen von  Görres  und  Creutzer.  —  In  Hurets  3)  Enquete  legt  Gourmont  dem 
Symbolismus  eine  pliilosophische  Theorie  zu  Grunde,  die  mit  Fichtes  Idealismus  starke 
Verwandtschaft  hat.  Auch  hier  fehlt  der  naheliegende  Verweis  auf  die  von  Fichte 
ausgehende  deutsche  Romantik.  —  Prodniggs*)  Studie  über  die  ästhetische  Doktrin 
der  älteren  Romantik  kommt  in  erster  Linie  dem  jüngeren  Schlegel  zu  gute;  sie  soll 
zeigen,  wie  Goethes  „Wilhelm  Meister"  auf  die  Romantheorie  Friedrichs  und  auf  seine 
Bestimmung  der  romantischen  Poesie  gewirkt  hat.  Beide  Beziehungen  sind  lange  be- 
kannt und  mehrfach  erörtert  worden;  dennoch  weiss  P.  in  eindringlicher  Untersuchung 
manches  schärfer  zu  fassen.  Aus  den  Lyceumsfragmenten  26,  78,  89,  111,  118  liest 
er  als  Definition  des  Romanes  zusammen:  „Der  Roman  als  die  allerweiteste  unter  allen 
Foi'men  der  Dichtung  und  geeignet,  das  ganze  geistige  Leben  des  Autors  auszudrücken, 
soll  eine  Gesamtheit  von  selbständig  existierenden,  teils  thätigen,  teils  leidenden  Figuren 
umfassen,  und  es  können  sich  aus  dem  Gesamteindrucke  des  Ganzen  Lehren  der  prak- 
tischen Lebensweisheit  ergeben."  Punkt  für  Punkt  weist  P.  nach,  wie  diese  Definition 
und  die  ihr  zu  Grunde  liegenden  Fragmente  im  „Wilhelm  Meister"  zu  ihrem  Recht* 
kommen.  Vor  allem  dienen  die  Bildungselemente  des  Romans,  seine  belehrende  Seite, 
der  Romantik.  P.  fügt  eine  Analyse  des  Athenäumsaufsatzes  über  „Wilhelm  Meister" 
an;  in  ihm  wird  vor  allem  die  „Lebenskunst"  des  Romans  im  romantischen  Sinne  ge- 
deutet. Richtig  betont  P.  unter  Hinweis  auf  die  universale  Tendenz,  die  den  Romantikern 
aus  Goethes  Roman  entgegenleuchtete,  die  Gefahr  der  romantischen  Anschauung  vom 
Roman,  dass  sie  ihn  unkünstlerischen  Zwecken,  Zwecken  der  Bildung  unterordne.  Dass 
jene  universale  Tendenz  aus  dem  Romane  Goethes  die  Romantiker  alle  Gesetze  der 
Poesie  herauslesen  Hess,  wird  in  einer  Analyse  des  Athenäumsfragments  116  gezeigt. 
Die  darin  gegebene  Definition  der  romantischen  Poesie  stimmt  nach  P.s  Erörterungen 
sowohl  in  der  Forderung  einer  progressiven  Universalpoesie  wie  in  der  Betonung  des 
innigen  Verhältnisses  zur  Philosophie  mit  den  Tendenzen  des  „Wilhelm  Meister".  Auch 
der  Aufsatz  über  „Wilhelm  Meister"  bestätigt  mit  seiner  Bildungsforderung,  dass  die 
Romantiker  in  dem  Romane  nvu*  ihr  eigene  Welt  wiederfanden.  P.  führt  seine  Be- 
trachtungen bis  an  den  Begriff  der  romantischen  Ironie  heran ;  diese  Ironie  selbst  lässt 
er  mit  Recht  bei  Seite,  da  ilire  Wiu-zeln  in  einem  ganz  anderen  Ideenkreis  liegen.  — 
Im  vorigen  Berichtsjahre  war  es  innerhalb  des  Schlegelschen  Kreises  der 
jüngere  der  Brüder  Schlegel,  der  im  Vordergrunde  stand;  das  Berichtsjahr  brachte  dem 
Shakespeareübersetzer  August  Wilhelm  grösseres  Interesse  entgegen.  Bernays  5) 
rechtfertigt  die  pliilologische  Behandlung  seines  Neudrucks  der  Schlegel-Tieckschen 
Shakespeareübersetzung  6-'')  in  einer  feinsinnigen  Studie.  B.  war  neuerdings  an  die 
Dresdener  Hss.  der  Schlegelschen  Uebersetzung  herangegangen;  nur  aus  ihnen  wollte  er 


1)  (IV  1  :  29;  Tgl.  IV  9b  :  68.)  —  2)  F.  Brnsetüre,  Le  symbolistne  eont«npor»in :  BDM.  104,  S.  «86ff. 
3)  J.  Huret,  Enquöte  sur  l'övolution  littöraire.  Paria,  Charpentier.  XXI,  466  S.  Fr.  3,50.  (S.  138.)  —  4)  H.  Predni  gg, 
Goethes  Wilhelm  Meister  u.  d.  aesth.  Doktrin  d.  Ilt  Romantik.  40.  JB.  d.  Steiermark.  LandesoberrMlsehale.  Qrai.  31  S.  — 
5)  M.  Bernays,  Vor-  u.  Nachwort  z.  neuen  Abdruck  d.  Schlegel-Tieckschen  Shakespeare:  FrJbb.  68,  S.  524—69.  — 
6-7)  Shakespeares  dramatische  Werke.  Uebers.  t.  A.  W.  t.  Schlegel  u.  L.  Tieck,  dorohges.  t.  K.  Bernays.  X.  Abdr.  Berlin, 
Reimer.     12«.     XXX,  330,  865,  404,  343,  304,  378,  304,  367,  341,  381,  419,  494  S.    M.  9,60.     [[L.  Frlnkel:   BLU.  S.  801/2.|  — 


IV  11:  8-16.  0.  F.  Walzel,  ßomantik.  218 

Aenderungen  des  überlieferten  Textes  schöpfen,  da  nach  seiner  Ueberzeugung  n\ir 
Schlegel  selbst  Besserungen  vorzunehmen  im  stände  war.  Dass  Schlegel  seine  Ueber- 
tragung  vervollkommnen  wollte,  wird  durch  einen  ungedruckten  Biief  an  Cotta  vom 
23.  April  1801  bestätigt.  Thatsächlich  zur  Verbesserung  geschritten  ist  er  erst,  als 
Tieok  mit  seiner  Uebersetzung  hervortrat;  nur  dem  ,, König  Johann",  „Richard  II,"  und 
dem  ersten  Teile  von  ,, Heinrich  lA-^."  ist  die  neue  Sorgfalt  Schlegels  zu  gute  gekommen. 
B.  betont,  dass  die  frühe  Unterbrechung  dieser  Revisionsarbeit  nicht  zu  beklagen  sei. 
Schlegel  hatte  seinen  Geschmack  durch  die  französischen  Arbeiten  zu  sehr  verwöhnt, 
um  nicht  jetzt  zu  stark  nach  Glätte  und  Geschmeidigkeit  zu  streben.  Als  Belege  erscheinen: 
„König  Johann"  3,  1,  77  (Elze  hält  irrtümlich  die  ursprüngliche  Lesart  für  Tiecks 
Eigentum:  Ausgabe  der  Shakespearegesellschaft  1,  S.  237);  1,  1,  89;  3,  3,  19.  Glücklich 
beseitigt  wurde  durch  B.  in  Ueb3reinstimmung  mit  Alex.  Schmidt  der  ,, stotternde" 
Heisssporn  („Heinrich  IV."  2,  2,  3,  24).  Aehnliches  widerfuhr  einem  offenkundigen 
Fehler  „Romeo  und  Julie"  3,  5,  142.  Um  die  Ansichten  von  Zeitgenossen  und  Sach- 
verständigen über  Schlegels  Arbeit  zu  kennzeichnen,  bringt  B.  die  lobenden  Urteile 
Garves,  Tiecks,  0.  Gildemeisters  und  Novalis'  (an  Wilhelm  30.  Nov.  1797)  bei.  Zum 
Schlüsse  setzt  er  Schlegels  litterarische  That  in  Parallele  mit  Scotts  Uebertragung 
des  ,,Götz  von  Berlichingen"  und  Coleridges  WallensteinübersetzungS-u),  —  Neue  An- 
haltspunkte zur  Bewertung  der  Shakespeareübersetzung  bringt  auch  Köster^^)  bei. 
Dass  Schiller  von  Schlegels  Arbeit  für  seine  Metrik  Gewinn  gezogen  hatte,  war  von  dem 
eitlen  Manne  selbst  ausdrücklich  hervorgehoben  worden.  K.  prüft  zum  ersten  Male  diese 
Behauptung;  er  erblickt  dasWesentliche  des  Schlegelschen  Blankverses  in  der  freien  Behand- 
lung der  Jamben.  Wann  der  Jambus  durch  den  Trochäus  ersetzt  werden  kann,  untersucht 
Schlegel  schon  in  den  metrischen  Studien,  die  er  im  Jahre  1793  seinem  Bruder  sendet. 
Die  beiden  Shakespeareabhandlungen  der  „Hören"  gehen  dem  Probleme  weiter  nach;  sie 
wollen  auch  das  Wesen  des  Shakespeareschen  Dialogs  ergründen;  eine  Absicht,  die  in 
den  Vorlesungen  von  1808  ihre  abschliessende  Erfüllung  erreicht.  Schiller  übernimmt 
von  Schlegel  sowohl  den  Trochäus  im  Blankvers,  den  von  den  ,,koiTekten"  Kritikern  als 
„holprig"  verurteilten  Quinar,  wie  die  Dialogführung.  Beides  erweist  K.,  indem  er  den  „Don 
Carlos"  den  späteren  Dramen  gegenüberstellt.  Auch  eine  Sammlung  von  Urteilen  über  die 
Schillersche  Macbethbearbeitung  aus  dem  Kreise  W.  Schlegels  stellt  K.  zusammen  (S.  122  ff.). 
—  W.Schlegels  sehr  unerfreuliches  Verhältnis  zu  Bopp  fand  durch  Lefmann  i3-i*)  eine 
ausführliche  Darlegung.  Sie  stützt  sich  auf  den  (S.  84* — 114*)  zum  ersten  Male  mit- 
geteilten Briefwechsel  der  beiden  Männer;  die  Briefe  Bopps  entstammen  augenscheinlich 
dem  Schatze  der  Dresdener  Bibliothek  (vgl.  Klettes  „Verzeichnis"  N.  139).  Der  Brief- 
wechsel setzt  1815  mit  einem  Dankschreiben  Schlegels  ein,  findet  seine  Fortsetzung 
indessen  erst  1820  und  läuft  dann  mit  kurzen  Unterbrechungen  bis  1829.  Er  beschäftigte 
sich  im  wesentlichen  mit  dem  Gusse  der  Sanskrittypen;  erst  die  letzten  Briefe  vom 
Jahre  1829  erregen  besonderes  Interesse;  sie  sind  Dokumente  des  Bruches.  Wilhelms 
von  L.  auch  im  Texte  ausführlich  erörterte  Beziehungen  zu  Bopp  knüpften  sich  1815: 
damals  nimmt  Schlegel  in  Paris  bei  dem  jugendlichen  Anfänger  Stunden  im  Sanskrit, 
obwohl  Chezy  seine  Vorlesungen  schon  eröffnet  hatte.  Er  reist  ab,  ohne  sich  von 
Bopp  zu  verabschieden,  was  natürlich  eine  gewisse  Gereiztheit  des  letzteren  wachrief. 
Das  später  wieder  angeknüpfte  Verhältnis  konnte  bei  Schlegels  Eigendünkel  nicht  von 
Dauer  sein.  Schon  1820  schulmeistert  er  an  Bopps  Latein.  1829  giebt  er  brieflich 
eine  überscharfe  Recension  von  Bopps  „Grammatischem  System"  (vgl.  auch  S.  144). 
Bopp  blieb  die  Antwort  nicht  schuldig.  Schlegel  spielte  den  Gekränkten  und  liess 
Bopp  durch  Lassen  in  der  „Indischen  Bibliothek"  heruntermachen  (vgl.  S.  147).  Win- 
dischmann, der  Ereund  beider,  stellte  sich  zuletzt  ganz  auf  Bopps  Seite.  Schon  Bopps 
Aufnahme  in  die  Berliner  Akademie  hat  wohl  Schlegels  Neid  erregt.  Schlegels  „litte- 
rarische Scherze"  hat  Bopp,  wie  L.  zeigt,  ebenso  witzig  wie  schlagend  beantwortet 
(S,  173  f.).  Im  einzelnen  erwähnt  sei:  Schlegel  verurteilt  das  „Salbadern",  dem  Görres' 
Anzeige  der  Schlegelschen  Ausgabe  des  ,,Ramayana"  huldigte  (16.  April  1815);  die 
Rhoderecension  seines  Bruders  nennt  er  ,,ein  tüchtiges  Stück  Arbeit"  (20.  Aug.  1820). 
Kosegartens  „Nala" -Uebertragung  wird  von  Bopp  verworfen  (8.  Aug.  1820),  währender 
den  von  Schlegel  abfällig  beurteilten  Wilckins  in  Schutz  nimmt.  Auch  Schlegels  Ver- 
hältnis zu  Windischmann    erfährt    in  L.s  Schrift  eine    neue  Beleuchtung  (S.  63*,    76*). 


8)  X  id.,  Dramatische  Werke.  Uebers.  v.  A.  W.  v.  Sohlegel  u.  L.  Tieek.  Im  Auftrage  d.  dtsch.  Shakespeare-Qes.  her.  n.  mit 
Einl.  Ters.  r.  W.  Oechelhaaser.  Stuttgart,  Dtsch.  Verl.-Anst.  XII,  943  S.  M.  3,00.  |[BLU.  S.  350(warm  empfohlen);  A.  D  [ovej: 
AZgu.  N.  149;  E[o  denberg]:  DBs.  69,  S.  319;  N*S.  58,  S.  133;  J.  R.:  LZgB.  N.  68.]|  —  9)  X  'd-,  öamtl.  dram.  Werke  in 
12  Kden.  Uebers.  v.  Schlegel  u.  Tieck.  Bd.  3-6.  (=  Cottasche  Volksbibl.  N.  30,  39,  42,  44.)  Stuttgart,  Cotta.  215,  304, 
240,  256  S.  Je  M.  0,60.  —  10)  X  id.,  E.  Sommernaohtstraum.  Uebers.  v.  A.  W  Schlegel.  Mit  12  Heliogray.  u.  19  Holzsohn, 
nach  E.  Kanoldt  u.  W.  Yolz.  Leipzig,  Amelang.  40.  V,  82  S.  Geb.  m.  Q.  M.  20,00.  —  II)  X  D.  Schlegel- Tiecksche 
Shakespeare:  HambNachrS.  N.  43.  —  12)  A.  Köster,  Schiller  als  Dramaturg.  S.  o.  IV  10  :  117.  S.  97-102.  -  13)  (I  2  :  30.)  — 
14)  X  Ib.,  Aus  Franz  Bopps  Briefwechsel:  AZg^.  N.  299.  —  15)  0.  F.  Walzel,  Neue  (Quellen  z.  Gesch.  d.  &lt.  romant.  Schule: 


I 


219  0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  11:  i«-20. 

Eine  ausführliche  Kritik  des  Buches  „Ueber  die  Sprache  und  Weisheit  der  Indier" 
spendet  L.  aus  eigenen  Mitteln  (S.  12  f.,  43  ff.).  —  Eine  weitere  V^ermehrung  wird  den 
gedruckten  Briefen  W.  Schlegels  durch  WalzeP*)  zu  teil.  Ein  nach  dem  Concepte 
veröffentliclit^r  französischer  Brief,  an  eine  unbekannte  Spanierin  gerichtet,  predigt  den 
spanisclien  Dichtern  Abkehr  von  ihren  französischen  Mustern  und  Rückkehr  zu  ihren 
natürlichen  Quellen;  er  dürfte  dem  Jahre  1813  entiitammen.  Zwei  Briefe  .loh.  Adolf 
Schlegels  an  seinen  in  Amsterdam  weilenden  Sohn  Wilhelm  aus  den  Jahren  1791  und 
1703  zeigen  den  Vater  beflissen,  die  Stelle  eines  Hannoverschen  GrymnaHialdirektors  dem 
Sohne  zu  verschaffen,  und  lassen  Wilhelm  als  Kriegsreporter  der  hannoverschen  Zeitungen 
erscheinen.  W.  handelt  im  Anschluss  daran  über  Joh.  Adolf  Schlegels  Versuch,  seinen 
Sohn  bei  der  Gesandtschaft  zu  Dresden  unterzubringen.  Endlich  stellt  W.  nach  einem 
hs.  Dokumente  die  für  die  „Göttinger  Gelehrten  Anzeigen"  im  ersten  Halbjahr  1791 
gelieferten  Recensionen  Wilhelms  zusammen;  zwei  kleine,  von  Böcking  nicht  auf- 
genommene (über  Wahls  „Beförderung  der  menschlichen  Glückseligkeit"  und  über  eine 
Sammlung  bis  dahin  nicht  herausgegebener  kleinerer  Dichtungen  Torquato  Tassos)  werden 
neu  gedruckt. ^8)  —  Hochei'')  deutet  an,  dass  gesellschaftliche  Konflikte  die  Lösung  der 
Beziehungen  W.  Schlegels  zu  Chr.  Gottl.  Schütz,  dem  Herausgeber  der  „Jenaischen 
Allgemeinen  Litteraturzeitung",  anbahnten.  —  Anlässlich  der  im  Vorjahr  veröffentlichten 
„Souvenirs  du  Baron  de  Barante"  betont  Lady  Blennerhassett  >*),  dass  Prosper 
Barante  in  seinem  „Tableau  de  la  litterature  fran^aise  au  18«  si^cle"  als  einer  der 
ersten  die  Ideen  W.  Schlegels  und  der  deutschen  Romantik  in  Frankreich  vertrat;  auch 
er  stellt  sich  in  Gegensatz  zu  dem  aufgeklärten  Zeitalter  und  setzt  in  Uebereinstimmung 
mit  Frau  von  Stael  und  mit  W.  Schlegel  die  historische  Forschung  an  die  Stelle  einer 
unbeugsamen  Logik.  — 

Muncker  i»)  versucht  zum  ersten  Male  die  schwierige  Aufgabe  einer  Dar- 
stellvmg  der  gesamten  Thätigkeit  Friedrich  Schlegels  20)  zu  lösen.  Bis  zur  Be- 
handlung der  Pariser  Zeit  begnügt  er  sich  mit  einer  knappen,  an  Haym  und  Koberstein 
sich  anlehnenden  Charakteristik,  die  nur  hier  und  da  nach  neuereu  Dokumenten  ein- 
zelnes bessert.  Auf  das  Einzelurteil  legt  M.  ein  stärkeres  Gewicht  als  auf  eine  zu- 
sammenhängende Darlegung  der  philosophischen  Grundlage  und  ihrer  Entwicklung; 
Schlegels  Verhältnis  zu  Schillers  „Naiver  und  sentimentalischer  Dichtung"  ist  einer  ein- 
dringlicheren Erhellung  bedürftig.  Zu  den  Arbeiten  über  griechische  Dichtung  wären 
auch  die  in  den  Werken  (1.  Ausgabe  3,  S.  267 — 338)  mitgeteilten  bruchstückartigen 
„Vorarbeiten  zur  Geschichte  der  verschiedenen  Schulen  und  Epochen  der  lyrischen 
Dichtkunst"  von  1795  anzuziehen  gewesen.  Beim  Lessingaufsatz  von  1797  kommt 
M.  auf  die  Lessingausgabe  von  1804  zu  sprechen,  die  ihm  „im  allgemeinen  auf  dieselbe 
Anschauung  gegründet"  scheint.  Von  der  Zeit  des  Pariser  Aufenthalts  ab  entbehrte 
M.  zusammenfassender  Vorarbeiten.  Er  erörtert  die  neuen  Pariser  Studien,  denen  das 
Buch  „Ueber  die  Sprache  und  Weisheit  der  Indier"  entkeimt  ist;  schon  damals  hofile 
Sclüegel  die  Rückkehr  von  der  einseitigen  Beschäftigung  mit  den  Griechen  zur  Er- 
kenntnis des  Göttlichen.  Die  Zeitschrift  „Europa"  wird  analysiert,  deren  geschichts- 
philosophische  Phantasien  von  der  absoluten  Erstorbenheit  der  höheren  Organe  „fabeln". 
Trotz  der  im  Gegensatz  zu  den  „Propyläen"  gedachten  Verherrlichung  der  altchristlichen 
Malerei  glaubt  M.  zu  bemerken,  dass  Schlegels  polemischer  Eifer  allmählich  erlischt 
In  den  Pariser  Vorlesungen  erblickt  er  einen  konfusen  Eklekticismus  aus  Fichte, 
Schelling  und  Jakob  Böhme.  Der  in  ihnen  verkündete  „Idealismus  der  unbedingten 
Ichheit"  werde  i  mmer  mystischer,  zuletzt  rein  katholisch.  Am  besten  gelinge  der  Ueber- 
blick  über  die  Geschichte  der  Pliilosophie.  Als  formales  Vorbild  des  „Roland"  nimmt 
M.  Herders  ,,Cid"  an,  neben  der  Hauptquelle  des  Pseudotvu"pin  glaubt  er  auch  andere 
altfranzösische  Quellen  und  das  „Ludwigslied"  anziehen  zu  müssen.  Ohne  der  zwischen 
den  Pariser  Aufenthalt  und  den  Einti'itt  in  den  österreichischen  Staatsdienst  fallenden 
Leidensjahre  näher  zu  gedenken,  charakterisiert  M.  sofort  Schlegels  Wirken  für  das 
Habsburgische  Haus  (die  „Armeezeitung",  die  Schlegel  redigierte,  heisst  eigentlich 
„Oesten-eichische  Zeitung";  vgl.  ADA.  19.,  S.  81).  Die  damaligen  patriotischen  Gedichte 
erscheinen  M.  mit  einigen  Romanzen,  symbolisch-parabolischen  Versuchen  und  kirchlich 
mystischen  Dichtungen  das  Beste,  was  F.  Schlegel  in  gebundener  Form  geliefert  hat; 
den  übrigen  Gedichten  kann  er  nur  formale  Beherrschung  künstlicher  Versmasse 
nachrühmen.  Die  Wiener  Vorlesungen  von  1811  bezeichnet  er  als  allgemeine  philoso- 
phische Betrachtungen  über  die  Geschichte  des  Mittelalters  und  der  folgenden  Jhh.,  die 
bei  starker  Betonung  des  kulturhistorischen  Moments  nur  Deutachland  und  insbesondere 
Oesterreich  behandeln.     Die  Vorlesungen  von  1812  geben    nach    M.    ältere    Studien    in 

ZOG.  42,  S.  103/4,  486-93.  (Vgl.  ib.  40  (1889),  S.  97-102,  485—93.)  -  W)  X  Erich  Schmidt,  W.  Seh]«geU  fr>nxO«itch« 
Briefe  über  Goethe:  BerlTBl.  v.  3.  Juni  (Ref.).  -  17)  R.  Hoc  he,  Gh.  G.  SchBti:  ADB.  33,  8.  111,'5.  -  18)  Se.  [Charl. 
Lady  Blennerhassett],  D.  Erinnerungen  d.  Baron  de  Barante  1782—1866:  AZg".  N.  10.  —  19)  F.  Mnncker,  F.  äehlegel: 
ADB.  33,  S.  737-52.  -  20)  X  F.  Schlegel,  Storia  della  letteratora  anUca  e  moderna;  Ten.  d.  F.  AmbrosolL    Milano,  BatUaaati 


IV  11:  21-268.  0.  E.  Walzel,  Romantik.  220 

neuem  Lichte;  jetzt  wird  die  griechische  Religion  verworfen;  über  die  romanischen 
Litteraturen  wird  skeptisch  geurteilt;  nur  Calderon  und  Camoens  kommen  zu  Ehren. 
Bei  allem  kühlen  Abwägen  zwischen  Vorzügen  und  Nachteilen  trübten  kirchliche  Vor- 
urteile die  Darstellung  der  Philosophie.  Im  ganzen  gebe  Schlegel  ein  welthistorisches 
Gemälde  der  europäischen  Geistesbildung.  „Beobachter",  „Deutsches  Museum"  und 
„Concordia"  werden  eilig  besprochen,  die  Mitarbeiter  der  beiden  Zeitscliriften  genannt. 
Die  Lamartinebesprechung  der  letztgenannten  Zeitschrift  mit  ihren  Seitenblicken  auf 
den  ,, dämonischen"  Byron  wird  angeführt,  der  Aufsatz  ,, Signatur  des  Zeitalters"  als 
Anklage  gegen  den  allgemeinen  Verfall  der  Zeit  durch  den  Unglauben  erwiesen.  M.  be- 
tont die  politische  üebereinstimmu.ng  Schlegels  mit  Burke,  Gentz,  A.  Müller,  K.  L. 
V.  Haller,  Görres,  Maistre.  Die  letzten  Schicksale  Schlegels,  seine  Thätigkeit  in  Frank- 
furt a.  M.,  seine  Romreise,  die  Ausgabe  seiner  Werke,  der  Konflikt  mit  dem  Bruder, 
der  Tod,  werden  rasch  erledigt.  In  der  Recension  über  Rhode  erkennt  M.  einen  Ver- 
such, Bibel  und  Wissenschaft  in  Einklang  zu  setzen.  Die  Vorlesungen  von  1827  er- 
geben sich  als  Ausdruck  eines  Spiritualismus,  der  Gott  als  lebendigen,  persönlichen 
Geist  fasse ;  sie  wollen  eine  angewandte  Theologie  begründen,  die  Vernunftwissen- 
schaft und  Naturphilosophie  verbindet.  Sie  entbehren  eigentlicher  wissenschaftlicher 
Begründung  und  sind  doch  für  weitere  Kreise  zu  hoch  gedacht.  In  den  Vorlesungen 
von  1828,  in  denen  die  Wiederherstellung  des  göttlichen  Ebenbildes  nach  dem  Stufen- 
gang der  Gnade  erläutert  wird,  sieht  M.  eine  vom  religiösen  Geiste  durchwehte  kultur- 
geschichtliche Betrachtung  der  Menschheitsentwicklung.  Die  Dresdener  Vorlesungen 
stimmen  mit  den  Tendenzen  St.  Martins  und  verlieren  sich  in  M.s  Augen  gleichfalls  in 
eine  mystische  Theologie.  —  Neben  der  ersten  Gesamtdarstellung  Friedrich  Schlegels 
schritt  die  Detailarbeit  rüstig  weiter.  Die  im  Vorjahre  veröffentlichte  Ausgabe  seiner 
Briefe  an  den  Bruder  Wilhelm  2i)  veranlasste  noch  einige  weitere  Studien,  die  teils  in 
grossen  Zügen  charakterisieren,  teils  Einzelheiten  hervorheben.  R.  M.  Werner 
schildert  Schlegels  Art,  Briefe  zu  schreiben,  besonders  seine  sich  immer  verschärfende 
Weise  brieflicher  Kritik,  betont  die  Innigkeit  des  Verhältnisses  beider  Brüder  und  hebt 
die  schillernde  Terminologie  der  Briefe  aus  der  Athenäumszeit  hervor;  S.  189  füllt  er 
die  Lücke  mit  „Mastiaux"  wohl  nicht  richtig  aus.  —  Max  Koch  stellt  aus  den  Briefen 
interessante,  Goethe  und  Schiller  betreffende  Aeusserungen  zusammen;  er  schildert,  wie 
Schiller  und  die  Schlegel  auseinandergekommen  sind,  wie  indessen  trotzdem  F.  Schlegel 
dem  Einflüsse  Schillers  sich  nicht  entziehen  konnte.  —  Hewett  22-26^  charakterisiert  die 
Briefe  und  ihren  Verfasser  in  zwei  feinsinnigen,  für  amerikanische  Leser  berechneten 
kleinen  Essays,  die  mit  richtigem  Blick  die  wichtigsten  Abteilungen  der  Briefe  hervor- 
heben. —  Die  geringe  Zahl  bekainiter  Briefe  von  F.  Schlegel  an  Novalis  vermehrt 
Walzel  ö*)  durch  einen  neuen  vom  20.  Okt.  1798;  er  enthält  die  erste  Erwähnung  des 
Planes  der  „Lucinde";  das  Ziel  seiner  litterarischen  Projekte  sieht  F.  Schlegel  in  einer 
„neuen  Bibel".  Konventionelle  Beileidsphrasen  enthält  ein  französischer  Brief,  den 
Schlegel  an  die  Stael  einen  Tag  vor  ihrem  Tode  gerichtet  hat  und  der  nie  an  seine 
Adresse  gelangt  ist.  —  Einen  von  Jonas  („Chr.  G.  Körner"  1882.  S.  29)  teilweise  mit- 
geteilten Brief  des  alten  Körner  an  F.  Schlegel  vom  28.  Mai  1813  mit  Nachrichten  über 
Philipp  Veit  und  Th.  Körner  druckt  Kohut  ^3)  vollständig  ab.  — 

Verehrer  von  Caroline  Schlegel  finden  in  einem  Aufsatze  Hummels  2«)  die 
Inschriften  ihres  Grabdenkmals  und  die  sie  betreffende,  von  Schellings  Vater  abge- 
fasste  Notiz  der  Maulbronner  Totenbücher.  Weiter  druckt  H.  nach  Plitts  Buch 
„Aus  Schellings  Leben"  die  mit  der  Klage  um  die  Hingeschiedene  erfüllten 
Briefe  des  trauernden  Philosophen  an  Luise  Gotter  und  an  Georgii  ab  und  meint, 
Schelling  habe  nur  in  dem  religiösen  Centrum  der  Persönlichkeit,  wo  Gott  vmd  Ewig- 
keit gegenwärtig  sind,  Trost  gefunden.  — 

L.  Kaufmann  ^6a)  veröffentlicht  zehn  ungedruckte  Vorträge  Philipp  Veits; 
der  erste  gehört  dem  Jahre  1853  an,  die  folgenden  sind  noch  jünger.  Zur  Gescliichte 
der  Romantik  stehen  sie  doch  wohl  in  zu  loser  Beziehung,  um  liier  ausfülirlich  ge- 
würdigt zu  werden.  Aus  der  Einleitung,  die  bekannte  Daten  aus  Philipp  Veits  Leben 
zusammenstellt,  ergiebt  sich,  dass  sich  28  Vorträge  und  kleine  Schriften  in  seinem  Nach- 
lasse finden;  nur  vier  von  diesen  (vgl.  K.  S.  8,  N.  2)  kamen  zu  Veits  Lebzeiten  zum 
Druck.  Die  jetzt  mitgeteilten  Vorträge  handeln  vom  Schild  des  Achilles  („nebst  alh 
gemeinen  Bemerkungen  über  bildende  Kunst  und  ilxre  Grenzen"),  über  Verzweigungen 
der  Kunst,  vorzüglich  über  Genre-  und  Landschaftsmalerei.  Wenn  schon  die  Be- 
sprechung der  Landschaftsmalerei  Veit  auf  den  Bahnen  seines  Stiefonkels  A.  W." Schlegel 


Succ.  -2l)F.Schlegel,Briefe,  hör.  V.Walze)  (JBL.  18901V  13:1):  E(  rieh  Schmidt):  DRs.  66,S.  150/1.  (Ferner  auch  R.M.Werner: 
DLZ.  13,  S.  457/9;  M.  Koch:  BFDH.  1891,  S.  403/6.)  —  22)  [W.  T.  Hewett],  F.  Schlegels  Corrospondence  with  his  brother: 
Independent  43,  N.  2285.  -  23)  X  id.,  Schlegels  Briefe,  her.  v.  Walzel:  MLN.  6,  S.  209—11.  —  24)  0.  F.  Walzel,  Nene 
Quellen  z.  Gesch.  d.  »lt.  roinant.  Schule  IV:  ZOG.  42,  S.  105/7.  -  25)  (lY  4  :  53.)  -  26)  F.  Hummel,  D.  Grab  v.  Caroline 
Schelling:  BB8W.  N.  18/4.  —  26a)  Ph.  Veit,  10  Vortrr.  Über  Kunst.     Mit  Anm,  u.  e.  Vorw.  v.  L.  Kaufmann  (=  Görres-Qes, 


221  O,  F.  Walzel,  Romantik.  IV  U:Wh.M. 

zeigt,  so  handelt  er  auch  wie  dieser  über  Giovanni  da  Fiesole.  Weitere  Vorträge  folgen : 
über  Porträt,  über  Kirchenrestauration,  über  Phantasie,  endlich  über  sein  eigenes 
Sebastiangemälde;  energisch  tritt  er  für  die  Notwendigkeit  eines  Stils  in  der  Kunst  ein. 
Dem  Buche  ist  die  Wiedergabe  einer  BleistiftÄeirhnung  l)oigegeben,  in  der  Veit  kurz 
nach  den  Befreiungskriegen  selbst  seine  Züge  festhielt;  er  sandte  das  Selbstporträt  von 
Rom  an  seine  Eltern.  —  Dass  in  erster  Linie  künstlerische  und  «achliche,  nicht  religiöse 
Bedenken  über  K,  F.  Lessings  Huss  Veit  veranlassten,  die  Leitung  dos  Städelschen 
Instituts  niederzulegen,  bestätigen  Briefe  Edwards  von  Steinle  2eb-28j,  — 

Gozzis  Einwirkung  auf  Tieck  wird  von  A.  Köster'»)  erörtert  Der  erste  Akt 
von  „Amore  delle  tre  melarance"  hat  dem  „Zerbino"  zur  Quelle  gedient;  litterarische 
Zeitsatire  spielt  hier  wie  dort  hinein.  Sonst  findet  K.  nur  den  „Blaubart"  und  den  „Ge- 
stiefelten Kater"  von  Gozzi  in  einzelnen  Motiven  beeinflusst.  Gozzi  lässt  nur  die 
Masken  in  Prosa  s])rechen ;  Tieck,  der  sie  teils  nachgeahmt,  teils  durch  ähnliche  Gebilde 
ersetzt,  verwendet  Prosa  und  Vers  ganz  frei.  Beiden  Dichtem  gemeinsam  ist  die  Verwertung 
des  Verses  für  komische  Wirkungen.  —  Die  Tiecksche  ShakespeareObersetzung  bedenkt 
Bernays^o^  mit  einer  Studie,  die  natürlich  den  Hauptarbeitem  Dorothea  Tieck  und 
W.  v.  Baudissin  vor  allem  gilt.  1824  sendet  Tieck  die  Ankündigung  in  die  Welt. 
Seine  Saumseligkeit,  die  auch  Müllners  Spott  erregte,  lässt  ihn  nicht  zur  Arbeit  kommen. 
Baudissin,  der  schon  mit  fünfzehn  Jahren  durch  eine  Uebertragung  des  „König  Lear" 
Schlegels  Beifall  errungen  hatte,  greift  rettend  zu;  Dorothea  arbeitet  sich  an  der  Ueber- 
setzung  allmählich  in  Shakespeare  ein.  Aus  den  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Dresden 
bewahrten  Mss.  erhellt,  dass  von  Ende  1829  bis  18.S2  ein  Drittel  der  Dramen  über- 
tragen wurde.  („Mass  für  Mass":  10.  Juni  1830,  „Titus  Andronicus":  2.  März  1831; 
„Othello":  19.  Nov.  1831.)  Dorothea  scheint  nur  als  Mitarbeiterin  Anteil  zu  haben; 
sicher  war  die  Arbeit  oft  gemeinsam;  ganz  fallen  ihr  die  drei  letzten  Akte  von  „Viel 
Lärm  \im  Nichts"  zu.  Den  Hss.  fehlt  der  Reiz  der  Schlegelschen;  sie  zeigen  statt 
der  Entstehung  der  Uebersetzungskunst  nur  geschulte  Uebersetzer.  Eine  Caroline  fehlt 
(B.  verweist  auf  Tiecks  Schriften  23,  S.  164  „Eine  Sommerreise").  Tieck  hätte  sie  er- 
setzen können.  B.  charakterisiert  in  knappen,  schlagenden  Worten  Tiecks  märchenhafte, 
anmutige  Kunst;  er  zieht  die  damals  geschriebenen  Verherrlichungen  Shakespeares  und 
Camoens',  „Dichterleben"  und  den  „Tod  des  Dichters"  an,  die  allgemeine  Bewunderung 
fanden;  nur  Menzel  (Litt.- Blatt  1830,  120;  1834,  18)  hatte  Bedenken.  Tieck  geht  ofl 
zu  weit;  er  meistert,  obwohl  selbst  bar  philologischer  Begabung,  die  englischen 
Erklärer;  im  Gegensatz  zu  den  älteren  Kommentatoren  drängt  er  dem  Uebersetzer  Bau- 
dissin seine  eigene  Auffassung  auf.  Belege  von  irreführenden  Tieckschen  Weisungen 
schliessen  sich  an ;  desgleichen  zeigt  B.  Korrekturen  der  am  26.  Febr.  1839  begonnenen, 
1839  und  1840  herausgegebenen  Ueberarbeitung  auf.  Zum  Schlüsse  giebt  B.  Winke 
über  das  Wesen  der  Uebersetzerkunst  im  allgemeinen  zur  richtigen  Beurteilung  der 
Shakespeareühertragung.  —  An  verschiedenen  Orten  gedruckte,  auf  hs.  Quellen  ruhende 
Studien  über  Tieck  macht  L.  H.  Fischer^*)  bequem  zugänglich.  „Ludwig  Tieck  am 
Hofe  Friedrich  Wilhelms  IV."  (S.  107 — 41)  zu  schildern,  druckt  F.  den  Briefw'echsel  des 
Königs  mit  Tieck,  dann  Briefe  Tiecks  an  den  Wirkl.  Geheimrat  Dr.  Müller  und  an 
eine  mibekainite,  dem  Könige  nahestehende  Persönlichkeit,  alle  aus  den  Jahren  1840 — 51. 
Tieck  eröffnete  die  Beziehungen  durch  die  Widmung  seiner  „Vittoria  Accorombona"; 
der  König  bewilligte  alsbald  eine  jährliche  Pension  lancl  suchte  den  Dichter  wenigstens 
für  einige  Monate  des  Jahres  an  Berlin  zu  fesseln.  Auf  einen  Auftrag  des  Königs  hin 
gab  Tieck  im  November  1840  ein  Gutachten  über  Spontinis  neue  Oper  „Le  paradis 
perdu"  ab;  es  verlangt  von  der  Oper  eine  wesentlich  idealistische  Technik.  Im  Sommer 
1841  erscheint  Tieck  in  Sanssouci;  seine  Vorlesungen  ernteten,  -tt-ie  mit  leichten  Ab- 
weichungen im  Detail  Louis  Schneider  und  A.  v.  Reumont  betonen,  nicht  einstimmigen 
Beifall.  Jetzt  leitet  Tieck  die  Einstudierung  der  „Antigone".  Der  König  dacht« 
nunmehr  an  eine  dauernde  Anstellung  des  Dichters;  nach  längeren  Verhandlungen,  deren 
Einzelheiten  in  einigen  von  F.  mitgeteilten  Briefen  vorliegen,  wurde  Tieck  Geheimer 
Hofrat  mit  einem  Gehalt  von  3200  Thalern,  ohne  verpflichtet  zu  sein,  die  Dresdener 
Dramaturgenstelle  aufzugeben;  der  Orden  pour  le  m^rite  gesellte  sich  bald  hinzu. 
Friedrich  Wilhelm  IV.  bekannte  selbst  in  einem  Briefe  an  Tieck  vom  22.  Juni  1842, 
seine  Hauptabsicht  sei,  unter  Tiecks  artistischem  Beirat  griechische  und  Shakespearesche 
Stücke  aufzuführen.  Der  Generalintendant  von  Küstner  kam  dem  neuen  Dramaturgen 
wenig  freundlich  entgegen.    Tieck  übersiedelte  ganz  nach  Berlin;  die  Reise  brachte  einen 


1.  Vereinsschr.  f.  1891)  Köln,  Bachern.  120  S.  M.  2.00.  —  26b)  A.  M.  ▼.  Steinle,  Edw.  t.  SMnle  a.  Ang.  Reiehensperger  in 
ihien  geineinsninen  Bestrebun);en  f.  bild.  Konst  aus  ihren  Briefen  geschildert  (=  GOrres-Oe«.  3.  Vereinsschr.  1890)  «kda  1890. 
104  S.  M.  2,00,  S.  121/3. —  27)  X*'- Hummel.  D.  erstmalige  Begegnung  Schellings  mit  Schiller :  BBSW.N.  11  2.-28)  X  F.  Schl«i«r- 
machor,  Christi.  Sittenlehre  in  Vorlesungen  [Wintersem;  1822;.S].  Ans  Nachschriften  her.  t.  L.  Jonas  [1S43].  (=  BibL  theoL 
Klassiker  37/8.)  Gotha,  F.  A.  Perthes.  VI,  265  n.  IV,  264  S.  M.  4,80.  -  29)  S.  o.  N.  12.  S.  222'5.  —  30)  S.  o.  N.  5.  - 
31)  (I  5  :  308)    -    32)  S.  o.  N.  16.  S.  107'8.    -    38)  F.  Poppenberg,  Normli«:  YZgs.  t.  S2.  Min.    -    34)  0.  9.  W»ls*l, 


IV  11:  35-37.  0.  r.  Walzel,  Romantik.  222 

Schlaganfa]]  mit  sich.  Dennoch  konnte  er  schon  im  Oktober  die  Aufführung  der  „Medea" 
leiten,  deren  Chöre  Mendelssohn  und  Meyerbeer  nicht  in  Musik  setzen  wollten  („Michael" 
Beer  S.  119  Z.  10  ist  wohl  Druckfehler);  Tieck  empfahl  brieflich  den  Komponisten 
H.  Taubert,  Aufgeführt  wurde  die  „Medea"  am  7.  Aug.  und  15.  Okt.  1843.  Am 
14.  Okt.  1843  erschien  der  „Sommernachtstraum"  auf  der  Bühne.  Im  Jahre  1844  folgte 
der  „Grestiefelte  Kater";  dass  Tieck  selbst  an  der  verunglückten  Aufführung  keine 
Freude  hatte,  beweist  sein  Schreiben  an  Müller  vom  28.  April  1844.  Tiecks  Anteil  an 
der  Inscenierung  des  zur  Eröffnung  des  Kgl.  Opernhauses  am  7.  Dez.  1844  bestimmten 
„Feldlager  in  Schlesien"  wird  von  F.  eingehend  erörtert,  ohne  dass  er  Meyerbeers  und 
Kellstabs  Briefe  (Briefe  an  Tieck  2,  S.  348  If.)  anzöge.  Nachdem  Tieck  sich  im  selben 
Jahre  gegen  eine  Aufführung  des  Goetheschen  ,, Faust"  ausgesprochen,  folgten 
Anfang  1845  Verhandlungen  über  den  „Blaubart",  der  am  5.  Febr.  aufge- 
führt wurde.  Schon  jetzt  kam  es  mit  Küstner  zu  Reibungen.  ,, Heinrich  V.", 
über  dessen  technische  Ermöglichung  Küstner  selbst  interessante  Mitteilungen 
macht,  kam  durch  Tiecks  Kränklichkeit  nicht  auf  die  Bühne.  Tieck  selbst 
schreibt  am  17.  Mai  1845  dem  König,  dass  die  vielen  Beurlaubungen  der  Künstler  die 
Aufführung  unmöglich  machten.  In  demselben  Briefe  bekennt  er  sich  durch  den 
Tod  W.  Schlegels  tief  erschüttert  und  spricht  von  der  Aufführung  des  „Oedipus  auf  Ko- 
lonos".  Das  Sophokleische  Stück  kam  erst  am  1.  Nov.  1845  auf  die  Bretter,  die  in 
Musik  gesetzten  Partien  nach  der  Donnerschen  Uebersetzung,  der  Rest  in  Fritzsches 
fünffüssigen  Jamben.  Kurz  vorher,  am  15.  Okt.  1845,  hatte  Tieck  dem  Könige  zum 
50.  Geburtstage  seine  schriftliche  Huldigung  gebracht.  Aeschylus  erwies  sich  auf 
Mendelssohns  Vorstellungen  als  unaufführbar.  Dagegen  gab  man  am  1.  Dez.  1845 
Racines  „Athalie".  Inscenierungsvorschläge  Illaires  mit  Randbemerkungen  Tiecks  druckt 
F.  ab.  Küstners  Uebergriffe  veranlassten  endlich  Tieck,  am  11.  Mai  1846  Herrn 
V.  Willisen  seine  Beschwerden  zu  unterbreiten.  Obwohl  aber  Küstner  zurechtgewiesen 
wurde,  konnte  Tieck  doch  nicht  mehr  energischer  eingreifen,  seine  Gebrechlichkeit  nahm 
zu.  Dennoch  überhäufte  ihn  gerade  jetzt  der  König  mit  Beweisen  seiner  Gnade:  ein 
schmeichelhaftes  Schreiben  begleitete  das  Geschenk  einiger  spanischen  Drucke,  die  Tieck 
hatte  verkaufen  müssen.  Des  Dichters  Antwort  vom  15.  Jan.  1850  schliesst  den  Brief- 
wechsel ab.  Am  8.  Juni  1851  raffte  sich  Tieck  noch  einmal  auf,  um  über  den  auf 
seine  Veranlassung  von  Hülsen  einstudierten  „Macbeth"  an  lUaire  (?)  zu  berichten. 
Ein  zweiter  Aufsatz  F.s  „Ludwig  Tieck  und  die  Berliner  Hofbühne"  (S.  141-62)  bezeiigt  den 
warmen  Anteil,    den  Tieck    an    einzelnen  Künstlern  genommen.     Seine  Verwendung  für 

ein    Fräulein  A (an  Dr.  Müller:    10.    März    1846)    musste    er    allerdings    am 

29.  Mai  „beschämt"  zurücknehmen.  Dagegen  besiegte  er  Küstners  Widerstand  im  Inter- 
esse von  Edwina  Viereck  (an  A.  v.  Humboldt  13.  Okt.  1849  mit  der  interessanten  Be- 
merkung: „So  ein  Heinrich  V.  von  Shakespeare  würde  jetzt  wohl  grosse  Aufregung  und 
Unruhe  nicht  bloss  hier,  sondern  wohl  mehr  noch  in  Frankreich  erregt  haben",  —  und  an 
Illaire  am  18.  Okt.  1849).  Weniger  glücklich  war  Tieck  mit  Friedrich  Haase ;  A.  v.  Hum- 
boldt schrieb  Haases  wegen  an  den  König  (Anfang  Dez.  1849),  Tieck  an  Illaire  (5.  Jan. 
1850).  Das  ungünstige  Urteil  der  dramatischen  Prüfungskommission  hatte  einen  so 
wenig  erfreulichen  Engagementsantrag  zur  Folge,  dass  Haase  lieber  nach  Prag  ging. 
Auch  für  Jerrmann  verwendete  sich  Tieck  (an  Illaire  30.  Okt.  1849).  Die  Begründung 
einer  Theaterschule  befürwortete  ^  Dr.  Müller  gegenüber  (29.  Mai  1846).  Abfällig  äusserte 
er  sich  über  Laubes  „Bernsteinhexe"  und  über  Gutzkows  „Zopf  und  Schwert"  in  einem 
Gutachten  aus  dem  Jahre  1843.  1846  trat  er  indess  für  Gutzkows  „Struensee"  ein,  wm-de 
aber  von  der  Mutter  Michael  Beers  geschlagen,  die  das  gleichnamige  Stück  ihres  Sohnes 
auf  die  Bühne  brachte.  .  Im  Gegensatz  zu  Küstner  verwendete  sich  Tieck  für  Werders 
„Columbus"  und,  im  principiellen  Gegensatz  zu  Richard  Wagner,  für  Mangolds  „Tannhäuser" 
(an  Illaire  28.  Dez.  1842  und  4.  Dez.  1846).  Mangolds  Oper  kam  trotz  einer  Um- 
arbeitung nicht  zur  Aufführung.  Der  Aufsatz  „Ludwig  Tieck  und  Adam  Oehlenschläger" 
(S.  162/8)  dient  lediglich  der  Novelle  Tiecks  „Uebereilung"  als  Kommentar.  Ein  Brief 
Tiecks  aus  dem  J.  1853  an  einen  unbekannten  Grafen,  vielleicht  an  Graf  York  von  Warten- 
burg, erhärtet  und  erläutert  die  schon  durch  Köpke  gebotene  Deutung  der  in  der  Er- 
zählung auftretenden  Gestalten:  Fichte,  Frau  v.  Stael,  W.  Schlegel  und  Oehlenschläger. 
Oehlenschläger,  Steffens  und  W.  Schlegel  werden  von  Tieck  ausdrücklich  als  „Kari- 
katuren" von  Eitelkeit  bezeichnet.  F.  zieht  aus  Fürsts  „Henriette  Herz"  (S.  237)  eine 
ähnliche  Mystifikation  Oehlenschlägers  an.  Das  Zusammentreffen  der  Stael  mit  Fichte 
setzt  F.  in  das  Jahr  1804  und  erwähnt  die  abweichende  Erzählung  der  Henriette  Herz. 
Die  Oehlenschlägergeschichte  spielte  nach  F.  im  Jahre  1817  in  Berlin.  „Träume  und 
Visionen  in  Ludwig  Tiecks  Leben  und  Schriften"  werden  gleichfalls  von  F.  zusammenge- 
tragen (S.  162-80).  Die  von  Köpke  schon  erzählten,  hier  nur  übersichtlich  zusammengestellten 


C.  W.  V.  SoMtz:  ADB.  83,  8.  184/6.  —  35)  (IV  9b  :  99.)  -  36)  Th.  Schön,  Leo  v.  Seckendorflf:  ADB.  33,  S.  519.  —  37)  M. 


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223  0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  ll:ns-4n. 

Erlebnisso  finden  Bereicherung  in  ftl)en  dem  Briefe,  der  dem  Aulkatze  über  Uelilen- 
schläger  zu  [Grunde  liegt;  F.  wird  durch  das  in  dem  Briefe  ErzäUte  an  den  „William 
Lovell"  gemahnt.  Interessanter  noch  ist  ein  Brief  an  die  gleiche  Adresse  vom  1.  März 
1853;  er  erzählt  von  einer  katholisch-mystischen  Deutung,  die  F.  Schlegel  einem  Traume 
Tiecks  gegeben,  und  von  einer  ins  Jahr  171>3  und  nach  Göttingen  fallenden  Gespenster- 
geschichte. „Ludwig  Tieck  und  Justinus  Kerner"  werden  (S.  180-91)  von  F.  in  ihren  persön- 
lichen Beziehungen  nach  den  bei  Holtei  abgedruckten  Briefen  Kerners  und  nach  den  im 
Besitze  des  Hofrats  Theobald  Kerner  befindlichen  Briefe  Tiecks  dargestellt.  Auf  der 
Reise  nach  Baden-Baden  besuchte  Tieck  1828  die  Seherin  von  Prevorst  und  ihren 
Freund.  Dorothea  machte  auf  die  Seherin  einen  mächtigen  Eindruck.  Kerner  wollte 
Tieck  zu  einer  Abwehr  der  Angriffe  Menzels  bringen,  fand  aber  kein  Gehör.  Erst  am 
22.  Mai  1841  schrieb  Tieck  wieder  an  Kerner,  er  wollte  Mörike  kennen  lernen.  Nicht 
der  kranke  Mörike,  sondern  nur  die  Familie  Kerner  fand  sich  in  Heilbronn  zum  Be- 
suche ein.  Kerner  suchte  brieflich  Tieck  für  Mörike  zu  interessieren.  Tieck  macht  am 
3.  Juli  1841  wenig  Hoffnung;  gleichzeitigt  legt  er  einige  Bedenken  gegen  Kerners 
„Magikon"  vor.  Erst  vom  l(i.  März  1853  liegt  ein  weiterer  Brief  Tiecks  vor,  der  neben 
persönlichen  Mitteilungen  aiisführlich  bei  der  Frage  von  der  Fortdauer  der  Seele  ver- 
weilt. Ehe  noch  Kerners  übrigens  nicht  auffindbare  Antwort  eintraf,  war  Tieck  ge- 
storben. Agnes  Alberti  berichtete  sein  Ableben  in  ehiem  Briefe  vom  12.  Aug.  1853. 
F.  handelt  auch  (S.  94 — 107)  ausführlich  tiber  die  Geschichte  des  gegen  die 
Romantiker  goricliteten  dramatischen  Pasquills  von  Heinrich  Beck,  das  von  Iffland 
unter  dem  Titel  „Das  Kamäleon"  am  3.  Nov.  1800  zu  Berlin  gegeben  wurde  (vgl.  Hayms 
Romantische  Schule  S.  75(5  f.).  Was  Tieck  gegen  Iffland  in  der  Angelegenheit  vor- 
bx-achte,  wird  geprüft,  und  als  Ergebnis  festgestellt,  dass  trotz  Ifflands  ausweichenden 
Bemerkungen  Tieck  vollauf  berechtigt  war,  die  Satire  auf  sich  und  seine  Freunde  zu 
beziehen.  Weder  der  Druck  des  Lustspiels  noch  das  Soufflierbuch  der  königlichen 
Bühne  scheinen  alle  Invektiven  beibehalten  zu  haben.  —  Einen  Brief  Wackenroders  an 
Sophie  Tieck  (13.  Febr.  1794)  veröffentlicht  Walz el  32).  In  starker  Geftihlsüberspannung 
will  Wackenroder  die  Briefschreibefaulheit  seines  Freundes  der  Schwester  gegenüber 
entschuldigen;  der  Brief  ist  charakteristisch  für  Wackenroders  Gemütsweichheit.  — 

Poppenberg  83^  veröffentlicht  eine  kleine  Studie  über  Novalis,  die  über  die 
mystische  Erotik  der  Romantiker  beachtenswertes  vorbringt.  —  Ueber  den  Viel- 
schreiber Wilhelm  von  Schütz  sammelt  Walzel^*)  einige  Notizen.  Seine 
dramatischen  Versuche,  die  mit  dem  von  W.  Schlegel  geförderten  „Lacrimas"  einsetzen, 
zeigen  anfangs  ein  haltloses  Schwanken  zwischen  Romantik  und  Schillernachahmung, 
bis  endlich  die  letztere  obsiegt.  Die  ästhetischen  Versuche  von  Schütz,  die  von  Shake- 
speare ausgehen,  stellen  sich  nach  seinem  Uebertritt  zur  katholischen  Kirche  ganz  in 
den  Dienst  katholischer  Ideen.  Denselben  Weg  nahmen  seine  nationalökonomischen 
und  politischen  Aufsätze.  Die  naturwissenschaftlichen  Studien  bahnten  kurzlebige  Be- 
ziehungen zu  Goethe  an.  —  In  ihren  Mitteilungen  über  die  Zeitschrift 
„Chaos"  druckt  Lily  von  Kretschman  ^5)  drei  dort  erschienene  Gedichte  und  ein 
nur  lis.  erhaltenes,  „An  die  Censorin"  gerichtetes  Gedicht  von  Gries  ab;  ferner  einen 
Brief  Karl  Victor  Meyers  an  den  Dichter.  —  Ganz  unzulänglich  ist  eine  kurze  Notiz 
Th.  Schöns'^ö)  über  Leo  von  Seckendorff:  sie  stellt  zwar  Seckendorfls  Geburtstag 
richtig  fest  (2.  Dez.  1775  zu  Ansbach,  nicht  1773  zu  Wonfurt)  und  bemerkt,  dass  sein 
Vater  Ch.  A.  v.  Seckendorff- Aberdar  ansbachischer  Kammerherr  und  geheimer  Re- 
gierungsrat war;  allein  S.  kennt  nicht  einmal  G.  Scheideis  Buch  „F.  K.  L.  von  Seckendorff 
und  seine  litterarischen  Beziehungen"  (Nürnberg  1885).  —  Interessant  sind  von  Wald- 
bergs37)  Mitteilungen  über  F.  W^  V.  Schmidts  Verhältnis  zur  Romantik.  Seiner 
katholisierenden  Neigungen  wird  gedacht,  dann  auch  eines  Planes,  Spinozas  „Ethik" 
herauszugeben;  auch  F.  Schlegel  verfolgte  diesen  Gedanken.  Schmidt,  der  auch  in  seinem 
späteren  Wirken  auf  den  Wegen  der  Sclüegel  und  Tieck  wandelte  und  von  Brentanos 
Bücherschätzen  reichen  Gebrauch  machte,  kam,  wie  W.  hervorhebt,  mehr  zu  wissen- 
schaftlicher Konzentrierung  als  seine  Vorbilder.   — 

C.  C.  T.  Litzmanns  im  Vorjahre  veröffentlichtes  Buch  über  Hölderlin  3»)  zog 
eine  lange  Reihe  feuilletonistischer  Artikel  nach  sich,  die  dem  grossen  Publikum  Hölder- 
lins Gestalt  ins  Gedächtnis  riefen.  Das  Bedeutendste  und  Beachtenswerteste  wurde 
von  Servaes^ö)  gesagt.  S.  sieht  in  Litzmanns  Buch  nur  eine  hochwichtige  Material- 
sammlung, erkennt  aber  weder  ihm  noch  der  Broschüre  Wilbrandts  *<>)  die  Bedeutung 
einer  erschöpfenden  Charakteristik  zu.  Wilbrandts  Methode  erscheint  ihm  geradezu 
unhaltbar.     Er  selbst  findet  in  Schiller  und  in  Diotima  die  entscheidenden  Faktoren  für 


V.  Waldberg,  F.  W.  V.  Schmidt:  ib.  32,  S.  14/6.  —  38)  A.  Sauer,  Litxmann.  Hölderliu  (JBL.  1890  IV  13  :  30):  DLZ.  12, 
S.  1858/9.  (Ferner  auch  PrJbb.  67,  S.  226;  KZg.  N.  10;  Grenzboten  I,  S.  239-40;  0  [reiienaoh]:  LCBL  N.  12.)  -  89)  F. 
SerrSAB.   Hölderlin:  Nations.  8,  S.  248-50,  262/7.    -    40)  X  A.  SehrOter,   WUbnndt,  Hölderlin  (JBL.  1890  lY  S  :  116) 


IV  11:  41-47.  0.  F.  Walzel,  Romantik.  224 

Hölderlins  Leben  und  Wirken,  „Der  zum  Vorbild  erwählte  Dichter  hat  Hölderlin 
seinem  Selbst  entführt;  die  Geliebte  hat  ihn  sich  selbst  zurückgegeben."  Hölderlin 
habe  den  durch  Alter  und  Lebensstellung  gegebenen  Abstand  von  Schiller  peinlich 
empfunden  und  doch  dunkel  gefühlt,  dem  erfolggekrönten  Dichter  in  manchem  über- 
legen zu  sein.  Schiller  erkannte  das  Missverhältnis  und  durchschaute  die  verborgen 
nagende  Unruhe  Hölderlins;  der  begeisterte  Anschluss  an  Schiller  war  inigesund  und 
erzwungen:  sie  waren  grundverschiedene  Naturen.  Die  schüchternen  Ansätze  indivi- 
duellen Empfindens  konnten  sich  durch  die  gleichmässige  Pracht  Schillerscher  Tormen- 
sprache  nur  mühsam  durcharbeiten.  Den  Aufenthalt  Hölderlins  im  Hause  Gontard  nennt 
S.  dagegen  die  glücklichste  und  segensreichste  Zeit  seines  ganzen  Lebens.  Er  dichtet 
wenig,  aber  was  er  dichtet,  gewinnt  mehr  Leben  und  Form.  Das  Verhältnis  zu  Susette 
war  durchaus  unschuldig.  Dennoch  haben  Unzartheit  und  Misstrauen  der  Welt  den 
Frieden  zerstört.  Durch  Diotima  kehrt  Hölderlin  zu  seiner  eigenen  Natur  zurück;  so 
zart  er  war,  er  war  kein  Schwächling.  ,,Sein  Wehruf  hat  etwas  Himmel  und  Erde 
durchdringendes."  S.  sieht  Hölderlins  Selbstbefreiung  vor  allem  in  dem  Widerspruch,  der 
allmählich  gegen  Schiller  in  ihm  laut  wird,  insbesondere  in  dem  Briefe  vom  1.  Jan.  1788, 
und  interpretiert  diesen  Brief  im  Sinne  eines  Protests  gegen  Schillers  Behauptung,  dass 
Poesie  dem  Spieltrieb  diene.  Hölderlin  will  seine  Lebenserfahrungen  zum  Gehalt  seiner 
Dichtung  machen.  So  sehr  er  Grieche  sein  möchte,  ist  er  doch  von  dem  ungriechischesten 
Gefühle  beseelt,  von  der  Sehnsucht.  S.  charakterisiert  ihn  als  sentimentalischen  Dichter 
nach  Schillers  Definition.  Die  Selbstbefreiung  findet  ihren  Ausdruck  im  „Hyperion". 
„Empedokles"  bedeutet  ein  Abrechnen  mit  der  Welt  und  den  Abschied  von  ihr;  er  ist 
eine  lyrische  Dichtung,  kein  Buchdrama.  Der  Schluss  des  Aufsatzes  ist  einer  fein- 
sinnigen Erörterung  Hölderlinscher  Naturlyrik  gewidmet;  S.  betont,  das  Anschauungs- 
element der  Hölderlinschen  Naturlyrik  habe  sich  verstärkt,  je  mehr  der  Wahnsinn  sich 
geltend  gemacht,  und  auch  nach  der  Erki-ankung  noch  Stand  gehalten.  —  Wenn  Servaes 
Hölderlins  Erscheinung  vor  allem  in  ihrer  Stellung  zu  Schiller  in  neues  Licht  rückt, 
so  begnügt  sich  Frenzel*i)  in  seiner  anziehenden  bi,ographischen  Darlegung  wesentlich 
mit  der  Erklärung,  dass  wir  heute  an  Hölderlins  Dichtungen  kein  tieferes  Genüge  mehr 
finden  können.  Bei  aller  Hochachtung  vor  dem  Fleisse  Litzmanns  findet  er  in  dem 
Buche  nichts  einschneidend  Neues.  F.  fasst  Hölderlins  Leben  als  ein  Trauerspiel  in 
drei  Abtheilungen;  bis  Frankfurt  reicht  die  erste,  nach  Frankfurt  beginnt  die  dritte. 
Starken  Accent  legt  F.  auf  seine  Behauptung,  Hölderlin  sei  ein  Muttersöhnchen  gewesen. 
„Das  Ueble  für  seine  Zartheit  und  seine  Energielosigkeit  lag  nur  in  der  Gewissheit 
eines  Rückhalts,  deren  er  sich  nicht  einmal  stets  bewusst  zu  werden  brauchte,  um  sie 
zu  empfinden.''  Die  politische  Begeisterung  seiner  Jugendzeit  findet  F.  dem  innersten 
Wesen  Hölderlins  nicht  angemessen.  Aus  den  Briefen  glaubt  er  herauslesen  zu  dürfen, 
dass  Susette  ihn  nicht  sogleich  bezauberte;  ein  fortreissender  Zug  sei  überhaupt  nicht 
in  seiner  Liebe.  Litzmanns  Nachweis,  dass  Hölderlin  nicht  durch  die  Nachricht  von 
Susettens  Tod  zur  Heimkehr  von  Bordeaux  veranlasst  worden  sei,  findet  auch  F.s  Beifall. 
Den  Artikel  beschliesst  eine  kurze  Charakteristik  der  Hölderlinschen  Dichtungen,  die 
F.  mit  Marmorreliefs,  nicht  mit  Gemälden  vergleicht.  —  J.  V.  Widmann*-)  sucht 
die  Quelle  von  Hölderlins  Trübsinn  in  der  für  seine  Natur  ungeeigneten  Klosterschul- 
erziehung. Hölderlins  grundsätzliche  Abneigung  gegen  den  Beruf  eines  Geistlichen  er- 
härtet eine  Stelle  des  Empedokles.  Hingegen  dürfte  man  kaum  mit  W.  auf  eine  früh- 
zeitige Melancholie  schon  aus  der  Beobachtung  schliessen,  dass  die  Briefe  aus  den 
Jünglingsjahren  ,, etwas  Pathologisches  haben  durch  die  vielen  abgerissenen  Ausrufe  im 
Stil  der  leidenschaftlichen  Sprache  der  Dramatiker  der  Sturm-  und  Drangperiode".  Eben- 
sowenig kann  die  Selbstanalyse  der  späteren  Briefe  als  Anzeichen  früher  Geistesver- 
düsterung  gelten.  —  Lemmermayer  43-45)  schrieb  zwei  Dithyramben  auf  den  ,,vom 
Leben  zerriebenen  deutschen  Idealisten".  Er  erblickt  in  ihm  ein  merkwürdiges  Beispiel 
eines  individualistischen  und  zugleich  symbolistischen  Dichters.  „Hyperion"  sei  das 
Symbol  einer  tief  idealistischen  Natur,  bei  der  der  Zustand  der  Hilflosigkeit  dem  realen 
Leben  wie  dem  Unwissbaren  gegenüber  die  Form  des  Leidens  annimmt.  Merkwürdiger- 
weise schreibt  L.  der  Darstellung  Hölderlins  einen  kraftgenialen  Realismus  zu.  Ferner 
wagt  er  die  Behauptung,  Hölderlins  Wahnsinn  gehe  auf  eine  im  Sinne  Leopardis 
und  Schopenhauers  gedachte  „Langweile"  zurück;  zur  Begründung  nimmt  er  den  von 
Servaes  verworfenen  weichen,  widerstandslosen,  zerfliessenden  Hölderlin  Wilbrandtscher 
Anschauung  vor  und  ergeht  sich  in  mannigfachen  Wendungen  über  Hölderlins  Miss- 
verhältnis zur   realen  Welt.  —  Herrn.  Fechner*^)    betont,    ebenso    wie  Servaes,    dass 


BLU.  8.  110.    (Ferner  VZg.  N.  321.)  —  41)  K.  Frfenzel],   F.  Hölderlins  Loben.    NZg.  v.  9.,  15.,  18.  Aug.     (Nach  LiUmann.) 

—  42)  J.V.  Widmann,  F.  Hölderlins  Leben.    Mitteilungen  aus  0.  T.  Litzmanns  neuem  Buche:  ML.  fiO,  S.  5—8.    (Auch:  Bund 
N.  34/6.)  —  43)  F.  Lemniermayer,  E.  Dichter  d.  Leides:  BLU.  S.  305/8.  -  44)  id.,  Hölderlins  Jugond:  FremdenBl.  N.  151. 

—  45)  id.,    Aus  Hölderlins  Briefen:    ib.    N.    162.    -    46)  Fr.  [Feohner] ,    F.  Hölderlin:    SchlesZg.  N.  121,    124.    —    47)  E. 


225  O.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  II:    «-m. 

Holtlcrliti  in  tScliilNa*  riiflif  den  rechten  lichrer  g(!tun(l<'n  hat,  und  vergleicht  ihn  mit 
Wertlier,  dem  er  an  Reinheit  de»  Siiuie«,  an  beelenadel  und  ('harakter  hoch  über- 
legen sei.  —  Brenning*'')  bedauert,  dass  Litzmann«  Buch  kein  vollständiges  Bild 
Hölderlins  giebt  und  bemängelt  die  lückenlose  Mitteilung  aller  Briefe,  In  dem  jähen 
Ab-  und  Aufsteigen  der  Hölderlinschen  Stimmungen  findet  er  schon  ein  bedenkliches 
Symptom.  Alle  diese  Konstruktionen  fielen  in  Nichts  zusammen,  wenn  Litzmanns  nicht 
unwahrscheinliche  Vermutung  begi'ündet  ist,  dass  Hölderlins  Wahnsinn  auf  einen  während 
der  Heimwandorung  von  Bordeaux  erlittenen  Hitzschlag  /Airückgehe.'**)  —  Im  Gegensatz 
zu  allen  Genannten  begnügt  sich  Walzel  *^)  damit,  kurz  anzudeuten,  welchen  Gewinn 
an  neuem  Ma'terial  Litzmanns  Buch  einbringt,  insbesondere  für  die  Erkenntnis  seiner 
Beziehungen  zu  Schiller,  die  in  ihren  Grundzügen  skizziert  werden.  Schon  in  der 
Jugend  wirkt  Schiller  durch  seine  schwächste  Schöpfung,  durch  Amalia,  auf  ihn;  Höl- 
derlin stellt  ihn  in  Gegensatz  zu  Wieland.  Auch  Jiouise  Millerin  wird  genannt.  Ein 
neues  Urteil  über  „Anmut  und  Würde"  ist  hinzugekommen.  Sonst  hat  das  Werk  Litz- 
manns für  diese  Hauptfrage  nichts  wesentlich  Neues  erbracht.  Das  ganze  Buch  ist 
nach  W.  ein  neuer  Beweis  für  den  Mangel  jeder  Beziehung  Hölderlins  zur  Romantik. 
Schelling,  der  Jugendfreund,  kam  bald  auf  Wege,  die  Hölderhn  nicht  mitgehen  mochte. 
Im  Einzelnen  bemerkt  W.,  dass  der  S.  4<>7  erwähnte,  kleine  lustige  Aufsatz  über  das 
deutsche  Dichferkorps  in  der  Cottaschen  ,, Allgemeinen  Zeitung"  vom  17.  Nov.  1798  zu 
finden  ist.  Die  Quelle  des  Namens  Diotima  sieht  er  nicht  mit  Litzmann  in  dem  Pseu- 
donym der  Fürstin  Gallitzin,  sondern  in  F.  Schlegels  Diotimaaufsatz  von  1795.  — 
—  Herrn.  Fischer  ö")  teilt  einen  ungedruckten  Jugendbrief  Hölderlins,  wohl  aus  dem 
Jahre  17H5,  mit;  er  richtet  sich  an  M.  Nathanael  Köstlin,  der  1775 — !»3  Diakonus  in 
Nürtingen  war  (vgl.  Klaiber  „Hölderlin,  Hegel  und  Schelling"  S.  23,  Litzmann  S.  7). 
Hölderlin  bekennt  religiös-moralische  Zweifel  und  gelobt  Besserung.  —  ß.  Seuffert  *') 
bespricht  die  auch  in  Schillers  Nachlasse  gefundenen  sieben  Gedichte  Hölderlins :  1.  „An 
die  klugen  Rathgeber".  2.  „Der  Jüngling  an  die  klugen  Rathgeber".  3.  „Dem  Sonnen- 
gott". 4.  „Der  Mensch".  5.  „Socrates  und  Alcibiades".  6.  „Vaniui".  7.  „An  unsere 
grossen  Dichter".  Die  von  S.  abgedruckten  N.  1  und  2  sind  zwei  Fassungen  einer 
Dichtung.  N.  2  erhielt  Schiller  am  22.  Aug.  1797;  N.  1  setzt  S.  zwischen  Juli  und 
November  170G.  N.  1  ist  mit  Rotstiftstrichen  und  mit  KoiTekturen  zweiter  Hand  ver- 
sehen; N.  2,  ohnedies  stark  überarbeitet,  bessert  alles  Angestrichene.  S.  nimmt  an, 
dass  Hölderlin  aus  eigener  Einsicht,  nur  nach  allgemeinen  Ratschlägen  Schülers,  diesem 
kongenial,  dieselben  Stellen  geändert  habe,  die  auch  Schiller  missfielen.  N.  3 — 7  sind 
nach  S.s  Ansicht  nicht  erst  am  6.  Aug.  1798  bei  Schiller  eingetroffen,  wie  Litamann 
meint.  Endlich  werden  die  Lesarten  der  Gedichte  3 — 7  geboten,  die  ihrerseits 
mannigfach  an  1  und  2  anklingen.  —  Hummel  &-)  druckt  eine  Stelle  aus  Schellings 
Brief  an  Hegel  vom  11.  Juli  1803  ab,  die  eines  im  Beginn  des  Juni  zu  Cannstatt  er- 
folgten Zusammentreffens  mit  dem  kranken  Hölderlin  gedenkt.  — 

In  den  Kreis  der  Heidelberger  Romantik  führt  uns  eine  Arbeit  von  Max 
Koch  5*),  der  Arnim,  Brentano  und  ihre  Umgebung  in  der  umfangreichen  Einleitung 
seiner  Ausgabe  behandelt.  Er  bietet  zum  ersten  Male  eine  grössere  zusammenfassende 
Arbeit  über  Arnim,  während,  wenigstens  von  der  biographischen  Seite,  seine  Darstellung 
Brentanos  nicht  weit  über  Diel-Kreiten  hinaiiskommeii  konnte.  Eine  allgemeine  Ein- 
leitung, die  auch  Eichendorff  und  Fou(iue  in  Betracht  zieht,  scheidet  die  Einzel- 
bestrebungen der  jüngeren  Romantiker  von  dem  Kreise  der  älteren  romantischen  Schule. 
Arnims  Jugendleben  wird  nach  dem  Vorgange  anderer  Forscher  aus  den  Anspielungen 
seiner  Dichtungen  herausgelesen,  der  Besprechung  seiner  physikalischen  Jugendarbeiten 
ein  Verzeichnis  der  für  Gilberts  „Annalen  der  Physik"  gelieferten  Aufsätze  angeft\gt; 
Joh.  Wilh.  Ritters  Gestalt  bleibt  unvergessen.  K.  findet  in  dem  jungen  Arnim  bei 
aller  überschäumenden  Phantastik  einen  unverlierbaren  Kern  ruhiger  Besonnenheit,  den 
er  dem  Geiste  des  „Athenäums"  gegenüberstellt.  Die  Angaben  des  „Frühlingskranzes" 
über  Arnims  erste  Beziehungen  zu  Brentano  erweisen  sich  als  irrig.  Arnims  Reisen 
leiten  zu  den  auf  sie  bezüglichen  Dichtungen  über:  K.  führt  Arnims  Bemerkung  an, 
dass  er  vor  Walter  Scott  das  schottische  Hochland  novellistisch  geschildert  habe.  Die 
für  F.  Schlegels  „Europa"  geschriebenen  ,, Erzählungen  von  Schauspielen"  werden  mit 
besonderer  Hervorhebung  ihrer  naturphilosophischen  Phantasien  analysiert.  Für 
„Hollins  Liebesleben"  hatte  Minor  vorgearbeitet  Gegen  ihn  bemerkt  K.,  dass  das 
gleichzeitig  mit  Brentanos  „Ponce"  gedruckte  Buch  nicht  „Hollin",  sondern  „Ariels 
Offenbarungen"    sei.       In    diese    spielen     nach    K.s    Ansicht    Arnims    Beziehungen     zu 


Brenning,  F.  Hölderlin:  WesorZjf.  N.  10141.  —  48)  X  W.  Paetow,  Hölderlins  Leben:  VZg«.  N.  16.  —  49)  0.  F.  Waltel, 
Litzmann,  F.Hölderlins  Leben:  ADA.  17,  S.  314—20.  —  50)  Herin,  Fisrher.  E.  Jagendbrief  Hölderlins:  VLO.  4,  S.  597/9.  — 
51)  B.  Seuffert,  Gedichte  Hölderlins:  ib.  S.  .W»— 609.  —  52)  F.  Hummel.  E.  tranriges  Zasaramentreffen  .Schellings  mit 
Hölderlin:  KBSW.  N.  16.  —  53)  C  E-  Kel  ebner,  F.  Hölderlin  in  s.  Iteziebnngm  tu  Homburg  r.  d.  Höhe.  Nach  d.  binterl. 
rai)ieren  d.  Bibliothekars  J.  G.  Hamel  bearb.:  MVGBombnrg  ü.  —  54)  Arnim,  Riemens  u.  Bettina  Brentano,  J.  GOrrw. 
.labresbnricbte  fllr  nenere  deulscli«  I,itt4»ratiirjros<'.lii«lit«  II   c-'i.  15 


IV  11:  r,r,.  O.  F.  Walzel,  Romantik.  22G 

Bettina  hinein;  die  im  „Ariel"  gegebene  Beluuuilung  des  Lenoren-,  Phatiton-  und  Griseldis- 
motives  wird  näher  erörtert;  Brentanos  und  Halms  wird  gedacht.  Die  Benutzung  des 
Phaetonmotivs  erinnert  K.  an  Kleists  „Amphitryon".  In  Brentanos  Jugendgeschichte 
fügt  K.  den  „Gustav  Wasa"  ein,  der  knapp  gedeutet  und  dessen  Nachgeschichte  erzählt 
wird.  Der  „Godwi"  wird  mit  Tiecks  „William  Lovell",  nicht  aber  mit  dem  näher 
liegenden  Jean  Paul  verglichen.  K.  deckt  polemische  Spitzen  gegen  die  älteren  Roman- 
tiker auf  und  stellt  Brentanos  lyrische  Einlagen  rühmend  der  Lyrik  der  älteren  Roman- 
tiker gegenüber.  Ueber  Sophie  Mereaii  bringt  K.  nichts  Neues,  er  bemerkt  nur 
(S.  LXXX*)  gegen  Brentanos  Aeusserung,  dass  eine  kirchliche  Regelung  der  Ehe  nicht 
möglich  war,  da  Prof.  Mereau  erst  1825  starb.  Pur  die  „Blätter  aus  dem '  Tagebuch 
der  Ahnfrau"  glaubt  K.  im  Gegensatz  zu  Brentanos  Mitteilung  nicht  an  einen  Zusammen- 
hang mit  der  ,,Chronika  des  fahrenden  Schülers".  Die  Uebersiedelung  des  neuver- 
mählten Paares  nach  Heidelberg  (Diels  Annahme,  1,  S.  201,  eines  Aufenthalts  zu  Jena  im 
Herbste  1803  wird  als  unhaltbar  erwiesen),  giebt  zu  breiteren  Ausführungen  über  die 
Universität  Anlass.  Görres  wird  jetzt  mit  Worten  Eichendorflfs  eingeführt.  Das 
„Wunderhorn"  erhält  eine  ausführliche  Wiirdigung,  der  ein  kurzer  Ueberblick  über 
frühere  Bemühungen  um  das  Volkslied  vorangeht.  An  Görres'  ,,Teutsche  Volksbücher" 
anknüpfend,  feiert  K.  mit  warmen  Worten  die  Bedeutung  und  die  Innigkeit  der  damaligen 
germanistischen  Bemühungen.  Auch  die  ,, Einsiedlerzeitung",  die  er  in  ihrem  Gegen- 
satze zu  den  anderen  Zeitschriften  der  Romantik  charakterisiert,  wird  mit  freudiger 
Zustimmung  analysiert;  endlich  kommen  die  „Heidelberger  Jahrbücher"  an  die  Reihe. 
Ausführliche  Mitteilungen  freilich  fehlen.  Die  Chiffre  n — g,  die  K.  als  Arnims  Zeichen 
erklärt,  ist  wohl  auf  Görres:  (Jose)<jr.  —  (Görre)?  zu  deuten.  Brentanos  Verhältnis 
zu  Auguste  Busmann  wird  durch  jüngst  ans  Licht  geförderte  Notizen  erläutert,  ins- 
besondere durch  den  Brief  der  Prau  Rat  an  Goethe  vom  8.  Sept.  1807.  K.  hält  eine 
„Ueberrumpelung  des  armen  Klemens"  im  Gegensatz  zu  anderweitigen  Annahmen  für 
möglich.  Brentanos  Landshuter  und  Münchener  Avifenthalt  von  1808  auf  1809  giebt  zu 
einer  kurzen  Charakteristik  der  damals  in  Bayern  versammelten  Romantiker  und  ihrer 
wechselseitigen  Beziehungen  Anlass.  K.,  der  in  Brentanos  zweiter  Ehe  die  Ursache 
seiner  späteren  unglücklichen  Lebensführung  sieht,  lässt  ihn  vor  seiner  Frau  nach  Halle 
und  dann  nach  Berlin  zu  Arnim  fliehen.  Arnims  damalige  gedrückte  Lage  wird  nach 
dem  7.  „Winterabend"  geschildert.  Der  Berliner  Kreis  der  jungen  Romantiker  wird 
beschrieben;  die  Rede  ist  auch  von  Arnims  und  Brentanos  Plan,  Selbstbiographien 
aller  Art  zu  sammeln  und  herauszugeben.  Den  Ersatz  für  eine  eigene  Selbstbiographie 
Brentanos  sieht  K.  in  den  „Romanzen  vom  Rosenkranz",  denen  er  eine  ausführliche 
Besprechung  widmet  und  die  er  als  wichtigstes  Zeugnis  für  Brentanos  Wesen  in  be- 
redten Worten  feiert.  Die  Berliner  Gelegenheitsdichtungen  von  1810  folgen.  Arnims 
„verunglückte  Lesedramen"  werden  nacheinander  besprochen;  das  Zurückgehen  auf 
ältere  deutsche  Dichtungen  scheint  K.  hier  viel  weniger  erfolgreich  gewesen  zu  sein 
als  in  der  Novelle.  Im  Stoff  der  „Appelmänner"  (Hebbels  begeistertes  Urteil  wird  an- 
gezogen) bemerkt  er  unbegründete  Grausamkeit,  dagegen  in  der  Paul  Friedeborns 
,, Stettinischen  Geschichten"  (Stettin  1613)  entnommenen,  die  Sage  von  Otto  dem  Schlitzen 
behandelnden  Schicksalstragödie  ,,Der  Auerhahn"  Charaktere  von  Shakespearescher  Ge- 
staltungskraft; „Halle  und  Jerusalem"  giebt  Anlass,  frühere  und  spätere  Bearbeitungen 
des  „Ahasverusstoffes"  heranzuziehen,  mit  denen  Arnims  Dichtung  aber  nichts  gemein 
habe.  Die  ,,Pä.pstin  Johanna"  wird  mit  Schernberks  (bei  K.  „Schernbeck")  ,, Spiel  von 
Frau  Jutten",  ihrer  Quelle,  verglichen.  Die  vollendete  Formgebung  im  einzelnen  steht 
im  Widerspruch  zu  der  Formlosigkeit  des  Ganzen;  an  Gedankentiefe  gehört  das  Stück 
zu  den  bedeutendsten  Schöpfungen  der  Romantik.  K.  glaubt,  dass  auch  im  ersten 
Drucke  gereimte  Verse  irrtümlich  als  Prosa  gedruckt  seien.  Von  den  Dramen  aus  der 
brandenburgischen  Geschichte  finden  „Der  Stralauer  Fischzug"  und  ,,Glinde"  K.s  Bei- 
fall, „Waldemar"  ist  ihm  zu  zerfahren.  „Markgraf  Karl  Philipp"  wird  neben  den 
,, Prinzen  von  Homburg"  gestellt  und  leidet  natürlich  in  dieser  Nachbarschaft.  Bezüglich 
der  „Gleichen"  findet  K.  für  Arnims  „reinen  Sinn"  verständlich,  dass  er  an  der  Doppelehe 
Anstoss  nehme,  nennt  die  Färbung  des  Stückes  allzu  mystisch  nnd  bemerkt  hier  wie 
im  „Waldemar"  Zusammenhang  mit  der  vom  „Götz"  ausgehenden  Ritterdramatik. 
Arnims  und  Brentanos  gemeinsam  verfasste  „Briefe  über  das  Theater"  leiten  zur  Be- 
sprechung der  Brentanoschen  Dramen  über.  Die  starken  dramatischen  Interessen  in  der 
Zeit  von  Brentanos  Jenenser  Aufenthalt  (Schiller,  Shakespeareübersetzung,  Calderon) 
werden  notiert,  Tieck  erscheint  als  Hauptmuster  Brentanos.  Die  Schicksale  des  zur 
Weimarischen  Preisbewerbung  eingereichten  „Ponce"  erzählt  K.  unter  beiläufiger  Be- 
richtigung Janssenscher  Missdeulung.  „Die  lustigen  Musil^anten",  die  an  sie  an- 
knüpfenden    Festspiele     und     weiteren     kleineren     dramatischen  Versuche    eilen    rascli 

Her.  V.  Max  Ki.cli.    (=  DNL.  N.  NC,  1   u.  2.)    Stuttgart,  riiion,     CL,  XIII,  220,  r)lH  S.     M.  5,00.     '|AZ^'".  N.  125.1    —  65)  O. 


227  <^.  F.  Walzel,  Rt)mantik.  IV  11:  m 

vorüber.  Das  von  Varnhagen  entwendete  Lustspiel  „Aloys  und  Imelde"  will 
K.  in  dem  TrauerHpiel  „Comingo"  wiederfinden.  Die  „Gründung  Prags" 
wird  durdi  Brentanos  Beziehungen  zu  Böhmen  (Bukowan)  erläutert,  K.  nennt  die 
Quellen  des  Stückes,  preist  die  nicht  in  einseitiger  Nachahmung  des  spanischen  Dramas 
aufgehende  metrische  Behandlung,  hebt  den  reichen  Untergrund  der  „aut  teilweise 
gesunder  menschlicher  Grundlage  sich  bewegenden  Handlung"  hervor,  Treitschkes 
Urteil,  die  „Grtindung  Prags"  sei  eine  verunglückte  Nachahmung  der  „Penthesilea", 
wird  abgelelint:  flüchtig  erwähnt  ist  Brentanos  Angriff  auf  Varnhagen,  Die  neuen  Be- 
ziehungen von  Brentanos  Berliner  Aufenthalt  im  J.  1814  leiten  zu  Arnim  zurück  und  zu 
dessen  Vermählung  mit  Bettina.  An  dem  Befreiungskrieg  nicht  thätigen  Anteil  genommmen 
zu  haben,  machten  Arnim  seine  Freunde  zum  Vorwurf,  K,  gedenkt  der  vaterländischen 
Gedichte  Arnims  und  Brentanos  und  verfolgt  Arnims,  ihn  und  andere  wenig  befriedigende 
Leitung  des  „Preussischen  Korrespoiidenten''  nach  den  Zeugnissen  seiner  Mitredakteure 
Niebuln-  und  Schleiermachei",  beleuchtet  seine  spätere  unzufriedene  (resinnung  in  politischen 
Dingen  und  legt  kurz  die  letzten  in  landwirtschaftlicher  Thätigkeit  aufgehenden  Lebens- 
jahre dar.  Li  den  Erzählungen  sieht  er  Arnims  abgerundetste  Dichtungen;  die  einzelnen 
Novellen  des  „Wintergai-iens"  führt  er  mit  ihren  Quellen  an.  Brentanos  ,,Braver 
Kasper!''  wird  mit  den  Tendenzen  des  Sturmes  und  Dntnges  und  der  „Emilia  Galotti" 
in  Zusanunenliang  gebracht,  seine  ohne  künstlerische  Rücksichten  auf  ihren  Stoff  los- 
gehende Erzählungsart  mit  Arnims  an  Goethe  sich  anlehnender,  aber  innner  in  Form- 
losigkeit ausartender  Erzählungskunst  verglichen;  die  „Gräfin  Dolores"  erscheint  als  Bei- 
spiel. In  den  kleinen  Erzählungen  hebt  K.  die  Vermischung  des  Allgemeinsten  mit  dem 
Individuellsten,  die  starke  Einmengung  persönlicher  Beziehungen  hervor.  StofFgeschicht- 
liche  Notizen  und  Nachträge  finden  sich  S.  CXXXII*  und  CXXXIII*.  Am  längsten 
verweilt  K.  bei  den  „Kronenwächtem",  die  er  den  besten  deutschen  historischen  Roman 
nennt.  In  Arnims  gesamter  Dichtungsentwicklung  ist  Goethes  Programm  dichterischer 
Gestaltung  der  Wirklichkeit  Schritt  für  Schritt  mehr  und  mehr  erfüllt.  Zur  Daretellung 
von  Brentanos  Leben  zurückkehrend,  schildert  K.  seine  ungestüme  Liebe  zu  Louise 
Hensel  und  bedauert,  dass  sie  dem  Unstäten  nicht  zu  neuer  beruhigender  Häuslichkeit 
verholfen  habe.  Für  Brentanos  Bekehrung  tritt  K.  energisch  ein;  ohne  mit  Kreiten 
in  Brentanos  Verhalten  eine  strenge,  korrekte  Kirchlichkeit  zu  feiern,  wendet  er  sich 
doch  gegen  intolerante  Angriffe  auf  den  bekehrten  Brentano;  die  Aufrichtigkeit  seines 
Handelns  wird  überzeugend  erhärtet,  seine  lange  vorher  schon  fühlbare  Neigung  zu 
einem  gläubigen  Katholizismus  verfolgt.  Selbst  dem  „Lebensumrisse"  der  Emmerich 
rühmt  K.  grosse  künstlerische  Geschicklichkeit  nach  und  stellt  die  Urteile  Diepenbrocks 
und  Arnims  zusammen.  Rasch  wird  dann  Brentanos  kurzes  Verweilen  in  Frankfurt, 
Koblenz  und  Regensburg  tiberblickt,  endlich  sein  letzter  Mtinchener  Aufenthalt 
und  der  dortige  Kreis  seiner  Freunde  breiter  vorgeführt.  Seine  letzte  Leidenschaft, 
ihr  Gegenstand,  Emilie  Linder  (K.  schreibt  ,, Lindner")  und  die  auf  sie  bezügliche 
Dichtung  wird  herangezogen.  Im  ganzen  sieht  K.  in  der  religiösen  Lyrik  Brentanos 
einen  tiefen  Abfall,  hebt  aber  rühmend  die  Ausnahmen  hervor.  Das  „Moseleisgangs- 
lied" und  seine  Veranlassung  kommen  zur  Sprache,  Ausser  an  die  „Legenden"  erinnert 
K.  an  Brentanos  unbefangenes  Urteil  über  Freiligrath  und  über  die  neuere  Dichtung, 
Die  „Märchen"  erläutert  K,  durch  Hinweise  auf  Tieck  und  auf  Gozzi,  nennt  die  in  ihnen 
angegriffenen  Gegner  und  gedenkt  der  Hauptquelle,  G,  B,  Basiles  „Pentamerone". 
Brentanos  und  Arnims  Ableben  \\ird  kvirz  berichtet.  Bettina  vuid  ihr  Goethebuch  sind 
auf  wenigen  Seiten  flüchtig  abgethan,  ihre  anderen  Werke  nur  dem  Titel  nach  angefahrt. 
Kurze  Litteraturangaben  sclüiessen  dje  Einleitung,  die  in  teilweise  faksimilierter  Wieder- 
gabe einen  Brief  Brentanos  an  Buchhändler  Mozler  in  Freisingen  (8.  Juni  18CÖ)  und 
einen  undatierten  Brief  Bettinas  an  Rumohr  mitteilt.  K.s  Ausgabe  bringt  Widmung, 
Einleitung  und  Nachwort  zu  den  „Deiitschen  Volksbüchern"  v(m  Görres,  die  Abhand- 
lung „Von  Volksliedern",  ausgewählte  Gedichte,  „Die  Päpstin  Johanna"  und  die 
„Kronenwächter"  von  Arnim,  ausgewählte  Gedichte  Brentanos,  einen  mit  reichlichen 
Proben  versehenen  Auszug  aus  den  Rosenkranzromanzen,  ,,Kasperl  und  Annerl"  und  die 
ältere  Form  der  Gockelmärchen,  endlich  die  1.  luid  2.  Erzählung  aus  Bettinas  Werk  „Dies 
Buch  gehört  dem  König".  Ausführlichere  Anmerkungen  finden  sich  bei  den  Gedichten;  zu 
den  Noten  der  ,, Kronenwächter"  sind  innfangi'eiche  Stellen  aus  W.  Grimms  Recension 
vei-wertet.  Des  Gockelmärchens  zweite  Fassung  ist  durch  einige  Lesarten  chai-akterisiert  — 
Eine  empfehlende  Anzeige  dieser  Ausgabe,  die  von  Ellinger^'')  herrührt,  findet  die 
jüngeren  Romantiker,  vor  allen  Bettina  und  Arnim,  sympathischer  als  den  Schlegelschen 
Kreis,  bekämpft  indess  Kochs  Anschauung,  dass  Brentano  an  seinem  .Lebensende  nicht 
tief  gesunken  gewesen  sei,  und  wendet  sich  auch  gegen  die  Behauptung,  dass  die 
„Kronenwächter"    von    keinem    deutschen    historischen    Rcmiun    übertroffen    werden.  — 


E[llinger],  Z.  Qesch.  d.  dtsch.  Romantik:  NZ^.  N.  553.  —  56)  L.  A.  r.  Arnim  u.  C,  KrvuUiio.    I).  Knaben  Wttnderhorn.her.  r.  J. 

16* 


IV  11:  57-67.  0.  ¥.  Walzel,  Romantik.  228 

Ettlingers  56)  populären  Zwecken  gewidmete  Ausgabe  des  „Wuuderhoru"  giebt  in  der 
Einleitung  ausführliche  Nachrichten  über  die  Aufnahme  des  Buches,  druckt  iimfaug- 
reiche  Citate  aus  den  Kritiken  und  Antikritiken  ab,  die  durch  das  „Wunderhorn"  ver- 
anlasst wurden.  Arnims  Einleitung  zum  ersten  Bande  fehlt.  —  Wertvoll,  vor  alleni 
durch  bibliographisches  Material,  ist  Grisebachs  ^'')  Aufsatz  über  Brentano.  Auf  des 
Dichters  Beziehungen  zu  Goethe  kommt  G.  mit  Vorliebe  zu  sprechen;  er  zieht  Goethes 
Urteil  über  den  „Gustav  Wasa"  an  (Hirzels  „Goethebibliothek"  S.  209),  führt  den 
„Godwi"  auf  „Werther"  und  „Wilhelm  Meister"  zurück,  und  citiert  zum  „Wunderhorn" 
Goethes  erst  neuerlich  bekannt  gewordenes  Faustparalipomenon  (Weim.  Ausg.  14,  S.  ;-505) : 
Goethes  Urteil  über  Brentano  vom  30.  Okt.  1808  soll  sich  auf  den  „Uhrmacher  Bogs" 
beziehen.  Die  epische  Darstellung  des  Mittelalters  durch  die  Romantiker  bringt  G.  in 
Zusammenhang  mit  A.  W.  Schlegels  Definition  des  Begriffes  „Romantisch"  (Charakte- 
ristiken und  Kritiken  2,  S.  20:  romance  =  die  aus  dem  Lateinischen  entstandene  Volks- 
sprache des  Mittelalters).  Als  romantische  Epen  mittelalterlichen  Stoffes  stellt  er  zu- 
sammen: „Kronenwächter",  ,, Kohlhaas",  Hoffmanns  „Artushof"  und  „Meister  Martin", 
A.  Hagens  „Norika",  Heines  „Rabbi  von  Bacharaeh",  Scheffels  „Ekkehard",  Kellers 
„Sieben  Legenden"  und  seine  eigenen  ,, Chinesischen  Novellen".  Ferner  gruppiert  er 
die  Gespenstergeschichten  vom  ,, Geisterseher"  bis  zu  der  Droste- Hülshoff  ,, Spiritus - 
familiaris  des  Rosstäusch ers"  und  zu  Alfred  Schönes  „Blauem  Schleier".  Die  Zu- 
sammenstellung begnügt  sich  mit  einer  Aneinanderreihung  der  in  der  Gegenwart  spie- 
lenden romantischen  Novellen.  Ausführlich  und  mit  hohem  Lobe  erörtert  er  die  ,, Ro- 
manzen von  Rosenkranz",  die  auch  er  mit  Erich  Schmidt  den  „Brentanoschen  Eaust" 
nennt;  Ph.  Runges  hinterlassene  Schriften  2,  S.  39G  8,  werden  angezogen.  Ueber 
deutsche  Assonanzversuche  folgen  einige  Daten.  Die  „Rosenkranzromanzen"  leiten  zu 
einer  Betrachtung  über  symbolische  Poesie  über,  die  zum  Goetheschen  „Faust"  hinführt 
und  die  romantischen  Einflüsse  auf  diese  Dichtung  erörtert.  Auch  der  ,,Divan"  wird 
mit  Recht  auf  romantische  Tendenzen  zurückgeführt.  Katliarina  Emmerich  wird  mit 
Frl.  von  Klettenberg  verglichen,  endlich  einer  Freundin  Katharinas,  Gretchens  Verflassen, 
gedacht.  Drei  Briefe  Brentanos  an  diese,  die  bisher  nin-  in  willkürlicher  Veränderung 
bekannt  waren,  werden  im  Anhange  mitgeteilt,  ein  Brief  an  Böhmer  geht  voran.  Neues 
bringen  die,  mit  Ausnahme  des  letzten  (Regensburg,  2.  April  1833),  undatierten  Briefe 
nicht  bei ;  sie  dienen  nur  katholisch  -  konfessionellen  Interessen.  G,  giebt  biblio- 
graphische Notizen  über  ,, Gustav  Wasa",  „Godwi",  ,, Briefe  über  das  neue  Theater", 
eine  Romanze  im  Göttinger  Musenalmanach  1803,  S.  79  (S.  112*),  „Chronika  des  fahrenden 
Schülers"  und,,DreiNüsse"(S.  119*),,,Kasperl  undAnnerl"und„ Wehmüller"(S.  125*),,, Trutz- 
nachtigall" (S.  127*)  und  „Gockel"  (S.  138*).  —  A.  Köster  spricht  von  Gozzis  Einfluss  auf 
Brentano,  der  in  seiner  Jugend  gern  den  italienischen  Dichter  gelesen  hat.  Im  Märchen,, Lieb- 
seelchen"  findet  er  ein  Motiv  aus  Basiles  ,,Pentamerone";  die  Masken  Pantalon  und 
Tartaglio  scheinen  ihm  in  den  ,, Lustigen  Musikanten"  nicht  glücklich  verwertet,  Truf- 
faldin  insbesondere  sei  in  einen  Shakespeareschen  Clown  verwandelt.  — 

SteigS^)  besorgte  einen  Neudruck  des  „Frühlingskranzes";  er  giebt  einige 
Daten  über  Bettinas  Verhältnis  zu  ilu-em  Bruder  und  erhärtet  an  mehreren  Beispielen, 
dass  Bettina  „mit  schonender  Hand"  dia  Briefe  umgestaltet  habe.  Vor  allem  die  poeti- 
schen Beigaben  scheinen  unverändert  geblieben  zu  sein.  S.  wagt  die  Vermutung,  dass 
Bettina  das  Buch  nicht  fortgesetzt  habe,  weil  sie  spätere  Missverständnisse  nicht  dem 
Publikum  preisgeben  wollte.  —  Eine  anonyme  Anzeige  des  Neudrucks  ^o)  stellt  die  in 
sich  selbst  gefestigte  Persönlichkeit  Bettinens  und  den  „zerfahrenen  Phantastiker  und 
Grillenfänger"  Clemens  in  Gegensatz.  —  In  ähnlichen  Betrachtungen  ergeht  sich  eine 
zweite  anonyme  Anzeige  ^i),  die  aber  in  den  Briefen  des  „Frühlingskranzes"  noch  ein 
gesundes  Empfindungsleben  auf  Brentanos  Seite  anerkennt.  Heine  soll  sich  mit  seinem 
Urteil  über  Brentanos  „innere  Zerrissenheit"  selbst  ins  Gesicht  schlagen. ^2)  —  Lily 
von  Kretschman^^)  vermutet,  dass  in  Ottilie  von  Goethes  „Chaos"  die  „Friderike" 
nicht  auf  Bettina  zu  deuten  sei.  —  Der  Neudruck  der  „Günderode"  erweckt  in  W. 
Büchner^*)  Jugenderinnerungen;  er  war  Student,  als  das  Buch  erschien.  —  E.  Jeep^^-ßt^) 
wurde  durch  denselben  Neudruck  zu  zwei  Aufsätzen  veranlasst.  Der  eine  kann  in  seiner 
novellistischen  Form  als  eine  im  Stile  Bettinas  gedachte  Arabeske  bezeichnet  werden; 
er  beschränkt    sich    darauf,    das  Leben    der  Günderode    in  meist  wörtlicher  Wiedergabe 


Ettlinger.  (=  Bibl.  d.  Ges. -Litt.  d.  In- u.  Auslandes  N.  531/9.)  Halle,  Hendel.  XXIV,  844  8.  M.  2,25.  —  57")  E.  0  risebach,  D. 
Qoethesche  Zeitalter  d.  dtsch.  Dichtung.  S.  o.  IV  1  :  :5.  S.  110—40,  108—84.  —  58)  A.  Köster,  s.  o.  IV  10  :  117.  S.  225/7. 
—  59)  C.  Brentano,  FrUhlingskranz  aus  Jugendbriufen  ihm  geflochten,  wie  er  selbst  scliriftlich  vorlangte.  Berlin,  Hertz. 
X,  288  S.  M.  3,60.  |[A.  Sehröter:  BLU.  S.  580/1. 1|  —  60)  Jugendbriefe  v.  Clemens  Brentano  u.  Bettina  v.  Arnim:  AZgii. 
N.  160.  —  61)  — t,  Clemens  Brentanos  Frtlhlingskranz,  aus  Jugendbriefen  ihm  geflochten :  HambCorr".  N.  22.  —  62)  X  J-  V. 
Widmann,  Clemens  Brentanos  FrUhlingskranz:  Bund  N.  204,  20G.  —  63)  L.  v.  Kretscliman,  s.  o.  IV  9b  :  99.  S.  260.  — 
64)  W.  Büchner,  D.  GUndorode-Ausg.  v.  1840  (Berlin,  Hertz  1890):  BLU.  S.  37/8.  —  65)  E.  Jeep,  Karoline  v.  Qltnderode  : 
Nation».    8,  S.  371/3.  —  66)  X  i  3-,  i^«oi  romant.  Mädolien:  VZg».  N.  23.  —  67)  X  D.Familie  v.  QUuderode:  FZg.  N.  150.— 


229  0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  II:  «.72. 

BettiiiiiscliHr  VVeii(luiijj;cn  /.u  snhildorn.  Der  zweite  Aufsatz  <li(Mit  wiMHeiiRchaillichen 
Zwecken.  Er  betont  die  starke  Verschiedenheit  Bettinons  und  der  Günderode,  stellt 
der  Günderode  hohe  Auffassung  von  der  Poesie  fest,  tindet  nur  wenige  ihrer  Gedichte 
nach  Inhalt  und  Fonn  gleich  vollendet.  Ihren  Dramen  fehlte  eine  ausgeprägte  Charakter- 
zeichnung und  eine  festgefügte,  rasch  fortschreitende  Handlung.  Alle  ihre  Schöpfungen 
seien  aber  Ausdrücke  ihres  Herzens;  J.  vergleicht  die  Günderode  mit  Seume.  IJettina« 
Buch  bietet  nacii  seinem  Urteil  wenig  dem  Litterarhistoriker,  viel  dem  ästhetisch  Ge- 
niessenden. Zum  Schlüsse  teilt  er  mit,  dass  Herman  Grimm  wenig  Bereicherungen 
des  biograi)lii8chen,  von  Schwartz  bei  Ersch  und  Gh'uber  zusammengestellten  Materiales 
versprechen  könne.  o'-öS)  — 

Eine  Sanunluug  kleinerer  Aufsätze  Her m,  Fischers  •^"•""j  kommt  der  Gescliichte 
der  sclxwäbischen  Romantik  im  allgemeinen  und  im  einzelnen  zu  gute.  Ueher- 
zeugend  weist  er  den  geringen  inneren  Zusammenhang  der  schwabischen  Komantik  und 
der  Romantik  im  engeren  Sinne  nach.  Er  beschreibt  die  Abgeschiedenheit  des  alten 
Württemberg,  dem  ausser  Schubart  alle  seine  echten  Dichter  "untreu  wurden:  er 
hebt  den  starken  rationaliatisclien  Zug  der  Schwaben  hervor,  der  auch  bei  Schiller  zur 
Geltung  kommt.  K.  Ph.  Conz,  ('h.  Neuflfer,  R.  Magenau,  F.  Bernritter,  V.  M.  Bolu-er, 
L.  Bührlen  werden  als  Klassiker  Württembergs  lehrreich  charakterisiert.  Ihnen  reihen 
sich  als  energischste  Bekämpfer  der  Romantik  F.  Ch.  Weisser  und  der  leise  romantisch 
angehauchte  .1.  Cli.  V.  Haug  an.  Das  „Morgenblatt"  wird  als  Bildungsblatt  mittlerer 
Kreise  dargestellt,  seine  rasche  Bekehrung  aufgezeigt.  Von  der  poetischen  Jugend,  dem 
Kreise  Uhlands,  der  im  „Sonntagsblatt"  seinen  Au.sdruck  findet,  will  F.  weder  Harp- 
precht  noch  Schwab  zur  Romantik  rechnen;  auch  in  Karl  Mayer  sieht  er  nur  einen 
Naturdichter,  keinen  Romantiker.  Eigentlicher  Romantiker  ist  nur  Kerner,  der  1811  in 
seinem  „Reiseschatten"  ein  grosses  Manifest  giebt.  F.  deutet  die  Satire  im  einzelnen 
und  weist  besonders  auf  Mayers  „Uhland'-  1,  S.  119  zur  Deutung  der  Figur  des  „Felix". 
Nach  Kerners  „Musenalmanach  für  1812",  den  F.  ein  echt  romantisches  Gewächs  nennt, 
ist  der  , .Deutsche  Dichtei'wald"  von  1813  das  letzte  gemeinsanm  romantische  Unternehmen 
in  Schwaben.  Kerner  geht  noch  auf  romantischer  Bahn  weiter  mit  seinen  Kinder- 
märchen „Goldener"  (1810),  mit  dem  leise  geänderten  (II,  83,  XII,  4)  Wiederabdruck 
der  „Reiseschatten"  (1834)  und  mit  seinem  „Bärenhäuter  im  Salzbade"  (1835);  das  18<»3 
herausgegebene  Singspiel  ,,Der  Bär"  gehört  dem  Jahre  1809  an.  Natürlich  wird  auch 
der  Geisterseher  Kerner  für  die  Romantik  in  Anspruch  genommen.  Uhland  wurde  nach 
F.  nur  durch  die  Stoffwahl  seiner  Dichtungen  zum  Romantiker.  Fouqu^  und  das 
„Wunderhorn",  dann  Tiecks  romantische  Spielereien,  insbesondere  seine  dramatischen 
Versuche  sind  Uhlands  Muster:  so  stellen  sich  auch  die  romanischen  Masse,  die  altgerma- 
nischen und  altfranzösischen  Elemente  der  Romantik  ein;  und  in  seinem  „Fortunat"  nimmt 
er  zu  einer  burlesken  romantischen  Epopöe  Anlauf  Die  „vaterländischen  Gedichte" 
führen  ihn  dann  1817  auf  andere  Bahn.  Nach  1825  ist  Kerner  der  einzige  Romantiker 
in  Schwaben;  denn  Hauff  war  in  seinen  Märchen  Nachahmer  Wielands  und  Wei.ssers, 
der  „Liechtenstein"  ist  vorromantisch;  Waiblinger  ist  Gegner  der  Romantik  und  nur 
Bauer  und  Mörike  thaten  „wenigstens  tiefe  Züge  aus  dem  Taumelkelch  der  Romantik''. 

Uhlands  Beziehmigen  zu  den  ausländischen  T.itteraturen  zu  erforschen,  zieht 
Herrn.  Fischer ''i)  zmiächst  den  Aufsatz  Ober  das  altfranzösische  Epos  (1812i  und  die 
,, Sagenforschungen"  mit  dem  „Mythus  von  Tina-"  luid  mit  der  Abhandlung  über  Odin 
heran.  Dann  rubriziert  er  in  umfangreicher  Uebersicht  die  Dichtungen  Uhlands,  die  zu 
ausländischer  Litteratur  irgendwie  in  Beziehung  stehen.  Die  Gegenwart  spielt  keine  so 
bedeutende  Rolle  wie  das  Mittelalter  und  selbst  das  Altertum,  weniger  das  orientalische 
als  das  klassische.  Hierher  gehören  lateinische  Verse,  deutsche  Distichen  („Sinn- 
gedichte"), einige  erst  aus  dem  Nachlasse  veröfientlichte  Versuche,  dann  aber  eine  Reihe 
stofflich  der  Antike  angehörige  Gedichte  wie  „Ver  sacrum".  Von  mittelalterlichen 
Stotfen  nehmen  neben  skandinavischen  („Die  .sterbenden  Helden")  vor  allem  die  roma- 
nischen einen  umfangreichen  Raum  ein.  Bei  „Klein  Roland"  weist  F.  auf  die  „Reali 
di  fi-ancia".  Das  Metrum  von  „Bertran  de  Born"  und  ähnliche  Formen  der  iiächst- 
vei-wandten  Gedichte  wei'den  feinsinnig  verglichen;  auch  die  spani.schen  Versraasse  der 
spanischen  Quellen  entnommenen  Dichtungen  ertirtert.  Italien  und  eigentlich  auch 
England  treten  bei  Uhland  in  den  Hintergrund.  Zusammenfassend  nennt  F.  die  Melir- 
zahl  der  besprochenen  Dichtungen  von  eigener  Empfindung  durchtränkt.  In  einer  An- 
merkung wird  das  Fragment  „Karl  der  Grosse  in  Jerusalem"  den  Jahren  1809 — 14  zu- 
gewiesen. —  Patzig''-)  schreibt  die  Geschichte  des  Motivs  vom  „Castellan  von  Coucy", 
ohne    auf  Uhland    selbst    einzugehen;    seine   umfassende  und  eindringliche  Studie  muss 


68)  X>T.  V.  Widmann,  D.  Herz  hat  Recht:  Bund  N.  2ii  !•.— 69-701  H.  Fischer,  Klaüsizismu«  n.  Bomaotik  in  .-Schwab«!!  zu 
AnfanK  unseres  Jh.  (=  l'.eitrr.  %.  Litt.-Gesch.  Sehwabons.'»  Tübinifcn,  Laupp.  VI.  246  S.  M.  4.00.  (A.  Holder:  Alemaoai» 
19,  S.  n>2  5.]|     S.    40--TG.    —    71)    id.,    Uhlands    Beziehungen  zu    ausländ.  LiUeraturen:    ib.  S.  W— 126.  —  72)  H.  Patiig,  Z. 


IV  11:  73-85,  0.  F.  Walzel,  Romantik.  230 

also  von  Uhlandforschern  erst  ausgebeutet  werden.  —  Bender "^S)  interpretiert  die 
vielumstrittene  Wendung  der  „Döffinger  Schlacht"  „Der  Fink  hat  wieder  Samen"  mit 
Holland  als:  „Der  Fink  hat  wieder  zu  fressen".  —  Sprenger  ^4)  belegt  das  Wort 
„Qualm"  desselben  Gedichtes  aus  dem  „Herzog  Ernst"  und  leitet  es  von  „quellen"  ab. 
„Blut  und  Qualm"  stehen  für  „Blutes  Qualm".  —  Die  Wendung  „Huf  und  Hörn"  der 
„Schlacht  von  Reutlingen"  (Strophe  3)  belegt  Sprenger''^'')  aus  G.  Schwabs  „Kammer- 
boten in  Schwaben"  (Reclam  S.  482)  und  erklärt  sie  für  eine  alte  Stabreimfonnel ,  die 
„reisige  Heerschar"  bedeute;  „kommen"  stehe  für  „zurückkommen". '^6)  —  Bieses'''^) 
Aufsatz  über  Uhlands  Naturlyrik  soll  in  seinen  Beispielzusammenstellungen  wohl  mehr 
dem  poetischen  Problem  als  der  Charakteristik  Uhlands  dienen.  Da  werden  Belege  für 
„plastische  Anschaulichkeit"  vorgebracht,  mit  der  Uhland  Bilder  vor  unser  geistiges 
Auge  zaubert,  „schöne  dem  Naturleben  entlehnte  Vergleiche"  zusammengestellt;  die 
„Naturbeseelung"  wird  verfolgt  usw.  Aus  dem  von  B.  rubrizierten  Stoff  müsste  eine 
charakterisierende  Darstellung  erst  das  Entscheidende  herausheben,  soll  für  Uhland  ein 
bezeichnendes  Wort  gesagt  werden.  —  Uhlands  Beziehungen  zu  Hebbel  beleuchtet 
Herrn.  Fischer ''8);  Hebbels  „ungestüme  Verehrung"  für  Uhland,  wie  sie  in  den  Tage- 
büchern sich  ausspricht,  lässt  für  Rückert  und  Freiligrath,  aber  auch  für  Lenau  und  Geibel 
keinen  Platz.  Goethes  Urteil  über  Uhland  will  Hebbel  aus  einer  Verwechslung  der 
schwäbischen  Dichter  mit  ihrem  Haupte  erklären.  Mit  Wienbarg  sieht  er  in  Uhland 
einen  grossen  Dramatiker.  Die  persönlichen  Beziehungen  waren  gering.  Der  Wunsch, 
Uhland  eine  Sammlung  seiner  lyrischen  Gedichte  zu  widmen,  veranlassten  Hebbels  Brief 
,Vom  4.  Juli  1836,  der  ohne  Antwort  blieb.  1836  suchte  Hebbel  den  schwäbischen 
Dichter  auf  und  ist,  wie  andere,  über  seine  Erscheinung  wenig  erbaut.  Im  Jahre  1837 
und  1840  folgen  neue  Sendungen  Hebbels,  die  nur  kärgliche  Antworten  finden.  1842 
traf  man  sich  unter  erfreulicheren  Umständen  in  Hamburg.  Erst  1857  sandte  dann 
Hebbel  die  dritte  Auflage  seiner  Gedichte;  Uhland  dankte  freundlich.  F.  findet  es  be- 
greiflich, dass  Uhland  nicht  wärmer  geworden  ist;  e^  hatte  kein  Organ  für  Hebbels 
titanisches  Streben.  Sein  Einfluss  auf  Hebbel  war  wohl  nur  negativer  Art;  er  erlöste 
ihn  von  der  Rhetorik  seiner  Jugendarbeiten. ''9)  —  Herm.  Fischer  80)  giebt  ferner  ein 
Charakterbild  von  Uhlands  Freunde  und  Biographen  Friedrich  Notter;  er  legt  einen  starken 
Accent  auf  die  peinliche  Kritik,  die  Notter  bei  aller  Begeisterung  immer  übte.  Notters 
Besuch  bei  Goethe,  sein  Anteil  an  Pfizers  epochemachendem  „Briefwechsel  zweier 
Deutschen"  (1831),  sein  unvollendeter  Entwurf  einer  Anthologie  „Stimmen  der  Völker 
über  Gott  und  Seele"  werden  nach  hs.  Quellen  besprochen.  Sein  Aufsatz  über  „Die 
schwäbische  Dichterschule"  wird  analysiert  und  seine  Vorliebe  für  die  künstlerisch  voll- 
endeteren Gedichte  Uhlands  aufgedeckt.  Politische  Interessen  Hessen  Notter  erst  in 
den  fünfziger  Jahren  wieder  zu  belletristischer  Tliätigkeit  kommen;  er  übersetzte  Theokrit, 
Bion,  Moschos,  dann  Dante,  den  er  in  Vorträgen  und  in  Romanzen  feierte.  Ausführlich 
würdigt  F.  endlich  die  Bücher  über  Uhland  und  Mörike  und  schildert  zuletzt  aus  eigener 
Anschauung  den  greisen  Notter  der  letzten  siebziger  Jahre.  —  Für  Schwabs  Verhältnis 
zu  Uhland  bringt  Herm.  Fischer '^i)  nichts  Neues  bei.  — 

Eine  imgedruckte  Stanze  Waiblingers  wurde  von  Franzos^ä)  mitgeteilt.  — 
Herrn.  Fischers  s^)  Aufsatz  „Mörike,  Ludwig  Bauer  und  Waiblinger"  ist  für  die  ersten 
beiden  ergiebiger  als  für  den  letzten.  Er  entnimmt  dem  im  Besitze  der  Kgl.  Bibliothek 
zu  Stuttgart  befindlichen  Nachlasse  Esers  sieben  Briefe  Mörikes  an  Waiblinger;  sie 
reichen  vom  27.  Okt.  1821  bis  in  den  Sommer  1822  und  geben  vor  allem  über  Mörikes 
Lektüre  guten  Aufschluss.  Den  von  Waiblinger  erapfoldenen  Jean  Paul  kennt  er  1821 
nur  aus  Sentenzensammlungen.  Die  beiden  ersten  Bände  von  „Dichtung  und  Wahrheit" 
wirken  „wunderbar  anmutig"  auf  ihn.  Einmal  beschäftigt  ihn  das  Problem,  ob  die  Ge- 
schichte von  Abailard  und  Heloise  dramatisch  verwertet  werden  könne.  Novalis  wird 
citiert,  den  „Vicar  of  Wakefield"  will  er  lesen,  Shakespeare  entzückt  und  erschüttert 
ihn,  Calderon  kennt  er  noch  nicht.  ,,W" alienstein"  liest  er  unter  Schillers  Werken  am 
liebsten.  Der  Kotzebuemörder  Sand  wird  ihm  durch  „lümmelhafte"  Lobeserhebungen 
seiner  Freunde  verleidet.  F.  erzählt,  wie  Waiblinger  durch  sein  niassloses  Streben  die 
Freundschaft  Mörikes  und  Bauers  verlor.  Die  acht  im  Besitze  der  Stuttgarter  Biblio- 
thek befindlichen  Briefe  Bauers  kommen  nicht  zum  Abdruck.  — 

Gesch.  d.  Herzraäre.  Progr.  d.  Friediich-Gymn.  Berlin,  Gärtner.  4".  22  S.  |[S.  Singer:  ADA.  17,  S.  333/aj|  —  73)  F. 
Bender,  Zu  Uhlands  Döfflnger  Schlacht:  ZDU.  5,  S.  52/3.  —  74)  E.  Sprenger,  Qualm  bei  Uhland:  ib.  S.  67.  —  75)  id., 
Zu  Uhlands  Graf  Eberhard :  ib.  S.  132/3.  -  76)  (I  7:20.)  —  77)  A.  Biese,  D,  Naturlyrik  L.  Uhlands  u.  Mörikes:  ZDU.  5. 
S.  822-39.  -  78)  Herm.  Fischer,  Uhland  u.  Hebbel.  S.  o.  N.  09-70):  S.  127-47.  —  79)  X  L.  Fr»nkel:  BLU.  S.  831. 
(Sucht  Uhlandautographe.')  -80)  Herm.  Fischer,  F.  Notter:  Beitrr.  z.  Litt.-Gesch.  Schwabens  (a.  o.  N.  69-70):  S.  180—213.) 
—  81)  id.,  Q.  Schwab:  ADB.  33.  S.  153/5.  —  82)  (F  ranz  os,)  W.  Waiblinger,  Natur  u.  Kunst  (1821).  Ungedr.  Nachlass:  DDich- 
t'ing  10,  S.  221.  —  83)  Herrn.  Fischer,  Mörike,  Ludwig  Bauer  u.  Waiblinger:  Beitrr.  z.  Litt.-Gesch.  Schwabens  (s.  o. 
N.  69-70):  S.  148-79.-84)  K.  E.  Franzos,  Ernst  Schulze  u.  Caecilie  Tychsen.  Nach  d.  ungedr.  TagebOchern,  Gedichten  u. 
Briefen  .Schulzes:  üpichtung  10,    S.    119-28.    -    85)  id.,  Aus  Briefen  Ernst  Schutzes  u.  Fritz  v.  BUlows  1—3:  VZg«.  N.  10 


231  O.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  11:  M-«. 

Franzos**)  netzt  seine  Mitteilnngeii  ans  dein  ihm  anvertranlen  Nachlasse  von 
Enisi  Schulze  rührig  fort.  Ein  im  Berichtsjahre  noch  nicht  uhceschlossener  AufHatz 
soll  die  „Cäcilien-Legende"  in  lebenswahrerer  Darstellung  der  Wirklichkeit  näherbringen. 
Aus  den  Berichten  Zschokkes,  Bouterweck«,  Marggi'aft's  und  Tillmanns  haben  sich  nach 
V.H  Ansicht  zwei  völlig  entgegengesetzte  Anschauungen  ftber  Schulzes  Beziehungen  zu 
(Jäcilie  Tvchsen  entwickelt:  eine  idealisierende,  an  Zschokkes  Darstellung  festhaltende 
und  eine  unvollständigen  Quellei)  entstammende,  die  über  Schulzes  Charakter  völlig  ab- 
spricht. F.  will  aus  den  ihm  vollständiger  denn  einem  seiner  Vorgänger  vorliegenden 
Dokumenten  die  Berechtigung  herauslesen,  einen  Mittelweg  einzusclilagen.  Er  giebt 
knappe  Nachrichten  über  das  Haus  des  Hofrats  Tychsen  und  über  seine  begabte  Tochter 
(yäcilie. .  Er  charakterisiert  die  wenig  versprechende  Jugend  Schulzes  und  hebt  drei 
Umstände  hervor,  die  für  die  Beurteilung  des  Dichters  von  Wichtigkeit  seien:  die 
Liebebedürftigkeit,  der  im  väterlichen  Hause  keine  Befriedigung  wurde,  den  trotzigen 
Drang,  gerade  den  nächsten  Angehörigen  sclilechter  zu  erscheinen,  und  eine  früh  ge- 
weckte Neigung  zinu  weiblichen  Geschlecht.  Wielands  starker  Einfluss  kommt  zur 
Sprache;  kleiner  „Amovirschaften"  der  Studentenzeit  und  der  Beziehungen  zu  Sophie 
von  W[itzendorffJ  wird  gedacht.  Mit  unnötigem  moralischem  Pathos  wird  seine  tein- 
sinnliche  Flattersucht  aus  der  Unsittlichkeit  der  Zeit  König  Jeromes  abgeleitet.  Die 
Dokumente  selbst,  in  denen  F.  die  Geschichte  der  Beziehungen  zu  Cäcilie  erzählt,  ein 
Brief  an  Bergmann  vom  20.  Jan.  1811,  dann  die  1'agebuchnotizen  vom  13.  Dez.  1811 
bis  zum  20.  Febr.  1812,  lassen  Schulzes  Hang  deutlich  erkennen,  die  Rolle  eines  un- 
widerstehlichen, geistreichen  und  frivolen  Lovelace  zu  spielen.  Das  Ganze  ist  ein  herz- 
lich kindischer  Bericht  eines  Unreifen,  der  sich  seiner  bescheidenen  Flirterfolge  innig 
freut,  diese  Freude  aber  gerne  überlegen  ironisch  in  einer  zersetzenden  Selbstanalyse 
abthäte.  Die  Entstehungsgeschichte  des  ,, Hymnus  an  die  heilige  Cäcilie"  und  der  Epistel 
,,An  Cäcilie,  als  sie  einen  Johannes  gemalt  hatte"  wird  beiläufig  berichtet;  beide  Dich- 
tungen entpuppen  sich  als  gesellschaftliche  Scherze,  die  Cäcilien  mürbe  machen  sollten. 
Nebenbei  wird  auch  ein  ei-nsteres  Verhältnis  zu  „einer  in  ihren  Grundsätzen  wenig  ge- 
festeten" Frau  Louise  von  P.  gestreift.  —  Franzos'ss)  Mitteilungen  aus  Briefen  Schulzes 
und  Fritz  von  Bülows  sollen  nicht  der  Litteraturgeschichte,  sondern  der  Kulturgeschichte 
dienen;  er  druckt  nur  ab,  was  beide  „de  rebus  publicis"  schrieben.  Die  Briefe  reichen 
vom  5.  Juni  1805  bis  31.  März  1811:  von  Schulze  finden  sich  nur  einige  Stellen  aus 
Briefen  vom  10.  Juli,  6.  Okt.,  18.  Dez.  1805;  2.  .Jan.,  26.  Mai  1806;  17.  Jan.,  21.  März 
J808;  19.  März  1810;  die  Korrespoiidenz  behandelt:  Mtinstersche  kathohsche  Zustände 
in  abfällig  protestantischer  Beleuchtung  (Fürstin  Gallitzin,  Fr.  Leonh.  v.  Stolberg),  den 
politischen  Gegensatz  Preussens,  dessen  Gegner  Schulze  war,  und  des  übrigen  Deutsch- 
lands, litterarische  Angelegenheiten  Berlins  (Nicolai,  Kotzebue,  A.  Kuhn,  F.  A.  Wolf, 
Fichte,  F.  Kühnau),  die  schauerlichen  sittlichen  Zustände  der  Charite  zu  Berlin  (um  1810, 
also  nach  Sclüeiermachers  Zeit);  diese  wird  in  einem  binichstückweise  mitgeteilten  Ge- 
dichte Bülows  geschildert.  Auch  ein  Festgedicht  Bülows  wird  abgedruckt  Ein  Bericht 
aus  Frankfurt  a.  0.  vom  30.  Juli  1810  erzählt,  wie  langsam  und  wie  schwer  Solger  ein 
Pviblikum  dort  fand.  —  Den  konventionell  überlieferten  Schulze  schildert  Pröhle»«), 
ohne  unsere  Kenntnis  zu  fördern.  — 

Dietzel'')  stellt  eine  Auswahl  Eiche  ndor  ff  scher  Schriften  zu  populären 
Zwecken  zusammen.  Neben  der  vollständigen  Sammlung  seiner  Gedichte,  die  nach  der 
zweiten  Auflage  der  „Sämmtlichen  Werke"  (Leipzig  18<>4)  mitgeteilt  werden,  druckt  er 
„Robert  und  Guiskard",  „Ahnung  und  Gegenwart",  „Aus  dem  Leben  eines  Taugenichts", 
„Das  Marmorbild"  und  „Das  Schloss  Durande"  ab.  Die  bibliographischen  Notizen,  die 
den  Gedichten  beigefügt  sind,  entbehren  wissenschafthcher  Zuverlässigkeit,  wie  Walze  1 
nachgewiesen  hat.  Die  knapp  gehaltene  Einleitung  stellt  die  biographischen  Daten 
übersichtlich  zusammen  und  zieht  auch  entlegene  Notizen  aus  den  Briefwechseln  der 
Romantiker  heran.  Eine  Charakteristik  der  Dichtung  Eichendorffs  ist  trotz  einiger 
(2,  S.  505)  nachträglich  eingefügter  Bemerkungen  nicht  geliefert  worden.  — 

Endlich  sei  der  Beziehung  von  Kunst  und  Künstlern  zur  Romantik  gedacht. 
Hundeshagens  Leben  schildert  zum  erstenmale  und  nach  unbenutzten  hs.  Quellen  der 
C'asseler  Landesbibliothek  (Mss.  Hass.  287)  in  breiter  und  wenig  verarbeitender  Dar- 
stellung eine  Studie  Nolls  «»),  die  betont,  dass  Hundeshagen  unter  den  romantischen 
Kunsthistorikern  am  meisten  der  Architektur  sich  gewidmet  habe.  Geboren  am 
18.  Sept.  1784,  wird  er,  durch  das  Jahr  1806  in  seinen  Habilitationsplänen  gestört, 
Hofgerichtsadvokat  zu  Hanau  und  kommt  bald  in  ein  glückliches  Verhältnis  zu  dem 
neuen  Fürsten  Karl  von  Dalberg.     Im  Herbste  1812    tritt    er    in    Nassauische    Dienste; 


li.  14.  —  86)  H.  PrOlile,  F.  Schulze:  ADB.  32.  S.  763  5.  —  87)  J.  t.  Eiohendorff,  Werke.  Her.  t.  R.  Dietxe.  Kritieeh 
durchgcs.  u.  erl.  Ausg.  Leipzig,  Bibl.  Inst.  VI,  34,  420,  50«  S.  [0.  F.  WaUel:  AUA.  18,  S.  297  8.1 1.  —  88)  C  L-  W«tten- 
(lortf,    J.    T.  Eichendorff:    KZEU.  40,    S.    186— 9Ö,  233—44.    —  89)  J.  N  oll,  H.  B.  Hundestiagen  u.  t.  .SUUnnf  t.  RoMuUk. 


fV  11:  90-93.  O.  F.  Walze],  Romantik.  -232 

obwohl  nur  Bibliothekar,  wird  er  1813  zu  Kriegszwecken  verwertet.  1815  in  Wiesbaden 
kommt  er  mit  Goethe  und  mit  S.  Boisseree  zusammen;  N.  vei'niutet,  dass  er  Goethe 
für  Boisserees  Kunstideal  gewonnen  habe.  1817  wird  er  von  einem  Unterbeamten 
denunziert  und  des  Dienstes  entlassen.  Von  da  ab  ist  er  in  raschem  Niedergang.  1820 
bis  1824  hält  er  Vorlesungen  in  Bonn,  verarmt  aber  gänzlich.  Fortab  lebte  er  zeit- 
weilig in  Neuwied,  um  dem  Fürsten  von  Wied  bei  Ausgrabungen  behilflich  zu  sein. 
Ueber  sein  Alter  konnte  N.  aus  den  hs.  Quellen  nichts  Anderes  feststellen,  als  dass  er 
nach  längerer  praktischer  Thätigkeit  schliesslich  heiratete  und  zuletzt  geisteskrank 
wurde.  N.  zeigt,  wie  Hundeshagens  mehr  und  mehr  zersplitterte,  die  Existenzfrage  ihn 
über  Ansätze  nicht  hat  hinauskommen  lassen;  ungedruckte  Anfänge  nie  vollendeter 
Arbeiten  weist  er  nach  und  teilt  er  mit  (S.  13,  Disposition  und  Anfang  der  Vorrede 
einer  Studie  über  die  Reichsstadt  Gelnhausen).  Ausführliche  Inhaltsangaben  seiner 
Monographie  über  die  Kapelle  zu  Frankenberg  bei  Marburg  (1808)  und  über  sein 
Hauptwerk  ,, Kaiser  Friedrichs  I.  Barbarossas  Palast  in  der  Burg  Gelnhausen"  (1819) 
suchen  insbesondere  die  romantischen  Tendenzen  Hundeshagens  aufzudecken,  dort  in 
der  Vermischung  von  Dichtkunst  und  Architektur,  hier  in  dem  Versuche,  antike  und 
gothische  Kunst  auf  ein  Grundgesetz  zurückzuführen.  N.  gedenkt  auch  der  Zeich- 
nungen, die  Hundeshagen  zu  den  Büchern  anderer  beigesteuert  hat.  Die  in  diesem 
Zusammenhange  genannte  Dichtung  „Gunde"  von  Wolfhard  ist  K.  Wolfarts  „Guntha" 
(vgl.  Goedeke  3,  S.  159  N.  243,1).  N.  giebt  seiner  Studie  zwei  Briefe  Grimms  an  Hundes- 
hagen und  an  Sulpiz  Boisseree  bei.  Im  ersten  (5.  Juli  1810)  erkundigt  sich  Grimm 
nach  Hundeshagens  Hs.  des  „Alphart"  (über  sie  und  über  seine  Nibelungenhandschrift 
teilt  N.  S.  167  nichts  wesentHch  Neues  mit);  der  andere  (28.  Okt.  1885)  spricht  von 
Boisserees  Abhandlung  über  den  Graltempel  und  bringt  einige  Korrekturen  bei.  — 
Pietätvoll  gedachte  Nachrichten  von  dem  Leben  der  beiden  romantischen  Maler  Julius 
und  Ludwig  Schnorr  von  Carolsfeld  giebt  Franz  Schnorr  von  Carolsfeld  ^o-'.ti). 
Mit  Bewusstsein  enthält  sich  der  Sohn  jeden  Urteils  über  den  Vater  und  betont 
lediglich,  dass  das  römische  Kunstleben  der  jungen  romantischen  Malerwelt  nicht  einen 
Abfall  vom  Deutschtum  bedeute,  sondern  einen  auf  Eroberungen  frisch  ausgehenden 
Geist  nationalen  Aufschwunges.  Romantische  Tendenzen  hätte  ihm  der  Wiener  Auf- 
enthalt eingetragen;  das  Interesse  für  altdeutsche  und  niederländische  Kunst  sei  der 
Ausgangspunkt  dieser  Bestrebungen.  Ludwigs  Uebertritt  zum  Katholizismus  führt  S. 
auf  die  früh  geäusserte  Neigung  zum  Mystizismus  zurück;  er  findet  sie  schon  in  seiner 
heiligen  Caecilia,  deren  Beurteilung  durch  F.  Schlegel  er  anzieht.  —  H.  Holland  ''2)^ 
der  bereits  im  Jahre  1873  eine  umfängliche  Darstellung  von  Schwinds  Leben  gab,  bietet 
nun  unter  Benutzung  der  neu  erschlossenen  Briefwechsel  und  ungedruckter  Quellen  in 
der  ADB.  eine  ausführliche  Darlegung,  die  Schwinds  Schöpfungen  verzeichnet  und  sie 
im  Anschlüsse  an  Schack  und  F.  Pecht  enthusiastisch  feiert.  Die  äusseren  und 
inneren  Beziehungen  zur  Romantik  treten  indessen  stark  in  den  Hintergrund.  H.  bemerkt 
ausdrücklich  (S.  450),  dass  Schwind  den  Mystizismus  und  die  Farbenetfekte  Ludwig 
Schnorrs  ablehnte;  Goethes  „dithyrambisches"  Urteil  über  Schwind  wird  dagegen  her- 
vorgehoben. Ein&iss  romantischer  Malerei  lässt  H.  nur  für  die  Münchener  Zeit  um 
1835  zu,  in  der  Schwinds  Arbeiten  an  J.  Schnorr,  Cornelius,  Neureuther,  gemahnen. 
Die  auf  romantische  Dichtungen  bezüglichen  Werke  werden  einzeln  und  vereinzelt  ver- 
zeichnet. „Ritter  Kurts  Brautfahrt"  findet  eine  ausführliche  Analyse  (S.  457).  —  Auch 
H.  Müller  ö3)  löst  thatsächlich  den  jungen  W.  Kaulbach  aus  dem  persönlichen  Zu- 
sammenhange mit  den  Romantikern.  Er  zeichnet  Kaulbach  inmitten  des  romantischen 
Münchener  Kreises  der  ersten  dreissiger  Jahre.  Kaulbach  teilte  nicht  die  Passion  für 
untergeordnete  Kneipen,  der  Cornelius,  Görres,  Brentano,  Ringseis  huldigten.  Am-  be- 
haglichsten fühlte  er  sich  im  Kreise  der  Familie  Görres,  die  er  in  dieser  Zeit  auf  das 
anschaulichste  schilderte.  Noch  zur  „Zerstöi'ung  Jerusalems"  holte  Kaulbach  den  Rat 
des  alten  Görres  ein.  Am  engsten  befreundet  war  er  indess  mit  Guido  Görres.  Bren- 
tano lockte  ihn  vollends  in  den  Bann  der  Romantik.  Müller  meint  aber,  dass  Kaulbach 
nie  ein  Herz  für  die  „willkürlichen  Spielereien"  vmd  für  die  „schemenhaften  Gespenster" 
der  Romantik  haben  konnte.  Nur  Brentanos  Persönlichkeit  fesselte  ihn  vorübergehend 
an  romantische  Aufgaben.  Brentano  erzählte  in  Kaulbachs  Hause  seine  Rheinmärchen 
und  Kaulbach  lieferte  zu  ihnen  Illustrationen.  M.  beschreibt  die  vier  Blätter  zum 
„Müller  Radlauf",  auch  ,,Gockel,  Hinkel  und  Gackeleia"  fand  im  Kaulbchschen  Künstler- 
kreise seine  Illustratoren.  Bekehrungsversuche  Brentanos  machten  dem  Freundschafts- 
bunde  ein  jähes  Ende.  M.  citiert  zustimmend  Speidels  Worte:  „Kaulbach  besah 
sich  diese  ultramontaue  Welt  mit  künstlerischem  Auge,  nützte,  was    an    ihr    zu  nützen 


S.  0.  IV  Oa:  85a.  —  90)  V.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  Julius  Veit  Hans  Schnorr  v.  Carolsfeld:  ADli.  32.  S.  181/9.  ~  91)  id., 
Ludwig  Ferdinand  Schnorr  v.  Carolsfeld:  ib.  S.  189—90.  -  92j  H.  Holland,  Moiit/,  v.  Schwind:  ib.  33,  S.  449—69.  -  93)  H. 
Mnller,  W.  Kaulbachs  junge  Eh«  u.  s.  Hezieh.  ■/..  Katholizismus  u.  z.  Romantik.     1—2:  VZgS.  N.  29—30    — 


2:<3  ().  F.  Walzel,  Romantik.  IV  11.    IV  12:  \-4 

war  und  fnizofr  sich  ihr  schrittweise  mit  der  ihm  eigenen  ironischen  Höflichkeit."  Zum 
Schlüsse  stellt  M.  die  aus  dorn  Schosse  der  nachromaiitischen  Mtinchener  Kreise  her* 
vorgegangenen  Publikationen  zusammen,  soweit  Kaulbach  an  ihnen  beteiligt  war;  es 
^waren:  „Der  Festkalender"  von  F.  Graf  Pocci,  G.  Görres  und  iliren  Freunden  CMfinchen 
\HM),  „Kalender  auf  das  Jahr  1842",  herausgegeben  von  F.  B.W.  Hermann  (Mtinchen 
1H41),  Guido  Görren'  ,, Hürnen  Siegfried"  (Mttnchen  1842)  und  desselben  Autors 
„Deutsches  Hausbuch"  (München  lK4<;/7).  Kaulbarhs  Beiträge  werden  von  M.  be- 
schrieben und  erläutert.  — 


1V,12 

Das  junge  Deutschland. 

Ernst  Elster. 

Heine:  Otisamtcharakteristik  N.  2.  —  Leben  N.  8.  —  Werke:  Aatgaben  N.  18;  UeberMtxBngen  N.  33.  —  Uaiir- 
Kucbuiigen;  Oeburtsjahr,  Therese  N.27;  Memoiren  N.28;  Buch  der  Liedtr  N.  31 ;  Balladen  S.H'2;  Lorelei  H.SA.  —  Qnttkow, 
Dingelateilt  N.  43.  - 

Heber  das  junge  Deutschland  sind  1891  weniger  bemerkenswerte  Schriften  zu 
Tage  getreten  als  im  vorangegangenen  Jahre.  Hatte  der  letzte  Band  über  G.  Brandes'  inter- 
essante Gesamtdarstellung  dieser  Periode  i-^)  zu  berichten,  so  kommen  diesmal  fast  aus- 
schliesslich Arbeiten  über  Heine  in  Betracht.  Von  Gesamtcharakteristikeii  dieses 
Dicliters  liegen  zwei  in  streng  katholischem  Sinne  gehaltene  vor,  deren  eine,  von 
Sei).  Brunner  ^),  gleichzeitig  Börne  mit  seinem  Genossen  und  Antipoden  unter  dem 
geschmacklosen  Titel  „Zwei  Buschmänner"  beliandelt,  der  die  wissenschaftliche  Wert- 
losigkeit dieser  Parteischrift  bereits  hinreichend  verrät;  die  andere,  von  H.  Keiter*), 
ist  dagegen  als  die  fleissige  Arbeit  eines  in  seiner  Weise  nach  Objektivität  strebenden 
Forschers  rühmend  hervorzuheben.  Der  Einteilung  in  Elsters  biographischer  Skizze 
folgend,  zerlegt  K.  den  Gegenstand  in  drei  Hauptabschnitte,  deren  erster  die  Jugendzeit, 
deren  zweiter  die  Zeit  der  „Reisebilder"  und  deren  dritter  die  Pariser  Zeit  behandelt. 
Das  Biographische  des  ersten  Abschnitts  ist  nicht  frei  von  Irrtümern;  so  wird  z.  B. 
der  Februar  1798  kritiklos  für  die  Zeit  von  Heines  Geburt  angegeben  (vgl.  u.  N.  8-9). 
Die  Schilderung  der  Berliner  Jahre  fällt  K.  oifenbar  schwer,  da  er  für  die  erfreulichste 
Erscheinung  dieser  Zeit,  das  Vertrautwerden  Heines  mit  der  dortigen  Goethegemeinde 
kein  warmes  Verständnis  mitbringt;  doch  bietet  er  eine  wohlgelungene  Charakteristik 
der  Jugendwerke  des  Dichters,  die  namentlich  durch  Hinweise  auf  die  Entlehnungen 
bestimmter  Motive  aus  HofFmann,  Brentano  und  Jean  Paul  von  Wert  ist.  Aehnlich  steht 
es  mit  dem  zweiten  Abschnitt  der  Schrift,  der  im  Biographischen,  trotz  Berück.sichtigung 
der  neueren  Forschung,  einige  Versehen,  in  der  Beurteilung  der  Werke  aber  viel  Er- 
freuliches imd  Lehrreiches  aufweist.  So  z.  B.  sind  die  „Harzreise",  die  „balladenartigen 
Gedichte"  am  Schlüsse  der  „Heimkehr",  die  „Nordseebilder"  das  „Buch  Legrand" 
ästhetisch  und  litterargescliichtlich  gut  erläutert,  während  das  Neue  der  Heimkelir- 
Lieder  nicht  genug  betont,  die  GedicTite  „Ratcliff"  und  „Götterdämmerung"  sowie  der 
„Neue  Frühling"  überschätzt  und  der  vierte  Band  der  „Reisebilder"  von  K.s  kirchlichem 
Standpunkte  aus  einseitig  beurteilt  worden  sind.  In  dem  dritten  Abschnitt  findet  die 
Schrift  über  die  romantische  Schule  warmes  Lob,  desgleichen  wird  K.  zahlreichen  Ge- 
dichten der  letzten  Periode,  den  Glanzpartien  des  „Atta  Troll"  und  den  besten  Stücken 
des  „Romancero"  durchatis  gerecht,  während  er  alle  religiösen  und  politischen  Ausfälle 
Heines,  „Zur  Geschichte  der  Religion  und  Philosophie  in  Deutschland",  „Disputation", 
„Vitzliputzli",  die  „Französischen  Zustände",  „Deutschland,  ein  Wintermärchen",  die 
„Neuen  Gedichte"  usw.  verabscheut,  den  „Schnabelewopski"  als  „schamlose  Bordellpoesie" 
brandmarkt  und  den  Streit  mit  Börne  etwas  parteiisch  zu  Ungunsten  Heines  beurteilt. 
Eine  Gesamtcharakteristik  des  Dichters,  mit  der  das  W^erkchen  schliesst,  enthält  neben 
Einseitigkeiten  höchst  zutreiFende  und  feine  Bemerkungen.     Das  Ganze  verdient  nament- 


I)  X  G-  Brande»  (TgLJ890IV  14: 1):  PrJbb.67,  S.  712/4;  BLU.  S.H5:Kw-  4.  S.  25S  4;  L  Geiger:  Nation«.  S. 
S.  631'4;  9,  146/8;  N»S.  56,  S.  309;  NAnt.  31.  S.  767.  —  t)  Q  M.  Barden.  Tr*iUchke  «.  Brmades  über  d.  jung.  DeaUch- 
land:  FZg.  N.  44.  —  3)  Seb.  Brunner,  Zwei  Buschininner.  Akt«nulssig  K<>!)ebildert.  Paderbor«.  SchOniagh.  XII,  407  ^. 
M.  4,00.  —'4)  H.  Keiter,  H.  Heine.    Soin  Lebon,  sein  Cbarakt«r  u.  leine  W^rke.    Köln,  Bachern.    127  ^.  M.  1,80.     (E.EIater: 


IV  \2:    &-24.  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland.  234 

lieh  auch  wegen  der  litterargeschichtlicheu  Nachweise  die  Beachtung  weiterer  Kreise. 
—  Dagegen  bietet  eine  kleine  Abhandlung  von  Odinga^)  über  Heines  Verhältnis  zur 
Romantik  nichts  Wesentliches,  das  nicht  in  den  landläufigen  Handbüchern  der  Littera- 
turgeschichte  ebenso  gut  oder  besser  zu  finden  wäre,  ß-')  — 

Zu  Heines  Leben  brachte  das  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins' 
eine  Notiz  8),  die  bald  in  zahlreiche  Tagesblätter  überging:  nach  Aussage  der  Archive 
der  jüdischen  Gemeinde  in  Düsseldorf  sollte  des  Dichters  Geburt  nicht,  wie  man  bisher 
annahm,  1799  oder  1797,  sondern  im  Eebruar  1798  erfolgt  sein.  Die  Notiz  erschien, 
als  sich  ein  Aufsatz  Elsters  ö)  über  Heines  Geburtsdatum  gerade  im  Druck  befand: 
er  konnte  in  einem  Nachwort  darlegen,  dass  jene  aus  später  Erinnerung  des  damaligen 
Rabbiners  geflossene  Nachricht  völlig  wertlos  und  unhaltbar  sei.  ^o-n)  —  Ueber  Heines 
Verhältnis  zu  den  Freunden  Moser  und  Zunz  berichteten  in  ansprechender  Weise 
L.  Geiger  ^^)  und  Ziegler  '^),  wobei  ersterer  gleichzeitig  einen  bis  dahin  unbekannten 
Brief  des  Dichters  an  diesen  seinen  treuesten  Jugendfreund  veröffentlichte.  —  Einen 
interessanten  französischen  Brief  Heines  an  den  Schauspieler  Boccage  förderte 
Franz  OS  1*)  zu  Tage:  wir  sehen  den  Dichter  bemüht,  durch  Vermittelung  von  Alexander 
Dumas  ein  Trauerspiel  von  Heinrich  von  Kleist  auf  die  Pariser  Bühne  (Theater  der 
Porte  St  Maitin)  zu  bringen;  dass  die  Uebersetzung  des  nicht  genannten  Werkes  von 
Heine  selbst  herrühre,  ist  aber  keineswegs  so  wahrscheinlich,  wie  F.  glaubt.  —  Von 
zeitgenössischen  Stimmen  über  Heine  sei  das  im  Berichtsjahr  bekannt  gewordene  Urteil  des 
Grafen  'Moltke  i^)  über  die  Reisebilder  aus  einem  Briefe  an  seinen  Bruder  Ludwig 
(vom  März  1829)  hervorgehoben:  er  rühmt  die  Schrift  als  „ganz  vortrefflich  und  voller 
Geist  und  Witz",  bedauert  aber,  dass  die  Persönlichkeit  des  Verfassers  nicht  hübscher 
durchbreche.  —  Ueber  Hasselriis'  für  Corfu  bestimmtes  Denkmal  Heines  gaben  die  Tages- 
blätter ziemlich  ausgiebige  Kunde  ^6),  und  auch  die  Düsseldorfer  Denkmalsfrage  fand 
weitere  Erörterung  ^'').  — 

Von  den  Werken  erschienen  neue  Gesamtausgaben  nicht,  neue  Abdrücke 
der  Gedichte  ^^-^O)  waren  ohne  Wert,  ebenso  ein  Neudruck  der  Einleitung  zum  Don 
Quichotte  21),  —  Für  das  englisch-amerikanische  Publikum  besorgte  H.  S.  White  22)  eine 
Auswahl  der  Gedichte,  die  dem,  was  wir  von  diesem  Autor  erwarten  durften,  nicht 
entspricht.  Man  vermisst  hier  wiclitige  Stücke,  während  andere  entbehrliche  anzutreffen 
sind.  So  fehlen  z.  B.  die  „Traumbilder"  ganz;  unter  den  „Romanzen"  der  „Jungen 
Leiden"  der  „Arme  Peter";  im  „Lyrischen  Intermezzo"  die  Lieder:  „Wenn  ich  in  Deine 
Augen  seh'",  „Dein  Angesicht  so  lieb  und  schön",  „A-uf  Flügeln  des  Gesanges",  „Im 
Rhein,  im  schönen  Strome",  ,, Allnächtlich  im  Traume",  „Die  alten  bösen  Lieder". 
Aehnlich  ungeschickt  ist  die  Auswahl  aus  der  ,, Heimkehr"  und  der  „Nordsee"  getroffen, 
und  der  Anhang  älterer  Gedichte  wäre  ganz  und  gar  zu  streichen  gewesen.  S.  168 
ist  in  der  biographischen  Skizze  die  Ungeheuerlichkeit  zu  lesen,  dass  Harry  Heine 
zu  Düsseldorf  in  „Westfalen"  (!)  am  23.  (!)  Dezember  1799  geboren  sei.   — 

Von  Uebersetzungen  Heinescher  Werke  ist  die  englische  von  Leland  23) 
vielfach  gerühmt  worden;  nach  dem  Urteil  Mc  Lintocks,  dessen  eigene  vortreffliche 
Uebersetzungen  der  letzte  Bericht  erwähnte,  ist  sie  aber  durchaus  keines  hohen  Lobes 
wert,  vielmehr  oft  verfehlt,  unverständlich  und  durch  thörichte  Auslassungen  entstellt. 
—  Auch  Uebersetzungen  einiger  Lieder  Heines  von  der  verstorbenen  Lady  Duff  Gordon, 
über  die  J.  Ross  24)  berichtet,  sind  nur  mittelmässig.  Der  Veröffentlichung  wird  in 
einem  Vorwort  der  Tochter  abermals  die  ganz  hinfällige  Bemerkung  vorausgeschickt,  dass 
das  Gedicht  „Wenn  ich  an  deinem  Hause  Des  Morgens  vorübergeh'"  1833  für  die  da- 
mals 12jährige  Lucie  Austin,  die  spätere  Lady  Duff  Gordon,  verfasst  sei;  in  Wahrheit 
ist  es  schon  neun  Jahre  vor  jener  ersten  Begegnung  im  Druck  erschienen.     Die  Ueber- 


BLU.  1892,  S.  442'6.]  -  5)  Th.  Odinpa.  Leipzig,  Fock.  20  S.  M.  0,75.  illiLU.  1892,  IS.  446.]|  —  6)  X  B-  MUnz,  Börne, 
Goethe  u.  Heine:  Didaskali»  N.  196.  -  7)  O  G.  Karpele».  Hebbel  u.  Heine:  FZg.  N.  106/7.  -  8)  BGNiederrh.  5.  S.  144. 
(Erwähnt  in  KZ.  N.  198;  HambCorr.  N.  176 )  -  9)  (Vgl.  u.  N.  27.)  -  10)  O  E-  Besuch  bei  Heines  Lieblingsschwester:  FZg.  N.  86.  — 
II)  O  A.  Berliner,  Litt.  Mitteilungen  Über  Hermann  Heine:  AZJudentum  55,  S.  96.  —  12)  L.  Geiger,  Moser,  d.  Freund  Heines 
(Mit  ungedr.  Briefen):  FZg.  N.  196.  —  13)  Rabb.  Dr.  Ziegler,  Zunz  u.  Heine.     E.  Vortr.    AZJudentum  55.  S.  44/6,  54/7.    — 

14)  K.  E.  Franzos,  Reliquien,    üngedr.  Briefe  v.  H.  Heine.  N.  Lenau,  F.  Keutpr  u.  J.  V.  v.  Scheffel:  DDichtung  11,  S.  28  9.  - 

15)  H.  V.  Moltke,  Ges.  Schriften  4.  S.  239.  (S.  o.  IV  1  :  188.)  —  16)  NFPr.  N.  97.57;  HambCorr.  N.  888;  FZg.  N.  289,  30J.  349-350. 

—  17)  FZg.  N.  302.  —  18)  Heine,  (Jediehte.  Ausw.  f.  Haus  u.  Familie.  Halle,  Gesenius.  X.XIII,  318  .<.  M.  3,50.  —  19)  id..  Buch  d.  Lieder, 
ill.  T.  F.  Stahl,  Berlin,  Deutsches  Verlagshaus.  VIII,  437  S.  geb.  M.  4.00.  IfLZg.  N.  289.]:  -  20)  id..  Buch  d.  Lieder.  Neue 
rev.  Textausg.  mit  200  lllustr.  (lUustr.  Klass.-Bibl.)  Berlin,  Dtsch.  Verlagshaus.  VIII,  437  S.  M.  4,00.  —  21)  M.  Cervantes,  D.  sinn- 
reiche Junker  Don  Quixote  v.  La  Mancha.  Aus  d.  Span.  Übersetzt,  m.  d.  Leben  v.  M.  Cervantes,  nach  Viardot  u.  e.  Einleitg.  t. 
H.  Heine,  4.  Aufl.  Mit  102  lllustr.  In  22  Lief.  Stuttgart,  Rieger.  Je  M.  0,40.  -  22)  H.  S.  White.  .Selections  from  Heine« 
poems.  Boston,  Heath  &  Co.  XII,  220  S.  (Zu  d.  Bericht  Über  Buchheiros  Ausg.  A.  Harzreise  (1890  IV  14  :  .35)  sei  bemerkt, 
dass  die  Behauptung  d.  Ref.,  Buchlieim  liabe  nicht  alle  benutzten  Quellen  genannt,  nicht  aufrecht  erhalten  werden  kann; 
d.  Uebereinstimmungen  mit  Anmerkungen  in  Eistors  Ausg.  beruhen,  wie  B.  brieflich  llberieugend  darlegte,  auf  Zufall.)  — 
23)  O  H.  Heine,  Work»,  froin  tlie  German,  by  C.  G.  Loland,  Vol§.  1-3.  New-York.  Bock  &  Co.  8  u.  441,  30  u.  400, 
3  u.  470  S.  M.  7,00.  (L.  B.  Walford:  NYCritic  16,  S.  105/6,  3.54;  W.  E.  Simonds:  ChieagoDial.  12,  S.  213/5;  Literary 
World  (Boston)  22,  S.  401;    K.  M'Lintock:    Ac.  40,  S.  2,56/7.]:    (Diese  l'ebersetzung  wird  Heines  simtl.  Werke  einschliessen.) 

—  24)    J.  Kos«,    Lady  Duft'  Gordmis  Iran.slations  of    Heine:    Murrays  Magazine  (Londoji)  V,  y.  7(59— 76,      (Auch    in  Ecleclit 


2.15  E.  Elster,  Dbk  junge  DeiitBcliluncl.  IV  12:  %SM. 

traguug  döH  Gödichtes  „AlmaiiHor"  ist  nu  mehreren  Stellen  holperig  (Auftakt  beim  vier- 
itlssigen  Troohaeus,  WeglasHung  der  AnHoiianr.);  auch  die  anderen  Stü<-ke  sind  nur 
zum  Teil  gelungen,  und  zuletzt  marHchiert  eir»  Gedicht  auf,  das  gar  nicht  von  Heine 
herrührt.  25-26)  — 

Untersuchungen  über  Heines  Leben  und  Werke  entliielt  zunächst  einAufssts 
El8ters27)  aber  die  Frage  nach  Heines  Geburtsjahr  und  »eine  Liebe  zu  Therese. 
Eine  Zusammenstellung  aller  Zeugnisse  ergab  mit  groKser  Wahrscheinlichkeit,  das« 
Heine  am  13.  Dez.  1797  das  Licht  der  Welt  erblickt  habe  und  dass  die  häufig  wieder- 
holte Angabe  des  Jahres  17H9  absichtlich  gefälscht  und  durch  den  Wunsch,  1814  und 
1815  vom  preussischen  Militärdienst  befreit  zu  werden,  zu  erklären  sei.  Die  ausführ- 
lichere Darlegung  über  Heines  Liebe  zu  seiner  Cousine  Therese  suchte  eine  Hypothese 
zu  erhärten,  die  E.  zuerst  1887  geäussert  hatte.  Er  zog  hierzu  zaldroiche  Stellen  au« 
Briefen,  Gedichten  und  Prosaschriften  Heines  zum  Beweis  heran,  durch  die  Heines 
Lebeusschicksale  aus  seiner  bedeutendsten  Entwicklungsepoche  iu  neuem  Lichte  er- 
scheinen. Aber  aucli  die  Werke,  namentlich  das  dunkle  „Buch  Legrand",  können  nur 
unter  Berlicksit-htigung  dieser  Hypothese  genauer  verstanden  werden.  — 

Ueber  die  Schicksale  der  Memoiren  Heines  handelte  Franzos-*)  in  mehreren 
Artikeln.  Wenn  auch  die  Breite  der  Darstellung  etwas  ermüdend  wirkt,  so  ist  von 
ihm  die  auch  von  anderen  geteilte  Annahme  zu  grosser  Wahrscheinlichkeit  erhoben 
worden,  dass  ausser  dem  von  Ed.  Engel  verört'entlichten  Bruchstück  noch  andere  Memoiren 
Heines  vorhanden  sein  müssen,  die  tun  das  Jahr  185U  in  Gustav  Heines  Besitz  Ober- 
gegangen seien.  Er  glaubt,  dass  unser  Dichter  kein  Stück  dieses  Werkes  verbraiuit 
habe,  was  jedoch  nicht  als  mit  Bestimmtheit  erwiesen  gelten  kann.  —  AI  fr.  Bocks  *•) 
Artikel  über  Heines  Verhältnis  zur  Musik  ist  ganz  ansprechend,  aber  in  keiner  Hinsicht 
erschöpfend,  so)  — 

M.  Seeligs  ^'i)  Dissei-tation  über  die  dichterische  Sprache  des  Buchs  der 
Lieder  enthält  eine  ziemlich  kritiklo.se  und  kleinkrämerische  Statistik  über  die  Stil- 
eigontümlichkeiten  dieser  Sammlung.  — 

Besser  i.st  die  Charakteristik  der  Balladen  und  Romanzen  von  Xetoliczka*^); 
wenn  er  auch  bereits  Gesagtes  nicht  selten  wiederholt,  so  ist  doch  die  wohlgegliederte 
Tebersicht  über  die  wichtigsten  Eigentündichkeiten  dieser  Dichtungen  dankenswert  und 
belehrend.  Besonders  ist  die  Darstellung  des  Aufbaus  der  Gedichte  (S.  27  f )  zu 
rühmen.  Der  iuteressanteste  Teil,  die  schwierige  Quellenuntersuchung,  steht  noch  aus, 
und  man  ist  in  dieser  Hinsicht  noch  vor  allem  auf  Hessel  angewiesen  (Dichtungen  von 
H.  Heine,  Bonn  1887);  Hessel  und  Schärf  haben  übi4gens  auch  über  das  Metrische  aus- 
führlicher als  N.  gehandelt.  — 

Anziehend  waren  die  verschiedenen  kleinen  Aufsätze  über  die  Loreleisage, 
die  das  Berichtsjahr  zu  Tage  förderte;  während  Karl  Julius  Schmidt^)  die.se  Sage 
mit  anderen  ähnlichen  Cliarakters  in  Beziehung  brachte  inid  auf  diese  Weise  scharf 
beleuchtete,  verfocht  Reuleaux^-*)  die  etymologische  Erklärung  des  Wortes  als 
„hallender,  tönender  Fels-',  die  auch  F.  Rehorn^'-')  gewiss  mit  Recht  als  die  zutreffende 
bezeichnet.  Letzterer  bestreitet  die  bisherige  Annahme,  dass  Brentanos  Ballade  im 
„Godwi"  der  einzige  Ausgangspunkt  der  Sage  sei.  Leider  ist  der  Bericht  über  seinen 
Vortrag  recht  knapp.  —  Üeber  die  Entlehnung  von  Motiven  zweier  Heinescher  Gedichte 
aus  französischen  Volksliedern  berichtet  A.  Englert-'*):  ft\r  „Im  wunderschönen  Monat 
Mai"'  lässt  sich  ausser  den  bereits  JBL.  18;k)  IV  14 :  42  erwähnten  Vorbildern  noch 
ein  weiteres  nennen,  ohne  dass  die  Entlehnung  bewiesen  erscheint,  während  das  Lied 
,,In  welche  soll  ich  mich  verlieben''  ht)chst  wahrscheinlich  nach  dem  von  E.  genannten 
Volksliede  oder  einem  verwandten  vertasst  ist. —  Recht  interessant  ist  eine  anonyme  Mitteilung 
der  „Deutschen  Dichtung"  (Franzos?)  ^^)  über  eine  Stelle  des  „Wintermärcheus",  die 
auf  Willes  Vorschlag  von  Heine  ursprünglich  gestrichen  wai".  später  aber  nach  des 
Dichters  Tode  mit  anderen  von  der  Censur  getilgten  Strophen  wieder  autgenommen 
wurde.  Die  Angabe  des  Anonymus,  dass  die  Stelle  in  der  fi'anzösischen  Ausgabe  ent- 
halten sei,  ist  falsch;  sie  fehlt  dort;  so  findet  Willes  Aeussermig  eine  wichtige  Stütze, 
und  künftige  Auflagen  kritischer  Ausgaben  werden  die  Stelle  aus  dem  Text  in  die  Les- 
arten verweisen  müssen,  ^s)  —  Als  Kuriosa  mögen  scliüesslich  erwähnt  werden  die  Ver- 


Magazine  (New-York)  117,  S.  107  ff.)  —  25'  C  K.  v.  Kein  hardst  Ottnor ,  H.  H«inr  in  Portugal:  MBnchNK.  (Im  AnMhloM  m 
Joaquim  de  Araujo,  Intermezzo.  ImitafAes  d«  H.  Heine.  Porto  1891.)  —  M)  XX  H.  Hein«,  Q  libro  d«i  cuiU  ptr 
C.  Vareae.  Firenze,  Succ.  Le  Monnier.  H.  4,50.  -  27j  E.  EUter.  Zu  Heines  Biographie:  VLO.  4,  8.  446-.M1  —  M)  C. 
E.  Franzo«,  Heines  Naehlass.  Nach  ungedr.  Quellen:  DDirhtunf  10,  8.  21  4.  46—50.  9S— 101.  120;3.  Ml!3,  M7  8.  — 
29)  Alfr.  Bock,  Heines  Verhtltnis  z.  Musik:  KZg.  N.  571.  — SO)  O  A.  r.  Binder,  H.  Heine  u.  Giacomo  lleyarbe«r:  FreadnBI. 
N.  240.  —  3n  (I  8  :  27u.)  [A.  Schröter:  BLl'.  S.  580.]  —  32)  0.  Netolictka,  Zn  Heines  Balladen  n.  Romanten.  Leipti^. 
Fock.  Sl  .^.  M.  l.Oü.  —  33)  Karl  Julius  Schmidt,  Leilurinnen:  SZg.  N.  18.1,  185.  —  34)  F.  Kenleanz.  Z.  Lurtei 
oder  Lorelei:  ib.  N.  10.">.  (.Xl.gedr.  Üidiskalia  N.  79.)  —  35)  K.  Keborn,  l>.  I.urleisag»- :  HFDH.  7.  .S.  386—93.  —  3S)  A. 
Englert,  Entlelinangen.  1.  Zu  zwei  Ueineschen  Liedern:  ZVLK.  NF.  4,  S.  38.'*  .V  —  87)  Za  Heines  Winterm&rchen:  DDiebtung 
<J,  S.  2C0.  -  38)  C  IJ-  Ueiuesche  Weberlied  n.  Fr.  KOster:  FZg.  N.  8.  —  98)  K.  Schulte,  D    pipetliche  Index  d.  Terbotrnen 


IV  12:   40-45.  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland. 


236 


Weisung  einiger  Heinescher  Schriften  auf  den  päpstliclien  Jiidex^*^),  ein  wüster  Opern- 
text „Heines  Memoiren"  40)^  und  ein  in  seiner  Art  nicht  ganz  übles  socialdemokratisches 
Poem,  dessen  Vf.  unseren  Dichter  offenbar  als  aufrichtigen  Proletarierfreund  betrachtet 
und  sich  als  Heine  II  *i)  vorstellt.  — 

Ausser  Heine  kommt  diesmal  kaum  ein  Jungdeutscher  in  Betracht.  Gutzkows 
Denksprüche 42)  wurden  neu  aufgelegt,  Rodenbergs  ^3)  Veröffentlichung  aus  Dingel- 
stedts  Nachlass  fand  in  der  Presse  noch  vielfachen  Nachhall;  eine  rhetorisch- wirksame 
Gedächtnisrede  dieses  Dichters  (vom  4.  Eebr.  1841)  auf  den  Fuldaer  Gj^mnasialdirektor 
Nikolaus  Bach^^^  wurde  zum  ersten  Male  der  Oeffentlichkeit  übergeben  und  in  einem 
Erinnerungsblatt  an  Karl  Schomburg  ein  poetischer  Nachruf  Dingelstedts  an  diesen 
hessischen  Patrioten ^^^  nach  fünfzig  Jahren  wieder  abgedruckt.  — 


liUcber:  VZg.  N.  583S.  ■ —  40)  E.  v.  Dubsky,  Heines  Memoiren.  Phantast.  Oper  in  5  Bildern.  Text  mit  Verwendung  mclirerer 
Gedichte  v.  Heine.  Musik  v.  L.  Burger.  Pressburg,  Drodtleff.  93  S.  —  41)  Heine  IL,  Daniel  in  d.  Löwengrube.  3.  Aufl. 
Berlin,  Eip.  d.  Vorwärts.  63  S.  —  42)  K.  Gutzkow,  V.  Baum  d.  Erkenntnis.  Denksprüche.  3.  Aufl.  Jena, 
Costenoble.  VII,  207  S  M.  2,60.  —  43)  (IV  4  :  125.)  |[NationB.  8,  S.  795;  DeutschZg.  N.  7075;  BLU.  S.  492;'3;  VZg. 
N.  387;  SchwäbKronik  N.  91.]|  —  44)  Dingelstedt,  Worte  d.  Erinnerung  au  Nik.  Bach:  Hessenland  5,  S.  39-42;  51/5.  — 
45)  F.  Zwenger,  Karl  Schomburg:  ib.  S.  170/2;  184/7;  198/9.  — 


IV,13 

Grillparzer. 

August  Sauex\ 
(Ueber  den  vorläufigen  Ausfall  dieses  Berichtes  s.  S.  III  der  Vorrede). 


'^^SU' 


Autorenregister. 


<rAar(^ne.  L.     IV  4  :  190. 

Abasi,  L.     15:  70. 

Aberlo,  K.     I  5  :  414. 

Achelio.  E.  Ch.     IV  «■  I71 

— ,  Tb.     I  5:213. 

Achleitner.  A.     T  5:  223.  367. 

Ackorniann,  Krnst.     IV  3:  184. 

— .  0      II  2:  54. 

Adam,  A.     16:  174. 

Adler.  0.     I  3:223;  (V  6  .  »8» 

Afjas,  A    s.  Porzo 

Abrcndts,  K.  I  5  :  122. 

AicbelburtJ,  M.  Freib.  v.     I  ."i  ;  73. 

Alberti.    Coorad.      I    3  :  26Ö     IV    5  :  7, 

ö5. 
-.  Karl.     I  5:8Ü1.    IV  3  :  1',I8 
Albrecbt,  P.     IV  7  :  27. 
Aldenboven,  C.     IV  9a  :  3. 
Alford,  E.  G.     IV  9a:  130. 
Alsleben.  A.     II  3  :  22. 
AnibroBi,  F.     I  4  :  31 
Arabrosoli.  F.     IV  1)  :  20. 
Amersbach,  K.     15:  22ü.    III  3:3 
Ainira,  K.  v.     I  5  :  179. 
Ainmann,  J.  J.     II  2:34. 
-  P.     15:  144 
Ainyntor,  G.  t.     IV  3  :  216. 
Andrae,  A.     IV  4  :  134. 
-,  E.     15:  344. 
Andrea,  Silvia.     IV   10:  110. 
Andrea.s-Salom6,  L.    IV  6  :  m:7. 
Andree,  K.    II  3  :  26,7. 
Andresen,  C.    15:7. 
— ,  K.  G.    18:  48. 
Andrew.s,  W.  P.    IV  9e  :  79. 
AneraUIler.  E.     15: 339. 
Auster,  J.    IV  9e  :  103. 
■Anthaller,  F.    I  6:218. 
Apel,  0,    16:5. 
de  Aranjo,  J.    IV  12  :  25. 
Arndt  s.  Scliuapper-Arndt. 
Arnetb,  A.  v.    IV  1  :  170,2. 
Ainbeim,  F.    IV  9b  :G. 
Arnold,  F.  C.    IV  9a  :  55. 
— ,  J.  6.  D.     IV  4  :  23. 
Aron.    I  6  :  12. 
Asti6,  J.  F.    II  6:82. 
Auerbach;  S.    13:  9. 
Aveuarius,  F.     13:  33/4;    6  :  448 

Baclimanu.  A.    II  3  :  41. 

-,    F.     I  3:44.   lY   1  :  19;  10:  105. 
l'.acliofen,  Cli.     II  7  :  84. 
Back,  A.  L.    17:  44. 
— ,  S.    rV  4  :  123. 
Backhaus,  G.    II  2  :  1. 
Biichtold,   J.     II    4  :  13.     III    5  :  18- 

IV  3  :  29;  6  :  157b;   9a  :   118. 
Itatz,  A.     15:  .393. 
Bäumker,   W.      14:  102.     II  2  :  2,  7, 

in  2  :  .38,  62.    IV  3  :  89. 
Babder,  K.  v.    18:1. 
Bahlmann,  P.    14:  73.      III  4  :  1.5b. 
Bahlow,  F.    II  6  :  77. 
Bahr,   H.     13:  112,    164,    179-80, 

260.     IV  1  :  24/5;  5  :  35. 
Baier,  A.    13:  7—8.    IV  1  :  95. 
Baiscb,  0.     15:  358. 
Bamberg.  F.     IV  4  :  156 


Bancalari,  0.    15:  108. 
BannholMr.    IV  5  :  70. 
Bapst,  6.    IV  10:  «6. 
Barine,  AIS:  436    IV  1  :  186. 
BarteU,  F.     I  5:204,  216 
Bartbolomaei,  F      I  6  :  34. 
Bauer.  A.     II  3  :  34. 

-,  Erw.     1   3  ;  272. 
Hauniann.  0.    17:25/6    IV  10:92,  102. 
Baumgarten,  H.     IV  6  ;  134. 

-,  0.     I  6:41 

HauiDgtrtner,  A.    I  6  :  411     IV  6  :  106. 
Baumelster.  A.     IV   6  :  139—40 
Bayer.  Edm.    I  5:  141 

-,  J.    IV  9a  :  86. 
Becbbtein,  L.    IV  3  :  67. 

-,  R.     I  2:89;   8:  20.  69      II   4:1. 
IV    9a:  85. 
Beck  (Zwickau).     14:3. 

-,  H.     II  7  :  30. 

-,  II.    15:  303. 

-,   P.     II  2:8.   IV  6;  11/2 

— ,  R.     16:  140. 

Beckeadorff.  Elisabeth  v.     IV    1  :  1«. 
Becker,     H.       I   5  :  159        IV    3  :  126; 
9a  :  14. 

-,  B.    16:  158 
Beckmann,  E.    I   8  :  57. 
Behaghel,  Ü.     I   8  :  11,  31,  59 
Behrens,  F.  W.    15:  99. 
Behringer.     I  7  :  18. 
Beigel,  R.    I    5  :  356. 
Bellardi,  P.    I  6  :  174. 
Bellermann,    L.     17:  68.     IV    10  :  87, 

93,  107,  109/9  a. 
Bender,  F.     IV  9e:  19;  11  :  74. 
Beneke.     I   4 :  122       III    4  -  19a      IV 

4:  26. 

-.  H.  F.     m  6  :  32. 
Benratk,  K.     IV  6  :  112. 
Berendt,  H.    IV  9a  :  111. 
Berg,  L      I  3:  «6,  181/2,  263. 
Bergemann,  P.    H  6  :  41. 
Bergen,  t.    IV   6  :  109. 
Berger.  A.     I    8  :  22. 

— ,  A.  V.     IV  9a  :  30;   9e  :  117. 
Berghöfter,  Ch.  W.     14:  86. 
Böringuier,  R.    I   5  :  315. 
Berliner.  A.     IV    12  :  11. 
Bemays.  M.      12:  12.     IV   11:6—7, 

30. 
Bernecker,  E.    I   0  :  198. 
Bernhard,    Erbprini  r.  Meiningen.     IV 

7  :  67. 
Bernhardt.  iL    II   6  :  50. 
Beruhelm,  E.    I    1  :  SO. 
Bernstein,   E.      IV    4  :  133;     6  :  204. 

-,  M.    4  :  131'2,  6  :  122. 
Bertbeau,  C.    I  .8  :  19.    U   2  :  10,  12. 

III   2  :  59;    6  :  14. 
Berthold,  J.    14:4«. 
Bertling,  0.    IV    7  :  66. 
Bess.  B.    III   2  :  60. 
BetUzsl,  &    I   S  :  73. 
Bettelbeim.  A.    I  3  :  54,  5«.  lY  1 :  192; 

3:  124:   4  :  175,6;  9a  :  7;    9b  :  33. 
Bettingen,  F.    I   3  :  151. 
Beyer,  C.    I    1  .  5.H. 
Bewer,  M.    1  6  :  430».    IV  1  ;  U>V-11U. 


Beyitchlas.  W.     II  7  :  11.     IV  «  :  89«. 
Bieder,  H.    I  6  :  219. 
Biedermann,  K.    16:9,  106. 
-,  W.  T.     IV   «  :  283:    9a  :  34.  7«, 

116;   9b  :  8,  9.  12.  22,  95;  9e  :  15, 

23;  9*  :  81,  89,  12J. 
Biebler.  D.    II  7  :  27. 
Bielschowiky.  A.    III  4:  SO.  IV9e:19. 
Bienemano,  F.    IV  1  :  98,  174. 190. 209, 

212,  219-20;  3:  178. 
Bienenptber.  M.    I  5  :  298. 
Bierbauro.  0.  .1.     13:  22—25,  278:  IV 

I  :  24|5;  3  :  237  ;  5  :  27. 

Biese,  A.     I    1  :  22:    3  :  180a.    125/«. 

II  2  :  38.     IV    3  :  121:    9«  :  86; 
11  :78. 

Biltz.  K.    18:  130;    6:B6.    U  2  :  19, 

21.    IV  5:32;  9b:  107. 
Binder.  A.  t.     IV  12:  30. 
Bindewald.    IV  9e:24. 
Birlinger,  A.    16:51.    162.    1H3.   22a 

II  Ü  :  32a.   IV  10  :  ««. 
Bischoff,  11.    IV  4:  106. 
Blackle.  J.  S.    IV  9a:  103. 
Blank  meister.  F.    III  2  :  44. 
Bleibtreu,  K.    13:  80/2. 
Bleisch.  E.    II  3  :  2. 
Blömont.  E.     13:  50. 
BleoDerhasset,    Charlotte    Lady.      IV 

11  :  18. 
Blesi,  B.    II  7  :  28/9. 
BIBmner.  H.    IV   1:117.    242.    IV  8: 

200;  7  :  53. 
Blnm,  Uanä.    IV  1  :  178. 
Blume,.  L.    IV  9a  :  12;  9c  :  2a 
Blume'nthal,  H.    I  4  :  147. 
Blumer,  J.    I  8  :  23. 
Bobö,  L.     IV  4  :  9;  9a  :  63;  10  :  2«. 
Bock,   Alfr.    IV   8:  77;    6:  45,   108, 

12:29. 
BOde,  W.    U  1  :  16.   IV  6  :  15a 
Bodemann.  Ed.    16:  415/6. 
Bodmer,  H.    I  4  :  49.   IV  3  :  3a 
Boeheim.  W.    I  6  :  121. 
BObm,  W.    IV  1  :  106. 
Böhme,  L.    IV  10 :  130. 
-.  W.    I  7  :  68. 
BOlscbe,  W.    I  1  :5,  14;    3 :  124,  213, 

218,  250.  279. 
BOlt«,  Amely.    IV  3  :  109. 
B«sch.  H.    I  5  :  54,  142. 
BOttger,  U.    16:  216. 
Botticher,  G.    I  7  :  42. 
Böhm,  H.    19:6. 
Bohnenberger,  K.    18:8. 
Bojanowski.    IV  9h  :  82. 
Boiunga,  K.    18:  31. 
Bolhoereaer,  K.    I  4  :  64. 
Bolin,  W.    IV  6  :  87,iS. 
Bolte,  J.     16:94.124;    8:18.    112: 

20,  31,2;    8:  14,   80;    4:  18.  :«).  34, 

36,  41;    6:4«.    III  2:  17,  56;    4:3 

bis  5,  13. 
Bondi,  G.    III  6  :  22.     IV  «:  la. 
Bonnier,  C.    I  3  :  85. 
Boreherdt,  A.    I  6  :  324. 
Bormann,  W.     13:  165;   6  .  imi, 
Boraemann,  W.     II  6  :  28. 
Bomhak,  8.    I  7  :  26. 


Autoren  register. 


238 


:  39. 
3-4. 


Bossert,  A.    I  1  :  3ß.    IV  9b -.36. 
_,  6.    15:  148.    II  6:3,  48;  7  :  15, 

97. 
Bouohot,  H.    I  4  :  45/6,  154. 
Boxberger,  R.    lY  7  :  9,  13 ;  10:32. 
Boyle,  George.    IV  1  :  96. 
Brachvogel,  W.     IV  3  :  162. 
Brägelmann,  D.    15:  146. 
Bramer.  K.    16:176. 
Braggi,  G.  A.    IV  4  :  214. 
Brahm.  0.  13:176,215/6.   IY3:158; 

4:  131,  176;  10:6,  34. 
Brambach,  W.    I  4  :  76. 
Brand,  J.    IV  1  :  24/5. 
Brandes,  G.    IV  1 :  38 ;  4  :  137 ;  96  :  14. 

-  H.     n  3  :  8,  14;  6  :  23. 
Brandi,  K.    I  5  :  111. 
Urandl,  A.    IV  7  :  36. 
Brandstetter,  R.    18:5. 
Brandt,  K,    I  7  69-70. 
Branky,  F.    I  5  :  265;  8  :  35. 
Brasch,  M.     IV  6  :  60,  74,8. 
Braun,  Clara.    IV  9c  :  8. 

-  P.    n  7  :  88. 

-  Jos.    IV  5  :  70. 

-  J.  W.    15:  127a.  UI  2  :  20.    IV 
10  :  27,  108. 

-  Otto.    IV  1  :  22,  21. 
_  I  6  :  135. 

Braunfels,  E.    I  5  :  389. 
Brauns.  C.  W.  E.    IV  7 
Braunsberger,  0.    II  7 
Br6e,  M.    IV  3  :  163. 
Brecher.    I  5  :  400b.    II  7  :  103. 
Brenner,  0.    18:9.    II  3  :  16. 
Brenning,  E.    IV  11  :  «. 
Bresslau,  H.    I  5  :  174  a. 
Breul,  K.    IV  10  :  114. 
Brieger,  Ad.    IV  1  :  24/5. 

-  Th.    II  6  :  18,  52. 
ten  BrinV,  B.    I  1  :  20. 
Brooks,  E.    I  9  :  17. 
Brookbaus,  R.    IV  4  :  103. 

Broglie,  Herzog  v.     IV  9  b 

Bronner,  F.    IV  96  :  112. 

Browning,  0.    IV  9b  :  37. 

Brukner,  B.    I  5  :  452. 

BrBmmer,  F.  I  3  :  16,  19;  6  :  113. 
n  2  :  15.  III  2  :  62/3.  IV  1  :  9 ; 
3  :  35,  103, 111,  114;  4  :  29-30,  148;'J, 
154;  6:  53,  222;  9a  :  45. 

Brugmann,  K.    12:  31. 

Brunet,  G.     I  4  :  155. 

Brunetiöre,  F.    1:6,  8,  11.    IV  11 :  2. 

Brunk,  A.    I  6  :  189. 

Brunner,  A.    13:  48—51. 

-  H.    IV  3  :  108. 

—  S.     IV  7  :  70;  9b  :  38;  12  :  3. 
BUchner,  L.    IV  6  :  38b,  94. 
BUdinger,  M.    IV  10  :  73. 

V.  Bülow.  1  6  :  101. 
Bürkli,  A.  I  5  :  406. 
Buchheim,  CA.    13:  134.    IV  1  :  68; 

9e:45a,  59  a;  10  :  39a. 
Buchner,    W.      IV    1  :  3;    9a  :  2,    34; 

9b  :  43,  63,  105;  9e  :  60;  11  :  64. 
Buchholz,  K.    IV  7  :  48. 
-  W.    4  :  132. 
Buchwald,  G.     I  4  :  89;    5  :  408,  410; 

6  :  126.     II  6  :  3,  6—7,  44.  91. 
BufF.  A.     I  5  :  395.    IV  4  :  198. 
Buhlers.    I  5  :  272. 
Bulle,  C.    IV  1  :  1C9. 
Bulthaupt,  II.     13:  170.  172,  194.    IV 

4  :  219. 
Bunsen,  G.  v.     IV  0  :  188. 
-  T.  V.    IV  6  :  188  f. 
Bunte.    I  6  :  109. 
Burchard,  G.    IV  4  :  43. 
Burckhard,  M.    IV  4  :  163. 
Burdach,  K.    I  1  :  20,  24;  2  :  26. 
Burgdorf,  A.     II  7  :  27. 
Burger,  K.    I  4  :  38,  107. 
Burghard,  W.    U  7  :  24. 


BurghKuser,  G.    1  8  :  30,  34. 
Burkhardt,   C.  A.  H.     IV  5  :  68;  9a  : 

73;  9o  :  7. 
Busch,  R.    I  4  :  41. 

-  W.    IV  6  :  227. 
Buschmann,!.    I  6  :  150,184;  7  :  52| 


72. 


i:  10. 


Calraberg,  A.    13:  47. 

Cantor,  M.     UI  4  :  14. 

Carel,  G.    I  7  :  37.    IV  3  : 

Carneri,  B.    I  5  :  443. 

Carriire,  M.    11:5,  14;  3:38,  247/8, 

269.    IV  6  :  93,  207. 
Carstens.    I  2  :  19.    IV  3  :  36,  88. 
Cart.  Th6oph.     IV  9b  :  29. 
Cassel,  P.    IV  7  :  52,  71. 
Ca»t«lnuoTO,  E.    IV  10  :  43. 
Cauviere,  J.    15:  41. 
Cesari.  A.     TV  9«  :  122. 
Cetty,  H.    I  6  :  30. 
de  Uliambrun.     1  3  :  61. 
Chorbuliez,  V.    I  3  :  72.    IV  10  :  72. 
Chevalier,  L.     I  3  :  132.     IV  9c  :  17. 
Chiavacci,  V.     IV  4  :  164. 
Chrysander,  F.     III  4  :  22.     IV  4  :  13. 
Chiiquet.  A.     IV  1  :  3,    59;    3:30;   4  : 

103;  6:  157a. 
Claeys,  V.    II  4  :  42. 
Clasen,  Chr.    15:1. 
Clausius.  A.    IV  5  :  13. 
Giemen,  P.    IV  6  :  166. 
Conrad,  Herrn.    IV  3  :  79. 
_  K.    U  7  :  73. 

_  M.  G.     13:  221,  229.    IV  1  :  24/5, 
196;  6:167. 
Conybeare,  F.  C.    II  :  46. 
Cop-Marlet,  Mara.    I  3  :  193. 
Cordt,  B.    IV  1  :  238. 
Cornish.  F.  F.    IV  9a  :  128,   131;    9b: 

112;  9e:29,  61,  116. 
Corsenn,  A.     17:  12. 
Cosack,  W.    17:  61.    IV  7  :  51,  58. 
Courtheoux,  A.    IV  9b  :  30. 
Creceliu.s,  W.     I  6  :  175. 
Creizenach,  W.     1114:31.      IV  4:1; 

11 :  38. 
Creiuer,  W.     18:  65. 
Cuno,  F.  W.     II  7  :  106.     III  2  :  65. 
Curtius,  C.     I  5  :  IGO.     III  5  :  29. 
_  E.    IV  1 :  135. 

Dadelsen,  H.  v.    17:  72. 

Däbritz.    I  6  :  180. 

Dahms,  G.    IV  1  :  17. 

Dahn,  F.      15:433.     IV  1:  131,    198; 

3  :  212. 
Daiehendt,  G.    I  5:396  a. 
Daisenberger,  M.    16:  131. 
Damköhler,  E.    II  2  :  13. 
Damm,  H.    IT:  93- 
Damraan,  A.    17: 86. 
Darpe,  F.    1  5:171,  331. 
David.  J.  .T.    IV  3  :  222. 
Davis,  J.  F.    18:  40. 
Dechent,    H.       I    6:81.     1113:46/7; 

5:2. 
Decrue.  F.    IV  1 :  76. 
Dehlen,  A.    I  3  :  145(6,  148,  197. 
Dehnintr    H.    I  5  :  336  a. 
Deicke,  W.    13:13.    IV  10  :  63. 
Deipenbrock,  C.  A.     IV  3  :  64,  68-72. 
Delalain.  P.    1  4  :  105. 
Delbrück,  H.    IV  1  :  126. 

Denecke,  A.    15:43.    IV  10:88. 

üennert,  E.    IV  9a:  107. 

Dessoff,  A.    III  4  :  16. 

Dessoir,  M.    13:  27. 

Detlefsen,  D.    16:  191.    lU  2  :  22. 

Deutschmann    F.      15: 450. 

Dibelius,  D.    III  2  :  42. 

Dickel,  K.    IV  1  :  71. 

Diederich«,  V.    IV  6:  15;  8 -.4. 

Diobl,  P.    IV  6  :  18,  2». 


Diesbach,  de.    16:  1.15. 

Dieterich.  A.    I  7  :  62.    IV  96  :  32, 

Dietlein,  R.    I  7:71. 

_  W.    I  7  :  71. 

Dietrich,  R.    I  5  :  198. 

Diez.    19:17. 

Dilthey,  W.    I  5  :  22. 

Dingelstedt,  F.    IV  1  :  196;  4  :  125, 

Dippe,  A.     I  1  :  33. 

Dirksen,  C.     15: 263. 

Disselhof,  J.    II  6  :  36. 

Distel,    Th.      I   4  :   127.      II    4  :  43. 

III  2:7.    IV  7  :  8. 
Dittes,  F.    16:3. 
-  R.    I  6  :  42. 
Dittrich,  M.    I  5  :  426. 
Di.bbert.  E.     IV  9a  :  88. 
Döczi,  Ludw.    IV  4  :  181. 
Doedes,  .1.  J.     U  7  :41. 
Döhler,  H.    IV  4  :  117. 
Döllinger,  J.  v.    IV  6  :  121. 
Döring,  A.    I  3  :  91.    IV  1  :  44. 
_  0.    15:  119. 
Dörpfeld,  W.    I  6  :  43. 
Dörries,  B.    II  6  :  28. 
Dollmeyer,  H.    I  5  :  57  a. 
Donop,  y.    IV  6  :  148. 
Dov«.    A.       IV     1  :  102,    106,     115;  6: 

132;  11:8. 
Dowden.  E.    IV  9d:  19;  10:  20. 
Drach,  E.    I  3  :  167. 
Draheim.    H.      19:  16.      IV   9d  :  10; 

10  :  48. 
Dräseke,  J.    I  1  :  33. 
Drescher,  C.  II  4  :  25.  IV  10  :  39,  117. 
Dresdner,  A.    13:  144.    IV  6  :  137g. 
Drück,  Th.    14:  19. 
Druffel,  A.  v.     II  7  :  49. 
Drumel,  M.    15:  23.5. 
Dubsky,  E.  V.     IV  12  :  40. 
DUning,  A.    I  6  :  207. 
Düntzer.  H.     IV  5:68;   45;   9a  :  118. 
1''3,  123a;    9b:  86/8;     9c:  10,   20a, 
21;    96:  3.   43,   69,  72,   87,  92,  109. 
125;  10  :  46,  106,  126. 
Duhr,  B.    I  5  :  76.    II  7  :  54.    IV  10  : 

79. 
Dumeke,   J.    HS:  32. 
Durrer,  B.    15:270. 
Dziatzko,   K.      I4:7a,    65,    104.    106, 
132. 


Ebeling,  A.    IV  9b  :  72. 

— ,  F.  W.    13:  138.     IV  3:  3 
Ebe'rle,  F.    1  4  :  95. 
Ebers,  G.     IV  3  :  211. 
Ebner-Eschenbach,  Marie  v.    IV  6  :  -i 
Eckardt,  K.    I  5  :  372. 
Eckart,  R.     I  1  :  51,  56;  3  :  13o. 
Eckhardt,  E.    17:  87. 
Eckstein,  E.    I  8  :  61.    IV  3  :  215. 
Edgar,  J.     IV  4:35a;  5:68. 
Edler,  0.    I  3  :  10.    IV  7  :  40. 
Egellnaf,  G.    IV  1  :  49. 
Egestorff,  G.    lY  1  :  148. 
Eggers,  K.    IV  1  :  252. 
Egloffstein,  t.    II  7  :  105. 

Ehwald,  R.    12:9. 

Eheberg,  K.Tb.    I  5':  402.    IV  6  :  lUl. 

Ehmann,  v.    15:  358. 

Ehr,  M.    1  6  :  179. 

Ehrenfels.  C.   13:208-10.    IV  4  :  220 

Ehrenbtrg,  R.    15:  325. 

Ehrhart.    II  3  :  35/6. 

Ehrlich,  U.     15:  370. 

Eichfeld,  H.    I  3  :  270. 

Eicke,  Th.    II:  50. 

Eid,  L.     1  5  :  38.  132. 

Einert,  E.    I  5  :  345. 

Einsle,  A.    I  4  :  47. 

Eisele.    I  6  :  44. 

Eisenhart.    112:17.    IV  6  :  193. 

Eitner,  R.    1  4  :  123.     II  2  :  40/5.     111 
2:06/9;  4:  19. 


28Ö 


AiitoifMin'^ist*'!*. 


Elrbmann.  8.    IV  4  :  IIA. 

Blits,  J.    IV  a  :  105 ;  6  :  142;  8  :  6. 

Ellinger,    0.    I   1   :  27.      III   4  :  27/g, 

32.  86.     IV  4:2,  128;  11  :  65. 
Ellirsen,  D.  A.    15:  424.      IV  6  i  236. 
Elster,  E.    IV  12  :  4,  27. 

-.  0.    IV  3:  IM. 
El«,  Th.    II  7  :  22. 
Endem,  E.  L.     II  <i:  9-10,  Hl.  10. 
Engelen,  K.    IV  9e:6I. 
Engelhard,  B.     15:  207. 
Engellen,  A.    I  7  :  73.     H  Ö  :  42. 
Engl.  .).  E.     IV  4  :  204. 
Englert,  A.    II  2:6.     IV  12:30. 
Erdmanii.     IV  «  :  120. 
Erdniann,  D.     117:  08.     HI  2  :  51. 

-  K.     13:  52,  27 1  j  5  :  300. 

—  O.     r    8:23,    47.    69.      IV    8:38; 
•J  <•  :  24. 

Eidmannadörfter,  B.     14:  74. 
Krichson,  A.    II  7  :  70,  75. 
Erkelen»,  II.    17:  74/5. 
Krinisch,  H.     I  5  :  342. 
Ernst,  Ad.  Wilh.     IV   1  :  201 ;  4  :  45. 

— ,  Ütto.     I  3:  110    114,  2.i2. 

-,  P.     IV  1  :  37. 
Each,  J.     IG:  25. 
Ksi'herisch.     I  5  :  3V2. 
Kttiuger,  M.     15:  172. 
Ettlinger.    J.    I   3  :  04      III   2  :  25/G. 

IV  4:  1,  5  a— 6. 
Ettmayr,  C.     IV  1  :  246. 
Eucken,  R.     IV  1  :  43;  6:93. 
Kuler,  K.    I  6  :  15. 
Eiiling.  K.     II  3:43;  »1:43. 
Kuskirolieu,  J.     111  4  :  38. 
Ever»,  G.  0.     II  6  :  3S. 

-    M.     17:  65. 


Fahian,  E.     I  6  :  05.  232 

rabriciu»,  W.    I  5  :  384 ;    6  :  I.M. 

Firber,  F.     16:  31. 

Faltk,  P.     IV  4:  16;    9  b  :  92. 

Fak-keaberg,    R.     I    1:4.     14;    3:74. 

IV  6  :  36. 
Falk,  F.     1  5  :140;     6  .  U3,    14{>.      II 

6  :  49. 
Falkenheim,  H.     I  1  :  26.     IV  10 ;  3 
Farkas.     II  6  :  41. 
Fassl,  P.  T.     16:  196. 
Faiilinann.  K.     1  1  :  6  ;   8  :  44 
Fecbuer,  F.     IV  4  ;  158;     II  :  46 

—  H.  1  6:  11,  7  :  73  II  6  :  42 
IV  1  :  69,  89. 

Fechtrup,  B.     II  7  :  90. 
Fein.  E.     I  5  :  157. 
Feiist,  S.    I  7:  16. 
Fellner,  R.     IV  4  :  46;    5  :  45 
FeU.  F.     IS:  64. 
Feuorbach.  II.     IV  4  :  139 
Fey,  C.     II  6  •  48,  88 
Ficker,  J.     117:  37 
Fisch,  R.     IV  1  :  86. 
Fischer.  Alb.     IV  7  :  41 

—  Albin.     IV  3:  112 

—  F.     IV  3  :  172. 

—  H.  I  2:20;  8:6.  III  2  •  13  IV 
3  :  30;  6  :  221;  11  :  .SO.  «9—72.  !?0;l. 
83. 

—  H.  R.     IV  5  :  23. 

—  Knno.     IV  6  ;  35.  46;  10  ;  8,  64 

—  L.  H.  12:4:  3:4;  5:30'^. 
6:  137.  144.  173.  IV  6  :  .39;  7:34. 
10  :  94. 

—  r      11  6  :  85/6. 
Flaischlen.  C.     IV  3  :  93. 
Flathe.  Tb.     IV  1  :  5.5. 
Fleischer,  H.     13:  35. 
Florin.  A.    I  7  :  19. 
Floa,  J.     16:  289 
Fock,  G.     I  4  :  .V) 

Fo«tUr.  A.     IV  6:  162;  9e:S. 
Fukke,  A.    IV  4  :  136 


Forbea.  A.     IV   1  ;  125. 
Forrer,  R.     14:3«. 
Font.  H.     IT  10  :  00. 
FOnUr,  B.    I  8  :  2M. 

-  E.    I  «  :  4. 

-  R.    IV  1:87;  «:18a 
Fraa«,  0.     I  6  :  358. 

Frlnkel,  L.     13:  17:    5  :  «.1.   241.     II 

3  :  34,  :iS.     III  2  :  2;    4  :  12.    27,   31. 

IV   3:20(2,    3.3,    87;     4:1;     6:40; 

6  :  176;  «a  :  4«;  »•  :  81,  88;  11 :  «-7, 

70. 
France,  A.     I  1  :  10,  12. 
Pranck,  J.    I  1  :27;  8:6. 
Franck«,  K.     IV  10  :  2. 
Frank,  A.     IV  10  :  53. 

-  O.   I  5:401b.  in  5:7.  IV«:  111, 
128. 

-  K.     IV  10  :  129. 

-  ü.     IV  6  :  20. 
Fnmk«,  C.    I  8  :  10/1. 

-  K.    I  1 :  63. 

-  P.     IV  4  :  47. 

Frankl,   L.    A.      IV    1  :  62:     4  :  107; 

6  :  165. 
Fran/.,  P.    114:17. 

-  R.     I  7:36.     IV  8:7;   Oc:  7. 
Franziscl,  F.    15:  230. 

Frantos.  K.  E.    13:  256.     IV  1  :  240; 

9b:  10:     9e  :  67;    11  :  84,'5:    12:  14, 

28. 
FrauenstXdt,  J.    IV  6  :  59,  66/7. 
Frausem,    A.     I    1  :  43;      7  :  04.      IV 

Oe  :  86. 
Frensdorff,  F.     II  3  :  43.     IV  7  :  .3.3. 
Freniel.  K.     IV  1  :  39,     40;      3  :  231; 

4:211;  7  :  31;  10:  117;    11  :  41. 
Fressl.  J.    16:211. 
Freund,  J.     15:  269. 
Frey,  A.    IV  3  :  142/3,    157. 

-  M.     IV  5  :  59. 

-  SilT.     I  3  :  123;  5  :  92. 
FreyUg,  ER.     16:  392. 

-  L.  1  1  :42;  9:  7. 
Friedel.  E.  14:  125. 
Friedllnder,  E.    16:  122. 

-  J.     IV  9a:  111. 

-  M.     IV  9a:  97;    9b:  23. 
Friedrich,  J.     IV  9a:  100. 

-  W.     IV  7  :  76. 
IV  4  :  127. 

Frischbier,  H.    15:  24.3.  251. 

Fritze.  0.     16:  46. 

Fröbel,  J.    15:  430.     IV  I  :  170. 

Froelioh.  H.     II  2  :  14. 

Froitiheim.  ,1      IV  4  :  15.  20;    '.'  i 

Fromm.  E      I  2  :  10;   4  :  84 

FrouiMKin.  C      114:  2t. 

Proning.  R.     II  4  :  3 

Fuchs.  0.  F.     I  5:405      HI  b.  15 

Fulda,  h.     II:  64. 

Pumagalli,  G.     14:7a. 

Kunk.  II.     IV  6:  101a;  8  ;  5. 

-  F.   X      15:  364.     II  7  :  0,   50. 
Funke.  A.     I  6  :  8;  7  :  53/5.    IV  Od  :  2; 

10:  Sl.  ll.S 


Gahelentz.  0.  *.  d      IV    0  :  lO« 
Gaebel.  G      III   S  :  34. 
tiaebisch,  P.     I    5  :  239. 
(iaedecbeiif.  V.  F.     IV   5:3. 
Oaederti.  K  Th     IV  3  :  115;   Ob  :  11/2; 

9c  :  5. 
Gaidoz.  H.     I    6  :  185 
Gall«e,  J.  H.     I   6  .  |:18 
Oander,  C.     1    5  :  239  b. 
Ganghofer.  L.     IV    4  :  164. 
Gänsen.  J.     I   6  :  20 
Oan»,  H.     IV  6  :  21. 
Oaiiino.  G.     IV   9«  .  104 
(iebele.  .).     IV    6  :  184 
Gebhardt,  B.     IV    1  :  4«.  60.  213. 
Ochmlioh.  E.     III  3:4. 


(i»ig»r,  L.  I  1  :  37;  5  :  174b.  912a 
350.  303.  III  !,  :  21.  IV  1  :  180 
188.  203,  209,  ^51;  3:74;  4:26; 
6  :  58,  72;  «  :  182b;  7:  17,  24,  «1; 
9a  :  S,  120.  124/5:  9b  :  27,  :t:< 
43.  08'4.  86/6,  106;  Oo  :  II;  9«:07i 
10  :  70,  117;    12  :  1.  12. 

Geiser.  K.     I  5  :  87.V 
a*oj.  J.     I   5  :  367. 

Qm««,  Rud.    IV    9«  :  73. 

Georg,  C.     14:  52. 

Oeorge.  R.     IV  4:48;  9b  :  81. 

Gerhard,  C.    IV  4  :  20.V 

Gering.  H.     I   2  :  36. 

(ierlaeh.     IV  I  :  116;   6:201. 

Gerlaeh,  L  r.   IV  1  :  168. 

Gerland.  0.     II   7  :  :w 

Oermann,  K.    I  0  :  is::. 

Gerok,  K.     I   5:358. 

Gerschel,  I>.     14:  3«. 

Gesche.  P.     III  6  :  31. 

Geis,  F.     14:  129.    II   6  .  47. 

Gessler,  A.    I  6  :  158. 

Geyer,  U.     I  4  :00;  6:  100. 

Oibbins,  H.     I  6:  107b. 

Oildemeister.  0.    16:  77. 

Ollow.  H.     IV    Ob  :  32. 

Gitii,  0.     I    3  :  .'»>< 

Glasenapp.  C.  F.     IV  -i :  JJl. 

Glock,  J.  Th.     16:  287. 

Glöckner.  G.     IV   3  :  06. 

Glöde,  0.  I  5:201  2.  IT  3;  11  2: 
IV  3:  110;  0e:49. 

Olossy.  C.     IV   4  :  160. 

Gnad.  E.  IV  4  :  113;  9r  :  13;  9d  :  I«; 
Oe  :  40,  63. 

Gnade,  E.    IV  1  :  3«. 

Godin,  A.    IV  3  :  81. 
Goebel,   Th.    14:0. 

-  F.    16:  187. 

Goedeke,  K.  IV  1  :  I;  3:11;  4:37: 
6:  1;  7:2,  15;   8:  1;   9b:  39. 

Ooeler  t.  Rarenaberg,  F.    I  3  :  88. 

GOpfert.  E.     I  5  :  109;  8  :  65. 

GOhre,  P.     I  5  :  440. 

Gössgen.  C.    1  6  :  22. 

Goette,  R     I  3  :  45;   6  :  0«.    IV  1  :  60. 

GOti,  W.     I  5  :  110. 

Goetze,  E.     IV  1  :  1 :   Ob  :  16. 

Goldbaum.  W.     IV    3  :  126». 

Goldbeck  -  Lofwe,  A.  l  ":  1>«.  IV 
9c:  16. 

Goldmann.  K.    13:  S43/5. 

Goldsehmidl.    A.     IV   4:128a:    5:64. 

-  J.     1  3  :  133. 
Goldstein.  M.     IV  9b  :  7S. 
Qollher.    W.      III    3:  10;    .-.  :  js  ; 

4  :  219c. 
Gothein,  E.    I  5  ;  107. 
Gottschall.  R.  T.     IV  t  :  2:  4  :  126. 
Oottschick.    J.     I    5  :  456.     II    0  :  78. 

IV    6  ;  38d. 
Gradl.  H.     II  1  :  SO. 
Graf.  A.     15:  212. 

-  J    F.     16:  278a.  397. 
Graftunder.  P.     IV    9e  :  115. 
Grand-Carteret,  J.    1   6  :  44. 
Grandaur.  F.    IV   4  :  203. 
Granichstadten.  0.    I    4  :  148. 
Granier,  H.     I    6  :  403.    IV    6  :  194 
Oranz.  E.     I    5  :  268. 

Grau,  R.  F.     II    6  :  29. 
Grauert,  H.     II    6  :  57. 
Grefe,  C.     1    6  :  173.  369. 
GregoroTius,  L«o.     I  3: 140.    iV  3  :  2. 
Greif.  Marl.    IV    I  :  248. 
Greyer»,   0.  ».    IV    3  :  150. 
Grimm,  H.     I    2  :  13;  5  :  227. 
Grisebach,   E.      I    3  :  20.      IV    1  :  3; 

6  :  61;  9a  :  122;    11  :  67. 
Groeben.    M.     IV     Oa  :  105:     10  :  87, 

117 
Oröpler.  W.     )    4  :  69. 
GrO»«i«r.  H     1   6  :  35    234,  b  ;  U!7,» 


A  utoren  remster. 


240 


Gross,   F.    I   1  :  M. 
Grosse,  Ernst.    I   3  :  70. 
Groth,    E.      I    1  :  19.      IV    1  :  141; 
8  :  16. 

—  Klaus.    I   5  :  431;  IV  1  :  203. 
Grottewitz,  C.    I  1  :  5, 14;    3  :  69,  188, 

202,    206,    239,    246,    249,    251,    254. 

IV    1  :  15;  4  :  14;  9b  :  96. 
Grotthuss,    J.  E.,   Frhr.  t.    IV   3  :  10. 
Gruber,    H.     lU    2  :  27.      IV    6  :  38, 

206. 
Gruchot,  H.    I    6  :  185. 
Gruel,  L.    I   4  :  28. 
Grundig.    IV   10  :  77. 
Grüner,  v.    IV   1  :  93,   173. 
Gubernatis,  A.  de.    II:  54.   IV  1  :  33. 
Gude,  C.     I   7  :  64. 
GrUneberg,   W.     II    6  :  95. 
GrUnenwald.    I   5  :  193,  294. 
Gtlckel,  M.    I   6  :  93. 
Giidemann,  M.     I   6  :  8b. 
Gilmbel.  t.    I   6  :  83. 
Günther,  F.  J.    13:  46. 

—  0.    IV   3  :  80. 

—  S.     IV    1  :  136;  9a  :  42. 
GUntzel,  F.  E.    13:  67. 

Guglia,  E.     IV    1  :  217,  243;  6  :  132a, 

132e. 
Gulliver,  Julia  H.    IV    9a  :  101. 
Gurlitt,     C.       13:  185/6;       5  :  129. 

IV    1  :  88;  6  :  225b:    7  :  25. 
Gwinner,  Vl^.    IV   6  :  81. 

Haage,  R.    II  4  :  8 

Haas,  A.     I  5:231. 

Haase,  H.    I  5:322. 

Haasa,  F.    15: 145. 

Habs-Randau.  R.    I  5:248. 

Hadern,  A.     15: 376. 

Hllckermann.    I  6 :  157.     III  2 :  16.    IV 

4:147. 
Bäuselmann,  L.    II  2:37. 
Hagenmeyer,  K.    IV  1:222. 
Hahn,  L.     IV  1  :  105. 

—  A.  T.     I  5:360.     IV  9b:  46. 
Halberg,  L.    15:  297. 
Halben,  J.     16: 46. 
Hallberg.     IV  9b:  40. 

Halm,  Margarethe.     I  3:195. 

llalpert,  D.     IV  9e:48. 

Hamann,  A.     I  7:27/9.  IV  8:15. 

Hamerling,  R.     IV  3  :  175/6. 

Hamm,  B.     16:  47. 

Hammer,  C.    I  1  :  28.     IV  9e:  75. 

Hammerau,  A.     15:  200. 

Handtmann,  E.     15:  290. 

Handwerck,  H.     IV  6  :  2. 

Hanslick,  E.    I  8  :  62.    IV  5  :  89. 

Haussen,  0.    13:  197,  242,  278,  280. 

Hardegger,  A.     15:  379. 

Hardeland.  Th.     II  6  :  27. 

Harden,  M.    1  3  :  283.    IV  3  :  7;  4:  131; 

»e:8;  10  :  84;  12:2. 
Härder.    I  8  :  42. 
Harich,  E.     I  8:11. 
Harless,  W.     18:17. 
Harnack,  0.   lY  9a  :  118,  139;  9e  :  91 ; 

10:  117. 
Ilurpf,  A.     IV  3:  176. 
Hart,  J.     I  3  :  217,  223;  5  :  457. 
Hartenstein.     I  6  :  36. 
Jlartcrt,  F.  K.     17:  62. 
Hartfelder,  K.  I  6  :  164/5.    II  7  :  61. 
Hartleben,  0.  E.    IV  4  :  157. 
Hartmann,  A.     II  2  :  27/8. 

—  J.    15:  382. 

—  L.    13:  166,  168,  171. 

—  E.  V.  IV  6  :  95. 
Hartwig,  0.  14:  40. 
Harweck-Waldstedt.    I  6  :  334. 

Hase,  K.  v.    I  5 :  98.     IV  1  :  219,  221; 
6:113/4,  224. 

—  K.  A.    IV  6:113. 
Hasonkamp,  t.    IV  4  :  49. 


Hasse.  K.     16:  181. 

Hauck.  H.     IV  9e  :  82. 

Hauffe,  G.     16:  48/9.     IV  7  :  77. 

Häuften,  A.    I   6  :  93.     IV    4  :  5,    34/5, 

50. 
Haug,  E.    IV  1  :  236;  6  :  102,  126;  9a: 

62. 
Haun,  F.  J.    15:  104. 
Haupt,  0.     16:  223.     II  4  :  15;   6  :  89. 

—  R.  I  4:53e. 
Hauser.    I  5  :  228. 
Hausmann,  S.     IV  3  :  98. 
Hausrath,  A.    IV  3  :  187. 
Hayra,  R.     16:  420.     IV  6  :  134. 
Heckel,  C.    IV  5  :  88. 

Hegel,  Imm.    IV  1  :  224. 
Hegewald.     I  8  :  29. 
Heichen,  P.    15:8. 
Heidemann,  J.    II  6  :  30. 
Heidricli.    I  6  :  99. 

Heigel,  K.  Th.    I    5  :  361.    IV  6  :  123 
7  :23. 

—  K.  V.     IV  6  :  196. 
Heilig,  0.     I  5  :  190. 
Hein,  W.     I  5  :  208. 
Heine,  C.  IV  9a:  73. 

—  K.    15:  338.     III  2  :  41. 
Heine  II.     IV  12  :  41. 

Heineck,  H.     I  5  :  56;  6  :  227,   231.     II 

6  :8. 
Heinemann,  K.     IV  7  :  29;  9a  :  1 ;  9b  : 

63,  67. 

—  0.  V.    I  5  :  46.    IV  7  :  20,  22. 
Heinrici,  G.    IV  6  :  117. 
Heinsius,  W.     14:  54. 

Heintz,  A.    IV  4  :  219b;    9a  :  99;  9b  : 

25. 
Heinze,  P.    13:  45. 
Heinzel,  R.     II  2  :  29. 
Heinzelmann,  W.    IV9e:46. 
HeitmUlIer,  P.     IV  4  :  11. 
Heibig,  F.     IV  4:  124;  9e  :  28. 
Helferich,  H.    I  3  :  77.     IV  9  a  :  20,  98. 
Hellen,    E.  v.  d.     IV9a:66/7;    9b:2: 

9e  :  37a,  59a. 
Hellinghaus,  0.      15:  13.    IV  1  :  233: 

9a:61;  10:2. 
Hellmann;  G.    15:  279. 
Hellwald,  F.  v.    I  5  :  14. 
Heman,  C.  F.     I  6  :  8a. 
Hempl,  G.    I  8  :  40/1. 
Hench,  G.  A.     IV  9e:64. 
Hennequin,  E.     I  1  :  2. 
Henner.    IV  6  :  182/3. 
Henschel,  A.    II  7  :  57. 
Hensel,  S.     IV  6  :  163. 
Henzen,  W.    IV  10:  17. 
Herford,  C.  H.    11:1. 
Hermann,  A.     I   3  :  140;    5  :  437/8.    IV 

1  :  110;  3  :30,  171. 

—  C.  Th.    15:  432. 

—  E.    16:  70b.    IV  10:25. 

—  H.    13:  179. 

—  K.    IV  6  :  38. 
Herold,  L.    I  4  :  58. 

Herrmann,  M.     I  6  :  221.     II  4  :  12a. 

—  W.     II  6  :  79a. 
Herrmanowski,  P.    15:  283. 
Hertel,  B.    I  4  :  91. 
Hertling,  G.  Frhr.  v.    IV  3  :  9. 
Hertz,  M.    I  5  :  401  d;    6  :  105.    IV  6  : 

209. 
Hertzberg,  G.    I  5  :  337.     IV  1  :  55. 
Herzfelder,  J.    IV  3  :  191 ;  9b  :  43/4. 
Herzog,  H.    15:  404.    IV  9c  :  28;  10  : 

(15. 
Hess,  W.    IV  16  :  50. 
Hessen,  R.     IV  5  :  25. 
Hessler,  K.    I  5  :  348. 
Iletzol,  H.     I  5  :  90. 
Heuer.  0.     IV  9  a  :  70,    92a,  114;   9b: 

7,  50,  52,  89;  9e  :  37. 
Heuser,  E.    14:  79. 
UöSiler,  A.    I  8  :  6;  9  :  18.    IV  9a  ;  92 


Heunos,  J.  I  7  :  56.  TV  9e  :  20;  10  ;  i  i5. 

—  0.     IV  9c  :  25. 
Hevesi,  L.    IV  ö  :  12. 

Hewett,  W.  T.    IV  9d  :  8;  U  :  22. 
Heyd,  W.  v.    14:  77. 
Heyden,  A.  ▼.    15: 122,  391a. 
Ueydenreich,    E.    14:2;   6:209-10. 
Heydtweiler,  G.    I  1  :  58. 
Heyne,  M.     I  5  :  16;  8:47. 
Hildebrand,  R.    I  5  :  245;  7  :  6;  8  :  32, 

37,  54;  9  :  12/4.     IV  9c:  118. 
Hinrichsen,  A.    II:  53. 
Hintze,  A.    15:  266. 
Hippe,  M.    III  5  :  9.    IV  3  :  34  ;  ß  :  214. 
Hirschfeld,  R.    IV  4  :  199. 
Hirt,  H.     12:  32. 
Hirth,  G.    13: 62. 
Hirzel,  L.    III  5  :  18.  IV    1  : 1 ;  3  :  30; 

6  :  28  ;  7  :  18. 
Hitchcock,  T.    IV  9b  :  113. 
Hoehe,    R.      16:  69,    71/2,    74/5,    79, 

86,    88,   90,    92,    95,    100,    104,   110; 

IV  6:  159;  11  :  17. 
Hochegger,  R.    14:  35. 
Hodermann,  R.     15:  64. 
Höft,  F.    II  3  :  28. 
Höhler,  W.    I  6  :  188. 
Höhne,  E.    II  6  :  30. 
Hölscher,  L.    II  4  :  39.     IV  10  :  80. 
Hörth,  0.    IV  6  :  166b. 
Hoffmann,  F.    IV  8  :  13. 

—  G.    IV  3  :  236. 

—  0.    IV  7:68;  9a:  118. 

—  P.     I  9:  15.     IV  9d:  13;  10:67. 
Hoffs,  F.  yan.     IV  7  :  16. 
Hofmeister,  A.    II  3  :  14. 

—  G.     17:  .30.     IV  9d  :  1 ;  9e  :  54. 
Hofner,  L.     IV  6  :  55. 

Hogstraten,   P.   F.  Th.  van.    IV  7  :  14. 
Hohaus.     I  5  :  132. 
Hoheuthal,  F.  v.     IV  6  :  188b. 
Hohlfeld,  P.    IV  6  :  47. 
Höllenstein,  0.     15:  :i33;  III  4  :  16. 
Holder,  A.     16:  91. 
Holderraann,  K.  I  7  :  57,   76.   IV  8  :  U. 
Holland,  H.     I  2  :  22;  4  :  124.  IV  5  :  1; 
0:  147,      151;    9a:  84.    90;      11  :  92, 

—  H.  S.    5  :  89. 
Hollaender.     II  7  :  69. 

Holstein,  H.  16:  66,  89.  II  4 :  2,  9, 
.35;  7  :  93.  III  4  :  7,  14a.  IV  1 :  239: 
5:  50, 

Holthausen,  F.    IV  7  :  50. 

Holtze,  F.    15:  306a. 

Holz,  A.    13:  52. 

Honegger,  J.  J.    13  :  131. 

Hoogewe^.    I  6  :  12;J. 

Hoops,  J.     IV  7  :  78. 

Hopf,  A.    I  6  :  119. 

Horik,  W.    18:  25. 

Hörn,  E.  T.     II  6:  83;  7  :  68. 

—  G.     IV  5  :  84. 

—  W.    IV  6  :  188a. 

Horning,    W.    I    5:378;      6:156.     II 

7  :59. 
Horst,  J.  V.  I  5  :  393. 
Hosmer,  J.  K.    II:  39. 
Hostinsky,  0.    I  3  :  12.    IV  6  :  80. 
Hottiuger,  Ch.  G.    15:6. 
Huber,  A.     I  5  :  387.    IV  4  :  191. 

—  H.     14:  149. 

Hübner,  A.  v.   IV  1  :  173;  6  :  197. 

Hübsch,  O.    I  6  :  120. 

HOffer,  H.    IV  1  :  93;  3  :  113. 

Humanus.     IV9e:81. 

Hummol,  F.     IV  10  :  12,  21;  11  :  26.  52. 

Hunzikor.  0.  I  6  :  28.  IV  6  :  219,  21«a, 

Hur  h,  H.     III  2  :  2a. 

Hurel,  J.     IV  11  :  3. 

Hutteu-Czapski,  M.  Graf  v.    I  5  :  286a. 

Hutzelmann,  Ch.     1  5  :  77a.    III  6  :  35. 

Iber,  H.     16:  203. 
Ignotus.     I  3  :  230 


Ul 


Autorenregister. 


Ibme,  r.  k.    I  4i  1. 

Hg,  A.    IT  9a:«. 

Tg.    12: 14. 

Ilwof.    IV  6  :  186. 

Imolmann,  J.     I  7  ;  43.  8& 

Inner.  0.    IV  10    82, 

Irmisoh.  L.    IV  Of>  :  130. 

Jacobi,  L.     I  5:4('A 

Jacobowskl.    L.       I     1    24:     8:94/5, 

•-•67. 
JacobA.    E.      15:127.    143.    161,   332, 

400e;  ff :  67/8 
Jiicoby,  D      I  2:16:  8    IR.     IV  I  ;1: 

6:  161;  9a  :  44.  50:  Oc  :  27;  0e;41 
Jsokel.  R.    I  6:212 
Jäger.  0     IV  1  :  61 
Jagow,  Et     13    175 
Jahn.  H.     I  7  :  15 
—  U.    16:  242     IV  1  :  B3. 
Jan  s.  H.  r   Ludwig 
Janitsobek.  H      1  4    36 
Jauscha.  J.     IS    2.53 
Janssen.  J.    II  1     10/2;  7    13 
Jastrow.  J.     r  5:  102      IV   I  .60. 
Jecklin,  F.     IT  2  :  18 
Jedrzejewski.  K      IV  I    8 
Jeep.  E.     13.  142;  B  .  252.      U  .1 .  25. 

IV  11  :66/6. 
Jelinek.  B.    I  5  :  192. 
Jnllinek,  M.     III  2  :  28. 
.Inllinghaas,  II.     IV  4:5a. 
.lenny,  G.     15:  136 
.»ensen.  W.     IV  3  :  214. 
Jent.scb,  C.     I  8    6;  5  :  363.    kU  2  :  85. 

IV  3  :  27. 
Jessen,  A.  Ch.     16:  60. 
Jodl.  F.    IV  6  :  37,  87. 
ijhn.  A.    I  5     114.     IV  3:239. 
Jona»,  F.     16.  103;  7  :  68.  lY  «  ■  105; 

6  :  214. 

-  L.    IV  11  .  2a 

-  B.     I  7  :  77. 

Jordan,  K.  F.      19: 233;    4    24,    106, 

127.  157,  159;  9:a 
Josepbson,    Axel  0.  S.      >  4  :  'MfS. 
Jung,  R.    12.  23.     IV  1  :  85;  tfa  :  16, 

48,  91 ;  9  b  :  104 ;  9  0  :  4. 
Jungfer,  H     I  6  :  177 
Jasti.  F.     IV  1  ■  55. 
Joynes,  £dw   d.    IV  10 :  88. 

Kabatnik,  F      16:  145 

Eade,  U.     III   8  :  83,    43.    17    %  :  8; 

9d:9. 
Katxler,  G     IV  A    205  b. 
Kaiser.     1  6  ■  191 
Kaickstein,  t      IV  1  :  46 
Ealisoher,  AC     IV  4    206/7;  7:60. 
Kalns,  A.    14:  141. 
Kambli,  C.  W     IV  S  ;  149. 
Kamprath,  F.     17:  4S> 
Kant,  U.    IV  9e:9 
Karpeles,  G.    IV  1  :  132,  187;  4:159; 

5:9;  12  :  7/8. 
Kastner,  WA     19:9 
Katt.  F.     I  5  :  36 
Katcenstein,  L.    IV  9a:  79. 
Kaufmann.  D.     IV  6    88 f 

-  Q.     16:  153. 

-  M.     IV  9a  ;  182.  9e    80 
Kauffmann,  F.     I  8  :  6-  V 

Kaweran,  Q.    II  2  :  3;  6  :  3-5,  20.  26. 
33/4,  60,  69.  80/1;  7  :  8,  81/2  37    »4 

-  W.  n  7:47.     IV  9a:  84,   »D.6S 
Kayser,  CO.    I  4  .  64  a 

-  J.    16:8. 

Kayserllng,  M.    lY  6  :  38  g. 
Kehrbaoh,  K.    1  6  :  33     IV  6  :  öa 
Kehrein,  J.    17:  78 

-  V     I  6:8;  7:78 

KeU,  R     IV  9a  :  62,  92b;  9o  :  12. 
Kelter,  E     IV  4  :  186a:  5  :  28 

-  H.    1    1  ;  66.      iV    8  .  165,    171; 
12:4. 

ÜHliroa berichte  für  neuere  deutsche 


Kefti.  A.  ▼.    I  4 ;  82. 

Ketchaar,  E.    (  4    37.  IV  11 :  M 

Kellar.  J.    IV  8  :  51. 

—  8.  ■.  1.  Schrill. 
KnllMT,  HC     IV  Va    M. 

-  L.     1  6  :  26 
RAllog.  0.0     II  6    93. 
KAmpner.  A.     IS:  174 
K>-i.uard,  A      IV  »    205  a 
Renoady.  II    A      13:  173 
Keni.  11    ■    Birden 
K-rkar.  M      11  7    53 
Kurier.  D      IV   I    40 
Kern,  f     rv  u*  .  65 
KnHHeldorfer.  F.     I  » 


202 
10 


>28. 


Kettnar    0      IV  «•    88; 
ReuiTer.  M      14:1 
KMusaao,  D     i  •  :  I61. 

-HI«     124.   162 
Reyaser,  A      I  4    61 
Khull.  F.     i  8  .  66 
Kier.  NO     II  6    81 
Kiesel.     III  6  :  30 
Kieser.  H      IV  8  .  (» 
Kieaewetter,  C.     I  5    M. 
Kiewning,  H.     11  7    26 
Kiliau.  R      I  3  .  I7U     IV  4     •S'J:  4    4, 

63;  9a:  78;  9e  :  16/7 
■{Intel.  K     IT    42. 
Kippenberg,  J      I  7    96 

-  K      IV  8e    Hb 
Kirohhoff.   A      1  4    .S2.     lOO-ll     115, 

118/9,    126.    128.    131      U6f7 
Kirsch,  A.     IV   1  :4ä. 
Kist,  L.     16:  385. 
Kiy.  Y      18:  103. 
Klatt«.  A.     1  4  :  78. 
Klebe.  E.     I  1  :  27,  32. 
Klee.  O.    1   7  :  9.  98     lU  8  ;  8.    lY 

4:  114. 
Rleemann,  S.     UI  3:8 
KlelnpanI,  R.     16.  66 
Kleinscbmidt,  A      I  6    365 
Klincksieuk    F      IV  3  .  1 
Klinger,  M      IS.  29 
Kloeppei,  K.     16    6. 
Rlopler,  E      16:  464. 
Kloppenbnrg     II  6    80. 
Klotz      I  6  :  126 
KInekboha,  A      IV  I  :  81 
Kluge.  V      18:  40.  43 
Rluibenschedl,  II      114:  37 
Koaake    K     11  6    66;  7    t>3 
Knebel,  K      IV  4  .  62 
Knecht.     IV  6  :  22U 
KL(<i8el,  B     I  1    :H4 
Kneucker,  J    J      II  6  :  54. 
Kniescbek,  J.    1  7     13 
Knispel.  H.    IV  6  :  77 
Knooheohauei      1  6  :  400 
Kuod.  U.     14:  13/4 
Knöll.  W.     11  6    «6 
KnOpfiei,  A      II  7  :  12    14. 
Knoke.  K.     II  6    31 
Rnoop,  U.     16:  255/7 
Knortz.  R      lY  I     16 
Kobell.  Lnixe  t      IV  1    226;  6  :  ISS 
Ki>Rh,  A      I  4:  116.   i:V> 

-  M  1  1  61;  6  :  13  11  4-26  fV 
1:1,  199-200;  «  :  156,  9a:  2  23. 
39,  58.  6»  73.  97.  104.  10».».  115  117, 
122  135;  Ul>:102;  9e  :  2,  6.  16/6. 
3U  40/1  4«.  60.  62.  81.  »4.  88,9. 
115  123,  I:t6,  10:  117  119-20  130, 
II  :  :^l    A4 

-  W      I  4  :  66a. 
Kocheudaiffai    R     i  «  .  M 
Roebai,  h    f.    IV  «  ;6t» 
ÜOhler.  S     11  1    5 

-  0     I  1  :  88 

-  HaiDb      IV  9t>  -9« 
Koentg,  R      1   I  :  4V.  7;9t) 

-  W      IV   10:  46 
loMigk,  U.    i  • .  XM». 

Litteraturgeschichta  II  (::<. 


lOnaeek«,  0.  11  1 :  18. 
Körting,  B.  III  3  .  11. 
Kotier.  4.    I  i>.  H.    lY  S;lt;   4:1 

7;  6.68;    7  .  76;    9«  :  33.    44.    71 

10:8.  86,  66    117;  II  :  12.  29,  6«. 
Koctliii,  J.    16.46     116.8,88,88 
KoeUehaa,  P.    I  6  :  96. 
Kott.  T.     I  6  :  29 
Kohl.  Hont.     IV   I     103. 
Kohlmaoo.  P.     I  4    138. 
KohlraMOh,  A      II  6  :  79. 
Kohltchmldt     IV  0  :  188«. 
Kohr«.  a.    IV  8  ;  120. 
tfobot.  A.     IV   I      118.    n  ;  129.    108; 

4:53/6.    213;    5:55.    60;  6  .  103/5. 
Kolb«.  A.     I  6    101a.     II  6  :  24 
Kolda,  Th.     I  I  :  32     II  6  :  1,  45,   64, 

76«  7:8-4 
Soldeway,  P     16-  169- ia 
HollnaBO,  A.     III  4  :  2& 
Koppal.  B.    IV  3    196. 
Korth.  L.    I  5  :  188 
Roter.  R.    IV  1  :  70 
Kottmann     I  3  :  189;  5  :  ZtsS. 
Koaleo,  J.    I  6  :  224. 
Kralik,  R.  r.     I  3    63 
KraUInger,  H.    I  6  :  60. 

-  J.  B.     16:  197. 
Kratf,  H.     IS:  67. 
Kraus.  Eberhard.     I  8  :  277 

-  Emat     III  4  :  31 

-  0.  1  3  :  238. 

KrauM.  Emil.     IV  4    190,  5  :  74. 

-  Emat    IV  6    172/3 

-  O.    IV  6  :  179-80 

-  K.  E.  n.  I  6 :  7t,  aoftb,  401.  n 

8  :  14.    III  5  :  8. 
Kraba,  E.    IV  4  :  200 

-  B.    II  7  :  35 
Eremer,  K.     14:  150 
Kreowaki,  B     IV  3    129;  4  :  57. 
KreUchman.     Lily  t      IV  9  b    49,   09, 

70,  99;  9e:3,  6;  11  :  35 
Kretaehmer.  A     16    124 
Kreyenberg,  G     lY  4  .  68.  6    «16 

-  T  IV  4  :  69 
Krimmal.  I  6  :  61 
Kroua     m  6  .  6 

Kronenberg,  tl      I  8    Sa     IV  « :  88, 

80;  8:  10,   10:37 
Krooaa.  F    t     IV   I  :  160 
Kroscbal.     I  6  :  183 
RrBger.  K      I  6    207 
Krumbaeher,  R      IV  6  :  1375. 
Krumm,  J    B      IV  4     161 
Krummacher.  B.     II  6  11. 
Krnta,  R    G      lY  4    SIS. 

-  1  8  :  94 

Kuhn,  W     IY9a:88 

KUhne.  M    F     II  7  :  tS 

Knhnemann    E     lY  6  .  44 

Koenen.  B      I  7  :  65. 

Rdraebner,  J.    lY  I  :  143    98    119 

Kohl      I  6:196 

KuhlenbMk.  L     I  5  :  456 

KuknU.  B.     I  4  :  86 

Rommer.  P      IV  3    84/6;    4  :  28.    164; 

5  :  Sl;    6  :  62;     9b  :  4U,     »4  :  IS; 

«•:22   106;  10:  127 

-  W      18:  142,-3. 
Rontxa.  F     1  8  :  IS. 
Kort.  Y      lY  I  :  14» 
Karth.  O     I  5  :  68 
Rata«her,  J     1  5    388 
Kawart,  M     1  1 ;  49 

ta  Yk-Bonellt.  M.    I  8:19. 

l.than.  P     IV  6  :  156. 

Laddey    Emma    1  1  :  51 

Ladewig,  P     1  4  :  I5S. 

LlBgin,  Tfc     1  8  :  26.     IT  3  :  9. 

Lagarde.  P   de     I  5  :  61.    IV  6  .  225». 

Labmet.  B     15;  :{96^ 

Lamy.  r.    lO  5  i  1. 

lü 


Autorenregister. 


242 


Lamezan,  K.  Graf.    IV  6  :  93. 
Lammors,  H.    IV  6  :  16. 
Lampadius,  F.    IV  10:  14. 
Lamprecbt,  K.    15:  101. 
Landau,  M.    IV  4  :  60,  64;  9d  :  17. 
Landraan,  D.    IV  4  :  224. 
Landmann,  K.    IV  4  :  220a. 
taudslierg,  E.    15:  402a.    II  6  :  73. 
Lange,  F.    I  3  :  199. 

-  K.    II  7  :  39. 
Langenberg,  E.    16:  33. 
Langer,  0.    II  7  :  45. 
Langguth,  A.    14:  99. 
Laiiglians,  E.    IV  7  :  69. 

-  W.    IV  9b  :  24. 
Langsdorff,  W.  v.    15:  197. 
Larue,  E.    IV  1  :  84. 

Lassen,  A.    I  3  :  192.    IV  6  :  93». 
Lasswitz,  K.    IV  6  :  94. 
Latendorf,  F.    IV  4  :  101 
Lauen8lein(=Ti!le),  A.  I  1  :  21;  3  :  200, 

225/7,  253.    IV  5  :  22. 
Lautner,  M.    IV  6  :  150. 
Lavjsse,  E.    IV  1  :  73,  77. 
Lawrence.    IV  10:  101, 
Lechner,  G.    IV  5  :  13a. 
Ledereq,  E.    13:  60. 
Lediea,  A.    14:  156 
Lefmann,  S.    12:  30. 
Lehmann,  E.     IV  4  ;  61 

-  B.     1  1  :  44;  3  :  20.    IV  6  :  57,  61. 
Leicht,  A.    I  5  :  268. 

-  V.    IV  1  :  130. 

Leimbach,  K.  L.    17:  66.    IV  1  :  18. 

Leist,  F.     15:  260. 

Leitzmann,  A.    IV  4  :  2;  6  :  31. 

Leixner,  0.  v.   15:  25,  446.  IV  9b :  84. 

Leland,  C.  G.    IV  12  :  23. 

Lemcke,  P.    15:  48. 

Lemmermayer,    F.     IV    3  :  181 ;    4  :  62, 

161;  11:43,  45. 
Lenz,  M.    II  1  :  6;  7:  70,  76. 
Lessing,  J.    15:  16,  120, 
Leutrum,  Cf.  Graf.    I  5  :  380. 
Lövy,  B.    IV  7:46;  9d:  6;  96:66. 

— Brühl,  L.     IV  7  :  30. 
Lewes,  Q.  H.    IV  9b  :  34. 
Lewinsky,  J.    IV  10  :  16. 
Lezins,  F.    II  6  :  90. 
Lichtenheld,  A.    1  7 :  47.     IV  4:  11 
Liebenau,  A.  v.    15:  373. 

-  Th.  V.   15:  53.^  II  1  :  9.  IV  9a:82. 
Liebknecbt,  W.    13:  214 
Liebmann,  H.    IV  6  :  42. 

Lieboldt,  J.    III  4 :  20. 
Liepmann,  H.    IV  6  ;  61 ;  9a  :  41. 
Li<?r,  fl.  A.     15:  400,  400d;  6  :  8?.    11 

4:29.     ni  6:3,  33.     IV  9a:  51.    8.3. 
i-  L.    I    3:  160/1.    1113:4;    4:14. 

rv  6  :  17/8,  68. 
liesen,  B.     16:  381. 
Liliencron,  B.  v.    III  2  :  4. 
Linckelmann,  W.    IV  1  :  234;    9a  :  60; 

9b  :  58. 
Lindan,  P.  IV  1  :  184;  6  :  203;   9d:  20. 
Linde,  A.  v.  d.    14:  10. 
Lindenberg,  P.    I  5  :  314. 
Lindner,  F.    III  2  :  8. 
Lingke,  A.    15:  405a. 
Linke,  0.    IV  3  :  236. 
Linnig,  F.    17:  79. 
Linsemann.    I  5  :  76. 
Lippmann,  E.    16:  295a. 
Lipps,  Th.    I  3  :31,  71,  100,  142. 
Litzmann,  B    III  4  :  15a.  32.  IV  4:  32; 

ö  :42;  7  :  74;  9e  :  16. 
Locella,  G.  v.    IV  9a:  133;  9b  :  45. 
Lodeman,  A.    IV  7  :  32. 
Lobe,  E.    I  6  :  168. 

-  J.    16:  168. 
LObell,  B.    IV  öd:  11. 

Löbner,  H.    I  8  :  63,    131.    IV  öe  :  83. 
Loening.    I  6 :  163. 
LoevM,  Q.  T.    rv  90 :  9. 


Lösche,  G.    I  6  :  129.    II  7  :  5,  19,   21, 

30,  58. 
Löschhorn,  II.     17:  35.     IV  8  :  7. 
Loew,  J.    IV  9b:  65,  91. 
Löwenborg,  J.     IV  1  :  65;  6  :  203. 
Löwenfeld,  R.    IV  5  :  36. 
Lohmeyer,  J.    IV  1  :  63. 

-  K.    II  7  :  26. 

-  15:4. 
Lombroso,  C.    13: 64/5. 

Loose,    W.    I   5  :  311.    II    7  :  18.      IV 

7  :54. 
Lorenz,  0.     I  1  :  27.     IV  6  :  133,    197. 

-  B.     II  6:84. 
Lorinser,  F.    IV  1  :227. 

Lorra,  H,    13:  213.    IV  6  :  25j6,  98. 

Losch.   F      15:  225. 

Loserth,  .1.    11  7  :  17. 

Lossen,  M.     II  7  :  36. 

Lothar,  B.     13: 262. 

Lucac.    IV  3:4-5 

Lucas,  J.    16:  52. 

Ludwig,  D.  A,     III  4:36. 

-  Herrn.    IV  3  :  97. 
Ludwigs,  G.    IV  3  :  2:J8. 

LUbke,  W.    15:  15,   427.    IV    1  :  209, 

257;  9a;  21,  89 
LUckP,  0      IV  3  •  42. 
Lüdecke,  F.     11:  35. 
Lüders,  C.  W,    I  5:55. 
LUning.  H.  J.     17:  80. 
Lattich,  S.    15:  298, 
LUtzelberger,  E.  K.  .1.    II  4:21, 
LuginbUhl,  B.    IV  1  :235;  9a ;  64. 
LulTös,  J.    18:4. 
Lundstedt,  ß.     14:  142. 
Luschin  v.  Ebengreutb,  A.    15:  62. 
Luthardt,  C.  E      15:  428.    IV    1  :  225; 

6  :  38c. 
Luther,  J     11  6  :  22. 
Lyon,  0.    I  2:37;    7:7,   100;    8:20. 

IV  6:  223;  9a: 34;  9b  :21/2;  9o:119, 


Maag,  A.    14:  30.    IV  7  :  35, 
Maas.  H.     15:  417. 
Maass,  K.    13:  128. 

—  M.    IV  6:  110. 
Machule,  P.    II  3  :  37 
Mackeprang,  P.    16:  217, 
Mahly,  J.     I  3  :  119. 
Mannet.    IV  6  :  70. 

Maffei,  A.    IV  9d  :  7:  9e  :  58:  10  :  69, 

60. 
Magnussen,  Job.    IV  9e  :  27, 
Mahrenholtz,    E.      I  3  :  2;    5  :  5       IV 

10  :  99. 
Majunke,  P.    ü  6  :  54/5. 
Malkowsky,  G.    IV  9  b  :  103. 
Mann,  M,    I  6  :  34,  159.    IV  3  ;  13 
Mantegazza,  P.    13:  69. 
Manz,  G.    13:  87. 
Maraun,  W.     IV  1  :  100 
Marholm,  Laura.  I  3  :  281/2.  IV  3  :  147. 
Markgraf.     I  6  :  96.     III  2  :  53 
Marsop,  P.     I   3  :  264.   IV  4  :  201,  218, 
Martensen,  U.    IV  6:  117, 
Martin,  B.    15:  304. 

-  E.     I  5:  32,   402b.     m  2:12,  16; 
5:11.     IV  4  :  24. 

—  F.     II  6:23  a. 

-  Th.    15:  124a. 
Martino,  M.  di.    15:  236. 
Martiny,  B.    I  5  :  215. 
Marziani,  G.  v.     III  4  :  34 
Maser,  S.    16:  229. 
Masson.  F.    15:  313. 
Matthias,  E.    I  5  :  246/7,  275. 
Maurenbrecher,   W.     16.  40ic.    IV  6 

:  178. 
Maurer,  K.    12:  36. 
Mauthner,   F.      I    3:65.      IV   3:229; 

4:63,    166;    5:83;    7:26;     9a:  2; 

9«  :8g. 


Mayer,  G.     II  1  :  7. 

—  Th.   F.     II  6  :  87. 
Mayerhofer,  J.     14:  88. 
Mayr-Deisinger.     II  6  :  4;  7  :  42. 
Mc  Lintock,  B.     IV  12  :  23. 
Mehring,  S.    19:2,  10. 

—  Th.     III  4  :31a. 
Meidel.    IV  3  :  52. 
Meinecke,  F.    I  1  :27;  5  :-97. 
Mejberg.    I  6:113. 

Mejer,  0.    II  7  :  5. 

Meli,  A.    I  5  :  72. 

Mendheim,  M.    IV  3  :  14,  94. 

Menge,  C.    I  8  :  13.    IV  9b  :  80. 

Mensi,  A.  t.    IV  1  :  245. 

Mentz,  J.     II  7  :  70. 

Mentzel,  Elisabeth.    IV  5  :  71 ;  10  :  68, 

Merian,  H.     I  3  :  232.     IV  3  :  2.J6. 

Meringe.,  B.    15:  108a. 

Merkel,  F.      16:  422.     IV   1  :  202;  6  : 

169. 
Methner,  J.    I  3  :  39. 
Metlig,  K.  I  6  :  391. 
Meyer,    Ch.      15: 21,    34,    115,    320, 

368. 

—  F.    IV  4  :  184. 

—  F.  H.    14:  108,    112,4,  117,  133/4. 

—  H.     I  1  :  41. 

—  K.     II  2  :  4. 

—  0.    I  4  :  35. 

—  B.  M.      I  1  :  14,    47 ;    3  :  52,    101 ; 
5:43.     IV  1  :  117;  3:  8,  28. 

—  T.  Knonau,  G.     IV  6  :  198. 
— Schwalbe,  M,  V?.     I  6  :  53. 

—  V.  Waldeek,  F.    IV  3  :  40a;  4  :  22; 
9d:23;   10  :  8. 

Michael,  E.    IV  6  :  123a-b. 

Michaelis,  A.    IV  9a:  118. 

Michels,  V.    I  2  :  38. 

Miehlke,  A.    I  8  :  8. 

Mielke,  H.    I  3  :  220. 

Miller,  M.    I  7  :  11. 

Minor,  J.  I  3  :  37,  102.  II  3  :  33  IV 
4:2,  6a,  10,  33,  50,  101,  103,  106, 
182;  5:44;  7  :  19,  39;  9a:  73;  96: 
76;  10:29. 

Mischner,  J.    IV  1  :  10. 

Möller,  Cajus.  I  3  :  263|6. 

—  W.     14:  151, 
II  7  :  1. 

Mohl,  B.  V.     15:  383 ;  6  :  163. 

Moldenhaner,  0.  IV  6  :  116. 

Moltke,  Graf  H.   v.     IV  1  :  145,    156; 

12  :  15, 
Moltzer,  fi.  E.    II  3  :  14. 
Mont.  P    De.     II  3  :  6. 
Moormeister,  E.   1  5  :  103. 
Morgenstern,  Lina     I  5  :  39. 
Morpurgo,  S.     II  3:39. 
Morsch,  II     IV  4:4;    9a:  78a,  115a; 

9e:47. 
Moschkau,  A.    I  5  :  341a. 
Mosen,  P.    II  6  :  68. 
MUgge,  B.    IV  9a:  C5. 
MUhling.  C.    IV  6  :  137c. 
Mülinen,  W.  F.  v.    15:  374. 
Müller,  Ant.    II  4  :  39. 

—  C.    II  3  :  24. 

—  Curt.    I  5  :  453. 

—  E.  I  2:6;  6:240.  IV  10:7,  123 
137/8. 

—  E.  B.  B.    IV  6  :  56. 

—  Q.  I  4  :  24;  5  :  65;  6  :  97,  141.  146. 
11,6  :  25,  76;  7:92,  104. 

—  H«ns.    IV  1  :236.  249;  11:93. 

—  N.     II  6:13;  7:6. 

—  Otto  F.     IV  6  :  129. 

—  W.  IV  1  :  69,  163,  18». 
— Bohn,  H.    IV  1  :  129. 
— Fraureuth,  K.    IV  1  :  1. 
— Frauenstein,  G.    IV  1  ;  6. 

— Guttenbrunn,  A.    IV  4  :  40,  167. 
MUnz,  B.      13:  22,  116/7;  6  :  443.  I? 
8:176(6:96,  188c;  12  :& 


349 


Autorenregister. 


Mfln«,  8.    IV  «:  I37Ii-.|. 

Muggentbkl«r.  L.    I  0  :  121. 

Mummenhofr,  E.  14  :  100,  366;  II  1  :  18. 

Muncker,  P.  IV  1  :  1.  69:  ^  :  H>2, 
218/0;  4:5a,  210a,  223  5;  7:  1,  2, 
7;    0a:35;  Ob:  35;  11  :  1». 

Uuret.    I  5  :  310. 

Unis-Araolt,  H.    I  8  :  42. 

Muscogiuri,  F.     IV  4  :  (14. 

Hushacke,  W.     15:  284. 

Müiioi,  R.    III  2  :  19. 

Nadroorski.    I  5  :  3ia 

Nagel,  J.    II  7  :  27. 

Napiorski,  J.  O.  L.  t.    16:  377. 

Nstban,  P.     IV  1  :  140. 

Nattmer,  O.  E.  t.    IV  1 :  97. 

Naud«,  A.    IV  1  :  74. 

Naumann,  E.    I  8:  11. 

Nebe,  A.     16:18.     116: 26. 

Nebeltbau,  J.    14:  50. 

Nebert,  R.    18:2. 

Neeker,  M.     IV  3:201;   4:05,   1G4/5, 

174;  6:123  c. 
Needler,  G.  H.    IV  3  :  49. 
Needon,  R.    16:  302. 
Neide,  S.     IV  10  :  47. 
Neitxel,  0.    IV  4  :  192. 
Nestler,  M.  J.    IV  10  :  15. 
Netolioika,  0.    IV  12  :  32. 
Neubaur,  L.    II  7  :  CO. 
Neubauer,  R.     17:  42. 
Neugraf,  A.     13:  79. 
Neuhoff,  K.  A.    15:  282. 
Neumann  (Hammerstadt).    I  6  :  147. 
Neumann-Hofer,   0.      I  3  :  78.      IV  8  : 

166,  197;  4:  143;  5:31;  6:38. 
Nentwig,  H.    I  4  :  40. 
Ney.    II  6:71. 
Nichols.    IV  10  :  101. 
Nick,  G.    I  4  :  80. 
Nicklas,  J.    19:1. 
Nieden,  J.     17:  89. 
Niemann,  C.  L.    15:  829. 
Nieraeyer,  E.    IV  8  :  U. 
Nielsen,  J.     II  6  :  92. 
Niessen,  W.    III  2  :  3. 
Nietschmann,  11.    IV  6  :  9 
Nietzki,  M.    I  7  :  45. 
Nizet,  F.    I  4  :  64. 
Noble,  C.    IV  9e  :  129. 
Noll,  J.    IV  9a  :85a;  11:  89. 
Nover,  J.     15:  352.    II  3  :  7, 
Nowak,  W.    16:  206.. 

ObertiuipHcr,  K.  F.  V.    I  5  :  6. 

Obser,  K.     IV  3:40;  4:21. 

Odinga,  Tb.    II  2  :  30.    III  4  :  12.     IV 

12:5. 
Oechelbäuser,  W.    IV  11  :  8 
Oechsli,  W.    II  7  :  83. 
Oehlke,  A.    11:48:5:469.    IV  1:41. 
Oekander,  0.  II.     III  2  :  82. 
Oeri,  J.    U  4  :  14. 
Oertel,  O.    IS:  107. 
Oesterlein,  N.     IV  4  :  226. 
Oftording,  R.     II  3  :  30. 
Olbriih,  C.    18:27.   IV  9a:  115;  0o:4. 
Olfers,  Marie  y.     IV  3  :  210. 
Olthoff,  F.     I  4  :26». 
Omont,  H.     14:  75. 
OockeD,  W.    IV  1  :  M. 
Oppel,  A.    I  6 :  89. 
Ortwein,  F.     15:  205a. 
Osswald,  P.    I  5  :  167. 
Oswald,  E.    II  1  :  3.    IV  9a  :  27. 
Ost,  CG.    14:  56. 

—  L.    I  4  :  66. 
Otbmer,  0.    14:  56. 
Ottino,  G.     14:  34. 

Otto,  F.    16:  176;    6:87;    7:90/L 
II  8:16:  III  2:  10. 

—  Q.     16:  177. 
Ozenfoid,  John.    iV  9b:  81. 


Ptetew,  W.    IV  3  :  78,  204;  11 :  48. 

Pagel.     IV  6  :  34,  43 

Pabncke.     IV  4  :  144. 

Paldamu«,  F.  C.     17:  81. 

Palleake,  E.     IV  10  :  7. 

Pallroann,  H.    18:  21. 

Paludan,  J.    III  4  :  2,  17. 

Panizza,  0.    I  3  :  83.    IV  3  :  20 ;  5  :  26. 

Pantea.    16:4. 

Pariaer,  L.    III  6  :  10. 

Paizkow-iki.     IV  6  :  100. 

Patzig.  II.     IV  11  :73. 

Paudler,  A.     IV  5  :  78. 

Paul,  J.     I  ü  :  42. 

Paulus,  E.     I  6  :  358. 

-  N.    II  6:45,64;  II  7:16,  43/4,50, 
52,  72. 

Peobt,  F.    IV  1  :  182. 
Peez,  A.    I  6  :  110. 
Pelissler,  L.  O.    IV  1  :  173. 
PelleclK't,  M.    I  4  :  42,  101. 
Perle,  F.     I  5  :  300. 
Peschel,  E.     IV  4  :  100,  107. 
Peters,  H.     15:  139. 
Petzet,  E.     IV  3  :  18;  9b  :  43. 
Pey,  Alex.    IV  10  :  122. 
Pfaff,  E.     I  5  :  137 

-  F.     16:  278.      IV  4  :  27. 
Pfleideror.  0.     IV  1  :  47. 
Pflugk-Hartung,  J.  v.    IV  1  :  65. 
Prutze,  K.  8.  Grottewitz. 
Phillppi,  J.    IV  5  :  70. 
Philippson.  M.     IV  1  :  65. 
Pbulstun,  G.     IV  9a:  2. 
Pichler,  A.    III  6  :  23. 
Pietsch,  L.     IV  1  :  206  8;  7:26. 

-  P.    II  6  :  1. 
Pilk,  G.    I  6  :  163. 
Plaumann,  A.    15:  52a. 
Plenz.     II  7  :  27. 

Pniower,0.  IV  4  :  lö;9a:  lU4;9b:07, 

9e:89.  110,  113. 
Poescbel,  J.    I  8  ;  36. 
Pohlandt,  M.     1  G  :  bf. 
Poncelis,  P.  M      11:  40. 
Pons,  Hart.     II  6  :  40. 
Poppenberg,  F.     IV  3  :  148;  11  :  33, 
Portig,  G.     I  3  :  62.    IV  1  :  Kw .  7  .  73. 
Porio.     I  1  :  66 
Poschinger,  Hr.    IV  6  :  189. 
Prel,  C.  du.    13:  250,9 
Prem,  S.M.   16:  21»,  237.  IV  9b    43. 
Prien,  F.     II  3  :  14 
Primer,  8.    IV  7  .  47. 
Procbazka.  R    Frhr  ▼     IV  6  :  7». 
Prodnigg,    H.      13:  14.     IV    Od  .  21 : 

11  :4. 
Pröhle,  H.    13    18 :  6  •  70.    IV  8  :  82; 

6  :  160;  9a    37    47:  H  :  86. 
PröU,  K.     IV  4  ,  66 
PrOlss.  B.     IV  9h-  110 
ProBcb,    F.  T.      17-  4'4,  97.     IV  1  :  5; 

7:42. 
Puls,   A.     n  2:36;   3    23.    IV  3:  16, 

118. 
Pyl,  Tb.    I  5:400a.     IV  3:83. 

Räch«,  P.  B     II  4  ;  11/2. 

Rsckwiiz.     I  6  .  199. 

Rade.  P.  M.    II  6  :  3 

Radecke.  E      II  2  :  39. 

Radlkofer.  M.     114    31. 

Kahn.  J.  U      I  5    40». 

Uambaud.  A.     IV  1  :  76.  165. 

lUnke,  L.  V      IV  1  :  212,  6:  in 

Ra-^p.  L.     I  5  •  74 

Hathgeber,  J.     J  6  :  81,  262.     IV  6  :  8. 

Batzel.  F.     15:  11. 

R»u.  A.     I  3  :  65. 

Bausch,  A.    I  7:21/2;  8:64a. 

BaTmaini,  L.    IV  3  :  \:M>. 

Raydt     I  5  :  238. 

Rebhuhn.  A.     I  ti  :  40,  65, 

Bederu,  E.  t.    IV  1  :  981 


lUdlleh,  R.  Ch.    IV  I  :  I ;  7  :  la 

-  0.    15:  14».    n  6:51. 
RegeDibarg,  F.    15:  18:),  390. 
Rabom,  K.    I  7  :  81.    IV  12:35. 
B«ib«r,  F.     15:  135. 

Reiche,  B.    IV  1  :  »2. 

Heiehel,  E.    IV  4  :  223;  6  :  30;  ««  :  00. 

-  H.    16:  220. 

-  B.    IV  10:64. 
B«leh«Dh*rt,  E.    I  6  :  184. 
Baiehantperger,  Aug.    I  8  :  43. 
B«iireraebeid,    AL     III    2  :  24 ;    4:0. 

IV  4 :  128. 
BAimann,  H.    IV  5  :  74,  82/3. 
Heinbard.  B.    16:  215. 
Beinbardt.  K.    I  0  :  80. 
BelnhardatOttnor,    K.    t.      13:  I30d. 

rV  4:223;  12:25. 
Beinhold,  L.    I  8 :  63. 
B«ia,  B.    I  8  :  14. 
BaUmann,  A.    I  8  :  100/1. 
Beizer,  A.    I  4  :  152. 
Bella,  W.    I  1  :  13;  3:201. 
Benner,  J.  F.  Ch.    IV  Oa  :  29. 
Beqnin.     I  4:8. 
Benleauz,  F.     IV  12  :  34. 
Banling,  K.    IV  4  :  24a. 
B«aseh,  F.  II.    I  0  :  108.   II  0  :  4;  7  :i2: 
B«aM,  F.    I  5  :  178. 

-  B.    II  7  :  73. 
Bhenin«.    I  8  :  60. 
Ribbeck,  W.    I  6:01. 
Richard,  P.     IV  6  :  69. 

Richter,  Alb.    16:17,24.128.    U  4:19k 

-  J    W.    I  5  :  20. 

-  P.     18:  140. 

-  W.     16:  205. 
Richardson,  C.  F.    14:  57. 
Riegl.  A.     16:  281. 

Riegel,  II.    I  8  :  20.     IV  7:21. 
Biehl.  W.  H.  T.    I  8:84;  5:4ia   17 

6  :  137. 
Biekhoff,  Tb.  t.    U  1 :  2. 
Bien,  du.    14:6. 
Bietschel,  G.    II  6  :  60. 
Biffert,  J.    IV  3:73;  4:  115, 
Ribter,  Eligias.    IV  3:2Jl. 
Riquiez.  E.    IV  Oe  :  67. 
Risch.  P.     I  6  :  66. 
Rissmann,  R.     I  6  :  64. 
Bitt«r,  H.    I  5:12.  41».    IV  4  :  217. 
Robert,  F.    I  13  :  13Cc. 

-  U.     I  6  :  166. 
Bobertaon.  \V.  b.    n  6  :  »4. 
Bockatro     IV  5  :  80. 

Bodenber;;.  J.   I  6:86,  411.    IV  1:123, 

100  214;  8:207;  4:  125. 
Boeber,  F.    IV  6  :  24. 
BOckner.  H      IV  4  :  215. 
Boediger.  M      IV  Oa  :  78. 
Röhr.  J.     I  1  :  ö.  14.  21 ;  3  :  244. 
ROhrich.  W.     15:  10. 
Röhricht,  R.     I  6  :  156. 
BOsaler.  C.     IV  7  :  25. 

-  K.  J.    16:  1023. 

Boetha,  G.    I  2  :  110;  3  :  00,  »3;  5 :  13. 

n  2  :  23,6;  8  : 1;  7  :  100.   IV  1  :  117« 

Oa:  118. 
Boetteken,  II.    18:  104. 
Bog«r«,  W.  T.    I  4  :  33. 
Bogg*.     IV  4  :  67. 
Bohlen,  M.    I  6  :  195. 
Böhmer.  E.    IV  6  :  18«. 
Ronke,  W.     I  6  :  190. 
Boquetto,  0.    IV  1  :  210:  3  :  209. 
Bosegger,    P.    K.      IV    :i  :  123.    181  j 

4 :  178. 
Bösen.  A.    IV  4  :  122. 
Bosenberg.  A.    IV  6  :  73. 
Bosenberger,  F.     16:  220. 
Büsenfeld,  E.    IV  3  :  202;  4  :  142. 
Bosenkrant,  A.    16:  151. 
Bosenstein,  J.     IV  1  :  147. 
BoaenthAl,  D.  A.    IV  6  :  1191 

16» 


Autorenregister., 


^44 


AosÜrtt,  k.    18: 150. 

Bosner,  L.    IT  « :  179. 

Boss.  J.    IT  12  :  24. 

Both,  F   W.  E.    T  4    26»  6  :  404a     'H 

8:28 
Boara,  H.     1  4  :  43. 
RoQssette.  E.    TV  10  :  111. 
Rudio.  F.     n  I  :  20. 
Rudiger,  0     I  5  :  322     ID  4  r  18. 
RUegg,  B     I\   1  :  58 
BUhl,  F.    IT  6  :  137» 
Flthl«.  0.    T  5:4. 
Rueppreoht,  Ch     T  4  •  15.  ü  66/7 
Rnff     I  «  :  258. 
Bnge.  8.    I  5  :  88 
Baland,    0.     TV    1:28;  Oa :  18/9     27, 

71.  112:  9b:  6,  62;  9c  :1. 
Bnllmann.  W     TV  5  :  30. 
Rnprecht.  W.    T  4  :  144/6, 
RnsoonL  Carlo     IT  10:59. 
Bastig«.  H.  V     T  5  :  358 


SmIi.  A.    I  5 :  10.    n  4 :  10 

ßacbsse,  H.    IT  7  : 5 

Sänger.  S     IT  10  :  38. 

Saintsbnry,  G.    I  1  :  16. 

Salamon.  L.    16: 166. 

Sallmann,  K.    I  1  :  57;  6 :  13. 347. 372 

IT  6  :  62.    IT  6  :  112. 
Sallwttrok.  E.  v.    I  6  :  34. 
Saiten.  F.    IT  9e  :  93. 
Salzer,  P.  Cl.    16: 196. 
Samosch,  8.    IT  1  :  4;  8  :  227 
Samsoo.  H.  r    15:  421. 
Sander,   F.     I  2:6—8;    6:57,    111. 

IV  6:112. 
Sanders,  D.    I    8:67;     9:4;     9c:4, 

30;  9d :  25. 
Sargant,  E.  B.    1  4:56b. 
Sarrazin,  J.    IT  8  : 1 ;  10  :  98. 
Sauer.  A.    IT  1 : 1;  4  :  128,  166;  11 : 

38. 
Sani,  D.    IT  6  :  165  a. 
ScalTini,  6.    IT  9  e  :  104. 
Schachinger,  R.    IV  4  :  165. 
Scback.  A.  F.  Graf  v.    IT  1  :  193;    3 : 

208. 
Schäfer,  O.    I  1:31;  6:2. 

-  F.    I  6  :  68. 

-  K.    16:  349. 
Schaffer,  Th.    I  8:38a. 
Schaff,  Ph.    I  5  :  17.    n  6  : 6». 
Schanz,  UlL    IT  10  :  127. 
Schurdt.    I  1 :  67. 

Scheer.    I  6 :  69. 

Scheerbart,  P.    I  3  :  28. 

Scheiehl,  F.    n  7  :  21. 

Schellwien.  B.    I  3  :  118. 

Sohenk  zu  Sohweinsberg,  G.    11  3  :  21. 

ßcberer,  Edm,     IV  1  :  162. 

-  W.    II:  45/6. 
Scbermann,  L.    I  2  :  30,  33. 
Sehetüer,  P.    IT  8  :  190. 
Schiepek,  J.    I  3  :  129. 
Schiff,  B.    I  8  :  63.    IT  1 :  184, 
Schild,    n  6  :  63. 

ßcWll,  H.    IV  96:106. 
Schiller,  H.    16:3a. 
Cchillinger,  J.    I  5  :  70  a. 
Bcliinimelbnsch,  Yf.  IT  4  :  68;  9» :  118 

Ob  :  19. 
Bcliinner,  A.    I  6  :  344  a. 
Schlaf,  J.    I  8  :  228. 
Schlaz.    I  6  :  221. 
Schleche,  J.    16:  364  a,  405  b. 
Schlegel.    IT  6  :  14. 
Schleichl.    II  7  :  68. 
Schieiden,  B.    IT  1  :  166. 
Schleimer,  A.    IT  6  :  38  a. 
Schienther,  P.     I  5:412.    IT   4 :  88, 

173;  5:8,  29,  84,  39-41,  47,  65;  7: 

2Ü,  59,  66;  9a  :  2. 
BoUeainger,  8.    lY  4 :  l«8. 


Schietterer.  H    M.  IV  4  :  193;  5  :  90/1; 

9a:  43    94 
Schlie,  0      I  6  .  112. 
Schlieben.  A      15    286. 
Schlossar,  A      I  2    24;  5  :  219.    TU  4  : 

27/8.   IV  3:90/1.  135:  4:151/3,  176, 

179;  6:  17;  9e  :  100. 
Schlossberger,  A.  v     IV  10  :  13. 
Schmeisser   B     16: 76. 
Schmidt.  A     1  6  :  57 

—  C    I  6:  178 

—  Friedrich      I  6  :  10. 

—  Erich  Ul  8  :  7.  IV  1  :  262;  4 
128.  130,  176.  179;  7;  1,  11,  26,  57 
9c:22.  27a:  9e  :  76;  10:  117;  11 
16. 

—  Ferd.    IV  1  :  62. 

—  F.  J.    IV  6  :  225. 

—  K.  A.    I  7  :  46.     IV  10  :  70, 

—  K.  J.    rV  12  :  33. 

—  -Mayer,  R.    IV  10  :  116. 

—  -Weissenfels,  E.    IV  1  : 0. 
SchjMitt,  L.    IV  9b  ;  28. 
Schmitz,  M.    IV  1  :  169. 
Schmoller.  G.    15:  312. 
Schnapper-Arndt,  G.     16. 106. 
Schneid,  J.    II  6  :  66. 
Schneider.  E      I  2  ;  25. 

—  E.    rr  6:3 

—  E     IV  10:22 
~  G.     I  9:11. 

—  H.    16:  205. 

—  Hans.    II  6  :  97 

—  J.     n  7  :  87. 

—  Julius     IV  9o  :  29 

—  Lina.    TV  9a  ;  76. 

—  0.    I  6  :  16 
Sebnippel.  E      17:8. 
Schnitzer,  M.    IT  3  :  225. 
Schi  orf   K.     I  7  :  80 

Schnorr  v.  Carolsfeld.    f     IT   6  ;  152; 

9a:  118;  11  :  90/1 
Sehober,  Thekla  v.    geb.   v.  Gumpert. 

IT  1 :  190 
Schoell.  Hedwig  J.    IV  5  :  89. 

—  B.    ni2:17.    IV  6:141;  9a:  38. 
Schön,  Th     IT  9a  :  49;  11  :  36. 
Schöne,  A.     D  7  :  27. 

Schönthan,  P.  v     T  3  :  105. 
Scholz,  W.    IV  1  :  104. 
Schoneoke.  W.     I  6  :  148.  230 
Schott.  Jos.     TV  1  :  124 

—  S.     TV  7  :  64 

—  Th.     1  6  :  18.  358,  402c. 
Schrader,  0      TV   1  ;  264;  6  :  145/6. 

—  Th      15:  32:H 
Schramm.  Rod.     IV  6:  190. 
Schrammen,  J.     IV  9d  :  4;  9e  :  65. 
Schranka,  B.  M.     IV  3:  177-80;    10: 

132 
Schrauf,  K.     I  6  :  131. 
Schreyer,  H.    I  3  :  196.     IV  9d  r  12. 
Schrill,  E.     T  3  :  237. 
Schröder,  A.     15:  283, 

—  C.    TT  4  :  4. 

—  Edw.  T  1  ;45;  2:29;  5:45.  II 
2:33.  36;  3:5,  14.  III  3:9;  4:8, 
11;  5:24/5;  9e  :  107. 

—  F      TU  2  :  29. 

—  K.     16:  102. 

—  Otto.    I  8  :  58. 

—  L.  T.    I  6  :  94.     TT  I  :  42 
Schrödl.    n  7:86 

Schröer,  K.  J.  IV  9a  :  4-6,  11,  26,  28. 
63/4,  56,  69,  118.  122,  137:  9b; 
18,  102. 

—  A.  I  1  :  23,  68;  4  :  68;  6  :  445.  TTI 
4:9.    TV  9e:  14,  25,  31. 

Schröter,  A.  I  8s;  76.  138.  IV  1:21, 
193/5,  223;  3  :  3.  104;  4  :  63;  11  :  40, 
69;  12:31. 

—  C      I  8  :  46. 
Schubert,  H.  v      16:11«. 
SohatUlkopf.  B.    1  6  :  264,  274.  277. 


Schutz,  F.     rV  5  .  II. 

-  -Wilson,  H      rV  9e  :  123 
Schullerus.  A.     I  5:226a.     IV  «    i. 
Schulte,  E.     IV  1  :215:  12  ;  39 
Schultheiss,  G,     I  5  :  100. 
Schultz.  Alwin.     15:16.     II  3    42 

-  F.     I  1  :  44;  7  ;  98. 

Schultze.  W     I  4  :  121.     (Vir  59,  61. 

80;  3  :  106/7.  6;  192. 
Schulz,  B.     17    82. 
Schulze,  Vict     II  7  •  2 

-  W.    IV  4  :  69. 

Schumann.    A.      16;  73,  78       IT  2  ;  9 
13.     III  2:57. 

-  G.    17:  71. 

-  J.  Ch.    16:  1-2 
Schnnk,  E.    IV  9  e  :  50 
Schwabe,  S.    11  7  :  96. 
Schwalbe,  J.     IV  9b  :  71. 
Sehwartz,  F.     IV  ö  ;  2. 
Schwarz,  G.     16:  60. 

-  R.     16:  214 
Schwarze,  B.     I  4  :  94. 

-  J.  V.  IV  6  :  199a, 
Schwarzkopf,  G.     13:  163. 
Schwebe!,  0.    15:  13b,  307;  6  :  166. 
Schweizer,  K     II  7  :  33. 
Schwenke,  P.    IV  1  :  241. 
Sehwicker,  J.  H.    II:  55.    IV  1  :  161. 
S6biIIot,  P.    15:  82,  259. 

Seeberg,   E.     II  7  48. 
Seeck,  0.     IVl  :  Ul;  6:145/6. 
Seelig,  F.    15:  346. 
Seeliger,  K.     IV  4  :  3. 
Seidel,  F.    II  7  :  27. 

-  P.  I  5  :  310. 

Seliger,  P.    IV  3  :  30;  9b  :  63;    10:2, 

85. 
Sello,  G.    I  5  :  125,  217,  320. 
Semler,  Ch.     IV  9e  :  26. 
Semmig,  H.    IV  10  ;  95,  100. 
Sepp,  J.     I  6  :  209. 
Seraphin,  F.  W.    m  2  :  21. 
Servaes,  F.     13:  241,  284.    IV  10  :  57, 

117;  11:39. 
Seuffert,    B.      IT    4  :  2.     10;     5:46; 

9e:39,  Ul;   11:51. 
Sevin.L.    17:57/8.    IV  9d  :  3;  9e  :  53. 
Seyboth.  A.    15:  355, 
Seydlitz,  R.  v.     13:  207. 
Shorter,  CK.     IV  9d  :  19. 
Siebeck,  H.    IV  9a;  33,    106. 
Sieber,  L.     14:  120. 
Siegen.  K.    TV  4  :  43. 
Siegfried,  C.     IV  9c:  34 
Sieroka,  0.    15:  451. 
Sievers,  E.    II  3  r  3. 
Sillem,  C.  H.  W.    16:  127, 
Simonds.  W.  E.     IV  12  :  23. 
Simons,  L.     13:  52. 
Simonsfeld,  H.     11:  28. 
Singer,  H.  Vf.     IV  7  :  37. 

-  L.     in  4  :  33. 

-  S.     II  3:41.    IV  11  :73 
Sittard,  J      IV  5:52.   75;   9b:  77». 
Sitteuberger,  H.     IV  3  :  31. 

Sixt,  0.     HI  3  :  1. 

Slobet,  L.  A.  J.  W.     I  5  :  288. 

Snell.  0.     I  5  :  78. 

Sodeo,  H.  r,    II  7  :  10, 

Sohns      rV  10  :  117. 

Sohnrey,  H      15;  196. 

Sokolowsky,  R.     12:3.    lU  2  :  1. 

Soldan,  F.     IV  4.  18. 

Sommer,  R.     IV  10  :  40 

-  W      IV  3:  131. 
SommerbroJt,  E.     I  5  ;  81 
Specht,  FA.     16:  226. 
Speck,  E.     IT  10  :  103 

Speidel,  L.    IT  4  :  42.  131 ;  6  :  154 
Spengler,  F.     I    7  ;  60      IT  4:11,    19, 
40.     IV   10  .  69. 

-  0.     1  7  ;  17,     IV  6  :  i(K» 
Sp«r«.  V.    Ift», 


Autorenregister. 


-  0.    I?  4.10;  6 :15a 
Spiegel.  B     0  7  ;  M 

8piolh«geii,   P.     I    I  :  lg,    SiM.    IM 

115,  169.     (V  3:  123,  288. 
Spindler.     IV  6  :  51 
Spitt».  Ph,    III  2.  70.     IV  5:81. 
Spitteler.  c'    I  1  :  69j  8  :  75,  206. 
Sponer,  A.  »     IV  4  :  182. 
Sprenger,  B.    15:258.     II    3  :  9.    10, 

4:6.  7.    IV  3:  15.  53,  186;    4:  110. 

in,     118;    9o:26,    32'»;    9«:  18, 

114.  121.     IV  II  :75;n 
Staedler,    K       17:  31/2.     II    4  .  22 

6:6 
SUUI.  f      IV   12:  19 

-  O,   •.     16:  306 
SUhr,  Ad      IV  9b     101 
SUmford    C      15:  69 
Staminlor,  J.     16:  120» 
Staude,  P      I  6  :6I. 
StefTonhagen,  E      I  4  :  38.  139-40 
Stehle.  B      I  6  :  59,  189. 
Stehlich.  F      18:3. 

Stehlin,  K     14: 29. 

Steifif,    K      14:   11/2,    19-21       U) 

2  :39 
Steig,  B     12:6     IV  9a:  68;    9b:  4 
Stein.  A.    IV  10  :  124 

—  Armin.    IV  6  :  6. 

—  F.  F.     16:  153. 

—  Ph.      IV   3  ;  45/6;    6  :   23a,    24, 
9  b  :  54,  66,   109. 

Steinbaoh,  J.     16: 354. 
Steiner,   C.  J.    15  :  285. 

—  Bud.      I  3  :  2Ü,    183.    IV  9a  .  108 
bis  10;  9d:24. 

Steinhauseu,  Q.    I  3  :  130b;    6:8,   13, 
16,  28,  33,  84,  95,  299,  386;  8  :39. 

—  H.    16:117/8. 
Steinhoff,  B.    I   6  :  335. 
Steinmeyer,  E.    12:9. 

Steinthal,    H.     I    2  :  34.      IV    6  ■  84 

124. 
Stejskal,  E.    I  4  :  60. 
Stephan,  G.    16:    9,  142,  161. 
Stern,   Ad.     IV     1  :  34;     4  :  71,    96, 

128/9,  169. 

—  B.    IV   4  :  170. 

—  E.    n   7  :  76. 

—  Jl    B.  T.    IV   3  :  144,  169. 
Stern  er,  M.    16:  14. 

Stern  feld,  B.    IV   6  :  87. 
Stetteuheim,  L.    IV  5  :  66. 
Stichler.     IV   9e  :  61. 
Stiohling.  0   Th     IV    1  ;  164. 
Stiefel,  A.  L     11   4  :  23/4. 
Stiehl,  C.    IV   6  :  76. 

—  H.    IV   9e  :  36 
Stiernet,  J    B   I   1  :  9. 
Süeve.  F      II:  29-30. 
Stiller.  0.    IV  9e  :  88 

Stöckle,  J.    I  6  :  239a.    IV  8  :  186 

Stöger,  &I     IV    6  :  130. 

Stötzner,  P.    I  6     19.    III  6  :  12,  13 

Stöhn.  H     I    7  :  99. 

Stolte,  B.    I  5  :  150. 

Stommel,  K.    I  3  :  86,  163/6. 

Strack,   H.  L.    16:  83. 

Strater,  Edra.    IV  8  :  199.  200;  4  :  72, 

104;   10  :  2—4,  117. 
Strafforello,  O.    IV  3  :  139. 
Strati,  B.    IV    1  :  61. 
Strauch,  Ph.    I  6  :  13.     IV  1  :  1. 
Streber,   H.     II  7  :  55.    IV   «  :  186a. 
Strecker,  O.    I  6  :  67. 

—  W.    IV   6  :  38b. 
Strehly.  Q.    I    1  :  40. 
Strehlke,  F.    IV  9e  :  89-90. 
Streitberg.  W.    I  2 :  31.    IV  6  :  146/d. 

—  0   Qrafln  ?.    I   »  :  41a. 
Stricker,  W.    IV  9a  :  81. 
Strubel.  H.    I  8  :  219. 
Ströhl.  H     ly  »e  :  131. 
8tab«&T«>U    I  ft  i  810, 


Sophao,  It     1  7:68.    IT  I  :  1,  s    ij; 
9a  :  26,   104.   186;   9b  :  3;   9e  .  I,i 

10  126. 

Suttner,  B.  t.    IV    I  :  81 

Swart«,  V.  de.    I     6  r  390. 

SwIda,  P.    I   «  :  201. 

Hybel,  F.  L.  K,  T.    IV  fl  :  136. 

S>'amBl<51»kl,    8.      I    6  :  221;     8  :  2». 

11  3  ;  33;    4  :  12a.      III    3  :  6.     IV 
9a  :  108. 

Tait.  J.  IV  9a:  129;  9«:  9«. 
Tandem,  Felix  *.  C.  Spitteler. 
Taysen.  A.  t.    IV  1  :  79. 
Terbille,  A.    IV  1 :  99. 
Testorpf,  0.  L.    I  ö :  264. 
Teuber,  0.    IV  6  :  80. 
Tenffel.  W   S.    IV  6  :  99. 
Taascber,  B.    16;  212. 
Tentsch,  F.    12:  21. 

-OD.  16:  114. 
Thamm.  A.  I  6  :  107a. 
Theden,  D.  IV  3 :  102. 
Theile,  K.  I  6  :  86a 
Then,  Fr.  16:  167. 
Thoma,  A.  I  3  :  143. 
Thommen,  B.     I  6  :  158.     II  6  :  67; 

7  :  67.     IV  1 :  90. 
Thorbecke,  A.     I  6  :  126;  7  ;  39 

-  H.    I  4  :  92. 
ThUmmol,  0.    16:  391. 
TiefFeubach,  B.    IV  1  :  67. 

Tille,  A.    II:  50;  5:206.    II14;28;9. 
Tissot,  B.     I  1  :  7. 
Tivier,  H.    I  1  :  88. 
Tobien,  W.    1  6  :  211. 
Tobler,  A.    HI  6  :  20. 

-  G.     Ol  5  :  19. 

-  L.    I  6  :  68. 
Tollin,  fi.    I  5  :  8ia 
Tema,  B.  y.    IV  1  :  107. 
Tomanek,  E.    18:15. 
Tomaacheck.    I  7  :  40. 
Tomlinson,  Ch.    IV  9o :  81 ;  9e  :  Oa 
Tramdr.  0.    I  6  :  271. 

Trautmanu,  K.      16:  221.    IV  4  :  223. 

-  M.    I  8  :  56. 
Treiohel.  A.    16:  52. 
Treitschke,  H.  »     IV  1  :  tili. 
Troeltsch.  E.     II  7  :  64. 
Trojan,  J.    IV  1  :  63. 

Troll.  0.    IV  5  :  16. 

Trost,  L.    IV  1  :  244. 

Tsohackert,  P      15:  40Sa.     11  6  :  70; 

7:  25.    IV  6;  101.  115 
Tschiroh,  0.    IV  3  :  24/5;  4 :  14/6. 
TUrler,  H.    I  t ;  374*. 
Tomlirs,  K.    19:3 

Ubbelobde,  B.    1  d  :  204. 

üeberhorst,  K.     0  4.  27.     IT  10  :  78. 

üellner,  P.    17: 67. 

-  V.    I  7  :  57.  60,  69.    IT  «• :  2a 
Uhl,  J.    I  6  :  81. 

-  F.     IT  6  :  63. 
ühle,  U.    I  5  :  112. 

-  P.    n  4  :  16.    m  4 :  26 
ühlhorn,  A.     15:  187. 
ühljjf.    IV  4  :  219b. 
ühliri,  K.    I  5  :  369a -b. 
Ulrich,  A.    I  5  :  336. 

-  W.    in  4 :  1. 

(Jnbesoheld,  H.     I  7  :  14.     IV  1  :  9; 

9e:6;   10:  131. 
tJngern-Steraberg.    E.    Frhr.  r.     IT 

9a  :  107. 
Unruh,  TL    16: 317. 
Urban.  W.    IV  4  :  76. 
Utsiagar,  H.    1  3  :  47. 

Valbert.  G.    IV  1  :  177;  6 :  90t  10  :  7a 
Talentiii,  T.    I  8  :  98/9,  108,  184. 
iT  9ai7Si  91  {  9b:  14;  9«  :  84. 


Tallary-Badot,  &    I  l:S9 
TaUat,  L.    16:  295b. 
VarM«.  0.    IT  12  :  26. 
Varahaf  ea.  H.    II:  60. 
Vedel,  Tald.    I  8:28a 
Vel4e,  ran  der.    IT  4  :  77. 
VeniDg-IUuptmann,  Anna.     IV  6 :  U, 
Vott«r,  F.     III  5  :  18.    IV  8  :  29. 

-  P.    II  6:11.  74}  7:91. 

-  B.    I  6:21.    IT  6:7.  157». 

-  Th.   I  6:87.  117:86.  016:18,21 
Veyaaier.    IV  10:2. 

Viereck,  L.    II  7  :  28/9. 
Vigellua.    IT  10  :  88. 
Vockeradt,  II.    IT  9a:  61 
voller,  J.  B.    U  «  :  87. 
Vogel,  F.    IT  4  :  16a 

-  H.    IT  1  :  67. 

-  J.    IT  9a :  80. 
Togeier.    I  6 :  880. 
Togalraatar,  0.    I  « :  18. 
Togt,  W.    I  4  :  16/8. 

Toigt,  A.    18:  172;  «:6a     IV  6:19. 

-  B.    I  6  :  10a. 
-J.W.    1  6:824a. 

-  L.    I  7  :  64,  8a 
Tolbehr,  Th.    18:  131. 
Toick,  W.    IT  6:118. 
VolkmaoB.  L.    IT  7  :  6a 
Tolkmer.  f.    I  6 :  821 ;  « :  7. 
Tolksmaaa,  H.    II  8  :  29. 
Tos,  Jao.  da.    IT  9a  :  4& 
TrckUeky,  J.    IT  9e:  105. 

TnIpiu,  W.    IT  1  :29;  9b:68;  9e:2( 
11:1. 


Waohenhasaa,  U      IV  1  :  18a 
Wthdel,  H.    I  6  :  213. 
Waglar,  P.    I  6  :  291/a 
Wagnar,  H.  F.    16:  HS.    III  3  :  6. 
Wähle, J.    IT  9a  :  78.  118;  9b  :  I.  47. 
100;  9a :  128. 

-  V.    IT  «:  187e. 
Waiaar,  B.    I  6  :  229. 
Waiiar,  B.    DI  4  :  27. 
Walekar.  K.    I  1  :  6a 
Wald,  A.    IT  10  :  127. 

Waldbarg,  M.  t.  1  2  :  1, 18  ;  8  :  3;  8  :  16. 

n  4  :  Sa   III  2  :  22,  34.  46,  64;  3  :  4. 

IT  9a:  86;  11  :  37. 
WaldmiUler,  B.     I  8  :  170. 
Waldner,  E.    II  7  :  61. 
Walford,  L.  B.    IT  18  :  2a 
Walther,  C.    II  3 :  14/6;  4  :  §. 

-  0.    IV  10  :  3a 

-  W.    n  6  :  80. 

Walial,  0.  F.    13  : 1,  9.  9a  IT  8  :  83; 

4:81.  118;  6:  187;  10:117;    11  :  15. 

24,  82,  84.  49. 
Waniek,  O.    I  3  :  6.  IT  «  :  157. 
Ward.  A.  W.    IV  9  a  :  126/7. 
Warker.  N.    I  5  :  233. 
Wartenberg,  W.    19:6. 
Wasielewski,    W.  J.     r.      IV    4 ;  22P 

6:  169;  9a:  96. 
Wasserxieher,  B.    I  8  :  49. 
Wattandorf,  L.    IV  11  :  87(a 
Wabar,  F.    I  5  :  49. 

-  H.    n  7  :  12,  60. 

-  Heinr.    IV  1  :  2ia 

-  L.    I  7  :  10. 

Wechsler,  B.    IT  3  :  168.  233/1 

Wedde,  Theodors.     FT  6  :  206  a. 

Weddigen,  0.    II  2  :  2a 

W«ech,  F.  T.    I  6  :  80. 

Wegele,  F.  I.    I  8  :  11 ;  IT  «:  127. 181. 

Wohl,  F.    I  8  :  170. 

Wehrmano,  M.    16: 171/2.  224 

Waldung.    I  4 :  189. 

Waflen.  A.  t.  I  2  :  9;  8  :  143.  IV  3  :  28{ 

4:126,    189;  6:47;  7 : 6«{  9a:  73; 

9e:  16,  96/9;  10:111, 
W«iMok,f.    I8:10< 


Autor  enregist  er. 


246 


WeinLold,   K.     I  5  :  180;  8  :  5,   «.  IH 

4:27.    IV  4:80;  9e:19a. 
Weis,  L.    IV  6  :  87. 
Weise,  H.    I  4  :  53  e. 
Weiss,  A.  M.    15:  455. 

-  J.  G.    16:  136,  138. 

-  N.    n  7  :  82 

-  J.  B.  V.     IV  6  :  217. 
Weissenfeis,  B.    IV  3  :  23. 
Weisstein,  G.    IV  4  :  103. 
Weitbrecht,   R.    11:17:    3:109.     II 

7  :  34.   IV  1  :  219,  221. 
Weizsäcker,  P.    IV  3:32;  10:2. 
Welti,  H.    IV  4 :  192,  202,  328 ;  5  :  92, 

93;  9a:  93. 
Weltner,  Ä.  J.    IV  4  :  36;  5  :  57. 
Wendt,  G.    I  7  :  84. 

-  H.    I  6  :  37. 
Wenzel,  B.    II  4  :  33. 

-  G.    IV  7  :  38. 
VVerekshagen,  C.    II  7  :  79-80. 
Werner,  J.    H  7  :  102. 

-  K.    13:  142.    IV  1  :  204. 

-  0.    I  4  :  97. 

-  R.  M.  I  3:. 53,  89,  94,  140,  142; 
5:47.  III  2:6;  4:32.  IV  4:  17, 
161,  180,  189;  7:49;  9b  :  26; 
11  :  21. 

Wetz,  W.    I  1  :  24. 

Wetzel,  A.    I  4:  103;  5:313. 

-  E.    17:  33/4.  IV  3  :  43/4. 

-  0.    14: 54a. 

White,  H.  S.    IV  9a:  125a;  12  :  22. 

Whitman,  Sidney.     IV  1 :  114. 

Wiehert,  R.    I  3  :  87. 

Wichmann,  H.    IV  9e  :  34. 

Wieklein,  K.    IV  4  :  69. 

Widrnanu,  J.  V.     13:  231.     IV  3  :  37, 

151;  4:8,  191;    9b:  43;    11  :  42,  62, 

68. 

-  M.    IV  4  :  81. 

-  0.  V.    IV  3  :  30. 

-  S.    I  1  :  57. 
Wieek,  G.    I  6  :  32. 
Wiedemann,  Th.    IV  1  :  91;  6:  182d. 
Wiedersheim,  R.    IV  6  :  109. 
Wiegand,  W.    12:2.    IV  6  :  131. 
Wieland,  K.    16: 27. 

Wiermann,  H.    IV  1 :  119. 
Wiesenbach,  F.    15:  347. 
Wiget,  Th.    16: 38. 
Wigge,  H.    I  6  :  63. 


Wilamowit«  -  Moellendorf,    U.    t.      IV 

6 :  143. 
Wildenbmch,  E.  v.    IV  4 :  131. 
Wilhelm,  Friedr.    IV  1  :  232 ;  7  :  12. 
Wilke,  E.    I  6  :  40. 
Wille,  B.    I  3  :  36,   120/2,  203/4. 

—  L.    IV  3  :  155. 
Willomitzer,  F.    I  8  :  28.    IV  3  :  50. 
Winekelmano,  0.    I   5  :  147.    II  7  :  71. 
Windel,  H.    I  7  :  41.    IV  4 :  109. 
Windhaus.    I  6  :  132/3. 

Winter,  F.    III  2:9.    IV  9e  :  16,  21. 

—  G.  15:  8-9,  146,  333.  II  1:4. 
IV    1  :  71/2,  94;  4  :  146. 

—  J.     16:  194. 
Wippermann,  C.    IV  1  :  105. 

—  H.  IV  4  :  160;  5  :  48;  6  :  161, 
199. 

Wishaw,  B.    I  4  :  56b. 
Wistulanus.  H.    I  6  :  319. 
Witkowski,  G.    IV  9a  :  119. 
Witt,  de.    16:  40. 
Witte,  A.  M.     IV  6  :  37. 

—  F.    16:  200. 
Wittenberg,  G.    II  6  :  14. 
Wittmann,  C.  F.    IV  4  :  208—10. 

—  P.     I   4  :  70. 
Wlislocki,  H.  V.     15:  371. 
Wohlwill,  A.    15:  101a.    IV  6  :  175; 

10  :  31. 
Wolf.    I  6  :  160. 

—  A.  L.    IV  6  :  23. 

WolfF,    Emil.     I   3  :  158.     IV    4  :  82; 
6  :  16. 

—  Eng.  I  1  :  24,5;  3  :  92,  187; 
6  :  431.  n  6  :  3a.  IV  1  :  203: 
4  :  138;  5  :  14. 

—  H.  W.     IV    9b  :  42. 

—  J.  J.     16:  35. 
Wolfram.  G.    II   1  :  19. 

Wolkan,  R.    II  1  :  t ;  2  :  3;  4  :  38. 
Wolsegger,  P.    I   5  :  37Ca. 
Wolzogen,  H.  t.    I  3  :  68     IV  4  :  222, 

227. 
Wossidlo,  B.    15:  244. 
Wrangel,  Ewert.    I  3  :  25. 
Wresehner,  A.    IV  6  :  40. 
Wneke,  Ch.  L.    15:  239c. 
Wünsche,  A.    IV  6  :  47. 
Wunderlich,  6.     15:  261. 

—  H.    I.  8  :  12,    14,  38, 
Wurster,  P.    IV  6  :  5. 


Wurzbach,  Ct.      1    1  :  55;  2  :  27/8 

IV  5  :  56. 
Wustmann,  G.    I  4  :  23;  5  :  343;  8 :  59. 

II  3  :  17.     IV  6  :  124  b,  226. 
Wutke,  C.    I  5  :  402  d.    II  3  :  44. 
Wychgram,  J.    I  7  :  36.    IV  1  :  20. 
Wyking,  A.    I  5  :  175. 
Wyi^lel,  L.    I  7  :  51. 
Wyss,  A.     II  3  :  19. 

—  F.    14:6. 

—  G.  V.    I  6:116. 
Wyzew»,  T.  de    IV  3  :  228. 

Xanihippos.    I  3  :  32. 

Zabel,  E.    IV  3  :  160. 
Zacher,  J.     I  5  :  275. 
Zahn,  J.    III   2  :  36. 
Zanelli,  S.    IV   1  :  151. 
Zarncke,  E.    I   2  :  36.    III  3  :  4. 

—  F.     IV    1  :  223 
Zechlin,  A.    15:  309. 
Zedier,  G.    14:  85. 
Zeidler,  J.     III   4  :  15a. 
Zeissberg,  H.  t.    IV   6  :  195. 
Zenoker,  E.  V.    IV   6  :  32. 
Zenger,  F.    IIT  5  :  16. 

—  M.    IV  4  :  194,  216. 
Zergiebel,  E.  H.    17:  20.   IV  11  :  77 
Zernin,  J.    I   5  :  309a. 

Zeyneek,  R.  T.    13:  40/2. 
Ziegler,  B.    1   6  :  214. 

—  Th.    13:  142.    IV    6  :  87,  89. 

—  Rabbiner.    IV   12  :  13. 
Ziemssen,  L.    IV  3  :  205. 
Zimmer,  F.    II   7  :  30. 
Zimmermann,  M.  G.    IV   6  :  153. 

—  P.     I   4  :  25;  6  :  106/7. 
Zingerle,  J.  V.    15:  236.     III    5  :  6. 
Zingg,  E.    I   6  :  39. 
Zmidgrodzki,  M.  de.    16:  28. 
Zobeltiti,  F.  v.    IV   4  :  141. 

—  H.    rV  1  :  84. 
Zöller,  B.    I   6  :  152. 

Zola,  E.    I  1  :  3;  3  :  139,  201,  263. 
Zolling,    Th.    I   a  :  137.      IV    1  :  30 

205;  3  :  6;  4  :  83;   5:6. 
Zschommler,  M.    IV  3  :  104. 
Zürn,  L.    I  7  :  23/4. 
Zwenger,  F.  I  4  :  81 ;  6  :  84.  IV  12  :  45. 
Zwerg,  G.     I  6  :  199. 
Zwierzina,  K.    II  2  :  27/S. 


Sachregister. 


AbKlard  et  Heloise.     IV  11  :  83. 

Abbt,  Th.     IV  <5  :  1. 

ABC-BUcher  I  6  :  11. 

Abderiten.    II  3  :  26-30. 

Abel.    IV  7:1. 

Abele,  M.    II  4:17. 

Aberglauben.     I    6 :  10,   6(5—75,    80/3, 

210-26,    278  a.    III  1  :  15;   3:3.  IV 

Oe  :  18. 
Abraham    a    St.    Clara.    III    5  : 6,    23. 

IV  4:  IHO. 
Acoluthus.     IV  7  :  1. 
Acoste,  Uriel.    IV  4  :  123. 
Adamberger,    Toni.     IV    1:170/1;  4: 

05,  103/4. 
Addison,  J,    III  5:18. 
Adelmann,  A.  Graf.    IV  3  :  136. 
Adelphus,  J.    II  3  :  14. 
Aeneas  Sylvias.    I  1  :  27. 
Aerzte.    1  5  :  136/9,    142/3,   387/8.    III 

5:23. 

—  in  den  Komödien.  IIl  4 :  18. 
Aeacbylus.  I  3:  149.  IV  11  :31. 
Aestbetik.    I  1  :  2,   6-8,  19,    24.    13. 

II  1  :  16. 

—  der  Hlteren  Romantik.    IV  II  :  4. 

—  Normative.    I  3  :  31/5. 
Aesthopsychologie.     11:2. 
Agrioola,  G.    IG:  65. 

—  J.    II  3  :  14,  34. 

—  J.  F.     IV  7  :34. 

Agrippa  v.  Nettesheim,  H.  C.    15:  80. 

II  3  :  14. 
Abasverstoff.     IV  11  :  54. 
Abrthal.     I  5  :  354. 

Akademie,  Berliner.    IV  3  :  30;  11  :  13. 

—  der  deutschen  Sprache.    IV  1  :  212. 

—  s.  Schulen. 

Akten  s.  Handschriften. 
Aktientheater.     IV  5  :  2. 
Alamodewesen.    I  5  :  10. 
Alba,  Herzogin  von.     IV  10  :  73. 
Albert,  H.    III  2  :  20. 
Alberti,  Agnes.    IV  11  :31. 

—  C.    I  3  :  82.    IV  1  :  2. 
Alberus,  Erasmus.    II  2  :  3;  3  :  14. 
Albinus,  P.     II  4  :  17. 

Albreoht  V.  v.  Bayern.    II  7  :  12. 

—  Achilles  von  Brandenburg.   I  1  :  27. 

—  V.  Brandenburg-Kulrabach.  II  2  :  19. 

—  von  Maini.    11  I  :  6-6. 

—  J.  F.  E.    IV  1  :  92. 
Alchimisten.    I  5  :  10. 
Aldenhoven,  C.    IV  9a  :  3. 
Alemannisch.    IV  1  :  241. 
d'Alembert.    IV  1  :  84. 

Alexanders  GlUcks-  und  UnglOcksprobe 

III  4  :  16. 

Alexandriner.      lU  4  :  27.    IV  9e  :  71 ; 

10:117. 
Alexis,  W.    IV  4  :  127. 
Alfieri,  V.    IV  10  :  94. 
Alford,  R.  G.    IV  9a:  27. 
Allegorie.     I  3  :  127/8,  209. 
Allgemeine  Zeitung   in  Augsburg.    IV 

1  :  196. 
AUmerd,  H.    IV  1  :  17. 


Alroanaohe.     IV  1  :  21/7. 

Alpen.     I  ö  :  307. 

Alphart.     IV  11  :89. 

AlHted.     I  6  :  IH. 

Altenburg  bei  MeifseD.    I  6  :  100. 

Altenburg  n.  SachMD. 

Altersstufen   des   Menschen,    tehn.    I 

5  :  275. 
Altona.      I   6  :  326/6;     «  :  67/8.      IV 

3  :  48. 
Altwaster,  W.     15:  410. 
AIxinger,  J.  B.  v.    IT  1  :  233;  3:11. 
Amadisroman,    I  5  :  84. 
Amsdorff.  N.    II  1  :  6. 
'AyayfwQiaig,     13:1. 
Analytische  Kritik.     11:2,   6-7,    1», 

24. 
AnciUon.    IV  1  :  235. 
Andersen,  H.  Ch.    IV  3  :  64. 
Andrö,  J.     IV  96:36. 
Andreae,  K.    III  4:31. 

—  V.    III  5  :  10. 

—  Wilhelmine.    IV  10  :  8. 
Anekdoten.    III  5  :  6. 
Angelu«  Silesius.     IV  1  :  212. 

Anna  Amalia  von  Saohsen-Weimar.  IV 

96:  109. 
S.  Annenpreis.    II  2  :  37. 
Annolied.    IV  1 ;  241. 
Ansbach.    I  6  :  92.     IV  11  :  36. 

—  Karl,  Markgraf  v.     III  5  :  7. 
Anstandsgefühl,   gesellscbaftliohes.     I 

5:43. 
Anthologie,  Griechische.    IV  7  :  27. 
Anthologien.     IV  1  :9-20. 

—  zum  Schulgebrsuob.    I   7  :  68—92. 
Anthropogeograpbie.     16:11. 
Anthropologie.    1   1  :  2,  6. 
Anthropomorphismus.     I  3  :  36,  108. 
Anti-Romantiker.     IV  11:69-70. 
Antichrist,  Li.^d  vom.    II  7  :  12. 
Antike.  Drama.     I  3  :  150,  166. 

—  Sprache.    I  8  :  27. 
Antisemitismns.    I  6 :  172,  463/4.    lY 

7:70. 
Antithesis  Christi  et  Papa«.     II  7:38. 
Antengniber,  J.     IV  4  :  177. 

—  L.    IV  1  :  27;   3:132:  4:171-80. 
Aphorismen.    IV  S  :  75/6,  168,  176 
Appenzell.    III  5  :  19. 
Arcbenholtz,  J.  W.  r.    IT  I  :  «3,  236, 

6:127  a. 

Archive  in :  Berlin  IV  6  :  81 ;  DrMdcn 
IV  7:8;  EIsass-Lothringen  III 
5:10;  Frankfurt  «./M  III  5:2: 
Strassbnrg  III  5:11;  Stuttgart 
IV  5  :  76;  Trogen  UI  6  :  19;  Wer- 
nigerode m  3:8;  Weimar  IV 
5  :  68;  9b;  Wien  III  5  :  7 ;  Wiecteden 
m  6:28;    Zwickau  IV  5:61. 

d'Argens,  Marqnis.   IV  1  :  86;  7  :  1,  27. 

Ariosto,  L.    I  1  :  SO. 

Aristippus.    IV  3  :  82. 

AriBtophanes.  I  3  :  161/2.  lY  3  :  162; 
9e:32. 

Aristoteles.  I  3  :  1,  2,  53,  66, 142,  146/8, 
150.    lY  7  :  62;  10  :  63. 


—  PMtaMktopM  vom.    II  4  :  o. 
„Armansitanr'.    IV  11 :  19. 
Arminias    in   der  Litteratar.    I  I  :  49 ; 

II  1  :fl:  103:  179-80. 
Amd,  J.    III  6  :  10.   IV  1 :  23«. 
Amdes.  8t    II  8  :  8. 
Arndt,  E.  M.    IV  1  :  69,  160.  203;  8  :  48; 

6:  188. 
Ametb.  A.  ».    IV  1 :  170,  172,  I«. 
Arnim.  L.A.T.    in  3  :  6;  IV  1  :  3,  212; 

3:K3;  11  :  54/9. 

—  Elisabeth,  v.    IV  1  :  168,  179.  212; 
9c:  5;  11  :  64/6,  69-68. 

Arnold,  F.  C.     IV  9a  :  66. 

—  Bans.    IV  3  :  121. 

—  J.  O.  D.    IV  4  :  23'4. 
AmsUdt.     I  6  :  346. 

Artig  nnd  galant.     I  5  :  24.    in  1 :  41 
Arsneiwesen.  s.  Aente. 
Association.     I  3  :  36. 
Aston,  Luise.     IV  1  :  16«. 
Astrologie.    III  5  :  23. 
Atheninm.    IV  1  :  23« ;  1 1  :  4,  64. 
d'Aubignac.    13:2. 
Anerbach.  B.     14:6.    IV  1  :  190,    192. 

198,   202,   203,   209,  252;    3:122/6, 

202/3;  4:  128;  6:  1«9. 

—  J.     IV  3 :  122. 

—  S.     13:9. 

Anersperg.  A.  (A.  GrOn).    IT  1 :  31,  196. 
Aafkltrung.     lU  6  :  23.    IV  1  :  65,   69. 

235. 
Anftekt    19:2. 
Angsborg.    I  6  :  365.   II  1  :  6. 
Aogust  Wilhelm    v.  Uraunschweig.    III 

5:  1. 

—  II.  T.  Rrannschweig.    IT  "l :  21/8. 

—  III.  T.  Polen.     IV  7  :  8. 
Augnstenburg,  s.  Christian  Friedrieb. 
AngasUnas,  St     III  5  :  4. 
Auhrxitt.     11  1:1. 

Auktionen  roh->r  BBcher.    I  4 :  106. 
Ausbund  etlicher  schOner  Gssanf  (1588). 

II  7:97. 
Austriaoismen.    I  8  :  15,  5«. 
Ansllnderei.    I  6  :  10,  13. 
Ausstattung,  scenische.    IV  6  :  1. 
Antographen.    1  4  :  4-5. 
Ayrer.  J.    I  1  :  49.  U  1  :  1;  4  :  11,  88. 
Ayrenhoff,  C.  H.    I  1  :  49. 

Baader,  F.  t.  IV  6  :  117. 
Baarsortiment«.  I  4  :  14«. 
Babo.  F.  M.  v.  IV  4  :  36. 
Bach,  K.  Ph.    E.    IV  1  :  632  ;  4 :  IS. 

—  N.    I  «  :  84.    IV  14  :  44. 
Bacharach.     I  5  :  3.S3. 
Baeheri.  F.    IV  1  :  196,  198. 
Baden-Baden.    IT  11  :81. 
Radsna.    IT  4    108. 
Badewesen.    I  6  :  140,2. 

Bichtold.  J.     n    4  :  14.      HI     5 :  26. 

IT    7:  18;  9a:  118. 
Raehr,  P.    IV  1  :  8. 
Rimler.  J.    I  4  :  106. 
Birmann.    IT  I  :  203. 
Blaerl^  A.    IV  4  :  151/3,  164. 


Sachregister. 


248 


Baggesen,  J.    IV  1  :  29,  235/6. 
Bahr,  H.    13:  246.    IV  1  :  24. 
Bahrdt,  K.  F.    IV  1  :  1,  236 ;  7  :  69. 
Bailey.    IV  9e  :  96. 
Bälde,  J.    II  7  :  54. 
Ballade.    I  3  :  132/4. 
Ballet     III  1  :  21,  29. 
Balticus,  M.    II  2  :  12. 
Balzac,  H.  de.    IV  3  :  1,  202/3. 
Bamberg.    IV  3  :  81. 

—  Fürstbischof  v.    III  5  :  7. 

—  F.    IV  4  :  159. 
Bandello,  M.    HI  4  :  11. 
Banks,  J.    IV  7  :  27. 
Barante,  de.    IV  11  :  18.. 
Barbara.     III  4  :  27. 

—  Sophia  V.  Brandenburg.    III    3  :  1. 
Barbarossa.    I  6  :  153. 

Barbey  d'Aurerilly.    11:7. 

Bardeleben,  General,  v.    IV  1  :  196. 

Barlaeus.  C.    III  2  :  25. 

Barmen.    I  6  :  43. 

Bascb,  V.    12:  26. 

Basedow,  J.  B.      J^ß  :  22.      III  2  :  38; 

5  :  19.    IV  9e  :  25. 
Basel.     I  6  :  27. 
Basile.  G.  B.    IV  11  :  54,  58. 
Basilius  Plinius.    II  1:2. 
Bassompierre,  Marquis  de.    IV  9d  :  23. 
Batacchi,  D.    IV  9b  :  98. 
Batranek,  F.  Th.    IV  9ft  :  41. 
Baudissin,  W.  Graf  v.     IV   1  :  203;    11 

:30. 
Bauer.     I  5  :  16,  104/5. 

—  im  Liede.    II  2  :  27/9. 

—  Bruno.    IV  1  :  206. 

—  E.    IV  1  :  179. 

—  L.     IV  11  :  69,  83. 
Baiiernfeld,    L.      IV    1:27;     4:38, 

169-70. 
Bauernhaus.     I  5  :  Hl,  113/8. 
Bauernkrieg.     I    5  :  10,  105.    II    1  :  4 

III  1  :  11. 
Hauerntheater.    IV  5  :  26/9. 
Paumann,  N.     II  3  :  14. 
Baurabach.  R.    IV  1  :  17. 
Banmgart.  H.    IV  7  :  42. 
Baumgarten,  A.  G.    13:1. 
Bayer,  .T.    IV  9a  :  86. 
Bayle,  P.     IV  3  :  32 ;  7  :  14. 
Bayreuth.    IV  5  :  16.  82/5. 
Beatus  Bhenanus.    II  7  :  52. 
Beaumont,  F.    IV  7  :  27. 
Behel,  Aug.    IV  1  :  2. 

—  H.      I   4  :  13.       II    3  :  20.      IV  7  : 
27. 

Becher,  A.    IV  1  :  62;  6  :  165. 
Bechstein,  L.    IV  3  :  64,  67. 

—  B.    IV  9a  :  86. 
Beck,  H.    IV  10  :  29. 
Becker,  A.    IV  3  :  7,  191. 

—  K.  Friedr.    IV  1  :  68. 

—  H.    IV  9a  :  14. 

—  N.    IV  1  :  50. 

—  R.  Z.     IV  1:  241;  10:137. 

—  Sophie.    IV  6  :  15. 
Beer,  Michael.    IV  II  :31. 
Beethoven,  L.  van.    IV  1 :  170;  4  :  192, 

205/7;  9e:42. 
Befreiungskriege.    IV  1:5;  \l :  Üi. 
Behrisch,  E.  W.    IV  lle  :  116. 
Bekker.    IV  7:27. 
Bellamy,  E.    II  1 :  4.    IV  3  :  9-10. 
Benedix,  R.     IV  4  :  119. 
Bencke,  G.  F.    12:11.    IV  1 :  233. 
Benno  v.  Meissen.    II  7  :  45. 
„Beobachter",  d.     IV  11:19. 
Beredsamkeit.    IV  6  :  202a. 
Berendt,  M.    IV  9a  :  111. 
Bergbau.    I  0  :  152. 
Bergen,  Alexander  v.  Saphir.  Marie. 
Berger,  A.  v.    IV  4:139;  9a::j0. 
Bergfeuer,    l  5  :  199—200. 
Berlichingen,"Götz  v.   II  1:8. 


Berlin.  I  5:  20,  306a-15;  0  :  77,  103, 
104.  III  1  :  30.  3  :  226-35.  IV 
1:59,93,  166,  189:  7:125;  11:31,  .54. 

Berlioz,  H.     IV  9:23. 

Bern.    I    5  :  374/5.    IV  3  :  30. 

Bernard,  Mlle.    IV  7  :  27. 

Bernays,  M.    IV  7  :  27. 

Bernegger,  M.    III  1 :  14. 

Bernheim,  E.     II:  31. 

Bernritter.    IV  11:69-70. 

Berthold,  M.    II  1:1. 

Bertuch,  F.  J.    IV  4:  103. 

Beschreibung  (Poetik).    I   3  :  103/4. 

Bettina  s.  Elisabeth  v.  Arnim. 

Bewusstes  und  Unbewusstes.     I  3  :  45. 

Bethmann-Unzelmann,  Friederike.  IV 
lle:  67/8. 

Betonung,  sehwebende.    I  9:16. 

Bettelheim,  A.     IV  9a:  7. 

Beulwitz,  Karoline  v.     IV  1:241. 

Bevölkerungsdiehtigkeit.   I  5:11,  20. 

Bezold.  F.  v.     II:  45.     II  1  :  14. 

Bibel.  14:6.  III  5 : 5,  7.  IV  7:27; 
9e  :  75. 

—  u.  Renaissance.    II  1 :  15. 
Bibelkritik.     IV  1  :  236. 
Bibellibersetzung,    deutsche    d.  Mittel- 
alters.    II  6:20/1. 

Biberach.    IV  3  :  30/1,  141. 

Bibliographie,     I  4  :  33/4.     IV  4  :  100. 

Bibliophilen.    I  4:98/9. 

Bibliothekare.    I  4  :  100/2. 

Bibliotheken.  14:65/9:  in  Aachen  I 
4  :  84:  Altenburg  I  4  :  89;  Altdorf  I 
4  :  99  ;    Bromberg  I  4  :  90 ;    Butzbach 

I  4:79;  Detmold  I  4:91;  Dresden  I 
4:98;     Erfurt   14:92;     Erlangen  I 
4:99;  Frankfuit  a.M.  14:  85;  Frank- 
furt a.  0.    14:  93;     Fulda  I  4  :  81  ; 
Glossen  I  4:79-80:    Halle    I  4:98; 
Hamburg    II    6:9;     Heidelberg    I 
4:74/5;  Karlsruhe  I  4:76:  III  5:1 
Kassel  I  4:83:    Klagenfurt  I  4:86 
Krems     I     4:94;     Lissa     I     4:95 
Lübeck    III  5  :  29;    Lttbben  I  4  :  96 
Millstatt   I  4  :  86;    Münster  I  4  :  73 
Beichenau   I  4  :  76;     Reval  I  4  :  87 
Schneeberg  I  6  :  210:  Speier  I  4  :  88 
Strassburg  I  4  :  78:  .Stuttgart  I  4  :  77 
Upsala  I  4  :  70  ;  Weingarten  I  4  :  81 
Weissenfeis   I   4  :  97 ;     WolfenbUttel 

II  6  :  8.  IV  7  :  20/2;  WUrzburg  I 
4  :  70;  Zürich  III  5  :  19-20;  Zwickau 
I  4  :  88. 

—  von  P.  J.  F.  Danzenberg  I  4:84; 
Klinger  IV  4 :  22 ;  Beuchlin  I  4:76; 
G.  Chr.  Schwarz  I  4  :  99.  B.  C.  v. 
Senckenberg  I  4  :  79. 

—  Allgera,  deutsche.    IV  1  :  236. 

—  d.  schönen  Wissenschaften.  IV 
7:  1. 

Bibliotheque  germanique.    IV  1  :  235. 
Bichi,  Fra  Alessandro.     III  1  :  31/2. 
Bidormann,  J.    II  7  :  54 
Biedermann,  A.  E.    IV  3  :  149. 

—  W.  V.    IV  9a:  34,  76,  116. 
Bielefeld.     III  2  :  12. 

—  J.  F.    IV  1  :  86. 
Biene,  d.    I  5  :  287. 
Bierbaum,  0.  J.    IV  1  :  24/5. 
Biese,  A.    I  3  :  35. 

Bild  (Poetik).    IV  11  :  77. 
Bildergedichte.    13:4. 
Bilderpolemik  d.  Reformation.  117:  38. 
Bildung.     I  5  :  13,  434—42,  445. 
Bildungsroraan.    IV  11  ;  4. 
Biller,  Emma.    IV  1  :  6.  * 

Binz,  G.    18:  14. 
Binzer,  Frau  v.     IV  1  :  66. 
Biographie.    11:2,  7,  20.  24.  27. 
Biologie.    11:2. 
Bion.    IV  11  :80. 

Birch- Pfeiffer,  Charlotte.  IV  1  ;  189, 
198;  4:228. 


Birck,  Sixt.    II  4  :  13. 

Birlinger,  A.    12:  41/2. 

Bisehof.swe'rder,  General  v.     IV  1  :  92. 

Bismarck,  Otto  Fürst.  IV  1  :  56, 
93—117,  126,  158,  164,  179,  191,  200, 
203,  212,  221,  224,  226;  6  :  189.  192, 
201/2;  9e:26:  10:  109a. 

Bitzius  s.  J.  Gotthelf. 

Björnson,  B.     13:  278.     IV  10  :  94. 

BjBrnstahl,  J.  J.     IV  9  :  6. 

Blatter,  fliegende.    I  5  :  84. 

Blanckenburg,  M.  v.     IV  1  :  103. 

Blanckenburg (i./H.)    I  5  :  335;  6  :  106. 

Blankvers.    IV  11  :  12. 

Blaurer,  A.    II  1  :  6;  7  :  88. 

Blaurock,  Jörg.    II  2  :  18. 

Bleibtreu,  K.     IV  1  :  2,  17. 

Blennerhassett.  Lady.    IV  1  :  220. 

Bleuler,  S.     IV  3  :  145. 

Bleurer,  A.    II  2  :  3. 

—  Th.     II  2  :  3. 
Bloekbücher.    I  4  :  35. 
Blomberg,  H.  v.     IV  1  :  206,  209. 
Blutgen,  V.     IV  1  :  17,  32. 
Blum.  K.     IV  5  :  60. 

-  R.    IV  1:  170,  172/3,  178/9. 
Blumaner,  JA.    IV  1  :  3;  3  :  11,  18. 
Blume,  L.     IV  9a  :  12. 
Blumenbach.  J.  F.     IV  1  :  29. 
Bluraeuhagen,  Ph.  W.  6.  A.   IV  1  :  190. 
Blumenthal.  Osk.     IV  1  :  17 ;  5  :  72. 
Blumhardt,  J,  Ch.    IV  1  :  125. 
Bluntsehli.  J,  C.     IV  1  :  198. 

Bobö,  L.     IV  9a  :63. 

Boccaccio.  6.     II  3  :  1 ;  4  :  25,  33. 

Boccage  (Schauspieler).    IV  12  :  U. 

Boccalini.    III  5  :  13. 

Bochum.     I  5  :  331. 

Bode,  J.  J.  Ch.      lY  3:  11;    4:  103; 

7  :  12. 
Bodecker,  J.    15:  377. 
Bodenstedt,  F.  V.    14:5.     1V1:17,  3-J; 

6:  137. 
Bodmer.  J.  J.     I  1 :  49;  2  :  3;    3  :  1.  .5. 

III    2:1;     5:  18-20.     IV  1  :  1,  41 ; 

3:  11,  30;  6:  125,  157a,  b;  7  :  18. 
Bock,  J.  M.     IV  10  :  68. 
Böcking,  E.    IV  1  :  203;  11  :  15. 
Böhlau,  Helene.    IV  3  :  121. 
Böhm,  J.    I    6  :  145. 

—  P.     I  4:  81. 

—  Theaterdirektor.    IV  10  :  68. 
Böhme,  J.    I  5  :  80.    IV  11  :  19. 

-  W.    II  2  :  C. 

Böhmen.    16:129.    111:1.    IV  11:. 54. 

Böhmer,  G.    IV  1  :  58;  11  :  57, 

Böhmische  Brüder.    II  7  :  31. 

Bölte,  Amely.    IV  3:  110. 

Börne,  L.  IV  1  :  184;  10  :  109a;  12:  3. 

Börner.    IV  7  :  1. 

Böttiger,    K.      IV    1  :  236,    239,    252; 

4  :  25 ;  10  :  106. 
Boie,  H.  Ch.    IV  1  :  232/3. 
Boileau,  N.     IV  3  :  18. 
Boisseröe,  J.    IV  1  :  59;  11  :  89. 

-  S.     IV  1  :  59;  11  :89. 
Bojardo.    I  1  :  50. 

Bolte,  J.    II  4  :  13.    III  4  :  2. 

Boltz.  V.    II  4 :  13. 

Bomhover,  A.    II  1  :  2. 

Boner.  H.    II  7  :  50. 

Bondeli,  Julie.    IV  3  :  30. 

Bonn.    I  6  :  88. 

Bonstetten.    IV  1  :  235. 

Bopp,  F.     I  2:29,  30/4.      IV    II  :  l;t  i. 

Borcke,  v.,  Kabinetsrat.     IV  1  :  92, 

Borgeest,  J.  B.    III  5  :  17. 

Bornemann,  J.  W.  J.    IV  1  :  203. 

Bessert,  A.    I  1  :  88. 

Botanik.    11:7.    III  5  :  5,  23. 

Bote,  II.    113  :8. 

Bourget,  P.     I  1  :  7,  13;  3  :  1«2. 

Boursault,  E.    IV  10  :  94. 

Boaterwek,  F.    IV  1  :  235. 


24fl 


Sachregister. 


HoiborKor.  R.     IV  7  :  13;  10  :  128. 

lirailivogol,  A.  E.     IV  1  :  180;  4  :  120. 

Urauche.    I  5:194-211,  301. 

liralini,  0.     IV  4  :  85. 

liraiiinaior,  J.     13:1. 

Ilrak»!,  T.     II  1  :  2. 

liranconi,  Marie  Aiitunio  r      IV  7:04; 

Oe  :  ÖO. 
Ilrand,  J,    IV  1  :  24/5. 
Brande?,  G.    I  3  :  278.  281.    IV  1  :  132, 
Itrandis,  M.     U  3  :  8. 
Itruiit,  S.    II  1:8;  3:14,  34,40;  4:33. 
Itraun.  E.     12:0. 

-  H.     I  f.  :  93. 

-  J:     IV  1  :  134. 
üraunsberg.     I  0  :  108. 
Itniunschwoig.     15:333.     II   1  :  (i.    IV 

1  :262;  7  :  21. 
Kraut  der  HOlle.    III  4  :  35. 
Hreclilstear.     1  5  :  264. 
lirechter.  Pfarrer.    IV  3  :  141. 
Itredenbaoh,  M.     IC:  187. 
üreitenbach,  G.  A.  v.     IV  7  :  10. 
üreitingor,   J.    J.     12:3.      III    2:  I; 

5  :  18/0. 
Hromen.     1  t!  :  109. 
lirentano,  Cl.    IV   1:3,  226/7;  10:117; 

n  :37,  54/8.  60/1,  98;  12:4,  36. 

-  Maxe.     IVl  :5. 
Itrentol.  G.     II  1  :  1. 
lirenz,  J.     II  1  :G;  3  :  14. 
Itreslau.     I  6  :  94.  06,  08. 
Hretzner,  C.  F.    IV  4  :  35. 
Uroiining,  G.  v.     IV  4  ;  206. 
IlreTiiirium  Moguntinum.     I  4  :  10. 
Brief.  Geschiehte  des.    I  6  :  13— 13  f. 
Itriefsteller.     I  5  :  13. 
Hricfwechsel.     I   2:12.    III   1:14.   21. 

23,  25;  5:1.    IV  1  :  232-64;  3:30. 

104,    109,    115.    115a.    122,    125,   141. 

168,     170—80;    4:15/6.    103/4,     128, 

155,  150,  176,    178/0;   7  :  10/2;  8  :  4; 

7:10/2;   8:3-6;   Oa  :  2-20,   66-72; 

Ob:  2— 20,  23/7;     11  :  83-86. 
Krieg.    I  6  :  95. 
Uriegel.  W.  C.     IV  5  :  77. 
Urin.     IVl:  232. 

Brink,  U.  ten.     I    1  :  19,  24.    IV  9c  :  1. 
Hrinkmann,  .lohn.     IV  3  :  121. 
Hrinzig,  J.     III  5:' 6. 
I'.rion,  Friederike.     IV  9e  :  15,  78. 
Hrockes,  H.  B.     III  2  :  34;   5  :  17. 
Brösfigkö.  Frau  v.     IV  Ob  :  8—0. 
lirooke-Joceline,   Elizabeth.     III  6  :  10. 
Browning.     IV  9e  :  96. 
Bruchsal.     I  6  :  00. 
BrUel.     I  6  :  105. 
Brühl,    Christine    Grllfln.     IV   9b:'2; 

Oe :  37a. 
Brönn.    I  6  :  160. 
Brtlmmer,  F.    IV  9a :  45. 
Bruno,  J.  de.     II  3  :  20. 
Bruneti^re,  F.    11:7,  10,  11,  14/5,   10. 
Brunn,  Friederike.     IV  1  :  236. 
Bruno,  Ch.    II  4  :  25. 
Brunswiok,  Therese.     IV  4  :  206. 
Brutus,  M.  J.     IV  Oe  :  49. 
Bucer,   M.    II  1  ;  6 ;  7  :  33.  50,  69—82. 
Buch,  L.  V.    IV  1  :  135. 
Buch  der  Natur.    I  4  :  17. 
Buch  der  Weisheit.     14:17. 
Buchbinder.     I  5  :  395. 
Buchdruck.     II  1  :  20.    I  8  :  1,  5,  7:  in 

Antwerpen    I   4:26a— 27;   Augsburg 

1  4  :  16/8;   Arignon    I  4  :  8-9;    Biel 

I    4:30;    Hailand    I    4:21:    Maint 

I  4  :  10,  26;  München  I  4  :  15;  Rom 
14:20;    Strassburg   I   4:  11 '4,    22. 

II  4  :  33. 

Bucher,  L.     IV  6  :  189. 
Bncheinband.    I  4  :  153/6. 
BucheriShlung.     I  3  :  97. 
Buchgewerbe  in  Basel.    I  4  :  29. 
Buohh&ndlorbibliographie.    I  4  :  52/6. 


Buchhandel.    I  4  :  103-61 
Buohholx,  Pampbletift.     IV  1  :  WA. 
Kuobnar,  A.    12:3.    III  J  :  1 

-  W.     IV  0»  :  2,  »4. 
Buohwald,  0.    II  6  :  1. 
Buckle,  Th.     11:2.    II  1  :  6. 
BOoherabiati.    11:2. 
BQcheraniolgen.     I  4  :  106/7. 
Bttcherlotterien.    I  4  :  108. 
BUohermesae,  I/elpxignr.    I  4  :  112. 
BUeherrarseichnUse.     I  4:61. 
Btlchlein  rom  Brotbreehen.    II  7  :  41 
BUchner.  0.     IV  4  :  121. 

-  K.  L.     IV   I  :  32. 
BUckebarg.     16:2«. 
BOhne.     IV  5  :  4-13». 
BUhnenbearbeitnogen.     IV   4  :  :m,   l.'il 

132. 
BUbnenfrsUpiele.     IV  6  :  82/6,  Hü. 
BOhnenkantt    I  3  :  163-72. 
BUhrer,  V.  M.     IV  11  :  «9-70. 
Bahrten.  L.     IV  11  :  09-70. 
Blllow.  Fritz  T.     IV  1  :  240;  11  :  86. 

-  HippolyU.     IV  1  :  144. 

Borger,  G.  A.     13:  133.     IV  1  :  8,  66, 

82.  282/3.  236;  3:  41/2;  10:  117. 
BUsum.     II  3  :  :UI. 
BUsiing,  C.     I  5  :  i;i 
Bugenhagen,  Elisabeth.     II  7  :  00. 

-  J.     116  :  23,  67 ;  7  :  06/8. 
Bulissus,  J.  G.    III  2  :  8. 
Bullinger.  H.    II  1  :  0. 
Bulthaupt.  H.     IV  1  :  32,  111. 
Buno.  J.    I  0  :  12.    III  6  :  12/3. 
Bunsen.  C.  J.  v.     IV  1  :  16«,  168,  212, 

221;  6  :  132,  188-188b. 
Burg  s.  Enk  t.  d.  Barg. 
Burg,  die.     I  5:  16. 
Burgund.  Herzog  von  (FaDtuaeht«p!eI). 

II  4:0. 
Burke,  E.     IV  11  :  10. 
liurkliardt,  C.  A.     IV  9a  :  73. 
Burineister.     II  4  :  41. 
Bursian.  K.    12:17. 
Busch,  W.     IV  6  :  227. 
Busche.  H.  T.  d.    16:  187. 
Burschenschaft.     IV  1  :  179. 
BuHinann,  Augnste.     IV  11  :64. 
Buttler.  S.     IV  3  :  30. 
Byron,  Lord.   IV  1:66,  138,184;  11:19. 

Cabet,  E.    IV    3  :  9. 
Caesar.     IV    1   :  156,  169;  »e  :  40. 
CagUostro,    Graf.    lY    1  :  162. 
Calderon,  P.    III  4  :  16.    IV   8  :  148; 

4  :  24a;  11  :  19,  64. 
Calvin,  J.    II    1:6. 
('amorariuB,  J.    I   6  :  169. 
Cammerlander,  J.    II    4  :  3S. 
(Umoens,  L.    IV    11:  10. 
Campanella,  Th.     IV   3  :  0. 
Campe,  J.  H.    IV    l  :  241 ;    S  :  64. 
Canitx,    F.  R.  Frhr.  t.    18:4. 

-  u.  Dallwiti,  C.  E.  W.  T.    IV  1  :  182. 
Capito,  W.     II    7  :  16,  69. 
Cardanat,  H.     I  6  :  80. 

Carlos,  Don,   Infant  ron  Spanien.    IV 

10  :  73. 
Carlyle,  Th.    I  1  :  8;  8  :  82.    IV  8  :  70. 
Carmer,  J.  H.  C.  Gmf  t.    IV    1  :  71. 
Carpser  (Arzt).    III    6  :  17. 
Carriire,  M.     IV    1  :  32:    6  :  03-98«. 
Carstens.  A.  G.    IV    4   :  9. 
Caasel.     I   5  :  34«;  6  :  88. 
CasUIdi,   P.     14:7«. 
Castelli.  J.  F.     IV    1  :  31 ;    4  :  103. 
Castelretro.    13:2. 
Cecchi,  0.    IV    7  :  27. 
Celle.    I   6  :  386a. 
CelUn,  C.    I    1  :  46. 
Cennir.     I    4  :  132/4.     m   6  :  1.    IV 

6  :  18«. 
Cantlirre,  Mrs.    IV     7  :  27. 
Cento.    13:4.    HI  3  :  I. 


CefMM.  dn.    IV   7  :  11. 

i-trt.  K.  r.    IV    1  :  ISO. 

OrfanUa.  M.    II    1  :  1.     IV   12  :  21. 

t  haland.     I    6  :  17U. 

Chamiaao,  A.  T.    14:6.    IV   8  :  8S( 

«  :  1871. 
Cbapalaina.    I    S  :  1 
„CbaoB",  daa.  IV Ob: 00;  «c:«;  II  :M. 
Chnraktar  da«  Ennntwarkn.    I  I  :  S,  8. 
CbariM  (Barlin).    IV  II  :  85. 
Chamia.    I    1  :  «.  7. 
CUij  rSantkritiat).    IV   II  :  13. 
I  iKxloTJeokl,  D.     IV  I  :  66. 
CbCre  in  dautaehan  Draaa.  IV  9a:  II. 
CbriaUntaa.    I   6:456/«.    IV  1:05. 
Chriati  Oabart.    in   4  :  27. 
(hriatiao  IV.  t.  Dinaawrk.   III   I  :  SS. 

-  VII.  T.  »aaamark.    IV   Oa  :  IS. 

-  Friadricb   roa  ADsnatanbarg.     IV 
10  :  10. 

Cbriatiana    Sbarhardiaa   fon    Snakaa«. 

in  S  :  44. 
ChriaUieh  Ma7ttaad^  d.    III  S  :  5. 
Chriatliehar  BitUr.    U   l  :  I. 
Chronagk.  L.     IV  5  :  6—10. 
Chroniatan.    I  «  :  108/0.    III  6  :  10. 
Chrraana,  8.    III  4  :  86. 
Char.    II    1:7. 

Ciartraa,  F.  L.  D.   s.  Langlob,  F. 
Ciearo.     I   «  :  166. 
Cichin,  K.  r.    IV  7  :  20. 
CiUU.    11:2. 
Ctaar,  B.    IV  1  :  32. 
Claadina,  M.     13:  130«.      IV   1  :  S. 

191 ;  9a  :  1«. 
Claoaewiti,  K.  r.    IV  I  :  03.    1S>.  ISS. 
Claaaby.     12:0. 
Clamena  (Hymnolog).    III    2  :  38. 
Cleobulus.     III  6  :  13. 
Clodins,  Cb.    III   2  :  3. 

-  Cb.  A.    IV  I  :  232;  «a  :  III. 
Clntenins.  J.    III  5  :  10. 
Coburg.     I  8  :  72,  8«. 

Coewji,  8.  Frbr.  t.    IV    1  :  70. 
COUd,  Kriagsrat  r.    IV    I  :  03. 
CoiUr.  V.    I  6  :  142. 
Col•ridg^  8.  T.    IV  II 
ColUn,    H.   T.      IV     1  : 

103. 
Colambaa,  Ck.    D  1 
Comanina,    A.      I    « 

7  :  67.    ni  6  :  13. 
Comta,  A.    I  3  :  46. 
Concordia.    IV   II  :  10. 
Congrava,  W.    IV   7  :  27. 
Conrad.  M.  O.    IV  1  :  24/6:  3  :  S37. 

-  -  Baalo,  Maria.    IV  1  :  24. 

-  r.  Saltbarg   a.  Wirfl.  M. 
Conradi,  H.     13:  24«. 
Constant,  H.  B.    IV  I  :  2:16. 
CoaU.  P.  d«.    13:1. 

Con«,  K.  Ph.    Vr  II  :  «9-70. 
Cordna.  B.    U   7  :  46. 
Corfta.    IV   12  :  1«. 
Comailla,    P.    I    8  :  I.      IV     7  :  27; 
Oa  :  IS. 

-  Tb.    m  4  :  S. 
ComaUna.  M.    n  S  :  S. 

-  P.  T.    IV  1  :  »4;   II  :  n% 
Corabh,  F.    IV  »a  :  27.  128. 
Corpna  Baforaatanw.    II  7  :  6.  «». 
CoaUttobla.  C.  L.    IV  6  :  7.^ 

Cotta.  J.  G.  T.     IV    4  :  103:   Oa  :  13, 

130;  II  :  6. 
Coapland,  Mra.    IV  Oa  :  S1. 
Cramer.  JA.    IV  1  :  2S^. 

-  D.    U  4  :  17. 

Cranach,   L.      U    I  :  8:     7     .-M.    IV 

1  :  SSO. 
Cr4bUIon,  P.  J.  da.    IV    Oa  :  47. 
Craiianacb,  W.    I   1  :  40;   8  :  4. 
Craataar.  F.    IV   11  :'S 
Criaobittgan,  Baichsgraf  P.  B.  la    III 

6  :  10.  « 


:  6. 
170; 

SQ. 
17/8, 


4  :  85/«, 


SS.    n 


Sachregister. 


250 


Crimmitschau.    I  6  :  344. 

Crisp.    IV  7  :  27. 

Croissant-Rust,  Anna.    IV  1  :  24/5. 

Cropp,  F.  A.    IV  3  :  11. 

Croy,    Herzogin  Anna  v.      III    ö  :  10. 

-  Herzog  E.  B.  v.    in  5  :  10. 
Croy- Teppich.    I  5  :  120. 
Cruciger,  C.    II   7  :  6. 
Crusius  (Theolog).    IV   7:1. 
Cueva,  J.  de  la.    III  4  :  33. 
Cuvier,  G.  L    Ch.  F.  1).    II:  8. 
Cyrillus.    n   3  :  14. 

Dach,  S.  III  1  :  17;  2:3,  19,  20. 
Dachröden,  Karoline  v.    IV  1  :  241. 
Dämonen.    III  3  :  3. 
Dahlmann,  F.  C.      12:6.      IV  1  :  61, 

168,  179,  203,  205,  221. 
Dahu,    F.     15: 433.      IV    1:17,    32, 

198—201,  209,  221;  3:  212—3. 
Dalberg,  Karl  Fürst  v.    I  11  :  89 
Danctelmann,  N.  B.    III  1  :  22. 
Dannenberg.    I  6  :  106* 
Dante.     IV  7  :  27;  9e  :  80;  11  :  80. 
Danzcl,  Th.     IV  7  :  1,  13,  16,  27. 
Danzig.     I  5  :  319;  6  :  74,  100. 
Darnmann.    IV  7:1. 
Darwin,  Ch.    I  1  :  8;  3:  91. 
Dasypodius,  P.    II  3  :  34. 
Daub.    IV  6  :  117. 
Daudet,  A.    IV  3  :  1. 
Daumer,  G.   F.      IV  1  :  228;  10:  139. 
Davenant,  W.    IV  10:  117. 
David,  C.    IV  4  :  18. 

—  J.  J.     IV  3  :  223/4. 

-  P.  J.     IV  1  :  252. 
Dawison,  B.    IV  3  :  231. 
Decamerone.    II  3  :  1. 
Defo6,  D.    III  3  :  6. 
Deinet.    IV  4  :  15. 
Deismus.    IV  1  :  236. 
Dekorationsmalerei.    IV  5  :  1. 
Dekorationstechnik.    IV  5  :  1. 
Delacroix,  E.    IV  9a  :  9. 

De  la  Motte,  s.  Fou(iu6. 
Denis,  M.    IV  1  :  3. 
Donnert,  E.    IV  9a  :  107. 
Denso  (Stargardt).    13:5. 
Derschau,  F.  v.    IV  4  :  4;  9e  :  47. 
Desjardins.    I  1  :  11. 
Des  Periers,  B.    II  3  :  20. 
Dessau.    I  6  :  159. 
Dessoir,  L.    IV  1  :  189. 
Destouches,  Ph.  N.    IV  7  :  27. 
Determinismus.     11:6. 
Detmold,  J.  H.    IV  1  :  196. 
„Deutsches  Museum".    IV  11  :  19. 
Dement,  E.    IV  1  :  189,    196.     IV  3  : 
231;  4  :  125,  128. 

-  F.    IV  1  :  189. 

—  0.    IV  9e  :  22. 
Dialektdichtung.      IV    1    203;    3  :  50, 

118-24,  127-31. 
Dialekte.    IV  4  :  23/4,  25a,  186. 
Dialoge.    II  7  :  12. 
Diaz.    II  1  :  20. 

Dichterisches  Schaffen.   I  3.   IV  9e  :  60. 
Dichterkrönung.    HI  5  :  13. 
DichtennUtter.    IV  1  :  65. 
Dichternamen.     I  1  :  58/9. 
Dichterpensionen.    IV  5  :  14. 
Dichtung  und  Wahrheit.    I  3  :   112/9. 
Dichtungsarten.    11:8,  20. 

—  Scheidung  der.   I  3  :  53,  100, 153/4. 
Dickens,  Ch.    IV  3  :  78 

Didaktik.    III  5.  IV  6. 

Diderot,  D.    IV  7  :  27;  10  :  76. 

Diepenbrock.    IV  11  :  54. 

Diericke.    IV  1  :  232. 

Diesterweg,    A.      16:  38a— 40,   42/4, 

46-55,  67,  62/3. 
Diesterwegfeier.    I  6  :  43,  59,  64. 
Dieterich,  C.     II  6  :  32«. 
Dietrich,  V.    II  1  :  6. 


Dietz,  H.    IV  9a  :  107. 

—  L.    II  3  :  14. 
Dilettantentheater.    FV  5  :  26/9. 
Dilettantismus  der  Kritik.    11:8. 
Dilherr,  J.  M.    III  5  :  10. 
Dillenburg  s.  Nassau. 

Diller.    II  7  :  9. 

Dillingen.  I  6  :  121. 

Dilthey,  W.    I  1  :  27. 

Dingelstedt,  F.     I  6  :  85.      IV   1  :  6, 

196/7;  1  :  252;   4  :  125;   12:43/5. 
DinkelsbUhl.     I  5  :  15. 
Diotima.     IV  11  :  39,  49. 
Diplomatie.    III  5  :  26. 
Dirichlet,  L.    IV  1  :  166. 
Disconrse  der  Mahlern.    III  5  :  18. 
Dissel,  K.    III  5  :  24,  25. 
Dittmar,  H.     III  5  :  10. 
Dittrich,  M.    I  5  :  426. 
Dobbert,  E.    IV  9a  :  88. 
Docen,  B.  J.    II  2  :  28. 
Döbbelin,  Th.     IV  5  :  2,  53. 
ÜOcklitz.    I  6  :  97. 
Döllinger,  I.  v.     IV  1  :  56,   179,  225/6; 

6  :  120,3. 
Döring,  Th.    IV  1  :  189. 

—  J.  V.  IV  7  :  24. 
Döschnitz.  I  6  :  74. 
Dohm,  Ch.  W.    I  5  :  178. 

—  E.     IV  1  :  189. 

—  Hedwig.    IV  4  :  122 
Dohme,  B.    11  1  :  15. 
Domanovszski.    II  1  :  21. 
Dombrowski,  S.    II  7  :  57. 
Dominicus,  Musketier.    IV  1  :  80. 
Donaueschingen  I  6  :  90. 

Don  Juan.      HI   4:32/3;     5:23.    IV 

4  :  189 ;  9  e  :  35. 
Donner,  J.  J.  Ch.    IV  11  :  31. 
Dorf.    1  5:  16,  114/5. 
Dorfgeschichte.     IV  1  :  198;   3:122- 

124,  127—30. 
Dorfschulen.     I  6  :  136/7,  175. 
Dorfschulmeister.     I  5  :  10. 
Dorfschulwesen.    I  6  :  180. 
Dorothea  v.  Kurland.     IV  1  :  30. 
Dorpat.     I  6  :  117. 
Doviat.    IV  1  :  179. 
Draeh,  E.    IV  5  :  5. 
Drama.     II  4.     ID  4.     IV  4;    9e.     I 

3  :  142—50.  II  3  :  43.  III  5  : 
23;      in    Basel    II   4  :  13;      Bayern 

II  4:31;  Böhmen  II  1:1;  4  :  38 ; 
Elsass  II  4:33;  Franken  114:21 
—30;  Frankreich  IV  10:117;  Ham- 
burg IV  4  :  1;  Hessen  II  4  :  20;  Liv- 
land   II   1:2;    Niederdeutsehland  II 

4  :  40/3;  Oesterreich  II  4  :  37; 
Sachsen  II  4  :  15/9 ;  Schlesien  II 
4  :  39;  Schweiz   II  4  :  13/4;  Spanien 

III  4:16;  Wien  IV  4  :  35,  37,  164 
—168;  Württemberg  II  4  :  32; 
Zürich  II  4  :  13. 

—  bürgerliches.    IV  4  :  35— 5  a. 

—  geistliches  des  M.-A.     H  4  :  1—8. 

—  geschichtliches.    III  5  :  19. 

—  Hohenzollern.    IV  4  :  127. 

—  lyrisches.    IV  4  :  7. 

—  Technik.    IV  7  :  29. 
Dramaturg.    IV  5:1,  62. 
Dramaturgie.     IV  4:5a,  24a. 
Drama  und  Epos.    I  3  :  12. 
Drayton,  M.    III  2  :  25. 
Drechsel,  F.    16:  65. 

Drey  (Scliauspieler).    III  4  :  16. 
Drobisch,  M.  W.    IV  1  :  2. 
Droste-HUlshofF,  Annette  v.  IV  1  :  111; 

3  :  113,  237;  11  :  57. 
Droysen,  J.  G.    II:  27.    IV  1  :  64. 
DruflFel,  A.  v.    11  1  :  6. 
Dubos.  Abbö.    IV  7  :  1. 
DUbring,  E.    IV  1  :  2. 
DUntzer,  H.    IV   5  :  68;    7  :  70;    9a  : 

118,  123-3  a. 


Dürer, 'A.    II  1  :  8,  19—20. 
DUrler,  J.  t.    15:  373. 
Dürr,  A.     IV  1  :  194. 
Düsseldorf.    16:87/8.    IV  12  :  17. 

—  Malerschule.    IV  1  :  249. 
Duhan,  J.  E.     IV  1  :  74. 
Duisburg.  I  6  :  109. 
Duncker,  A.    IV  1  :  206. 

—  M.     15:  420.    IV  6  :  134. 

—  Lina.    IV  1  :  206. 
Durantius,  Z.     II  7  :  38. 
Duranty,  E.     I  3  :  263. 
Dusch,  J.  J.    IV  3  :  18. 
Dyk,  J.  G.    IV  10:117. 


Eberhard  im  Barte,  Graf  von  Württem- 
berg.   III  3:1. 

-  A.    IV  6  :  117. 

-  J.  A.     IV  1  :  233. 

Eberlin,    J.     v.    GUnzburg.     113:14; 

7  :  49,  102. 
Ebers,  G.    IV  1  :  17,  32;  3:211. 
Eberstein,  Graf  J.  J.  v.    III  5  :  10. 
Ebert,  Ad.    III  5  :  10.   IV  1  :  196. 

-  J.  A.     IV  1  :  232;  7  :  12,  27. 
Ebner,  A.    IV  1  :  27. 

-  G.    II  7  :  61. 

-  -Eschenbach,     Marie    v,    IV  1  :  6, 
16/7,  31/2;  4:  128;  6:27. 

Ebrard,  J.  H.  A.    IV  1  :  225. 
Echtheitsfragen.    I  1  :  32. 
Eck,  J.     II  1  :6;  6:66. 

-  S.     II  7  :  12. 

-  L.  V.     II  1  :  6. 

Eckenberg,  d.  starke  Mann     IV  5  :  52. 
Eckermann,  J.  P.    IV  1  :  203 ;    9  e  :  87, 

118,  124. 
Eckstein,  E.    IV  1  :  17;  3  :  215/6. 

-  U.     n  4  :  33. 

-  Baron  v.    IV  1  :  235. 
Edelsheim,  Geheimrat  von.    IV  9e  :  60. 
Eggers,  F.     IV  1  :  198,  206,  209. 
Egloff,  Elise.    IV  3  :  124. 
Egloifstein,  Henriette  v.    IV  9  :  100. 
Egranus,  J.  S.     16:  65. 

Ehe.    I  5  :  458. 

Ehenheim,  Ritter  v.    15:  34. 

Ehrenberg,  H.    IV  5  :  2. 

Eiche,  die.    I  5  :  291/2. 

Eichendorif,  J.  v.  IV  1  :  111 ;  11  :  54,  87. 

Eichhorn,  J.  G.    IV  1  :  212,  235. 

Eichstatt.    I  5  :  364-4  a. 

Eimann,  Theatersehneider.  IV  9b  :  1-9. 

Einfühlung.     I  3  :  35,  108. 

Einhart.    II  3  :  41. 

Einheiten,  die  drei.    13:2. 

Einheitsbestrebungen   in    Deutschland 

I  5  :  96,  102.  II  1  :  4.   IV  1  :  50. 
Einsiedel,  F.  H.  v.     IV  4  :  15. 
„Einsiedlerzeitung".    IV  11  :  54. 
Eisenaeh.    IV  3  :  116. 
Eisenberg.    I  5  :  344  a. 
Eisleben.    I  6  :  69,  83. 
Elbe,  A.  V.  d.    IV  1  :  6. 
Elementarschulen.    I  6  :  175. 
Elfen.     I  5  :  284. 
Elias,  J.    III  5  :  29. 
Elisabeth    Charlotte   von   Orleans,    in 

I  :  25/6. 

Elischa  ben  Abuja  Acher.     IV  4  :  123. 

EUinger,  G.    HI  3  :  4. 

Ellora.    IV  1 :  198,  209. 

Elsass.    12:2.  III  5  :  10. 

Elssler,  Fanny.    IV  1  :  241. 

Elster,  E.    III  5  :  24.   IV  12  :  4. 

Elucidarius.    I  4  :  17;  II  3  :  34. 

Elze,  K.    I  1  :  19.   IV  11  :  5. 

Emigranten,  Salzburger.    III  2  :  42 

Emil,  C.    IV  1  :  27. 

Emmerich,   Katharina.      IV    1  :  226/7; 

II  :  54,  57. 
Emotion.    I  1  :  2,  7. 
Empfindsamkeit.  I  5  :  13,  94.  IV  1  :  41/2. 


251 


Sachregister. 


Emser,  H.     II  6  :  10,  68  ;  7  :  45. 
Engel,  E.     IV  14  :  28. 

-  J.  C.     IV  1  :  180. 

-  J.  J.     IV  1  :  235. 

-  K.     III  3  :  fi. 
Engels.  F.     IV  1  :  27. 

-  O.    IV  6  :  36. 

England.    II  I  :  3.    IV  7  :  37 :    Oe  :  9«. 

Enjambement.    13:4. 

Enk  von  der  Uurg,  H.    IV  4  :  156. 

Euquöte.    IV  11:3. 

Entdocknugen.    I  5  :  18,  169.     11  1 :  20. 

III  5:21. 
Entladung.     I  3  :  91,  93. 
Entwickluugsgesohiclite.    I  1  :  6,  8. 
Epigonenpoesie.     I  1  :  20,  09. 
Epigrammatiatik.     III  5  :  10. 
Epik,  mittelhochdeutsche.    I  8  :  63. 
Epikur.     IV  3  :  32. 

Epistolae  obscurorum  virorum.   II  3 :  43. 
EpopoBe.    IV  11  :  69-70. 
Epos.     U  3.     III  3      IV  3;  9d. 

-  d.  altfninzOsisohe.    IV  11  :  71. 

-  d.  biblische.  IV  1  :  232. 
Eppendorf,  U.  v.  II  7  :  51. 
Erasmus,  D.    I  1  :  27;   4  :  13.    II  1  :  8; 

3:  14;  7  :  102. 
Erbauungslitteratur.     III  5  :  6,  9—10. 
Erdeborn.     1  5  :  338. 
Ernst    Herzog    t.    Coburg-Gotha.      IV 

1  :  159,   167. 

-  Herzog  v.  Gotha.    I  6  :  179. 
Erstlingswerke.     IV  3  :  207-15. 
Krthal,  F.  L.  v.     16:  120. 
Erzählungen.     II    3  :  1-3.      IV  3:  11, 

18,31. 
Erziehung.    I  1  :  7,  20;  6  :  10,  445;    6. 

III  1  :  29. 
Escheiimayer,  A.  K.  A.     IV  1  :  225. 
Eschstruth,  Nataly  v.     IV  1  :  32. 
Eschenburg,  J.  J.     IV  1  :  236;    4  :  34; 

7  :  13;   10:  117. 
Escholzmatt.    II  1:7. 
Eser.     IV  11  :  83. 
Esther.    III  4  :  13. 
Ethik.    I  1  :  31. 
Ethnographie.    I  5  :  14. 
Ethnologie.     I  1  :  2,  7. 
Ettenheim,  Schulen  in.     16:  188. 
Etymologie.    18:1,  40/4. 
Eugen,  Prinz  v.  Savoyen.    III  3  :  8. 
Eulenspiegel.    II  3  :  4-6.    IV  3  :  8. 
Euler,  L.    IV  1  :  84. 
Euripides.    IV  7  :  27  ;  9e  :  50 ;  10  :  116. 
«Europa.»     IV  11  :  19. 
Eyers,  T.    II  3  :  15. 
Ewald,  J.  J.    IV  1  :  232. 
Experimentalasthetik.    11:2. 
Extase.    I  3  :  82,  85. 
Eynard-Bynard.    IV  1  :  235. 

Fabel.    III  5:6,  19.    IV  3:11/7. 

-  Wesen  der.    I  3 :  10, 
„Fabel"  der  Dichtung.    I  1 :  20. 
Fabeldichter.    IV  6:1. 
Fabeldichtung.    IV  7  :  42. 
Fabliaux.     II  4:43. 
Fabrikarbeiter.     I  5:449. 
Fagius,  P.    III  6  :  10. 

Faguet.    I  1  :  19. 

Fahimer,  Johanna.    IV  9  e :  28. 

Fahne,  rothe.    I  5:306. 

Fahrende  Schüler.    I  6  :  10. 

Falb,  B.    IV  1 :  32. 

Falk,  J.    IV  9e:90. 

Falke,  G.    IV  1  :  24. 

Fallmerayer,  J.  Ph.    IV  1 :  198. 

Familie.    I  5  :  13,  28—35. 

Farina,  S.     IV  3  :  78. 

Farquhar,  G.     IV  7  :  27. 

Fastnachtsfreuden.    I  5 :  64. 

Fastnachtsspiel.  113:43;  4:9-10,  23. 

-  Bayern.    II  4  :  9. 

-  Nürnberg.   U  1  :  17;  4:9,  23/6,2». 


FMn«.    in  6:6. 

Fauft,   Faaitaag«,    Fanatdiehtang.     II 

3:31/H.     III  3:6;   4:28,    31,  36;   •. 

auch  Goethe  n.  Leaiing. 
Faastbilder.     111  3:5. 
Fanitikonographie.     III  3:6. 
FausUna.     III  4:36. 
Paustphilologie.    IV  1 1  e :  76.  77. 
Feohner,  Th.    I  1 : 2,  6;  3 :  12,  ««.  IV 

1:2;  0:171. 
Fehde.     I  5  :  163. 
Feldmann,  L.    IV  1:31. 
Fellenberg,  Ph.  E.  »     IV  1 :  236. 
Felaenbnrg,  Initel.    III  3:7. 
Fercher  r.  äUinward.    IV  1 :  27. 
Ferdinand  II.  v.  Tirol.    II  4  :  37. 
Femow.  K.  L.    IV  1 :  239. 
Feite.    I  5:  16.  57a-60,  197,  340. 
Feuerbach,  A.    IV  6 :  164. 

-  L.     IV  1:47.  22«.  262;  6:87-91. 
Feuerwerk.    III  3:1. 
Feyerabend,  S.     I  4:  116. 
Fichte,  J.  0.    13: 12;  6: 31.   IV  1 :  2», 

47,  59,  240;   6:46/0.  224;    11:3,  19, 

31,  86. 
Fiesole,  O.  da.    IV  11  :2<ta. 
Filidor.    III  4  :  2. 

-  der  Dorferer.     III  2:24. 
Finckenslein,  Graf.  IV  1:233. 
Finkelthaus.  L.    1  4:117. 
Finstingen.     III  5:10/1. 
Fischart,  J.   II  8:21(1.    10  5:10.    IV 

4 :  232. 
Fischer,  Ch.    II  7:6 

-  F.  J.    IV  4:34;  10:117. 

-  Kuno.    I  1:26.   IV  1:179;  9e:4«, 
60,  6  J|5. 

Fiskus.    III  6:7. 

Fitger,  A.   IV  1 :  17,  32. 

Fla.h,  M.    I  4:13. 

Flandern.    I  6  :  109. 

Flaubert.  G.    IV  3:1. 

Fleiss  des  Künstlers.   I  3  :  74/6. 

Fleissner,  W.    II  1  : 1. 

Fleming,  P.   III  2  :  18. 

Fletiher.  J.    IV  7  :  27. 

Fleyssner,  O.  II  4:38. 

Flor«.   III  5:5. 

Flotow,  F.  T.    IV  1:189;  4:  la2. 

Flugblftlter.    II  3:43.  IV  1  :  92/3.  166. 

Fockbeck  (bei  Rendaborg).   II  3:29. 

Förster.  Emma.    IV  1  :220. 

-  F.    IV  3:83:  4:101. 
Foglar,  A.    IV  1  :  27. 

-  L.    IV  1  :27. 
Foix,  St.  IV  7  •  27. 
FoÜen,  A.  A.  L.    IV  1 :  179. 

-  K.    IV  1 :  235. 
Folter,  I  6  :  164. 
Foli,  H.    II  4:29. 
FonUne.  Th.    IS:  133.    IV  1 :  17,  198, 

209;  3:226/9,  237. 
Fora.    IV  1:232. 

-  innere.    I  3  :  27. 
Formeln,  metrische.    19:4. 
Formenlehre.  18:1,  26 '6,  31/3. 
Formularien     I  8  :  24. 
Forf  ter,  G.     IV    1  :  236/6,  241 ;    6  :  81. 

137i,  185. 

-  Thereee.  IV  1  :  241. 
Forstwirtschaft.  I  6:162. 
Fortbildangsscbule  I  6  :  202. 
Foscolo,  Ugo.  IV  9d:17. 

Fonquö,  F.  de  la  Motte-.     I  1 :  50.   IV      ! 

3:83;  4:127:  11:64,  69-70. 
Frlnkel,  L.  IV  9a  :  46. 
Frage,  homerische.  I  2  :  14. 

-  sociale.  II  1  : 4.  IV  5 :  23,5. 
France,  A.  I  1  : 8. 

Franck,  0.  III  5  :  23. 

-  S.  II  3:14,  34;  4:26:  6:32». 
Francke,  A.  H.    I  6  :  20.  III  6  :  1. 
Frank,  Pater.  IV  7  :  23. 
Frankenbeig  (bei  Marburg).    IV  11:89.  j 


FrankAirt  «./M.    I  6:350;  «: M/1,  m 

6:2.    IV  1:249;  11:19. 
„Prmnkforter  Gelahrt«  Anxeigan".     IV 

7:68. 
Frukrelch.  daat«ehe  BomMtik  in.   IV 

11:18. 
Franx.  J     IV  1:20». 
Frantiikaner.     III  6:6. 
FranxOaiaeh«  Sprache  in  DentachUad. 

III  1 :  26. 

Franxoa.  K.  E.    IV  1  :  17. 
Frapan.  IIa«.     IV  1:17;  3:121. 
FrateraltM  ichotarium.    I  6 :  65,  232. 
Fraa  Untreuen  Di«D«i    II  3:  14. 
Frauen.    I  6 :  13.  24.  39-42.  M. 

-  dichtende.     IV  1 :  16.  20. 

—  in  dar  Diehtuog.     I  1  :  52. 
Fredro,  A.  Graf.     IV  4  :  122. 
Freiberg.    I  5  :  342. 
Freiburg  i.  li.     I  « :  IW. 
Freidank     II  3:14. 

Freie  Bohne.  Brrliner.  IV  6  :  15. 18. 23/5. 
Freie*  DeuUt-hes  Uochotifi.   IV  9a :  22. 
Freiheit  und  ReforiBatioa.    II  1:6. 
Kreiligrath,    F.     I  1:50;   4:6.    IV   1 : 

179;  0:HH:  ll:.^.  7H. 
Freimaurerei     IV  7  :  14. 
FremdrnbDeher.     III  I  :  18. 
Fremdwörter.    I  8 :  24,  60/7. 
Fri^ntzel.  J.    III  1  :  17. 
Fr«ny,  du.    IV  7  :  27. 
Frenxel.  K.    I    3  :  116.     IV    1:6.     17; 

3 :  230/3. 
Frese.  D.    II  3:  15. 
Fretenius.  J.  Ph.    III  6  :  2. 
Freundachafl.     I  5:13. 
FrevelTOgt.     III  6:11. 
Frey.  A.    IV  3:142/3. 

-  J.    IV  7:27. 
Freydorf.  Frau  t.    IV  3 :  18«. 

Frey  tag.  O.     13:  140/3.    162;   7  :  14. 

IV  1:2,  17.  179.  200,  203;  3:2,  137; 
10 :  87. 

Friedberg.    I  6  :  132. 
Friedeborn,  P.    IV  11:54. 
Friedejauchzende«  Europa.     III  4  :  2. 
Friedemann.  Direktor.    IV   1  :  191. 
Friedllnder,  J.     IV  9a:  111. 
Friedmann,  A.     IV  1 :  27. 
Friedrich.  J.     IV  9a:  100. 

—  III..  Kurfürst  r.  Brandenburg.  III 
1:25.  31,2. 

-  II.  der  Groaa«.  11:31.  III  1 :  20l 
IV  1:67-91,  159.  232,  252;  3:18, 
24  5;  6:31. 

-  lU.  Kaiaer.    II  1 :  16. 

—  Kaiserin.     II  1:16. 

-  V.  Knrftrat  t.  d.  Pfalx.   III  1 :  24. 

—  Anguat,  Korfftrat  t.  Saehaen.  III 
3:4. 

—  Bugen.  Hereog  v.  WIrlUabMf. 
IV  3  :  40. 

—  Wilhelm  I„  KOnig  r.  Preoasen.  Ol 
1 :  26,  33.  36,6.    IV  1  :  71,  73. 

II.    IV  1  :92. 

IIL    IV  1:93. 

IV.  IV  1 :  168,  175,  212;  11 :81. 

der  Grosse  KurfVrst  III 1 : 4—6. 

Frisch,  J.  L.    12:4. 

Frischlin,  N.    11:4».    Q  4 :  17/8.    IV 

7  :  27. 
FriUch,  J.  F.  T.    IV  »b  :  2;  »•  :  60. 
Fritx,  a     IV  8  :  223. 
PriUaohe.  IV  11:31. 
Fr«bel,  J.     I  5  :  430.    IV   1  :  170,    178 
-183,  192,  218. 

-  F.    IV  1  :  179;  6:220. 
Frillieh,  G.    H  1  :  6. 
Frömmigkeit    I  5  :  30. 
Froitxheim,  J.    IV  9b  :  »2,  07. 
FrommasD,  F.  J.     IV  9b  :  47. 
Frommel.  E.    IV  1  :  221. 
Frosrhaner,  H.    1  4  :  15. 
FrtUiag.    I  6  :  897. 


Sachregister. 


262 


Fuchs,  Grtfiu.    IV  1  :  241. 

—  N.    II  3  :  2. 
FUetrer,  U.    II  2  :  28. 
FUglistaller.    12:9. 
Füret.     IV  11  :  31. 

Fürsten.  I  5  :  10,  13;  Pramleiiliurg  III 
3:1;  Braunschweig  III  5  : 1 ;  Sachsen 
III  3  :  4. 

Fürstenberg,  F.  v.    16:  25. 

FUrstenschule  s.  Schulen. 

Fürth,  A.  V.     12:  10. 

Fuessli,  J.  C.     IV  3  :  32. 

Fulda.     I  6  :  84,  87. 

—  L.    IV  1  :  17,  32. 

Furcht  und  Mitleid.    I  3  :  53,  55,  145, 

150. 
Furter,  M.    14:2.    II  3  :  40. 
Fu»t,  J.    I  4  :  10. 

Gadegast.    I  6  :  70. 

Gaedertz,  K.  Th.    IV  3:117. 

Gässler.    11  2:  1,  8. 

Galant.     I  5  :  24.     III  1  :  42. 

Gallen,  St.     III  5  :  20. 

Gallitzin,  Fürstin  v.    IV  1  :  240;  11  :  49, 

85. 
Gallizismen.    I  8  :  25. 
Gandini.    IV  7:27. 
Garborg,  A.    13:  278.  283. 
Gardelegen.    I  6:110. 
Garve,  Ch.    IV  1 :  232,  235;  11  :  5. 
Gassmeyer,  M.    IV  3  :  331. 
Gaudy,  F.  L.  H.  W.  v.     IV  3  :  8. 
Gauner.    I  5  :  162. 
Gebhard,  M.    III  5  :  24, 
Gednchtnis,  künstlerisches.     I  3  :  62/3. 

1113:1. 
Gefühlsleben.    III 1  :  21/3. 
Gegenbaur.  J.    IV  1 :  196. 
Geheimbande.     1  5:10. 
Geibel,  E.   I  4:5;  7:45.   IV  1:64,  191, 

203;    6:137,  143;  4:134,  163;  11:78. 
Geiger,  A.    IV  1  :  186. 

—  Lazarus.    IV  3  :  189. 

—  Ludwig.      IV  3:37;    9a:2,    123/5; 
9b:88 

Geiler  von  Keisersberg,  .1.    II  3  :  34. 

Geisterglaube.    III  3  :  3. 

Geistesleben.     I   5 :  62—90,   456.      III 

1 :  14,  16/7,  20. 
Geisteswissenschaft.    I  1  :  27. 
Geistliche  Litteratur.     II    1:1/2;    2:1 

—21;    3:40;    4:1—8';     6:1—34,    7. 

III     2:36—65;    5:1-9.     IV    1:18; 

3:20/3;  6:  100-24 b. 
Geizhals,  der  gefoppte.    III  4  :  27. 
Geldverkehr.    I  5  :  106. 
Gelegenheitsdichtungen.       III  2:10(1; 

3:1,  4;  5:26. 
Gelehrtenleben.    I  5:13,  61. 
Geletzky,  J.    II  2  :  3. 
Geliert,  Ch.  P.    I  4:5;  5:84.    IV  1:87; 

3:12,      14;    5:52;     6:l-6a,    143; 

7  :  27/8. 
Gelnhausen.    IV  11 :  89. 
Gemmingen,  0.  H.  Frhr.  v.    IV  4  :  5,  35. 
Gemütsleben.    15:13,91/4,251/3. 
Genealogie.    11:2,  7—8,  27. 
Gen^e,  Rud.    IV  1:102;  9a:  73. 
Generationenlehre.    I  1  :  27. 
Gengenbach,  P.    II  4:33. 
Genie.    I  1:2,  27 ;  3  :  27,  67.  80/2. 

—  und  Wahnsinn.     1  3  :  64/6. 
Genlis,  Madame  de.     IV  1  :  93. 
Genovefa.    III  4  :  27. 
Gensichen,  0.  F.     IV  1 :  17. 

Gentz,  F.  v.    IV  1  :  93,    160,    212,  236, 

241;  6:132-2e;  11:19. 
Geographie.  15:11,  87,9  ;  6  :  53.  II 1 :  20. 
Georg  d.  Bärtige  v.  Sachsen.    II  7  :  45. 

—  IL,  Landgraf  v.  Hessen.    I  5 :  405. 
m  5 :  15. 

Georgi,  Medailleur.    IV  1 :  79. 
Gerechtigkeit,  poetische.    I  3 :  149. 


Gerichtsbarkeit,  akademische.    1 6  :  153. 
Gering,  H.    12: 35. 
Gerlach,  L.  v.    IV  1 :  168/9. 
Gennanistisches   Studium.    I  1 :  63 ;  2. 

111  5:13.     IV  11  :71. 
Gerok.    IV  1:64,  190,  221. 
Geroldseck,  Burg.    III  5  :  10. 
Gersaint.    III  3  :  5. 
Gerstäcker,  F.    IV  3  :  102/3. 
Gerstenberg,   H.   W.   v.    IV  1:1,  233; 

3:28-  4:12/3;  6:158;  7:49,  55. 

Gervinus,  G.  G.  II:  19,  27,  61;  2  :  6. 
IV  1  :  2,  170,  179,  203. 

Gesamtdarstellungen  der  deutschen 
Litteraturgeschichte.    I  1  :  37—48. 

Gesamtkunstwerk.    I  3  :  27. 

Gesangbücher.  II  1:1.  ßudissin  III 
2  :  47  ;  Coburg  v.  1621  II  2  :  6 ;  Katho- 
lische  III  2:38;  Lüneburg  v.  1625 

112  :  19;    Strassburg  v.  1537    II  2 
:  16. 

Geschäftssohriftsteller.  11:2. 
Geschichte.    I  1  : 2,  6,  24,  27—35.   III 
5:6. 

—  als  Kunst.  11:6. 
Geschichtsbetrachtung,  katholische.    II 

I  :  10/5. 

—  protestantische.    II  1:5,  13. 

—  religiöse.    I  1  :  33/4. 

—  subjektive.    II  1  :  13. 
Gosehichtsphilosophie.     I    1  :  33/5.     II 

1:5. 
Geschichtsschreibung.    I   1  :  20;  2:2. 

II  1:4.    III  5  :  15,  19-20. 
Geschichtsei.    I  1  :  57. 
Geschichtsstudium.    I  1  :  33. 
Geschichtstafel.    II  1  :  8. 
Geschichtsunterricht.    I  5  :  1 — 5. 
Geschmack,  Orden  d.  guten.   III  5  :  17. 
Gesellschaft,  die.    IV  1  :  2. 
Gesellschaften,  deutsche.    I  5  :  97. 

—  gelehrte.    III  5  :  19.    IV  1  :  235. 
Gesellschaftliche    Zustände.     I   5  :  10, 

26,    318.    III    1  :  24/5,    29,  31,  33/4, 

36-42. 
Gesellschaftslieder.     13:4. 
Gesichte    des     Philander    von    Sitte- 

walt,  d.    III  5  :  10/1. 
Gesner,  J.  M.    IV  7  : 1. 
Gespensterglaube.    III  3  :  3. 
Gespenstererzählungen.    IV  1:3;   11: 

57. 
Gessler,  Ä.    U  4  :  13. 

—  F.    IV  1  :  32. 

—  K.  F.  V.    IV  1 :  30. 
Gessner,  S.    IV  1  :  232,  235. 

Gesta  Romanorum.    I  4  :  18.    II  4  :  33. 
Gesundheitslehre.    I   5  :  136-44,    193. 

II  3  :  2  (s.  auch  Aerzte). 
Giancarlo.     II  4  :  14. 
Gibbon,  E.    IV  1  :  137. 
Gilbert.    IV  11  :  54. 
Gildemeister,  0.    IV  11  :  5. 
Girck,  J.    II  2  :  3. 
Girndt,  0.    IV  1  :  32. 
Giseke,  R.    IV  4  :  126. 
Glarus.    I  6  :  116. 
Glaser,  A.    IV  3  :  234/5. 
Glassbrenner,  K.    IV  1  :  189. 
Gleich,  J.  A.    IV  4  :  164. 
Gleichauf,  F.    IV  3  :  189. 
Gleichen,  C.  H.  v.    IV  1  r  162. 
Gleichen-Stoff.     IV  4  :  124;  11  :  54. 
Gleim,  J.  W.  L.    IV   1  :  232/3;   3  :  12, 

26,  45/6;  6:  15;  7  :  1,  11. 
Gletting,  B.    II  2  :  30. 
Glocken.    I  5  :  240,  305,  305a-b. 
Glomy.    III  3  :  5. 
Gloner,  S.    III  5  :  10. 
Gluck,  Ch.  W.  V.    IV  1  :  252;    4  :  192; 

9o  :  47. 
Qlume.    IV  1 :  79. 
GnidiuB,  M.    II  7  :  47. 
GOohhausen,   Luise    v.    IV   9e  :  3,  76, 


109,  115. 
Göckingk,  L.  F.  G.  v,  IV  1 : 232;  6  :  15; 

7  :24. 
Goedeke,    K.     I    1  :  27.    III   3  :  1.    IV 

1  :  2;  10  :  128. 
Görres,  J.     IV  1  :  59,  179,  227;  11  :  2, 

13,  19,  54,  93. 
Goertz-Schlitz,  .1.  E.  Graf.    IV  9e  :  60. 
Goethe,    A.   v.      IV  1:29;    9a:  18; 

9b:  68;     11:1. 

-  Catharina  Elisabeth.  IV  1  :  28—9, 
65;  9b:  54-63;  11  :  54. 

-  Christiane.    IV  9b  :  65. 

-  Cornelie  IV  9b  :  32,  64. 

-  J.  C.    IV  9a  :  13. 

-  J.  W.  V.  IV  9.-  II:  24,  27,  41, 
48;  2:6,  12,  16;  3:  7,  12,  14/5, 
19,  130a,  176,  209;  4  :  5;  8  :  27.  III 
5:3.  IV  1  :  3,  5,  29,  41,  43/4,  50, 
55,  57,  59,  111,  168,  200,  229,  113. 
164,  184,  196,  203,  212,  220/1, 
227,  233/6,  252;  3:11,  40a,  84, 
95,  122,  147,  179—80,  218,  236,  237 ; 
4  :  15,  22,  24/5,  103/4,  115;  5: 
63/8,  72;  6  :  87,  132,  137i,  141, 
145,  181,  189,  205c,  223/4;  10:26 
68,  117;  11  :  21,  34,  54,  57,  78,  80, 
89,  92. 

-  Lyrik.  IV  9(i  -  I  7  :  56 ;  9  :  18. 
IV  4  :  101;  9b  :  62  Abendmahl- 
spruch. IV  1  :  28.  Amyntas.  IV 
9c  :  18.  Balladen.  I  3  :  133.  IV  9c 
:  17.  Cicade.  IV  9c  :  9—11.  Divan. 
IV  9e  :  11,  34;  11  :  57.  Epiphanias- 
fest. IV  9c  :  9—11,  14.  Euphro- 
syne.  IV  9c  :  18.  Fischer.  IV 
9e:14.  Friederikenlieder.  IV  9c:  19 
—21.  Geheimnisse.  IV  1  :  3.  Ge- 
wohnt, Gethan.  IV  9c:  9-11.  Glück- 
liche Fahrt.  I  3  :  136.  Heidenrös- 
lein.  IV  9c :  22/3.  Ilmenau.  IV 
9c  :9-ll.  Juni.  IV  9c:  9-11. 
Koramt  Zeit ,  kommt  Rat.  IV 
9c  :  9—11.  Künstlers  Abendlied. 
IV  9c  :  9-11.  Meeresstille.  I  3  :  136. 
Mignonlieder.  IV  1  :  138;  9b  :  43/4; 
9c  :  18.  Müllerin  Reue.  IV  9c  :  10. 
Müllerin  Verrat.  IV  9c  :  18.  Rätsel. 
IV9d:24.  Sehweizerliod.  IV  9c:  18, 
31.  Sonette.  IV  9c  :  5,  31.  Stamm- 
buchverse. 14:4.  IV  1 :  29;  9b  :  68. 
Über  allen  Gipfeln.  IV  6 :  143. 
Xenien.    IV  1  :  236. 

-  Epos.  IV  9d.  —  Achilleis.  IV 
9d  :  12.  Ewige  Jude.  IV  9d  :  13. 
Hermann  u.  Dorothea.  I  7  :  30,  55, 
58.  IV  6:24;  9d:  1-11.  Novelle. 
IV  lld  :  22.  Wahlverwandtschaften. 
IV  1  :212;  9d:25;  10:  17;  11  :  63. 
Werther.  I  3  :  224;  5  :  84.  IV  1  :  5, 
220,233;  9d:14/7;  9e:75;  11:46, 
57.  Wilhelm  Meister.  I  3  :  14.  IV 
1:3;  6  :  137i;  9d  :  18-21 ;  9e  :  79. 
83/4  ;  11  :  4,  57.  Unterhaltungen 
deutscher  Ausgewanderten.  IV  1 :  33 ; 
9d  :  23. 

-  Drama.  IV  9e.  -  IV  5  :  14.  B«r- 
gergeneral.  IV  9e :  7.  Claudine- 
IV  9e  :  7,  35.  Clavigo.  IV  9e  :  7—9. 
26/7,  30.  Egmont.  IV  9e  :  1,  7—9, 
33,  40/5a;  10:117.  Elpenor.  IV 
4:4;  9e  :  38/9,  47.  Erwin  und 
Elmire    IV  9e  :  35.    Faust.  I  3  :  142. 

III  3  :  5;  4  :  31,  36.  IV  1  : 5,  59,  138, 
221;  3:32,  141;  4:227;  6:14; 
6  :  117, 137  i;  7  :  27;  9b  :  97;  9e  :  8-9, 
75-131;  10:  8;  11:67.  Geschwister. 
rV   9e:  1,   7-9,  31.     Götz.   I  7  :  60. 

IV  9e  :  7-9,  16—24;  11  :  5  Gross- 
fophtha.  IV  9e:7.  Jery  und  Bätely. 
IV  9  6  :  7,  36.  Iphigenie.  IV  4 :  4,  7, 
22;  9e:7— 9,  33,  89,  46— 59a,  71. 
Laune  des  Verliebten.  IV  9e:7,  11. 
Mahomet.    IV  9e :  1,  7,  70/1.    Mit- 


253 


BachregiBter. 


Rchnidigen.  TV  '  V»:  7—9.  12|5. 
KitUrliche  Tochter.  IV  9« :  7,  72. 
P»ter  Brey.  IV  9e  :  110.  PalBophron. 
IV  9e  :  7.  Promethen«.  IV  Oe  :  69. 
Romeo.  IV  96:1.  7,  73.  SatyroH. 
rv  9b  :  97;  9e  :  2S.  8eherc.  Liat  und 
Rache.  IV  96:87/7».  Stell«.  IV 
9e  :  7-9,  :;8— 30.  Tancrod.  IV 
9e:  1,  7,  70.  Tasso.  IV  1  .-5,  KW; 
3:2;  96:7-9,  69b-68.  Triumph 
der  EmpfliidBamkeit.  IV  6  :  152; 
Ho:  32/3;  10:117.  Wa«  wir  brinuen. 
IV  9e  :7.    Wetto.     IV    9e:  1,  74. 

—  Dichtung  u.  Wahrheit,  IV  1  :188; 
Ob:  28-32;  11:83.  Farbenlehre.  IV 
9:5.  Philostratos.  IV  6  :  151.  Radon. 
IV  6  :  202a.  Regeln  fUr  .Schauspieler. 
IV  7  :  59.  Sprüche  IV  9e  :  79,  92. 
Tagebuch.  lV9b:l.  Üborsotzungen. 
IV   9t :  136/7. 

(ioethe,  Ottilie  t.    IV  1  :  196;   9b  :  69. 

—  Wolfgang  T.    IV  9b  :  70. 

—  -Bilder.     IV  9a  :  1-3,  4  a,  18/9,  88. 

—  -Denkmäler.  FV  1  :  252;  9a  :  4-10, 
iK)/1. 

—  -Feiern.    IV  9a  :  28-83. 

—  -Gesellschafton  und  -Vereine.  IV 
fla  :  22/7;  in  Berlin  IV  12  :  4.  Eng- 
land IV  9a  :  27.    Wien  IV  9a  :  26. 

—  -Httuser  und  Qedenkstdtten.  IV 
9a  :  11-21  ;  in  Frankfurt  lY  9a  :  13 
)>iM  4,  15;  in  Marienbad  IV  9a  :  17;  iu 
Rom  IV  9a  :  12;  in  Weimar  (National- 
museum) IV  9a  :  5,  18,  20/1. 

Jahrbuch  u.  a.     IV    9a  :  2,  22,  25 

bis  27. 

Medaille  IV  9a:  88. 

Philologie.     11:27;    2:4.3.     IV 

9a  :  138/9. 
Götterwelt,  Deutsche.     I  5  :  283. 
(iöttingen.     I  6  :  82.    IV  1  :  160,  235. 
Qöttiuger  Dichterbund.    IV  1  :  1. 
Göttinger  Gelehrte  Anzeigen.  IV  11:15. 
Qoetz,  F.    IV  4  :  103. 
Götzen,  Graf  F.    1  5:  161. 
Qoeze,  J.  M.    IV  7  :  11. 
Goldammer,  L.    IV  3  :  55. 
Goldast.  M.    12:3. 
Goldoni,  C.    IV  7  :  27;  9e  :  35. 
Ooldsmilh,  0.     IV  11  :  83. 
(ioutard,  Susette.     IV  11  :  39,  41. 
Gossner,  J.  E.     16:423.     IV    1  :  KW. 
Gotha.     I  6  :  73,  79,  86. 
Gothein,  E.    I  1  :  19,  27,  31. 
Gothik.    IV  1 1  :  89. 
(iotter,  F.  W.     IV  4:4,  34;  9e:  39,  47, 
71;    10:  117. 

—  Louise.    IV  11  :  26. 
Gotthelf,  J.    IV  3  :  64,  202/3. 
Oottachall,  R.  y.    IV  1  :  6,  17,  37. 
Gottsched,  J.  Ch.     I   1  :  48;    3  :  1,    5, 

35.  III  2:34/5,'  44,  64;  4:6; 
5:7.  IV  1  :41,  111;  4:1;  6:. 52; 
6:6,  157/7a:   9e  :  107,  111. 

—  Luise  Adelgunde.    IV  6:6. 
Gottschee.     I  5  :  370a. 

Gou6,  S.  V.    IV  1  :  1. 

Gozzi,    C.       IV  10:  117;     11  :  29,    54, 

58. 
Grabinschriften.    I  6  :  264/6. 
Grafentonna.  I  6  :  78. 
Gr«sse,  J.  G.  Th.     IV  1:3. 
Graff,  A.    IV  7  :  44. 
Gral.    IV  4:219c;  11  :  89. 
Graser,  J.  B.     16:  32. 
Grass,  K.     IV  10  :  57. 
QraubUnden.     111:7. 
Graz.     I  fi  :  160. 
Grebel,  Frau  v.    IV  3  :  30. 
Greene,  R.    I  1  :  50. 
Oreflinger,  G.    13:4.     III  5  :  12. 
Gregorovius,  F.     IV  1  :  31 ;  6  :  137. 
Greye.    IV  1  :  235. 
Grewel  d.  VerwBstung,  d.    IU  5  :  23. 


GriMhaatan.    n    1  :  16.     IV    II  :  89; 

(•.  auch  Antike). 
Orieehlich.     I  6:  13. 
Oriepenkerl,  R.    IV  1  :  IM. 
Orle«,  J.  D.     IV  11  :  35. 
Grillparinr,    P.      [IV  13).      I    8:17«; 

7:14.    IVl  :2-3,  a.  31,  «i,  170;    8: 

49,  222;  6:  l«2;  0«  :  6:    10:  180. 
Orimm,    BrDder.       12:6,     10/1.      IV 

1  :  241. 

-  H.     IV  I  :82;  1!  :  6«. 

-  J.  I  2:10,  12,  16;  8:  1.  IT  1:221; 
3  :  64.  125;  11  :  89  (■.  «aeh  Brflder 
OrImm). 

-  W.  12:12.  IV  52/8,  M:  11:54 
(s.  auch  BrOder  arinm). 

GrimmelihauseD,  H.  Ch.  y.    I   6:226; 

7  :  :18.    III  3  :  2^. 
(irisebach.  E.  IV  1  :  3,  17,  179;  »•:122; 

11:57. 
Groeben,  M.    IV  9m  :  106. 
Grob,  J.    I  1  :  48. 
Grobianismus.    I  6 :  169.  III  1  :  25.  IT 

3:8. 
Orosi,  E.    II  8  :  14. 

-  F.    IV  1  :  27. 

-  Magister.    Ill  5  :  2. 
Grosse,  J.     IV  1  :  17,  32. 
Orossmann,  C.    II  7  :  .33. 

-  G.  F.  W.    IV  10  :  68. 
Grote,  L.     III  4:  11. 

Groth,    Klaus.      I  5:431.     IV    1  :  17, 

188,   203/6. 
Grudiu«,  N.    IV  7  :  27. 
GrOn,  Anastasiu«  s.  Anersperg. 
Grunert,  K.    IV  5  :  55, 
Gruppe,  0.  F.    IV  1  :  196. 
Gruss.    I  5  :  299-300. 
Qryphius.  A.     IV  5  :  77. 

-  0.     III   3:  1. 
Guben.    I  6  :  96. 
GUIcher,  Th.    IV  4  :  17. 
GUndorode.  Karoline  y.      IV    11  :  64/8. 
Gönther.  J.  Ch.     111  2:. 32:  3:4. 

-  S.     IV  9a  :  42. 
Guericke,  L.  y.    III  1  :  22. 
Gttssfeld,  P.    I  1  :  27. 
Guiccardini.Grlflu  Giulietla.  IV  4:206. 
Gull,  F.     IV  1  :  22.'5. 

GuUiyer,  .Julia.     IV  9a  :  101. 
Gampprt.  Thekla  y.     IV  1  :  190. 
Gumpponberg,  H.  v.     IV  1  :  24, .S. 
Gnppenberger,  L.    IV  1  :  27. 
Qurkthal.     III  4  :  27. 
Gustedt,  Jenny  y.    IV  9b  :  49,   70,  09, 

111. 
Gut  and  Schön.    ^  3  :  12. 
Gutenberg,  J.    I  4  :  10.    IV  3  :  179-80. 
Gutzkow,  K.     IV  1  :  2.    87,     189-90, 

196,  220,  252;  3  :  231;  4:  128/4.  128, 

159;  11  :31;  12:42. 
Gymnasien  s.  Schulen. 

Haase,  F.  IV  11  :  31. 
Habelschwerdt     I  6:321. 
Hachenburg.    I  6:82. 
HtckUender,   F.  W.     IV    1  :  180.  196. 

IV  3:133-  4:  120. 
Hadtmar.  I  6:87. 
Hickel,  E.  I  1  : 8. 
HlDsser,  L.  IV  1  :  179. 
Hagedom,  F.  v.  DI  2  :  23, 25 ;  5 :  17,  23. 

IV  1:  2;V2;  3  :  12;  6  :  1 :  7  :  27. 
Hagelgans.  I  1 :  45. 
Hagen,  A.  IV  11:57. 

-  F.  H.  y.  d.  IV  3:52/3. 
Hagenmeyer,  K.  IV  1  :  222. 
Hagn,  Charlotte  y.  IV  5:68-60. 
Hahn,  Graf.  IV  1  :  189. 

-  J.  F.  IV  1  :  233. 
Haimonskinder.  II  3:41.  III  3  ;  10. 
Hain.  I  6:67/8. 

Hainbund.    IV  1: 2ä:t. 

Hainhofer,  Ph.  I  5  :  110, 309.  111  1 :  24. 


Hnlarod«.  I  0:107. 
H*lb«ratii4t    I  «  :  70.  Ill  3  :  8. 
Halbna  (kei  Duuaeae).    II  8 :  M/7. 
HAlea.  0.  A.  t.  IV  1  :  283. 
lUUry,  L.  IV  4 :  209. 
Hnll«.  I  6:887;  6:69.  »5. 
HnlUr.  A.  r.     I  8:25.    III  6:>l.    IV 
1:286;  6:l-la:  7:17,  27,  88. 

-  K.  L.  y.  IV  1  :  168;    11  :  19. 
Hallmann,  J.  Ch.  III  4:1 
Hain,  F.  t.  MBncb-ltelliafkMeM 

-  Margarethe.  IV  8:239. 
Haaann,  3.  ().  IV  1:1.  21t,  »6;  6:1; 

7:42. 
Uaabarf.    I   6:8t2/4:    6:110/2.    III 

6  : 1.  12,  17. 
Hambnrritcber  Bhreatempel.  III  6 :  29. 
Hamerlinff.    R.    IV     1:27,    200;    IV 

173-81;  6:96. 
Huamer.  W.  II  7  :  52. 

-  -PnrgeUII,  J.  y.    15:  72. 
Haameretadt.    I  6 :  147. 
Haaif  na,  K.  I  3 :  283. 
HaaM.  I  6  :  105. 

-  Onfln  yoo.  I  5  :  156. 
Handel.  I  5  :  107/8. 
Handachriften  ■.  aneh  Arehiye,    Brief- 

weebael.      IV     II   :  6;    in     Auma 

II  8:41;  Baael  n  6:67;  BerUa  III 
2:8;  BresUa  113:14.  1112:25: 
4:18:  Brfluel  112:20;  CaaMl  III 
4:11.  V  11:89:  Danaig  U  6:  »; 
Dresden  Ul  2:25.  IV  11:1.1,30: 
Dorpat  IV  1:288;  8:4;  Fraakfcrt 
a.  M.  ül  5:2;  Haabnrf  ül  6:14. 
IV  10:117;  Haaaoyer  III  1:25; 
Helnutedt  II  4:7;  KarlaralM 
IU  6:1.  IV  9e:17;  Leipdf  IU 
6:24/5;  Lina  III  2  :  2a:  LSbatk  EU 
6:29:  If arbnrf  U  3 :  5 ;  Maalbraaa 
IV  11:26:  Mönchen  IV  1:232; 
Nordhansea  U  6:8;  Paria  I  2:80: 
Radegast  III  3  :  8;  Rom  (Vatikan)  II 
6:  18;  Sanderedorf  III  3:8;  Stock- 
koUn  II  4:7;  Stolberg  III  3:8; 
Straaeburg  UI5:11:  Stattgart  IV 
11:83;  Trier  U  4:7;  Weimar  Ul 
4:16.  IV  10:117;  Wien  U  6:52. 
Ul  6:7,23;  Wiasbadea  IU6:28; 
Zörbig    III    3:8;    ZBrick    US:4I. 

III  6:10-20;  weibrSckaa  U  i : 
6;  Zwickau  II  4:2«;  6:6|7.  IU 
1:10. 

Handschriftenhtndlar  (Pari*).  I  4  :  104. 
Uaadachrifteokataloge.  1  4  : 1—3^ 
Handacbriftlicbe  Zeitang.    Ul  1 :  20. 
Haadaehachsbeim.    II  3  :  28. 
Handwerker.    I  6:  16.  121.  394/T. 
Haoe,  F.     IV  1:27. 
Haahaymer,  N.    I  4:20. 
HanaoTer.    I  5:336. 
Uaaaaon.  Ola^    I  3:284. 
Baaswar>t.     Ul  4:24,27.    IV  1:111. 
Hardeaberg.  F.  y.    IV  1:6:>:  11:6.24, 

33,  82. 
Hardt.  A.  J.  y.  d.    IU  6  :  I. 

-  H   y.  d.    III  6  :  1. 
Hardy,  A.    I  3  :  2. 
Harkort,  Fr.  W.    IV  1  :  64. 
Harieas,  A.  y.    IV  1  :  226. 
Harms,  Claas.    IV  1  :  47. 
Hamaok,  0.    IV  Oa  :  118. 
Hanya    IV  I  :  106. 

HaradOrffer.  Pb.    1112:1.26.    1116:10. 
Hart,  H.    IV  1  :  17. 

-  J.    IV  1  r  17. 
HarUebea,  0.  E.    IV  I  :  24. 
Ilartmaaa,  B.    U  1  :  18. 

-  E.  y.    13:  25/6,  62/63;  8S. 

-  H.  II  3  :  34. 

-  J.    II  6  :  25. 

-  M.    IV  1  :  180,  203. 
llarx.    I  6  :  334. 

Ha•^C.  y.     IV     1 :  218-il.    MS;  6  : 


Sachregister. 


254 


113/4,  224. 
Hauber.    HI  3  :  5. 

Hauff,  W.     IV  3  :  93/5;      11  :  69-70. 
Hang,  B.    IV  10  :  18. 

—  F.    IV  9a  :  62. 

—  J.  CI1.F.    IV  7  :  27  ;  11  :  69—70. 
Haupt,  M.    IV  6  :  143. 
Hauptmann,    G.      13:  216,    246.     IV 
Haus.  I  5  :  108—18. 

1  :  17,  37/8. 
Hauscbronik.    I  5  :  15,  31/5. 
Hausen  (Historiker)  IV  7  :  56. 
Hauser,  Casp.    IV  1  :  226. 
Haushofer,     Max     (Dichter).       IV  1  : 

198. 

(Maler).    IV  1  :  198,  202. 

Hausmeistertum.    III  5  :  10. 
Haussprüche.    I  5  :  267—72. 
Haym,  R.     IV  11  :   19. 
Hayneccius,  M.    I  6  :  223.     II  4  :  12, 

15. 
Hebbel,  F.     I  3  :  24;  4  :  5.    IV  1  :  31, 

179,     203;       4   :    156—63;       6  :  16, 

162;     10  :  107;  11  :  54,  78. 
Hebel,  J.  P.     I  3  :  130a;   8  :  28.    IV 

1    :   3,    192,    203;    3:8,    50/3,    64; 

4  :  24;  6  :  13/4. 
Heberer,  M.    II  3  :  5 
Hecker,  J.  J.    16:  219. 
Heeyrus,  Ch.    II  1  :  1. 
Heeren,  A.  H.  L.    IV  1  :  235. 
Heermann,  J.     III  5  :  13. 
Hegel,   G.  W.  F.    II:  8,  19.    IV    1  : 

29,   47,   57/9,  195,   252;  3  :  179-80; 

6  :  146,   209;    9b  :  5;  9e  :    115;  11 

:  52. 

—  Iram.    IV  1  :  224. 

Hegendorf,   Ch.     (Hegendorfinus).     II 

6  :  25;  7  :  32. 
Hegendorfer,  H.    II  7  :  32. 
Hegius,  A.     I  6  :  187. 
Hehn,    V.        IV     1    :    179,       258—64; 

6  :  145/6. 
Heiberg,  H.    IV  1  :  17,  24;  3  :  362. 
Heidelberg.    I  6  :  30.    IV  7  :  23. 
Heidelberger  Jahrbücher.     IV  11  :  54. 

—  Koraaiitik.    IV  11  :  54-68. 
Heidentum.    I  5  :  210/1. 

Hei  gel,  K.  v.    IV  1  :  17. 
Heilmann,  J.  Ch.    14:  30. 
Heimburg,  G.    I  1  :  27. 
Heimkehle  (Uftrungen).    III  3  :  8. 
Heine,  C.     I    1  :  50.     III   4  :  16.    IV 
9  a  :  74. 

—  H.  I  1  :  61;  3  :  136;  4  :  4,  5; 
8  :  27a.  IV  1  :  2—4,  6,  37.  65;  3  : 
115  a,  138,  179-84,  189,  196,  198, 
237;  4  :  159;  6  :  143;  9e  :  14;  11  : 
57;  12  :  1-41. 

— Denkmal.    IV  12  :  17. 

—  II.    IV  12  :  41. 

—  Therese.    IV  12  :  27. 
Heinemann,  K.    IV9a:l. 

—  0.  V.     IV  7  :  21,  64. 

Heinrich  von  Braunschweig.     II  1:6. 

—  Julius  T.  Braunschweig.    III  4  :  10. 
Heinse,  W.    IV  1 :  3. 

Heinsius,  D.    13:2. 

Heinz,  A.    IV  9a:  99. 

Heiraten,  Lied  Über  das.    II  1:1. 

Heiratsannonce.    I  5  :  42. 

Hennequin,  Ell:  6/7,  13/5,  24. 

Henrici,  G.    II  4  :  17. 

Hensel,  Luise.    IV  11 :  64. 

HenseÜD.    II  3:14. 

Hensler,  K.  F.    IV  4 :  86. 

Henslow,  Ph.    IV  5:11, 

Henzen,  W.    IV  5  :  23. 

Herakles.    IV  lle:86. 

Herbart,   J.    F.    I   3:12;   6:33/8,   48. 

IV  6  :  83/6. 
Herberger.    II  1:6. 

—  V.    II  7  :  57. 
Herbert,  P.    II  2 : 3. 


Held,  F.    IV  1  :  24. 

—  F.  W.  A.    IV  1 :  166. 

-  Hans  V.     IV  1 :  93. 
Heldengeschichte,  Komische.  IV  3:11, 

18. 

Heldt,  S.    II  1  :  17. 

Helferich,  H.    IV  9a:  20,  98. 

Heliand.    12:9. 

Hell,  Th.    IV  4:208/9. 

Hellen,  E.  v.  d.    IV  9a:  66/7. 

Hellenismus.    I  2:6. 

Heller,  R.    IV  1 :  203. 

Hellinghaus.    0.    IV  9a:  61. 

Hellmund.     IH  2 :  10. 

Hellwig,  Ch.  V.    I  4  :  48. 

Helmholtz,  H.  v.     IV  6  :  173/4. 

Helmont,  F.  M.  van.    IVlle:115. 

Helmstedt.    16:106/7.    1113:8. 

Helwig.    III  5  :  13. 

Benckell,  K.    IV  1 :  24. 

Hendel-Schütz,  Henriette.  IV  5  :  49—50. 

Hengstenberg,  E.  W.  v.    IV  1 :  47. 

Henle,  J.  15:422.  IV  1  :  202;  3  :  124; 
6 :  169. 

Herder,  J.  G.  v.  IV  8.  -  I  1 :  19,  24, 
27;  3:160,  224.  226;  6:29;  7:29, 
35,  57 ;  8  :  26.  IV  1  :  65,  164,  234/6, 
347;  3:64;  4:  103;  6  :  162;  8: 
11;  9b:  86;  9e:12,  25,  37a,  60, 
118;    7:42;  11  :  19 

—  Theodora  Luise  v.    IV  1  :  164. 

—  C.  H.    I  6:70.    II  1:3.     IV    9a: 
27. 

Heraiann,  C.  Th.    15:  432. 

-  D.    U  1 :  2. 

-  F.  B.  W.    IV  11:93. 

-  Gottfr.    lY  1 :  220. 

—  Nik.    I  6  :  65.    II  1 : 1 ;  2  :  21. 

—  Zach.    III  6  :  12. 
Hermann.stadt.    I  6  :  114. 
Hermes,  J.  T.    IV  3  :  11. 
Hermilly.    IV  7:1. 
Heroenverehrung.    11:2. 
Herolden.    III  2  :  25,  28. 
Herrenhuter.    III  5  :  2/3. 
Herrig,  H.    IV  1:3;  4:135/6. 
Herrmann,  Joh.    II  7  :  57. 
Hertz,  M.    12:6.    IV  9e  :  120. 

-  VV.     II:  50.     ly  1 :  17. 
'lertzberg,  Minister  v.    IV  1 :  92. 
Hertzka,  Th.    II  1 :  4 
Hertz-Opifer.    I  4  :  135. 

Herwegh,  G.    IV  1 :  168,  179,  189, 196; 

6:87. 
Herz,  Henriette     IV  1:2,  41. 
Herzlieb,  Wilhelmine.    IV  9c:  6. 
Hessel,  K.    IV  14  :  32. 
Hesselloher,  A.    II  2  :  27/8. 
Hessen,  1  5:347/8;  6:80.  III  5:2,15. 
Hettner,  H.    13:  144.    III  3  :  2. 
Heuer,  0.    IV  9a  :  70,  92a,  114. 
Heufeld,  F.  v.    IV  7:61. 
Heusler,  A.    IV  9a:  92. 
Heusser,  J.    IV  4:  6. 
Heuwes,  J.    IV  9e:24. 
Heveling,  T.    16: 64. 
Hexameter.    19:7/8. 
Hexen.    III  3  :  3. 
Hezenglauben.    III  6  :  23. 
Hexenwesen.      I   5  :  10,   67—76,    78/9, 

317,  330. 
Hey,  W.    IV  1 :  8. 
Heyndricsen,  H.    II  3:20. 
Heyse,  P.   I  3  :  238.  IV  1 :  17,  32,  221 ; 

3:121,  218;  6:137,  143;   7:64;    10: 

117,  129. 
Hiecke,  R.  H.    16: 102, 
Hiesel,  der  bayrische.    III  4  :  27. 
Hildburghausen.    I  6  :  77. 
Hildesheim.    I  6  :  86.    II  3  :  43. 
HilfskUnste,  dramatische.    IV  5:1. 
Hill,  A.    I?  7:27,  37. 
Hillebrand,  K.    11:2. 
Billem,  Wilhelmine  t.    IV  1  :  17,   198. 


Hiltebrand,  A.    UI  4  :  7. 

Himmel.    I  5 :  245/6. 

Himmelskunde,  populäre.    I  6  :  63. 

Hinneberg,  P.     II:  27. 

Hiob.    IV  9e:80,  86. 

Hippel,  Th.  6.  y.     IV  3 :  76;  6  : 1,  32. 

Hirlanda.     III  4  :  27. 

Hirzel,  S.     I  2:12;  5:406. 

Hirtzwigius,  H.    I  6  :80. 

Historiker.    113:42/4.    IV  1:236;  6: 

125-37. 
Historisch-politische  Blätter.  11 1 :  13/4. 
Historiographie.    I  1 :  27,  31. 
Hochzeit.    I  5 :  48,  48a,  158,  206,  209. 
Hochzeitsdichtungen.    III  2:2,  9. 
Hochzeitsordnungen.    I  5  :  48. 
Hölderlin,  F.    I  4:  6.   IV  1 :  3,  57;  11 : 

38-53. 
Hölle.    I  5  :  247. 
Hölzlhuber,  F.    IV  1 :  27. 
Hörnlein,  M.    IH  4  :  2. 
Hofbühnen.    IV  5  :  2. 
Hofer,  Andreas.     IV  3  :  51. 
Hoffahrts-Spiegel.     III  6  :  8. 
Hoffmann,  E.  T.  A.   IV  1  :  111;  3  :  81/3; 

4:223;  10:17;   11:57;  12:4. 

—  Friedr.    IV  3  :  64. 

—  Hans.     IV  1  :  17;  3:  121. 

—  Joh.    I  6  :  158. 

—  0.    IV  9a  :  118. 

Hoffmann  v.  Fallersleben.  IV  1  :  179, 
196,  198. 

Hoffmannscher  Bund.    I  5  :  97. 

Hoffmeister,  J.    II  7  :  50. 

Hofleben.  I  5:10,  158,  310/2,  317; 
Berlin  III  1  :  25,  30/3,  35/6;  Kopen- 
hagen III 1 :  28;  Stuttgart  III  1 :  24/5 ; 
Wien  III  1  :  21,  29. 

Hofmann,  J.  Ch.  K.  v.  IV  1:225.  IV 
6  :  118. 

—  K.     III  5  :  10. 
Hofmann-Wellenhof,  P.  v.    II:  49. 
Hofmannswaldau,   Ch.  Hofmann  t.      I 

1  :  49.     III  2  :  25/8. 
I     Hofmeister,  der.    I  5  :  386. 
Hofnarren.    I  5  :  317. 
Bttisprache.    I  8  :  24. 
Hogea.    III  2  :  38. 
Bohelie«L    III  2  :  4. 
Hohenzollemdrama.    IV  4  :  127. 
Hoier  v.  Lauhtgen.    I  6  :  332. 
Holbein,  F.  I.    IT  1  :  196. 

—  H.    II  1  :  8. 
Holberg,  L.  v.    IV  1:  »2;  7  :  27. 
Holland,  H.    IV  9a  :  84,  Mk 

—  L.    III  1  :  25. 
Holländer,  F.    IV  3  :  7. 
Hollmann,  Prof.  (Göttingen).    IH  «:7. 
Hollonius,  L.    II  4  :  40. 
Holtei,  K.  v.    IV  1  :  29;  4  :  122. 
Holz,  Arno.    I  3  :  69.    IV  1  :  17,  24. 
Homer.    I  3  :  12;  7  :  33/4.   IV  1  :  233; 

3:  18,  42/4;  9d  :  12. 
Homerkritik.    I  2  :  14,  16.    IV  1  :  236. 
Homeyer,  C.  G.    II  3  :  43. 
Hompesch,  Baron  t.    IV  7  :  23. 
Horaphaeus.    I  6  :  187. 
Honorar.    11:2. 

Honorius  Augustodensis.    IV  7  :  50. 
Hopf  und  Paulsiek,  Lesebuch.    I  7  :  12. 
Hopfen,  H.    IV  1:  17;  3:  220. 
Hoppe.    II  6  :  2. 
Horaz.    II  4  :  33.    IH  5  :  17. 
Hören  (Zeitschrift).    IV  11  :  12. 
Hormayr,  J    v.    IV  1  :  160;  4  :  106. 
Hörn,  F.    IV  10  :  117. 

—  J.    U  2  :  3. 

—  U.    IV  1  :  179.       , 
Homer,  J.  J.    IV  1  :  242. 
Homstein.    IV  1  :  198. 
Hoven,  F.  v.    IV  10  :  7. 
Huber,  J.  W.    I  4  :  119. 

—  L.  F.    IV  4  :  103. 
Hubmeyer  (Hubmör),  B.    II  7  :  17,  32. 


255 


Sachrogister. 


Hübuer,  A.  Graf  v.  IV  1  :  173/8;  «  :  192. 
Hülsen,  B.  v.    IV  11  :  31. 
HUlsliolf  s.  Droste-H.,  Annette  r. 
HUttenbau.     I  0  :  152. 
Hufeland,  Cli.  W.    IV  1  :  238. 
HuKO,  V.     11:2. 
HulHon,  E.  V.    III  1  :  24. 
Humanismus.    I   1:27;  3:2.    II  1 :  2. 

IV  1  :  6«,  191,  209,  225. 
Humanitltt.     I  5  :  12. 
Humboldt,  Brüder.    IV  1  :  235. 

—  A.  V.    IV    1  :  135,    179,    100,   203, 
212,  235;  3:  125;  11:31. 

—  W.    V.    I    1  :  27.     IV    1  :  59.  241 ; 
6:144,  181,207/8;  9e:  71,  78;  10  :  47. 

Humor.     I  3  :  130a-d;   5  :  18,   95,  251 

bis  260.     III  5  :  «. 
Humoristen.     IV  6:1. 
Hundeshagon,  B.     IV  11  :  89. 
Huorich  und  Heinrich.    IV  4  :  189. 
Hutt,  J.     IV  4  :  106. 
Hutton.  ü.  V.    I   1  :27,  49;  8  :  24.    II 

1  :  4-5,  8;  3:  14;  7:89.    IV  4  :  133. 
Hygiene.    11:6. 
Hygia.    IV  9e  :  69. 

b  86D,    H.      I  3  :  115,    159,    176,    197, 

233,    278       IV    1:2,    36;    4  :  136, 

138;  5  :  72. 
Idealtypns.     I  1  :  6—7. 
Idee.    I  1  :  20. 

,Ideeu'',  historische.     I  1  :  27,  33. 
Iftland,    A.    W.      13:1.     IV    4  :  25, 

32,  35;  10  :   18,  29,  68,  117. 
Ihering,  R.  t.    IV  1  :  32. 
Iken,  C.  J.  L.    IV  9  :  3. 
Ikonographie.    III  3  :  6, 
Ilg,  A.    IV  9a  :  9. 
lUaire.    IV  11  :  31. 
lUuminaten.    IV  1  :  56. 
Immermann,  K.     I  4  :  6;    7  :  37.      IV 

1   :  (5;    3  :  8,   99;    4  :  123:  6  :  135, 

148. 
Immessen,  A.    II  4  :  6. 
Impressionismus  der  Kritik.     11:11, 

20,  29. 
Index,  päpstlicher.    IV  12  :  39. 
Individualitat.     11:2,   6-7,    16,    20, 

24,  27,    34;  3  :  197,  200;  5  :  13;  8: 

1,  7,  16-28.     IV  1   :  4.3. 
Individualismus     der     Kritik.        I    1  : 

8,  10. 
Induktive  Aesthetik  und  Poetik.    I  3 : 

62-111. 
Ingold,  Meister.     II  3  :  14. 
Inkunabeln.      I  4  :  38—47;    in  Braup- 

si-hweig.    I  4  :  40 ;  Darmstadt.   I  4 , 

41;  Fulda.     I  4  :  82. 
Inneie  Form.    IV  6  :  143. 
'  Insomnis  cura  pirentum.  III  5  :  10. 
Inspirierten,  d.  III  5  :  2, 
Instruktion    für    die    Österreichischen 

Gymnasien.     I  7  :  13. 
Iphigenienstoff.     IV  4  :  4. 
Ironie  in  der  Geschichte.    I  1  :  35. 

—  philosophische.    IV  11  :  3. 
Igaakdrama.     II  1  :  1. 

Iselin,  I.  I  6  :  27. 
Isokrates.  II  1  :  6. 
Israel,  G.   11  7  :  67. 

Jacob,  Theiese.    IV  9  :  4. 

Jacobi,  F.  H.    IV  1  :  212,  235;  6  :  1 ; 

7  :  10,  13,  78;  9e  :  28. 
Jacobowski.  L.    I  1  :  24. 
Jacobs,  F.    IV  1  :  236. 
Jacobsen,  J.   P.      13:  278.      IV   10  : 

117. 
Jacobson,  E.    IV  5  :  72. 
Jacoby,  D.     IV  9a  :  44,  50. 
Jttger,  der.    I  5  :  398. 
Jagemann,  Caroline,    IV  10  :  108. 
Jahn,  J.  Ch.     16:  86. 


—  I^    IV  1  :  50,  l«8,  212;  3:  48,  82. 

—  0.    IV  1  :  203. 

Jamben,  fOnmiMige.    IV  10  :  117. 
Jtnsxen,  J.     II  I  :  13,  16.    III  6  :  23. 

IV  II  :  64. 
Jaquet,  Anna.     IV  1 :  170. 
Jareke.  K.  E.     IV  I  :  227. 
Jean  Paul  ■.  Richter,  J.  F.  F. 
Jeep,  E.     IV  7  :  06. 
Jen».     I  0  :  77,  98. 

—  Sehlacht  bei.    IV  1  :  239. 
JeoaiMche    Allgemeine    Zeitan;.       IV 

II  :  15. 
JeniBch,  O.    III  1  :  20. 
Jenny,  0.    IV  3  :  19. 
Jensen,  W.    IV  1  :  17;  3  :  214,  217. 
Jericho,  Rose  r.    I  2  :  216. 
Jerome,     KOnig    ron   Westfalen.     IV 

II  :  84. 
Jerrmann.    IV  11  :  31. 
Jerusalem.  J.  J.  W.     IV  1  :  233. 
Jesuiten.     I  1  :  27;    5  :  76/7«.     lU  6 

:  34/5 

—  Drama.    III  4  :  15«-b. 

—  Poesie.    III  2  :   12. 

Joachim    I.    Ton    Brandenbarg.        11 

6  :  12. 

Joachimsthal.     I  6  :  129.     II  I  :  1. 
Jodelle.  E.     13:2. 
Jodl,  F.    I  1  :  31. 
JOcher,  Ch.  O.    III  6  :  7. 
JOrdens,  K.  H.    III  5  :  29. 
Johann  IV.  t.  Ueissen.    I  6  :  158. 

—  Erzherzog  ?.  Oesterreieh.     IV    1  : 
160/1. 

—  Kurftlrsten  t.  Sachsen.     II  1  :  6; 

7  :  66 

—  Friedrich  t.  Pommern.    I  6  :  172. 

—  —  Herzog  v.  Schwaben.    III  3:1. 

—  —  Herzog    v.    Sachsen  -  Weimar. 

III  1  :  16. 
Johnson,  Ch.    IV  7  :  27. 
Jommelli,  N.    IV  6  :  75. 
Jonas,  F.     IV  11  :  26. 

—  J.    II  2  :  3;  7  :  18. 

Jordan,  W.     I  3  :  212.    IV  1  :  17;  4  : 

163. 
Josel  V.  Witzenhausen.     III  3  :  9. 
Joseph  II.  Kaiser.     IV  1  :  56;  9e  :  83. 
Jonrnalistik,     III  3:8.     IV  6  :  175- 

82;  7  :  1. 

—  und  Geschichtsschreibung.     I   1  : 
27. 

Jude,  ewiger.    II  3  :  39. 

Juden.      I    5  :  166,     172/8,    463/4.  IT 

1  :  184;  7  :  70. 
Judith.    III  4  :  27/8. 
Judisch-Deutsch.     III  3  :  9. 
JUhlke.  F.     IV  3  :  115. 
Junckmann,  W.    IV  1  :  209. 
Jung,  R.     IV  9a  :  16,  48,  91. 
Jungfrauen,  zehn  (Drama).     II  4  :  8. 
Jnnghans,  Sophie.     IV  1   :  17. 
Junghegelianer.     IV  1  :  47. 
Jun^'-Stilling,  J.  H.     IV  1  :  236;  6  :  1. 
Jngondlitteratur.     III  3  :  6. 
Junges  Deutschland.    IV  IX. 
Jnnot,  Karoline.     IV  10  :  17. 
Jostinianns,  Kaiser.    III  5  :  13. 
Justue.  Th.    rV  3  :  121 

Kaakspiel,    I  6  :  66. 
Kaberlln.    I  3  :  246. 
Ktstner,  A.    IV    6  :  I;  7  :  II. 
KlafrUn.    ni    6  :  17. 
Kahle.  Marie.    IV  5  :  37. 
Kaiser,  J.  M.     IV    1  :  27. 

—  (Musiker).     IV    1  :  233. 
KalandsbrUder.    I    6  :  171. 

Kalb.  Charlotte  t.     IT    10  :  8.  29. 
Kalenderwesen.    I    5  :  33,  278it,  280fl. 
Kai  f.  P.     II    4  :  4. 
Kaiisch,  D.    IV  1  :  189;  4  :  121. 
Kainein,  A.  v.    UI  1  :  17. 


iMibli,  C.  W.    IT   8  :  IIO/I. 

KaaaMrfwiebt    I  5  :  S06c 

K  mmio.    I  •  :  U7. 

Kandidaten.    I  «  :  tML 

Kint.  I.    13:7-8,  laOe-^  •  :  20.    IT 

1  :  47,  69.  113,  235/6;    n  -  mr— 44; 

10  :  M. 
Kantate.    IT  4  :  7. 
KaazelberedeamkeiL     UI    5  :  5-6. 
Kanzlei.     I   6  :  13. 
Kanzleiiiprkehe.    I  8  :  1—5,  24. 
Kapff-Esaenlher.  Pransiaks  t-    IT  1:8. 
Kapp.  Prof.     IV  I  :  179. 
Kapaziner.    III  5  :  6. 
Karl  IV..  Kaiser.     I  H  :  4. 

-  VI..  Kaiser.     III  :.  :  7. 

-  IV.  T.  Lothringen.     III  6     10. 

-  Prinz  T.  Lothringen.     III   I  :  29. 

-  Aagtwt   r.  Sachsen -Weiwtf.      IT 
9b  :  2;    9«  :  35,    38,    00,    83,    11«; 

10  :  108. 

-  Bsgei,   Borxog   t.   Wlrtttakaff. 
IT  10  :  8. 

Kartenspiel.     I  6  :  24.  67.     III   5  :  18. 
KaMmenstuben   zn    Nen-BappfB.      HI 

1  :  12. 
Katechetenschulea.    I   0  :  180. 
Katechismen.     II   7  :  31/3. 
Katbarina   II..    KaiMria    T.    ■■■daBJ 

IV   3  :  11. 
Katharsis.     I    3  :  148. 
Kathederberedsamkeii     III  6  :  II 
Katholische  Polemik,    n   I  :  13 ».    IT 

7  :  14. 
Katholizirans.   IT  11  :34,  87.  M.  90il. 
Katzenstein.   L.    IV  9a  :  79. 
Kaufmann,   der.     I   5  :  13.  14. 

-  T.  Venedig  (StofT).    III  5  :  2S. 

-  Angelie«.    IV  9b  :  103;   9e  :  8S. 

-  Ch.     IV    1  :  233;  «  :  124*. 

-  M.     IV   9a  :  132. 

Kanlbach.    W.  t.    IT  I  :  249;   II  :  93. 
Kaweran.  Q.     II  6  :  1. 

-  W.    IV  9a  :  34. 
Kayser,  Dorothea.     IT  9«:  37. 

-  J.    III  2:29. 

-  Th.  Ch.    IT  9b:2,  7,  89;  9e:3ft, 
37-7a. 

Keil.  E.    IT  1 :  228. 

-  R.     IV  9a:  62. 
Keim.  F.    IV  1 :  27. 

Keller,  O.  IT  1 :  6. 19. 20«.  209 :  3 :  78. 
121,  194.  139-58.  lOOl.  173.  237; 
6:87.  169.  225;  7:04;  11:57. 

-  J.    II  7  :  54. 

-  BefBla.  IV  3:142fS. 
Kellner.  R.  C.  IT  9a:  34. 
Keraer.J.  IV  1:0.  225;  II:  31.  «9-70. 

-  Theobald.    IT  11:31. 
Kereon  Matt«r.  J.    IT  I  :M. 
Ketaler.  ▲.    in  5 :  la 
Keatner.  O.     IV  9«:  35. 

-  J.  Ch.    IT  9b:  16. 
Kiehne.  H.    IT  1  : 8. 
Kielland,  A.  L.     13:  281. 
Kinderglrten.    IV  6 :  220. 
Kinderlehrerachnleii.    I  0  :  180. 
Kindermann.  B.     III  5: 12. 
Kinderreime.     I  5  :  274. 
Kindtanfe.    I  6  :  40. 
Kingaley.  Ch.    IT  3 :  10. 
Kinkel.  O.     IT  I  :  168.  179.  209. 
Kirchbach.  W.    IT  1 :  17.  38 ;  3 : 7. 
Kirchenlied.  H  2  : 1  -21 ;  7  :  89-90,  »7 ; 

katholische«.     II  2:2;    ia   B«kM^ 

11  2:3:  in  MoissM.    II  2:5;  ta  dar 
Schweiz  II  2:4. 

Kirehenordnnagen.    10:129.    117:40. 
Kirchenpaaer,  G.  H.    I  6:421. 
KirchenvlUr.    III  6:0. 
Kirchhoff.  H.  W.     II  3 :  18.'9.    IT  7  :  27. 
Kirchliche  Verhtltaitsa.    I  5 :  341.  372, 

378-81.  417. 
Kirehaer,  H.    in  4 :  12. 


Sachregister. 


256 


Kinns,  F.    IV  9 : 8—9. 

Kladderadatsch.    IV  1 :  63,  104,  189. 

Klagenfurt.    I  5:370. 

Klantendorfer,  P.    II  2:3. 

Klapp,  M.    IV  1 :  189. 

Klassifizierang.    I  1:8,  11. 

Klein,  J.  L.    IV  1 :  195. 

Kleinert,  K.  E.    IV  3:  177/8. 

Kleinwächter,  F.    II  1 :  4. 

Kleist,  E.  V.     IV  4  :  127;  7  :  13,  25,  27. 

-  H.  T.  1 1  :  49  ;  3  :  176;  5  :  451 ;  7  :  14, 
41,  49.  IV  1 :  2—3,  6,  30,  205 ;  4  :  108 
bis  188,  127,  223;  9e:16;  10:107; 
11:64,  57;  12:14. 

Klemens    Wenzeslaus    v.    Bamberg.     I 

6:121. 
Kletke,  H.    IV  1  :  189. 
Klettenberg,  H.  v.    15:  405  a. 

-  Susanne,  v  III  5  :  2.  IV  1  :  28; 
9b:  104;  11:57. 

Klingenberg,  G.    IV  1 :  8. 

Klinger,  F.  M.  V.    IV    1:3,    194,   233; 

3:38— 40a;    4:21/2;   7:19;9b:88; 

9c:27a;  10:117. 

-  Max.    I  3  :  28/9. 

Klopstock,  F.  G.  I  1  :  49;  4:4; 
5  :  84;  7  :  3-4;  9:4,  18.  lY  1:3, 
4157/8,  212—20,232/3,  235/6;  3  :  11, 
19—28,  30;  6  :  15,  31;    9e  :  4,  118; 

10  :  67. 
Klosterleben  I  5  :  135,  381. 
Klosterschulen.    IV  11  :  42. 
Klotz,  Ch.  A.    IV  7  :  28,  65. 

-  B.    I  6  :  86. 

Knak,  G.    IV  1  :  18,  168. 
Knapp,  G.     IV  1  :  18. 

-  J.     IV  1  :  18. 
Knaner,  M.    I  4  :  48. 

Knebel,  K.  L.  v.    IV  1  :  29,  164,  232; 

9b  :  2,  105;  9e  :59a— 60. 
Knigge,  A.  Frhr.  v.    IV  3  :  11. 
Knittelverse.     19:2.    IV  1  :  220. 
KnobelsdorlF,  H.  G.  W.  v.     IV  1  :  79. 
Knöpgen,  A.    II  1  :  2. 
Knorr,  Joseflne  v.    IV  1  :  18. 
Knortz,  K.    IV  1  :  18. 
Kobell,  F.  y.    Pf  l  :  18. 
Koberstein,  A.    IV  11  :  19. 

-  K.    IV  1  :  18. 
Koblenz.    I  6  :  105. 

Koch,  Ernst.  IV  1  :  196;  3  :  108. 

-  Johann.    IV  1  :  18. 

-  Katharina.    IV  1  :  18. 

-  Margarethe.    IV  1  :  18. 

-  Max.  IV  1  :  188;  9a  :  2,  23,  39, 
58,  68,  73, 104, 109,  115, 117,  122, 135; 

11  :  56. 

KOberle,  G.    IV  1  :  18. 
Köhler,  Hartw.    IV  1  :  18. 

-  Heinr.    IV  1  :  18. 

-  Reinh.    I  1  :  19. 
Köln.    I  2  :  10. 

König,  J.  U.    m  2  :  7-8. 

-  Sam.    III  6  :  21. 

-  Seh.    III  5  :  10. 
Königsberg.    I  6  :  29,  100, 

-  A.    IV  1  :  18. 
Könnecke,  G.    IV  4  :  2. 
Köpke,  R.  A.    IV  11  :  31. 
Koppen,  F.  V.    IV  1  :  18,  156. 
Körner,   Ch.  G.    IV  6  :  216 ;    10  :  15, 

128;    11  :  25. 

-  Emma.    IV  4  :  103. 

-  Friedr.    IV  1  :  18. 

-  Minna.    IV  4  :  103. 

-  Th.  I  4  :  124.  IV  1  :  30/1,  170; 
3  :  49;  4  :  38-107;  6  :  162,  216; 
11  :  26. 

KOater,  A.    IV  6  :  68. 

-  Hans.    IV  1  :  18. 

-  Hugo.    IV  1  :  18. 
Kösting,  K.    IV  1  :  18. 
KöBtün,  M.  N.    IV  11  :  60. 
KOthe,  F.  A.    lY  1  :  18. 


Koglgruber.    IV  1  :  18. 
Kohl,  J.  P.    in  5  :  7. 
Kohlrausch,  F.    IV  1  :  64. 
Kohlschmidt,  0.    11  1  :  14. 
Kolb,  G.    IV  1  :  196. 
Kolbe,  Maler.    IV  9b:  11/2. 
Kolde,  Th.    II  6  :  1. 
Koloczmenostor.    I  5  :  379a. 
Kolonie,  französische.    IV   1  :  93. 
Komander,  J.    II  1 :  7. 
Komisches  Drama.    I  3  ;  151. 
Komotau.    II  1:1. 

Komödianten,  englische.     III  4  :  9,    13. 
Komödienverbot.     I  5  :  65. 
Kompert,  L.    IV  3  :  126a. 
Komplimentierart.     I  5  :  13. 
Komposition.    11:2,  20. 
Konrad  v.  Würzburg.    IV  3 :  49. 
Konventionelles.    I  1  :  48. 
Konvertiten.    IV  11  :  90/1. 
Konzeption.    I  1  :  20. 
Konzil  V.  Trident.    I  6  :  66. 
Kopenhagen.    IV  10  :  62. 
Kopernikus,  N.    II  1  :  20. 
Kopp,  M.    IV  1  :  18. 
Koppel-Ellfeld,  F.    IV  1  :  18. 
Korn,  J.  J.    in  1  :  20. 
Kornemann,  H.    lll  3  :  3. 
Kortum,  K.  A.     IV  3  :  8,  11. 
Korytanski,  J.    II  2  :  3. 
Kosegarten,  L.  Th.    IV  11  :  13, 
Kossak,  E.    IV  1  :  189,  289. 
Kotzebue,  A.  v.    13:1,  151.    III  4  :  32. 
IV  1  :  170,  235;    4  :  25,    35,    35b— d; 

5  :  55,  72;   6  :  162;    11  :  85. 
KrSuterbttcher.    IIl  5  :  5. 
Kraft.    IV  9e  :  60. 

Krais,  J.    IV  1  :  18. 

Kralik,  R.  v.    III  4:27.    IV  1  :  18. 

Krantz,  A.     II  7  :  51. 

Kraus,  F.  H.     II  1  :  15. 

—  J.  M.     IV  1  :  55;     9a  :  2,  18. 
Krause,  K.  Ch.  F.    IV  6  :  47. 
Krebs,  H.    IV  1  :  18. 

—  R.     III  5  :  34. 
Kreiten,  W.    IV  11  :  54, 
Kremer,  H.    IV  1  :  18. 
Kremsmtiuster.    I  6  :  119. 
Kretzer,  M.    IV  1  :  17,  32,  37/8. 
Kreuser,  J.    IV  1  :  18. 
Kreutzer,  C.    IV  1  :  252 ;  4  :  192. 
Kreuzhage,  E.     IV  1  :  18. 
Kreuzzeitung.    IV  1  :  168. 
Kreyssig.  F.    IV  lle  :  119. 

Krieg,   30j.     III    1:7—11;   3:2-3;    5 

:  10,  28. 
Kriegspoesie  des  7  j.  Krieges.    IV  1:80. 

—  von  1870.    IV  1  :  63. 
Kriegswesen.    15:10,    16,    90,    369b, 

391/3. 
Krippelspiel.    III  4  :  27. 
Kritik.     I    1  :  2,    6,    7-8,    10—11,  15; 

3  :  76,    77/9,    205,    207.      II    1  :  16. 

IV  1  :  236;    6  :  157—67. 

—  als  Kunst.    11:6,  27,  31/2. 

—  Geschichte  der.    I    1  :  7—8,  24. 

—  Historische.    I  1  :  27—31,  57. 

—  Kulturgeschichtliche.    I   1  :  19,  24. 
Kritiker,  Dichter  als.    11:8,  11. 
Kritischer  Skeptizismus.    I    1  :  27. 
Kromayer.    I  6  :  178. 

KrUdener,     Juliane    v.      IV      1  :  229; 

6  :  185a. 

Krummacher,  F.  A.    IV  3  :  64. 
Kruse,  H.    IV   1  :  17/8. 

—  J.    IV  1  :  24. 
Kuchlin.    I  1  :  49. 

KQohe,    I  6  :  49,  132,  136,  330b. 
Kttohle,  G,    IV   1  :  18. 
Kühn,  J.  E.    IV    1  :  18. 
KUhnau,  F.    IV   1  :  240;   11  :  85. 
KUhne,  G.     IV  1  :  6,  18;    5  :  60. 
KUnBtler.      15:16,   389—90,411.      IV 
11 : 8»-93. 


Kttnzli,  M,    IV  3  :  30 ;  7 :  18. 
Küstner,  v.,  Generalintendant.  IV  11 :  31. 
Kugler,  F.    IV  1 :  18,  198,  206,  209. 
Kuhn,  A.    IV  11 :  85. 

-  K,    IV  1 :  18. 
Kulemann,  R.     IV  1  :  18. 
Kulmann,  Elisabeth.    IV  1  :  18. 
Kulturgegchichte.       I     5;     8:1,     54/5. 

II  1:20.     III  3:3;  5:  19,  23. 

-  und  Geschichte.    I  1 :  19,  31. 
Kulturkampf.    II  1:4. 
Kulturverhältnisse.    I  1 : 2,  8. 
Kummer,  F,    IV  9a:  39. 
Kunjacob,  H.     14:118. 

Kunst.  I  3:35,  45,  53;  5:10.  II 
1 :  16-20.  IV  1 :  249-57 ;  1 1  :  26a, 
89—93. 

-  und  ihr  Einfluss  auf  die  Wirklich- 
keit.   11:2. 

-  und  Moral.    I  1  :  2,  7,  19.    II 1  :  15. 

-  und  Mystik.    IV  11:91/2. 
Kunstlehre.    13.    IV  6:147-50. 
Kunstphysiologie.    I  3  :  62/3. 
Kunstverleger.    III  3  :  5. 
Kunze,  Julie.    IV  1  :  30. 

-  W.  F.    IV  1 :  18,  30. 
Kuranda,  J.    IV  1  :  173,  179. 
Kurland,  Herzogin  v.    IV  9b  :  8—9. 
Kurs,  Auguste,    IV  1  :  18. 

Kurz,  Heinr.    IV  1:2,  179. 

-  Herm,  I  5  :  402e.  IV  1  :  18;  10  :  24. 

-  Isolde.     IV  1:17;  3:  121. 
Kupferstich.    III  3  :  5. 
Kyffhanser.     I  5:339. 

Kym,  Hedwig.    IV  1 :  18, 

Labes,  E.    IV  1  :  18. 

Laboratorium,  ästhetisches.    IV  5:25. 

La  Chatolais.     I  6  :  22. 

Lachmann.  K.     I    1  :  27;    2  :  6,  9,  14, 

36.     IV  7  :  1;  9e  :  75. 
Lachner,  F.    IV  1  :  198. 
Läppische,  D.    13:  130c- d. 
Laetus,  G.    II  1  :  6, 
Lafontaine,  A,    IV  4  :  25. 

-  J.  de.    IV  3  :  12/3:  7  :  42. 
Lagarde,   A.   P.    de.      IV     1:2,     18; 

6  :  225a- b. 
Lagrange.     IV  9e  :  47. 
Laharpe,  P,  C.     IV  1  :  235. 
Laienbühnen.     IV  5  :  26/9. 
Laistner,  L.     IV  I  :  17/8. 
Lamartine,  A.  de.    IV  1  :  65;  11  :  19. 
Lambeck,  P,     III  5  :  12. 
La  Motte.    IV  7  :  27. 
Lamprecht.     IV  4  :  223. 
Landey,  P.     13:2. 
Landsknechte.    I  5  :  10,  391. 
Landsteiner,  K.     IV    1  :   18, 
Landwirtschaft.    I  5  :  10;  «5  :  1.V2. 
Lang,  Andreas.    I   1  :  14. 

-  G.    IV  1  :  18. 

Langbehn,  J.     13: 197,  200.   IV  1 ;  44, 

110/1. 
Langbein,   A.    F.    E.      IV   3  :  11,    17, 

52/3. 
Lange,  A.  F.    15:  424.   IV  6  :  22.5. 

-  H.    IV  1  :  18. 

-  Joh.    II  7  :  102. 

-  Joh.  Pet.     IV  1  :  18, 

-  Jul.    IV  1  :  93. 

-  Sara.  Gotth.    IV  1  :  232. 

-  Wichard.    1  6  :  111. 

-  Dr.    IV  9a  :  27. 

-  (Schauspieler).    IV   1 :  170. 
Langenbcrg,  P.    14:  135. 
Langewiesche,  W.    IV  1  :  18. 
Langlois,  F,     111  3  :  5. 
Lansius,  Th.     III  5  :  10. 
Laroche.  K,  v.    IV  1  :  241. 

-  Sophie  V.    IV  1  :  241;  3  :  11. 
L'Arronge,  A.     IV  1  :  17. 
Lasaulx.     IV  1  :  198,  226. 

Laaki  (Lasius),  J.    II  7  :  67. 


267 


Sa&hregiBtor. 


LumJI«,    f.    IV    1  :  184/7,    189,    206; 

4:  183:  0  :  203/5b;  Od  :  20. 
Laasberg,  J.  r.    12:0.    IV  1  :  241. 
Lasten.    IV  11  :  18. 
Luson,  A.     IV   1  :  18. 
Lktein,  makaronlsclies.     III   5  :  28. 
Lateinische      LittoraturdoakiuKler.       I 

ö  :  221. 
Latinismus.    III  5  :  13. 
Latouche.     IV  9e  :  47. 
Laube,  H.     IV  1:0,  18.  184,  1^0,  IM; 

6  :  56;   11  :  31. 
Landes,  J.    IV  4  :  87. 
Lauffen.     l  5  :  »50. 
Lauingen.    II  1  :  6. 
Laureni)>cr(;,  J.    III  5  :  13. 
Lautonmusik.     II  2  :  TO. 
Lautlohro.     I   8  :  1,  0,  2ö/<l,  30. 
Lautsymbiilik.    I  1  :  20. 
Lavater,  J.  C.    IV  1:1,  162.  236/6,  241; 

4:15;  6:101a/6;  7:28;  8:  5;  Od:  13. 
Lazarus,  M.     IV  1 :  32. 
Leander,  R.    IV  1 :  18. 
Loberreirae.    13:4. 
Lobrun,  P.     IV  10:94. 
Lecky,  W.    U  1 :  15 
Legende.     11  3  :  40. 
Legerloti,  G.     IV  1  :  18 
Lo  Gravo,  Agnes.     IV  1 :  18. 
Lehmann,  K.    17: 20. 
Lehrplane  1882.     17:8. 
Leibniz,  G.  W.  v.     14:  5.     III   5  :  21, 

29,  81.      IV    1  :  47;    3  :  30;    7:14, 

30,  78. 
Leiden  Christi.    III  4:27. 
Loiningen  -  Dachsbnrg,     Graf    Johann 

Philipp  II.  V.    III  5  :  10. 

Leipzig.  I  5:343;  6:66,  69,  73,  97. 

Leisentritt,  J.  v.  Juliusberg,    II  7  :  63. 

Leisewitz,  J.  A  I  7:47.  IV  1:233: 
4  :  10/1; 

Leister.     IV  7:11,  57. 

Leitrstdon  für  Litteraturgoschichte  und 
Poetik.    I  7:93-100. 

Leiiner,  0.  v.    IV  1  :  17,  32;  5: 18. 

Lektüre.    I  6  :  84. 
—  dramatische.    I  7  :  19. 

Lemaitre,  .T.     I  1:7,  10/1. 

Lerasal.    I  6:  117. 

Louan,  N.  I  7:48.  IV  1:6.62,  65; 
3:n5a;  6:117,  162;  11:78. 

Lentuer,  F.    IV  1 :  27. 

Lenz,  J.  M.  B.  I  3 :  150.  IV  1:1,  5, 
194,  232;  4  :  14/8;  9b  :  88,  90/6;  9e:60. 

Leo,  H.    IV  1 :  212. 

Leonhard.    III  6  :  21. 

Leonore  Christine  t.  Schleswig-Hol- 
stein,   m  1:28. 

Loopardi,  G.  Graf    IV  11:43. 

Leopold  I.  Kaiser.    III  1  :  4,  21,  23,  29. 

Lesage,  B.    lY  7  :  27. 

Leseberg,  J.     II  4: 11. 

Lesebücher.    I  7:68—92. 

Lessing,  C.  B.    IV  7  :  10,  44. 

—  O.  E.  IV  7.  —  I  1:11,  19;  3:226; 
4:6;  6  :  26;  7  :  35.  III  6  :  19.  IV 
1  :  3,  41,  87,  111,  116,  118/9,  131/2, 
225,  232/3,  235/6,  252;  6  :  138;  1 1  :  19. 

—  Lyrik :  Jngendgedichte  IV  7:8. 
Prosaoden  IV  7:7. 

—  Drama  I  3  :  174.  IV  4  :  25 ;  5  :  72 
Comische  Einfälle  u.  Zöge  IV  7  :  27. 
Emilia  Galotti  I  7:39.  IV  1  :3; 
4  :  25;  7  :  27/8,  62/7 ;  11 :  64.  Faust 
IV  7  :  60.  Freigeist  IV  7  :  27.  Henzi 
IV  7  :  35.  Juden  IV  7  :  27.  Junge 
Gelehrte  IV  7  :  27.  Matrone  y. 
Ephesus  IV  7:1.  Minna  v.  Barn- 
helm I  3:162;  7  :  27,  40  IV  1  :  3; 
6:143;  7:27/8,  44.  Misogyne  IV 
7  :  27.  Nathan  I  7 :  28,  59.  IV  1  :  11 ; 
3:  49;  6:  143;  7:  1,  14,  24.  27/9, 
70/4;  10  :  117;  9e  :  46.  Philotas 
IV  4  :  127;   7  :  18.  28.    Sara  Swnp-      I 

Jahresberichte  tHi  neuere  deutsche 


■on  IT  7  :  27/0,  M.  Sehaii  IV 
7  :  27.     Virginia  IV  7  :  l. 

-  Beytrtge  aus  der  WolfenbUttUr 
Bibliothek  IV  7  :  68.  Uramaturgi« 
I  3  :  1;  7  :  23.  IV  7  :  14,  27/9,  68-6S. 
Epigramm  IV  7:1,  27,  33.  Er- 
zählungen IV  7  :  27.  ErxIehunB  d. 
MenschnnKoschlecbta      lY    1  :  286; 

6  :  1H9;  7  :  76/7.  Fabel  I  8  :  10; 
IV  7:1,  9,  40/3.  ColleitanMn 
IV  7  :  9.  Ltokoon  I  3  :  106;  ,  7  t 
b2.  n  1  :  Ib.  IV  3  :  142;  7  :  61 
—63.    Leben    nnd    leben  lassen    IV 

7  :  9.  Lehrgedichte.  IV  7  :  27. 
Litteraturbriefe  IT  7  :  18.  Logaa 
IT  7:1.  Pope  ein  Metaphysiker 
IV  3  :  30.  Selbstbetrachtungen  iV 
7:0.  Theatralische  Bibliothek  IV 
7  :  62.  Uebersetxungen  IV  7  :  1. 
WolfenbOttler  Fragmente  III  6  : 8. 

-  Job.  Oottfr.    IV  7 :  16. 

-  K.  F.    IV  11:26b. 

-  K.  0.    IV  7:27. 

-  Otto     IV  7:25. 
Lessingbilder.    IV  7 :  13,  24. 
Lessingdenkmal.    IV  1 :  252 ;  7  :  26. 
Leuchsonring.    IV  1  :  93. 
Lewald,  Fanny.    IV  1 :  179;  3:  109. 
Lowes,  G.  H.     IV  0e:28. 
Lewinsky,  J.     IV  4  :  128. 
L'hombre.    I  5:24.     III  1:41. 
Libanns,  L.     II  2  :  3. 

Liber  regum.    I  4 :  35. 

Liberalismus.    IV  6:206. 

Librarii.    I  4:104. 

Lichtenberg,    O.  Cb.    IV    1 :  233,   235; 

3:11.     IV  6:1,  29-30. 
Liebenau,   Th.  t.    II  1:7.    IV  0a:82. 
Liebesbriefe.    I  5  :  13,  91/2.    IV  1 :  241 
Liebh>^dt,  Z.    II  4  :  39. 
Liebig,  J.  v.     IV  1  :  31,  64. 
Liebknecht,  W.     IV  1:2. 
LinblingsbUcher.     I  5:84,  86. 
Lied    auf  den  Tod  Herzogs  Ludwig  t. 

Württemberg.     II  2:6. 
Lieder  des  7j.  Krieges.     IV  1  :  80. 

-  geistliche,  s.  Lyrik,  geistliche. 

-  czechische.    II  2:3. 

-  evangelisohe.     III  2  :  37. 

-  katholische.     III  2:38. 
Liederbuch  d.  Hatzlerin.    II  3:1. 
Liederdichter,  sektirerische     II  2 :  16/8. 
Liedorhandschrift,  Manessesohe.    12:3. 

Sudennannsehe.    II  2  :  16. 
Liederkomponisten  d.  16.  Jb.    112:40/5. 
Liodertheorie.    I  2  :  14. 
Liepmanu,  H.    IV  9a:  41. 
Lier,  H.  A.    IV  0a:83. 
Liliencron,  D.  t.  IV  1 :  17,  24,  32;  3 :  237. 

-  BHhle,  von.    IV  9e:73. 
Lille,  G.     IV  7:27,  36/7. 

Linck,  Katharina  Salome.     III  2  :  12. 
Linckelmann,  K.    IV  9a:  60. 
Lind.  Jenny.     IV  5:89. 
Lindau  (Stadt).     1  6  :  156. 

-  P.    I  3:236.    IV  1:17. 

-  B.     IV  1:17. 
Lindeberg,  P.     II  3  :  14. 
Lindau,  W.     16: 144. 
Lindenborn,  H.     111  2:38. 
Lingelsheim,  G.  W.    III  1:14. 
Linder,  Emilie.    IV  1  :  131;  11:54. 
Lingg,  H.     IV  1:0,  17  ;  3:219. 
Lingk,  H.    H  4  :  39 

Link,  J.  T.    IV  1 :  27. 

Lionardo  da  Vinci.    II  1  :  20. 

Lippert.  Ph.  D.    IV  7  :  54. 

Lipps.  Th.    I  3:35,  130a. 

Lippstadt.    I  6  :  107. 

Liscow,  Ch    L.    III  5:17.    IV  6:1. 

-  J.  F.     ni  6:17. 
List,  P.    m  5  :  12. 
Lisxt,  F.    IV  1  :  19«. 
Lithodius,  J.    II  3  :  6. 

Litt«ratargescbioht«  II  to. 


Littaralor.  kirehliebs.    12:«. 

-  modara«.    IT  I  :  84—44. 

-  rornuiseh«.    IV  11  :  71. 

-  ■ksttdinftTiaeb«.    IV  11  :  TL 
LitUntarbctnwbtanr,  relifiOs«.    I    1: 

84. 
Litteraturforseban«.    I  2  i  86—40. 
LitteraturgaMsUeht«.      I      1    :    1-S7, 

31/2.    IV  1  :  1-8. 

-  deutsch«:  in  Nord-Aaierik«.  I  1  : 
89;  ArgauUnien.  1  I  :  40  ;  Kaglaad. 
1  1   :  46;    Frankraieh.    I  1  :  8«/7. 

-  basebreibenda.    I  1  t  19. 

-  rargleiehenda.  I  1  :  1,  8.  11,  16, 
19,  24 ;  2  :  18. 

-  liethoda  dar.  II:  1-26;  in 
Deotnehland.  11:1,  19—26;  Kag- 
Uod.  1  1  :  16/8;  Fnnkraich.  1 
1  :  2-14,  19,  2t. 

-  and  Ästbelik     13:1. 
Litlaratarintaraaaen,    daaUeb  - fraaxO- 

sisebe.    IV  1  :  i-86. 
Littrow.  11.     IT  1  :  27. 
Litzel.    III  2  :  12. 
Litzmanu.  0.  CT.     IV  11  :  88—49. 
Lirland.     U  1  :  2. 
Locella,  G.    IV  Os  :  133. 
Locke,  J.    I  6  :  22.    UI  6  :  18. 
Loen,  J.  M.  t.    IV  I  :  28. 
Loban.    I  6  :  341a. 
Loeper,    Q.   r.     I   2  :  43.     IV  1  :  32; 

9a  :  118,  126,  138/0. 
LOrr,  J.     I  4  :  118. 
Loesel,  J.    UI  1  :  17. 
Lösche,  O.    U  1  :  14. 
Uscher,  E.  V.    III  2  :  63. 
Lowe  (Schauspieler).     IV  I  :  184. 
Löwen,  J.  F.    IV  3  :  18;  17  :  27. 
LOwenhalt,  Bompler  r.    III  6  :  10. 
LOwenheri,  Richard.    IV  3  :  40. 
LOwenstain-Werthheim,  Karl,  FOrst  r. 

III  6  :  7. 
Lohengrin.    IT  4  :  210-Oa,  226. 
Lohanstain,  Ct.    II:  49. 
Lokaler  Einfluss.    11:2,  6-7,  20. 
Lokalwitz.     I  5  :  265,6,  317. 
Lombard,  Cabinetsrat     IV  1  :  03. 
Lombroso,  C.    13:  64/6,  82. 
Lonicerus,  A.    III  6  :  6. 
Lope  de  Vega.    IV  4  :  166. 
Loredano,  F.     III  2  :  26. 
Loreleysage.     IV  12  :  33  5. 
Loront,  0.    II:  28,  31.    Hl:  13. 
Lorichius,  J.     n  1  :  2. 
Lorinser,  F.    IV  1  :  227. 
Lonn,  H.    IV  1  :  6  :  6  :  18-2«. 
Lorsbach.    IV  9b  :  11/2. 
Lortzing,  A.    IV  4  :  192,  210/2;  6  :  78. 
Lothringen.    III  6  :  10. 
LotUrie.    ni  6  :  27. 
Lotus.  I  6  :  296. 
Lncret.us   IV  3  :  33. 
Laden,  U.    IV  Oe  :  00. 
Ludwig  I.,  König  ron  Bayern.    IV  I  : 

31,  180,  244,  262;  6  :  68. 

-  n.  Ton  Bayern.     IV  1  :  179,  189 

-  0.    IT  1  :  194,  203;    4  :  128-32. 
176. 

Lndwigslied.    IT  11  :  19. 
Lnbke,  W.     16:  427.    II  1  :  15.    IT 
1  :  188, 108,  206,  200-11;  9a:  21,89. 
LBrk^  F.     12:  6-8.    IT  6:  112. 
LBgendiebtang.    III  8  :  3.    FV  3  :  8. 
Lüneburg.    I  6  :  110,  141. 
Lnttiehaa,  Augnstas  r.    III  3  :  4. 

-  Ehren  fried  t.    III  3  :  4. 
LugiubOh!.  R.     IV  9a  :  64. 

Luise  Henriette,  Kurflrstin.  II  2  :  19. 
Lakian.     IV  3  :  30/2. 
LusUpiel.     I  3  :  162.    in  3  :  4. 
Lustspieloper.    IV  5  :  78. 
Luthardt,  Ch   £.     I  5  :  428.    IV  1  :  22S. 
Lnlher,  M.     II  6.  -    I  1  :  27:  2  :  <; 
8  :  ISOa;    6  :  403;    7  :  81,    42;  8: 

17 


Sachregister. 


258 


1  22/3.  II  1  :  4-f',  8;  2:3; 
3  :  43;  7  :  39.     III    6  :  4,  10.     IV 

1  :  114,  236;  8  :  179-80;  7  :  27 
Bibelttbersetzung.  II  6  :  20—4 
IV  6  :  3a.  An  d.  christlichen  Adel, 
IT  6  :  3a,  5.  An  d.  Herren  Deutsch 
Ordens.  II  6  :  1.  An  d.  Eatsherren. 
II  6  j  3a,  6.  De  captivitate  baby- 
lonica.  II  6  :  17.  Fabeln.  I  7  :  42.  II  6 
3i,  5.  Katechifin.U8.  II  6  :  24—31 
Leichenrede.     II  1  :  6.    Lieder.    II 

2  :  3—5;  6  :  3a,  5.  Frau  Musika 
II  6:6.  Pahstesel.  U  7  :  39, 
Predigten.  11  6  :  1,  3— 3a.  Send 
schreiben  v.  Dollmetschen.  IL  6 
3a.  Sprüche.  IV  6  :  4.  Tischreden. 
II  6  :  3a— 4.  Von  d.  Fischen.  II 
6  :  3a.  Von  d.  Freiheit  e.  Christen- 
jnenschen.  II  6  :  3a.  Von  d,  guten 
Werken.    11  6  :  13. 

Lutherspiele.    II   6  :  95/7.    IV   5  :  16. 
Lutz,  H.    II  1  :  1. 
Lutzer,  Jenny.    IV  1  :  196. 
Luzern.    I  5  :  373.    II  1  :  7. 
Lyon,  0.    IV  9a  :  34. 
Lyrik.    112;    JU  2;   [IV  2].     13:  12, 
29,  45,  131. 

-  geistliche.     III  2  :  36—65. 

-  modernste.    IV  1  :  2,  21/7. 

-  weltliche.    HI  2  :  1-35. 


Maasslieben,  die.    I  5  :  294. 
Macaulay,  Th.    I  8  :  118.    IV  1  :  132, 

214. 
Macbethdramen    in    Frankreich.       IV 

10  :  117. 
Macchiavell,    N.    I  1  :  27.: 
Macchiavellismus.     III  6  :  23. 
Mackay,  J.  H.     IV  1  :  24;  3  :  10. 
Waciopedius,  G.     II  4  :  18,  36. 
Madäch,  E.     IV  4  :  181/2. 
Madrigal.     III  2  :  70. 
Mädler,  Staatsiätin  v.    IV  1  :  234. 
Mähly,  J.    IV  3  :  152. 
Männerbund  gegen  Unsittlichkeit.    II 

1  :  15. 
Männergesang.    IV  6  :  78. 
Märchen.    I  2  :  13;  6  :  226,  231,  242. 

III  3  :  3. 
Mäichendichtungen.    IV  10  :  117. 
Magdeburg.    I  6  :  66.    IV  1  :  232. 
Magenau,  K.    IV  11  ':  69—70. 
Magie.    III  3:5. 
Maien.    IV  1  :  184. 
Maimon,  Salomon.     I  6  :  808.     IV  6  : 

89. 
Mainz.    II  3  :  21. 
Mairet,  J.  de.     13:  2. 
Maistre,  J.    IV  11  :  19. 
Major,  6.    II  7  :  6. 
Maler.    IV  6  :  151/5. 
Malerei.     II  1  :  20.     IV  11  :  19.  26a. 
—  und  Poesie.    13:4. 

Malss,  C.    IV  4  :  24a. 

Maltzahn,  W.  v.    IV  7  :  10. 

Manger,  H.  L.    IV  1  :  88. 

Mangold.    IV  11  :  81. 

Mannheim.    IV  7  :  23. 

Mansfeld.    I  6  :  66,  228. 

Manuel.  N.    II  4  :  33. 

Marburg.    III  4  :  11/2;    6  :  12.     IV 
11  :  8». 

Marhelneke,  Ph.  K.    IV  6:      117. 

Maria  Theresia  von  Spanien.    III  1  : 
28,  29. 
—  von  Ungarn.     11  2  :  19—20. 

Mariaberg.    I  6  :  879. 

Marienburg.  I  5  :  818. 

Mairno,  0.    III  2  :  26, 

Marivaux,  J.     IV  7  :  27. 

Markus,  Dr.     lY  8  i  81. 

MarUtt,  R    JY  8  :  184,  28«. 


Marlow,  F.    IV  1  :  228. 

Marlowe,   Ch.     II     8  :  35/7.      III  3  : 

5;  4  :  80/1.     IV  7  :  27;  9«  :  14. 
Marschner,  H.     IV  3  :  49;  4  :  228. 
Marpurg,  F.  W.     IV  7  :  84. 
Martensen.    IV  6  :  117. 
Masken.     IV  10  :  117. 
Massenbacb,  Ch.  v.    IV  1  :  93. 
Massmann,  H    F.     IV  1 :  228. 
Mataja,  Emilie    (Emil  Mariot).     IV  3  : 
•     222. 

Mathematik.    II  1  :  20. 
Mathesius,    Jo.      16:  129.     II  1   :  1 ; 

7:  19. 
Matosch,  A.    IV  1  :  27. 
Matthison,  F.  v.     IV  1  :  236;    9o  :  90. 
Maturin,  CK.     IV  9b  :  2. 
Matz  V.  Dresden.    II  3  :  2. 
Mau  gras.     IV  1  :  84. 
Maupertuis,  P.  L.  M.  de.    III  5  :  21. 
Maurer,  K.     IV  1  :  198. 
Mauricius,  G.    II  4  :   11. 
Mauthner,  F.    BT  1  :  17;  9a  :  2. 
Maximilian  L,   Kaiser.     I    5  :  237.    II 

3  :  42. 

-  IL  von  Bayern.     IV  1  :  196,  212. 
May,  A.    IV  1  :  198. 

-  (.Maler).    IV  9a  :  4a. 
Mayer,  Karl.    IV  11  :  69-70, 
Majr  ßetzen,  v.    II  3  :  2. 
Mazzonius,  J.     III  6  :  13. 
Mecklenburg.    I  6. 
Mecour,  Susanna.    IV  4  :  32. 
Medeastoff.    IV  7  :  27. 
Mederus,  P.    III  2  :  21. 
Meer.    1  5  :  296. 
Megalissus  s.  Litzel. 
Megisander,  C.    II  7  :  33. 
Meierhof,  pommersoher.    I  5  :^19. 
Meigener,  M.    III  6  :  10. 
Meiningeu.    I  6  :  77. 
Meiningertum.    IV  5  :  5. 
Meinrad,  hl.     II  3  :  40. 

Meissen.    I  6  :  341 ;  6  :  158. 
Meissner,  A.    IV  1  :  27;  4  :  159. 

-  A.  G.    IV  3  :  11. 

-  J.     III  4  :  16;  6  :  23. 

-  M.     II  1  :  1. 

-  (Matth.)     II  4  :  38. 
Meister,  L.     IV  1  :  8,  235. 
Meistergesang.    II  2  :  22/6. 
Meisterlieder.    II  4  :  21;  7  :  12. 
Meistersinger.    II  7  :  101. 
Melanchthon,  Ph.    II:  27;  6  :  66,  165. 

II  1  :  6,    8,    20;    4  :  24;    7:6,  39, 

eo/1. 

Melle,  J.  V.    15:  160.   III  5  :  29. 
Mellisantes.    IV  9e  :  28. 
Melodrama.    IV  4:7. 
Memmingen.     I   6  :  229. 
Memoiren.     15:429.    1111:22,31/2. 
Mendelssohn,  M.   13:1.  IV  1:232,235; 
3  :  30;  6  :  38b,  38g;   7  :  13,  25,  28. 

-  Familie.     IV   6  :  163. 
--Bartholdy,  F.   IV  1:252;  4:227; 

5  :  89;  9b  :  23;    11  :  31. 
M6uage,  G.    IV  7:  27. 
Menagius  s.  M6nage. 
Menauder.    IV  7  :  27. 
Meneke,  B.    IV   7  :  27. 
Wencken,  A.  L.    IV  1  :  93. 
Menken,  J.  H.    IV  9  :  2. 
Mensch,  Moderner.    I  5  :  26,  443. 
Menschheit.    I  5  :  12. 
Mentschikoif.     III  4  :  16. 
Menzel.  W.     IV  1  :  179;    11  :  30/1. 
Merck,  J.  H.  IV  1  :  84;  9b  :  109-10; 

9d  :  11;  9e  :  60. 
Merckel,  W.  y.    IV   1  :  209. 
Mereau,  Sophie.     IV  11  :  54. 
Merkel,    G.  IV  1  :  93. 
Merian,  M.     III  1  :  24. 
Meseritz-    I  6  :  96. 


Mesmer.    IV   1  :  236. 
Metapher.    I  3  :  128. 
Methode.     13:1,  12,  27,  31/8. 
Methodik.    I  6  :  140. 

—  d.  Geschichtsunterrichts.     I  6  :  12. 
Methodologische         Schriften         zum 

deutschen  Unterricht.    I  7  :  fi— 19. 
Metonymie.     I  3  :  128. 
Metrik.      I  9.    —    I  1  :  20;    3  :  45.     III 

4  :  27.      IV     3  :  31,  173;     9e  :  71  ; 

10  :  117;    11  :  12,  54,  57. 
Metternich,    K.   L.    W.    Fürst    v.      IV 

6  :   131. 
Motzen  Hochzeit.    II   3:2. 
Metzer.     I  6  :  80. 
Meyer,  F.  L.  W.    IV  Ce  :  16. 

—  J.  Lorenz.    IV  1  :  Sa 

—  Karl  Victor.     IV  11  :  35. 

—  Konr.  Ferd.   IV  1:17;  3:154-60, 
237 ;  C  :  143. 

—  Nikolaus.    IV  9b  :  65. 

—  K.  M.     IV   7  :  27. 

Meyerboer,  J.     IV    1  :  179;   4  :  213/6; 

5  :  S9;    11  :  81. 
Michaelis,  A.    IV  9a:  118. 

—  J.  B.     IV  3  :  18. 
Mielke,  H.     IV   3  :  6-7. 
Mikraelius.     I  6  :  225. 
Milensius,  F.     II  6  :  45. 

Milieu.     I    1:2—8,    20,    69;     3:224, 

24S-54.     IV  Pc  :  1. 
Miltiz,  K.  B.  V.    IV  1  :  30. 
Milton,  J.      III    2  :  13.     IV    1  :  220; 

3  :  19. 
Miniaturen.     I  5  :  15. 
Minnegesang.    12:3.    III  2  :  1. 
Minnesänger.     IV  1  :  241. 
Minor,  J.     II    4  :  37,  40.     IV   9a:  7:5; 

9b  :  86. 
Mirabeau,  H.  G.  V.  Graf  v.     IV  1  :  92. 
Mitau.    I    6  :  177. 

Mittelalter.  I  1  :  ^7 ;  2  :  9.    IV  11  :  71. 
Moden.    I  5  :.  129.     III   1 :  25,  38-41. 
Moderne,  d.    IV  3  :  217,  236/9. 
Möbius,  Th.     12:  35. 
Möller,  Gertrud.    III    2  :  68. 

-  {Hauptpastor).    III  5  :  12,  14. 
Mönchskalb.    II   7  :  39. 

Mörike,  Ed.    IV  1 :  6 ;  3  :  105  ;  6  :  143, 

151;  11:31,  69,  80,  82/3. 
Moser,  A.     IV    1  :  3,  32;    3    :  177/8. 

-  J.    II:  31,  49.     IV  1  :  11;   0:1. 
Mösner,  Marie.     IV  3  :  179—80. 
Molanus,    J.      (Joh.    van    der    Molen). 

I    6  :  109. 
Moliöre,  J.  P.  de.    IV  7  :  27. 
Moltke,     H.    V.       IV    1  :  56,    64,    79, 

118-58,  252. 
Monarchia    optima    reipublicae    forma. 

m   4  :  2. 
Monita  secreta.    II  7  :  34/5. 
Monodrama.    IV  4  :  7. 
Montaigne,  M.  E.  de.     III  5  :  10. 
Montchrestien,  A.  de.     IV   10  :  94. 
Montesquieu.    I  3  :  224. 

-  Ch.  de.    III  5  :  19.    IV    1  :  70. 
Montiano.    IV  7  :  1. 

Monumenta     Germaniae     Paedagogica. 

I  6  :  80,  143,  179. 
Moore,  Th.    IV   1  :  138;  7  :  37. 
Moreto,  A,    IV  1  :  3;  10:  117. 
Morgant  d.  Riese.     II   3  :  41. 
Morgeublatt,  d.    IV  11  :  69-70. 
Morgenstern,    Prof.     in    Dorpat.      IV 

1  :  238. 
Morgenthal,  P.    III  3  :  8. 
Morhof,  D.  G.    III   5:24. 
Moritz  V.  Hesseu-Gassol.    III  4  :  11. 

-  V.  Sachsen.     I  0  :  66. 

-  K.  Ph.    13:8.    IV  3  :  37. 
Morsch,  H.    IV  9a  :  78a,  115a.- 
Morsheim,  J.  v.    II  3 :  14. 
Morsicr    E.     IV    3:  6—7. 
Moras,  Th.    U  1  :  4.    IV  3  :  9. 


259 


Sachregister. 


Hoicherosch,    Anna  Mari»   geb.    Kil- 

burger.     III  r> :  10. 

—  Barbara  geb.  Paniel.    III   6  :  10. 

—  ErneKtine  Ameley.    III  5  :  10. 

—  Ernst  Ilogeslar.    HI   5  :  lü. 

—  H.  M.     III  i?:  1;   5:  10/1,  13. 

—  Maria  g«b.  Ackermann.     III  5:10. 
Hoaen,  E.  A.     IV  3  :  104. 

—  J.     I   1  :  27.     IV  3  :  104.  1   (1. 
Moser,  0.  v.     IV  1  :  17. 

—  MoscB.     IV  12  :  12. 
Moaessplel.     IV  6  :  28. 
HoBbeim,  J.  h.  r.    III  5 :  7. 
MoskAU.     I  0:  117. 
Motive.     I  1  :  20. 

Motu.     III  5  :  27. 

Mozart,    W.    A.      IV    1:2.12;     4:192, 

1114-202. 
Mozler.    IV  1 1  :  54. 
MnfAing,  General  t.    IV  1  :  129,  132. 
MUgge,  Tli.     IV  1  :  189. 
MUhlhach,  Louise.     IV  1  :  189. 
MUhlhauNen  1.  Tb.     II  4:8. 
MUlbe  (Verleger).     III  6  :  10. 
MHllenhoif,  K.     IV  1  :  203. 
MUller,  Adam.     IV  1  :  16H;    11  :  19. 

—  Arnold.     IV  1  :  71/2. 

—  Jobannes.     IV    1  :  179. 

—  Job.  Geo.     IV   1  :230i  Ü:126 

—  Job.  Gottwerth.     I   2:19. 

—  J,  S.     III  6  :  17. 

—  Otfried.    I  2:0. 

—  Friedr.  v    (Kanzler).    IV    1  :  29. 

—  Job.  IV  1  :  55,  57.  212,  225,  236;»!, 
2."}8:  6:  12t5. 

—  Gebeimrat  Dr.     IV   II  :  31 

—  der.     I  5  :  397. 
MUlIner,  A.     IV  11   :  30. 

Mllncb  Bellingbausen,  F.  v.  IV  1  :  3, 
81,  198;  3  :  55;  4  :  155;  6  :  102; 
11  :  54. 

MUncben.  I  5  :  362/3.  IV  1  :  228, 
262;  3  :  191,  217-20;  11  :  .'-.4. 

Müncbhausen,    H.  K.  V.     Frbr.  ▼.    IV 

3  :  41. 

MUncbow,  V.    IV  9b  :  11;2. 
Münster.    I  6  :  108.     IV  1  :  240;    11 
:  85. 

—  S.     II  3  :  34. 
MUnzer,  A.     II  7  :  60. 
Mutzelburg.     IV  1  :  209. 
Mummelüee.     III  S  :  8. 

Mnncker,  F.    lY  8  :  20/3;  7:1;     9a 

:  35. 
Mundarten.     I  2  :  24;    8  :  1—2,  6—6, 

17,  48. 
Muudartenforacbung.      18:    1,    7,'  9 

—14. 
Mundt,  Th.    IV  1  :  189. 
Murer,  J.     II  4  :  11. 
Mumer,   Tb.     II  4  :  33;    6  :  «9;    7  t 

47/8. 
Musans,  J.  U.  A.     IV  3  :  11. 
Muscbe.    III  1  :  40. 
Muscbi,  J.  «.     IV  3  :  221. 
Musculus,  A.    II  3  :  43. 
Musenalmanache.'  IV  1  :  1,  21;    OSt- 

tinger.     IV  1  :  233;  11  :  57. 
Musik.     III  2  :  36,  66—70.     IV  1  :  191; 

4  :  13;    5:  74—87;  7  :  60;  11  :  31. 

—  Lob  der.    II  1  :  6. 
Muttersprache.    12:1.    III  5  :  13 
Mjlius,  Ch.     lU  6  :  21.    IV  7  i  1,  17, 

27. 

—  IV  1  :  92. 
MysterienbUcher.     IV  5  :  27. 
Mystik.    III  6:1.    IV  96  :  118;    II  : 

90/1. 
Mytliologie.    I  5  :  210/1,  282/4. 

Nacbabmung.    I  3  :  12. 
Nachdruck.   I  4:  135/7.     III  5:  12. 
Nachspiel.    III  4 :  27. 
NachtwKchter,  der.    I  5  :  399. 


Naegele.    I  6:91. 

Nakel     I  6:*9. 

Namenmoden.    I  5:302. 

Napoleon  I.    IV     1:170,238;    8:61; 

9b  :  72-86. 
Naaaau      I  6:86. 

-  -Dillenbürg,    I  6  :  66 
Nalionalchar«kt«r.    16:11. 
NatlonalgcfUhl.     I    1:61;    6:96—102, 

460/1.    II  1:6.    IV  1  :  48-60. 
Nationalität.  1  5:11/2. 
Natlonollitteratur.  I  1:61. 
Nationalnkonoroie.    III  6  :  19. 
NaiUrlicbkoit.     I  5  :  13. 
Nataralismna.    I  8  :  176-286. 

-  and  .Sociallsmus.  I  3 :  214-24. 
Naturalisten.  IV  1  :2,  84,  39-40. 
Naturbeseelang.    IV  11:77. 
Naturdiebtang.     IV  11:77. 
NatargefUhl.    I  3:123. 
Naturlcben.     IV  11:77. 
Naturlyrik.     IV  11:77. 
Naturumgebung.    I  6: 11. 
Naturwissonsthaft.    I  1 :  6—8,  27. 
NatarwisHenschaftlicbe  Kritik.   11:7— 

8,  30. 
Natzmer,  0.  t.  IV  1  :  96. 
Naubert.  B.   IV  1  :  229. 
Naumann,  Ch.  IV  1 :  2:)2. 

-  G.  IV  7:1. 
Naumburg.    I  5  :  340.    II  I  :  6. 
Necker,  M.  IV  4  :  164/5. 
Nehr  (Verleger).  III  5  :  7. 
Neithart  Fuchs.  II  2  :  2V;  3  :  2-3. 
Neocorus,  J.  A.  II  3:4. 
Nepomuk,  Johann  ▼.  IV  4  :  189. 
Nerrlicb,  P.  IV  3:78. 

Nessler.  J.  V.  IV  4:230/1. 

Nestroy.  J.  IV  1  :  189:  4  :  164/5;  5 :  47. 

Neuber,  Friederike  Caroline.     Iil  2  : 9. 

IV  ^-.rü. 
Neabildungen,  sprachliche.  I  8:13,  69. 
Neudrucke.  III  3:4;  5:4. 
Neuenkirchen.  I  6  :  78. 
Neuffer.  Ch.  IV  11  :  69-70. 
Nenhausen.  I  6  :  149. 
NeujahrswUnsche.  I  6  :  45,  203. 
Nealatinismus   III  3:1;  5:12,  28. 
Neumann  (Historiker).  IV  7  :  27. 
Neumark,  G.  UI  2:1,  40. 
Neumeister,  E.  lU  2:08 
Nearouther,  O.  v.  IV  11:92. 
Neuwied.  I  6  :  82. 
Nibelungen.  IV  1:241. 
Nibelnngentheorie.   I  1:27;  2:36-40- 
Nicolai,  F.     IV  1  :88,   220,   232,   236; 

4:17;     6:7d;     7:1,    25,    49,    56; 

11 :  86. 

-  0.  IV  4:192;  6:31 

-  (8ohn).  IV  4  :  25 
Nicolaische  Buchhandlung.    I  4 :  124. 
Nicolay.  L.  H.  t.    IV  1 :  232;   3: 11. 
Nideczki,  J.     IV  4 :  104. 

Niebuhr,  B.  0.  IV  1 :  138,  212;  II  :57. 
Niederdeutsch.  1  8  :  57. 
Niederländisches.    113:6,20. 
Niemann.  A.     IV  1 :  17,  82;  3  :  7. 
Nieritr.,  0.  IV  1 :  190. 
Niesen.  I  5 :  196. 
Niethammer,  F.  IV  10:66. 
Nietzsche,  F.    I  3  :  197,  200.  202.  246. 

IV  1  :2;  6:36.  96/8. 
Nlgidius,  U.  1  6  :  148,  230. 
Nikolaus  v.  Cues.  I  1 :  27. 
Nikolaus,  hl..  I  5 :  202. 
NikoUusspiel.     III  4  :  27. 
Ningnarda,  F.  I  5  :  405b. 
Nissel,  F.    IV  4  :  162. 
Nitssoh,  F.     U  6 :  77. 
NoU,  J.    IT  9a :  8da. 
Nordau,  H.    IV  1 :  32. 
Nordhausen.    I  6 :  59. 
Nordische  Studien.  I  2  :  35. 
Noatic,  V.    m  1 :  36. 


Hoktnulamn«.    IV  9e:n6. 
NotUr,  V.    IV  11:80. 
Noralla  ■.  P.  t.  Hardenberg. 
NOrnberg.     I     6:365/6;   6  :  11,  M.   «3, 

n&     II  1:17/9. 
Noaaigk.  J.    III  6 :  2«. 
Nymphen.  III  3  :  3. 
Nymphfoburg.     I  6:361. 

Oberammargau.      III   4:36,7.       IV 

6 :  13.  26. 
Oberpfali.    I  2  :  22. 
Obriat,  J.    IV  1:27. 
Obsopoen«.  V.    II  3  :  14. 
Oceoltismus  I  6  :  80. 
Odenwald.    I  6  :  138. 
Odin.    IV  11  :  71. 
Oeeolampadias,  J.    II  7  :  67. 
Oehlenaohltger,  A.   IV  4  :  104;  11  :  81. 
Oelhafen.  8.    II  6  :  10. 
Gel«.    I  6  :  98. 
Oenon«.    HT  4  :  189. 
OMer  ■.  SchrOer. 
OMrterreieh.     I  6  :  367-72. 
Oeaterreiuhiache  Dichter.    IV  1  :  5—6, 

27,  31. 
.OMterreiehisehe  Zeitnng."  IV  II  :  19. 
Oetker,  F.    IV  1 :  196. 
OgJer,  F.    13:2. 
Ohian.    I  6  :  94. 
Oldeeop,  J.    n  3 :  43. 
Oldekop,  Th.    IV  4 :  16. 
Oldenburg.    I  6  :  329. 
Olearius,  J.  C.    IV  lle:28. 
Olenachlager,  J.  D.  r.    IV  9e :  126. 
Olfera,  Marie  t.    FV  3  :  210. 
Oncken,  W.    IV  1  :  32. 
Oper.      IV    4:190-231;    5:74-93; 

10:117;    11:31;     Berlin  FV  6:81; 

Darmstadt   IV  6  :  77 ;    Hambnrg   III 

4:19— 9a;  Italien  IV  5:76;  Leipzig 

IV  6:89;    LObeek    IV   6:76;    Prag 

IV  6  :  79-80;  Stuttgart  IV  6 :  75. 
Opits,  M.  I  1 :  48;  9 : 2,  4.  III  2 : 1,  2a, 

70;  4:2. 
Opitzianismns.    I  1 :  47. 
Opzoomer.    IV  7  :  14. 
.Ordinari  Conrrier".     III  1 :  20. 
Ordnungen.     I  5  :  48.  330a. 
Orlando  fiirioao.    I  1 :  50. 
Ortelius.    IV  4  :  106. 
Orthodoxie.      III   2:69—66;   6:1.   12. 

IV  1 :  236. 
Orthographie.     I  8 : 1,  3,  7—8,  48 
Ortlob,  K.    12:3. 
Ossian.    IV  4 :  103. 
Osterbrluche.     I  6:  197-201. 
Osterspiel  (Bedentin).    II  4 :  4-5. 
Osterwald,  P.  r.    IV  6 :  184. 
Oswald,  B.    IV  9a:  27. 
OtfHed.     1  2:9. 
Ott,  Joh    Kasp.    IV  3 :  2V. 

—  Konr.  IV  3    :  29. 
Ottheinrieh,  Pfaligraf  r.  Lauingen.    11 

1  :6. 
Otto,  R.    13:2. 
Otway.  Th.    IV  7:27. 
Orerberg.    I  6 :  26. 
Orid.    II  4:26.    IV  3:18. 

Pachel,  L.    1  4  :  21. 

Padoa.     III   4:7. 

Ptdagogik.     I   6:1-9.      111    3:2.6; 

6  : 6,     10,     12/3,     19.      lY     1  :  136; 
6:211—21. 
Pipstin  Johanna.    114:8.    IV  1 :  54. 
ParaceUns,  Th.    I  5  :  64,  80,  414.     UI 

3:3. 
ParadiesspieL    HI  4  :  27. 
P«iller.  W.    lY  1  :  27. 
Palleske.  E.     IV  1  :  8. 
Pallmann,  U.     IV  9a  :  13. 
Palmcnordon.     III  5  :  26. 
I'aniasa,  0.    IV  1 :  24/8. 

17» 


Sachregister. 


260 


Pantomimik.    IV  5  :  50. 
Papiersprache.    I   8  :  58. 
Pappenheim,  Jenny  v.    IV  9c  :  3. 
Pappus,  J.     16:  156. 
PapsteseL     II  7  :  39. 
Papyrus.    I  5  :  295. 
Parchim.     I  6  :  102. 
Paris.     IV  11  :  13. 
Pariser.  L.    III  5  :  11. 
Parodien.     IV  3  :  11,  18. 
ParsiTal.    IV  4  :  219c. 
Parthey,  G.    I  4  :  12J. 

—  Familie.     IV  4  :  105. 
Paschasius,  St.    IV  7  :  27. 
Pasquier  s.  Paschasius. 
Pasquillanten.     I  5  :  330a. 

Passio    Johannis.    II   3  :  43;    s.  Mein- 
radi. II  3  :  40. 
Passional.    II   7  :  38. 
Passionslied.    III  2  :  30. 
Passionsspiel.    13:2. 

—  Oberammergauer.     IV  1  :  217. 
Pastoraldiohtung.    13:2. 
Patriotismus.     IV  1  :  198,  2-39. 
Pauker  von  Niklashausen.    II   1:4. 
Paul,  H.     I  8  :  7,  34. 

Pauli,  J.    II  3:20;    4:  23. 
Pavialied.     II   1:6. 
Pawel,  J.    IV  3  :  20/2. 
Peccenstein,  L.     IV   9e  :  28. 
Pegnitzschäfer.     13:4.     IV  3  :  lU. 
Pennalismus.    I  6  :  224. 
Perfall,   A.  Frhr.  v.     IV  1  :  17. 

—  K.  V.    IV   5  :  4,  23. 
Perinet,  J.    IV  4:25. 
PerrUcke.    I   5  :  127a. 
Personifikationen    in    der   Poesie.     IV 

9c  :  14. 
Perspektive.    II  1  :  20. 
Pesne,  A.    IV  1  :  79. 
Pessimismus.    III  6  :  26. 
Pestalozzi,   J.   H.    16:  38,    115.    IV 

1  :  235/6;  3  :  11 :  6  :  217/9a. 
Petersen,  M.    IV  1  :  203,  21. 

—  J.  W.    IV  10  :  II. 
Petri,  A.    I  4  :  ll8. 
Petrus.    I  5  :  247. 
Peynfelder.     I  1  :  49. 

Pfau,  L.     II    1  :  15.      IV    1  :  17;    6  : 

165a— c. 
Pfeffel,  G.  K.     IV  1  :  232/3;  3  :  15/6; 

6  :  8-10. 
Pfeiffer,  G.  J.    IV  3  :  38/9. 
Pferd.    I  6  :  286a,  295b. 
Pfeuffer.    IV  1  :  179. 
Pfltzer,  J.  N.    III  3  :  5. 
Pfizer,  G.    IV  11  :  80. 
Pflanzen.    I  5  :  288—95. 
Pflichtexemplare.     I  4  :  138—43. 
PflUger,  C.    I  6  :  159. 
Pflug,  J.    IV  1  :  6. 
Pfore,  A.  V.     II  3  :  14. 
Pfuel,  E.  V.    IV  1  :  30. 
Pliädrus.    IV  7  :  42. 
Phantasie.  I  1 :  24;  3  :  6,  27,  53,  62/3, 

67/8,  82,  86,  251.    IV  11  :  26a. 
Philadelphia.    IV  9a  :  10. 
Philanthropinismus.     I  6  :  23.    III  3  : 

6.     IV  6  :  211/3. 
Philhellenismus.    IV  1  :  235. 
Philipp,    Landgraf  V.  Hessen.    111:6; 

6   :  38,  53. 

—  IL,     Herzog    v.    Pommern.        III 
1  :  24. 

—  II ,  König  V.  Spanien.    IV  10  :  73. 
Philips.    IV  1  :  220. 

Philologie.  I  1  :  19,  24.  III  5  :  12; 
klassische  I  2  :  17;  nordische  I  2 
:  35. 

—  Geschichte  d.  deutschen.    I  2.    IV 
6  :  138-143. 

Philosophie.    IV  1  :  228     6  :  35—99 ; 

der  Renaissance  II  1  :  21. 
Phonetik.    I  8  :  7,  80,  48. 


Phulstan,  G.     IV  9a  :  2. 
Physik.    11:6.     II  1  :  20. 
Physiologie.    11:2. 
Physiologus.     in  5  :  5. 
Pibrac.    III  5  :  10. 
Picard,  L.  B.    IV  10  :  117, 
Pichler,  A.     IV  1   :  27. 

-  Caroline.    IV  1  :  170;  4  :  103. 

-  Helene.    IV  1  :  6. 

Pietismus.    III    2  :  51/4,    59—61;    5: 

1—3. 
Pietsch,  L.    IV  1  :  206/9. 

-  P.    n  6  :  1. 
Pilgerreisen.     I  5  :  155/6. 
Pindar.     IV  9e  :  4. 
Pirckheimer,  W.    II  7  :  102. 
Pistorius,  R.    II  1  :  2. 
Pius  II.  s.  Aeneas  Sylvins. 
Placentius,  P.    II  4  :  24. 
Planche,  J.  R.    IV  4  :  208. 
Planctus  ruine  ecclesie.    II  7  :  39. 
Plantin,  Ch.     I  4  :  27/8. 
Plateanus,  P.    I  6  :  65. 

Platen,  A.,  Graf  v.    19:7.     IV  1  :  6, 

179,  203,  212. 
Platner,  E.     IV  6  :  40/1. 
Piaton.    IV  3  :  32. 
Plautus.     IV  7  :  27. 
Plessing,  F.  V.  L.    IV  9e  :  60. 
Plitt.     IV  11  :  26. 
Plutarch.     IV  7  :  27. 
Plutarchi    Bock     van    dem    Gemeinen 

besten.     II  3  :  14. 
Pocci,  F  .  Graf.     IV  11  :  93. 
Podagra.     II  1  :  1. 
Poetik.     I  3.-I  1  :  1—26,  34,  41;  2  :  1. 

-  und  Aesthetik,  Ziel  der.     I  3  :  31. 
Pötting,  E ,  Graf  v.  III  1  :  23. 
Poggio,  F.     II  4  :  43.    IV  7  :  27. 
Polemik.    II  7  :  34—39;     katholische. 

II  1  :  13/5. 
Politik.    III  6  :  19,   23.    IV  1  :  235/6, 

244. 
Politische    Berichte.      III    1  :  24,    29, 

33. 

-  Geschichte.    I  1  :  27,  31. 
Polko,  Elise.    IV  1  :  8. 
Pollhammer,  J.    IV  1  :  27. 
Polyhistorie.    III  5  :  23. 
Polzer,  A.     IV  3  :  177/8. 
Pommern.     I    5  :  252/7,    317;     6:  103, 

171/2. 
Pondo,  G.    II  4  :  11. 
Ponikau,  J.  A.  v.     14:  98. 
Pope,  A.     IV  3  :  18,  30;  7  :  1. 
Popularität.     I  3  :  111. 
Popularphilosophen.    IV  6  :  1. 
Portig,  G.     IV  1  :  2. 
Porträtstudien.     I  1   :  27.     III  3  :  5. 
Posen.     I  5  :  320. 
Positionsarithmetik.    II  1  :  20. 
Positivismus.    IV  6  :  38— 8a. 
Post.     I  5  :  13,  148-51,   154. 
Postel,  Ch.  H.     I  5  :  160.      III  5  :  29. 
Postl,  K.  (Ch.  Sealsfield).      FV  8  :  103. 
Postreuter,  Fuldaischer.    I  4  :  50. 
Pott,  A.    I  2  :  29. 
Prätor.     III  5  :  17. 
Prätorius,  A.     II  2  :  5. 

-  Jak.     III  2  :   69. 

-  Job.     IV  96  :  120. 
Prag.     16:  158. 
Praktiken.    I  5  :  84,  278a. 
PrantI,  K.  v.     IV  1  :  198. 
Prechtlor,  0.     IV  1  :  27. 
Predigtlitteralur.     III  5  :  6,  6. 
Pregell,  J.     II  4  :  26. 
Prehauser,  6.     IV  4  :  87. 
Preisaufgabe,  Berliner   über  Pope.   IV 

7  :  18, 
Premißrenpublikum.    IV  5  :  18, 
Pressburg.     I  6  :  113. 
Preussen.     I    6  :  165a.     IV  1  :  239-40. 
Preussens  Erhebung.    IV  1  :  54. 


„Preussischer  Korrespondent."    IV  11  : 

54. 
Probst,  P.    II  4  :  20,  38. 
Pröhle,  H.    IV  3  :  64;  9a  :  37,  47. 
Professur  fttr  Litteratnrgeschichte.     I 

2  :  5. 
Prohl,  Hedwig.    LV  1  :  8. 
Prometheus.     IV  9e  :  80. 
Propyläen  die    IV  11  :  19. 
Prosafaust.     III  3  :  5. 
Prosaroman.    II  3  :  41. 
Prosoh,  F.     IV  7  :   1. 
Protestantismus.    III  5  :  7. 

—  u.  Katholizismus.     II  1  :  5. 
Prowe.     IV  1  :  8. 
Prudentius,  A.  P.  C.    II  2  :  13. 
Prüderie.     II  1  :  15. 

Prutz,  R.     IV  1  :  6. 
Psalter,  deutsch,     II  1  :  6,' 
Pseudonyme.     I  1  :  59. 
Pseudoturpin.     II  3  :  41.    IV  11  :  19. 
Psychologie.     I  1  :  1—2,  6,   7,    20,  24, 
27,  32/3. 

—  u.  Ästhetik.     I  3  :  12. 
Ptolomäische  Astronomie.    II  1  :  20. 
Publikum.      I  1  :  2,  6;  5  :  85.     IV  6  : 

205c. 
Publizistik.     III  5  :  34;  politische  vor 

ä.  30j.  Kriege.     II  7  :  34/5. 
Puehpinnder,  B.     14:   15. 
Pückler-Muskau,  H.    Fürst    v.      IV    1  : 

179,  184,  196,  212. 
Puh-Hille.    I  5  :  216. 
Pulci,  L.    II  3  :  41, 
Puppentheater.     III  4  :  28/9. 
Purismus.     IV  1  :  36;  7  :  16. 
Pygmaeen.     III  3  :  3. 
Pyra,  J.  J.     IV  3  :  18. 
Pyrker,  J.  L.    IV  4  :  106. 

Quellenforschung.    11:6,  24,  29.    III 

5  :  19.     IV   11  :  71/2. 
Quentell,  H,    I  4  :  41. 
Querfurt.     I  6  :  97. 
Quesuay.    III   5  :  19. 
Quinault,  Ph.    III  4  :  16. 
Quistorp,  J.  Th.    IV  7  :  2Z 
Quodlibet.    II  3  :  4. 

Raabe,    W.    IV    1  :  17;      3  :  78,    121, 

19i'-201. 
Kabelais,  F.     II  6  :  89.    IV   3  :  92. 
Rabener,  6.  W.    16:  21.    IV   1 :  235 ; 

6  :  1.  6-7. 

Rachel,  Elisa  (Felix).    IV  3:  231. 
Racine,  L.     13:2.    IV  7  :  27  ;  11  :  31. 
Rader,  Pater.     II  7  :  54. 
Radowitz,   J.   M.  v.     IV    1  :  168  ,170. 
Radziwill,  Anton  v.     IV  1  :  95/6. 

—  Elise  V.    IV  1  :  95/6,  190. 
Ratsei.     I  3  :  4 ;  5  :  24:J,  259,  273. 
Kafael.    II  1  :  20. 

Ragaz.     II  1:7. 

Ragot,  N.  de  Grandeal.    IV  7  :  27. 
Rahbeck,  K.  L.    IV  7:  19;  10:  8. 
Raimund,  F,     IV   4  :  166/8;   6:  162. 
Rambach,  F.  E.    IV  "4  :  127;    10  :  117. 
Ramler,   K.  W.    I   4:124;   9:18.     IV 

1  :  232/3,  23Ö;  4:  7;  7  :  12. 
Rank,  J.     IV  1  :  32. 
Ranke,  L.  v.     II:  27,  33.     IV    1  :  64, 

132,     135,    198,    212/6,    218,     225/6, 

252;  6:  132/3;  10:  78, 
Kapin  de  Thoyras.  P.    IV   10  :  106. 
Rasch,  J.     IV  1  :  189. 
Raspe,  R.  E.     IV  3  :  II. 
Rasse.    11:2,  6,-8:  5  :  11. 
Ratdolt,  E.    I  4  :  107. 
Ratichius,  W.     I  6  :  178.     III  5  :  13. 
Ratinijen,  Jakob  v.     II  2  :  36. 
Rationalismus.     IV   !  :  47. 
Kauch,  Ch.     IV  1  :  252. 
Kaue,  J.     I  6  :  221. 
Raumer,  F.  v.    IV  1  :  93. 


261 


Sachregister. 


—  K.  T.     IV  1  :  1(W. 
Banpach,  E.     lY   4:  168;    6  :  56,   68; 

10  :  9i. 

Raasch,  N.    I  4  :  136. 

RealismuB.    IV  6  :  32/6. 

KecenHenten.    11:7. 

RecUberg.  J.  B.  v.     IV  1  :  179. 

Recke,  Elise  t.  d.    IV  4  :  103. 

Rector  scolaruin.     I  6  :  160. 

Redeform,  innere.     IV   Oc  :  1. 

KedeDBsrten.     II  U  :  23,  4a. 

Bedentin.    II  4  :  4-5. 

Redlich,  Ch.     IV   7  :  1. 

Kedwjtz,  J.      IV    1  :  17;  3  :  161/9, 173. 

R6e,  A.     I  6  :  112. 

Reformation.  II  1:2.  Bayern.  II 
7   :    12/4.  Böhmen.       II    7   :    17. 

JoRchimsthal.  II  7  :  17.  Pfalz- 
ZweibrUcken.     II  7  :  16.     Schwaben 

11  7  :  U>.    Waldshut    II  7  :  10. 
Reformation  u.  Freiheit.    II    1:5. 
Reformationslitteratur.     II  7. 
R<Sfngi«8.     I   5  :  315,6. 
Regensburg.     11    1:0. 
Regensbnrger  Buch,  deutsch.     II  1:6. 
Regimen  sanitatis.     I  4  :  17. 
Regiomontan.     II  I  :  20. 

Regia,  J.  O.     IV  3:92;   6  :  142. 
Regisseur.    IV    5:1. 
Regius,  U.    s.  Rhegius. 
RegTiard,  J.  F.    IV   7  :  27. 
Kehorn,  A.    IV  3  :  6—7. 
Reirheosperger,  A.    II   1  :  15. 
Reicher,  E.     IV  5  :  35. 
ReichsbUhnenfonds.     IV  5  :  16. 
Reitbsliskus.     III   5  :  7. 
Reichshofrat  (Wien).    III  5  :  7. 
Reichstag  zu  Regensburg.     II   1:6. 
Koichswaisenhaus  Lahr.    IV   1  :  32. 
Reift'erscheid,  AI.    III    5  :  11. 
Reim.    I  9  :  10/2, 
Reiraarua,  J.  A.  H.    IV  7  :  11. 
ReimbUchlein,   niederdtsches.    II  3  :  14. 
Beimreinheit.     IV   1  :  198. 
Kolnbach,  Rektor.    IV   4  :  17. 
Reineclie,  Theaterdirektor.    IV  10:117. 
Reinhard,  K.     IV  4  :  127. 

-  IV  7  :  18. 

Reinke  de  Vos.    II  3  :  8—16. 
Reinwald,  Christophme     IV  10  :  80. 
Reisejournale.    III  5  :  29. 
Reisen.    I  5  :  155— 61a. 
Reiske,  J.  J.    lY  1  :  87 ;   6  :  138. 
Rellstab,  L.     IV  3  :  101;  11  :  31. 
Rembrandt,  H.  van  Ryn.     III  3  :  5. 

-  als  Erzieher.  I  5  :  434-^2.  II 
1:3. 

Reumont,  A.  t     IV  11  :  31 
Renaissance.    I  6  :  17.      II  1  :  5. 
Renaissancemuseum  (Berlin).  II  1  :  16. 
Renan,  E.     I  1  :  7,  11. 
Rengger.     IV  1  :  235. 
Renner,  J.  F.  Ch.    IV  Oa  :  29. 
Rettich,  Julie.     lY  6  :  57. 
Reuchlin,  J.     I  1  :  27.     II  1  :  8;  7: 

102. 
Beusner,  A     II  2  :  3. 
Beater,  Ch.    UI  8  :  4;  4  :  27. 

-  F.  13:  130a;  4:4.  IV  1  :  6, 
189;  3  :  114-82. 

Reutlingen.     I  6  :  382. 

Bevolution,    französische.      IV   1  :  57, 

138,  164,    166,    168,     170,    173,179, 

184,  235,  252. 
Revolutionsalter.     IV  1  :  60/2 
ReTue  Germanique.     IV  1  :  235. 
Beyher,  A.    I  6  :  179. 
Beysoh,  G.    I  4  :  12. 
Reysebtlchlein,  knrtzweilig.    II  8  :  14. 
Rhegius,  U.    II  7  :  47. 
Rhein.    I  5  :  351(2. 
Rhetorik.     I  1  I  2,  20.    IV  1  :  116/7. 
Rhode.    IV  11  :  13,  19. 
Rhythmus.    19:5,  13.    IV  »c  :  1. 


Rhytbroni  der  Spracbr.    I    I  :  ~^i. 

Ribaadecn.  A.  da.    13:  2. 

Ribot,  Tb.     II:  8,  27. 

Blocoboni,  L.    IV  7  :  1. 

Rlehardson,     8.       IV    1:5;     8  :  88; 

4  :  0;  7  :  27. 
Ricbel,  B.    I  4  :  107. 
Riohey,  M.    II  2  :  84.    IV  3  :  liO. 
Richter,  Jean  Paul  Friedrieb.  1  3  t  180a. 

IV  1   :  3,  42,   .V.',  2J0;     8  :  1«,  78- 

81,   121/2,    U'5,    192;     8       U:i     171; 

8:6;    11  :  54,  83;    1:: 

-  Joh.     I  6  :  99. 

-  Ludw.     IV  1  :  l»l. 
Riegel,  II.     II  1  :  16. 

Riehl,  H.  W.  t.    IV  1  :  17.  168,  191. 
Biemer,  F.  W.    IV  9«  :  78. 

-  J.     IV  10  :  94. 
Rletberg  (Stadt).     I  6  :  87. 
Rietsehel,  E.    IV  1  :  64,  252. 
Riffert,  J.     I  1  :  49. 

Riga.     I  5  :  377;   6:20,  117.    II  1:2. 

Biggenbach.  B.  E.     II  I  :  7. 

Bing.    I  5  :  304. 

Bingseis.    IV  11  :  93. 

Bingwald,    B.      II   4  :  17.      III  6:  10; 

2  :  41. 
Binkart,  M.     III  2  :  41. 
Bist,  J.     I  1  :  49.     III  2  :  22,  61,  66/7, 

69;  4  :  2,  13;  5  :  10. 
Bitter,  E.    I  3  :  224. 

-  H.    IV  1  :  212. 

-  K.     IV  1  :  135.  179. 

-  W.     IV  11  :  54. 

-  aus  Steiermark,  Weise.      II  7  :  12. 
Bitterdrama.    IV  4  :  35;  11  :  54. 
Uittergedichte.    IV  3  :  II. 
Bitterschule.    I  6  :  138. 
Bittershaus,  E.    IV  1  :  6,  17,  32. 
Ritterspraehe.    I  8  :  24. 

Bob^rt,  K.    IV  9e  :  69. 

Roberts,  A.  Baron  t.    IV    1  :  17,    102. 

Robertson.    I  1  :  14. 

Robinson,  Crabb.     IV  1  :  29. 

-  I  5  :  84.     III  3  :  6-8. 
Robinsonaden.    III  3  :  6—7, 
Rocholl,  R.    I  1  :  33. 
Rochow,  F.  E.  T.    16:  24. 
Rodde,  Frau.    IV  1  :  235. 
Rodenborg,    J.    IV    1  :  17;    3  :  204/7. 
Rodericus  Zamorensis.    II  3  :  14. 
Rodowö,  W.  L.    I  4  :  5.   IV  7  :  26. 
Roederer,  J.  G.    IV  4  :  15. 

Röling,  J.     UI  2  :  68. 

Rösller,  C.     IV  1  :  179. 

Rehmer,  F.    IV  1  :  178.  198,  225. 

Rokoko.     I  5  :  24.     III  1  :  39—41. 

Roland.    I  1  :  50.    IV  11  :  19. 

Bollenhagen,  G.    II  3  :  14. 

Bora.  I  5  :  63      IV  11  :  19. 

Borna  capnt  mundi.     II  7  :  39. 

Boman.  I  3  :  53.  67,  137-41;  6:84. 
III  3  :  2—3,  7  ;  französischer  III  3  : 
11;  historischer  IV  3:2;  niederlln- 
discher  IV  3  :  4—6;  Wiener  IV  8: 
222/5. 

—  und  Geschichtsschreibung.   1 1 :  87. 
Romantik.  IV  11.-  I  1 :  27,  50;  2  :  18.  IV 

1  :  6,  47,  179,  191,  2-26;  S  :  237;  4  : 

31,  223;  12  :  5;  schwibisohe  lY  11  : 

69-83. 
Bonge.     IV  1  :  179. 
Bonneburg.    III  6  :  2. 
Bonsard,  P.  de.    13:  2. 
Boon,  A.  Th.  E.    Graf  t.      IV    1  :  166 

-68. 
Boquette,    0.    IV  I  :  17,  32.  198,  203, 

209;  3  :  209. 
Böse,  die.    15:  293. 
Rosegger,    P.  K.     IV    1  :  17,   27;    8  : 

135. 
RosenplOt,  H.    U  3  :  1;  4  :  29. 
Rosenthal,  Dorothea  r.    lil  6  :  24. 

-  J.     UI  5  :  6. 


Roet,  J.  Ch     IV  :>  :   IH. 
Bottoek.     III  2  :  8. 
Botb,  A.    U  2  :  «. 

-  N.     11  4  :  17. 

-  SU     I  6  :  66. 
RotheDborg.    1  5  :  888^  800. 
Botteabammer,  J.    15:  408. 
Botnll.     I  6  :  124. 

Bo«cet  de  Liale,  J.    lY  I  :  58. 
BonaaeM.  J.  B.     IV  7  :  27. 

-  J.  J.  I  3  :  123;  6  :  81  1118:e{ 
6  :  19.  IV  1  :  5,  168,  170;  8  :  147; 
4  :  7;  10  :  8. 

Badoir  II..  Kaiaer.    1  «  :  181. 

Rudolph  i,    III  4:2. 

Bttekert,  P.      14:6.      IV    I  :  6.    31. 

163,  196,  212;  II  :  78. 
BUmelin,  G.   I  I  :  27. 
Bditnngnn.    I  6  :  15. 
BOtli.  Daa.     IV  I  :  206/9. 
Bnge,  A.     IV  1  :  179. 
Bumohr.     IV  II  :  64. 
Bunge,  Pb.    IV  II  :  67. 
Busf,  Anna.    I  6  :  373. 

-  K.    IV  1  :  88. 
RynMh,  H.  r.    15:  878. 

Smt,  f.  t.    IY  1:  17:  8:224. 
Saoher-Masoeb.  L.  r.    IV  1  :  27. 
Sachs,  Hans.    I  1  :  47;  7  :  32.   II  1:8; 

2:8;  4:21/6,  Sa    IV  7  :  27. 
Sachse.  M.     U    7  :  8& 
Sachen.     I  6  :  65-70.     HI  8 :  4. 

--Altonbnrg.    I  6  :  168. 
Sachsenspiegel.     I  4  :  17. 
Singer  u.  SKngerinnen.    IV  6  :  88— Ml 
Sagen.    I  2  :  IS;  6  :  226-40,  885-8t. 

m  3:3. 
Sagenforschung.     I  2  :  22.     IY  11  :  71 
Sagengeschichte.     III  5  :  23.  * 

SageuKammlnngen.    III  8  :  8. 
Sagittarius,  P.  M.    IV9e:2a 
Sailer,  G.    II  1  :  6. 

-  J.  H.     I  6  :  26.    IY   1  :  888. 

-  8.     IV  6  :  1  >. 

Sainte-BeuTe,  Cb.  A.    11:2,  13. 
St  Germain.    IV  1  :  162. 
Saint-Hilaire.    11:8. 
Salamander.     III  3  :  8. 
Salchow.  O.  A.  F.     IY  3  :  47/8. 
Sallet  F.  T.     IV  1  :  111. 

Salm.  H.  F.  in.    IV  9b  :  18. 
SaWerte.     IV  1  :  236. 
Saliwedel.     I   6  :  86. 
SanoU  Clara,    Abraham  a.     IV    10:64. 
Sand,  K.  L.     IV  11  :  83. 
Sanderadorf.     III  3  :  8. 
Sanskrit    I  2  :  30.     IV  II  :  18w 
Saphir.  Marie.    IV  4  :  122. 

-  M.  G.    IV  1  :  189;  4:  184;  8:  177. 
Sapidus,  J.    I  4  :  14. 

Sareerins.  E.    I  6  :  68. 

Sardon,  V.    IV  4  :  ISa 

Satire.     III  5  :  6,  10-23.   IY  6  :  1. 

Saitler.  M.    II  7  :  97. 

SatsfUgung,  Tolkatamliehe.    I  8  :  87«, 

88. 
SMer.  ▲.    IV  8:80;   7:  1. 
Saaerkrant    I  6  :  138. 
Sauerilnder  (Bacbblndler).     IV  3  :  61. 
Soaligar,  J.    13:2. 
SeaaaecJo,  H.     I   1  :  50. 
Searron,  P.    IY   7  :  27. 
Seback.   A,  F.  Oimf  t.    III   4  :  38.     IY 

1  :  17,  193,  200;  3:206, 
Schaden,  t.    IY  1  :  225. 
Sehadow.  J.  O.    IY  9a  :  1^  88. 
Schtfer,  D.    I  1 :  19. 
S«htferapieL     UI  4  :  27. 
Scbirf,  H.     IV  12  :  32. 
S«htrUin,  &     II  1 :  6. 
Schaffen,    ktlnstlerische«.      I    3  :  45, 

62/8.  62/3,  74.6.  109-10. 
Sehaffer,  F.  J.    IV  1  :  27. 


Sachregister. 


262 


Schaible.    11  1:  3. 
Schallenberg,  Ch.  V.    III  2:2a. 
Schanz,  ü.    IV  10  :  127. 
Scharf,  L.    IV  1  :  24/5a. 
Schatzger,  K.    II  7  :  49/9a. 
Schauer,  H.    14:  15. 
Sehauraberg,  G.    IV  1  :  24/5. 
Sehaumberger,  J.    IV  1  :  24/5. 
Schauspiel.     I  3  :  159;  s.  auch  Theater. 
Schauspieler.  IV  1 :  228-31 ;  5  :  36—61. 

—  -Akademien.  IV  5  :  16. 
Schauspielkunst.    IV  5  :  1,  26,  29—36; 

7  :  59. 
Schefer,  L.    14:5. 
Scheffel,    J.  V.  v.    IV    1    :  191 ;    3  :  2, 

115  a,  182/8;  6:137,  143;  11  :  57. 
Scheffler,  J.    III  4  :  13. 

—  N.    I  5  :  38. 
Scheihle.    III  3  :  5. 
Scheidel,  G.    IV  11  :  36. 
Schein,  ästhetischer.    I  3  :  25/6. 
Schelhammer,  D.     14:  102. 
Schelling,  Caroline  s.  Schlegel. 

—  F.  W.  J.  V.  IV  1  :  43,  47,  221,  225, 
235;    6:  1,    48/9,    117,    146;     10:21; 

II  :  19,  49,  52. 
Schellmufsky.    III  3:5.     IV  3  :  8. 
Schenck,  J.    II  6  :  74. 

—  J.  G.     III  5  :  12. 
Schenk,  Baron.    III  5  :  11. 
Scherenberg,  Ch.  F.  IV  1  :  206 ;  6  :  143. 
Scherer,  Edm.    11:7. 

—  W.  I  1  :  14,  27;  2:26;  3:35/6, 
64/6,94/8.  in  3  :  2.  IV  1  :  2;  9b:  86; 
9  e  :  1 ;  9  e  :  75. 

Schernberk,  D.    II  4  :  8.    IV  11 :  54. 
Scheuchzer,    IV  1  :  241 ;   3  :  145,  153/6. 
Scheurlin,  G.    IV  1  :  228. 
Scheveklot.    II  3  :  43. 
ScMck,  Schuhmacher.    III  6  :  2. 
Schicksal.    I  3  :  150,  155. 
Schicksalstragödie.    IV  10  :  109,  127. 
Schiebeier,  D.    IV  3  :  11. 
Schildbürger.     I  6  :  252.    II  3  :  24-30. 
Schill,  H.     III  5  :  10. 
Schiller,    Charlotte  v.    IV    10  :  17,  29, 
125. 

—  Elisabeth  Dorothea.    IV  1  :  66. 

—  Emilie  v.    IV  1  :  31. 

—  Ernst  V.    IV  10:29. 

—  F.  T.  IV  10.  -  I  1  :24,  27;  3:7, 
12—3,94,  226/7,  246;  4:4—5.  III 
4  :  35.  IV  1  :  3,  5,  29,  43,  65,  67, 
111,  170,  179,  212,  221,  227,  229, 
236,241,  252;  3:122;  4:24,  103; 
6  :  2050,  225;  9e  :  83/4,  115;  11  :  12, 
21,  34,  39,  46,  49,  51,  54. 

—  Lyrik  u.  a.:  17:  62;  3  :  133;  9  : 
2.  IV  6  :  143.  Bittschrift  IV.  10  :  64. 
Deutsche  Muse.  I  1  :  31.  Epigramme. 
IV  :  64.  Freigeisterei.  IV  10  :  8.  An 
die  Feunde.  IV  10  :  8.  Freundschafts- 
ode. IV  10  :  8.  Glocke.  I  7  :  67. 
IV  1  :  196;  10  :  49-50.  Götter 
Griechenlands.  IV  10  :  8.    Handschuh. 

III  5  :  23.  IV  10  :  51.  Hero  und 
Leander.  IV  10  ;  62.  Ideal  und 
Leben.  IV  10  :  47,  63.  Ideale.  IV 
10   :  47.    Kampf  mit  dem  Drachen. 

IV  10  :  54.  Kindesmörderin.  IV  10 :  8. 
Kraniche  des  Ibykus.  IV  10  :  55. 
Künstler.  IV  10  :  8,  67.  Lauralieder. 
IV  10  :  8.  Kesignation.  IV  10  :  8. 
Bitter  des  Spitals.  IV  10  :  56.  San- 
hcrib.  IV  10  :  64.  Schlimme  Mo- 
narohen. IV  10  :  8.  Stammbuchverse. 
IV  1:29;  10:67.  Totenfeier.  IV 
10:8.    Xenien.    IV  1  :  235;    10:2«. 

—  Epos:  Geisterseher.  IV  1  :  184; 
10  :83;  11  :  67.  Verbrecher  ans  ver- 
lorener Ehre.    I  6  :  402c.    IV  10  :  24, 

—  Drama:  I  3  :  176;  9:  15.  IV 
4  :26,  81,  106;  6:  71/2;  7  :  29,  64. 
Braut  V.  MesFina.    I  7  :  14.    lY  10 : 


109.  Don  Carlos.  I  7  :  14.  IV  1  : 
240;  10:8,72/7;  11:12.  Egmont- 
bearbeitung.  IV  9e  :  40,  44/5;  10: 
117/8.  Fiesco.  IV  1:  184;  7  :  67  ; 
10  : 8,  Huldigung  der  Künste.  IV 
1  :221:    10:  8.       Iphigenie.      IV  10 

116.  Jungfrau.  I  1  :  31;  7  :  26.  IV 
4:7;  10  :  29,  95—108,  139.  Kabale 
und  Liebe.  17:46.  IV  10  :  8,  64, 70/ 1 ; 
11:49.  Körners  Vormittag.  IV  10  :  64. 
Macbeth.  IV  10  :  117;  11  :  12.  Maria 
Stuart.  I  7  :  25.  IV  4 :  7  ;  10  :  29, 
90/4.  Nachlass.  IV  10:117,123/9. 
Nathanbearbeitung.  IV  7  :  75 ;  !0 
:  117.  Phädra.  IV  1  :  170;  10  :  117. 
Rauber.  I  7  :  50.  IV  10:8.  11, 
64/9;  11  :  49.  Teil.  I  7  :  19,  54.  IV 
1:170,  241;  6:  189;  10  :  77,  89, 
lo9a— 16,  Wallenstein.  I  7  :  63. 
IV  1  :  138,  170;  9e  :  41 ;  10  :  Sii,  78 
bis  89,  117;  11  :  5,  83. 

-  Anmut  u.  Würde.  IV  11  :  49. 
Briefe  über  ästhetische  Erziehung. 
I     3:27;         7  :  14.         IV      9d  :  24; 

10  :  37,  40.  Historische  Schriften.  I 
1  :  31.  IV  10  :  35,  39/9a.  Naive  und 
sentimentale  Dichtung.     IV    11  :  19. 

Schillerdenkmal.    IV  1 :  252. 
Sohimmelbusch,  W.    rV9a:113. 
Schimmelmann,  Charlotte,  Gräfin.     IV 
10:26. 

-  Ernst,  Graf.    IV  10:26. 
Schirmer,  D.    III  2  :  43. 
Schlaf,  J.    IV  1 :  24. 

Schlegel,  A.  W.  v.  II:  60.  IV  1 :  29, 
138,  212,  235,  241 ;  11:1,  3—19,  21, 
26a,  30/1,  34,  57. 

-  Caroline.    IV  6:185;  11:26. 

-  F.  11:27.  IV  1:69,  212,235; 
4  :  25,  31 ;  9d  :  21;    11 :  4,  19-25,  49. 

-  J.  A.    IV  11 :  16. 

-  J.  E.  I  1:49.  IV  4:2—4;  7: 
27;  9e:47. 

-  Th.     II  1:7. 
Schieiden,  R.    IV  1  :  166/7. 
Schleiermacher,    F.      IV  1 :  29,   43,  47, 

59,212.225,   235;    4:101;    6:107/8, 

117,  202a;  11:1,  54,  85. 
Schlesien.    I  6  :  94. 
Schlesische  Zeitung.    III  1 :  20. 
Schleswig.    I  6  :  327. 
Schlettstadt.    I  6  :  357. 
Schleusingen,    I  6  :  71. 
Schliemann,  H.    IV  1  :  64. 
Schlözer,  A.    IV  1:57. 

-  Dorothea.    IV  1:235. 
Schlosser,  J.  6.    IV  1 :  236  ;  3  :  40. 
SchlUsell,  der  güldene.    I  4  :  135. 
Schlüter,  Prof.    12:5. 
Schmalenbecker  Hof.    I  5  :  324a. 
Schmalkaldischer   Krieg,    Schrift   vom. 

11  1  :  6. 
Schmaräkel-Kegelspiel.    I  6  :  227/8. 
Schmeckebier,  0.    19:1. 
Schmoller,  A.     12:9,15.     IV  3:185. 

9a:  3,  18. 
Schmelzer,  Magister  8.  Wiedomann. 
Schmeriing,  Minister.      IV  1 :  179,  183. 
Schmid,  Beruh.    III  6  :  12. 

-  Herm.    IV  3 :  127. 

-  Joh.    III  6  :  10. 

-  K.    IV  4 :  104. 

-  Ch.  V.    IV  1:  190;  3:56-66. 
Schmidt,  Alex.    IV  11:6. 

-  C.    14:7. 

-  Erich.  III  3  :  2;  5  :  23.  IV  7  :  23, 
70,  76;  9e:12;  11:67. 

-  F.  W.  V.    I  2:18.     IV  11  :  37. 

-  Joh.  Friedr.    IV  10:117. 

-  Julian.    IV  1:2,  179;  4:128. 

-  K.  F.    16:  76. 

-  Maximilian.    IV  1:17;  3:128-30. 

-  M.  I.    IV  6  :  127. 

-  M.  W.  C.    I  6:98. 


-  N.  S.    15: 400. 

-  Sekretär  Gleims.    IV  1:3. 

Cabanis,  R.    IV  1  :  17. 

KUnzel,  N.    III  5  :  33. 

Schmiede.    I  5  :  121,  394. 
Sehmieder,  B.  F.    16:  69, 

-  F.  G.     16:  95. 

-  H.  G:  IV  4:26. 

-  K.  Ch.    16:  83. 
Schmiterlow,  N.    15:  400a. 
Schmitthenner,  J.    12:  29. 
Schraolck,  B.    III  2  :  51. 
Schmuck,  V.    II  2  :  14. 
Schmtilling,  J.  H.    16:  108. 
Schmutziger.    IV  6  :  38. 
Schnaase,  K.    IV  6  :  148. 
Schnabel,  Hedwig  Sophie.  III  3  :  8. 

-  J.  G.    III  3  :  7—8. 

-  J.  H.    III  3  :  8. 
Schnauss,  C.    II  7  :  100. 
Schneeberg.    II  3  :  1. 
Schneegass,  C.    II  2  :  13.    III  2  :  50. 
Schneekoppe.     III  1  :  18. 
Schneeperger,  H.    II  3  :  1. 
Schneesing,  J.     II  2  :  3,  9. 
Schneider,    Eulogius.      I    3  :  11.      IV 

6  :  185. 

-  F.     14:  123. 

-  F.  K.  L.     16:  104. 

-  G.  K.  W.    16:  75. 

-  Lina.    IV  9a  :  75. 

-  Louis.    IV  4  :  150;  5  :  48;  6  :  196: 
11  :31. 

-  M.     III   2  :  17. 

-  0.  E.  H.     16:  79. 
Schneidewin,  F.  W.    IV   6  :  139. 
Schneller,  F.  J.  B.    IV  4  :  27. 
Schnellinger,  V.    II  2  :  41. 
SchnepfF,  E.    I  6  :  400  b. 
Schnepperer,  H.    II  3  :  1. 
Schneuber,   J.  M.    III  2  :  15;    5  :  10. 
Schnitter,  G.  J.  W.    IV  4  :  147. 
Schnorr,  S.    14:  25, 

Schnorr  v.  Carolsfold,  F.    IV  9a:  118. 

-  J.    IV  11  :  90. 

-  L.     IV  6  :  152;   11  :  91. 
Schnllffls,  L.  ■».    III  2  :  52. 
Schnurr,  B.    n  4  :  32.    III  2  :  46. 
Schober,  F.  v.    IV  1  :  190. 
Schobser,  H.    I  4  :  15,  18. 
Schöber,  G.     III  2  :  68.  - 
SchoeflFer,  J.    I  4  :  26;  5  :  404». 

-  P.    I  4  :  7,  10. 
Schöler,  G.    I  6  :  74. 
Scholl,  F.    I  2  :  17. 

-  G.  A.  I  2  :  17.    IV  6  :  141. 

-  R.    IV  9  a  :  38. 
Schoemann,  G.  F.    IV  6  :  140. 
Schön,  Ch.    11  4  :  18. 

-  H.  Th.  V.    I  6  :  401c.    IV  1  :  69: 
6  :  178;   9a  :  49. 

Schön  und  gut.    I  3  :  71. 

Schönaich,    Ch.   0.  t.     II:  49.     HI 

2  :  35      IV  3  :  18,  27. 
--Carolath,  Prinz   V.  y.    IV   1  :  17, 

24,  32. 
Schönberg,  Luise  v;    I  5  :  400c. 
Schönborn,  A.    IV   1  :  190,  233. 

-  K.  6.     16:  96. 
Schönbrunn,  J.    11.2  :  11. 
Schöne,  A.    IV  1  :  3;  11  :  57. 

-  F.  G.  II  6  :  70. 
Schöne,  das.  11:8. 
Schönemann,  D.    III  2  :  30/1. 

-  Elisabeth.    IV  4  :  20. 

-  J.  F.    IV  5  :  39. 
Schönfelder,  J.    JI  2  ;  40. 
Schönheit,  Wesen  der.    I  3  ;  7,  35,  69. 

-  und  Sittlichkeit.  I  3  :  227-45. 
Schönheitspflästerchen.    III  1 :  40. 
Schönhuth,  0.    I  2  :  25. 
SchöDsperger,  H.    I  4  1 17. 
Schönthan,    F.  v.     IV    1  :  17    32      6 

72. 


263 


Sachregister. 


HchOnworth.    I  2  :  22. 

Schöpflin,  J.  D.     12:2.     IV  6 :  181. 

Scholvin,  J.    III  4  :  4. 

Scholz,  ii.     lY  4  :  148. 

-  W.      IV  6  :  47. 
Scholzo,  J.  S.    III  2:33. 
SchomliurK,  K.     IV  12:46. 
.SchonaeuB,  C.     II  4  :  32. 
Schop,  J.    III  2  :  67. 
.Scliopon,  L.    I  6:88. 
Schopenhauor,  A.     I   3 :  20/4,     27.    55, 

82,    197,    212.      IV    1:3,    IW,  241; 
6:51-82;  11:43. 

-  Johanna.     IV  3  :  84. 
.Schoppo,  Anna.     IV  3  :  88. 
.Schorii,  L.     IV  6  :  147. 
Schorr,  J.     II  G:71. 
Schott,  A.    IV  1  :  179. 

-  G.    III  4  :  19a— 20. 

-  J.    I  4  :  12. 

-  M.    I   4:11. 

Schottelius,  J.  0.     I  2  :  1 ;  3  :  3 ;  8 :  16. 

III  2:54;    5:  10,  13. 
SchoUky.     I   2  :  24. 
Schrader,  Ch.    16:  106. 

-  J.    II  4  :  19. 
Schramm,  J.  H.    III  2  :  66. 

-  K.     IV  3:  114. 

-  M.     II  2  :  45. 

-  R.     IV  6  :  190. 
Schrautenbach,  L.  K.  Frhr.  v.  I  5 :  400d. 

III  5  :  2-3. 
Öchreber,  D.  O.  M.    IV  6  :  222. 
Scbrock,  V.     16:  100. 
Schreckenberger,  J.    II  4  :  36. 
.Schredin.    I  1  :  49. 
Schreffer,  Q.    IV  6  :  124b. 
.Schreiber,  G.  Ch.    III   2  :  34. 

-  6.  H.     III  2  :  23. 

-  J.     II   2  :  25. 

-  W.  A.    IV  10  :  68. 

-  Prof.     IV  1  :  92. 
Schroibkalcnder.    I  5  :  33. 
Schreibwerkzenge.    I  5  :  303. 
Schrenck,  K.  Frhr.  t.     IV  6  :  196. 
Schrettinger,  M.  W.    14:  101. 
Schreyer,  B.     II  2  :  24. 

-  H.    IV  9d  :  8. 

-  S.    II  1  :  18. 
Schreyvogel,  J.    IV   9e  :  16. 
Schriftsprache,  mittelhochdeutsche.    I 

8:2. 

-  neuhochdeutsche.    18.  —16: 10. 
II  1  :  2. 

Schriftätelleilexikon.     I  1  :  63/Ö. 
Schriftstellerstand.     I  1  :  64/7. 
Schröckh,  J.  M.    IV  6  :  128. 
Schröckinger,  C.  J.    IV  4  :  151. 
Schröder,  Ä.  L.  Ph.     I  6  :  82. 

-  F.  L.     IV  4:26,  32/5;     6  :    42/6; 
7  :  39;  96  :  16;  10  :  117. 

-  F.  W.  F.    16:  103. 

-  Haus.     I  2  :  19.  UI  5  :  29. 

-  Joach.     III  5  :  8. 

-  Sophie.     IV  5  :  40. 

-  Wilhelm.     I  5  :  401. 

-  J.  T.    16:  117. 

Devrient,  Wilhelmine.    IV  1  :  179, 

252;  5  :  91. 
Schrödter,  A.    IV  6  :  163. 
fJohröer,  T.  G.     I  6  :  113.    FV  4  :  164. 
Schröter,  Corona.     IV  5  :  90. 

-  L.     U  2  :  44. 

-  P.  E.    III  4  :  11. 

-  8.  auch  Schröder. 
Schrot,  M.     II  2  :  26;  7  :  101. 
Schubart,  Ch.  F.  D.      I  5  :  401a;    6  : 

91.     IV  1  :  1,  236;  6  :  175. 

-  Ludw.     IV  10  :  31. 

-  T.  H.    III  2  :  64. 

Schubarth,  K.  E.    I  2  :  16;  3  :  15.   IV 

6  :   161. 
Schubert,  Fran».    IV  1  i  190,  252;  4 

228;  9b  :  23. 


Sohnbert,  J.    G.    III  2  :  47. 

-  H.    T.     IV    1  :  190,    225,    227;    6 
:  50. 

Schubiu,  Ouip.  IV  1  :  17. 
Schach.  Ch.  Th.  16:  OO. 
SchnohUehe  Schaubnhn».   Rillet«  nb«r 

die.     IV  7  :  66. 
Schuckmann,  K.  V.  r.     IV  0  :  181. 
Schudt,  J.  J.     I  fl  :  81. 
Schllcking,  L.     IV  1  :  31t  3  :   l!:i. 
ScIiUddokopf.  C.     IV  7  :  1. 
.Schttlor,  M.     I  6  :  110. 
SchUrer,  E.  ■.  Sareeriui. 

-  L.    I  4  :   14. 

-  M.     I  4  :  13. 
SchUrmann.  G.  K.     III  4  :   lU. 
SchUssIer,  J.    I  4  :  16. 
Schatz,  Ch.     MI  2  :  59. 

-  Ch.  O.     IV  6  :  169;  11  :  15, 

-  F.  K.  J.    IV  6  :  49;  6  :  176,       - 

-  Heinr.    HI  2  :  70. 

-  Hier.     I  6  :  89.     II  4  :  36, 

-  Hieron.     I  4  t  24. 

-  J.  J.  III.  2  :  46. 

-  (Liederdichter).    U  2  :  10. 

-  C.  W.  T.    IV  4  :  81;  6  :  187;    11 
:  34. 

-  -Wilson,  H.    IV  9»  :  27, 
SchUtie,  E.  F.    16:  67. 

-  F.  W.    16:  97. 

-  H.  K.  I  6  :  68. 

-  J.  F.  IV  3  :  36;  9«  :  1«, 

-  St.     IV  6  t  160. 

Schntzenwesen.    I  6  :  67a. 

Sohulbruderschaft.    I  6  :  232. 

Schuldheis,  J.  G.    IV  1  :  232. 

Schulen  (Akademien,  Gymnasien,  Hoch- 
schulen, Lateinschulen,  Mitdclien- 
schulen.  Seminarion,  Universitlten 
usw.):  I  6.  —  Alzey  I  6: 182;  Arnstadt 
16:  183;  Auma  I  6  :  76;  Bamberg  I 
6:120;  Basel  IV  1  :  90;  Berlin  I 
6  :  144.  155,  173/4.  IV  1  :  59,  221; 
6  :  181;  Bielefeld  III  5:1;  Bonn 
I  6  :  184;  Braunsberg  I  6  :  185; 
Braunschweig  I  6  :  170;  Cassel  I 
6  :  186;  Dorpat  IV  1  :  229;  Emme- 
rich I  6  :  187  ;  Falkenburg  I  6  :  189; 
Frankfurt  a.  0.  I  «  :  122,  166.  IV 
1  :  240 ;  Gleiwitz  I  6  :  190 ;  OlOok- 
Stadt  I  6  :  191 ;  Gnadenfrei  I  6  :  220; 
fiöttingen  12:6.  IV  1  :  160,  223. 
240/1;  Gohlis  I  6  :  181;  Gotha  I 
6  :  179;  Greifswald  I  0  :  167; 
Grimma  I  6  :  180,  192.  II  4  :  16; 
Hamburg  I  6  :  110,  127:  Hannover 
IV  11  :  16;  Heidelberg  I  6  :  126, 
164;  Jena  IV  6  :  210;  Jttlich  I 
6  :  196;  Kiel  III  6  :  24;  Köln  I  6  :  124, 
161/2;  Komotaa  I  6  :  196;  Lands- 
berg a.  L.  16:  197;  Leipzig  I 
6  :  126,  142.  158.  ÜI  5  :  23/4;  Lyck 
I  6  :  108;  Magdeburg  I  6  :  217; 
Hansfeld  I  6  :  132;  Marienwerder  I 
6  :  199;  Heissen  I  6  :  169.  IV  7:8; 
Merseburg  I  6  :  200;  Mitterharf 
I  6  :  201;  Manchen  I  6  :  130. 
Manster  12:5;  NOrnberg  II  1  :  20i 
Oberhollabrann  I  6:  202;  OsnabrOck 
I  6  :  203:  Pforzheim  I  6  :  205; 
Pilsen  I  6  :  206;  Quedlinburg  I 
6:207;  Regensburg  III  3:1;  Rehna 
I  6  :  208;  Rödlitz  I  6:  151;  Rostock 
IV  1  :  233:  Sachseo  1  6  :  180; 
Salzbarg  I  6  :  218:  Sehleasingen  I 
6  :  141;  Schneeberg  I  6  :  US.  209; 
Schwelm  I  6  :  211;  Sprottaa  I 
6  :  212;  Stettin  I  6  :  171,  189; 
Stnlsnnd  I  6  :  213;  Strasabarg  I 
6  :  166.  III  6  :  10;  TObingon  I 
6  :  163.  III  3:1;  5  :  10;  l'eber- 
lingen  I  6  :  214;  Wachbaeh  I  6  :  136 ; 

-  Weilbuiir    IV    1      191:      Weimar    I 
6:178;   Wien  l  6  :  KS6/7;   Willisao 


1  «:215;  Wrieiea  I  t.ilt;  Zwickaa 
I  6:14a 

-  ■.  such  K«bntkon5dies,  Rchatord- 
■angeo,  Volkxaehalen,  UBif«r<ittt«ii 
asw. 

-  in  d«r  WtoeMsrhaft.    I  i  :  XI, 
HchulfeaU«.     I  «  :  22»,  Ul. 
Schulgeaprteb.    I  S  :  S27. 
HekulordnuBgoB.     I   6:128—38;    res 

BMiberg  I  6:121;  Bnaas^kweig 
I  •  :  106. 130. 170:  Freiaiaf  I  6 :  130; 
JeuUmstbiü     I    6 :  129;     MaacfeM 

I  6  :  132;  Memmlngeo  1  6  :  I34'6: 
Waehbacb  I  6  :  137 ;  Wlea  I  6 :  131 
(vgl  aaeh  Sebalen). 

SebalkomOdlen.     I    6  :  221-1*,    22«. 

II  4:li;2:  ia  Freletef  I  6:226; 
Joaehlmtthal  I  6  :  129;  MiMhMi 
I  6:321a. 

Sebaler,  J.    IV  3:8«, 
Scbnller,  A.    10:  121. 

-  J.  K.     I  2:21;  6:114. 

Schalt.  Jaliane  PaUenti*  r.    1112:  4». 
Sebnito,  J.  F.  t.    IV  1  :  60. 
Sohaltbeae,   Blb«.    IV   9e:9-ll.   SQ. 
20«. 

-  H.     IV  0  :  136.  210. 

-  J.     I  0  :  28. 
Scballf.  Job.    UI  2  :  69. 

IV  6:  42. 

-  Petnu.    U  6:25;  7:82. 

-  ValeoUn.     112:3,  17. 
Schnitze,  Cbryaoat    10  8  :  66 ;  4  :  13. 

-  O.     14:  121. 

-  JohMines.     I  6  :  401  d;  6  :  110. 
Sehalz.  Friedr.    IV  3  :  35. 

IV  6  :  72. 

-  J.  C.  F.    IV  4  :  25. 

-  Job.  H.    I  5:401b.    IV  0:  111. 

-  0.     I  6  :  103. 

Bodmor,  W.    IV  6  :  1-3. 

Schulze.  Aenes.    IV  6  :  40.  44. 

-  EmeU    IV  1  :  240;  11  :  84  6. 

-  Ferd.     I  6  :  73. 

-  F.  Aug.(F.Laun.)  IV  3:  86;  4:28. 

-  Job.    I  6  :  105.     IV  6  :  203. 

-  Josephine.     IV  6  :  03. 

Delitzsch,  H.  I  6  :  402.   IV  6  :  118, 

19L 
Schumacher.  A.    IV  3  :  91 ;  4  :  162. 

-  W.    IV  4  :  149. 
Sebamann.  Ch.     UI  2  :  50. 

-  J.  M.     UI  2  :  63. 

-  Petrus.    U  2  :  12. 

-  Rob.    IV  4:220;  6:184. 

-  V.     I  4  :  23.    II  3  :  17. 
Schammel.  J.  O.     I  6  :  24.    IV  :<     11. 

34;  6  :  213  4. 
üchupart,  J.  O.     III  2  :  60. 
Schupp.  Anton  Meno.     III  6  :  12. 

-  Job.  Balth.      I  6:64;   8  :  10.      UI 
4:  18;  6:  12  6. 

-  Jost  Bnrckbard.    lU  6 :  12. 
Scharen,  G.    I  8  :  17. 
Soharener.  J.    I  4  :  20. 
Sebarff,  H.     I  6  :  402a.    U  6  :  18. 
Seharmann,  Anne  Marie  t.    I  ft:40ib. 
Scbast«r.  M.     III  4  :  14a. 

-  Sibylla.    UI  4:14a. 

Schwab.  G.     12:20.     IV  0  221:    II: 

69—70.  76.  81. 
Schwabe,  A.    U  4:41. 

-  J.  J.     13:6.     IV  6  :  167. 
Sebwtmlein.  O.  Cb.    II  2  :  16. 
Seb wimer.    III  5:1—4. 
Scbwalbeck,  J.  G.    lU  4  :  6. 
Schwan.  Cb.  F.     IV  4 :  103:  10:  25. 

-  Margaretke.    IV  10  :  26. 

-  J.  F.    15:4020.    IV  10:24. 
Schwanberger,  G.    III  4  :  8. 
Sehwankbneber.     II  3 :  17—20 ;    ftam- 

zOsiscbe  U  3 :  -20. 
Sebwantbaler.  L.  M.    IV  1  :  2S2;  9a: 
19,  00  1. 


Sacliregister. 


264 


Schwartz,  A.    It  2:  42/3. 

-  Anton.     IV  5  :  41. 

-  Karl.     I  6  :  87. 

Schwartzenbaeh,  L.   I  8 :  18.    II  4  :  30. 
Schwarz,  Ch.    13:  5. 

-  F.  H.  Ch.    16:  80. 

-  J.  K.    16:  72. 

-  Karl.    IV  6  :  115. 

-  Sibylla.     m     2  :  16.     IV  6  :  15. 

-  Theod.    IV  3  :  86. 
Schwarzhurg,    Katharina    die   Helden- 
mütige V.    IV  10 :  39. 

Schwarzenbach,  0.    ü  2  :  23. 
Schwarzenberg,    Felix    Fürst.     IV    1  : 
173;  6:195. 

-  Frd.  Fürst.    IV  3:  90;  6:  17. 

-  J.  T.    II  3 :  14. 
Sehwarzenhäupter.    II  1  :  2. 
Schwarzenhorn,   J.  E.    Sohmid  v.      III 

5:26. 
Schwebel,  N.    16:  92. 
Sobweblin  (Schwebel).    II  7  :  87. 
SchwederJch,  J.    11  6 :  72. 
Sehwedler,  J.  Ch.    ni  2  :  62. 
Seh  wegler,  A.    IV  6  :  99. 
Schweher,  Ch.    II  2  :  7. 
Schweichel,  B.    IV  1:17,  32;  3:202/3. 
Schweidnitz.    I  6  :  96. 
Schweigger,  J.  S.  Ch.    IV  9b:  5. 
Scbweighauser,  J.    14:119.; 
Sehwein.    I  6  :  286. 
Schweinichen,  Hans  v.    I  5:402d.    II 

3:44 
Schweinitz,  D.  v.    III  5  :  9. 
Schweintzer,  H.    14:  22.    II  2  :  16 
Schweizer,  Alex.    IV  3  :  149. 

-  Ant.    IV  4  :  193. 

-  D.    13:1.    m  5:18-21. 
Schwenk,  K.    12:  23. 
Schwenter,  1).    III  4  :  14. 
Schwerdt,  G.  H.    16:  78. 
Schwerin.    I  6  :  102. 

-  Graf.     I  5:403. 

-  -Putzar,  Graf.     IV  6  :  194. 
Schwetschke,  K.  G.    I  4  :  121.     IV  3  : 

106/7;  6  :  192. 
Schwieger,  J.    III  2  :  24. 
Sehwind,  M.  v.    IV  1  :  191,  198,  225; 

6  :  151;  11  :  92. 
Schwulst.    I  5  :  13. 
Scinzenzeler,  H.    14:  21. 

-  J.  A.    14:  21. 

-  U.    I  4  :  21. 

Scott,  W.    I  3  :  12.    IV  II  :  5,  54. 
Scribe,  E.     IV  4  :  209,  211. 
Scud6ry,  G.  de.    13:  2. 
Scultetus,  Abr.    II  7  :  106. 

-  A.    III  2  :  53;  4  :  13. 
Sebastian!,  J.     III  2  :  68. 
Seber,  W.     16:  71. 
Sebregondi,  Maria  de.    IV  3  :  111. 
Seckendorif,  Ch,  A.  v.    IV   11  :  36. 

-  G.  A.  V.    IV  4  :  29. 

-  K.  S.  V.    IV  4  :  30;  7  :  64. 

-  Leo  V.    IV  11  :  1,  36. 

-  V.  L.  V.    II  6  :  75. 
Secreta  Secretorum.    II  3  :  2. 
Sedlnitzky.    IV  6  :  120. 
Seebach,  J.  G.  III  2  :  57. 

-  Marie.     IV  1  :  31,  198. 
Seebeck,  Ch.    IV  9  :  5. 

-  M.    I  6  :  77.    IV  «  :  210. 
Seebode,  J.  D.  G.    16:  86. 
Seeger,  D.  t.    IV  10  :  22. 
Seekatz.    IV  9a  :  1. 
SeelenbUcher.    I  6  :  143, 
Seelen-SpeisB.    I  4  :  135. 
Seelen-Trost.    1  4  :  135. 
Seemann,  S.    III  4  :  15. 
Seeschiffahrt.    I  5  :  146,  169, 
Segeberg,   A.    I  6  :  167. 

-  B.    16:  167. 
Segen.    I  6  :  167,  245. 
Sever,  J.    III  4  :  6. 


A.  Ph.  V.  IV  6  :  195. 
Seherin  v.  Prerorst.  IV  11  :  31. 
Seidel,  G.    I  6  :  94. 

—  H.      13:  130a.      IV    1  :  17;    3: 
122. 

—  J.  F.    IV  3  :  14. 

—  K.  L.    IV  3  :  87. 

—  Ph.    IV  9e  :  37. 
Seidemann,  J.  K.    II  6  :  76. 
SeidenstUcker,  J.  H.  Ph.    16;  107. 
Seidl,  J.  G.    IV  4  :  153. 

Seidler,  Caroline.    IV  5  :  92. 
Seidorf,    I  6  :  145. 
Seinsheim,  A.  F.  v.    16:  120. 
Seitz,  A.    II  4  :  34. 
Sektirer.     III  5  :  1/3. 
Selbstbiographien.    IV  1  :  159-2.S1. 
Seil,  J.  J.    16:  101. 
Seile,  Ch.  G.    IV  6  :  43. 

—  Th.     III  2  :  66. 
Selneccer,  N.     II  7  :  105. 
Semhaber,  E.    IV  1   :  27. 
Semler,  Ch.    PV  6  :  101,  215. 

—  E.  L.     III  2  :  55. 

—  G.  L.    III  2  :  48. 

—  J.  S.     15:  403a. 
Semper,  G.     IV  6  :  155. 

Seneea.    III  5  :  13,  18.    IV  7  :  27. 

Separatisten,  d.    III  5  :  2. 

Sepp,  J.  R.    IV  1  :  227. 

Seripando.    II  7  :  50. 

Serre,  de  la.    IV  1  :  90. 

Servaes,  F.    IV  11  :  43. 

Seuchen.    I  5  :  144. 

Seuifert,  B.    IV  3  :  29,  32. 

Seume,  J.  G.    IV  11  :  66. 

Sexuelles.    I  5  :  168. 

Seybold,  J.  G.    II  3  :  34. 

Seydel,  G.    III  1  :  20. 

Seydiitz,  R.    Frhr.  v.    PV  1  :  24/5. 

Seyifart.     III  1  :  17. 

Seyfried,  H.  W.     IV  6  :  71 ;  10  :  68. 

Shadwell,  Th.    IV  7  :  27. 

Shaftesbnry,  A.  Ashley-Cooper,  Graf  v. 
HI  5  :  18.     IV  1   :  47. 

Shakespeare,  W.      13:  12,   92,    142, 
144,    159,    156/8;    7  :  51.      H  1  :  8. 
IV  1  :  235,    249,    252;    3  :  236;    4 
5a,  13,  22,  25.   33/4,     125,    170,    208 
5  :  32;  7  :  27,  ,39,  64;    9b  :  87;  9e 
14,  20,  41.  71,  73,   75,    80,    81;    10 
8,  113,    117;    11  :  5,    12,  30,  34,  54, 
68,  83. 

Shakespearebühne.    IV  5  :  4—10. 

Short  stories.    IV  1  :  34. 

Sickingen.  F.  v.    Hl:  8—9. 

Siebeck.  H.    IV  9a  :  33,  106. 

Sieben,  D.  Göttinger.    12:6. 

Siebenbürgen.     I   2  :  21 ;     5  :  371 ;    6  : 
114.    II  1  :  1. 

Sieber,  A.    16:  192/3. 

Siegfriedsage.    IV  4  :  163. 

Siegen.    I  6  :  66. 

Silbergsen,  Ch.    15:  404. 

Silberstein,  A.    IV  1  :  27. 

Silvanus,  L.     U  7  :  54. 

Simeon  (Minister).    I»   1:240. 

Simler.     I  1  :  48. 

Simon,  J.    HI  4  :  15a. 

Simplicios  Simplicissimus.     HI  3  :  2/3. 

Simrock,  K.    II:  50.    IV  1  :  203. 

Singspiel.    IV   5  :  75.    HI   4  :  2.    IV 
10:117;  Hamburg  I  1  :  50. 

Sinner,  F.  v.    IV  3  :  30. 

Sinnsprüche  II  3  :  43. 

Sinsheim.    I  6  :  90. 

Sirutschko,  C.    U  2  :  3. 

Sittard,  V.    HI  4  :  14a. 

Sittengeschichte.    I    5  :   162—79,   330 
bis  330c.     III  1  :  25/9. 

Sittenromane.     HI  3  :  2/4. 

Sittlichkeit.  I  5  :  457. 

Socialdemokratie.  I  5  :  26,  306.    IV  1 : 
37,  44,  138. 


Sociales  Leben.    I  5  :  19,  26,  449. 
Socialismus.    II  1:4. 
Sociologie.    11:2,  6—7. 
Soest.     I  5  :  330/30  o;  6:  107. 
Sokrates.    IV  3  :  32;  7  :  13. 
Sommer,  J.    H  4:  17. 

-  W.    IV  3  :  131, 
Sonett,  d.    IV  11c  :  31. 
Sonnenberg,  F.  v.     IV  1  :  238. 
Sonnenthal,  A.  v.     IV  5  :  33/4. 
„Sonntagsblatt",  D.     (Schwaben).     IV 

II  :  69-70. 

Sophie,    Karfürstin    v.  Hannover.     III 

1  :25. 
Sophokles.    I  3  :  12,  92,  142,  159.    IV 

1:  252;     3:  171;  10:  109;  11  :  31. 
Sophonisbe.    IV  4  :  134. 
Spach,  L.    IV  3  :  97/8. 
Spalatin,  G.    I  1 :  49,  II  7  :  18. 
Spalding,  G.     IV  1  :  232. 
ispangenberg,  C.    11  3  :  43.    IV  10 :  39. 
Spazier,  C.    IV  7  :  34. 
Speotator,  d.     III  5  :  18. 
Spee,  F.  V.  III  2 :  27. 
Speidel,  L.    IV  11  :  93. 
Speisen.    I  5  :  49,  131/5. 
Speisesegen.    III  5  :  28. 
Spencer,  H.  I  1  :  2,  8. 
Spener,  Ph.  J.    III  3  :  1. 
Spengler,  L.    16: 118.    H  2  :  3. 
Speratus,  P.  11  2  :  3;  6  :  70;  7:89—90. 
Sperontes  s.  J.  S.  Scholze. 
Speyer,  F.    IV  3  :  81. 
Spiegelberg,  v.     16:  187. 
Spiel  von  Frau   Jutten.     IV  lle  :  107. 
Spiele.     I  5  :  55—7,  274;  6  :  227. 
Spielhagen,  F.     IV  1  :  6,  17,  223. 
Spieltrieb.    I  3  :  94. 
Spieus,  Ch.  H.    IV  10  :  94. 
Spindler,  G.    H  1  :  1. 

-  K.     IV  3  :  100. 

Spinoza,  B.     IV  1  :  47,  113;    7  :  78;  9d 

:  13;  11  :37. 
Spinozisraus.    IV  1  :  233. 
Spir,  A.     IV    9e  :  81. 
Spiritismus  I  5  :  80/1. 
Spittler,  L.  T.  v.    IV  10:  11. 
Spondeus.    19:2,    7—8. 
Spontini,  G.  IV  1  :  138  ;  5  :  81 ;  11 :  31. 
Spottgedichte.    HI  5  :  28. 
Sprachakademie.    IV  1  :  212. 
Sprachdummheiten.    I  8  :  59. 
Sprache.    I  8.  —  I  2  :  1,  12.    II  8:27; 

III  5 :  13 ;  d.  Elisabeth  Charlotte  v.  Or- 
leans.   III  1  :  25.    Goethes.   I  8  :  27. 

IV  9a:  115.  Hallers.  I  8:25.   Hebels. 

I  8  :  28.  Heines.  I  8:27a.  IV  12:31. 
Huttens.  I  8  :  24.  Herders.  I  8  :  26. 
IV  8  :  9;  Kleists.  IV  4:118;  Lessings. 
IV  7  :  32 ;  Luthers.  18:1,  22/3.  U 
6  :  2,  4,  32/4.     IV  1  :  212. 

-  poetische.    I  8  :  25,  27a. 
Sprachforschung.   I  2  :  1,  5.  III  5  :  33, 
Sprachgeschichte      und     Litteratarge- 

schichte.    I  1  :  20. 
Sprachgesellschaften.    I   8  :  21/2,    64a. 

III  5  :  13. 
Sprachmeugerei.    13:4. 
Sprachreinigung.    18:1. 
Sprachriehtigkeit.    18:1. 
Sprachverein,  deutscher.   I  8  :  66,  60/6. 
Sprachwissenschaft.    I  2  :  29—34. 
Sprichwörtersammlungen.     II    3  :  14, 

84;  Egenolffsche.    II  3  :  34. 
Sprichwort.    I  3  :  10,    128/9;  5  :  261/3. 

II  3  :  2.    III  5  : 6. 
Springer,  A.    IV  6  :  149. 
Spruchweisheit.    I  5  :  258—62. 
Sprüche.    III  5  :  6,  27/8. 
Squenz,  Peter.    III  4  :  14. 
Staatsmnnner.    HI    5  :  19.    IV  1 :  235; 

6  :  178—83,  194—201. 
Staatsromane.    II  1:4.    III  3:7.    IV 
3 ;  9/10. 


265 


Sachregister. 


Stabreim.     I  0  :  12. 
Stadion,  E.  r.    IV  1  :  8. 

—  F.  Graf.    IV  8  :  Ul. 
SUdt.     I  5  :  16. 

Stael,   Anne  Louiie   OenraiM   de.    IV 

I  :235,  241;  10:98;   11  :  18,  24,  81. 
St&delsche«  loRtitut.    IV  11  :  28b. 
Stftnde.    I  fi  :  382. 

SUhr,  Ad.   IV  I  :  132,  180,  20« ;  3 :  109. 
SUmnibachor.    14:5.    III  1  :  17;  9:6. 

IV  1  :  28-32;  6  :  60. 
Stapfer,  Alb.  juu.    IV  1  :  235. 

—  Phil.  Alb.    IV  1  :  235. 
8tarhembt>rg,    Ernst    KUdiKor    Oraf    r. 

Il(  1  :  20. 

—  liundacker  Graf  v.    III  1  :  21. 
Ktationarii.    I  4  :  104. 

SUtiütik.    I  1  :  2,  29;  3  :  64/6. 
SUufer,  d.    18:2. 
Staupitz,  J.  T.    II  6  :  64;  7  :  48/4. 
Steele.  R.    III  5  :  18.    IV  7  :  27. 
Steffens,  H.    IV  1 :  29;  11 :  1,  31. 
Steiger,  E.     IV  1  :  2. 
Stein,    Charlotte    v.      IV    1  :  29,    179; 
4:  15;  9b  :  16/8,  88,  112/3;  9e :  28. 

—  Fritz  y.    IV  10  :  26. 

—  H.  F.  K.  Frbr.  t.    IV  1 :  69. 
Steiner,  K.    IV  7  :  24. 
iSteinbnwel,  H.    II  8  :  14  ;  4:23. 
Steinle,  E.  v.     IV  11 :  26b. 
Steinthal,  H.     IV  6  :  124. 
Stendal.     I  6:70. 

Stengel  (Kabin6tsRekretXr)T.  IV  7  :23. 
Stephani,  C.     II  1:  1;  4  :  38. 
Stephanie,  Ch.  Gottlob.    IV  4  :  37. 

—  Gottlieb.     IV  4:37;  10:117. 
Stern,  M.  v.     IV  1  :  24. 
Sterzinger,  F.     I  .5  :  74. 
Stettenhoim,  J.     IV  1 
Stettin.     I  6  •  «*:. 
Stic»>,  Klara.    IV  6  :  68/9. 
Stichling  (Minister).     IV  1 :  184/5. 
Stiefel,  M.  s.  Styfel. 

Stioglilz,  Charlotte.     IV   1  :212,     252. 

Stieler,  K.     III  4  : 2. 

Stier,  W.    IV  1 :  209. 

Stieve,  F.    I  1  :  30. 

Stifte.     I  5  :  378. 

Stil.     I    3:7,    180;    8 :  27,    38/9l     IV 

I I  :  26a. 

Stillfried.  F.     IV  3  J  121. 
Stimmer,  F.     II  4 :  14. 
Stimmung.    I  8  :  75/8. 
Stinde,  J.     IV  1  :  17,  32;  8:8. 
Stirner,  M.    IV  1  :  47,  806,  209. 
St.  Martin.    IV  11:19. 
Stobaeus,  J.     II  1  : 8. 
StookmBr,  Frhr.  v.     IV  l  :  163. 
Stöber,  A.     IV  8  :  63. 
StoiTgeschichte.    IV  7  :  27. 
Stolburg,  Fr.  Leonh.    IV  II  ;  85. 

—  Auguste.    GrMfln    t.     IV    9e  :  112, 
116. 

—  Ch.  Gr»f  T.    IV   9b:  89;    10:26. 

—  Fr.  Leop.,  Graf  t.  IV  1  :  283,  236, 
240;  8:42;  9b  :89. 

—  Luise,  QrSfln.    IV  10  :  26. 
StoU.    IV  11  :L 

Storm,  Tb.  IT  1:84,  206.  209;  8: 121, 

138,  237, 
Strafen.     I  5  :  167. 
Stralsund.    I  6  :  79,  157. 
Stranitaky,  J.  A.     IV  4  :  37. 
Strassburg.     I  6  :  355/6,  378;  6  :  89. 
Strauss,  D.   F.      IV   1 :  47,    179,   203, 

225;  6:87,  117;  7  :  70. 
St  K6al,  C.  V.  de.    IV  10:72. 
Streckfuss,    A.    P.    K.      IV  1  :  170; 

10  :117. 
Streicher,  A.    IV  10  :  23. 

—  J.  B.    IV  10  :  23, 

—  Nanette.    IV  10:23. 

Streit  d.  Leipziger  o.  d.  Sehweiser.    I 
3:5. 


StreiUchriften.    III  6 :  12. 

Stricker,  d.    I  I  :  50. 

Strindborg,  A.     I  8  :  278. 

StrOne,  deatache,  in  der  Diebtong.    I 

1  :61. 
StrOnangen,  gelatif ».    IT  1 :  42-6. 
Strophe,  lapphisohe.    19:17. 
Strueniee,  J.  F.  Oref.    IV  4:9. 
StmTe,  O.    III  2  :  22. 
Studenten.    I  6 :  10,  882/5. 
SiudienkOpfe.    III  8:8. 
Studlenreieen.    in  5:29. 
Stubner,  F.  W.    UI  5:7. 
Slurm,  Jak.     I  6  :  156.    II  I  :  8. 

—  Jul.     IV  I  :  17. 

Sturm  nnd  Drang.     IV  1  :  44,  66;    8: 

87/9;  4:8-20,  37;    11  :  42. 
Stnrx,  H.  P.    IV  4  :  9;  10:8. 
Styfel,  M.     II  7  :  47. 
SabjektiriMt    d.    OesehiehUehreibang. 

I  1  :  27. 

—  in   d.  Wertung   d.  Kanatwerke.    I 
1  :2. 

Sndermann,  H.    IV  1  :  17,  34,  88. 

Sueton.     II  3  :  41. 

SnndenbOcke  d.  Litteratur.    I  1 :  47. 

Suggestion  u.  Dichtung.    I   8  :  256/9. 

Suhl.     I  6:71. 

Suida«.     IV  7  :  27. 

Sulkowska,  FUratin  Thaida  r.   IV  1  :  97. 

Sulzer,  3.0.    13:1.    IV  1  :  28«,  285; 

3  :30. 
Suphan,    B.       IV    9b  :  88. 
Surinam.    III  6  :  21. 
Susanna.    III  4  :  27. 
Swedenborg,  E.  t.    I  6  :  80.    IV  »e :  75. 
Swift,  J.    IV  3:30;  9e:28. 
Sybel,  H.  v.    IV  1:  102;  6:135. 
Sylphen.    III  3:3. 
Symbol.    1  3  :  209. 
Symbolismus.    IV  11  :  2-3. 
Synekdoche.    I  3  :  128. 
Syntax     I  1  :  2,  20;   8 :  12/4,  25,  27/8, 

33/7. 

—  Rhetorische.    IV  9o  :  1. 
Szamatölski,  S.  II  3  :  84. 

Tabak.    I  5  :  24.     HI  1  :  39. 
Tabakgedichte.     IV  7  :  27. 
Tabaksdosen.     1  5  :  24.     III  1  :  39. 
Tafelfreuden.     I  5  :  49. 
Tag,  1001.     IV  10  :  117. 
Tagebuchaofzeiehnungen.      III    1  :  28, 

36. 
Tagespresse    in  Schlesien.      III  1  :  29. 
Taille,  Jean  de  la.     13:2. 
Taine,  H.    11-2,    6-8,    13.    19,    24; 

3  :  45,  62. 
Tait,  J.     IV  9a  :  129. 
Taktnamen,  griechische.     I  9  :  2,  5. 
Talleyrand,   Ch.  M.     IV  9b  :  72-85. 
Tannengesollschaft.    III  5  :  10. 
Tanner,  P.     I  5  :  74. 
Tannhauser.     IV  4  :  218. 
Tannhauserlied.    II  2  :  36. 
Tartarotti.    I  5  :  74. 
Taaso,  T.  III  4  :  7.  IV9e  :  60;  II  :  15. 
Tassoni,  A.     IV  8  :  18. 
Tauber,  C.    I  5  :  407.     II  7  :  «& 
Tauberbischofsheim.    I  8  :  90. 
Taabert,  H.     IV  11  :  31. 
Taulor,  J.     III  5  :  4. 
Technik   d.  modernen  Dramas.  I  3  :  174. 
Teck,  die  v.     III  3  :  1. 
Tellenlied.     III  1  :  11. 
Telmann,  K.     IV  3  :  7. 
Temme,  J.  H.  D.    IV  1  :  189. 
Tempeltey,  Ed.     IV  1  :  17. 
Tendenz.     I  3  :  120/2. 
Tengier,  V.     II  3  :  14. 
Tennhardt,  J.    lU  5  :  4. 
Tepl  (SÜft).     I  6  :  206. 
Teppiche.    I  5  :  120/20». 
Terenz.  13:2.    ni:l.     IT7:24. 


Terkelsen.  S.     III  «  :  |0. 

Tertnllian.     IV  7  :  27. 

'letUm«DU,  litUrartocbe.    III  5  :  10. 

Tetzel.  J      II  1  :  2:  6  :  47/9.  66. 

TenenUak.    I  4  :  17. 

Teufel.    I  5  :  2I2'8,  244.    Ul  »  :  *. 

Teafeliaeenea.     II  4  :  8. 

Testor,  J.  W.    IV  «b  :  M>/8l 

Thalea.     III  5  :  18. 

Tham.  M.     II  2  :  8. 

TheaUr.  I  6 :  444.  II  7  :  12.  IV  •» :  78/8, 
llSa;»e:06.  la  AMbea  HI  4:16b; 
Alafald  II  4  :  8;  AlUorf  U  4 :  17  ; 
Bajrrenth  IV  6:4;  Beriia  III  4  :  M. 
IV  1  :2.  I»6;  4:26;  5:16,  79( 
9e:  8-9,  6«:  10:  18;  11  :  81 ;  BriMel 
II  4  :  43;  CbeBaita  II  4  :  16;  Dree4ea 

I  5:  66;  Ertart  II  4  :  9;  Eri  (bei 
KafiUiu)  IV  6  :  28;  Fraabfart  a.  M. 
IV  6:  71;  10:68;  Geat  11  4  :  42; 
Hambarg  III  4  :  18-23.  IV  7  :  II; 
9e:ie;  10:117;  Karlerabe  IV9e:l7; 
Kopenhagen  III  4  :  2,  17.  IV  10  !  «2; 
KnnielBaaII4:8;  Uipsif  IT  I : St8; 
Laafen  III  4:32;  Loa4oB  IT  6:11 1 
Mannheim  IV  10  :  29,  6«;  lUiBiBgM 
IV  5:  6,  69;  Maaebea  IT  1:198! 
6  :  4-12;  dea  Ifiederian^M  IT 
9e:46;  NBnberg  II  1:17;  Ober- 
dorf (Allgla)  IV  6:26/7;  Paria  IT 
12:  14;    Poeea    IV    6:2;    Prag    IV 

II  :31;  Beral  II  1  -i;  Riga  II  1  :  S; 
Hchwabea  IV  6:52;  SteiM«ark  III 
4  :  27;  Stockholm  UI  4  :  17 ;  Stnat- 
borg  III  4:5;  Htattgart  IV  10 :  18; 
Toll  i.  B.  IV  6  :  29;  VeiM^if  IT 
10:  117;  Weimar  IV  4: 102;  6:68/8 
9e:7;  10:  117;  Wien  III  I  :  21.  29. 
IV  5  :  11/2,  15.  61/2;  9e  :  1«;  Wiimar 
II  4  :4;  Worms  IV  6:  16,  23. 

TheaterbilleU.    IT  6  :  4. 
Tbeatercensnr.     IV  6  :  28. 
Theaterehroniken.    IV  6:88-70. 
Theatergeblude.    IV  5  :  1,  4— ISa. 
Theatergesehlft    IV  6  : 2. 
Theatergeschichte.    IV  6.  — 
Theaterkritik.    IV  6  :  61,  72/3. 
Theaterpraiis.    IV  6  :  23. 
Theatorpubliknm.     IV  6 :  18,  20. 
Theaterreformen.     FV  6  :  4— 18. 
Theaterrepertoire.     IV  6  :  14., 
Theaterrorrichtuogen.     IV  6  :  I. 
ThMtre  Italien.     IV  7  :  21. 
Theodorus.  J.    III  5  :  6. 
Theokratle.    IV  1  :  235. 
Theokrit.    IV  11  :80. 
Theologie.  III  6  :  13/4.   IV  1  :  47,  t96; 

6:  100—24;  7  :78;  II  :  19. 
Theologiaoher  Jahreeberieht    II 1  :  14 
Theophilas  (Drama).    II  4  :  7/& 
Tbeopbraataa.    II  3  :  14. 
Theorie  d.  Dramas.    13:1/2. 

—  und  Geschieht«  des  Boaaw.  IT 
3  :  1-11,  33-40.  83-103,  IM— S06, 
222-239. 

Theoriea  d.  Sebweiier.    in  6 :  1& 

Theoeophie.    UI  6  :  4. 

Theaerdank  a.  Teaerdaak. 

Tkeariet    I  1  :  19. 

Tbibaut     IT  1  :  164. 

Thierry,  A.    11:2. 

TUM*.  L.  A.  r.     IV  1  :  214. 

Thomae,  J.  O.     III  4  :  2. 

Thoauw  a  Keapis.    lU  6  :  4. 

Thomaaflw,  Ch.    I  6  :  »4. 

ThomsoB,  J.     IT  7  :  38. 

Thor.     IV  11  :  71. 

Tbndieham.    IV  1  :  102. 

Thanmel.    M.   A.    r.      IV    1:3.   SM; 

3:  11,  18. 
ThOringea.    I  6  :  71. 
Thnra,  Bitter  ron.    II  4 :  28,  SS. 
Tieek,  Aaialie.    IT  11  :  1. 

—  DoroUaa.    IV  11:30. 


Sachregister. 


266 


Tieck,  L.  1 5  :  308.  III  4  :  35.  IV  1  :  29, 
166,  241,252;  3  :  83;  4  :  25,  125,  223; 
6:117;  10:  117;  11:  1,  5,  29-32, 
54,  69-70. 

-  Sophie.    IV  11  :  31. 

Tiedge,  Ch.  A.    IV  3  :  45/6;  6  :  117. 

Tiefenbacher,  Elwine.    IV  1  :  31. 

Tiemann,  Th.    IV  9d  :  17. 

Tierarzneilehre.    I  6  :  152. 

Tiere.    I  5  :  285/7. 

Tierepos.    II  3  :  7—16. 

Tiernainen.    II  3  :  11/2. 

Tiersage.    II  3  :  7. 

Tierstrafen.    I  5  :  179. 

Tilesius,  H.    II  4  :  8. 

Timann,  J.    11  7  :  40. 

Tingeltangel.    IV  5  :  18. 

Tirol,  H.    I  5  :  15. 

Tirschenreuth.    I  2  :  15. 

Tirso  de  Molina.     III  4  :  33. 

Tischbein,  J.  H.  W.  IV  1  :  55;  9a  :  4a; 

9e  :  83. 
Tissot,  E.     I  1  :  14,  19. 
Tittmann,  J.    III  3  :  3. 
Titns  Andronikus.  III  4  :  2. 
Tobiasdramen.    III  4  :  3. 
Tod.    I  5:207/9,  248-50. 
Töpifer,  E.  IV  3  :  96. 
Törring-Seefeld,  A.  v.    IV  4  :  35,    128. 
Tolstoi,  L.     13:  197.    IV   1  :  36,  179, 

192:  5  :  72. 
Tomlinson,  IV  9a  :  27. 
Tracht.      1   5:16,     122—31,    317.    II 

I  :  17.     III  1  :  25. 
Tradition.    I  1  :  20,  24. 
Träger,  A.    IV  1  :  111. 
Tragisch.    I  3  :  71. 

-  und  Komisch.    I  3  :  53. 
Tragödie.    I  3  :  142,  145—50. 
Traun,  Julius  v.  d.    IV  1  :  27. 
Trebellius,  rex  Bulgarorum.  III  4  :  15b. 
Treitschke,  F.    IV  10  :  117. 

-  H.  V.     II  1  :  5.  IV  1  :  59,  156,  194; 

II  :  54. 

Treitzsauerwein  v.  Ehrenlreitz,  M.    II 

3:  42. 
Trenk.    IV  1  :  236. 
Trinken.     I  5  :  49-52,  131,  134,  317. 
Trömer,  J.  Cb.    IV  7  :  27. 
Troja.  in  3  :  1. 
Trojan,  J.    IV  1  :  17. 
Tschabuschnigg,  A.  t.    IV  1  :  27. 
Türckheim,  B.  F.  v.  IV  4  :  20. 

-  J.  T.  IV  4  :  20. 
Türkei,  d.    III  5  :  26. 
Türkengedicht.    U  1 :  1. 
Türkengefahr.    UI  6  :  ?6. 

Tunnel  unter  d.  Spree.  IV  1 :  198,  206, 

209. 
Turnen.  I  6 :  15. 
Turnier.    I  6  :  390. 
Turpin.  I  1 :  60. 
Tychsen,  CScilie.  IV  11  :84. 

-  Hofrath.  IV  11  :  84. 

Uechtritz,  F.  v.    IV  6  :  145. 

üebersetzungen,  deutsche.  II  1:6. 
m  6:6,  10.  IV  1:235;  Bibel,  in 
6:7;  Boccalini.  1115:12;  Cicero 
IV  1 :  235;  Dramen.  IV  4  :  122;  Hai- 
monskinder.  II  3 :  41  Nala.  IV 
11 :  13;  Puloi.  II  3  :  41 ;  Shakespeare 
IV  11  :  6,  12,  30. 

TJebersetznngsbibliothok.    IV  1  :  232, 

Uebersetzungskunst.    IV  6  :  143. 

Uebersetzungalitteratur.    IV  10:117. 

üeltzen,  H.  W.  F.    IV  1 :  233. 

Uhde,  H.    IV  9e:  16. 

TJhland,  L.  I  1:50;  3:133;  7:20. 
IV  1  :  179;  11  :69— 81. 

Ulfeldt,  C.    III  1  :  28, 

Ulrich,  T.     IV  1  :  209;  3:  190. 

Ulyhsos'  Wiederkunft.     IIL  4:2. 

Umgangssprache.    I  8.:  16.  26. 


Unehrliche  Leute.    I  5  :  10,  166. 
Ungem-Sternberg,    E.    Freiherr  v.    IV 

9a:  107. 
Universal  gesangbuch.    III  2  :  59. 
Uniyersalismus.    IV  1  :  44. 
Universitäten.     I  5  :  3,  64,  98 ;   6  :  122. 

IV  6:  207—10;  s,  auch  Schulen. 
Unterhaltung.    I  5 :  16,  84,  317. 
Unter-Kiexingen.    I  6  :  380. 
Unzelmanu,  Friderike.    IV  9b  :  10. 
—  K.  F.  F.     IV  5:54;  9b  :  8— 9. 
Urform  der  Poesie.    I  3  :  89—91,  94. 
Usteri,  P.    IV  1  :  235. 
Utopie.    III  3  :  7. 
Uz,  J.  P.    IV  3  :  18,  30. 


Vademecum    ftlr    lustige    Leute.      IV 

3:51. 
Väterliche  Ermahnungen.    I  5  :  36/7. 
Vairasse.  IV  3  :  9. 
Valentin,  V.    13: 142. 
Valla,  L.     I  1  :  27. 
Varnhagen,   K.   A.    v.     IV    1:85,    166, 

179,  212;  3:125;  11:54. 
Vasco  de  Gama.    II  1  :  20. 
Veit,  Ph.    IV  11:25,  26  a— 28. 
Veitheim,  Graf.    IV  1:3. 
Velthen,  J.    III  4  :  17. 
Venator,  B.    III  5  :  10. 
Venus.  III  3  :  3. 

-  geharnischte.    III  2:24/5. 
Vennsberg.    III  3  :  3. 

Verbauern    deutscher    Edelleute.      III 

1 :  25,  29. 
Verbindungswesen.    I  6  :  154. 
Verdy    du     Vemois     (Kriegsminister). 

IV  1:198. 
Verfassung,  d.  hannoversche.    12:6. 
Verfassen,  Gretchen.    IV  11:57. 
Vergier,  J.    IV  7  :  27. 
Vergilius,  Polydorus.  II  4  :  25. 

-  m  3:1.     IV  3:18. 

Verkehr,  geselliger.  I  5  :  13,  43—60. 
Verkehrswesen.  I  5:13,  146  - 161  a. 
Vernet,  H.    IV  4  :  159. 

-  J.    III  3  :  6. 
Vernijoul,  Frau  v.    IV  9:1. 
Veröffentlichungen,  amtliche.  I  7  : 1—5. 
Verse.    IV  11  :  29;  freie  I  9  :  18 
Versfüsse.    I  9:5—6. 
Versuchstheater.    IV  5 :  16. 
Verwelschung.    I  5  :  10,  13. 

Vetter,  G.    II  2  :  3. 

Vibration.    11:2. 

Vicari,  Herm.  v.    15:  417. 

Vielfeld,  J.    II  4  :  33. 

Viereck,  Edwina.    IV  11 :  31. 

Vierordt,  H.    IV  1 :  32. 

Vigfusson,  G.    12:9. 

Vigiers,  Urs.    III  1  :  11. 

Vigilius,  S.    II  4  :  23. 

Villers,  Ch.  de.    IV  1 :  236, 

Villiuger,  Hermine.    IV  1:6. 

Vilmar,  A.  F.   C.    II  :  19.     IV  1 :  47, 

226. 
Vischer,  F.    Th.    13:  35.    IV  1  :  209'; 

3  :  121,  141,  149,  229;  6:146. 

-  Luise  Dorothea.    IV  10  :  8. 
Visionen,  Die  des  Quevedo  III  5  :  10. 
Visitenkarte.    I  5  :  44. 

Vives,  L.    I  6  :  18. 
Vliet,  J.  Tan.    III  3  :  5. 
Völkerpsychologie.    11:2,  20. 
Vogel,  6.  A.    IV  1  :  196. 

-  J.     IV  9a  :  80. 

-  L.    IV  1  :  241.      . 
Voigt,  C.  G.    IV  9b:  11/2. 

-  G.    II  1  :  6. 
Voigtländer.  Q.    UI  2  :  3. 
Voiture,  Vinc.    III  2  :  25. 
Volkmann,  R.  v.    IV  1 :  64. 
Volksbücher.  I  5  :  84.  II  3:4—6,  24—39. 

m  3  :  5,  10.     IV  9d  :  13. 


Volksbühnen.    IV   1:34;   5:17,  21/2; 

Laufen   IV  4  :  189;   Wien  IV  4  :  36, 

164/8,  189. 
Volkscharakter.    I  5:13. 
Volksdichtung.     Frankfurt    IV   4:24a; 

Elsass  IV  4  :  23/4. 
Volk.serziehung.     III  5  :  13. 
Volksfeste.    1  5:448. 
Volkskunde.    I  2  :  41 ;  5  :  180—281. 
Volkslied.    I  1 :  38;  2  :  24;  3  :  4;  5:  93. 

II    2:26—38;  historisches   II   1:6; 

3  :  43 ;  schweizer  III  2  : 5. 

—  von  Doktor  Faust.     III  4  :  31. 
Volkslitteratur.     I   5:446/7;   religiöse 

II  7  :  30. 
Volksmärchen.      IV    1  :  82;    s.    auch 

Märchen. 
Volksredner.    III  5  :  6. 
Volkspädagogik.     I  5  :  434-48. 
Volksschauspiele.      III   3:5;    4  :  27; 

Jena  IV  4: 183;  Worms  IV  4 :  187/8. 
Volksschriftsteller.    UI  5  :  12/6. 
Volkssehulwesen.      I    6  :  41,    62,    120 
,  180/1.    III  1  :  11. 

Volkstum,    ni  3  :  3;  5  :  6.    IV  5  :  26/9. 
Volkswahl.    IE  5  :  19. 
Vollmer,  W.    IV  10  :  138. 
Voltaire,  F.  M.  A.  de.    IV  1 :  84/5,  91, 

236;  3  :  233;  7  :  13/4,  27,  60;  9e:  70/1; 

10:117. 
Von  der  Welt  Untreue.    II  3  :  14. 
Voss,  J.  H.    13:  130a;  9:4.  IV  1 :203, 

232/3,   235;    3:42/4;   4:24;  6:143; 

9e :  39. 

—  R.    IV  1:17. 

—  Jul.  v.    I  6  :  459. 
Vossische  Zeitung.    IV  7:1. 
Vulpins,    Ch.  A.    II  4  :  28.    .  IV  9e  :  7. 

—  Christian^.  IV9e:28;  10:26;  s. 
auch  Goethe,  Chrisiiane  v. 

Wachenhusen,  H.  IV  1  :  189. 
Wackenroder,  H.  IV  11  :32. 
Wackernagel,  W.    I.  1 :  27. 

—  Ph.     IV  1  :  179. 
Waffenschmiede.    I  5  :  121. 
Wagemann,  J.    II  7  :  6. 
Wagenmann.     II  1  :  7. 
Wagner,  B.  A.    IV  7  :  1. 

—  H.  L.  IV  4:  19-20;  9b.:  97; 
10  :  117.  ; 

—  Rieh.  I  1  :,61  ^  3  :  27,  130,  208/9, 
211 ;  5  :  419.  IV  1  :  64,  179, 182, 189, 
191;  ,4;:  163,  217—27;  6  :  82/8; 
10:117;  11  :31. 

—  Famulus.    III  3  :  5. 
Wagnergemeinde.    IV  5  :  19. 
Wahl,  Philologe.    IV  11  :  15. 
Wahrheit.    III  5  :  19. 
Wahrscheinlichkeit.    III  5  :  19. 
Waiblinger,  W.  IV  1  :  212,218;  11  :  82/3. 
Waldeck,  Graf  Wolrad  II  v.    IV  10  :  39. 
Waidenburg.    I  6  :  97. 

Waldis,  B.    ni:2;   2:3;   4:14,   29, 

38.        ; 
Waldstätten,  Hayeck  V.    in:5:7. 
Waldvogel,  P.    14:  8—9. 
Walesrode.     IV  1  :  20^ 
Wallner,  F.    IV  1  :  189. 
Walloth,  W.    IV  3  :  238. 
Walter,  Ferd.    I  5  :  425. 

—  Gerh.    IV  3  :  121.. 

—  Garteninspektor.    IV  10  :  13. 

—  Oekonom.    IV  7  :  8. 
Waltershausen.    I  6  :  78. 
Walther,  W.    U  6  :  21. 
Wandertruppen.    III  4  :  16. 
Wandsbecker  Bote.    IV  7  :  12. 
Wanger.    II  7  :  34/5. 
Warburg.    I  6  :  87. 
Warendorf.    I  6  :  108. 
Warow  (Pommern).    I  6  :  103. 
Waser,  J.  H.     15:  376.     IV  3  :  30. 
Wasungen.    I  6  :  71. 


267 


Sachregifiter. 


Weber,  C.  J.    IV  1  :  184. 

—  C.  M.  V.      IV  4  :  208,  223;  9« ;  34. 

—  F.  W.     IV  1  :  17. 

—  IV  3:  170/2. 

—  G.    IV  1  :  190. 

—  W.  E.     16:  413.    IV  ß  :  172. 

—  Schauspielerin.     IV  «b:  8/9 
Weckherlin.  Elisabeth.    III  2  :  13. 

—  a.  H.     III  2  :  13. 
Weddo,  J.     IV  6  ;  105  e. 
Wodekiiid,  F.    IV  1  ;  24/5. 
Weichmann,  Ch.  F.    III  6  :  29. 
Weidmann,  M.  G.    14:  184. 

—  F,  C.     IV  4  :  35. 

—  V.    IV  4  :  35. 
Weidner,  A.    III  4  :  24. 

—  J.  ».     16:  176. 
Weihnachtsfost.    16:61,203.205. 
Weilen,  J.  t.    IV  1  :  196. 

Weimar.    I  6  :  29,  76,  106.    IV  1  :  164, 

239. 
Weinmann,  Rektor.    IV  1 :  69. 
Weinsberg,  H.    16:  23. 
Weise,  Ch.     III  2  :  3. 
Weisen,  d.  sieben.    III  6  :  13. 
Weishaupt,  A.     IV  1  :  56. 
Weiskern,  F.  W.    IV  4  :  37. 
Weiss,  C.     IV  4  :  189. 
Weisse,  Ch.  F.      IV     I  :  232;    7  :  27; 

8:4. 

—  M.    II  2  :  3. 

Weisser,  F.  Ch.     IV  11  :  69-70. 
Weissflog,  Ch.    IV  3  :  64, 
Weisskunig.     II  3  :  42. 
WeistUmer.     I  2  :  10. 
Weitling,  W.    IV  6  :  92. 
Welcker,  F.  G.    IV  1  :  203. 
Weltanschauung  d.  Dichters.     I  1  :  24. 
Welten,  0.    IV  1  :  37. 
Weltgeschichte,    Sammlung  Neuer   nnd 

MerckwUrdiger.  III  3  :  8. 
Weltkarte,  Ebstorfer.    I  6  :  87. 
Weltlitteraturgeschichte.     I  1  :  27. 
Weltverbesserung.    III  5  :  13. 
Wendung,   Dr.  (Opemtextdichter).    IV 

I  :  198. 

Wenzel  v.  Olmtttz  (Meister  W.).  II 
7  :  39. 

—  Regierungsrat  (Dresden).  IV  9e:12. 
Wenzelburger.    II  1 :  5. 

Werder,  K.    IV  1 :  198;  7  :  75;  10  :  87 

II  :  31. 

WerldtsprOke,   SchOne   künstliche.     II 

3  :  14. 
Werlhof,  P.  G.    IV  7  :  33. 
Werner,  E.    IV   1  :  17, 
-KM.    I  3  :  31,  37/8,  94. 

—  Each.     IV   1  :  29,  05,  236. 
Wernick,  F.     I  5  :  412. 
Wemicke,  Ch.    III  5  :  24. 
Wernigerode.     I  6  :  67/8. 
Werthortum.     IV  1  :  59. 

Werthes,  F.  A.  C.     IV  4  :  106;  10:  117. 

Westarp,  A.  Graf  t.     IV  1  :  102. 

Westenrieder,  L.  t.    IV  9  e  :  30. 

Westfalen.    I  0  :  107,  123. 

Wette,  de.     IV  1  :  47. 

Wetterau.     III   5:2. 

Wetterkunde.    I  5  :  276/9. 

Wetz,  W.    II:  1.  19-20. 

Wewerka,  Helene.     IV  6  :  38. 

Wichort,  E.     IV  1  :  17;  4:  140/3. 

Wichmann,  H.    IV  1  :  258—63. 

Wickram.  G.    H  4:  11,  25 

Widman,  G.  R.    II  3  :  32. 

Widmann,  J.  V.    IV  4  :  139. 

Wiedemann,  Superintendent.     III  3  :  8. 

Wiedererrungene  Freiheit,  d.    III  4 :  2. 

Wiederholung,  Figur  d.     IV   9c:  15. 

Wiednwilt  s.  Wigalois. 

Wielaud,  Ch.  M.  I  1  :  27,  49;  4  :  6. 
IV  1  :  184,  232/6;  3:11,  18,  29— 
32,  141 ;  4 :  6,  34,  193,  208 ;  6:28;  7: 
18;  10:  11,  29,  117;   11:49,  84. 


Wien.     I   5  :  260,  ae9/«b:  6  :  110.  IV 

I  :62,  179,  241;   S  :  S22/A. 
Wienbarg,  L.    IV  II:  78, 
WiMbadeo.    I  6  :  86/7. 
Wigslois.    III  8  :  e. 

WiUmowitx  -  MOllendorr.     I       >        IV 

Ue  :  86. 
Witbrandt,  A.     IV  1  :  17,  S09;  4  :  168; 

II  :89,  48. 

Wilekens,  M.  A.     III   6  :  17. 

-  N.    III   6  :  29. 
Wild,  8.     II  4  :  31. 

Wildenbruch,   E.  r.     I   I:«l:   8:180. 

IV    1  :  17,    32,    111:    4:  131,    144/6; 

10  :  107. 
WildenfeU,  Anark  Herr  cn.    III  2 :  3«. 
Wildermuth,  Ottilie.     IV  3:  112. 
Wilhelm  I.,  deutscher  Kalter.   IV  1:56, 

96/6;  3:  126. 

-  II.,    deutscher   Kaiser.     II    1  :  16. 
IV  1  :  98-100. 

Wilhelmsburg  a.  Kilderpolemlk. 
Wilkins.     IV  11  :  13. 
Willamow,  J.  G.     19:  18. 
Wille,  F.     IV  12  :  37. 
Willisen,  t.     IV  11:81. 
Wilmanns,  W.     IV    9e  :  35. 
Wimpheling,  J.     14:11.    III  6  :  10. 
Winckelmann,  J.  J.    13:7.    IV  1  : 

220,  238,  252;  3:  32;  6  :  1 ;  7  :  62. 
Windischmann.     IV  11  :  13. 
Winter.  J.    HI  4  :  27. 
Winterthur.  IV  3  :  30. 
Wirfl,  M.     III  6  :  6. 
Wirschung,  tJ.    U  4  :  28. 
Wirtembergias.     DI  3  :  1. 
Wirth,   L.    U  4  :  1—2. 
Wirtschaftsgeschichte.      I    5  :  103/7b. 

ü  1  :  4. 
WiiUhans.    I  6  :  16,  62«,  63,  326. 
Wismar.    I  6  :  102. 
Wissenschaft,    D.    d.  15/6.  Jb.    U  1  : 

21|2. 
Wissenschaftlichkeit    der    Geschichte. 

I  1:2,  6;  der   Kritik   11:2,   6-8, 

11,  16/6. 
Witte,  C.    rv  1  :  196. 
Witteisbacher,  d.    I  6  :  10. 
Wittenberg.    1  6  :  70. 
Wittenweiler,  H.    n  8  :  2,  3. 
Witz.     III  6  :  6. 

Witzendorir,  Sophie  t.  IV  11  :84. 
Witzleben,  H.  O.  t.  IV  9b :  11/2. 
Wobersnow,  General  t.  IV  1  :  78. 
Wochenblatt,    Leipziger    fUr    Kinder. 

UI  3:6. 
WoohenkomOdi<it.    III  4  :  2. 
Wochenschriften  I  6  :  308;   moraliscbe 

IV  1  :  1. 
WOehenUiche  Post    III  1    20. 
Wöllner,  J.  Ch.  t.    IY  1  :  »2. 
WOrterbacher.     I    2  :  4,  9,  12,  29.  36; 

8  :  1,  40/7,  66/7.   III  5  :  10. 
WohlbrOck,  W.  A.    IV  3  :  49. 
Wohlmeinender    Discnrs,     warum     die 

Römisch  -  Katholischen      eich     too 

Spaniern    und    Jesuiten    absondern 

sollen.     117: 34/5. 
Wohnung.  I  6  :  11/6,  30,  108-18,  131. 
Wolf.  F.  A.    12: 14/6.  IV  1 :  240-.  »e 

:  61;  11  :86. 
Wolfart.  K.     IV  11  :  89. 
WolfenbUttel.  I  6  :  106. 
Wolff,  Ch.     1116:7.      IV  1  :  8». 

-  Eng.     I  1  :24;  3:  89-91,  95. 

-  J.    IV  1 :  17. 

-  P.  A.     IV  9e  :  73. 

-  Tb.     IV  3  :  7. 
Wolfradt,  Ant     16:  119. 
Wolfram  s.  F.  Merlow. 

Wolfsohn,  W.    rv  1  :  184;  3  :  125;  4  : 

128. 
Wolter.  Cherlotte.    IT  1 :  189,  19«. 
Woliogen,  A.  T.    IY  10  :  29. 


-  Carolina  r.    IV  1  :  821. 

-  E.  ».    IV  3  :  229. 

-  H.  r.    IV  3  :  196. 
Werbie.    I  6 :  107. 
Worau.    I  0  :  149. 

Wort,  D.  Isaere.    III  5  :  4. 
Wortbetennng,  Naa4««t««be.  19:4. 
Woribildang.   I  8  : 1,  tt,  47. 
Wortniis«.  19:5-6. 
Woriecbets.  1  1 : 2.  20|  8  :  25/6.  40- 

55,  «0/7. 
worden.    I  5  :  828. 
Waneebelrvt«.    I  5  :  220. 
WBrttemberg.    I  5  :  170,  868.  III  3  :  I. 

IV  II:  «9-70. 
Wallenwerer,  J.   n  7  s ««. 
Wnnder,  B.    I  «  :  194. 
WnndergaeebiebUB.    11  11 
Wunderhoni,  Des  Kuben.     IV  3  :  15; 

11  :54,  5«. 
Wondt,  W.    11:2;  8:  «2/8.    fYl:2t 

0:3«. 
Waetmann,  O.    IT  «  :  296. 
Wnttke.  H.    IV  I  :  179. 
Wycheriey.  W.    IV  7  :  27. 

Xenopbon.    IY  8  :  S2;  7  :  27 

York- Wartenbarg,  H.  D    l       i  »r     IT 

11  :81. 
Tsengrimas.    II  8  :  12. 
Trer,  P.    III  3  :  8. 

Znehtfil,  F.  W.    IY  3  :  18. 

Zahlen.    I  5  :  298. 

Zniner,  G.    I  4  :  106. 

Zang.    IV  1  :  179,  189. 

Zameke.  E.     III  3:4. 
-F.    I  2:36/40.    IV  1:223:  9e  :8a. 

Zauberer.    III  8 :  8. 

Zanbermittel.    III  8  :  8. 

Zedier,  J.  H.     I  4  :  108. 

Zedliti,  J.  Cb.  Frhr.  t.    IV  1  :  «. 

Zeglin,  J.  O.    IV  3  :  126. 

Zehden,  C.    IV  7  :  27. 

Zeichnung.     III  3  :  6. 

Zeitlieher  Einflnss.    I  I  :  «—8,  20. 

ZeiUehriften.    III  5  :  19. 

Zeiteebriftenregiiter.    14:604. 

Zeitungen.  I  4  :  49-50;  5  :  84.  II  1:1. 
IV  1  :  65,  58,  61/2,  92/3.  16«,  173. 
179,  19«,  22«:  Angabnrg  IV  II  :  49: 
Hambarg  IY  1 :  56/7 :  Baaaovw  IT 
11:6:  Scbletien  III  l;20;  Zliiek 
I  4  :  49. 

Zeitangeceuor.  III  1  :  20. 

Zeitangsprivileg.    III  I  :  20. 

Zeiüerse.     Ol  6  :  27  8. 

Zellweger.     III  6  :  18/9. 

Zelter.  K.  F.    IY  9e  :  113. 

-  H.    IY   1  :  29. 
Zeltaer,  A.    III  I  :  II. 
Zerbet    I  «  :  169. 
Zemin,  O.    IY  3:  18«. 

Zeeea,  Pb.     lU  2 :  3,  67;  5  :  24  5. 
Zettel,  K.    IY  1  :  32. 
ZengnisM,  QleiebtelUg«.     I  1  :  27 
Ziegler,  C.    III  2 :  70. 

-  E.    IY  3  :  225w 
Ziegra.  Cb.    in  5  :  29. 
ZieasMn.  L.    IY  I  :  17. 
Zieeenis.  J.  O.    IY  1  :  79, 
ZiamenuBn,   J.  G.    14:5.    IY    1 : 

234  f«. 
ZiBgerie.  J.  T.    I  2 :  27. 
Zingg.  E.    m  1  :  11. 
Ziakgref;  W.  J.    II  3  :  M.    UI  2 :  14. 
Zintendorf.  N.  L.  Graf  t.     UI  2:30: 

6:2-3, 
Zöllner.  Pb.    IV  5  :  5«. 
Zola,  E.    I    3 :  52.   86,    115,    187.  197. 

224.    248,   250.      IY    l:86f7;  8:1. 

226;  5;  72. 


Sachregister. 


268 


Zolling,  Th.    IV  1  :  17;  3:224. 

Zollkrieg.    III  5  :  20. 

Zschokke,  H.    H  7  :  30.   III  1:11.   IV 

1  :226,  235;  3:51/5,  64;  6:  38. 
Zncker.    I  5  :  295  a. 


ZUrich.  I  5  :  376;  6  :  28.  IV  3  :  29-30. 
Znnz,  L.     IV  12  :  13. 
Zupitza,  J.     12:  28. 
Zuschauer,  Pariser.    IV  1  :  58. 
Zwerge.    III  3  :  3, 


Zwick,  J.    II  1  :  6. 
Zwickau.     I  6  :  65.     II  2  :  3. 
Zwingli,  U.  III  :  7— 8 ;  2  :  18;   7  :  83/4 
Zwischenvorhang.    IV  5  :  4—10, 
Zjrl,  Ch.    II  4  :  36. 


Verlegerregister*) 


Ackermann,  Th.-MOnchen.    I  3  :  276. 
Ahn,    A.-Köln.     IV  9a  :  69;    9b  :  72; 

9e  :  56. 
Albert,  Dr.  E.  &  Co.-MUncheu.    IV  5  : 

13. 
Albrechts    Selbstyerlag-Hamburg.     IV 

7  :  27. 
Almquist  &  Wiksell-Upsala.      I  4  :  63. 
Amelangs  Verlag.  C  F. -Leipzig.  IV 11 :  10. 
Andreae  &  Cie.  Ruhroirt.      5  :  263. 
Anstalt,  Litter. -Frankfurt  a.  M.  IV  9a  : 

2,  125;  9c  :  11. 
Appelhans     &    Pfenningstorff-  Braun- 
schweig.     I    5  :  333;     6  :  58.      HI 

4  :  10. 
AschendorifscheBuchhdl.-MOnster  i.  W. 

IV  1  :  233;   9a  :  61. 
Asher  &  Cie.-Berlin.    I  5  :  180. 
Attinger,     Fröres-Neuchätel.      IV    3 : 

63,  65. 
Augustin-Glttckstadt.     I  6  :  191. 


Bachern,    J.    P. -Köln.      IV    11  :  26a; 

12  :  4. 
Bachs    Verlag,   J.    G.-Leipzig.      I  5 : 

124. 
Bacmeisters  Verl.- Erfurt.     IV  4  :  191. 
Baedeker,  T.  D.-Essen.    II  4  :  17. 

—  Verl.,  Jul.-Leipzig.    I  5  :  424.   IV 
6  :  225. 

Baer,  J.  &  Cie. -Frankfurt  a.  M.     14: 

86. 
Bagel,  F.-Düsseldorf.     I  3  :  86,   153/4. 
Baldamus,  E.  -  Leipzig.    II  4  :  11      IV 

I  :  12. 

Ballhom,  C.-Nürnberg.    II  4  :  21. 
Bamberg,  L.-Greifswald,    I  5  :  231. 
Barth,  B.-Aaohen.    I  4  :  84. 

—  J.  A.  -  Leipzig.    II  7  :  37. 
Bartholomäus,  F.  -  Erfurt.    I  4  :  93. 
Bassermann,    F.  -  München.      IV   6  : 

227. 
Bath,  A.  -  Berlin.    I  5  :  286a. 
Battezzati,  Sncc.  -  Mailand.  IV  10:35; 

II  :  20. 

Bauch,  K.  -  Gera.    I  1  :  61. 
Banmanns  VerlagsbnchhdI.,  P. -Dessau. 

I  1  :  44;  7  :  98. 
Baumert    &    Ronge  -  Grossenhain.      I 

6  :  158. 
Beohtold    &   Cie.,    R.  -  Wiesbaden.     I 

6  :  286. 
Beok8cheVerlag8buchh.,C.H.-M0nchen. 

I  6  :  83.    IV  1  :  80,  226;  6  :  121/2. 


Bohrend,  E.  -  Gotha.    I  6  :  40,  63. 
Behres  Verl.,  E.  -  Mitau.    I  3  :  277. 
Behrs  Verl.,  B.  -  Berlin.     IV  6  :  163. 
Belin  frerea  -  Paris.     IV    7  :  43 ;   9b  : 

29. 
Belserscher   Verl.   u.  Druckerei,    Ch.  - 

Stuttgart.    IV  9a  :  107. 
Bensinger,  S.  -  Wien.    IV  4  :  97. 
Benziger  &  Co.  -  Einsiedeln.    18:5. 
Bergmann,  J.  F.  -  Wiesbaden.    16:9; 

6  :  9.     III  1:9.     IV  1  :  166. 

Wien.    IV  4  :  162. 

Bertelsmann,  C.  -  Gütersloh.    I  3  :  57. 

n  6  :  29.    III  2  :  36.    IV  9d  :  12. 
Bertling,  R.  -  Dresden.    IV  4  :  206. 
Beyer    &    Söhne,   H.  -  Langensalza.    I 

6  :  33/4.     IV  6  :  83. 
Bideri  -  Neapel.    IV  10  :  59. 
Biedermann,    F.  W.  v.  -  Leipzig.    I  5  : 

19;    8  :  27.      IV    6  :  223;    9a  :  34; 

9h  :  22. 
Blenk  &   Cie.  -  Kaiserslautem.      I    5  : 

178. 
Blumenthals   Selbstverl.,  H.  -  Iglau.    I 

4  :  147. 

Boas,  M.  -  Leipzig.    IV  6  :  68. 

Bock    &  Co.  -  New-York.    IV  12  :  23. 

Bodo  -  Grimma.    I  6  :  180. 

Böhlan,  H.  -  Weimar,     n  6  :  1.    IV  1: 

164;     9a  :  67,    110,    118;     9b  :  1-2; 

9c  :  9;    9e  :  2,    11/2,   81,   37a,    59a, 

73/4. 
Böhm  -  Zittau.     I  5  :  341a. 
Bondes    Verl.,    C.  -  Altenburg.      I    4  : 

90;  5  :  383;  6  :  168. 
Bong,  R.  &  Co.  -  Berlin.    IV  9d  :  5. 
Bonifacius  -  Druckerei  -  Paderborn.     I 

5  :  2.39d. 

Bonz,  A.  &  Comp.  -  Stuttgart.     IV  3  : 

182;  4  :   164. 
Borchers  -  Lübeck.    I  5  :  160.  III  5  :  29. 
Borgmeyor,  F.  -  Hildesheim.    II  3  :  43. 
Boumann,  A.  -  Leipzig.    I  5  :  453. 
Boysen,  C.  -  Hamburg.    I  5  :  322. 
Brachvogel  &  Ranft.  -  Beriin.    IV  9h  : 

101. 
Brandstetter,  F.  -  Leipzig.      I  7  :  64. 
BraumUller,  W.  -  Wien.    IV  10  :  73. 
Braun,     C.  -  Leipzig.        (Bh.    d.    Ev. 

Bundes.)    H  7  :  11. 
Braun  &   Schneider  -  Mttnchen.     I    5  : 

123. 
Bredt,  H.,  Verl.  -  Leipzig.  I  7  :  65. 
Breitkopf  &  Htlrtel  -  Leipzig.  I  4:150; 

6  :  98,    433.      H   2    39.      UI  2  :  3. 


rV  1  :  198,  219—21,    223;   4  :  226 
6  :  113/4,  224. 
Brockhaus,  F.  A.  -  Leipzig.    I  3  :  21/3; 

4  :  54.  IV  1  :  173;  4  :  103;  5: 
87;   6  :  59,    62/7,    69—73,   93,  197. 

Bruekmannsehe      Buchdr.  -  München. 

HI  5  :  10. 
Brügel  &  Sohn  -  Ansbach.    17:3. 
Brunneraann,    M.    &    Co.  -  Cassel.      II 

6  :  62. 

Buchdr.,  Kunst-  u.  Verlagsanstalt, 
Schles.,  vorm.  S,  Schottlaender  - 
Breslau.     I  5  :  15- 

—  d.  Stephansstiftes  -  Hannover.  I 
1  :  41. 

Buchh.  d.  deutschen  Lehrerzeitung, 
F.  Zillessen  -  Berlin.    III  1   :  6. 

—  d.  Diakonissenaustalt  -  Kaisers- 
werth.    II  6  :  36. 

—  d.  Evang.  Bundes  -  Leipzig.  II  6: 
48,  87/& 

—  d.  Gossnerschen    Mission  -  Berlin. 

I  5  :  423. 

—  d.  Waisenhauses  -  Halle  a.  S.  I 
3  :  39;  6:  10,  337;  7  :  42.  II  6  :  4. 
IV  6  :  6. 

Buchholz  &   Werner  -  München.     I  3 

140.    IV  3  :  2. 
Büchners  Verl.,  C.  C.  -  Bamberg.    I  5: 

361;     6  :  120.       IV     1  :  244;     4  : 

223/4, 
Bureau,  Bibliogr.  -  Berlin.    IV  7  I  52. 
Busch     Naehf.,     J.  -  Bietigheim.      III 

5  :  4. 

Butter -Komotau.    I  6  :  196. 

Calvary  &  Cie.,  S.  -  Berlin.    I  5  :  292. 

IV  1  :  264;  6  :  145/6. 
Cercle  de  la  librairie  -  Paris.     14:8. 
Chamerot  -  Paris.    I  8  :  61. 
Champion  -  Paris.     I  5  :  166. 
Charpentier  -  Paris.    IV  11  :  3. 
Christophorus  -  Verl.    -  FUrstenwalde. 

II  7  :  27. 

Clarendon  Press  -  Oxford.  I  1  :  46.  IV 
1  :  68;  9e  :  45a;  10  :  39a. 

Clary  &  Co.  -  Chicago.    IV  9d  :  18. 

Cohn,  Alb.  -  Berlin.    14:5. 

Conrad,  F.  -  Leipzig.    IV  5  :  69. 

Costenoble,  H.  -  Jena.  I  8  :  69  ;  5  : 
212.    IV  8  :  102;  4  :  120;  12  :  42. 

Cottasche  Bnohh.  Nachf.,  J.  G.  -  Stutt- 
gart.    I  3  :  259;    5  :  97,    418,  430; 

7  :  46.  III  1:  1-2.  IV  1  :  21/3, 
70,  179,  193;  4  :  98,  171/2.  181;  6  : 
87,  137;  7  :  6;  9a  :  121;    10  :  9. 


*)  Von  der  0.  J.  GSschen'soben  Verlagahandlang  in  Stuttgart  hergestellt 


269 


Verlegerregister. 


Cramer    Verl.,    O.  -  Hamburg.     I    6  : 

182. 
Crone  A  Martinot- Hamburg.     IV  3  :  47. 
Cruel  8UCC.  -  Paria.    I  4  :  166. 
Gruses  Buchh.,    B.   F.  -  Hannover.      1 

4  :  62,  SC. 

Daberkow,  C.-MTien.    IV  4  :  197. 
Dabis,  H.  -  RndoliUdt.    IV  10  :  03. 
Damm,  0.  -  Dresden.    I  5 :  445.    IV  4  : 

206. 
Decker,  W.  &  Co.  -  Posen.    II  7  :  57. 
Deichertscbo    Buebh.    Nauhf.    A.    (0, 

Bobine)  -  Leipzig.    I  1  :  32. 
Delagrave,  Ch.  -  PtriK.      I  1  :  38.     IV 

9b  :  28;  10   :  122. 
Delaluiii  -  Paris.     I  4  :  105. 
Dontiike,  F.  -  Wien.     IV  6  :  l'O. 
Diesterweg,    M.  -  Frankfurt    a.    M.      I 

6  :  38a,  60;  7  :  81. 

Dieter,  U.  -  SaUburg.      1    5  :  414;  C  : 

115.     IV  4  :  20t. 
Diotericliscbe  Univ.- Buchh.  -  GOltingen. 

I  6  :  Ol.     IV  G  :  226r. 
Dittmann  -  Biomberg.     I  4  :  91. 
Doeberoiner    Nachf.,    C.  -  Jena.     I   6  : 

l.'>4. 
Dörft'Iiiig    &    Franke  -  Leipzig.      I  5  : 

428  ;  C  :  38c.     IV  1  :  225. 
Dörling,  F.  Verl.  -  Hamburg.    I  6 :  324. 
DomiHicu«,  H.  -  Prag.    19:3.    IV  1 : 

27;  4  :  93. 
Drechsler  -  Troppau.     1  8  :  16. 
ürowit»  Nachf.,  0.  -  Berlin.    I  5  :  446. 
Druckeroi  Glö.s8-Dresden.    I    5  :  436a. 

IV  1  :  109-10,  113. 
Dlims,  W.  Verl.  -  Wesel.    IV  3  :  66/9. 
Dürr.-«  ho  Buchh.  -  Leipzig.    I  6  :  194  ; 

7  :  15. 

Du    Mont-Sehauberg,   M.  -  Köln.    14: 

51a;  7  :  74|.5. 
Duncker,  A.  -  Berlin.     IV  1  :  78. 
Duncker  &    Humblot  -  Leipzig.     I    5  : 

343,  425;    G  :  125,  181.      IV  1  :  98, 

212;  6  :  132. 

Eberloin-Pirna.    IV  7:8. 
Eckardt,  K.  Selbstv.-Prag.     I  5  :  372. 
Eckslein  Nachf.,  R.-Berlin.     IV  1  :  163. 
Ehlerinann,  L.-Dresden.  IV  1 : 1 ;  4  :  58, 

176;  6:1;  7:15;  8:1-2;  9b  :  39. 
Ehrhardts  Univ.  -  Buchh.,   O.-Marburg. 

I  5:  2G9.     IV  1:71. 
Ellscher  Nachf.,  B. -Leipzig.    III  2  :  32. 
Elwertsehe  Vorlagsbucbh.,    N.  G.-Mar- 

burg.     II    4:25.     III   4  :  9.    IV  3  : 1 ; 

9o :  14,  25. 
Eogelhardtsche    Buchh.,     J.    G. -Frei- 
berg i;S.    IV  10  :  130. 
Engelhorn,  J.-Stuttgart.    I  5  :  11. 
Engolmann,  W.-Leipiig.     IV  1:3. 
Ensslin  &  Laiblins  Verlagsbuchh.-Eeut- 

lingcn.     IV  3:60|1. 
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Feyol,  A.-Ueberlingen.     I  6:214. 

Findel,  J.  G.-Leipzig.    IV  9e:81. 

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Fischer.  G.-Jena.    I  1  :  31 ;  4  :  65.  104; 
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Fisber-Union-London.    I  1  :  14. 

Flomming,  C.-Glogau.     IV  1 :  190 

Floitgraf,  J.-Wegberg.    I  3  :  43. 

Fock,  G.-Leipzig.  I  1  :  60;  3  :  128: 
4-55;  5:43,  99.  II  2:23;  6:24.  IV 
3:49;  4:106;  6:2.  38a,  41.  60, 
67-78,210;  9a  :78a;  12:5,  32. 

Foesser  Nachf.,  A.-Frankfuxt  a  M.  H 
1  :  15. 


Font«)*  *  Gl«.   F.-B«rlin.    I    6:427. 

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Frank»ut«in  *   Wagner  •  L«ipti(.      I 

5:  181. 
Frankes    Bnehb.,     J.  -  Hnbeliekwerdt. 

16:7. 
Franklingeaellichafl  -  Bmdapeat.     IV 

9e  :  69. 
Freund,  L.-BresUa.   16:49.   IV  7:89. 
Frejtag,  O.-Leiptl«.    I  6  :  16;  7  :  76. 
Fried  t  Gie.,  A.  H.-Berlin.     I    6  :  414. 

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Friedberg  A  Mode-Berlin.    IT  4  :  99. 
Friedrich.    W.-Leipxig.    I    3 :  80,    131, 

234,  2G9;  6  :  80.    III  4  :  1.    IV  8:280, 

283,  286/8;  6:  167;   7:31. 
Fritach,  C.-Mtlnchen.    I  8  :  29. 

-  Th.-Leiptlg.     I  5  :  177. 
Fritzsch,  E.  W.-Leipiig.     IV   4  :  221 ; 

5  :88. 
Froromannsrhe   Buchd.-Jena.     I   2:3. 

III  2  :  1. 

Frotscher.  E.-Arnstadt.  I  5:845;  6: 183. 
Fnes.  F.-Tobingen.    IV  10  :  104. 

Gaertners  Verl.,   B.- Berlin.     I   6:18. 
101,    420;    7:8.    77;    8:39;    9:6. 

IV  1  :67;     3:42;     6:134;     Oe  :  88; 
11  :  72. 

Schneeberg.     14:2;   6:209. 

Garnier  fr^res-Pari*.     IV  9e  :  67. 
Geering.  A.-BaseL    IV  1:236:   9a:  64. 
Geissler.  F.-Leipzig.    I  6  :  426. 
Gensei,  G.-Grirama.    I  8  :  36. 
Georgi-Bonn.     I  6  :  184. 
Gerolds  Sohn.  C.-Wien.    I  4  :  60. 
Oersrhel-Strassburg.     I  4  :  36. 
Gerstraanns  Verl..  S.-Berlin.    IV  1 :  118. 
GeseniuB.  H. -Halle      IV  :2  :  la 
Gilhofer  &  Kanschburg-WIen.  16:178. 

3«!t. 
Girond-Nakel.     I  6  :  99. 
GOschensche  Verlagih.  0.  J.-Stuttgart. 

I  7  :  40,   44.    lU    3  :  6.    IV  6  :  162 ; 

7  :l-5;  9e  :  5. 
Goldscbmidt,  E.- Berlin.    16:53. 
Goldstein.  G.-Drosden.     IV  10  :  15. 
Oottlieb»  Verl..  M.-Wien.     15:172. 
Gräfe  &  Sillem-Hamburg.      I    6  :  323; 

6:127. 
Oraeser,    G„    Verlagsbuehh.- Wien.    I 

7:46/8,   97.     LV  1:6;   7:42;    10:70. 
Greiner  &  Pfeiffer-Stuttgart.    II  6  :  26; 

7:43.     IV  1:9;  9c  :  8. 

—  a  Cngehener-Ludwigsburg.  II 6 :  37. 
Grerel  6  Gie.  H.  London.     I  4  :  33. 
Gronau,  W  -Berlin.     IV  4  :  134.      . 
Groos.   Ch.  Th.- Karlsruhe.      I    4  :  76. 

in  5  :  1. 
Grotesche  Verlagsbuchb.,  O.-Berlin.   III 

1:3.    IV  1  :66/6;  9a  :  120;  10:32. 
Gtuenaueracbe   Buobd.-Bromberg.     IT 

9a  :  65. 
Orüning.  H.-Hamburg.    IV  6  :  205c. 
Grunow,   F.    W.-Leipzig.      I    5  :  449; 

6  :  41 :    8  :  .-59.     II  7  :  10.     III   4  :  28. 

IV  4:128;  6:226;  9e  :  100. 
Outhe-Bremen.     I  5  :  89.    IV  9e  :  85. 
Outsmann- Breslao.    I  6:220 

Haaek,  A.-Berlin.  IV  7  :  41,  71. 
Haase,  A.-Prag.  II  1:1:  2:3. 
Hacbette  *  Cle- Paris.    I    1:8,    36: 

5:40.      IV    1  :  78;    7:46;    9b :  8«: 

9d:6;  9e:56. 
Baerpfers  Buchh.,  F. -Prag.     IV   4  :  50. 
Haessel,  H.-Leipzig.    IV  3  :  143;  6  :  62. 
Hagensche  Hofbuebdr.  t.  B*den-Baden. 

I  5  :  226.     III  3  :  3. 
Hahnsehe  Buchh.-Hanncver.    1   5  :  87, 

415.     III  1 :  25. 
Handelsdr.,   MOnchener,   und  VerUgs- 

anslalt  M.  Poecal-M Bncben.    I  3 :  83. 


Handeiu  Verl.,  P.-Bobb-    I  6 :  183. 
Härder.  J.-All«na.    I  6  :  tt5- 
Bariek.  A.-Allenateia.    I  6:4»1. 
HarrMeowiix.  ü.-Leiptlff.    I  4 :  t5,  88. 

7», 
BarUekM.  A.-Wiea.  14:6.  IV  8: 186. 

181. 
Uart«BffeA*Terhg^r*K6ni«aberg  L  P. 

I  6  :  196.    nr  «  :  137a. 
Uaasetbrink.  E  -Kt.  Gallen.     IV  8: 14«. 
Haude  k  Spener-Beriin.     I   7:61.    IV 

7:61. 
Haynel.  W.-Imdea.    IV  4  :  166. 
lleWthBostoo.    IV  7:47:  10:86. 
Hnckenasis  Nachf..   O.  (B.  Dn4tl«f)> 

Pressbur.'.     IV   10  :  127;  12  ;  40. 
Heidemann  Herford.  1  3:10.   iV  7:40 
Heinrirh.  W.-Straaebmrg  LB.    I  4:78 
Heinriebshufene     VerL-Mafdeborg.     I 

5:316.     II  7:7. 
Heinsiua  Nachf..  lf.>Br«mea.   I  6  :  216. 
UoinxM.  P.  VarL-Draadea.  13:46. 
Heitx.  J.    H.   E.  -  Straatbarg   L   E.    I 

1:20;    6:186.366/6:   6:16«.    IV  4: 

23.    II  7  :  69,  70.  73/6. 
Halmirb«,  A.  Baehh -Bielefeld.    IV  I  : 
8,  14. 
Hendel.    0.  -  Hall*.         II    6:    14/8a: 

IV  6:68b:    11:6«. 
Hennig,  P.  *  Co.-B^riio.    IV  • :  186. 
Herbig.  F.  A.-Beriin.    I  7  :  90/1. 
Herdersche  Verlagah.-Preibarg  i.  B.    I 

6  :30,  76,  103.  164.  417.  486;  «  :  2S. 

U    1  :  10/2;  7  :  60.     Dl  2  :  881     IV 

«:88. 
Ueroldache  Bnrhh.-Hsaibarg.    I  6 :  886. 
Hertz,  W.  (Beaserache  Baehh  )-B«riia. 

I    1  :27;  7  :  1-2.     IV    I  :  106,  168 

3 :  140;  6 :  133;  9c :  19a;  9*  :  44.  71. 

10:  117;  11  :69. 
Beaaea.  M.  VerL-Uipiig.   I  6  :  296*. 
Hefsling  *  Spiebaeyer-BarUa.     IV  6  : 

13*. 
Heaaera,   J.   H.   Veri.-Nenwied.     I  6  : 

364.    IV  1  :  159. 
Uinrichsacbe   Bnckk.,  i.  a-L«ip>ig.    I 

4:53*-*. 

-  Ho  fbuehh.- Detmold.    I  6  :  339. 
Hinstorffi  Verl.,  C.  Danzig.   IV  1:231. 
Hirachfeld.  C.   L.-Leipsig.    I  6:434: 

6:  153. 
Hirt,  F.-BreaUu.    I  6  :  101*. 

-  F.  A  Sobn-L*ipxig.     I  8  :  66. 
Hirtbs  KnnatTeri..  G.-Manehaa.  I  3:62. 
Hirxel,  S.  •  Leipzig.     I  6  :  122;  8  :  4&a. 

47.    II  1:6.    IV  1  :  I.  53  4.  117:3: 

80;   6:200:   7:18:  9b:43;  9e:l8. 
Holder,    A.-Wiea.     I   8:70;   6:11«. 

192,208;    6:119;    7:49-61.      IV 

10 :  69. 
Hollrigl*  Baehh.,  B. •  Mlaelien.   IV  I  : 

26. 
Uoepli.  C.  -  MaiUnd.    I  4  :  7a,  8«. 

-  PI**.    I  3  :  73. 

Hoffmann  *  C*ap*  -  Haabarg.     IV  4 : 

161. 
Hofmann  *  Gie..   A.  -  Bcrlia.    16:8b. 

IV  1 :  I(H. 

-  Tb  -  Ger*.    11:71. 

Hof-  nnd  Staatndnick.  •  Wien.    I  1 :  66. 

Homann.  E.  -  KieL    II  6  :  81. 

Hopfer.  A.  -  Barg.    I  6  :  22. 

HotUagen  SehriflenTerL,  D.  B.-Stnaa- 
barg  i.  E.    16:6. 

Habet«  V*rL,  J.  -  FfaaaafaU.  H  4: 
18/4.  m  6:  18,  86.  IV  3:29;  •: 
28.  12«,  167a,  219:  9a :  62:  10  :  110. 

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Jineeke,  Gebr.  -  Hannover.    II  7  :  24. 
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Verlegerregister. 


27Ö 


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Jolowicz,  J.  -  Posen.    I  5  :  255. 
Jordans   Selbstyerl.,   W.  -  Frankfurt  a. 

M.    I  3  :  24,  106,  127,  157,  159;  III  1 : 

13,  38/9. 
Josephson  -  Upsala.    I  4  :  61. 
Issleib,  W.  -  Berlin.     13:52;    4:151. 
Jügels  Verl.,    C .- Frankfurt   a.   M.    II 

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Kaemmerer,    C.  A.  &  Co. -Halle.    I  8: 
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100. 
Kafemann,  A.    W.  -  Danzig.    IV  3  :  64, 

68-72. 
Kahle,  H.  -  Eisenach.    I  5  :  239  c. 
—  s  Verl.,  B.  -  Dessau.     I  4  :  69;   5  : 
12.     IV  1  :  116;  6  :  201. 
Kanter,  K.  -  Marienwerder.    I  9  :  17. 
Karaflat  &  Sohn  -Brunn.    IV  6  :  177. 
Karras  Veri.,  E.  -  Halle  a.  S.    I  8  :  44. 
Kaufmann,    J.  -  Frankfurt    a.    M.     IV 

4 :  123. 
Kaufmann,  6.  -  Leipzig.    III  5  :  35. 
Kay,  Th.  -  Kassel.    I  7  :  66. 
Keils,   E.  Naehf.  -  Leipzig.     IV  3  :  127 , 

134. 
Keiter,   H.  Selbstyerl.  -  Regensburg.    I 

1 :  65. 
Kell  -  Weissenfeis.    14:98. 
Keller,  H.- Frankfurt  a   M.     14:37. 
Kellerers  Hofbuchh.,  M.  -  München.  IV 

6  :  184. 
Kerber,  H.  -  Salzburg.    IV  4 :  199. 
Keins  Verl.,   J.    U.  -  Breslau.     IV   6: 

160. 
Kesselriugsche  Hofbuchh.,  Verl. -Leip- 
zig.   IV  1 :  18. 
Kiesler,  C.  -  Würzen.    1  7:87. 
Kirchheim,  F.  -  Mainz.    II  6 :  38. 
Kittel,  P.  -  Berlin.    IV  1  :  120. 
Klaunig,  G.  -  Cassel.    I  5  :  348. 
Klincksieck,  C.  -  Paris.    IV  3:1. 
Klinkhardt,    J.  -  Leipzig.      16:3.    IV 

4:179. 
Kloss,  C.  -  Hamburg.     I  6  :  112. 
Kluges  Verl.,  F.  -  Reval.    I  5  :  421. 
Knauer,  Gebr.  -  Frankfurt  a.  M.    IV  9  a : 

22,  58. 
Knoll  &  Wölbling  -  Berlin.    II  4  :  33. 
Koch,  W.  -  Königsberg  i.  P.    I  4:56  a. 
Koebner,    W.  -  Breslau.     I    3  :  35.     III 

4:31. 
Köhler  -  Wien.    I  4 :  47. 
Kohlhammer,   W.  -  Stuttgart.     I  4  :  77 ; 

5  :  380.     IV  5 :  52,  75. 
Konegen,   K.  -  Wien.    13:63;    4:148. 
IV  4:113,  166;  9.c:13;  9d:16;  9e: 
40,  63,  78.  ' 

Krabbe,  C.  -  Stuttgart.    IV  3:133;  9b: 

34:  10:  7. 
Kreuschraer,  G.  -  Bunzlau.    II  6  :  23  a. 
Kupferberg,  F.  -  Mainz.    II  6  :  54. 
Kümmels  Verl.,  N.-Riga.    I  5:377. 


Lang,  J.-Tauberbischofsheim.   IV  8:9. 

LangenscheidtscheVerlagsbuchh.  -  Ber- 
lin.   19:4. 

Langguths  Bnchh.,  W.- Esslingen.  IV 
3  :  221. 

Latendorf,  C.  -  Poessneck.    IV  4  :  101. 

Lauppsche  Buchh.  -  Tübingen.  III  2  ;  13. 
IV  11  :  69-71,  78,  80,  88. 


Lehmannsohe  Buchh.,   Dr.  B.  -  Danzig. 

I  5  :  819. 

—  Verl.,  J.  F.  -  München.  I  5  :  78,  454. 
Leibold  -  Ettenheim.   I  6  :  188. 
Leiner,  0.  -  Leipzig.    I  6  :  193. 
Le  Monniers  Nachf.-Florenz.  IV  9d  :  7; 

96:58,    104;    10:42,    58,    60,    121; 

12  :  26. 
Leuschner  &Lnbensky  -  Graz.  I  3 :  40/2. 
L6vy,    C.  -  Paris.     11:6,    10/2.     IV 

1  :  162. 
Liebau,  H.  -  Berlin.    IV  3  :  41. 
Liebeskind.  A.  G.  -  Leipzig.   IV  3:128; 

4 :  192. 
Libr.  acad.  Didier  -  Pari^^.   11:2,  7,  14. 
Liesecke  -  Osnabrück.    I  6  :  203. 
Lindauersche  Buchh.  J.  (Schöpping)  - 

München.      IV  3  :  130. 
Lindners     Buchh.    Antiq.  -  Strassburg. 

I  7  :  89. 
Lintzsche  Buchh.,    F.  -  Trier.    14:1. 
Lipperheide,  F.  -  Berlin.    I  5  :  122. 
Lipsius    &    Tischer  -  Kiel.    I   3  :  130a, 

184,  187;  5:431.    IV  1  :  203;  3:  121; 

4  :  138. 
Löseher  &  Cie.  -  Rom.    I  3  :  58. 
Loescher  &  Seeber  -  Florenz.   IV  9e :  34. 
Loewe,  F.  -  Stuttgart.    IV  1  :  13;  3  :  62. 
Longmans,  Green  &  Co.  -  London.    IV 

9b  :  42. 
Lucas,  F.  -  Elberfeld.     I  6  :  18. 
Luckhardt,  F.  -  Beriin.    IV  4  :  135. 
Lüdin,  Gebr.  -  Liestal.    I  6  :  39. 
Lüstenöder,    H.  -  BorUn.     15:8,  290, 

307. 
LUtcke  &  Wulff  -  Hamburg.    I  6  :  118- 


Maaschs  Verl.,  C.  -  Pilsen.    I  6  :  206. 
Macklotsche     Buchh.   -  Karlsruhe.      I 

1  :  62 ;  5  :  70b. 
Macmillan  and  Cie.  -  London.  I  3  :  134; 

4:56b;  5:  107b.     II  6  :  94. 

New-York.    I  8  :  40.    IV  9e  :  102; 

10  :  114. 
Maisonneure  J.-  Paris.    I  3  :  59;  5  :  184. 
Manzsche  Hofbuchh.  -  Wien.    I  6  :  129. 
.    II  7  :  19. 
Manz   &   Lange  -  Hannover-Linden.    I 

2:  6/7;  5:336;  8:65.     IV  6  :  112. 
Marietti  -  Trento.    I  4  :  31. 
Marowsky,  C.  -  Minden.     16:5. 
Mayer  &  Müller  -  Berlin.     18:4.    IV 

6  :  100;  9a:  111;  9e  :  83. 
Meck,  W.  -  Konstanz.    IV  3  :  184. 
Meissners  Veri  ,  0.  -  Hamburg.    I  7  :  69 

-70. 
Metzlersehe  Verlagsbuchh.,  J.  B.  -  Stutt- 
gart.   I  5  :  145.    IV  1  :  230. 
Meyer,  C.  -  Hannover.  I  5 :  450 ;  6  : 1-2, 

13.    II  7  :  5. 

-  sehe  Hofbuchh.  -  Detmold.   14:92. 
Michels,  H.  -  Düsseldorf.    I  7  :  67. 
Minden,  H.  -  Dresden.     IV  3  :  132. 
Mirau,  L6on  -  Buenos- Ayres.     I  1 :  40. 
Mittler  &  Sohn,  E.  S.  -  Beriin.  I  5  :  316. 

IV  1  :  79,  138,  144. 
Mohr,  J.  C.  B.  -  Freiburg  i.  B.    16: 163. 
II  7  :  1.     IV  1  :  47;  6:  101a. 

-  W.  -  Wiesbaden.    I  6  :  26. 
Moquet,  Vve.  -  Bordeaux.    I  4  :  165. 
Mühlmanns  Veri.,  R.  -  Halle  a.  S.  1 3 :44: 

7:88. 
Müller,  A.  -  Danzig.    15:4. 

-  C.  E.  -  Bremen.    II  7  :  40. 

-  G.  W.  F.  -  Beriin.   I  1  :  43;  7  :  98/4. 

-  H.  W. -Berlin.    IV  IJ:  16. 
Münchow,  C.   V.  -  Giessen.     I   5  :  466. 

IV  6 :  38d. 
Mutze,  0.  -  Leipzig.    IV  7  :  76. 


Naumann,  H.  J.  -  Dresden.    II  6  : 2. 


Neumann,  A.  -  Leipzig.    I   5  :  214.    IV 

1  :  10. 

—  H.  -  Erfurt.    IV  9e  :  46. 
Niccolai  -  Florenz.   11:54.    IV  1  :  33; 

4:64. 
Nicolaische    Verlagsb.     (R.   Stricker)- 

Berlin.    I  2:13;  4:125;  5:227,  283; 

7:43. 
Niemeyer,  G.  W.- Hamburg.    I  6:46. 
-  M.  Halle  a.  S.    II  3  :  14,  22;  4  :  40; 

6:13,   16,   26,  60,  69-70;    7:32,  35, 

47.     III   2  :  25 ;  4  :  27. 
Nissensohn  -  Hamburg.    I  3 :  133. 
Nörten  -  Hannover.    I  3  :  135. 
Noirdel,  J.  -  Strassburg  i.  E.    15:  378. 
Nutt,  D.  -  London.   I  5  :  186.  IV  9c :  31. 
Nydegger  &  Baumgart  -  Bern.  I  5  :  376. 


Oehlmann,  F.  -  Dresden.    IV  7  :  60. 
Oehmigkes  Verl.,  L.  -  Berlin.    I  5 :  308; 

«:  173;    7  :  86.    IV   4  :  69;    6  :  39; 

7  :  34 ;  10  :  94. 
Oertel,  L.  -  Hannover.    IV  4  :  222. 
Oldenbourg,  R.-Münehen.    I  6  :  14.  IV 

6  :  135. 
Opetz,  W.  -Leipzig.  IV  3  :  12;  10:132. 
Ost,  L.  -  Hannover.    IV  1:6. 


Paetel,   Gebr.  -  Beriin.     IV     1:17,   97, 

196;  4:125;  6:27. 
—  H.  -  Beriin.    I  5 :  279. 
Pammer  -  Krems.    I  4  :  95. 
Percival  &  Cie.  -  London.   I  1:15. 
Perthes,  F.  A.  -  Gotha.    12:9;   5 :  96, 

320,    353,    429.    116:96;    7:21,    30, 

41.    IV  6:107;  8:13;  11:28. 
Pfau,  K.  F.  -  Leipzig.    IV  6  :  205. 
PfeilstUcker,  F.  -  Beriin.    I  5  :  25. 
Picard  -  Paris.     I  4  :  42,  101. 
Piersons  Verl.,  E  -Dresden.    I  3:94, 

179,  260;  5  :  435.    II  6  :  95.    IV  4  : 1. 
Plön,  Nourrit  &  Co.  -  Paris.    15:  390. 
Pohls  Verl.,  E.  -  München.    I  7:11. 
Pont-Saint-Laurent  -  Paris-Verviers.   I 

3:60. 
Prell  Naehf.,  C.  F.  -  Luzem.    I  5  :  373. 
Preuss,  J.  A.  -  Zürich.    I  5  :  53. 
Prochaskas    Verl.,     C.  -  Teschen.     IV 

3  :  100/1. 
Putmans    Sons  -  New-York.     I    6  :  17. 

IV  9b  :  31. 


Radetz  ki.  Gebr.  -  Berlin.    I  5 :  293. 

Ramm  &  Seemann  -Leipzig.  IV4:100. 

Bauert  &  Rocco  -  Leipsig.    I    5  :  458. 

Rauneokers  Buchh.,  A.  -  Klagenfurt.  I 
5  :  370. 

Reclam,  Ph.  jan.  -  Leipzig.  I  3  :  20, 
65;  5:  314;  6:37;  9  :  2.  IV  4:121, 
208—10,     213,   227;     6:61;    7:75; 

10  :  17,  38. 
Begierungsbuchdr.  -  Stralsund.  16:  213. 
Rehtwisch  &  Seeler  -  Beriin.  I  3  :  233. 
Reich,  R.  -  Basel.    I  6  :  8a.  IV  9a  :  92. 
ReifF,  J.  J.  -  Karisrnhe.    IV  1  :  222. 
Reimer,    G.  -  Beriin.      I    2  :  30.      IV, 

4  :  108;  6:  124;  11  :  6/7. 
Reinecke,  A.  -  Berlin.    I  6 :  452. 
Reisewitz,     A.  -  Leipzig      (jetzt      R. 

Eiseuschmidt  -  Berlin.)    I  3  :  46. 
Reisland,    0.    R.  -  Leipzig.      I    6  :  3a. 

11  6  :  36.    III    1  :  14. 
Reiss,  P.  -  Worms     I  1  :  24. 
Reissner,  C.  -  Leipcig.    I  5  :  14, 
Rengersche    Buchh.  -  Leipzig.    18:3. 

IV  1  :  103,  119. 
Renthers  Verlagsbuchh.,  H.  -  Berlin.   I 
7:57—60.    IV  6  :  117;  8  :  15;  »d:3; 
9e    23,  63. 


271 


Verlegerregißter. 


Richter,    H.  -  OaToo.  I  6  :  889;  7  :  19. 

III  4  :  36. 

—  R.  -  Leipiig.  I  6  :  17,  1«,  24,  128. 
II  4:  15.  III  3  :4;  6:12/1;  IV  «: 
211/3. 

Riokemehc  Buchh.,   J.  Verl.  -  Oieuen. 

I  8:  14. 
BiegeracbeUDiT.-Buehh.,  M.  -  MBncben. 

IV  7  :  23. 

—  Vorlagsbuclib.  -  Stattgkrt.  IV 
12:  i'l. 

KiTsra    &    DuboiM,     Iinpr.  -  Oonf.       II 

7:84. 
Roetbes  Bnchdr.  n.  Vorl.,  O.'Grtudeni. 

I  8:8. 
Romen^cbe  Bucbh.   -  Emmerich.     I  .'>  : 

:t81. 
Rogenbaum      &      Hart   -   Kerlin.        I 

9  :  10. 
Rotland  -  Paris.     I  6  :  185. 
Kouveyre  -  Paris.    I  4  :  46^6,  1.54. 
Rudolpliiscbe     Buchh.  -  Hamburg.     IV 

3 :  18;». 
Ruef  -  Antwerpon.     I  4  :  2ßa. 

SallmayoiBcbe  Buchh.  -  Wien.    I  4  :  59. 
Sauerlaeiidor,  TL  K.  Ss  Cie.  -  Aarau    lU 

1  :  11.     IV  3:  54. 
Suhachoiiraayer,  T.  A.  -  Bad  Eissingon. 

IV  6  :  130. 
Scbauenburg.  M.  -  Lahr.    I  7  :  84.    IV 

6:4,  10;  öd  :  22. 
Sobeoks  Verl.    (jetzt  F.  Haoke}-Jena. 

I  6:    7Ö. 

Scherz,  M.  -  Schwelm.     I  6:  211. 
Scbeurleus   Verl.,    A.  -  lleilbronn^    IV 

6:6, 
Scbloessmann,  0.  -  <  iotha.     I  I  :  US. 
Schmid,  Francke  &  Cie.  -  Bern.  15:374. 

IV  7  :  72. 
Schmidt,    C.    F.  -  Sirassburg  i.  E.      I 

4:7;   6:4;  7:72. 

—  0.,- Leipzig.    IV  7  :  37. 

—  i:  Klaunig  -  Kiel.    I  4: 139. 
Sohmitzdorff,  H.  -  St.  Petersburg.      IV 

»e  :  106. 
Schöllberg,  M.  -  Slawik.     IV  10:  129. 
Schöningh,      F. -MUnster     i.     W.      I 

4 :  58. 

—  F.  -  Paderborn.     I    1  :  67;    6 :  150 ; 
6:8,  20,  36;  7  :52,'6,  79,  82:   8:57. 
IV  1  : 99;  3:  170/1;   7:68,  70;9J:2;  ' 
9e:62;   10:  81,  115;  12:3. 

Schonberg- Kopenhagen.     116:92. 

Schon  -  Kopenhagen     IV  9e  :  27. 

Schräg,  J.  L.  -  Nürnberg.     I  5  :  366. 

Schriftenvertriebsanstalt  -  Weimar.    IV 

.3:56. 

Schulbuclihandl.- Langensalza.  I  6:261; 

6  :  30/2. 
Schultbecs,  F.  -  ZUrich.  I  7  :  80. 
Schnitzes  Verl,  Wilh.- Berlin.  I  7:73. 

II  6  :-*2. 

Schulze,  Otto  -  Leipzig.    lY  6  :  47. 

—  sehe  Buchhandl.  -  Celle.  I 
5  :  336a. 

—  Hofbuchhandl.  -  Oldenburg.  1 3 :  170, 
172;  5:32». 

Schumann,  A.  -  Leipzig.     IV  8 :  17. 

Schwabes  Verl.,  B.  -  Basel.     I  6 :  27. 

Schwan,  0.,  Selbstrerl.  -  Binan  a.  N. 
I  6 :  60. 

Schwetscbke,  C.  A.  A  Sohn  •  Braun- 
schweig.   II  6:3. 

Scribner  -  New-York.   11:39.' 

Seemann,  A.  -  Leipzig.     IV  9b:  63. 

Senf,  M.  -  Wittenberg     II  6  :  50. 

Settekom  -  Wriezen.     16:216. 

Siebert,  A.  -  Heidelberg.    I  5:  210. 

Sieling  -  Naumburg.     I  5  :  298. 

Simacek  -  Prag.    lY  9e  :  105. 

Sittlichkeitsvereine  -  Berlin.     I  3:237. 

Sluttko,  A.  -  Berlin.  W.   IV  4  :  68. 


BoldanMhe   Uofbachh.  •  NOmberg.    IV 

1:100. 
SplUns   Yerin  D. -Nordtn.    I  6:242: 

IV  1 :  8S. 
BonaMteheln    t    Co.  •  London.        I  \ 

9b:  87. 
Sooiogoo  -  Mailand.    IT  9b :  80 
Sorgoacbe    Buehbandl.  -  Otftoro«!«.       I 

0 :  204. 
Hpamer.  0.  -  Leipzig.    IV  1:62. 
Spemann,  W.  -  Berlin.    IV  6 :  15«. 
Spohr.  M.  -  Leipzig.   I  3  :  67.  IV  I  :  16; 

6  :  38b. 
Springer,  J.  -  Borlin.    I  5 :  189. 
Staholiiche    k.  Hof-  u.  Uiil*er«.-Buch- 

handl.  -  Warzburg.      I    6:41«.      IV 

4:217. 
Stahl   aen.,   E.  -  Manchen.      I   5:867. 

II  7 :  12. 
Stalling,  0.  -  Oldenbnrg.      I  6 :  328. 
StM-gardt,  J.  If.-Berlin.  13: 180; 6:86. 

II  3:40;  6:21.     IV  9b  :  107. 
Steinitz,  Verl.,  H.     Berlin.  IV  1:98 
Stepbanus,  H.  •  Trier.     IV  9e  :  61. 
Stokes,  F.  A.  -  New-York.    IV  9e  :  103 
Stollberg,  F.  -  Mersobnrg.  I  6  :  200. 
Stott-Londnn.    IV  9d  :  19. 
Straaaburger  Uruck-  n.  VerlagRan>.talt- 

Strmssburg.     II  7:76.     IV  1  :  189. 
Slrauss  Verl.,  E.  -  Bonn.    I  5  :  443. 
Strien,  E.  -Halle.     IV  6  :  38e. 
Stampf,  A.  -  Dochnm.  I  5  :  331. 
„Styria»,  Verl. -Graz.     IV  6:217. 

Tempsky,  F.  -  Wien.  II  3:42. 
Teubner,    B.     G.  -  Leipzig.     I    6:192; 
7:9,    25-34,    85,    99-100;    8:11/2. 

II  4:22;    6:5.     IV    1:11;    8:48/4; 
9d:l:  9e:54;  10:92,  102. 

—  F. -Köln  a.  Rh.     IV  6:92. 
Theissingsche  Bucbb.  -  UBniter  i.  W. 

III  1 : 6. 

Thienemann,  E.  F.  -  Goth*.    I    3:143; 

5:286;  6:  16.     III  1:16. 
Tipogr.  Ciaudiana  -  Florenz.    II  6  :  40. 
Titze.  A.  -  Leipzig.     IV  3  :  174. 
Tranmtlller,  W.  -  Oppenheim.     I  66 :  I. 
Trautretter.  H.  L.  r.  -  Berlin.    I  8 :  138. 

IV  3  :  3. 

Trenkle,  C.  H.  -  Rothenbnrg.  IV  4:186. 
Treuttel  «  Wnrtz-Strasiburg.  11  7:78. 
Trewpndt,  E.  -  Breslau.    IV    1:2,    87; 

6:138 
Trowitzsch  &  Sohn  -  Frankfurt  a.  0.    I 

4:94:  5:90.     IV  10:47. 
Trflbner,    K.   J.  -  Straasburg    i.  E.      I 

6:104,  107;  8:6,  24. 

UbI.  G.  -  Leipzig.    I  6  :  176. 

Union,  Deutsche  VeriagsgM.-Stiittgart. 

I  5:18.     II  4:3;  6:  8a.     IV  1  :  10«; 

3:36;    4:96;     7:9.    13;     9n:119; 

11:64.  • 

United   State«    Book  Co.  -  New -York. 

I  4 :  67. 
Unirersitltsbuchbandl.  -  KioL  1 1^  l«5iu 

Vahlen.  F.  -  Berlin.     I  6  :  30«  a. 
Vanbuggenhoudt  -  BrOsseU    I  4 :  «4. 
Yandenhoeok   6    Rnpreeht  -  QOttingen. 

14:144/6.     116:27/8;  7:39,  64,  94. 

IV  1  :  96. 
Veit  *  Cie.  -  Leipzig.    IV  6  :  36. 
Velhagen  t  Klasing  -  Bielefeld.    I  1  :  42 ; 

7:.'»6-.S9,   41,   9«;    8:26.     1113:2. 

IV  1  :  "20,  51,64;  8:99;  6:202;  8:7. 

16;  «c:  7. 
Verein,    Allgem.    fVr     deataehe    Litt.- 

Berlin.    1 1 :  18;  3:  76,  111,  116,  109: 

6 :  102.    lY  1  :  60;  3  :  122. 

—  Deutscher -Prag.    I  5:81,  93. 
Vereinsbnchhandl.  -  Innsbmck.  I  6  :  886. 

—  Ealw  nnd  Stuttgart    U  0  :  9. 


Verl  d.  Akad.  VonaUbafU  -  MImImb.  I 
«:I66. 

—  d.    ebrisU.    ZoitMhrifUn-VonlM- 
Berlin.     IV  1:224. 

—  d.   daatMhen    HutMttvumM^itumg- 
Borlin.     I  6:30. 

—  d.  „Vorwlrtr-- Boriim    IV  «:S04s 
12:41. 

~  NorddonlselMr -  BMlin.  I  1:63. 
VarlagaanaUlt,  DoatMho  -  Stattfwt. 
I6:43«b.  IV  8:78.  n.  IM;  4:16; 
9a:5i,  9tk.  12a/8n:  »b:8«/7.  90; 
Oe:  12;  9«: 8.  «•.7a,M-W.»4, 10». 
124    IM:  10:41:  11:8. 

—  NorddaotMh«,0.0o«4«l  -  Hnanovor 
17:96. 

—  ?ora.   0.    J.    Mau  -  Bogmabwf 
IV  1:227:  «  :  11». 

—  n     Drack.,    SchlM.  -  RrMiM.     IV 
«:20a:  »a:21. 

A -O.  - Hambarg     I  3:«4,  190; 

6:5,  7.  21.    100,    110.   »47.  871.     IV 

3:173.  176/0.  179-Hü:  6:74;  «:»6. 
VerUgtbaus,   Denlsehea,    Bong  k  C«.- 

Berlin.    IV  12:20. 
Verl»gBinslitat.8BddeuUebeB-St«Ucirt. 

I  6:368. 
Viewef .     Ch.    f.  -  BUnkenbnrf.        I 

5:885. 

—  *  Sohn.  F.-Bmaas«h«oig.  1 6 :  Ail. 
IV  1  :  202 ;  6 :  16V. 

Visentini-Venediff.    IV  10:4.1. 
Voigtlaenders    VerL.     E.  -  Leipzig.       I 

5:20. 
Voss.  L.  -  Uanbnrg.  I  3 :  12, 14> ; « : M, 

226.   III  4:16a,  82:   IV  6:«8;  «rW; 

Ua:73;  9e:7,  I«. 

Wagner.ebe  UniT.-Bnehhandl.,  F.-Inna- 

brack.    I  6  :  -236.     IV  1 :  100. 
Waltber.  H.-B«rlin.  I  1 :61.  IV  9a:  117. 

—  *   Apolant  -  Beriin.       I    3  :  S2S; 
0 :  186 ;  8  :  68. 

Wartiga  Verl..   B.-L«jpzig.    IV  7:46; 

9e:43;  10:46,  106. 
Waltonbacb.  G.  -  Striegaa.    I  6  :  107  «. 
Weber,   J.    J.  -  Leipzig.    1    6:49.     IV 

4:119;  10:14. 
Wegera    Buobbandl.,    A.  -  Brisen.       I 

6:74,  144. 
Weidmanni>che   Bncbhaadl.  -  Bortte.     I 

1 :  34,  45 ;  3  :  151 ;  7  :  4-6. 14.  «3,  08. 

IV  0:143;  8:12;  9e:0;  10:87,  10». 
Waigel  Nachr.,  T.  0.  •  Lnipzig.  1 4 :  64«. 

IV  0 :  144. 
Weindel  -  PfontiaiB.    I  « :  205. 
Weisert,  0.  -  Stnttgari    IV  1 :  101. 
Weias'  VfrU  O.  •  Heidelberg.  ,1  6  :  887. 
Weissbacb,  H.  -  Weimar.    14:3». 
Werthws  VarL.  W. - HMtook.     I  «:«. 
Wontermann ,    0.  -  Brauaekwaig .      IT 

»a :  78. 
Wiegandt  *  GriobMi  -  Borlin.     I  1 :  83; 

3:7-8.    IV  1:»6. 
WieprMht-Alzey.    I  0:182. 
Wigand,   G.- Leipzig.     I  7:78;  8: «7. 

IV  4 :  182. 

-<>.  H.-Kaaa«L    I  7:82.  IT  10:44. 
Wildaer-Sprottan.    10:212. 
WUlemt-PottSsin  •  Arlon.    I  5:233. 
Winters      UniTeraiUU  -  Bnehh..      C- 

Hoidolborg.    IV  1:61;  «:36;   10:8. 
Wiskott,  C.  T.  -  BrMUn.    IV  1 :  «8. 
Wittjcbscbe  Hofbiiobdrack..  L.&-I>arM- 

sUdt      I  4  :  80. 
Woerl.  L.  -  Wien.    lY9b:88. 
Wollemiaan,H.-Braanachw»ig.  II  «:W. 
Wys«,  K.  J.-B«m.    I  4:  14».   112:30. 

Zangonborg  A  HiBly-Loiptig.  16:436«. 
Ziekfeldt.  A.  W.  -  Oat«rwi«ck.    11:6* 

5:884. 
Zimmer,  V.  -  Brealan.    IV  So :  48. 
Zwissler,   J.  -  WolfenbBtt«!.     I   4  :'  40 

0  :  170. 


Siglenregfister. 


a)  Siglen  für  einzelne  Zeitschriften. 


AAALA.  Atti  della  r.  Accademia  di  Archeologia, 

Lettere  e  belle  Arti 
Ac.  The  Academy 

ADA.  Ajizeiger  d.  Zeitschrift  für  Deutsches 
Alterthum 

ADB.  Allgemeine  Deutsche  Biographie. 
AELKZ.    Allgemeine  Evangelisch-Luth.  Kir- 
chen-Zeitung 

ADLZg.  Allgemeine  Deutsche  Lehrerzeitung 
AltprMschr.  Altpreussische  Monatsschrift 
AnnELScPol.     Annales    de    l'^cole    libre   des 

Sciences  politiques 
AnzSchwG.  Anzeiger  für  Schweiz.  Geschichte 
AÖG,    Archiv  für  Österreichische  Geschichte 
ASNS.    Archiv   für    d.  Studium  der  neueren 

Sprachen 
ASTP.    Archivio   per    lo   Studio  delle  Tradi- 

tioni  Popolari 
Ath.    The  Athenaeum 
AZgB.    Beilage  d.  Allgemeinen  Zeitung 

BBG.  Blätter  für  d.  Bayrische  Gymnasial- 
schulwesen 

BBSW.  Besondere  Beilage  d.  Staatsanzeigers 
für  Württemberg 

BFDH.  Berichte  d.  Freien  Deutschen  Hoch- 
stifts 

BGDS.  Beiträge  z.  Geschichte  d.  Deutschen 
Sprache 

BHLPFr.  Bulletins  Historiques  et  Litteraires 
de  la  Soci6t6  du  Protestantisme  Fran9ais 

BKELK.  Beiträge  z.  Kunde  Esth-,  Liv-  und 
Kurlands 

BLU.  Blätter  für  Litterarische  Unterhaltung 

BPh  WS.  Berliner  Philologische  Wochenschrift 

BUE.S,  Bibliothfeque  Universelle  et  Revue 
Suisse 

BWKG.  Blätter  für  Württembergische  Kirchen- 
geschichte 

CBlBibl.    Centralblatt  für  Bibliothekswesen 
ChrJGImpr.    Chronique  du  Journal  g6n6ral  de 

rimprimerie  et  de  la  Librairie 
ChWGV.    Chronik  d.  Wiener  Goethe-Vereins 
COIE.W.    Centralorgan    für    d.  Interessen   d 

B.ealschulwesens 

DBllEU.  Deutsche  Blätter  für  Erziehung  u. 
Unterricht 

DEBU,   Deutsch-Evangelische  Blätter 

Didask.  Didaskalia  (Beiblatt  z.  Frankfurter 
Journal) 

DEKZ.   Deutsche  Evang. -Kirchen zeitung 

DLD.    Deiitsche  Litteraturdenkmale 

DLZ.    Deutsche  Litteraturzeitung 

DNL     Deutsche  Nationallitteratur 

DR.    Deutsche  Revue 

DRs    Deutsche  Rundschau 

DWBl.    Deutsches  Wochenblatt 

DZG.  Deutsche  Zeitschrift  für  d.  Geschichts- 
wissenschaft 

EKZ.    Evangelische  Kirchen-Zeitung 

FBPG.  Forschungen  z.  Brandenburgischen 
u.  Preussischen  Geschichte 


FrB.    Freie  Bühne  für  modernes  Leben 
FZg.    Frankfurter  Zeitung 

GJb.    Goethe-Jahrbuch 
GGA.    Göttingische  Gelehrte  Anzeigen 
GFr.  Geschichtsfreund  (Mitteilungen  d.  Histo- 
rischen Vereins  d.  5  Orte) 

HJb.    Historisches  Jahrbuch  (Grauert) 
HPBll.    Historisch-Politische  Blätter 
HTB.    Historisches  Taschenbuch 
HTD.    Historisk  Tidsskrift  (Dansk) 
HZ.    Historische  Zeitschrift  (v.  Sybel) 

HlZg.    Illustrierte  Zeitung 

JSav    Journal  des  Savants 

JBG.  Jahresberichte  d.  Geschichtswissen- 
schaft 

JBGPh.  Jahresbericht  über  Germanische 
Philologie 

JBHSW.  Jahresbericht  für  d.  höhere  Schul- 
wesen 

JBL.  Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Lit- 
terat Urgeschichte 

JbSAK.  Jahrbuch  d.  kunsthistorischen  Samm- 
lungen d.  Allerhöchsten  Kaiserhauses 

JGGPÖ.  Jahrbuch  d.  Gesellschalt  für  Ge- 
schichte d.  Protestantismus  in  Oesterreich 

JNS.  Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und 
Statistik 

KBIGRW.  Korrespondenzblatt  für  d.  Ge- 
lehrten- u.  Realschulen  Württembergs 

KBIWZ.  Korrespondenzblatt d.  Westdeutschen 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst 

KM.    Kirchliche  Monatsschrift 

KunstUZ.    D.  Kunst  unserer  Zeit 

Kw.    Kunstwart 

KZg.    Kölnische  Zeitung 

KZEU.  Katholische  Zeitschrift  für  Erziehung 
und  Unterricht 

LBlGRPh.    Litter aturblatt   für    Germanische 

u.  Romanische  Philologie 
LCBl.    Litterarisches  Centralblatt 
L&K.    Literatur  og  Kritik 
LZgB.   Wissenschaftliche  Beilage  d.  Leipziger 

Zeitung 

MD.    Moderne  Dichtung 

MGESchG.  Mitteilungen  d.  Gesellschaft  für 
deutsche    Erziehungs-    n.    Schul goschichte 

MGNM.  Mitteilungen  aus  d.  Germanischen 
Nationalmuseum 

MHL.  Mitteilungen  aus  d.  Historischen  Lit- 
teratur 

MIÖG.  Mitteilungen  d.  Instituts  für  öster- 
reichische Geschichtsforschung 

ML.  Magazin  für  Litteratur  d.  In-  und 
Auslandes 

MLN.    Modern  Language  Notes 

MNLGAU.  Mitteilungen  d.  Niederlausitzer 
Gesellschaft  für  Anthropologie  u.  Urge- 
schichte 


278 


SiglenregiRter. 


MNEKE.  Mitteilungen  u.  Nachrichten  för  d. 
Evangolischo  Kirche  in  Rnssland 

MVGDB.  Mittoilunffen  d.  Vereins  t!ir  Ge- 
schichte d.  Deutschen  in  Böhmen 

NAnt.     Nuova  Antolo^ia 

NationU.    Nation  (Berlin) 

NütionNY.   Nation  (New- York) 

NFPr    Neue  Freie  Presse 

NHJbb.     Neue  Heidelberger  Jahrbücher 

NKZ.    Neue  Kirchliche  Zeitschrift 

N&S;    Nord  u.  Süd 

NYCritic.    Now-York-Critic 

NZg.    Nationalzeitung 

ÖLBl.     Österreichisches  Litteraturblatt 
ÖIJR.    Öesterreichisch-Ungarische  Revuo 

PKZ.    Protestantische  Kirchenzeitung 
PrJbb.    Preussische  Jahrbücher 

QF.    Quellen    u.  Forschungen    z.   Sprach-   u. 

Culturgeschichte  d.  germanischen  Völker 
QR.    Quarterley  Review 

RB.    Revue  Bleue 

RCr.  Revue  Critique  d'histoiro  et  de  litt6- 
rature 

RDM.    Revue  des  deux  Mondes 

RepKunstw.  Repertoriam  der  Kunstwissen- 
schaft 

RESS.  Revue  de  l'Enseignement  Secondaire 
et  Sup^rieure 

RH.    Revue  Historique 

RbBUEU.  Rheinische  Blätter  für  Erziehung 
u.  Unterricht 

RiCrLI.  Rivista  Critica  della  Letteratura 
Italiana 

RIE.  Revue  Internationale  de  l'Enseignement 

RPL.  Revue  Politique  et  Litt^raire 

RQChrA  Römische  Quartalschrift  für  Christ- 
liches Altertum  und  Kunst 

RTP.     Revue  des  Traditions  Populaires 

RThPh.  Revue  de  Theologie  et  de  Philo- 
sophio 

SchlZg.     Schlesische  Zeitung 

SchwäbKron.    Schwäbische   Kronik    (Beiblatt 

z.  Schwab.  Merkur) 
SammlorB.    D.  Sammler  (Berlin) 
Sammler^     D.  Sammler  (Tägliche  Beilage  d. 

Augsburgor  Abendzeitung) 
StMBCO.     Studien    u.    Mitteilungen     aus    d. 

Benediktiner-  u.  d.  Cistercienser-Orden 
StMJi.    Stimmen  aus  Maria  Laach 


TglBsB.    Unterhaltungsbeilage   d.    Täglichen 

Rundschau  (Hnrlm) 
ThJB.    Theologischer  Jahresbericht 
ThLBl.    Theologisches  Litteraturblatt 
ThLZ.     Theologische  Littoraturznitong 
ThQ.    Theologische  Qaartalschrift. 
ThStK.    Theologische  Stadien  n.  Kritiken 
ThZSchw.    Theologische  Zeitschrift  aas  der 

Schweiz 
TNTLK.      Tijdschrift    voor     Nederlandtehe 
'  Taal-en  Letterkunde. 

ÜB.    Universal-Bibliothek. 
ÜB&T     Über  Berg  u.  Thal. 
ÜLAM.    Über  Land  a.  Meer 
UZ.    Unsere  Zeit 

VVPK.  Viorteljahrschrift  für  Volkswirtschaft, 

Politik  u.  Kulturgeschichte 
VLG.  Vierteljahrschrift  f.  Litteratargeschichte 

WIDM.  Westermanns  Illastrirte  Deutsche 
Monatshefte 

WSKPh.  Wochenschrift  filr  Klassische  Phi- 
lologie 

WZ.  Westdeutsche  Zeitschrift  ftir  Geschichte 
u.  Kunst 

ZADSprV.      Zeitschrift      des      Allgemeinen 

Deutschen  Sprachvereins 
ZBK.    Zeitschrift  ftlr  Bildende  Kunst 
ZDA.    Zeitschrift  für  Deatsches  Ahertham 
ZDKG.     Zeitschrift    für    Deutsche    Kultur- 
geschichte 
ZDMG.     Zeitschrift    d.    Deutschen    Morgen- 
ländischen Gesellschafl 
ZDPh.    Zeil  Schrift  für  Deutsche  Philologie 
ZDS.   Zeitschrift  tür  Deutsche  Sprache 
ZDU.  Zeitschrift  für  d.  Deutschen  Unterricht 
Zeitgeist.     D.    Zeitgeist  (Montagsbeilage    z. 

Berliner  Tageblatt) 
ZFSL.  Zeitschrift  für  neufranzösische  Sprache 

u.  Litteratur 
ZGORh.  Zeitschrift  für  d.  Geschichte  d.  Ober- 
rheins 
ZKG.     Zeitschrift  für  Kirchengeschichte 
ZKWL.     Zeitschrift  tür  kirchliche  Wissen- 
schaft u    kirchliches  Leben 
ZOG.  Zeitschrift  für  d.  Osterreichischen  Gym- 
nasien 
ZPTh.    Zeitschrift  ftir  Praktische  Theologie 
ZVK.     Zeitschrift  für  Volkskunde 
ZVLR.  Zeitschrift  für  Vergleichende  Littera- 

turgeschichto  u.  Renaissance-Litteratur 
ZWTh.      Zeitschrift     für     wissenschaftliche 
Theologie. 


h)  Abkttrzung  sur  Bezeichnang  der  übrigen  Zeitschriften. 


A.  Archiv,  Archives,  Arkiv.  —  AbhAk.  Ab- 
handlungen d.  Akademie  (d.  Wissenschaften). 
—  Alm.  Almanach.  —  Ann.  Annalen,  An- 
nales. —  Ant.  Antiquarisch.  —  Ans.  An- 
zeiger. —  AV.  Altertumsverein. 

B.  Beiträge.  —  BBl.  Börsenblatt.  —  Bblgr. 
Bibliographie.  — BG.  Beiträge  z.  Geschichte. 
BHV.  Bericht  d.  Historischen  Vereins.  — 
Bibl.  Bibliothek.  —  BK-  Beiträge  z.  Kunde.— 


Bl.,  Bll.  Blatt,  Blätter.  —  BLVA.  Berichte 
d.  Landesvereins  für  Altertumskunde.  — 
BVGW.  Berichte  über  d.  Verhandlungen  d. 
Gesellschaft  d.  Wissenschaften.  —  BVL. 
Blätter  d.  Vereins  für  Landeskunde. 

CBl.  Centralblatt.  —  Chr.  Chronik.  —  Cr. 
Critique.  —  COL  Centralorgan  für  J.  In- 
teressen. 

D.  Deutsch. 


Jahreabericlite  für  Dauere  deutaehe  LitUr»targM«hie1ilo  II  i 


18 


Siglenregister. 


274 


E.  Erdkunde. 

F.  Forschungen. 

G.  Geschichte.  —  GBl.,  GBll.  Geschichtsblatt, 
Geschichtsblätter.  —  Ges.  Gesellschaft.  — 
GV.  Geschichtsverein. 

H.  Historisch,  Histoire,  Historique  etc.  — 
HG.  Historische  Gese  Ischaft.  —  HT.  Hi- 
storiskTidsskrift.  — HV.  HistorischerVerein. 

I    Institut.  —  It.  Italia,  Italiano. 

J.  .Journal.  —  JB.  Jahresbericht,  Jahresbe- 
richte. —Jb.  Jahrbuch.—  Jbb.  Jahrbücher. — 
JbHV.  Jahrbuch  d.  Historischen  Vereins.  — 
JbA'G.  Jahrbuch  d.  Vereins  für  Geschichte, 

KBl.  Korrespondenzblatt.  —  KBIVL.  Korres- 
pondenzblatt d.  Vereins  f.  Landeskunde.  — 
KG.  Kirchengeschichte.  —  KL.  Konver- 
sationslexikon. 

L.  Litteratur,  Littorarisch  usw.  -  LB.  Litlera- 
turbericht.  —  LBl.  Littoraturblatt.  —  LK. 
Landeskunde. 

M.  Mitteihmgen.  —  MA.  (MAlich.)  Mittelalter 
(-lieh.).  —  Mag.  Magazin.  -  MBl.,  MBU. 
Monatsblatt,  Monatsblätter.  -  MGG.  Mit- 
teilungen d.  Gesellschaft  für  Geschichte.  — 
Mh.  Monatshefte.  —  Mscbr.  Monatsschrift.— 
Mus.  Museum.  -  MusV.  Musealverein.  - 
MVG. Mitteilungen  d.  A^ereins  türGeschichte. 

N.  Neu,  Nouveau,  Nuovo  usw.  —  NF.  Neue 
Folge.  —  Njbl,  Nihil  Neujahrsblatt,  Neu- 
jahr sbiätt  er.'  —   NN.    Neueste  Nachrichten. 

ö.  Österreich,  Österreichisch. 

P.  Preussisch.  —  Ph.  Philologie.  —  Philos. 
Philosophin.  —  Pr.  Presse. 


Q.  Quartalschrift. 

R.  Revue.  —  Rep.  Repertorium.  —  Rh.  Rhein, 
Rheinisch.  —  Ri.  Rivista.  —  Rs.  Rundschau. 

SB.  Sitzungsbericht,  Sitzungsberichte.  — 
SBAk.  Sitzungsberichte  d.  Akademie  (d. 
Wissenschaften».  —  Sbnbg.  Siebenbürgen.  — 
SchlH.  Schleswig- Holstein -Lauenburg.  — 
Schw.  Schweiz,  Schweizerisch.  —  Spr. 
Sprache,  Sprachforschung.  — ^SVG.  Schriften, 
d.  Vereins  f.  Geschichte. 

Tb.  Taschenbuch.  —  TBL  Tageblatt  (Tag- 
blatt). 

Vjs,  Vierteljahrsschrift. 

WBl.  Wochenblatt. 

Z.  Zeitschrift.  —  Zg.  Zeitung.  -  ZGG.  Zeit- 
schrift d.  Gesel' Schaft  für  Geschichte.  — 
ZHV.  Zeitschrift  d.  Historischen  Vereins. 


Beispiele    für  Verbindungen: 

JhMünchG.  Jahrbuch  für  Münchener  Ge- 
schichte. 

BVGWLeipzig.  Berichte  über  d.  Verhand- 
lungen d.  Gesellschaft  d.  Wissen- 
schaften in  Leipzig. 

UngR     Ungarische  Revue. 

MVAnhaltG  Mitteilungen  d.  Vei-eins  für  An- 
haltische Geschichte  u.  Altertums- 
kunde. 

MhMusikG    Monatshefte  für  Musikgeschichte. 

SVGBerlin.  Schriften  d.  Vereins  für  d.  Ge- 
schichte Berlins. 

NASächsG.  Neues  Archiv  für  Sächsische  Ge- 
schichte. 

ZVHaml>G.  Zeitschrift  d.  Vereins  für  Ham- 
burgische Geschichte  —  usw. 


Bemerkungen  für  den  Gebrauch. 


An  dieser  Stelle  sei  zunächst  das  „Handbuch  zu  Litteraturberichten"  von  J.  Jastrow 
(Berlin,  Gärtner  1891)  rühmend  genannt,  dem  die  technische  Einrichtung  sich  im  wesent- 
lichen anschliesst. 

1)  Die  Disposition  ist  jedem  einzelnen  Abschnitte  vorangedruokt  und  im  Text, 
auf  den  allein  sie  sich  bezieht,  durch  Absätze  und  Sperrung  der  Stichwörter  kenntlich. 

2)  Die  Stellung  der  Anmerkungsziffer  vor  oder  hinter  dem  Punkt  am  Ende 
eines  Satzes  charakterisiert  die  nähere  oder  fernere  Zugehörigkeit  des  unten  angeführten 
Buches  zum  Text. 

3)  Neben  den  Werken  dos  Berichtsjahres  sind  nur  in  .'Ausnahmefällen  Schriften 
des  unmittelbar  vorhergegangenen  .Talires  besprochen.  Die  Litteratur  der  auf  das  Berichts- 
jahr folgenden  Zeit  blieb  durchweg  ausgeschlossen,  ausser  wo  es  sich  um  Recensionen  der 
1891  erschienenen  Arbeiten  handelt  Als  Jahreszahl  ist  zu  jeder  in  den  Anmerkungen 
citierten  Schrift  die  dos  Berichtjahres  (für  Bd.  2  also  1891)  hinzuzudenken,  insofern  eine 
andere  nicht  ausdrücklich  genannt  ist  Wo  bei  Lieferungswerken,  Zeitschriften  usw. 
]-iiet'erungstitel  und  Bandtitel  verschiedene  Jahreszahlen  tragen,  ist  der  letztere  als  mass- 
gebend betrachtet  worden. 


275  Bfiiiifirkuiurftu. 


4)   Die  Bedeutung  der  Zoichou  in  *l«n  Anmerkungen  ist  folgend«: 
X  Hier  sei  dem  Titel  nach  ungeführt 
XX  Hier  sei  angeführt  unter   Vurbebalt  genauerer  Besprechung  im 
näohston  Jahrgang 
O  Unzn^äoglich  blieb 
<II  4  18)  Hier  ist  ein  Titel  einer  Arbeit  bezw.  ein  Bericht  ansgefallon  zu 
Gunsten  von  II,  4  N    13. 
if  Ji  sohlieüst  das  Vorzeichnifl  der  Keconsionen  ein. 
r>)    lOin   V'ur/eichnis    der   zur    Abktirzung    von    Zeitschriften-    und    ZoitiuigH- 
titelu  verwendeten  Siglen  [findet  sich  Ö.  272-  274.     Ausserdem   sind  folgende  Abkürzungen 
angevv'endet:     Hb.,    Mss.  -  Handschrift,    Handschriften;    hs.       handschriftlich:    Ms.,    Mhh.  - 
Manuskript,  Manuskripte;  Vf.  =  Verfasser;  Jh.,  Jhh.  =  Jahrhundert,  Jahrhundert«. 

6)  Das  A  utorenregistor  verzeichnet  nur  die  Verfasser  der  besprochenen  Arbeit/«n, 
zu  denon  aucli  die  Recensioneu  geroclinet  werden.  Die  Art  der  angefahrten  Werke  wird 
durch  die  Kapitelzahl  einigormassen  gekennzeichnet. 

7)  Im  Sachregister  beacht«  man  überall  Zusammenstellungen  wie  Bibliotheken, 
Drama,  Scliulen,  Sprache. 

8)  Die  Zahlen  in  den  Registern  usw.  sind  aus  folgenden  Beispielen  zu  verstehen: 
II  3  :  4  =  II,  3  N.  4.    -    II  3 :  4-5  =  II,  3  N.  4-  .^    -    II  3  :  4;   6  :  7  =  H,  3  N.  4;  II,  6  N.  7. 

9)  Die  Verfasser  von  selbständigen  Werken  wie  auch  namentlich  von  Dissertationen, 
Programmen,  Festroden  usw.  sowie  von  ZHitschriffenaufsälzon  worden  dringend  ersucht, 
ein  Exemp'ar  an  die  JBL.  einzusenden  oder  die  Einsendung  seitens  ihres  Verlegers  so  ver- 
anlassen. Bei  Al'handlungen,  die  an  entlegenen  Stellen  verörfenl licht  sind,  wäre  die  Redaktion 
schon  für  den  blossen  Hinweis  (vielleicht  mit  kurzer  Angabe  dos  Inhalts)  dem  Autor  zu 
Dank  verpflichtet. 

Ii))  Die  Adresse  der*  Redaktion  findet  sich  am  Schlüsse  der  Vorrede,  die  der  Ver- 
higshandlung  auf  dem  Titelblatt,  die  der  einzelnen  Mitarbeiter  im  Inhaltsverzeichnis. 


Für  die  bibliographischen  Auszüge  aas  verschiedenen  Tageszeiiungen  haben  wir 
zu  danken  den  Herren:  cand.  phil.  Ernst  .Vltenkrüger-Berlin,  Dr.  phil.  Hans  Bodmer- 
Zürich,  cand.  phil.  Friedrich  Düsel-Berlin,  Dr.  phil.  Arthur  Eloesser- München,  Prof. 
Dr.  Ernst  Elster-Leipzig,  Paul  Fulda-Frankfurt  a.  M.,  cand.  phil.  Friedrich  Gotthelf, 
Dr.  Waldomar  Kawerau-Magdeburg,  Prof  Dr.  Albert  Köster-Marburg,  Wilhelm  Lenz- 
Frankfurt  ii.  M.,  den  Herren  aus  dem  Seminar  des  Herrn  Prof  Dr.  Jakob  Mi  lor-Wien, 
Prof.  Dr  Eduard  Norden-Greifswald,  Dr.  Max  Osborn-Berlin,  Dr.  Ludwig  Pariser- 
München,  Dr.  Felix  Poppenborg-Berlin,  Prof.  Dr.  S.  M.  Prem-Bielitz,  Freiherr  Alfred 
von  Rontz-Brosliui,  Dr  Richard  Rosenbaum  -  Berlin,  cand.  phil.  Siegfried  Rosen- 
feld-Berlin, Dr.  Ludwig  Stottenheim-Berlin,  cand.  phil.  H.  Stümcke,  Georg  Westen- 
ber  ger-Castel  und  den  Rodaktionen  des  „Frankfurter  Journals",  der  „Kieler  Zeitung", 
der  „Rostockor  Zeitung"  und  der  „Weser-Zeitung". 

Für  die  nmerikanischo,  englische,  italienische  und  polnische  Bibliographie  haben 
uns  gütigst  unterstützt  die  Herren:  Prof.  Dr.  Horatio  S.  White-Ithaka  U.S.,  Dr  Carlo 
Fasola-Florenz  und  Prof  Dr.  Richard  Maria  Werner-Lemberg. 

Ganz  besonderen  Dank  endlich  schulden  wir  Herrn  Verlagsbachhändler  Gustav 
Fock  in  Leipzig,  der  niclit  nur  seinen  höchst  nützlichen  „Bibliographischen  Monatsbericht 
über  neu  erschienene  Scliul-  und  Universität SKchriften"  für  unsere  Expedition  durch  private 
Mitteilungen  besonders  brauchbar  gemacht,  sondern  uns  aach  uneigennützig  einen  beträcht- 
lichen Teil  der  Schriften  selbst  zugewendet  hat, 

Drnckfehlerbcrlchtignng.  I  1  :  49  Zeile  8  lies  Riftert  statt  Riffart;  HI  1  :  7,  13. 
15,  25,  26,  .30,  31,  32,  .33,  34,  37,  38,  39  lies  in  den  Noten  I  »  statt  13;  IV  1  :  '•  Zeile  8  lies 
umkleiden  statt  einkleiden;  IV  1  :  37  Zeile  9  lies  Idealismas  statt  Realismns;  IV 
1  :  90  lies  Serres  statt  Serrös;  IV  1  :  184  Zeile  2<>fl'.  von  nnten  lies  abermals  beweisen 
statt  beweisen,  hat  statt  hätte. 


la' 


Willielm  Issleib  (Inhaber  Gustav  Schuhr)  Berlin  SW.  48. 


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2231 
J25 

Bd. 


Jahresberichte  für  neuere 
deutsche  Literatur- 
geschichte 


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UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


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