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JAHRESBERICHTE
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NEUERE
DEUTSCHE LITTERATÜRGESCHICHTE
UNTER STÄNDIGER MITWIRKUNG VON
J. ßOLTE, W. CREIZENACH, G. ELLINGER, E. ELSTER, L. GEIGER, W. GOLTHEE.
0. HARNACK, A. HEUSLER, G. KAWERAU, K. KEHRBACH, K. KOCHENDOERFFER,
A, KOESTER, RUD. LEHMANN, R. M. MEYER, V. MICHELS, F. MüNCKER.
R. MUTHER, E. NAUMANN, 0. PNIOWER, A. REIFFERSCHEID, G. ROETHE. A. SAUER,
P. SCHLENTHER, ERICH SCHMIDT, G. STEINHAUSEN, PH. STRAUCH, V. VALENTIN,
M. VON WALDBERG, 0. F. WALZEL, A. VON WEILEN, H. WELTI, R. M. WERNER,
G. WITKOWSKI, H. WUNDERLICH
HEBAUS6E0EBEN
VON
JULIUS ELIAS, MAX HERRMANN, SIEGFRIED SZAMATOLSKI.
ZWEITER BAND (JAHR 1891).
STUTTGART.
G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG.
1893.
2^31
'73.5'
Bd. 2.
JLJank dem rüstigen Zusammenwirken des an unseren Jahreslierichten ver-
einigten Gelehrtenkreises haben wir den Abgrund, der den ersten und zweiten Jahr-
gang solcher Werke zu trennen pflegt, glücklich und rechtzeitig überschreiten können.
Freilich haben wir zu unserem eigenen Leidwesen die Enden der beiden Halbbände im
letzten Augenblick der Not abhaüeu müssen. Um den ganzen Band vor Jalu'esschluss
hinauszubringen, mussten wir die fertigen Kapitel „Humanismus" und „Grillparzer*' im Re-
daktionspult zurückbehalten. Ebenfalls aus diesen äusseren Gh-ünden ist der Schluas
des allgemeinen Teiles des 18./19, Jahrhunderts ausgefallen, wie denn Professor Roethe
andererseits wegen des ungeheueren Anwaclisens dieses Abschnittes sein zweites Kapitel
auf den nächsten Jahrgang zu verschieben genötigt war. Im gleichen Falle ist Professor
Werner, der neben dem grossen Kapitel „Poetik" den anderen umfänglichen Abschnitt
„Lyrik" des 18./19. Jahrhundei-ts nicht mehr fertig stellen konnte.
Im Gegensatz zu diesen beiden Mitarbeitern, die durch ihre abgedruckten Bei-
träge vollauf gerechtfertigt erscheinen, hat Herr Professor Edward Schröder, der schon im
vorigen Jahrgang mit seinem ganzen Beitrag im Rückstand geblieben war, auch diesmal ein
Verhalten beobachtet, das von einem älteren und grösseren Unternehmen als das unsere
öifentlich gebührend gekennzeichnet worden ist (vgl. z. B. Mitteilungen des Instituts ftir
östeiTeichische Geschichtsforschung 13, S. 657). Nicht genug dass wir infolge seiner
steten Hinhaltungen erst in später Stunde einen Bearbeiter ftlr den laufenden Jahrgang
gewinnen konnten, ist es uns durch die Einbehaltung des von uns gesammelten und
gelieferten Materials, bei der Herr Professor Schröder trotz aller in Greifen persön-
licher Massnahmen gehaltenen Versuche beharrt, unmöglicli gemacht, den Bericht ftkr
1890 jetzt oder später nachzuliefern. Diese offene Darlegung wird uns vor unseren
Lesern, den Autoren und Verlegern rechtfertigen.
Der Ausfall der Kapitel „Klopstock" und ,, Wieland" bedeutet keine Lücke des
Jahrgangs, da sie als selbständige Abschnitte nur verschwunden sind, um in grösserem
Zusammenhang im wesentlichen vom früheren Bearbeiter behandelt zu werden. Aehn-
liches gilt von Goethes Didaktik, dem Kapitel Dr. Otto Hamacks, dessen Mitarbeit uns
hoffentlich im nächsten Bande an anderer Stelle zu gute kommt. Weitere Verände-
rungen betreffen einen Wechsel der Mitarbeiter. Dr. Richard M. Meyer, der, wie wir
an dieser Stelle nochmals hervorheben möchten, im vorigen Jahre trotz lückenhaften
Materials und drängender Zeit mii freundschaftlicher Gesinnung in die Bresche sprang,
gab seinen Bericht an Dr. Georg Steinhausen, um selbst den Abschnitt des Dr. Eugen
Kühnemann zu übernehmen.
Wir können den Band nicht hinausgehen lassen, ohne unseren Dank für die
überaus erfreuliche Aufnahme auszusprechen, die unser erster Jahrgang nicht nur bei
IV
den Litterarhistorikern der verschiedensten Richtungen, sondern auch bei anderen Ge-
lehrten und in Laienkreisen gefunden hat. Ohne im einzelnen diese Kundgebungen
verzeichnen zu wollen, wie man es wohl gerade von unserem Unternehmen erwarten
mag, können wir unseren Gönnern versichern, dass Lob und Ratschlag uns in gleicher
Weise fördern wird. In Anbetracht dessen, dass wir die redaktionelle systematische
Sammelarbeit bereits durchgeführt haben, bei der uns die am Schluss des Bandes ge-
nannten Herren für eine Reihe von Tagesblättern und Gelegenheitsschriften sowie für einen
Teil der ausländischen Litteratur freundlich unterstützten, und dank der Bemühungen
unserer Mitarbeiter, die sich Beispiel nnd Erfahrungen des ersten Bandes zu nutze
machten, dürfen wir wohl der Hoffnung Ausdruck geben, mit dem vorliegenden Jahr-
gang unserem Ziel näher als zuvor gekommen zu sein.
Berlin W., im November 1893.
Matthaikirchstr. 4, II.
JÜLroS ELIAS. MAX HERRMANN. SIEGFRIED SZAMATOLSKL
Inhaltsverzeichnis.
Erster Ualbband.
I. Allgemeiner Teil.
1. Litteraturgeschichte. Von Dr. Siegfried Szainatolski in Berlin
und Dr. Max Herrmann, Privatdocent an der Universität Berlin S. 1 — 19
Methode: Litteraturgeschichte: Französisches N. 2. — Englisches N. 15. — DeataekM N. 19. —
Geschichte: Allgemeines N. 27. ^ Kritik N. 32. — Philosophie N. 33. — U eiamtdarsteUangaB N. 8<S. — Ver-
schiedenes N. 49. —
2. Geschichte der deutschen Philologie. Von Dr. Wolfgang
Golther, Privatdocent an der Universität München S. 19 — 23
Vorläufer N. 1. — BrUder Grimm: Briefwechsel N. 6; Jacob Grimm N. 12; Deutaebe Sagen N. 13. — Laeh-
mann, Schmeller N. 14. — Einzelne Gelehrte bis auf die Gegenwart N. 16. — Allgemeine Sprachwüsantehaft N. 2tt. —
Neltrologe N. 35. —
3. Poetik und ihre Geschichte. Von Dr. Richard Maria Werner,
Professor an der Universität Lemberg S. 24 — 65
Geschichte der Poetik und der Aesthetik: Die drei Einheiten N. 2. — Frisch N. 4. — Sehwabe B. 5.
— Winckelmann N. 7. — Lessing N. 10. — Herbart N. 12. — Schopenhauer N. 20. - v. Hartmann N. 25. — Richard Wagner
N. 27. — Ziel und Methode der Forschung: Normative Aesthetik N. 32. — Schulmlssige Zusammenatellung en-
Poetik N. 39. - Rhetorik N. 47. - Subjektive Versuche: HoU N. 52. — v. Kralik N. 53. — Kratz N. 67. - Induk-
tive Aesthetik: Kunstphysiologie N. <'>2. — Phantasie N. 67. — Schön und gut N. 71. — KOnstler und Mensch N. 74. —
Floiss N. 75. — Genie N. 80. — Induktive Poetik: Evolution N. 85). — Urform N. 94. - Seh erer N. 96. — Werner V.\V»
— Poesie und Malerei N. 103. — Anthropomorphismus N. 108. — Dichterisches Schäften N. 109. — Popnlaritlt N. 111. —
Einzelne Fragen: Wahrheit N. 112. — Tendenz N. 120. — Natur N. 123. — Allegorie N. 127. — Humor N. 130a. —
Poetik der einzelnen Dichtungsgattungen. Lyrik: Lied N. 131; Ballade N. 132. — Koaan N. 137. —
Drama: Tragödie N. 142; Komödie N. 151; Drama und Bühne N. 153; Moderne Technik N. 174. — Der Nat nraliiMni:
Sein Endo N. 179. — Historisches N. 184. — Nietzsches Einfluss N. 197. — Einzelne Persönlichkeiten und der NatoralissBa
N. 208 — Naturalismus und Socialismus N. 214. — Kunst nnd Zeit N. 225. — SchOnh«it und Sittlichkeit N. 227. — Nene
Schönheit N. 240. — Milieu N. 248. - Suggestion N. 255. — Französischer Naturalismus N. 260. — Deutscher N. 263. — Baasiecher
N. 277. — Nordischer N. 278. —
4. Schrift- und Buchwesen. Von Dr. Karl Kochendörffer, Kustos
an der Universitätsbibliothek Marburg S. 66 — 79
Schriftweson: Handschriftenkataloge N. 1. — Autographen N. 4. — Bachwesen: Erflnduug der Drucker-
kunst N. 6. — Einzelne Drucker N. 10. — Bibliographie N. 33: BlotkbUcher N. 36; Inkunabeln N. 88; lOOj. Kalender N. 48;
Zeitungen N. 49; BUcherverzeiihnisse N. 51; Zeitschriftenrogister N. 60. — Bibliotheken: Allgemeines N. 65; einzelne Blbliotheke«
N. 70; Schulbibliothoken N. 89; Bibliophilen und Bibliothekare N. 99. - Buchhandel: Allgemeines N. 104; Bnchhindler
N. 117; Censur N. 132; Nachdruck N. 135; Pflichteieraplare N. 138; heutiger Betrieb N. 144. — Bucheinband N. 153. —
5. Kulturgeschichte. Von Dr. Georg Steinhausen, Kustos an der
Universitätsblibiothek Jena S. 79 — 102
Allgemeines: Begriff der Kulturgeschichte N. 1. — Allgemeine Darstellungen N. 6. — DarsUllnngen grosserer
Gebiete N. 13. — Sammelwerke N. 14. — Kulturen twioklung im eintelnen: Darsiellnsgen einzelner Epoche« «»4
Zeitbilder N. 16. — Familienleben, hSusliches Leben, Frauen N. 28. - Oeselliges l/eben, Spiele. Feste N. 4.1. — OeisÜrs «ad
gemütliche Entwicklung N. 62. — Nationale Entwicklung N. 96. — Aeussere Kultur: Wirtschaft, Wohahaui. Tracht, Kahnag.
Gesundheitswesen, Verkehrswesen, Reisen N. 103. — Sittengeschichtliches N. 162. — Volkskunde und Mythologie N. 180. —
Tiere und Pflanzen N. 286. — Einzelne Materien N. 296. — Lokalstudian N. .SOi. - Einzelne Stande ued MeaecheakUsSH
N. 382. — Einzelne Personen N. 400. — Kultnrstrebungen der Gegenwart N. 434. —
VI Inhaltsverzeichnis.
6. Geschichte des Unterrichtswesens. Von Dr. Karl Kehrbach
in Berlin S. 103—125
Geschichte der Pädagogik: Gesamtdarstellungen N. 1. — Häusliche Erziehung, Prinzenerziehung N. 9. —
Methodik einzelner Fächer N. 10a. — Einzelne Persönlichkeiten: Theoretiker: ältere Zeit N. 17; Philanthropinisten
N. 21; katholische Pädagogen N. 24; Pestalozzis Zeitgenossen N. 26; Herbart N. 32; Diesterweg N. 38. — Schulmänner:
Sachsen (Königreich und Provinz) N. 65; Thüringen N. 71; Hessen N. 80; Rheingegenden, Württemberg, Bayern N. 88
Schlesien N. 94; Posen, Preussen, Pommern, Mecklenburg N. 99; Berlin N. 103; Braunschweig, Westfalen N. 106; Hansestädte
N. 109; Ausland N. 113. — Freunde dos Schulwesens N. 118. — Unterrichtsanstalten: Urkunden: Universitäten und
Akademien N. 122. — Schulen N. 128. — Darstellungen: Universitäten und Akademien: Allgemeines N. 152; einzelne An-
stalten N. 155. — Schulen: grössere Bezirke N. 168; einzelne Anstalten N. 182. —Verschiedenes: Schulkomödie N. 221. —
Spiele und Feste N. 227. — Schulmünzen N. 231. — Fraternitas seholarium N. 232. —
7. Die Litteratur in der Schule. Von Dr. Rudolf Lehmann,
Oberlehrer am Luisenstädtischen Gymnasium zu Berlin . . . . S. 126 — 135
Allgemeines und Methodologisches: Amtliche Veröffentlichungen N. 1. — Methodik N. 6. — Methodische
Erläuterungschriften N. 19. — Hilfsmittel für den Unterricht: Schulausgaben N. 25. — Lesebücher und Anthologien
N. 68. — Leitfäden für Litteraturgeschichte und Poetik N. 93. _
8. Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. Von
Dr. Hermann Wunderlich, Professor an der Universität
Heidelberg S. 136—143
Einleitung N. 1. — Konstitutive Faktoren: Kanzlei und Buchdruck N. 2; Mundarten N. 6; indi-
viduelle Einflüsse: theoretische (Schottel, Schupp, Sprachgesellschaften u. a.) N. 16, praktische (Hütten, Haller, Herder, Goethe,
Hebel, Heine) N. 24. — Erscheinungsform: Historisches: Allgemeines N. 29, Laut- und Formenlehre N. 30, Syntax
N. 34, Stil N. 38, Wortschatz (Wörterbücher u. a.) N. 48; Polemisches: Allgemeines (,Papiemer Stil", „Sprachdummheiten")
N. 56, Fremdvirörter N. 60. —
9. Geschichte der Metrik. Von Dr. Andreas Heusler, Privat-
docent an der Universität Berlin S. 143 — 144
Gesamtdarstellungen der neudeutschen Verskunst N. 1. — Allgemeines über Versbau N. 5. — Reim N. 10. —
Rhythmus N. 13. — Einzelne Versarten N. 17. —
IL Von der Mitte des 15. bis zum Anfang des
17. Jahrhunderts.
1. Allgemeines. Von Dr. Siegfried Szamatolski in Berlin und
Dr. Max Herrmann, Privatdocent an der Universität Berlin. . S. 145 — 152
Litteratur N. 1. — Geschichte: Allgemeines N. 4; katholische Polemik N. 13. — Kunst N. 16. — Wissenschaft N. 20. —
2. Lyrik. Von Dr. Georg Ellinger, Oberlehrer an der 6. Städtischen
Realschule zu Berlin. S. 152 — 158
Geistliche Lyrik: Gesamtcharakteristik N. 1. — Lokale Gesichtspunkte N. 3. — Neue Mitteilungen N. 6. —
Biographien: Katholiken N. 7; Protestanten N. 9; Sektirer N. 16. — Verfasserfrageu N. 19. — Meistergesang N. 22. —
Volksgesang N. 26. - Musik N. 39. —
3. Epos. Von Dr. Philipp Strauch, Professor an der Universität Halle S. 158 — 168
Erzählung: Hans Schneeperger N. 1 ; Wittenweiler N. 2. — Ältere Volksb ücher: Euienspiegel N. 4. —
Tierepos: Reinke de Vos N. 7. — SchwankbUcher: V. Schumann, Kirchhof N. 17; Niederländisches Schwankbuch
N. 20. — Fischart N. 21. — Jüngere Volksbücher: Schildbürger N. 24; Faust N. 31; Ewiger Jude N. 39. — Legende:
hl. Meinrad N. 40. — Prosaroman: Morgant der Riese N. 41. — Historische Litteratur: J. Oldeoop N. 43; Hans
V. Schweinichen N. 44. —
4. Drama. Von Dr. Johannes Bolte, Oberlehrer am Königstädtischen
Gymnasium zu Berlin S. 168 — 173
Geistliche Schauspiele des Mittelalters N. 1. — Fastnachtspiele N. 9. — Schulkomödien N. 11. — Einzelne Dra-
matiker des 16. Jh.: Schweiz N. 13; Sachsen N. 15; Hessen N. 20; Franken (Hans Sachs) N. 21; Bayern N. 31; Württemberg
N. 82; Elsass N. 33; Oesterreich, Böhmen, Schlesien N. 37; Niederdeutschland N. 40. —
5. Didaktik. Von Dr. Gustav Roethe, Professor an der Universität
Göttingen.
Vgl. Bd. 3 der JBL.
6. Luther. Von Dr. Gustav Kawerau, Professor an der Universität
Breslau S. 173—187
Werke: Ausgaben N. 1. — Neue Funde N. 6. — Einzelne Schriften N. 13: Bibelübersetzung N. 20; Katechismus
N. 26; Sprachliches N. 32. — Biographie: Gesamtdarstellungen N. 35; neue Quellen, Untersuchungen Ton Einzelheiten
N. 43. - Freunde und Feinde N. 64; Forscher N. 75. — Theologie und Weltanschauung N. 77. — Festspiele N. 95. —
Inhaltsverzoichnis. VII
7. Reformationslitteratur. Von Dr. Victor Michels, Privat-
docent an der Universität Göttingen S. 188 — lOf?
AliKKiiieinerns N. 1. — Kinteliie I.an<lHchart«-n und KUdU : Bayern N. 12; Hrbwab«n N. in, Waldihat, Joiebim«-
tlml u. a. N. 17. — DarHtellunKeii uiitxr litUrariHrben 0«siuhtHpuiikti-ii : IUHkiOha Volkitlittoratur N. :M); KatechiKmus'itUratur
N. 31 : l'oleinisuLe LiUoratur N. 34; l<ilditri>olemik N. 38; Neudruck« N. 40. — Einzeln« Worinibrer: Katholiken : iSUupiU
N. 43; EinHnr N. 4.'>; Municr u. a. N. 47. - ProtxMUiiUn N. 57 : Helene hthon N. 60; Iiu|{eobagen N. 05; Iiac«rN. (W; ZwiBKUi>.ft.
N. 83; Paul SperatuH u. a. N. 89; Hektiror u. a. N. 06. —
8. Humanisten und Neulateiner. Von Dr. Siegfried Szamatölski
in Berlin luid Dr. Max Herrmann, Privatdocent an der
Universität Berlin.
\g\. Bd. 3 der JBL.
Zweiter Halbband.
III. Vom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.
1. Allgemeines. Von Dr. Alexander Reifferscheid, Proiessor an
der Universität Greifs wald 8. 1 — 6
Pülitische und wirtschaftliche VorhUltnisse N. 1. — OeistcBlebon N. 14. — aefBbl8leb«>n N 21. — lloneben and
gesellscbaftliche Zustnnde N. '^4. —
2. Lyrik. Von Dr. Max Freiherrn von Waldberg, Professor an
der Universität Heidelberg S. 7 — IG
Weltliche Lyrik: Allgemeines N. 1. — Neue Mitteilungen N. 2. — Biographleclies: Weckberlin N. IS; Zink-
gref u. a. N. 14; Dnch N. 19; Kist u. a. N. -'i; Uofmannswuldau N. 25; Kayser u. a. N. 29. — Qeistliebe Lyrik: Suim-
luugun N. 'M. — Biographisches: Schnurr u. a. N. 45; Schmolck u. a. N. 51; Subotteliu« n. a. N. 54. — Komponittea:
Seile u. a. N. 66; H. Schütz N. 70 —
3. Epos. Von Dr. Julius Elias in Berlin S. 17—19
Otto Gryphius N. 1. — Grimtnelshausen N. 2. — Christian Reuter N. 4. — Faust N. 5. — Robinson N. 6. —
4. Drama. Von Dr. Wilhelm Creizenach, Professor an der Universität
Krakau S. 20—24
AUgemeiues N. 1. — Dramatiker der Uebergangszeit N. 3. — Das Drama an den deutseben FQrstenbOfen N. 9. —
Dramatische Dichtung von Schulmännern und Jesuiten N. 13. — Wandertruppen N. 16. — Tbeatergescbicbte einzelner Stsdte
(^Hamburg, Berlin) N. 18. — Yolksschauspiel: Allgemeines N. 27; Doktor Faust N. 30; Don Juan N. 32; Braut der Holle N. 35.
— Oberammergauer Passionsspiel N. 36. —
5. Didaktik. Von Dr. Julius Elias in Berlin S. 24—33
Religiöses Leben: Hermann v. d. Hardt N. 1. — Zinzendorf N. 2. — Scbrautenbacb N. 3 — Tennhardt N. 4. —
Pbysiologus N. 5. — Prediger N. ti. — Wortheimer Bibel N. 7. — Satiriker: Moscberosch N 10. — Schupp N. 12. — Hage-
dorn N. 17. — Die Schweizer: Discourse N. 18. — Bodmer N. Ht. — Haller N. 21. — Vere iniel tes: Ouarinonins N. 23b —
Zeseu N. 24. — Schmid v. Schwarzenhom N, 26. — SprUcbe und Zeilverse N. 27. — Reisejonrnale N. 29. —
IV. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart
1. Allgemeines. Von Dr. Gustav Roethe, Professor an der Universität
Göttingen S. 34— 80k
Litteraturgeschichte N. 1. — Anthologien N. 9. — Almanache N. 21. — SUmmbOeber N. 28. — Modem*
Litteratur N. 33. — Geschichte geistiger Strömungen des Jahrhundert.s : Allgemeines N. 42. — Tbeoloipe N. 47. —
NationalgefUhl N. 48. — Politische Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts N. 51; einzelner Epochen N. 57. — Smbb-
lungen von Biographien N. 64. — Preussische Könige N. 67; Friedrieb der Grosse N. 68; Friedrieb Wilhelm II. N. 92; Friedrieb
Wilhelm III. N. 93; Friedrich Wilhelm IV. N. 95; Wilhelm I. N. 96; Wilhelm II. N. 98. — Bismank N. 101. - MolUe und
Roon N. 118. — Selbstbiographien und Tagebücher: von Fürsten N. 159; von Diplomaten und PoHUkern N. 162;
von Dichtern und Schriftstellern N. 188; von Historikern N. 209; von Theologen N. 218; von Schauspielern N. 228. — Brief-
sammlungeu N. 232. —
2. Lyrik. Von Dr. Richard Maria Werner, Professor an der
Universität Lemberg.
Vgl. Bd. 3 der JBL.
3. Epos. Von Dr. Franz Muncker, Professor an der Universität
München S. 81 — 100
Allgemeine Theorie und Gesuhiehte des Romans N. I. — Fabeln and poetische Erxthlaagen N. 13. — Komistk«
Heldengedichte N. 18. — Ernstes Epos N. 19. — Klopstock N. 20. - Wieland N. 29. - AelUre Roman« N. 33. — KUngar
N. 38. — Borger und Voss N. 41. — Tiedge und andere Zeitgenossen der klassisches Periode N. 45. — Hebel mad Zscbokka
VIII • Inhaltsverzeichnis.
N. 50. — Christoph v. Schmid N. B6. — Jean Paul N. 73. — E. T. A. HofTmann N. 81. — Chamisso N. 83. — Gleichzeitige
und wenig spätere Novellen- und Romandichter: Hauff, Immermann, üerstäcker, Moson u. a. N. 84. — Fritz Benter N. 114. —
AnerbHCh und süddeutsche DorfgeschicLtendichter N. 122. — Gottfried Keller N. 139. — K. F. Meyer N. 157. — Kedwitz
N. 161. — F. W. Weber N. 170. — Hamerling N. 173. — Scheffel N. 182. — Ferd. Qleichauf, Titns Ullrich, Aug. Becker
N. 189. — Baabe N. 192. — Schweichel N. 202. — Rodenberg N. 204. — Geschichte des Erstlingswerks N. 207. — MUnchener
Dichter N. 217. - J. B. Mnschi N. 221. — Wiener Romanautoren N. 222. — Fontane N. 226. — Frenzel N. 230. — A. Glaser
N. 234. - .Die Moderne" N. 236. —
4. Drama. Von Dr. Alexander von Weilen, Privatdocent an der
Universität V^ien S. 100—111
Aeltere Zeit N. 1. — Sturm und Drang N. 8. — Dialektdichtnng N. 23. — Zeit der klassischen Litteratur N. 25.
— Körner N. 38. — H. v. Kleist N. 108. — Holtei, Gutzkow, Dingelstedt, Giseke N. 119. — Otto Ludwig N. 128. — Lassall©,
Herrig u. a. N. 133. — Oesterreichische Dramatiker: Schröckinger u. a. N. 151; Halm N. 156; Hebbel N. 156; Nestroy und
Baimnnd N. 164; Bauernfeld N. 169; Anzengruber N. 171. — Volksschauspiel N. 183. — Oper N. 190. —
5. Theatergeschichte. Von Dr. Paul Schienther, Redakteur der
Vossischen Zeitung in Berlin, und Dr. Heinrich Welti in Berlin S. 111 — 118
Dramatische HillskUnste N. 1. — Geschaftlirhe Einriclitungen N. 2. — Theatergebäude und äussere Scene N. 4.
— Repertoir und Publikum N. 14. — Praktische Reformversuche N. 23. — Laienbühnen N. 26. — Schauspielkunst N. 30. —
Einzelne Schauspieler N. 36. — Theatergßschichte einzelner Städte: Wien N. 62; Weimar N. 63; Frankfurt N. 71; Berlin
N. 72. — Theaterkritik N. 73. —
Lokalgeschichte der OpernauffUhrungen N. 74. — Biyreuther Buhnenfestspiele; ^Lohengrin" in Paris N. 82. —
Sänger und .Sängerinnen N. 89. —
6. Didaktik. Von Dr. Richard M. Meyer, Privatdocent an der
Universität Berlin S. 119—135
Einleitung, Disposition, Allgemeines N. 1. — Didaktische Litteratur: Haller N. la; Geliert
N. 2; Rabener N. 7; Pfeffel u. a. N. 8; Sophie Schwarz N. 15; Hebbel N. 16; Hieron. Lorm N. 18; Marie v. Ebner-Eschenbach
N. 27. — Populärphilosphie: Wieland, Lichtenberg, Forster, Hippel, ZschokkeN. 28. — Philo sophie: Allgemeines N. 35;
Erste Anhänger und Gegner Kants N. 38 f; Fichte N. 45; Schelling N. 48; Schopenhauer N. 51; Herbart N. 83; Feuerbach N. 87;
NietzscheN. 96.— Theologie N. 100: Lavater N. 101a; Schleiermacher N. 107; K. Hase N. 113; Martensen N. 117; Döllinger
N. 121. — Geschichte: Joh. v. Müller N. 126; Ranke N. 132; Duncker, Sybel N. 134; Biehl, Gregorovius N. 137. — Philo-
logie: Klassische Philologie N. 138; Uebersetzer N. 142; V. Hehn N. 145. — Kunstlehre: Kunsthistoriker N. 147; Maler
N. 151. — Kritik N. 157. — Andere Disciplinen N. IßS. — Journalisten N. 175. — Politiker: Aufklärung, Re-
volution, Reaktion N. 178; Vormärz N. 187; Achtundvierziger N. 189; Staatsmänner der neuesten . Zeit N. 199; Bismarck
N. 200; Lassalle N. 203. — Universitäten N. 207. — Schulmänner und Pädagogen N. 211. — V ol kserziehnn g
und Zeitkritik N. 223. —
7. Lessing. 1890, 1891. Von Dr. Erich Schmidt, Professor an der
Universität Berlin S. 135—143
Ausgaben N. 1. — Briefe N. 10. — Leben N. 13. — Bilder N. 25. — Werke: Allgeraeines: „Lessings
Plagiate" (Kleinigkeiten — Sara) N. 27. — Theater N. 28. — Einzelnes: Sinngedichte, Tarantula N. SU. — Henzi, Sara
N. 35. — Thomson, Shakespeare N. 38. — Fabel N. 40. — Minna v. Barnhelm N. 44. — Faust N. 50. — Laokoon, Archaeologie
N. 51. — Hamburgische Dramaturgie N. 58. — Emilia Galotti N. 62. — WolfonbUtteler Beiträge N. 68. — Nathan N. 73. —
Philosophie N. 76. —
8. Herder. Von Dr. Ernst Naumann, Oberlehrer am Priedrich-
Wilhelms-Gymnasium zu Berlin S. 144 — 146
Allgemeines N. 1. — Briefe N. 4. — Leben N. 7. — Nationale Bedeutung N. 8. — Sprache N. 9. — Werke: Philo-
sophische Gedichte N. 10; Schulreden N. 11; Gesamtausgabe N. 12; Hebräische Poesie N. 13; Viä N. 14. —
9. Goethe.
a. Allgemeines. Von Professor Dr. Veit Valentin in Frank-
furt a. M S. 146—163
Bilder N. 1. — Denkmäler N. 4. — Erinnerungsstätten N. 11. — Vereine N. 22. — Feiern N. 28. — Einwirkung
auf Zeitgenossen N. 34. — Aeusserungen und Urteile über Goethe N. 60. — Briefe N. 66. — Theater N. 73. — Bildende Kunst
N. 79. — Musik N. 93. — Religion N. 100. — Philosophie N. 104. — Naturwissenschaft N. 107. — Sprache N. 115. — Werke:
Ausgaben N. 119; Darstellungen N. 122. — Stellung zur Weltlitteratur N. 126. — Goethe als Uebersetzer N. 136. — Goethe-
forscher N. 138. —
b. Leben. Von Dr. Ludwig Geiger, Professor an der
Universität Berlin S. 163—174
Quellen: Tagebücher N. 1. — Briefe von Goethe N. 2. — Gespräche N. 21. — Briefe an Goethe N. 23. —
Dichtung und Wahrheit N. 28. — Darstellungen: Allgemeines N. 33. — Einzelheiten N. 40. — Vorfahren und Nachkommen
N. 50. — Beiiehungen zu anderen Personen: Napoleon N. 72; Herder N. 86; Klinger N. 88; Lenz N. 90; Wagner N. 97;
sonstige Beziehungen N. 98. —
c. Lyrik. Von Dr. Otto Pniower in Berlin S. 174—181
Funde N. 1. — Ausgaben N. 7. — Allgemeine Charakteristik N. 13. — Einzelne Schöpfungen
Strassburger Zeit: Friederikenlieder N. 19; Heidenröslein N. 22. — Frankfurter Zeit: An Schwager Kronos N. 24; Herbst-
gefUhl N. 26. — Weimarer Zeit: Hans Sachsens poetische Sendung N. 27; Grenzen der Menschheit N. 28; Wer nie sein Brod
mit Thränen ast N. 29; Venetianische Epigramme N. 30; Sonette N. 31; Verschiedenes N. 82. —
Inhaltsverzeichnis, IX
d. Epos. Von Dr. Ludwig Geiger, Professor an der Universität
Berlin 8. 181—188
Epen in Versen: Hermann und Dorothea: AuHgtben and UebeniettunKen N. 1; EinxelaDUraaebungan S. 9. —
Acliilleis N. 12. - Ewige Jude N. 13. — Prosaerxlh luDReD: Wertber N. 14. - Wilhelm Meiiter N. la - NovelU R. tL
— Unterhaltungen deutscher Auigowanderter N. 33. — Wthlrerwandtaehaflan N. 26. —
e. Drama. Von Dr. Georg Witkowski, Privatdocent an der
Universität Leipzig S. 184 — 202
GosnmtdnrHtollunKon und AuHguben N. 1. — Die Laune de« Verliebten und Die Mitaehuldlgen R. II. — COtt
N. lö. — Satyros N. 25. — Cluvigo N. 26. - Stella N. 28. - Die Gcnchwialer N. 81. - Der Triumph d»r Emplindaamkeit
N. 32. — SingHpiele N. 34. — Eli>«nor N. 88 — EKinont N. 40. — Iphigonie N. 46. — Taaao N. 60h — Der b«rroit« Pro-
motheus N. 60. — Muhoinot, Tankred N. 70. — Die natürliche Tochter N. 72. — Koneo und Julia N. 73. — Di« Weit« N. 74.
- Kaust: Allgemeines N. 75; Quellen N. 107; Urfaust N. 100; Erster Teil N. ll.s, Zweitor Teil N. 12-2. —
10. Schiller. Von Dr. Albert Köster, Professor an der Universität
Marburg 8. 208—210
ISiographischos: Vollständige Biographien N. I. — Einzelbeitrtge N. 8; Frllbxeit N. 9; Dre*4«l
und Rudolstadt N. 14; Totoufeicr N. 18; Verkehr mit Zeitgenossen N. 19. - Uriorweehiel N. 28. — Werke S. 32:
Prosascliriften N. 33. — Gedichte: Allgomoines N. 41; Einzelnes: Glocke, Kampf mit d^m Drarhen, Ritter de« Spital« t«
Jonisiilom, Stammbuchvers N. 49. — Dramen: Allgeiiieinos N. 58; Käuber N. 65; Kabalo und Lintte N. 70; Don Carlo« N. 72;
WallcDstein N. 78; Maria Stuart N. 00; Jungfrau von Orleans N. 05; Braut von Messina N. 109; Teil N. 110: U«bers«Uiia(M
und BUhnonboarboilungen N. 116; Nachlass N. 123. — Verschiedenes N. 130. —
11. Romantik. Von Dr. Oscar E. Waizel in Wien S. 217—233
Allgemeines N. 1. — Schlegelscher. Kreis: August Wilhelm Schlegel N. 3; Friedrich Hchlegel H. 19; CarollM
Schlegel N. 26; Philipp Veit N. 20a: Ticck und Wackonrodor N. 29. — Novalis, W. t. Schatz, Grle». L, r. Svrkendorf.
F. W. V. Sciuuidt N. 33. — Hölderlin N. 38. — Heidelberger Romantik: Arnim und Brentano N. 64; Bettina N. 69. —
Schwabische Romantik: Allgemeines N. 60: Uhland N. 71; Waiblinger N. 82. — Ernst Schulze N. 84. — Eichrndorff N. 87. -
Kunst und Künstler N. 80. —
12. Das junge Deutschland. Von Dr. Ernst Elster, Professor an
der Universität Leipzig S. 233 — 23ß
Heine: Qosamtcharakleristik N. 2. - Leben N. 8. — Werke: Ausgaben N. 18; l'ebersetzungen N. 23. — Unter-
suchungen: Geburtsjahr, Theroso N. 27; Memoiren N. ,28; Buch der Lieder N. 31; Balladen N. 32; Lorelei N. 33. — Diagel-
stedt N. 43. -
13. Grillpar/er. Von Dr. August Sauer, Professor au der Universität Prag.
Vgl. Bd. :i der JBL.
Autorenregister . S. 237 — 246
Sachregister S. 247 — 268
Verlegerregister S. 2<)H — 271
Siglenregistor S. 272 — 274
Bemerkungen für den Gebrauch. S. 274 — 275
I. Allgeineiner Teil.
1,1
Litteraturgeschichte.
Siegfried SzaiiKit(')lHki mid Max Herrmaün.
Methode: Litteraturgesukichte : FranzUaiiicboB N. 2. — EoglischM N. 15. — DenUebM N. 19. —
Geschichte: AllKenieiiies N. 27. — Kritik N. 32. — Philosophie N. 33. — Oesamtdaratellungen N. 3«. — V«r-
BchiedonesN. 49. —
Die von Wetz im vorigen Berichtsjahr entwickelte Methode der vergleichenden
Litteraturforschung liat ein englisclier Forscher, der sich anf diesem Gebiet selbst aus-
gezeichnet hat, Herford '), charakterisiert, indem er ihren Urheber aus seinem Strasa-
burger Milieii erklärt: "Wetz übt das ilim natürliche Mittleramt zwischen deutscher und
französisclier Wissenschaft aus, wenn er seiner deutschen Methode die Verfolgung der
psychologischen Analyse, welche die französische Litteratur und Kritik beherrscht, zum
Inhalt giebt. — Diese französische Kritik, die von der deutschen Wissenschaft wenig
beachtet wird und auch den Jahresberichten wie alle ausländische Litteratur schwer
zugänglich ist, behandelt nicht nur Fragen im engeren deutschen Sinne des Wortes,
sondern die von uns so genannte Methode der Litteraturgeschichte. Ein Buch wie das
von Henne quin 2) über die wissenschaftliche Kritik will ein System der Litteratur-
forschung auf psychologischer Unterlage gründen, wofiir er das bezeichnende aber unbe-
holfene Wort Aesthopsychologie erfindet, vun sie von der vuieilenden Kritik als rein
wissenschaftliche Analyse zu trennen. Nach einem kurzen Abriss der Entwicklung der
neueren französischen Kritik, deren bedeutendsten Aufschwung er Taine zuschreibt,
stellt er sein eigenes Programm auf. Die Aesthopsychologie überlässt es der reinen
Aesthetik und der sogenannten litterarischen Kritik, den Wert der Kunstwerke und ihrer
allgemeinen Darstellungsmittel zu bestimmen; sie betrachtet das Kunstwerk nicht an
und für sich, in seinem Zweck und seiner Entwicklung, sondern als Seelenkünderin
einzig und allein auf die Beziehungen zwischen seinen Eigenheiten und gewissen psycho-
logischen und socialen Eigenheiten: „l'esthopsychologie est la science de l'oeuvre d'art
en tant que signe". Nach den Hilfswissenschaften, auf die sie sich vorläufig stützen
muss, zerfällt der erste grosse Teil der Untersuchung in drei Abschnitte: den ästheti-
schen, den psychologischen, den sociologischen. H.s Theorie der ästhetischen Analyse
geht mit Spencer von der Definition des litterarischen Kunstwerkes als einer Gesamtheit
von Phrasen aus, die bestimmt sind, ästhetische Emotionen, d. h. solche hervorzubringen,
die sich nicht in Thaten umsetzen. Der Kritiker hat nun zu fragen: welches sind die
Emotionen, die die Gesamtheit der Werke eines Autors erregt, und durch welche Mittel
ruft er sie hervor? Die Mittel zur Erkenntnis des Charakteristischen \\nrd ihm eine
ausgebreitete Belesenheit gewähren, wodurch er sich einen Durchschnittstypus der zu
untersuchenden Gattung gebildet hat. Aus einer längeren Untersuchung über die Unter-
schiede der ästhetischen Emotionen von den gewöhnlichen gewinnt H. ftir die Praxis
der ästhetischen Analyse den Satz, dass sie nur ein schwaches Zeichen von Freude und
Leid besitzen und dass man sie daher mit Exaktheit nicht nach diesen Koefficienten,
sondern nur nach der Idee, der sie im Kunstwerk assoeiiert sind, bezeichnen kann.
Weimgleich die Methode ziu* Bestimmung der Intensität von Emotionen erst im Ent-
stehen ist und auch stets subjektiv bleiben muss, so erhofft H. doch von einer gewissen-
haften Fixierung und Anwendung gradbezeichnender Prädikate einige Hülfe und meint,
I) Ch. H.Herford, Wetz, tihakespeare: Ac.40, S. 151/2.— 2)E.Hennequiii, I^ critiqn» scientifiqu«. D«azi»aM MitioB.
Jahresberichte fUr neuere deutsche Litteraturgesebicbte II (ii. '
I 1: 2 Szamatolski und Herrmann, Litteraturgeschichte. 2
dass man jedenfalls auch heute schon mit Citaten und Umschreibungen die drei oder vier
Hauptemotionen eines Werkes klar entwickeln kann. Als Erregungsmittel der Emo-
tionen hat man bei einem litterarischen Werk Aeusseres : Wortschatz, Syntax, Rhetorik,
Komposition, und Inneres: Personen, Orte, Intrigue, Leidenschaften, Gegenstand zu
untersuchen, wie H. es für den Roman geschickt an einem Beispiel durchführt und
auch für die didaktische Gattung, insbesondere die litterarische Kritik andeutet. Eür
die Nachbarwissenschaften verspricht sich H. von der ästhetischen Analyse: wertvolle
Materialien für die Verallgemeinerungen der Experimentalästhetik, Aufklärung über
Morphologie und Dynamik des Kunstwerks, Eörderung der allgemeinen Kenntnis der
Emotionen für die Psychologie. Die Subjektivität in der Wertung der Kunstwerke, die
man aus dem verschiedenen, persönlichen Charakter der Emotionen einwenden könnte,
betrifft nach H. zum grösseren Teil, zumal bei dem allseitigen und unparteiischen Aestho-
psychologen, den Grad aber nicht die Natur, die Quantität aber nicht die Quahtät der
Empfindungen. Wenn H. in diesem Teü das Kunstwerk betrachtet, insofern es auf den
Geniessenden wirkt, so in der psychologischen Analyse, insofern es ein Zeichen des
Pro du Gierenden ist. Hierbei will H. zwei Fehler vermieden wissen, von denen er auch
Taine nicht freispricht: die psychologischen Bezeichnungen sind meist zu allgemein
und ungenau, um wissenschaftlich zu sein, und mit der psychologischen wird meist
die sociologische Analyse vermischt. Die Aufgabe besteht darin, wenn ein Werk in
seinen ästhetischen, äusseren wie inneren, Eigenheiten zusammengefasst ist, in wissen-
schaftlichen, d. h. exakten Bezeichnungen die seelische Organisation des Autors zu be-
stimmen. Seine ästhetischen Eigenheiten werden von seinen natürlichen und erworbenen
Fähigkeiten, von seinen Neigungen und Idealen, also von Eigenheiten seines Geistes
bestimmt; durch Beobachtung und Folgerung kann man aus bestimmten ästhetischen
Erscheinungen auf das Vorhandensein einer bestimmten psychologischen Organisation
schliessen. Auch wenn der Künstler nicht nach seinen Fähigkeiten allein, sondern nach
einem Ideal produciert, wird dasselbe Verhältnis bestehen: denn mit Spencer sieht H.
in dem Ideal den durch ein Bild bewusst wiedergegebenen Abdruck der Fähigkeiten,
welche die Grundlage der Seele des Künstlers bilden. Wie ferner die ästhetischen
Eigenheiten eines Werkes sich aus einer gewissen Anzahl von Emotionen, Bildern,
Ideen usw. zusammensetzen, so nach Ribot der Geist, das Ich des Menschen aus einer
Folge von gleichen geistigen Phänomenen: also kann man mit Recht aus dem Kunstwerk das
Bild des Geistes ziehen, dessen Zeichen oder gar Teil es ist. Da nun die psycholo-
gischen Eigenheiten um so zahlreicher und wichtiger sein werden, je zahlreicher die
ästhetischen Eigenheiten sind, so ist die ästhopsychologische Methode um so frucht-
barer, je höher und schöner die Werke sind. Die Praxis der psychologischen Analyse
erläutert H. durch eine Reihe von Beispielen, in denen er feinsinnig ästhetische Zeichen
auf ihre psychologische Bedeutung zurückführt. H. zeigt auch den Weg, auf dem man
selbst Autoren, die die angestrebten Emotionen verheimlichen wollen, wie auch Nach-
ahmern und Geschäftsschriftstellern in der psychologischen Analyse beikommen könne.
Wie die ästhetische Analyse die von den gewöhnlichen abweichenden Eigenheiten fest-
stellt, so charakterisiert die psychologische den Künstler durch die Eigenheiten, die er
vor dem Durchsclmittsmechanismus der menschlichen Seele voraus hat. Axif Grund der
systematischen Psychologie von Spencer, Wundt, Taine usw. ist die Aufgabe "wässen-
schaftlich zu lösen: gewisse geistige Fakten, abgeleitet aus ästhetischen Fakten, setzen
eine unbekannte Intelligenz voraus, die zu bestimmen ist. Von einer weiteren Ent-
wicklung der Wissenschaft erwartet H. den Fortschritt bis zur physiologischen Hypo-
these. Durch eine so betriebene psj^chologische Analyse erhält auch die allgemeine
Psychologie zumal für die Erkenntnis des genialen Menschen wertvolle Materialien, wie
die Medizin von der praktischen Anatomie. Was H. nach seinem sorgsamen Schema-
tismus Theorie der sociologischen Analyse nennt, ist eine Polemik gegen Taine, den er
als Schöpfer dieser ganzen Betrachtungsweise zu Ungunsten der französischen und
deutschen Vorgänger (vgl. z. B. K. Hillebrand, Profile: Taine S. 221 ff'.) ebenso über-
schätzt, wie er sein System, das er lieber mit Taine selbst (vgl. Essais de critique : pre-
face) als Methode hätte würdigen sollen, einseitig auffasst. H. greift die drei Prinzipien
von der Rasse, vom Milieu und vom Einfluss des Wohnorts heraus. Die Wirkung der
geistigen Vererbung erscheint ihm unbestreitbar, aber so individuell zufällig und so ver-
wickelt, dass man nicht die Fähigkeiten eines Menschen aus denen seiner Rasse und
noch weniger umgekehrt schliessen könne. Der Einfluss des zeitlichen und socialen
Milieu wechselt ebenfalls und zwar nach der Kraft der Seele und den despotischen oder
liberalen, primitiven oder fortgeschrittenen Kulturverhältnissen, so dass man ohne eine
Untersuchung über diese nicht vom Milieu auf das Werk und noch weniger umgekelut
schliessen könne: der Künstler kann sich ihm so oft entziehen, wie er ihm unterliegt,
und auf Grund biologischer Untersuchung wiU H. beweisen, dass im Gegensatz zu den
anderen Lebewesen der Mensch sich nicht der Umgebung anpasst, sondern sich von ilu*
3 SzamattMflki und Herrmnnn. Littnraturgeschichte. I i:
trennt und befreit und dana, je weiter die Kultm loi (siim-itet, desto grösser die indi-
viduelle Unabhilngigkeit vom Milieu wird. Der EinflusH de« VVoluuu-tH könne in der
(itlniologischen Forschung keine Rechtfertigung tinden; und wenn er auch wahrschein-
lich sei, so sei er doch sehr schwach und schwer zu beobachten. Weinigieicli Taiiu-s
MeisterHchaft diese Prinzipien zur (teltung gebracht hat, so genügen sie do<h so wenig
zu (^ineni Schluss vom Kunstwerk auf eine Menschengruppe, dass man auf alle hocio-
l()gis(!he Aesthopsychologie verzichten müssto: in einer langen Doppelliste stellt H.
Scluiftsteller aller Zeiten und Länder gegenüber, die sich unter denselben Bedingungen
der Rasse, des Milieu und des Orts doch zu Gegensätzen entwickelt hätten. Kine Kritik
der Liste wie der ganzen Lehre kann mit Rücksicht auf die unten besprochenen
Arbeiten erspart werden. H. erwartet von der Aesthetik sociologische Ergebnisse nur,
wenn man sich nicht an den Künstler, sondern an sein Werk, nicht an seine Umgebung,
sondern an die Bewunderer seiner Werke hält. An einer Reihe von Beispielen ent-
wickelt H. mit geschickter Verteidig\nig gegen Widersprüche da« Gesetz: ein Werk
wird eine ästlietische Wirkung nur auf die Personen haben, die sich im Besitz eiiuT
geistigen Organisation befinden, die analog aber untergeordnet derjenigen ist, die zur
Hervorbringung des Werkes gedient hat und aus ihm abgeleitet werden kann. Die
Wirkinig eines Kunstwerks in räumliche und zeitliche Ferne und die Nachahmung voji
iiUeren und ausländischen Mustern lässt sich so wenig aus der Theorie von Rasse und
Milieu erklären, wie dass Kunstwerke und Künstler entgegengesetzter Richtung in der-
selben Rasse und demselben Milieu Beifall finden. Nicht das Milieu, das nach H. vor-
her übei'haupt keine bestimmte Existenz hatte, bildet die Künstler, sondern diese um-
gekehrt jenes: das Kraftcentrum liegt im Künstler inid nicht in der Ma.sse oder viel-
mehr in der abstrakten Aehnlichkeit, die zwischen einem Künstler und seinen Zeitge-
nossen bestehen kann. lieber Natur und Entstehung des Genies wissen wir nichts,
aber es übt, weini es einmal da ist, ein erkennbares Spiel der Anziehung luid Abstossung:
HO können wir zwar nicht die Genies aus den Nationen, wohl aber diese aus jenen ent-
wickeln, die Völker aus ihren Künstlern, das Publikum aus seinen Idolen, die Ma.sse
aus ihren Führern. So schliesst H. mit dem im vorigen Bande citierten Satz: eine
Litteratur drückt ein Volk aus, nicht weil es sie hervorgebracht, sondern weil es sie
bewundert hat. Man wird also Kritiken, Absatz, Honorar usw. studieren müssen; als
Ergebnis erhofft H. einen Beitrag zur Völkerpsychologie und zur Erkenntnis der Heroen
vnid Heroenverehrung. Diesen grösseren analytischen Teil ergänzt H. durch einen ge-
drängten synthetischen. Nachdem das Kunstwerk durch die ästhetische Analyse wissen-
s(;haftlich zerlegt ist, soll es durch die Synthese künstlerisch dargestellt werden, nach-
dem die Maschine in den einzelnen Teilen betrachtet ist, muss sie im Gang gezeigt
werden; H. weist darauf hin, wie hierfür die alte „litterarische" Kritik, falls nur die
wissenschaftliche Analj^se nicht unterlassen wird, vorbildlich wirken kann. Ebenso ver-
langt H. für die psychologische Analyse eine Ergänzung durch die Synthese, die ein
Lebewesen in seiner Entwicklung darstellen soU. Unter den zahlreichen Gesichispinikten,
die dabei zu beachten sind, führt H. auch Rasse und Milieu ein, wie hier überhaupt die
biographische Methode von St. Beuve und Taine zu ihrem Recht kommen: wenn die
Analyse die Menschen in ihren einzelnen Teilen in Ruhe gezeigt hat, so die biographische
Synthese, nützlich allein nach dieser Arbeit, den gesamten Mechanismus in Beweginig.
Entsprechend ist die sociologische Analyse durch eine Synthese zu ergänzen für da*«
Publikum, dessen Seelenstand aus dem von ihm bewunderten Werk abgeleitet ist.
Wiederum überschüttet uns H. mit einer Fülle von Mitteln, und zwar wiederum \u\ter
ausdrücklichem Hinweis auf die historische und sociologische Methode Taines, wodurch
aus dem psychologischen Skelett, das die Analyse ergeben hat, ein l)lühender leben-
diger Körper zu gestalten ist. Um das Verhältnis einer solchen Kritik zur allgemeinen
Geschichte zu beleuchten, entwickelt er zunächst in einer gegenseitige Erhellung
si)endenden Parallele zwischen dem Künstler und dem Heros in ihrer Stellung zur Ma.sse
seine eigene Geschichtsauffassung, die über die demokratische und statistische Betrach-
tung, flu' die Thierry und Buckle namentlich angeführt werden, auf die ältere Heroen-
verehrung, allerdings in einer biologisch und allgemein pliilosopliisch vertieften Fonn,
zurückgeht: das Bild aller tierischen, menscldichen und socialen Entwicklung ist di«^
Vibration und die Konsonanz; die eine entsteht, die andere wiederholt, pflanzt fort.
Gelegentlich der weiteren Parallele zwischen aktiver Bewunderung, des Heros, und
passiver, des Kunstwerks, kommt H. doch zur Erkenntnis, dass im späteren Verlauf
auch das Kimstwerk einen schädlichen oder nützlichen Einfluss auf die Wirklichkeit
haben kann, und modifiziert, indem er ihr Verhältnis zur Moral mit Fechner betrachtet,
darnach die am Eingang aufgestellte Definition des Kunstwerks. Sodann legt H. dar,
wie eine solche Kritik, eine so beti'iebene Aesthopsychologie der Litteratur und bio-
gi'aphische Psychologie der Heroen, der höchste und schäi^fste Ausdruck einer gewaltigen
Anthropologie ist. Aber die Geschichte der Heroen müsse noch hinsichtlich der Sicherheit
I 1: 3-7. Szamatölski und Herrmann, Litteraturgeschiflhte. 4
und Wichtigkeit hinter der Aesthopsychologie zurückstehen, weil deren Grundlage, die
Kunstwerke im Gegensatz zu Geschichtszeugnissen notwendig und gewissermassen
automatisch walirheitsgemäss sind. Da ferner moderne Heroen wie Friedrich, Napoleon,
Bismarck nur einen kleinen Teil ihrer Energie in Thaten umsetzen, so muss der Hinter-
grund von Gedanken und Emotionen ebenfalls durch litterarische Erzeugnisse auf dem
Wege der Aesthopsychologie erschlossen werden. Eine solche Untersuchung von hundert
bedeutenden Menschen wird daiui auch wohl Sicherheit über die Wirkung von Rasse
und Milieu bringen. Nachdem H. seine Lehre kxirz zusammengefasst hat, giebt er end-
lich in einem Anhang am Beispiel Victor Hugo den Plan einer vollständigen ästho-
psychologischen Studie. ^-^) — Gegen diesen Versuch hat sich ein von Hennequin selbst
als solcher namhaft gemachter Vertreter der „litterarischen" Kritik, Brunetiere^) er-
hoben und gegenüber den enthusiastischen Darlegungen Hennequins seinen Standpunkt
mit dem ihm eigenen Sarkasmus zur Geltung gebracht. Als stimmenden Einleitungs-
akkord giebt B. den Nachweis, dass Hennequin bei einem jugendlichen Eeuereifer für
Verallgemeinerungen einen gewissen Mangel an Kenntnissen, so in der erwähnten Liste,
an Belesenheit und Ueberlegung zeige. Aber trotz alledem und trotz der von englischer
Psychologie und Anthropologie, nach seinem echt französischen Stilgefühl, zu selir be-
einflussten und daher verdunkelten Ausdrucksweise erkennt B. die Wichtigkeit des von
Hennequin aufgestellten Problems einer Entwicklung des Menschen, des Künstlers
und seiner Bewunderer aus den Kunstwerken und einer so begründeten Menschheits-
geschichte an, aber mit ironischem Lächeln betont er überall die Schwierigkeiten, wie
besonders, dass Hennequin, verleitet durch die neuere subjektive, „lyrische" Litteratur,
die Lösbarkeit des Problems zu leicht genommen habe, und führt an einer Reihe von
Beispielen aus, dass der Künstler sich oft nur sehr versteckt oder gar nicht zeige: wir
sind komplexer, weniger homogen und überhaupt mehr Herr über uns, als Hennequin
mit den Parteigängern des Determinismus annimmt. Die Methode der ästhetischen Ana-
lyse samt dem idealen Massstab eines mittleren Typus sei schon von der ältesten „lit-
terarischen" Kritik gehandhabt worden. Dem sociologischen Programm stimmt B. jedoch
nicht nur in seinem Vorstoss gegen Taine bei, über den er eine tiefe Befriedigung em-
pfindet, sondern auch in allen Folgerungen der Lehre vom Publikum. Gegen Henne-
quins auf Fechner bauende Betrachtung, dass es in der Kunst keinen Wertunterschied
gebe, ausser durch eine Schätzung, die sich nicht auf die Schönheit, sondern die Güte,
nicht den Geschmack, sondern die Hygiene gründe, macht B. geltend, dass die Natur-
geschichte in ihren Klassifikationen nicht nach moralischen oder hygienischen, sondern
nach genealogischen Merkmalen verfahre. Dass Hennequin sich nicht auf den Stand-
punkt der natürlichen Entwicklungsgeschichte gestellt habe, leitet B. davon ab, dass er
über Taines „Rasse" und „Milieu" den „Zeitpunkt" ganz vergessen habe. Die Kritik
lässt sich nicht von der Zeit ablösen wie Chemie und Physik: wenn man das Werk auf
den Künstler und dessen Streben auf einen allgemeinen Seelenstand zurückgeführt hat,
so bleibt noch immer zu betrachten, welche Werke derselben Art vorausgingen und
Einfluss übten oder das ganze Werk bestimmten. Aber auch ganz grundsätzlich be-
kämpft B. Hennequins Streben, die Kritik zu einer Wissenschaft zu machen, wie die
gleichen Bestrebungen der allgemeinen Geschichte: wenn wissenschaftlich im strengen
Sinn des Wortes nur dasjenige ist, was auf jede Weise bedingt ist, in seiner Ursache,
seinem Verlauf und seiner Wirkung, so ist im Gegenteil nur dasjenige menschlich, was
frei ist oder dafür gilt; der wahre Fortschritt besteht also darin, nicht mehr für eine
Wissenschaft zu nehmen, was im wesentlichen eine Kunst bleiben muss. Von der
Wissenschaft besitze die wissenschaftliche Kritik selbst nicht einmal die Unparteilich-
keit, da sie das abgelehnte Geschäft des Urteilens im höchsten Grade betreibe; ob die
Kritik in der niederen Region einer morbiden Psychologie oder den Wolken eines trans-
scendentalen Idealismus wandle, sie endet doch immer notwendigerweise beim Urteilen,
und dies ist begründet im Interesse der Künstler und des Publikums, hauptsächlich
aber darin, dass ein Kunstwerk, bevor es ein „Zeichen" ist, ein Kunstwerk ist, das in
sich und für sich besteht und schon deshalb nicht im Vergleich mit Werken der Natur,
sondern im Zusammenhang der Kunstgeschichte betrachtet werden muss. Die Kunst
hat in sich ihre eigenen Gesetze, nach welchen ihre Erzeugnisse zu beurteilen und zu
betrachten sind. Hennequin will aus der Kritik einen Zweig der Psychologie, eine
Art Pathologie der Seele machen. — In die Diskussion über Hennequin greift auch
E. Tissot '') mit seiner Geschichte der neueren französischen Kritik ein, worin er die
Hauptmethoden zu definieren und ihre Bildung, Entwicklung, Geschichte, ihre gegen-
wärtige Wichtigkeit und endlich ihren ganzen Wert in den modernsten und berühmtesten
Beispielen darzustellen sucht. Seiner Würdigung der französischen Kritiker, die den
Paris, Libr. acad. Didier (Perriu). 1890. 24G S. Fr. 3/>0. - 3) (1 3:201). - 4) (I 3 : 74). - 5) (I 3 : 224, 248-50). - 6) F. Bruue-
tiÄre, La critique scientiflque. = Questiona de critique. Paris, C. L6vjr. 1889. 324 S. S. 297— 324. — 7) E. Tissot,
5 Sramatölski und Herrmann, Litt«raturgeKchichte. 11:8.
gröRsten Raum des Buches einnimmt, hier nachzugehen, würde zu weit führen, wenn-
gleich aus der Geschichte jeder Kritik, der nuslandischen sogut wie der deuUchen,
für unseren Gegenstand etwas lieransspringen könnte. Wohl aher uuiss neben dem Ab-
schnitt über irennequin seine allgemeine Rinteilung der Kritik in drei Art^n erwähnt
werden, für deren jede er zwei Beispiele bespricht. Die litterarische Kritik (Bru-
iietiere und Lemaitre) studiert das Kunstwerk unter dem ästhetisclien GosichtKptuikt
und beurteilt es nach einem bostinnnten Schönhoitscodex. Das Kunstwerk erMcheint
ihm als unabhängig entstanden und nicht als notwendig in «ler lang«Mi Folge von Ursachen
inid Wirkungen. Die moralistische Kritik (Fiarbey d'Aurevilly und Kdniond Kcherer)
studiert das Kunstwerk unter dem sociologischcn (iesicht«pinikt und b<;urteilt en nach
.Keinen Wirkungen, die sie für gesund oder ungi^sinul nach einem Moralcodex, sei er
von Jesus, Kant oder Spencer, beurteilt. Die aiuilytische Kritik fBonrget und Henne-
quin) studiert das Kunstwerk als Zeichen. Ohne die ästhetische oder sociologische
TTntersuchung zu vernachlässigen, unterscheidet sie Wirkung einer schftj>feriHchen Intel-
ligenz, deren Milieu und Rasse. Durch eindringende Analyse des Werkes, der Biogra|>hie
inid Genealogie enthüllt sie gewisse Arten des Denkens, Fühlen«, Lebens, die nach
Taine von einander abhängig .sind wie die einzehuni Organe eines Lebewesens. Der
analytische Kritiker, der sich nicht nur um die Durchführung einer ästhetischen Formel
oder einer religiösen Doktrin zu künnnern hat, vertolgt eine bogeistenide Aufgabe: die
Erforschung der Menschenseole. Weil er Sympathie für alle Seelen, d. h. Kunstformen
hat, ist mit Taine sein Verfahren der Botanik zu vergleichen, die nicht urteilt, sondern
feststellt und entwickelt; niemals jedoch wird die psychologische Analyse der chemischen
gleichzusetzen sein, weil das Geschmacksurteil stets subjektiv bleibt. In der Geschiclite
der analytischen Methode zeigt T., wie sie unter dem Einfluss des AufldühenK der
Naturwissenschaften erwuchs und wie insbesondere Taine trotz aller eigenen Sul)jek-
tivität der Kritik die Aufgabe einer Wissenschaft stellte und trotz seinen künstlerischen
und ])hilosophischen Neigungen die Methode der Naturwissenschaft in die Kun.stbe-
trachtung einführte. Der Uel)erblick über ihre gegenwärtige W^irkung zeigt, dass die
analytische Kritik nur von einem auserwählten Kreise ausgeübt und gewürdigt wird.
Indem M'ir den ersten speciellen Teil übergehen, der zu den unzälüigen Essais, deren
sich Bourget in Frankreich erfreut, einen neuen fügt, gelangen wir zu T.s Kritik von
Hennequins Lelu*e, über dessen bedeutende Persönlichkeit er auch einige interessante
Daten beigiebt. T. lässt Hennequins Behauptung, dass ästhetische Urteile über die
Emotionen nicht qualitativ, sondern quantitativ auseinandergingen, nicht gelten. Mit
Brunetiere nennt er die Massnahme an einem idealen Typus alt und sogar veraltet, da
man auf einen Fortschritt der Wissenschaft hoffen müsse. Mit Brunetiere lehnt T. für
die psychologische Analyse die absolute Entspreclumg zwischen Menschen und Werken
ab: zur Grundlage fordert er hier nicht allein das Studium des Werkes, sondern auch
die von Hennequin in die Synthese verwiesene biographische Untersuchung des
Menschen. Im Gegensatz zu Brunetiere bekämpft T. mit Entschiedenheit Hennequins
Polemik gegen Taines sociologische Theorie, wie ihm andrerseits Hennequins eigene Praxis
unmöglich scheint. Der Behauptung, dass es bei den stets zusammengesetzten Völkern
keine allgemeinen und festen Züge gäbe, stellt T. einfach die Charakteristik einiger
moderner Völkertypen gegenüber. Die Verschiedenheit zwischen bedeutenden Reprä-
sentanten gleicher Race sind eben durch verschiedene Lebensumstände, die, wie z. B.
das wichtige Moment der Erziehung, das Milieu ausmachen. Gegen die Annahme, da«
Milieu sei nicht von grosser Bedeutung, weil die Menschen sich ihm so oft entziehen
wie sie ihm unterliegen, citiert T. Renans Satz, man gehöre auch zu seiner Zeit und
Rasse, wenn man gegen sie reagiert. Wie Hennequin alle feineren Unterschiede Ober-
sieht, zeigt T. an der Hand der erwähnten Liste dadiu-ch, dass er mit kurzen Be-
merkungen hervorhebt, wie diese scheinbar unter gleichen Bedingungen zu Gegensätzen
entwickelten Menschen zu verschiedenen Zeiten oder in verscliiedenen Gegenden oder
in anderen Umgebungen usw. lebten. Auch die Bedeutiuig des Jugendwohnorts will
T. nicht fallen lassen. Wenn. Hennequin schliesslich meint, dass all diese Einflüsse
zwar walu'scheinlich, aber schwach seien und daher gefälirlich zu benutzen, so hält ihm
T. entgegen, wie gefährlich es sei, aus der Masse der verlogenen gleichzeitigen Zeug-
nisse den wirklichen Einfluss eines Künstlers zu erschliessen. Ueberhaupt findet T. eine
Naivetät darin, die sociologische Kritik auf die psychologische, weiter auf die ästhetische,
d. h. die ganze wissenschaftliche Kritik auf etwas Subjektives gründen zu wollen, wie
Hennequin denn thatsächlich urteilte, ohne zu beweisen. T. sieht in Hennequin als
praktischem Kritiker weniger einen Psychologen als einen feinsimiigen Aesthetiker.
Zum Schluss des Bandes ergreift T. nochmals das Wort t\ir die analytische Kritik als
die einzige Methode, mehrere Arten der Schönheit zu begreifen. — Wer den oben be-
sprochenen Aufsatz von Brunetiere ^) recht beachtet hat, wird sich nicht, wie Anatole
Les 6volutions de la critique franjaise. Paris, Libr. acad. Didier (Perrin). 1890. 373 S. — 8) F. Brnneti^r«, L'^Tolatioa
des genres dans Thistoire de la littörature. Le9ons professöes i l'teole normal« sup^rieare. Bd. I. (= iBtrodactiom. L'AtoIh-
I I, SzamatoUki and Herrmann, liUentwrgeeehkhte. «
France ^vgl. n,} gerade über die neoesle Evoliitüm dieses scinrer gdelirten and doch
v-ielgewandten LitterarfaistoriJcer» and Kritikerg gar so sehr wandon. Im Kampf ^egen
Vertreter der naturwissenschaftliclien Blchtong in der Kritik hat B, ihre Warfen schätzen
gelernt und sich non selbst aas ihran Arsenal renalen. In dem aosgespiociieaen Be-
ifttisstHein, eine Idee anfennehm<gi, nur w«H er sie zar Zeit in ßdtong and Wirkang
meht, aber nicht weil er selbst darüber irgend CTie Meanang besitadt, baat er seinoi
weif angelegten Cyclos von Yoriesan^en aof äea Grondgedanken der nat&rlichCT Ent-
wirk] ungKge«chichte. Dem ersten "^il dieses Werkes sdiickt er eine Einleitang aber
allgemeine Idee, Programm und Einteilang des Gvszen Toraos, worin er zeigt^ wie er
die EntwicklungsÜieorie für die Litteratorgeschichte and Kritik za verwoiden gedenkt.
An Beispielen der Mal^-ei and IHchtong zeigt B., wie jede neae Kanstart bei ihrem
Ursprung al» Abzweigung and in ihm* Eotwickfanig ab Eirweitarung der Torfaagphen-
den erscheint und wie sich nun die Angabe einstrilt, die Beaädini^iiea der Tersdiiedencn
Tonnen untereinander zu bestimmen und die Ursadien ihr«r Idrtwicklang za benennai.
Nach diesen genealogischen Fragm kommen die ästhetischen, ob and warum eine Fem
der anderen fiberi^en ist^ enähsh. die wissoiscliafilidie, ob es ein der fisrtschrNtenden
Differenzierung der natfirlichen Arten analoges Gesetz fbr die Kitwicklung der Dichtongj»-
artcTi giebt. Als Einleitung in eine so resstaiidcaie Entwiddungsgeschidite der Dichtangs-
arten will B, im ersten Bande die Gesdiidite der Kritik düzzaezen, wie diese von einer
einfachen Meinungsäasserung zu einer der Katoi^gesdiidite anadogai WisBcmsdiaft wurde.
Die allgemeine Frage der Entwicklung beqgreift für die Kunst Ibnf Fragen in sich. Die
Existenz der Arten: haben sie ein wirkliches ebenes Leben odo* nur von der Kritik
Gnaden? Sodann die Differenzierung d«- Artoi: wie entwi^eln sie sich? Ueber die
Fixierung der Arten: wie konunen sie zu einer historischen, d. h. nidit nur theoretischen
Existenz, also zu einem zeitlich umgrenzten Bestehen? Ueber die Modifikations-
Iredingiingen der Arten: wodurch verändern sie sich? Ueber die Umbfldung der Arten:
wie entsteht eine Art, wächst, erreicht ihre Höhe, neigt sich und vngeht, od«- wie bfldet
»ie sich in eine andöe um? Da B. nun diese Frage an der Hand der nenet^en Ent-
wicklungstheorie beantworten will, so wird er diese Ldire zunächst in ihren finkh-
sophischen Grundlagen beleuchten, sodann in dem bescmdo^n Anteil Darwins, Spencms
und besonders Häckels und endlich in ihroi letetoi F(ni»chrittai, Sodann wird er die
Fragen nach folgenden Gesichtspunkten beantworten: die erste ist zu bejahen aitqitechend
der Verschiedenheit der Mittel jeder Kunst, der Verschiedoiheit der G^^ienstände jeder
Kunst, der Verschiedenheit der Geisti»£unilien; die zweite ist zu eile^gera nach d«n
Gesetz der Divergenz der Charaktere : die dritte hängt zusammen mit der Frage der
ßeife einer Art; bei der vierten dringen mit dem neuoi System Erblichkeit odo* Bnfi«r
und Milieu, zu welch letzterem gec^raphische und kümatisdie, sodude und histoiische
Bedingungen gehören, in Bjb litterariiistorische Theorie ein, dabei aber aach die Indivi-
dualität, in der er, ohne in Carfyles Herooiverehrang ver&Den zu wollen, ein Hanpt-
moment der EntT»'icklung sieht; die letzte Frage beantwortet B. nach der ,.natärlichen Aus-
wahl'^, wobei er, hier wie überaU, die litterarisdoirai Beispiele aus dem Vollen schöpft
Zum Schluss der Einleitung gewährt B. einen Ausblicke auf die vaö^ehea Ergebnmse
seiner Untersuchungen, zuvörderst über die Bestimmung der Kunst, besoodos aber ober
das Verhältnis der Kritik zur VTissenschaft. Wenn die Kritik auch keine Wissenschaft
ist und ihren Namen nicht verdient, so hat sie doch ihre Methoden, und auf diese und
nicht auf Caprice und Phantasie gründet sich das Urteil derjenigrai Kritik, die nicht vcwi
selfist Produzierenden geschrieben wird, sondern von Leuten, die nur Aesthetik und
Geschichte treiben und auf eine feste Grundlage die Hierarchie der Produktionen gründen.
Trotz allem Spott bleibt die Klassifizierung eine ernste Au%abe in Verbindung mit der
ebenso zu Unrecht veriiöhnten Vergleichung der Kunstwerke. So gut wie vergleichende
Anatomie, vergleichende Physiologie und vergleichende Phflologie giebt es auch v«--
gleichende Kritik und Litteraturgeschichte. Die Klassifikation ist das Ziel aller Wissoi-
schaft, wie die Naturwissenschaften zeigen; und jeder Fortschritt der Wiss^ischaA
besteht in einem Fortschritt der Klassifikation; wie die Naturwissenschaften vom Unge-
ordneten zum Systematischen, dann zum Natürlichen und endlich zum Crenealogischen
fortgegangen seien, so habe auch die Kritik diesen letzten Schritt zu thun. Indem B.
ihr hierzu verhelfen ndll, ist er sich bewusst, die Geschichte der Kritik, die er schreiben
will, selbsthätig fortzuffeluren von dem Punkte an, wo sie mit Taine stehen blieb: hat
Taine, der die naturwissenschaftliche Methode in die Kritik brachte, sich besonders auf
Saint-Hilaire und Cuvier gestützt, so will B. an Darwin und Häckel anknüpfen. B.S
historische Skizze der neueren firanzösischen Kritik muss daher, wenngleich natürlich
überall Streiflichter auf B.8 Methodenlehre fidlen, so z. B. bei VOlemain auf die von
B. gern behandelte Frage über Dilettantismus und Individualismus in der Kritik, be-
sonders doch in dem Abschnitt über Taine interessieren. Im ganzen zoUt B. hier Taine
eine unvergleichliche Anerkennung und stellt ihn hinsichtlich seiner historischen Be-
7 Szamatolski und Htrriii«Tin. lätteratui^gesrhichte. 1 1: •-"■
dfutunjz uelten Hegel: im einzelnen brin^ er freilidi Qkerall seine Bedenken an. So
B die Bedeutung der g^enseitigen Abhängi^eit kultureller und litiervischer
einungen zu, die Taine nach dem Vofijang der Naturgeschichte in der Kanstge-
,te beobachtet, aber er bestreitel ihre Not ' it und damit ihre Geltung al«
z, weil sie von der gesetsmäflmg nicht b. Erscheinung einer bestimmten
dualität abhänge. So erscheint ihm die voj* Taine angewandte Bestimmung des
fliehen oder vorbMTSchenden Charakten« for die Litteraturgeschichte von geringerem
Werte al« fer die Naturgeschichte, weil man damit gerade die Individualitat nicht trifl^.
Aurh die Bedeutung von Bawe und Milieu erscheint ihm, und zwar gerade durch die
!ieue«te Entwicklungstheorie, sehr vermindert: durch den .,moment- allein ist B. bereit
alle« zu erklärea, wa» in einem litterarischen Kunstweik durch allgemeine Gründe
wirk lieh erklärbar ist. Auch studierten wir die Werke nicht, nur um den Menschen im
KuiiHtler kennen zu lernen, sondern um die Werke selbst durch Urteil zu vergleichen,
'lurch Verirl^ichung zu klassifizieren. Der einzige Unterschied von der alten Aesthetik
<x\eT Kritik l>e«teht darin, dass diese zum Ausgang nahm, was erst das Ziel sein sollte:
«lie Definition des Schönen. B. sucht darzulegen, wie auch Taine zur Verwendung von
\Wrtmes»em, so dem wesentlichen Charakter, dem moralischen Wert, dem Zusammen-
fr«-rfen der Effekte, auf seinem Wege gelangte, sind zeigt, wie in diesen Punkten teils
lie alte Aesthetik sich mit Recht behauptet, teils seine eigene Befriedigendere« zu leisten
}iabe. Nachdem so lange die Kunstwerke als Dokumente b«^trachtet worden seien, mfisse
man einmal an Stelle der Relativität das Absolute setzen: die Kunst sei zwar der Aus-
druck der Gesellßchafr, aber ihre Aufgabe bestände nicht hierin, sondern in der Ver-
wirklichung der Schönheit. Man beschäftige sich also mit den eigensten und innersten
Tendenzen der Kunst, wenn man sie in dieser Hinsicht beurteile und klassifiziere.^ und
man beachte einseitig nur die Hälfte von Taines Werk, wenn man über seiner Unter-
suchung der Kunst ^ Zeichen seine Schätzung ihres Schönheitswertes übersehe. Indem
B. nochmals betont, dass die so verstandene kritische Methode sich mehr als eine andere
den NatiuTvissenschaften nähere und deren vorbildliche Wirkung erst recht fruchtbar
mache, giebt er zvun Schluss einen imposanten Umriss von der gewaltigen Aufgabe, die
seit Taine dem Kritiker beschieden ist. Der Abschnitt Ober Taine ist dadurch besonders
interessant, 'dass hier deutlicher noch als in der allgemeinen Einleitung unter dem Löwen-
fell der evolutionistischen Theorie, das B. sich der Mode zuliebe überwarf, der ästhe-
tische oder litterarische Kritiker zu erkennen ist, wie ihn Hennequin und Tissot
zeichneten. ») — Die öffentliche Feuertaufe empfing Brunetieres Methode in der neuen
Gestalt durch eine Polemik mit dem liebenswürdigsten und geistreichsten Vertreter der
Pariser Tage^kritik, Anatole France. Der Streit ist höchst ergötzlich anzuschauen, denn
er verläuft elegant und nicht verletzend wie ein echt französisches Duell. France")
hatte in einer Studie über den ihm litterarisch nahverwandten Jules Lemaitre seine all-
gemeinen Ansichten über Kritik aus der koketten Vorrede zum ersten Bande seiner
gesammelten Aufeätze wiederiiolt und demgemäss sich gegen die Möglichkeit einer
objektiven Kritik ausgesprochen. Ein guter Kritiker ist ihm derjenige, der einfach die
Erlebnisse seiner Seele beim Genüsse eines Kunstwerkes erzählt: er muss sich bewusst
bleiben, überall von sich selbst zu sprechen, gelegentlich Shakespeares, Racines oder
fToethes. So wenig wie eine objektive Kunst giebt es eine objektive Kritik: denn wir
sind in unsere Persönlichkeit wie in einen ewigen Kerker eingwchlossen, aus dem wir
uns so wenig befreien können, als wir jemals die Welt mit den Facettenaugen der
Fhcfif oder dem einfachen Gehirn des Orang-Utangs betrachten werden. — Gregen diese
^^j/f- richtet Brunetiere") seinen Angriff, um mit ihnen nicht nur France, sondern
zugleich Lemaitre und Desjardins, die gesamte impressionistische Kritik zu widerlegen.
Mit höflicher Verbeugung vor den Fälligkeiten seiner Gegner erkennt B. die Bequem-
lichkeiten der impressionistischen Kritik an, da sie alle Widersprüche beschönigt und
auch das eigentliche Studium der Bücher und ihrer Gegenstände erspart. Aber darum
sei sie noch nicht berechtigt, alle objektive Kritik zu leugnen. Wenn wir auch keine
Fliegen und Orang-Utangs sind, so sind wir doch Menschen und dies hauptsächlich
durch die Macht, aus uns herauszugehen, um uns zu suchen und wiederzufinden und
uns zu erkennen in anderen. Trotz aller Relativität und Subjektivität der Empfindungen
ist doch die Fähigkeit, sie zu empfinden, überall ähnlich oder fast gleich, von derselben
.\rt, wenn nicht vom selben Grade: das ist eine Haupteigen tümlichkeit, wenn nicht ein
Teil der Definition des Menschen. Mit Lemaitre selbst kann B. den Satz verteidigen,
dass die Meinungen unter „wirklich gebildeten Mandarinen- gar nicht so sehr verschieden
seien. Mit einem grossen Aufwand litterarischer Beispiele und geschickter Verwertung
tiom 4a b ccitiq«« «efw b wiiwiBCe ]«•«■'» ■«• jovm.) Pwi«, HaAsitU. 1800. 28S 8. - •) XX i- >■ StierBet.
L'«T«tatiM 4» U critifM: ÜBatea 10, 8. 122-38. — M) A. Frame« . L» vi« UtUnin. DanUiM mn». Paria, C. LAvy.
ISn. xm, 374 S. imer kovMB S. 176 7 ia Betneht) — H) F. Braaeti«ra. Saaaia av la WMutmn iiia«aw|iiniai
Paria, C. Ürj. 1892. 3(7 S. (Hier kummi ta Batraekt: L* eritäfaa itaaaaioaiata, S. 1-30. AMi; au K& 1 Jaa. IML) —
I 1: 12-19, Szamatölski und Herrmann, Litteraturgeschichte. 8
der Schriften der Gegner seihst entwirft er in schnellen Umrissen Grundlagen und Auf-
bau der objektiven Kritik, d. h. seiner eigenen Methode des Urteilens, Vergleichens,
Klassifizierens, deren naturwissenschaftliclvein Geiste gegenüber ihm der Impressionismus
in der Kritik veraltet und überlebt erscheint. B. erkennt ihm überliaupt keine eigent-
liche Begründung zu, sondern erklärt ihn durch den Umstand, dass alle diese impres-
sionistischen Kritiker im Grunde des Herzens dichterische Ambitionen nähren und nun
vorläufig auf diesem Wege von sich geben, was sie einst in anderer, persönlicherer
Form einem Gedicht, Drama oder Roman als Seele einhauclien werden. Die Gefahr
liege darin, dass nach ihnen, die als „gebildete Mandarinen" in all ihren persönlichen
Anschauungen noch ein gut Stück lieilsamen Dogmatismus aussprechen. Ungebildete
kommen werden, oder schon gekommen sind, die mit der Litteraturgeschichte und Tra-
dition zugleich die eigentliche und schönste Aufgabe der Kritik, wie sie sich auch dem
Franzosen vor allem in Lessing verkörpert, vergessen werden: der Kunst die Wege zix
weisen. Nicht für die Schaustellung seines eigenen Geschmacks habe der Kritiker zu
sorgen, sondern, um mit Renan zu sprechen, dafür, dass die Welt nicht vom Charla-
tauismus verschlungen werde. — Die Erwiderung von Franceia) ist ein Meisterstück
seines Stils und der Polemik. Seinem Charakter getreu giebt er statt einer theoretischen
Darlegung wie Brunetiere eine Verteidigung seiner Persönlichkeit. Sätze allgemeinen
Inhalte, die seine Gesamtaufifassung verraten, sind nur spärlich. F. räumt Brunetiere
ein, dass in der Theorie die Kritik, als aiif den allgemeinen philosophischen Grundlagen
der Wissenschaft beruhend, mit dieser auch die Gewissheit teilt. Aber in Wirklichkeit
seien die Ringe der sie verbindenden Kette stellenweise so verwirrt, dass sie selbst der
Teufel nicht auseinander bekäme. So solle man lieber ohne Gewissheit von schönen
Gedanken und schönen Formen sprechen, als schliesslich ganz schweigen. Nur wenige
Gegenstände der Welt sind der Wissenschaft so unterworfen, dass sie sich durcli sie
darstellen oder voraussagen lassen: die Dichtung wird niemals dazu gehören. F. wird
hier freilich Brunetiere nicht ganz gerecht, der ja mehrfach die Lieberschätzung der
objektiven Kritik als Wissenschaft selbst bekämpft hat. — Das oberflächliche Bild der
])sychologischen Kritik in Frankreich, das Rells ^^) an der Hand von St. Beuve, Taine,
Hennequin und Bourget entwirft, wird durch die schnellfertigen Einwände und schiefen
Zusammenfassungen des Vf. nicht interessanter und wertvoller. — Ueber Hennequin,
Tissot und Brunetiere gab R. M. Meyer i*) einen anregenden Bericht, der sie glücklich,
wenn auch etwas rasch charakterisiert und von ihnen hofft, dass sie eine „Evolution
der Kritik" auch in der litterarischen Anarchie Deutschlands zur Reife bringen werden.
M. hat auch auf die Verdienste der deutschen Litterarhistoriker um die Geschichte
der Kritik und vor allem auf Scherers eigenen praktischen Versuch auf diesem Gebiet
hingewiesen. Endlich bespricht M. die an Hennequin anknüpfenden Untersuchungen
des Engländers Robertson, wie er denn neben A. France auch den englischen Kritiker
Andrew Lang erwähnt. —
Auch ein Vertreter der englischen Kritik hat sich im Berichtsjahre vernehmen
lassen: Saintsbury i^) giebt einer Sammlung von Essays über dreizelm Männer aus
der englischen Litteraturgeschichte einen einleitenden Abschnitt bei, der über Methode
handelt. Er wendet sich vornehmlich gegen Hennequin und seinen AnsprucJi, den Weg
zu einer wissenschaftlichen Kritik i^) zu weisen: dieser Weg kann nur zufällig einmal
richtig zum Ziele führen, das gerade so gut auch von der subjektiven Kritik erreicht
werden kaim; S. hat auch in Brunetiere den verkappten Anliänger der bisherigen Praxis
erkannt. Jeder Versuch, grundsätzlich über das unwissenschaftliclxe Verfahren des
blossen Geschmacksurteils objektiv hinauszukommen, wird an dem neckenden Dämon
des Individuellen, an dem grossen und glänzenden Geheimnis der Idiosynkrasie des
Künstlers scheitern, niemals zu der Unterscheidung des echten Dichters vom unecliten
füliren, niemals den Grund der künstlerischen Wirkung darlegen. So bleibt der Kritik,
wie es scheint, nur die gewöhnlich von ihr erfüllte Aufgabe^'^-^'*), nicht das Können des
Dichters zu erklären, sondern das Können des Kritikers zu zeigen, seinen Stil, seinen
Witz, seine Gelehrsamkeit, seine tiefen ästhetischen Theorien oder endlich wenigstens
seine Fähigkeit, eigene Wohlgefallens- oder Missfallensausdrücke aufzuzeichnen. S.
meint nun aber, dass die Kritik darüber hinaus auch zu einem Urteil verhelfen köinie,
indem sie sich nämlich zu einer vergleichenden Kritik ausbildet, die das vorliegende
Produkt zur Abmessung seiner Bedeutung neben ähnliche Werke hält. So wird sie es
zu gewissen Generalisationen bringen und dem Leser allmälüich als eine Art Litteratur-
12) A. Franco, La vie littüraire. Troisiöine söric. Piiris, C. L6vy. XIX, 406 S. (Hier kommt dio Vorredp in Betracht.) —
18) W. Beils, ]). psychologische Kritik in Frankreich: VossZgS. N. 21. — 14) R. M. Meyer, E. Hennequin (vgl. o. N. 2):
John M. Robertson, essays toward a critical Method. London, Fisher Union 1889; F. Bruiietit'sre (vgl. o. N. •").) ; E- Tissot (vgl. o. N.4.):
DLZ. 13, S. 365/«. - I5)G. 8»intsl)ury, Essays in english litteratire 1780-18G0. London, Porcival & Co. ISiHl. XXIX, 451 S.
(Hier kommt in Betracht: Introduotion, the kinds of triticism.) — 16) X (^egen die wissenschaftliche Kritik: AZgR. N. 82. (Aus-
»UjT »US der Einl. v. N. 15.) — 17) (1 3 : 109). — \B) (1 3 : 70). — 19) Ernst Groth, D, Aufgabe d. Litt,-Gosch.: GrenÄb.
9 Szamatölski und Hfirrinaiin, Literaturgeschichte. I 1: 20.
atlaK {liüiieii, aus dein er die La^c» einiger J*iiiikt(! foHthaU«ii und damit dan Mittel lernt,
die Lage der neu gebotenen einigerinaHsen siclier /u beHtiinmen. „Coinpare, alwayn
corapare", ist S.h Waldspruch ; diese« Vergleichen freilich läuft naturgemäsH wieder auf
die Vorbringung fertiger subjektiver Urteile hinaus. —
Eine passende, wenn auch niclit sehr erfreuliche Ueberl<^it)Mig zu den deutschen
Beiträgen zur Methodeidc^ine bietet E. Groth'*) mit seinem umfänglichen Aufsatz über
die Aufgabe der Litteratnrgescjiichte. Weini man gerade von den französischen Arbeiten
lierkoirunt, merkt manjbald, dass G. diese nicht nur an den wenigen St(dlen, wo er Namen
iicinit, sondern überall gi-ündlich ausg»Mmt/t hat. So ist gleich die Einteilung der
Litteraturgeschichte nadi den verschiedcMicn Metiioden eine nur wenig durch G.s eigene,
im vorigen Bande besprochene, Ansiclif veränderte Wiedergabe der Aufstellung von
'^1 issot (s. o. N. 7), dessen Name seltsanu^rweise nirgiMids genannt ist. Di(i Anwendung
auf deutsche Verliältnisse ist teilweise recht unglücklich. Kulturgeschichtlich-analytisch
heisst bei G. di(5 Richtung, die ihm neben Taine unser Gervinus repräsentieren muss.
Passendei" tritt für die christlich-moralisierende Richtung in Deutschland Vilmar auf.
Als ästhetisch-dogmatisch nennt G. die Hegelsclie Schule. Dazu kommt die, sclion
früher (JBL. 1H90.) von G. als Deutschland eigentündich genannte, philologisch-
antiquarische Richtvnig, in deren Reihen G. neben Elze denjenigen Eührer der deutlichen
Litterarhistoriker schieben will, der doch vor allen die analytische Richtung vertreten
liat: Scherer. Einen schweren Fehler begeht G. durch die Vermengung französischer
luid deutscher Bestrebungen, die nur erlaubt wäre, wenn er ein allgemeines dogmatisches
Programm gäbe, während er docli eine Art kritischer Uebersicht miternimmt. Freilich
ist auch diese in sich wenig gelungen, zumal in den ersten beiden Teilen, die die
grössere Hälfte des ganzen Aufsatzes ausmachen. Den ersten Abschnitt füllt eine ge-
waltige Diatril)e gegen die Philologen, die man in all ihren UeV)ertreibungen wohl dem
m-spi-ünglichen Vf., der bei einem längeren Citat auch genannt ist, Wetz, nachsehen
kann, nicht aber dem kritischen Betrachter, dem abwägende Gereclitigkeit geziemt, lieber
diesen Teil braucht mit Rücksicht auf JBL. 1890 nichts weiter bemerkt zu werden, als
etwa dass das Wort voi\ unseren Litteraturgeschichten als Wörterbüchern nach chrono-
logischer Folge aus Brunetieres Vorrede (s. o. N. 8) stammt. Auf Brunetiere, dessen
Name allerdings nur ganz gelegentlich für ein bestimmtes Citat genannt wird, geht auch
fast der ganze grosse zweite Teil zurück, der in einer Polemik gegen Taine besteht, wie
sie freilich in dieser sich überstürzenden radikalen Form von Brunetiere nicht gebilligt
werden würde. Voraus geht der Form halber eine Bemerkung tiber oder vielmehr aus
Gervinus (s. o.) und über den Streit zwischen Geschichte und Kulturgeschichte,-
deren deutsche Vorkämpfer Schäfer und Gothein, im Gegensatz zu der auffallenden Be-
handlung französischer Quellen, sorglich genannt sind. Deutschen Ursprungs in der
Polemik gegen Taine ist mir die schon von Wetz, gegen die Philologen, erwähnt«
falsche AiifFassung von Herders „Cid" : gegenüber diesen beiden Streitern wider die philo-
logische Richtung in der Litteraturgeschichte ist die Bemerkmig am Platze, dass die
Aufdeckung dieses Irrtums gerade dem Bravsten unter den braven Philologen, Reinhold
Köhler, zu danken ist. Li dem dritten Teil, über die christlich-moralisierende Richtung,
hat G. sich wieder an Tissot gehalten, jedoch auch selbständig einige Bemerkungen über
Vilmar und Lessing hinzugethan. Der nächste Teil, über die ästhetisch-dogmatische
Richtung, besteht fast ausschliesslich in einer Aufzählung ihrer französischen Vertreter
nach Tissot (jedoch Theurief statt Theuriet und Jaquet statt Faguet), und hierbei wird
aucli einfach Brunetiere genannt, der doch auf Grund seines oben dargestellten und G.
wohlbekannten W^erkes, das allerdings erst nach Tissot erschien, zu charakterisieren
gewesen wäre. An diese vier Richtungen schliesst G. eine fünfte, die er unter engstem
Anschluss an Wetz als vergleichende Litteraturgeschichte darstellt: sie sei jedoch erst
möglich, wenn die beschreibende Litteraturgeschichte ihre Aufgabe erfüllt habe. Ihr
Ziel kann aber diese nur dadurch erreichen, dass sich die vier Richtungen vereinigen
und gemeinsam von einem einheitlichen Gesichtspunkt aus eine wirklich pragmatische
Geschichte und keine blosse Chronik zu Stande bringen. Diesen Gedanken, der bei
G., nachdem er jede Richtung für sich in Grund und Boden geschossen hat, nicht recht
eiiüeuchtet, sieht er in ten Brinks Rede vei-wirklicht, deren Analyse den versöhnenden Ab-
schluss des zersplitterten Aufsatzes bildet. — Den Ausftihrimgen ten Brinks 20) selbst
gerecht zu werden, ist nicht ganz leicht, zumal in der liier verlangten Inhaltsangabe:
diese mnss, um einigermassen innerlich zu sein, Stellung zu der Frage nehmen, ob M-ir
bei dem durch die Notwendigkeit, ganz kurz vor Nichtfachmännem |zu reden, durchaus
erkläi'ten sprunghaften Vorgehen des Vf. in dem Ganzen nur einzelne Bemerkungen zur
Litteraturgescliichte oder aber eine Gesamttheorie der Wissenschaft zu erblicken haben.
50, S. 260—76. — 20) B. ten Brink, Ueber d. Aufgabe d. Litt.-Üesch. Rpotormtsreden d. UhIt. SbfMsbnrg 1890. StrMsburg,
Heitz. 28 S. M. 0,60. (Kede, geb. »m 1. Mai 1890, d. StiftgsUge d. Kaiser-Wilholms-Univereittt Strassbnrg.) |[K. Bnrdach:
I 1: 21-22. Szamatolski und Herrmann, Literaturgeschichte. 10
Die erste Aiiffassung, von Wetz in seiner eingehenden Kritik (s. u. N. 24^ vertreten,
liat die Praxis des ausgezeichneten Litterarhistorikers ten Brink für sich, die durchaus
nicht auf die Anwendung jener knappen Tlieorie beschränkt ist; trotzdem müssen wir
wohl die zweite, die Burdach in einer Anzeige voll warmer Anerkennung für B., voll
heftiger Angriffe gegen Andersdenkende andeutet, für massgebend halten, weil dieser
Kritiker sich auf persönliche Mitteilungen B.s berufen darf. Nachdem B. einleitend die
Litteraturgescliichte als eine Wissenschaftsform bezeichnet hat, welche mitten in dem
Streit über den Vorrang des Alten oder des Neueren die lebendigste Gegenwart mit der
entlegensten Vergangenheit verknüpft, welche aber, um leben zu können, weiteren Kreisen
der Nation innigere Teilnahme ablocken muss, geht er in seiner Betrachtung des Begriffes
Litteratur nicht wie die Franzosen von der Frage nach der Art der Beurteilung aus,
sondern von dem Problem: wie scheidet man das seit dem Zurücktreten jener Kultur-
zustände, in denen Poesie, Wissenschaft und religiöser Glaube im Mythus ungesondert
bei einander lagen, für sich selbst bestehende wissenschaftliche Schrifttum von der
eigentlich allein für die Litteraturgescliichte in Betracht kommenden Produktion, zu der
B. ausser der Dichtung auch die Geschichtsschreibung und die populäre Wissenschafts-
darstellung rechnet? Für das wichtigste Kriterium hält er die Darstellungsweise, pro-
testiert aber zugleich gegen die öfters beliebte Auffassung der Litterarhistorik als der
Wissenschaft, welche die Entwicklung der Kunst sprachlicher Darstellung aufzeigt.
Immerhin jedoch steht ihm diese im Vordergrund des litterarhistorischen Interesses,
und hier schiebt B. in einem kurzen Satz namentlich die impressionistische Kritik als
minder wichtig bei Seite. In solchem Sinn ist ihm Ijitteraturgeschichte, angewandte
Poetik und Rhetorik, und auf den nächsten Seiten erhalten wir nun eine Art ten Brink-
scher Poetik, freilich ohne einen Hinweis auf die Methode, die die Litteraturgeschichte
bei der praktischen Anwendung zu befolgen habe. Feinsinnige Andeutungen gelten
zunächst der äusseren Redeform, sie verweisen die Metrik auf die Rhythmik der Sprache,
auch der nicht gebundenen, und das Ethos der Metren, die unlösliche Verbindung von
Metrum und Gehalt in echten Dichtungen, die äusserliche Zusammenfügung bei den
Nachahmern: sie betonen die Wichtigkeit der Lautsymbolik für die Erregung und Dar-
stellung von Stimmungen und Gefühlen. Daneben stellt B. auch noch die Wortwahl,
für die stets neben dem Vorstellungswert des Wortes ein gewisser Gefühlswert in Be-
tracht komme. Daran schliesst sich die Betrachtung der inneren Redeform: mit welchen
Mitteln wird die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Seite des zu veranschaulichenden
Gegenstandes gelenkt? So hat die rhetorische oder stilistische Syntax zu zeigen, wie
die Auswahl der Vorstelkuigen, ihre Abfolge, die Art ihrer Verknüpfung sprachlichen
Ausdruck gefunden haben. Diese Sphäre und die des geistigen Inhalts eines Kunst-
werkes verbindend und in beide hineinragend folgt das Gebiet der Komposition, das
z. B. die Art der Vergegenwärtigung eines Vorgangs, die Mittel, mit denen die Ent-
wicklung eines Charakters gezeigt wird, und die Wahl der Kunstform, der Stilgattung
umschliesst. Stets ist eine Doppelfrage zu beantworten : nach der Art der Darstellungs-
mittel und nach der Anordnung der Darstellungsmomente. Die nun noch bleibende
Analyse des geistigen Inhalts aber spielt B. auf das psychologische Gebiet hinüber: er
betrachtet die Conception. Ihr normaler Vorgang ist dieser: in einer überlieferten
„Fabel" erkennt der Dichter eine „Idee" oder er legt sie hinein; diese Idee aber ist ein
notwendiges Ergebnis des Verhältnisses, in das seine ganze ästhetisch-moralische Per-
sönlichkeit, zu dem bestimmten Stoffe tritt. Neben der Darstellungsform sind nun die
Ideen Hauptgegenstand der litterarhistorischen Betrachtung ^i); als drittes Element gesellt
sich, wie sich alsbald ergiebt, das vorher rasch übergangene Gebiet der Rohstoffe, der
„Fabeln", der Motive hinzu. Denn in dem nun folgenden Abschnitt, der nach dem
Begriff „Litteratur" den Begriff „Geschichte" behandelt, betont B. die Schwierigkeit,
diesen drei Teilen der Aufgabe, deren jeder seine besondere Geschichte habe, gerecht
zu werden. Lange Epigonenperioden werden gerade dadurch als solche bezeichnet, dass
jedes der drei Momente auf einer anderen Entwicklungsstufe sich befindet, und selbst
in die höchsten Leistungen, die jene drei Bestandteile zu einem einheitlichen Stil leben-
diger Gegenwart vereinen, ragt doch hier und da beängstigend und verwirrend ein Stück
Vergangenheit hinein. Die Aufgabe des sich entwickelnden Menschengeschlechts und
besonders der sich entwickelnden Litteratur ist Lernen und Vergessen : die Ueberlieferung
bedarf fortwährender Korrektur, die ihr oft wieder mit Hülfe der Ueberlieferung zu teil
wird. Wirksam bei dieser Korrektur sind die führenden Geister: einerseits die Kritiker
und die receptiven Genies, andrerseits die produktiven Meister, die grossen Dichter und
Schriftsteller. Solche Wirkung aber erzielen sie nicht nur durch Studium und Denken,
sondern ebenso durch Lieben und Hassen, mit einem Wort durch Leben. Um ihr Leben
also hat sich die Litteraturgeschichte zu kümmern, hierher setzt B. die biographische
ULZ. 18, S. 1860/6.JI - 21) (1 3 : 224/6). - 22) X A. Biese, Ueber d. Aufgabe d, Litt.-Gesch.: NatZg. N. 587, 589. -
11 Szamatölsk i iiiid 1 1 fniii;i n n. LittcM'siturgescliirlitp. I I: 2a-24.
Foischun^: si(! luit die Aufgaho, uiik den JtildungHgang derjenigen Individuen zu er-
läutern, die korrigierend auf die tloberlieferung (hingewirkt haben. Diesen Bildungsgang
zu untersuchen, henut/e num erstlicli die Völkerpsychologie: man betrachte den Einzehien
als Kind seiner Zeit und seines Landes; ferner die eigentliche Psychologie, das geistige
Sonderleben jedes Individuums und dabei besonders die individuelle litterarische Er-
ziehung beachtend; endlich studiere man die Sondertradition, der jede Kunstgattinig
unterworfen ist und deren Gesetze unbedingt auch den individuellsten Geist beein-
flussen.-2-23) — Die Gegenschrift von Wetz S'») krankt in ihrem kritischen Teil an einem
Grundübel: W. hat nicht erkannt, dass ten Bnnks Theorie von ganz anderen Grund-
aiischauungen ausgeht als die, die W. für die richtige hält, er meint durch kritische
Besserung und Ergänzung ein seinem eigenen Ideal entsprechendes Ganzes erzielen zu
können, während hier doch thatsächlich zwei ganz verscliiedene Betrachtungsweisen ein-
ander gegenüberstehen. Ungerecht ist demnach vor allem die Behauptung, dass ten
Brink dem Dichter eine mechanische Ai'beitsart zusclireibe, während es doch gewiss sei,
dass die wichtigsten Voigänge sich ohne Beteiligung der Aufmerksamkeit vollziehen.
Daneben greift W. mit Vorliebe einzelne Au.sdrücke ton Brinks heraus, um gegen
sie zu jH^lemisieron. Nicht selten Hndet er dabei wirklich eine bei dem Streben nach
Prägiuinz unklar gewordene Bezeichinmg, und z. B. in der Darstellung des Verhältnisses
zwischen Herder und Goethe wird man gewiss auf Seiten W.s sein; öfters aber über-
sieht er, dass ten Brink wenigstens an anderen Stellen der Schrift die verlangte un-
zweideutige Ausdrucksweise anwendet. Schon in diesem kritischen Abschnitt giebt W.
sich gelegentlich als Schüler Taines und Hennequins zu erkennen: die französische
Schule verleugnet sich auch nicht in der chevaleresken Art, in der W. bei .seinem unter
den gegebenen V^erhältnissen besonders anzuerkennenden Freimut den Streit z»i führen
weiss. Unmittelbar aber als Ausfluss der Lehren jener beiden Kritiker giebt sich der
zweite Teil, in dem W. po.sitiv seine Ansicht über das Wesen der Litteraturgeschichte
aiiseinandersetzt; klarer, aber auch breiter als in der früher von ihm aufgestellten Theorie
(vgl. JBL. 1890), deren Bezeichniing „Vergleichende Litteraturgeschichte" er liier übrigens
in einer Anmerkung zögernd zurückzieht. Die Litteraturgeschichte bietet zuerst psycho-
logische und daini historische Probleme. Zur Lösung der ersteren führt zunächst die
kritische Analyse, die die Eigentümlichkeit der Werke eines Autors feststellt und dann
ihre Ursachen in dem Geiste ihres Vf., seinem Intellekt und seiner Phantasie, aufsucht:
seitie Weltanschauung beeinfiusst besonders die von ihm geschaffenen Charaktere,
Situationen, Handlungen; sein Charakter den Ton seinar Darstellung, zumal in der
Polemik, seine Sympatliien und Antipathien. Neben den Werken, deren Analyse in
erster Reihe uns über die geistig-moralische Persönlichkeit des Autors unten'ichtet, kann
dann auch seine Biographie Aufschlüsse geben, die aber niemals Notizen aufspeichern
soll, welche ohne Bezug auf des Dichters Innenleben sind: seine Entwicklung, die Ent-
faltung seiner Individualität muss sie w^esentlich im Auge haben. Acht haben soll man
auf die Ereignisse, die auf die Entwicklung dieser Seele wirken konnten, sie aber nicht
nach ilu'er äusseren Wichtigkeit bemessen, sondern nach ihrer Bedeutung für die be-
trachtete Individualität, die oft durch an sich winzige Vorkommnisse am stärk.sten und
nachhaltigsten bewegt wird; hier ergiebt sich die I Unzulänglichkeit des gewöhnlichen
litterarhistorischen Quellejistudiuras, das nur die unmitt-elbaren Anregungen in Betracht
zieht. Mit Hennequin protestiert W. gegen ' eine systematische Feststellung des
Milieus im Taineschen Sinne sowohl für die gesamte Lebensfiihrung eines
hervon-agenden Autors wie im besondern für die litterarische Beeinflussung und will in
dieser Hinsicht nui' den Rückscliluss vom Produkt auf die Ursachen zulassen; wichtig
dagegen ist ihm die Ermittlung des Milieus für die Entwicklungsgeschicht« der Durch-
schnittstalente und für die Erkenntnis der Gesamtlitteratur einer Epoche. So gehört denji
— ein Piinkt, in dem W. zufällig mit ten Brink zusammentrifft — die Behandlung des
Milieus nicht in den ersten, sondern in den zweiten Teil der litterarhistorischen Auf-
gabe, zu der Erledigung der historischen Probleme. Ueber diesen Teil hat W. weiter
nichts zu sagen ; statt dessen bietet er eine Geschichte der Litteraturforschung in Deut>!ch-
land, wie sie ähnlich schon sein früherer Versuch geliefert hatte. Auf die ästhetische
und die kultvu-historische Periode ist die Hen-schaft der Philologie gefolgt, die, zweifel-
los um die Vorarbeiten für die litterarhistorischen Geschäfte wohlverdient, doch für die
bevormundete Wissenschaft todbringend zu werden droht, weil ihre Methoden auf die
innere Entstehungsgeschichte eines Werkes nicht anzuwenden sind. Gegentiber dem
gegenwäi-tigen Betrieb, den W. in krasser Uebertreibung so schildert, als ob die Be-
23) X A. Sohröer, Ueber d. Auf(,'8be d. Litt-Gesch.: DWBl. 4, S. 118-20. - 24) \V. Wetz, Ueber Litt.-Gdscb. E. Kritik
V. tpn Hrinks Rede ,Ueber d. Aufgabe d. Litt.-Qesch." Worms, Keiss. 82 S. M. 1,40. |(Burd»ch: DI.Z. 13, S. 1360 5; in-
sannpen mit Kritiken über ten Brink (s. o. N. 20), Jacobowski (s. u. 1 3 : 94) u. Eugen Wolff (1890 I 1 : 1 u, I 3 : 60). Di»
sicli anschliessenden Auseinandersetzungen zwischen Wolff u. Burdaih (DLZ. 13, S. 1455/8; LCBl. 1893, S. 63;4, 97j8.) gehOrui
I 1: 26-28. Szamatölski und Herrmann, Litteraturgeschichte. 12
trachhing der Werke selbnt nur noch als ein wohl zu entbehrender Zierrat gelte, und
trotz der glücklichen Praxis, die W. in den Htterar historischen Werken Herders, Schillers,
Goethes und einiger moderner Forscher findet, empfiehlt er eine grundsätzliche Befolgung
der Theorie Taines, den man in Deutschland einseitig nur als Stilisten schätze, und
verspricht, dass diese Befolgung auch der Psychologie und der Poetik zu Gute kommen
werde, während gegenwärtig Poetik und Litteraturgeschichte getrennt marschieren.
Auch die Möglichkeit eines Werturteils giebt diese Methode an die Hand: man kann,
nachdem man die geistigen Anlagen eines Autors erkannt hat, wohl auch bestimmen,
wie weit diese Anlagen geeignet sind, die dem Autor zugemuteten Aufgaben zu lösen.
Anzuwenden aber ist sie vornehmlich auf grosse Werke und ihre Verfasser: hier steht
das reichste und zugleich wichtigste Material zur Verfügung, und zugleich wird der Littera-
turgeschichte die Bevorzugung der Meisterwerke die von ten Brink geforderten Freunde
aus weiten Kreisen des Volkes zuführen. Der Hinweis auf die von der deutschen Wissen-
schaft so wenig beachtete französische Kritik ist das eigentliche Verdienst der Schrift, die
wenig Eigenes und Tiefes bietet, aber jenen Mittlerdienst, zur Genüge erfüllt; die völlig
absprechende Beurteilung, die W. sich zum Schlüsse selbst prophezeit, hat er von Seiteij
Burdachs gefunden. 25-26) —
Ebenso wie die Litteraturgeschichte vorhin von der litterarischen Kritik lernen
konnte, die doch nur als ein Hülfsmittel oder ein Teil von ihr erscheint, so hat sie
auch auf die Fortschritte der allgemeinen Geschichtswissenschaft zu achten, der
sie sich ihrerseits als ein Teil imterordnet. In einem ungemein anregenden Buch be-
schäftigt sich 0. Lorenz27-28) zunächst mit Ranke, dem er beinahe eine besondere Ranke-
philologie als Seitenstück zur Goethephilologie gewidmet wissen möchte, und bringt hier
neben allerlei Andeutungen, die speciell dem Litterarhistoriker interessant sind, weil
sie auf Rankes Verhältnis zu Herder, Goethe, Schiller, W^. von Humboldt und den
Romantikern, ausserdem auf das Verhältnis der Geschichtsschreibung zur Journalistik
und zum Roman eingehen, manche allen Historikern wichtige Hinweise. Freilich ist es
nicht der ganze Ranke, der hier charakterisiert wird: die von L. beliebte Behandlung
des Meisters als des eigentlichen Vertreters der von L. hochgehaltenen exklusiv politi-
schen Geschichtsschreibung ist kaum minder einseitig als Gotheins kürzlich vorgetragene
Erklärung, dass Rankes Arbeitsweise wesentlich kulturhistorisch-psychologisch sei; wenn
L.Rankes Forschungsmethode dadurch bestimmt, dieser habe aus der Fülle des Materials
nur das herausgesucht, was er finden wollte, so kennzeichnet er damit zugleich seine eigene
Art der Betrachtung des Meisters. Einige Sätze sind aber auch von principiellem Wert
für den Litterarhistoriker. Rankes vielberufene Objektivität in der Ermittlung des
Thatbestandes ist in der Stellungnahme zu,r Subjektivität des Gewährsmanns, in einer
Verständigung über die Art begründet, in der sich die Ueberlieferung im Geist eines
Erzählers darstellt; darüber hinaus aber ist auch seine Darstelhmg des Thatbestandes
durchaus subjektiv. Fem von jeder Fortschrittstheorie versteht er unter den ,, Ideen"
die herrschenden Tendenzen in jedem Jahrhundert, die wie die Blumen des Feldes
wachsen und verwelken. Vor allem ist es, zumal wenn man die Erörterungen vom Ethischen
ins Aesthetische überträgt, für uns interessant, wie L. die immer wiederkehrenden Be-
hau])tungen von Rankes objektiver Wertbeurteilung in jedem Fall als eine Beleidigung
zurückweist; das Princip der Rankeschen Beurteilung der Menschen liegt vielmehr „in
der Weigerung, sie im ganzen zu nehmen und sie als eine Einheit, als etwas ein- für
allemal bestehendes zu Ijetrachten. Weil er sie von bestimmten Ideen ergriffen sieht,
so meint er auch ihre Individualitäten in verschiedene Elemente auflösen zu können.
Auf diese Weise setzt er eine Art von Motivenbeurteilung an die Stelle des Urteils
über die Menschen." Weil wir eben die Motive der Menschen dem Quellenstand ent-
sprechend erst in nevierer Zeit zu erkennen vermögen, neigt denn Ranke auch, wie L.
an anderer Stelle hervorhebt, zu der Ansicht, dass eigentliche Geschichte vor dem
15. Jh. nicht möglich sei. L.s eigener Verstoss gegen die herrschende Geschichts-
wissenschaft erfolgt, soweit er uns hier angeht, auf zwei Gebieten: in der historischen
Kritik und in der Lehre voiv der Gruppierung des mit Hülfe der Kritik ermittelten
Tliatbestandes. L. behandelt freilich die Forschungslehre erst nach der Generationeiilehre,
wold weil nach dem sehr negativen Ergebnis der Betrachtung über die Kritik das sehr
Hichere Operieren mit ihren Ermittlungen zu befremdlich erschiene; wir aber folgen hier
der Reihenfolge, in der der Historiker arbeitet. Schon der einleitende Abschnitt „Zur
Abwelir und Verständigung" enthält viel Beachtenswertes: Erörterungen über wissen-
nitht in den Rahmen d. JHL.)] - 25) XX Bugen Wolff, Litt-Gesch. rUckwärts: HiimbCorr. N. 913 u. 916. — 26) XX H.
Falkenhoim, Kuno FUoher als Litterarhist. : Nation». 9, S. 37-40, 55/7. — 27) 0. Lorenz, Leopold v. Eanke, d. Gene-
raUoncnlehro n. d. Geschichtsunterricht. (= D. Geschichtswissenschaft in Hauptriohtungen u. Aufgaben). 2. Teil. Berlin.
Hert». XII. 41« 8. M. 8,00. |[E. Klebs: DLZ. 14, S. 118/9; F. Meinecke: DWBl. 4, S. 502/4; G. E[llingor]: NatZg.v. 15.
4.; DR. 16,3, H. 255/6; J. Franck: ZRealschulw. 16, S. 485/8; K. Br.: LCBl. 1892, S. 680/1; Nation«. 8, S. 497, 512, 530.ff.]|
— W) X H. Simonsfeld, Z. Methodologie d. Gesch.: ZGymn. NF. 25, S. 705/6. (Vortrag «her Lorenz' Buch (N.27); Referat
13 Rzamat()lski und Herrmann, Litteraturgeschichte. I 1: 27.
schaftUchcn „Sclml"bet,rieb im allgemeinen, wobei auch über Karl Lachmann gesprochen
wird, und den friK^lithanMi Hiiiwois, daM.s über der Scheidung des Thatsäclilichen vom
NichttliatHüchlichen die kamn minder bedeutsame des Wichtigen vom Unwichtigen heute
fast grundsätzlich seitens der historisclien Kritik ausser Acht gelassen werde. Ein Ueber-
blick über ihre (leschichte soll /-eigen, dass man sich heute ganz mit Unrecht ül)er das
historisclie Denken von Miinnern wie Valla, Macchiavell, Hütten und Luther methodisch
erhaben dlinke: die Besserung liegt nur in der grösseren Zugänglichkeit der Bibliotheken
und der teclmischen Vervollkounniunig einiger Hülf'swissenschaften; die von den Modernen
berufsmiissig reicher aufgewendete Verstandesthätigkeit bedeutet nur eine Vennehrung
der Subj<^ktivitiit, keinen Fortschritt in der methodischen Fähigkeit objektiver Erkenntnis.
Nichts ist HO kurzlebig wie eine „kritisch" gefundene historische „Walirheit"; als Beispiel
dient die Geschichte, der Nibelungentlieorie. Das Hauptziel echter Kritik ist die rein-
liche Scheidung von Naturwissenschaft und Cleisteswissenschaft, die doch methodisch
zuerst ein gutes Stück gemeinsam geiien. Zur Exaktheit der Naturforschung können
wir nie gelangen: denn „dort ist es die Sache, die untersucht wird, hier bloss ein in
den Menschen entstandenes Bild von ihr. Die Natiu^wissenschaft wendet ihre Methode
auf den Naturgegenstand an, die Geschichte bloss auf die Ueberlieferung de.sselben."
Hier denkt L. freilich nur an seine ])olitische Geschichte, in der die subjektiv nicht ver-
fälschten Ueberreste verhältnismä.ssig unwesentlich sind; die Litteraturgeschichte da-
gegen z. B. hat in dem Litteraturwerk einen Ueberrest des Thatbestandes selbst, der
wichtiger ist als alle Ueberlieferung. Da aber der Litterarhistoriker sich, zumal als
Biograph, daneben aucli mit der Ueberlieferung auseinandersetzen muss, sind auch ihm
L.s weitere Erörtennigen anregend. Kritik der Ueberlieferungen nennt L. ihre Ein-
teilung, Klassifikation, Ordnung und Beurteilung. Im Grunde läuft unsere ganze kritische
Kunst auf die Stellung der jesuitischen Doppelfrage hinaus: a) konnte der Bericht-
erstatter die Wahrheit sagen? b) wollte er sie sagen? Die unfehlbare Methode zur
Lösung von a) glauben die Modernen durch die Entdeckung des Wortes „gleichzeitiger"
Zeugnisse zu haben; aber Gleichzeitigkeit bedeutet gar nichts: ein gleichzeitiger Bericht
stellt so wenig eine Photograi)hie des Thatbestandes dar wie ein „realistisches" Kunst-
werk, ja gerade er ist durch die subjektive Anteilnahme des Berichterstatters am be-
denklichsten entstellt, ob es sicli nun um blossen Bericht oder um die meist zu scharf
von diesem geschiedeiie Beurkinidung handelt. Eigentlich giebt es, abgesehen vielleicht
von den gröbsten Verstössen gegen Raum- und Zeitgesetze, in der Erzählung selbst
kein Zeichen der Thatsächlichkeit oder Nichtthatsächlichkeit (hier ist wieder vom Ver-
hältnis der Geschichte zum Roman die Rede) und somit auch keine besondere historisch-
kritische Methode, sondern nur das Grundgesetz: ,, der Historiker darf kein grüner Junge
sein", er muss zur Feststellung und Lösung der Widersprüche eines Berichts Kenntnisse
auf allen Lebensgebieten besitzen. Der nächste Abschnitt: „Der Kritiker und der Er-
zähler", führt daini besonders gegen Droysen weiter aus, dass alle ,, Kritik" auf das
Verhältnis des Kritikers zum Berichterstatter hinausläuft und dass dies schliesslich stets
Vertrauenssache bleibt; mittelalterliche und neuere Geschichte unterscheiden sich
stark dadurch, dass man es in jener meist mit anonymen Berichterstattern zu thun hat,
wo von Vertrauen kaum die Rede sein kann und dass daher hier der kritische Skepti-
cismus sich mit besonderem Behagem und einem Schein von Berechtigung tmnmelt.
Der letzte Abschnitt dieses Hauptteiles, „Handelnde Menschen und historische Motive",
geht nun nicht mehr eiidieitlich, sondern sehr sprungweise vor, vielfach gesti\tzt auf
den Unterschied zwischen historischem und naturwissenschaftlichem „Gesetz", den
P. Himieberg HZ. 63, S. 18 — 55 formuliert hat. Aufgabe der Kritik ist die Rankesche
Motivenforschung in erweitertem Sinne, ihre künftige systematische Grundlage Diltheys
noch unvollendete „Einleitung in die Geisteswissenschaften"; sie ist „historische Kunst",
Kunst aber nicht in dem von L. energisch verworfenen Sinn, in dem man sie heute
„neben der Kritik" gepflegt wissen will. Vorher verlangt L. als Endziel der Kritik nur
Stellungnahme zur Ueberlieferinig und zu ihrem Träger, hier jedoch eine Transformation
dieser Ueberlieferung, das Verständnis der Kausalität der Ereignisse, die lediglich in
den Lnienvorgängen der handelnden Menschen liegt. Die menschliche Lidividualität ist
das einzig Reale, Zusammenstellungen wie Kirchengeschichte, Kunstgeschichte usw. sind
nur im Geist des Forschers vorgenommen. Den Menschen zu erkennen, soll man auch
sein Aeusseres heranziehen, Grösse, Gestalt, Farbe, Gesichtsbildung historischer Personen
systematisch studieren und förmliche Regestenwerke dafür anlegen; diese Forderung ist
nicht so unerhört, wie die absprechenden Beurteiler L.s meinen, vgl. z. B. Julius Mosen
im ,,Congress von Verona" (Werke, Leipzig 1880, 4, S. 31). Vor allem aber ist statt
aller Versuche, die Entwicklung der geschichtlichen Dinge auf einen blossen Zusammen-
hang von Gedanken zu gründen, die innere Individualität der handelnden Menschen zu
erforschen, um ihre Motive, d. h. die historischen Motive zu erkennen. Dazu aber braucht
man nicht nur liistorische Kenntnisse, sondern allgemeine „Menschen "kenntnis; das Wort
II: 27. Szamatolski und Herrmanii, Litteraturgeschichte. 14
„Psychologie" wird von L. nicht gesprochen. In jedem Falle ist zu bestimmen: was
hat die Persönliclikeit vom Vorhandenen aufgenommen? was hat sie abgelehnt? was hat
sie hinzugetlian? Nicht den Grund für die Neuschöpfungen liat der Historiker aufzu-
zeigen, sondern nur die Entstellungsstellen; freilich giebt es auch hier eine Erkenntnis-
grenze: sie setzt luis das nimmer analysierbare Genie, und ihm zu huldigen gehört zu
den höchsten Zielen der Gescliichte. Das Genie führt die Unregelmässigkeiten herauf, welche
die sonst so gleichmässigen Kurven des geschichtlichen Verlaufes stören; ob die Unter-
suchung der sich ablösenden Geschlechter trotzdem „auf gewisse Regelmässigkeit kommen
müsse, — wer wagte es mit Sicherheit zu behaupten?" Dieser Wer nun ist L. im
zweiten Hauptabschnitte des Buches. L. setzt hier den in seinem ersten Bande begonnenen
Kampf gegen den uns durch untergeordnete Historiker des 17. Jh. aufgedrungenen Be-
griff „Mittelalter" unter Berufung auf Rankes Weltgeschichte fort, der die geläufige
Dreiteilung „Altertum, Mittelalter, Neuzeit" aufgegeben und im 8. Bande erklärt hat:
„ . . . Die Vorstellung einer lOOOj. Unterbrechung der allgemeinen Kultur, die man
ehedem mit dieser Benennung verbunden, hat, aus humanistischen Anschauungen ent-
sprungen, auf litterargeschichtlichem Gebiet einen Schein von Berechtigung: für die
universalhistorische Betrachtung kommt ihr keinerlei Wahrheit zu." L.s Zusatz „Seit
Scherer auch nicht einmal mehr avif litterargeschichtlicliem Gebiet" scheint uns zunächst
für die Weltlitteraturgeschichte nicht richtig: über sie hat Scherer sich unseres
Wissens nicht geäussert, und thatsächlich verwendet man hier heute noch so gut den
Begriff „Mittelalter" zur Einteilung, wie es einst Eriedricli Schlegel gethan; aber auch
für die deutsche Litteraturgeschichte ist L.s Behauptung nicht recht zutreffend: Scherers
Werk führt die bekannte Theorie des Vf. praktisch nicht ganz durch („Aclites Kapitel.
Das ausgehende Mittelalter"), und ferner iiaben schon Scherers Vorgänger, Gerviuus,
Vilmar, Wackernagel, Goedeke, sich der gerügten Disposition nicht bedient. Auch
weiterhin verteidigt L. seine früheren Sätze: das kleinste Normalmass gescliichtlicher
Prozesse ist die Generation, die eigentliche Einheit das Jh. als Summe dreier Generationen,
die nächst höhere, ähnlich wie bei Scherer, die Periode von 300 und 600 Jahren. Klarer
wenn auch ohne ausdrückliches Zugeständnis ergiebt sich jetzt, dass L. gar nicht die
Generation, d. h. das durchschnittliche Lebensalter, wie es Rümelin für sociale Gesetze
verwertet, im Auge hat, sondern die Lebenswirksamkeit, d. h. die Zeit vom 30. bis
zwischen das 60. und 70. Jahr; die Identität der Dauer ist Zufall. Deutlicher hebt L.
jetzt ferner aus den fortwährend neben- und durcheinander bestehenden Generationen
die massgebenden heraus : es sind die, welchen die als führende Geister ermittelten Indi-
vidualitäten angehören. Die neuen Gesetze gelten nicht nur für die politische Geschichte,
sondern auch für Kunst und Wissenschaft. Goethes Zeit oder Generation sind nicht
die 82 Jahre seines Lebens, sondern die Jahre seiner eigentlichen Lebenswirksamkeit,
die hier vom Sturm und Drang, dort von der Romantik begrenzt, ohne dass die kleinen
Abweichungen der Geburtsjahre stören, Herder, Wieland, Schiller einschliessen (S. 180£).
Streng bei der Theorie bleibt L. hier freilich nicht, sonst geliörte Goethes Generation
etwa in die Jalore 1780—1813; er giebt auch zu, dass es die politische Geschichte weit-
aus am leichtesten habe, weil die führenden Gestalten hier entschieden lieraustreten
und die Genealogie bequem anwendbar sei; feste Zahlen liefert freilich auch in ihr erst
das Jahrhundert. Dies wird im Kapitel „Lebensdauer nach Genealogien" weiter ausge-
führt durch genealogische Beobachtung privater und fürstliclier Stammbäume, die leid-
lich sichere Zahlen ergiebt. „Lebensläufe! Personenkenntnis! kein dürres Thatsachen-
schema!" ist auch hier die Losung. Soll nun die Litteraturgeschichte, von der ein-
schneidenden Bedeutung der Goetheschen Lebenswirksamkeit ausgehend, der vorauf-
gehenden und folgenden Litteraturentwicklung den Goetlieschen Stammbaum disponierend
zu Grunde legen, an dem sich ganz wohl L.sche Regelmässigkeitsbeobaclitungen machen
lassen? Oder soll man auf genealogisches Vorgehen verzichtend etwa von jenem Jalire
1780 aus hl Abschnitten von 33^3 Jaliren rückwärts und vorwärts rechnen und unge-
fähr im 12., 47. und 80. Jalir jedes Jli. Wendepunkte litterarisclior Entwicklung suchen?
Solche Fragen stellt L. nicht einmal auf; aber weiui man von seiner Grundanscliauung
aus die politischen „Generationen" als massgebend auch für die litterarischen erklärt,
wird man in dem Kapitel „Thatsächliche Generationsreihen" viel Nützliches finden, wo
L. eine Reihe von ihm abgegrenzter „Generationen" der deutschen Gescliiclite aucli
innerlich zu sclieiden sucht. Er geht aus von dem Jahr 1515, das Ranke epochemachend
nennt: hier lösen zwei Generationen einander ab, eine vorsiclitige, erlialtende und eine
zerstörende, unternehmungslustige, hüben Luther und Melanchthon, drüben Erasmus
und Reuchlin. Aus dem älteren Generationencyklus geht uns liier nur die liebevoll aus-
geführte Schilderung der Mittelgeneration des 15. Jh., der Albrecht Achilles , Enea
Silvio, Cusan, Heimburg an, der Träger einer „ehrenwerten Gesinnung innerer und häus-
licher Restauration". Etwas summarisch findet L. sich mit der neueren Zeit ab, in der
er nur das 16. Jh. genauer betrachtet. Die Scheidung vom 15. und 17. ist leicht, viel
I
15 Szamatölflki und Herrmann, Litteraturgeschichte. I l: 29.32.
schwerer bei der Fülle der Gesichte die innere Dreiteilung des 16. Jh., fast uninöglicli
iVir dio Kunstgescliiohte; in wiMH(Mi.s(rhaftlicht!r Hinsiciit recimet L. die erste Generation,
die hunianiHtische, hin 1540, die zweite, die die schidhuchmäsHigen Hülfsmittel ausbildet,
betrachtet er vor allem in den Jesuiten, die dritte nennt er konfessionell und zank-
süchtig. Das letzte Kapitel endlich „Genealogie und Vererbung'' ist dem Scidusskapitel
des Abschnittes Cibei die Kritik nahe verwandt, es erhofft eine Neubelebung des Ge-
schichtsbetriebes davon, dass statt der unpersönlichen Institution das Individuum Grund-
lage der Forschung wird. Wälu^end er aber dort das von jedem Individuum neu Bei-
gebrachte in den Vordergrund stellt, predigt er hier das Studium der ihm eingeborenen
Eigenschaften und als Hilfsmittel wieder die Genealogie: ausdrücklich wird auch die
genaue Betrachtung der Ahnentafel des Künstlers angeraten. Mit der Empfehlung des
von den Historikern nicht beachteten Buches „L'heredite" von Th, Ribot führt inis L.
auch hier an die Psychologie heran. Des Werkes letzter Hauptteil, der den Geschichts-
unterricht behandelt, ausgehend von einer Auseinandersetzung mit P. Güssfeld über
Goethes Wort vom Enthusiasmus, der das beste ist, was wir von der Gesciiichte haben,
kommt, trotzdem er mannigfach anregt, für uns wenig in Betraciit. Unter L.s Kritikern,
deren einige ilu'e Entrüstung recht energisch zum Ausdruck bringen, sei E. Klebs her-
vorgehoben, der neben aller Anerkennung auch viele Schwächen des merkwürdigen
Buches aufzeigt und mit Recht namentlich auf die Schwierigkeiten liindeutet, die sicii
L.s Zusammenfassung dreier Generationen zu einer Einheit entgegenstellen. — In
Lorenzschen Gedankengängen wandelt Stieve^o); er empfielilt gegenüber den beiden
herrschenden Arten der Geschichtsschreibung, der quellenmässig-statistischen, die sicli
auf die quellenkritisch festgestellten Nachrichten verlässt, als wären es die Thatsachen
selber, und der konstruierenden, die willkürlich verfährt und die Persönlichkeiten sich
und uns automatenhaft vorstellt, die rein empirische Methode, erst auf Grund möglichst
zahlreicher, durch prüfende Beobachtung, durch Einleben in die historischen Individuali-
täten gewonnenen Thatsachen Schlüsse zu ziehen. — Bern heim ^Oj findet nicht mit
Uiu-echt, dass dieser Methode, der wir ja alle mehr oder minder zustreben, der Name
der naturwissenschaftlichen, den ihr Stieve beilegt, nicht wohl zugestanden werden
kann. — Viel schroffer als Lorenz vertritt D. Schäfer'^^) den Satz, dass Geschichts-
wissenschaft mit politischer Geschichte identisch ist, dass alle anderen geschichtlichen
Betrachtungen, so auch die Litteraturgeschichte, nur als wertvolle Einführung in den
gegenwärtigen Zustand der betreffenden Einzelfächer aufgefasst werden müssen und dass
es keine übergeordnete allgemeine Geschichtswissenschaft giebt, zu deren Aufbau alle
Teilgeschichten, darunter aiich die politische, beizutragen hätten. Diesen 1888 zuerst
vertretenen Standpunkt hält er jetzt in einer neuen Scln*ift fest, die sich gegen Bernheim
und Jodl, besonders aber gegen Gothein richtet, der 1889 die Rechte der „Kultur-
geschichte" gegenüber der politischen Geschichte verfochten und sogar gelegentlich als
die Führerin der ersteren die Litteratui'geschichte bezeichnet hatte. In manchen Punkten
ist er milder geworden, in manchem hat er unzweifelhaft Recht, so vor allem in den
Angriffen auf das unglückselige Wort „Kulturgeschichte", das nicht nur von den ver-
schiedenen Forschern verschieden, sondern auch ganz nach Bedürfnis von einem und
demselben Autor in den mannigfachsten Bedeutungen gebraucht wird, in manchem ist
er mit Gothein einig, vor allem darin, dass die Geschichte nicht nur eine Wissenschaft,
sondern auch eine Kunst sei und dass dem Historiker das Recht der individuellen Auf-
fassung zustehe. Aber in der Hauptsache bestreitet er auch hier wieder, dass es die
Aufgabe der Geschichte sei, die Entwicklung des gesamten mensclüichen Geisteslebens
darzulegen, schon weil man die erforderlichen Sonderkenntnisse von niemandem er-
warten kann : es kommt nur darauf an, den Fortschritt der ethischen Anschauungen zu
beobachten, und dieser bezeugt sich wesentlich in der Entwicklung des Staatslebens.
Zu überzeugen vermögen uns freilich auch diesmal S.s Ausfülirungen nicht, weder der
historische Ueberblick,. der in allen Perioden der Weltgeschichte das politische Moment
als das massgebende erweisen soll, noch die erneute Uebersicht über die Gescliiclite
der Historiogi'aphie, die stets das Politische betont hat; im einzelneu fehlt es nicht an
feinen Bemerkungen, die auch den Litterarhistoriker fördern: über Schillers „Deutsche
Muse" und „Jungfrau von Oi'leans", über das Verhältnis unserer klassischen Litteratur
zum Staat, besonders zu Friedrich dem Grossen (S. 36/9) und endlich über Schiller
und Justus Moser als Historiker (S. 45/8). —
Kolde^^) handelt eigentlich nicht über das von ihm angekündigte Thema, aber
er giebt dafür eine Reihe auch hier beachtenswerter Anregungen auf dem Gebiete der
historischen Kritik. Die Voraussetzung aller kritischen Arbeit ist die Ainiahme,
V. C. Hammer.) — 29) F. Stieve, Herzog Maximiliau v. Baiern u. d. Kaiserkrone: DZG. 6,2, S. 40/7. — 30) E. B[erDkeim]
II. F. Stieve, „NaturwissenscLaftliehe" Geschichtsforschung?: ÜZO. 6,1!, S. :156,8. — 31) D. Schäfer, Geschichte u. Kaltur-
Keschiohte. E. Erwiderung. .Tena, Fischer. 70 S. M. 1.60. — 32) Th. Kolde, Ueber d. Grenzen d. hist Erkennens u. d.
Objektivität d. Geschichtsschreibers. E. Rede. 2. Abdruck. Erlangen & Leipzig, Deichert. 4«. 22 S. M. 0,80. (Zuerst 1890
I 1: 33-38. Szamat61ski und Herrmann, Litteraturgeschichte. 16
dass unter gleichen oder analogen Verhältnissen die Dinge in der Vergangenheit sich
ebenso oder analog vollzogen haben, wie wir sie in der Gegenwart sich vollziehen sehen.
Diese Annalime erklärt er für durchaus richtig, fordert aber, dass man auch bewusst
die nötigen Folgerungen zielien und als Historiker sich mit der wissenschaftlichen
Beobachtung von Gegenwartsvorgäiigen beschäftigen solle. Man dürfe z. B. gelegentlich
in der Entscheidung von Fragen nach der Echtheit oder Uiieclitheit eines Schriftwerkes
nicht mechanisch beim Vorkommen von Abweichungen gegeiiüber der an zweifellos
echten Schriften eines Autors beobachteten Denk- und Schreibweise sofort das Prädikat
„Unecht" ausstellen, als ob Denk- und Schreibart etwas durchaus Starres wären, man
solle sich vielmehr am lebendigen Objekt und womöglich an den eigenen Schriften klar
machen, wie leicht auch in einem solchen für fest gehaltenen Ausdruck einer Persön-
lichkeit lebhaft wechselnde Bewegung vorkommen könne. Eine Reihe interessanter
weiterer Beispiele nimmt K. aus seinem kirchengeschichtlichen Arbeitsgebiet; es ist in
mehreren Fällen nicht schwer, zutreffende litterarhistorische Analoga zu finden. Ferner
aber soll der Forscher auch künstlerisch zu arbeiten verstehen: einmal, indem er aus
der Ueberfülle des Materials mit künstlerischem Takte das auswählt, was historisch,
d. h. was zum Verständnis eines Gegenstandes oder einer Person erforderlich ist, andrer-
seits, indem er gerade wie der Künstler die Trümmer eines alten Kunstwerkes selbst-
thätig erst zu einem erkennbaren Ganzen erzeugt, die von der Kritik ermittelten Einzel-
thatsachen durch Kombination, dnrch Akte des logischen Denkens erst in den richtigen
Zusammenhang bringt. Dass man hier wenigstens für die zweite Aufgabe statt der
historischen „Kunst", d. h. also der subjektiven Willkür des Historikers durch psycho-
logische Forschung eine gewisse objektive Exaktlieit zu erreichen oder wenigstens anzu-
streben vermag, lässt K. ganz ausser Acht: Psycliologie liegt ihm, seiner eigenen Angabe
zufolge, recht fern. —
Unter fleissiger, allzufleissiger Benutzung der Fachlitteratur stellt Dippe^»)
geschichtsphilosophische Betrachtungen zusammen; die Wahl des Haupttitels, „Das
Geschichtsstudium" erscheint um so unbegreiflicher, als D. die Geschichtsphilosophie
ausdrücklich für eine philosophische, nicht für eine historische Disciplin erklärt. D. giebt
zunächst einen historischen Ueberblick über ältere Erscheinungen, leider ohne die Klarheit
Rocholls, an den er sich anschliesst, vmd charakterisiert dann, wiederum wesentlich durch
Darbietung von Lesefrüchten, seinen eigenen Standpunkt: er will zu philosophischen
Zwecken die allgemeinen, in der Geschichte wirksamen Ideen verfolgen, nachdem ihm
von den Historikern das empirische Material möglichst zuverlässig dargereiclit ist. Die
Grundlage für seine eigene Uebersicht, die auch schüchterne Prophezeihungen über den
Kulturgang der Zukunft wagt, ist Rankes Weltgeschichte. Aber weder in diesem zweiten
Hauptteil noch im dritten, in dem er über „die historisch-psychologischen Probleme"
handelt, kann man sonderlich Eigenartiges von dem V£ lernen, am allerwenigsten kann
es die Litteraturgeschichte; denn obwohl er auch von dieser ausdrücklich Beobachtungs-
material einfordert, beschränken sich doch seine Ausführungen ausschliesslich auf das
socialpolitische und religiöse Gebiet und bieten für eine Philosophie der Litteratur-
geschichte nicht die geringsten Anhaltspunkte. — B. KneiseP*) lässt sich in seiner
Geschichtsphilosophie von religiösen Ideen leiten und stellt daher in einem Ueberblick
über die zweckmässige und harmonische Entwicklung des gesamten Geschichtsverlaufs
hauptsächlich die Geschichte der religiösen Verhältnisse dar, die für ihn statt der
politischen das eigentliche Lebenselement aller Kultur bedeuten; gelegentlich vor-
gebrachte Andeutungen aus dem Gebiet der Poetik (S. 27 £) zeigen, dass seiner Ansicht
nach auch echte Litteratur ohne Glauben nicht bestehen kann. In den allgemeinen
Eingangskapiteln versucht auch er eine Erklärung der Individualität: er erhebt Einspruch
dagegen, dass man in der, von ihm freilich nicht angeführten, Formel A = a + x das x
so sehr wie möglich zu eliminieren suche, trennt dagegen von a noch einen wichtigen
Summanden ab: die göttlichen Eingriffe, denen jedes Menschenschicksal unterworfen ist. —
Eine geschichtsphilosophische Betrachtung über die Ironie in der Geschichte, „die gott-
geschriebene Fibel für die dummen Jungen auf der Weltschulbank, die an das Bibel-
lesen nicht heranwollen" und denen nun der Superintendent F. Lüdecke^S) diese neue
Buchstabiermethode vorlegt, zieht glücklicherweise die Litteraturgeschichte nicht in
Betracht. —
Neue Gesamtdarstellungen der deutschen Litteraturgeschichte liegen nur
von französischer Seite vor. Das Buch von Bossert^ß) wird von Geiger •'^^) als eine
als Erlanger Rektoratsrede gedruckt.) |[E. Klebs: DLZ. 12, S. 1838.]| — 33) A. Di p p e, D. Goschiclitsstudium in. seinen
Zielen ii. Kräften. E. Heitr. z. Pliilos. d. Gesch. Berlin, Wiegand & Grieben. 132 S. M. 1,00. |[l)rasfike: ZWTh. 34,
S. 495/9.11 - 34) B. K n ei s el, D. Weltgeschichte ein Zufall. Berlin, Weidmann. (IV,) 104 S. M. 2,00. — 35) F. Llldecko,
U. Ironie in d. Geschichte. Gotha, Schloessmann. 47 S. M. 0,7,5. - 36) OX A. Bessert. Histoiro iihrögö de la litt6rature
allemande depuis loa origines jusyu'en 1870 avec uu choix de uiorcoaux traduits, des notioes et dos analyaes. Paris, Hachett«.
- 37) L, Geiger, Wie e. Franzose deutsche Litt, lehrt: BerlinTBbl. v. 27. Okt. (Abendausg.) - 38) U. Tivier, llistoire
17 SzamatAlBki und Herrmann, Litt^ratnrgeschichte. I i: :jfl-48.
ganz hervorragende Leistung charakterisiert, die die Geschichte der gesamten geistigen
EntwickliHig der Litteraturgeschiclite zu Grunde legt, also aucli PhiloKophen, Natur-
forsrljer, GesctliichtSHchreiber berCukBichtigt, die femer nicht daH biugraplusolie Moment
iiiigehiihrlicli bevorzugt, Hondeni neben der Charakteristik der Autoren wirklich die
Litteiiitur als Hauptgegenstand bebandelt, die Betraclitung wenigstens bis zum Jahre
1H7Ü iülirt und endlich es auch im einzelnen besonders für das 18. Jh. an feinen und
Helbständigen Urteilen nicht fehlen lässt. — Minder hoch steht die Darstellung von
Tivier-'^), der neben der italienischen, spanischen, englischen, nordischen und slavischen
auch die deutsche Litteraturgeschichte ziemlich eingehend betrachtet. Es mangelt dem
Vf. zu sehr an selbständig gewonnenen Kenntnissen, und so bietet er bei dem Versuche,
die vorklasaische Zeit in kurzen Ueberblicken vorzuführen, sonderbare, ganz unorganische
Zusammenstellungen als „Kapitel" dar, in denen namentlich die „Sclmlen" eine \'iel zu
grosse Rolle spielen. Was über die Werke gesagt wird, sind meist nxu: ausfülu'Iiche
Inhaltsangaben; au Elementarachnitzern, an Namenentstellungen ist kein Mangel; die
eingestreuten Prosaübertragungen einzelner Stellen aus deutschen Dichtungen können
fast nie den Charakter der Originale treffen. Anerkennung aber verdient es, daws T.
wenigstens all den Zielen zustrebt, die Bossert nach dem oben (N. 36) angezogenen
Bericht erreicht hat, und dass das Ganze von entschiedener Unparteilichkeit zeugt, die
z. B. auf dem Gebiete der Wissenschaft und des Volksliedes Deutschland den aller-
ersten Rang einräumt. '*''^~*^) — H. Meyer **) bietet kurze biographische Notizen über eine
Reilie deutscher Dichter, offenbar derjenigen, die gewöhnlicli in Volksschullesebüchern
vertreten sind: weltliche von Geliert bis Geibel, geistliche von Luther bis Zinzendorf,
nebst zwei kurzen Anhängen tiber die Formen und die Arten der Poesie. Aber auch
einem anspruchslosen Publikum sollte man nicht Goethes Leben in 18 Zeilen erzählen,
um über seine Werke dann in zwei Zeilen nur zu berichten: „Goethe ist einer der
grössten deutschen Dichter. Von seinen Balladen sind der Erlkönig und der Sänger
wohl am bekanntesten". — Wieweit R. Königs ^^j Neuauflage seines Abrisses und
Prauzems^^) Bearbeitung des Dammschen Leitfadens Verbesserungen bedeuten, können
wir nicht feststellen, da uns die früheren Passungen unzugänglich sind.'*^) —
Scherers ^5-40) Litteraturgeschichte, dessen Neuausgaben von Edw. Schröder in der
Weise besorgt werden, dass die Aenderungen des stereotypierten Textes zunächst noch
auf das kleinste Mass sich beschränken, dass dagegen die Litteraturangaben des An-
hangs ne\i gesetzt werden, liegt jetzt in der sechsten Auflage vor. Wenngleich auf
diese Art natürlich nicht alle Forschungsergebnisse der letzten Jahre sich verwerten
Hessen, so zeigen doch namentlich die Abschnitte über das 15/6. Jh. (die vorangehenden
Kapitel kommen für die JBL. nicht in Betracht) einige vorsichtige sacliliche Aenderungen ;
die Besserungen in dem die moderne Litteratur betreffenden Teile sind meistens stihstischer
Art. Einmal (S. 661) scheint durch eine Korrektur der von Scherer (S. 750) ausdrück-
lich hervorgehobene Grundsatz verletzt, das Erscheinungsjahr eines Werkes, nicht das
Entstehungsjahr anzugeben. Ueber die Notwendigkeit, die Litteratiirangaben auf das
Wichtigste zu beschränken, wird man mit dem Herausgeber gewiss einer Meinung sein,
in der Praxis aber könnte man manchmal eine andere Entscheidung wünschen: z. B.
misst man ungeni neben der minderwertigen Celtislitteratur S. 746 den Hinweis auf
Bezolds schöne Aufsätze (HZ. 49, S. 1—45; 133—228). Künftigen Ausgaben werden
wohl die JBL. wesentlich zu Gute kommen. In einem Nachtrag -wird der Hinweis
geboten, dass Hagelgans' „Arminius" schon 1640 erschien: vgl. aber bereits ASNS. 63,
S. 241. — R. M. Meyer*') versucht sich einen raschen Ueberblick über die Geschichte
der deutschen Litteratur zu schaffen, indem er einmal die Kelu^eite betrachtet: statt
der fülirenden Geister die bestgehassten Gegenbilder. Dabei stellt er als den Wende-
punkt in der Methode, dem litterarischen Hass Luft zu machen, die Zeit des Opitzianis-
mus hin: vorherhatte wolil jeder Hauptpolemiker seinen Lieblingsfeind, seitdem herrscht
die Tendenz, allgemein verwendbare Sündenböcke ausfindig zu machen. Der älteste
dieser Art ist Hans Sachs. — Einen Gesamtüberblick über den litterarischen Entwick-
lungsgang Deutschlands giebt auch Oehlke*^), der die Oppositionsbewegungen gegen
des littöratures 6trangeres. Paris, Uelagrave. 120. 662 S. — 39) O X J. K. Ho8m*r, A short history of G«nnaa litoratara.
New-York, Scribner. M. 8,00. (Neue Ausgabe, erste 1879.) |[New-York Critio, 16, S. 230. LUerary World (Boston) 22, S. M2/S.]|
— 40) O X P. M. Ponoelis S. J., Historia de la Literatur». Baenos-Ayres, L«oii Miran. ![0. Strehly: BCr S2,
S. 327/8 (schroff ablehnend).]! — 41) H. Meyer, Litteraturkunde. HannoTer, Buchdnickerei d. Stepl»an8t«ft«s. 20 S. M. 0,40.
— 42) R. Koenig, Abriss d. deutschen Litt -Gesch. B. Hilfsbuch f. Schule n. Haus. 2. rerb. Aufl. Bielefeld, Trlhag«a ä
Klasiujj. IX, 202 S. m. 10 Hoill. u. 50 Abb. M. 2,50. |[L. Frey tag: COIRW. 19, S.303 4 (gflnstig m. kleinen AnsstollnnfW.)!
— 43) A. Frauzem, Damms Leitfaden z. deutschen Litt-Oesoh. f. kath. Schulen bearbeitet. Berlin, O. W. F. Mttller. M S.
M. 0,50. — 44) O X f- Schultz, Herktafel zu d. Gesch. d. deuUchen Litt. Dessau, Baamann. 14 8. M. 0,80. :[R. Leh-
mann: ASNS. 87, S. 82.]| (Erweiterter Abdruck aus des Vf. Gesch. d. deutschen Litt. 1889.) — 45) W. Seherer, 0««eh. d.
deutschen Litt. 6. Aufl. Berlin, Weidmann. XII, 824 S. Geb. M. 10.00. (S. 822/4 Nachwort t. Edw. Schröder.) —
46) X W. Scherer, llistory of Oerman Litt>ratnrp. Translated by Mrs. F. Conybearo. Oxford, ClarendAn Prcn.
M. 5,00. (Zuerst 1880.) — 47) K. M. Heyer, Litterariscbe PrUgelknab^n: AZg». N. 82. - 48) A. Uelilke, Litt. Oppositiou-
.Tabroäberichtp fllr iiouere ddutsche Litteraturgeschichte II (i,, 2
1 1 : 49-59. S z a m a 1 6 1 s k i i\ lul He r r m a n n , Litteräturgeschichte. 18
Konvention und handwerksmässiges Treiben heraushebt. Er gelit aus von Neidhart
und Tannliäuser, lässt das 14. — IG. Jh. bei Seite, weil in ihm litterarisch-ästhetisclie
Kämpfe nicht ausgefochten seien, schildert das Wirken Opitzens uud der wiederum
gegen diesen auftretenden Opposition, der er Leute wie Simler und Grob wohl nm- zu-
gesellt, weil sie in Goedelces Grundriss den Antiopitzianern angegliedert sind, charak-
terisiert Gottsched wie seine Gegner und schliesst mit dem Auftreten des jungen
Goethe. —
Verschiedenes, was an anderer Stelle der JBL. nicht unterzubringen war,
sei hier zusammengestellt; viel Erfreuliches ist nicht dabei. Kuwert*^) bietet nicht
den dem Titel nach erwarteten Beitrag zur vergleichenden Litteraturgeschichte, sondern
eine trockene Aneinanderreihung ziemlich wertloser Betrachtungen über die auf Arminius
bezüglichen Werke Huttens, Spalatins, Frischlins, Ayrers, Lohensteins, J. E. Schlegels,
Schönaichs, Wielands, Klopstocks und Kleists; seine Materialzusammenstellungen gehen
offenbar wesentlich auf eine alte Skizze Creizenachs (PrJbb. 36, S. 332 — 40) zurück.
Hätte er die Arbeiten Riffarts und Hofmann-Wellenhofs gekannt, so wären ihm wenigstens
die Arminius behandelnden Dichtungen Kuchlins, Schredins, Rists, Hofmannswaldaus,
Peynfelders, Bodmers, Ayrenhoifs u. a. nicht entgangen; Mosers Arminiusdi'ama hätte
K. auch bei Creizenach nicht übersehen sollen. — Eine andere mythische Heldengestalt,
Roland, verfolgt Eicke ^o) durch die neuere Litteratur. In Deutschland ist ihr Erscheinen
abgesehen von einigen Chronisten des 16. Jh. zunächst direkt oder indirekt durch die Italiener
zumal Ariosto und Bojardo, vermittelt, auf deren deutsche Uebersetzungen E. S. 13 Anm. 1
zu sprechen kommt; hierher gehört neben anderen Opern das Hamburgische Singespiel
„Der grossmüthige Roland" und eine zuerst 1626 gespielte Komödie von Orlando furioso,
die nicht, wie C. Heine glaubte, auf H. Scamaccio, sondern auf R. Greene zurückgeht.
Durch die germanistischen Veröffentlichungen des 17. Jh. wurde der schönen Litteratur
der Stoif nicht näher gebracht; erst die Romantik nahm sich seiner an: Eouque ver-
arbeitete den Stricker, A. W. v. Schlegel den Turpin; dazu kommen Uhlands Balladen
und andere, in Ereiligraths Rolandalbum gesammelte, kleine Dichtungen sowie die Ueber-
setzungen Uhlands, Hertz', Simrocks. Viel Nutzen stiftet die auch stofflich nicht ganz
vollständige Arbeit kaum: fast nur lose aufgereihte Analysen und äusserliche Quellen-
betrachtung, nirgends eigentlich ein Versuch vergleichender Charakteristik 51-52). — Qb
Hinrichsens 53) in zweiter Auflage vorliegendes Schriftstellerlexikon gegen die erste
Auflage eine Verbesserung bedeutet, können wir nicht sagen, da uns diese noch nicht zu-
gänglich war. — Offenbar ebenfalls das Ergebnis beantworteter und unbeantworteter
Bittgesuche um autobiographische Mitteilungen ist das französisch-italienische Dictionnaire
von Gubernatis54)| wie stets in solchen Fällen erhält man über die kleineren Leute
die beste Auskunft. Die Wissenschaft ist reicher vertreten als die Dichtung: über die
Stammautoren einiger Berliner Vorstadtbühnen wird Auskunft erteilt, und Namen wie
Spielhagen und Wildenbruch fehlen ganz. Aber auch auf die in wissenschaftlichen
Dingen gegebenen Mitteilungen kann man sich kaum verlassen: die VLG. z. B. wird
nach G. herausgegeben von „Schmidt, Schiherl und Stephan". — Im Berichtsjahr gelangte
auch Wurzbachs 55) österreichisches Lexikon zum Abscliluss: „Lexikonmüde ruh'n nun
aus die Hände. Ich ganz allein schrieb diese sechszig Bände." 56) — Als „Geschichtsei"
bezeichnet S. Widmann^'^) die in die Geschichte gedrungenen und noch dringenden
Fabeln, die auf unrichtiger Herleitung eines Wortes beruhenden Erdichtungen, die an
geschichthche Begriffe und Namen sich knüpfenden Missverständnisse und Verwechs-
lungen. Solche Zusammenstellungen sind wohl geeignet, als Stoff für Erörterungen
historisch-kritischer Art zu dienen; in der Form, in der W. sie bietet, bezwecken sie
wohl nur, dilettantischen Freunden des Sprachlebens anziehende Belehrung zu gewähren. —
Nur eine Spielerei ist es, an die Heydtweiller 58) erinnert: er teilt die Namen deutscher
Dichter nach dem berühmten Muster der krebslosen und der krebseliefernden Monate
und hält die Träger der Namen mit r für die rauhen, kräftigen, männlichen im Gegen-
satz zu den hellen, milden klaren ohne r. — Ueber Dichternamen, aber niir über unge-
nannte und verwandelte, plaudert auch F. Gross 5'-') mid macht dabei auf ein kürzlich
bewegungcn: VossZgs. N. 48, 46, 49. — 49) M. Kuweit, Anninius als dichterischer Held: ib. N. 16/8. — 50) Th. E icke,
Z. neueren Litt.-Gesch. d. Rolandssage in Deutschland u. Frankreich. E. litt.-hist. Studio. Leipzig, Fock. 56 S. M. 2,00
|[H. Varnhagen: DLZ. 18, S. 1618/9; AI. 'r[ille?l: LCBl. 1892, S. 882.]| _ 51) O X H- Eckart, D. deutschen Ströme in
ausgewählten Schilderungen deutscher Dichter. Gera, Bauch. Gr. 16. 188 S. M. 2,00. — 52) OX Emma Laddey, Frauen-
hilder im Spiegel d. Dichtung. München, Huttier. IV, 301 S. m. 4 Lichtdr.-Bildd. M. 8,00. - 53) XX A. H inri ehs en , D. litt.
Deutschland. M. e. Einleitung v. C. Beyer. 2. Auflage. Berlin, Norddeutscher Verlag. 1471 S. M. 18,00. - 54) A. de
Uubernatis, Dictionnaire international des 6crivains du jour. Bd. 2. Florenz, Niccolai. 4». 8, 1009-2088 S. — 55) C. von
■Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisertums Oesterreich. Bd. 60. Wien, Hof- u. Staatsdruckerei. XXXIX, 383 S.
|[V088Zg. N. 316; Schwicker: AZgn. N. 179.]| -56) O XX B- Eckardt, Lexikon d. niederdächsischen Schriftsteller v. d.
ältesten Zeiten bis z. Gegenwart. Osterwieck, Zickfeldt. VU, 181 S. M. 4,00. - 57) S. Widmann, Geschichtsei. Missver-
standenes u. Miss verständliches aus d. Gesch. Paderborn, SchOningh. XXIV, 298 S. M. 2,80. ![K. Sallmann: BLÜ. N. 12.]|
— 58) G. Heydtweiller, Nomen et omeu. E. Spiel m. Dichternamou : Didaskalia N. 257. — 59) F. Gros.s, Anonyme u.
10 Szainat6lRki und Herrmanii, Litteraturgeschichte. I l:«o-«ö.I2: i-i.
in PariB erschienenes „Dictionnaire des Pseudonymes" aufmerksam, das eine systematischi^
Einteilung versucht luid sechzehn Arten von Pseudonymen ennittelt. Einige der Bei-
spiele C+.s beruhen auf längHt abgetiianen Hypothesen, *'ö) — In einer (relegenheitsrede
betont Max Koch^'), dass die Bedeutung einer Nationallitteratur für die Entfaltung
nationaler Politik nicht zu unterschätzen sei: einmal wird eine der wichtigsten Waffen
im Kampf gegen fremde Nationalität, die Sprache, nur dann siegesfkhig, wenn sie eine
mächtig ausgebildete nationale Litteratur hinter sich habe, andrerseits zeigen die That-
sachen, dasH gerade unsere klassische Nationalliteratur, die z. B. Gervinus für die Ursache
unserer politischen Unbildung erklärt, das früher unbekannte deutsch-nationale Gefühl
waoligerufen und uns in den Jahren der Fremdherrschaft recht eigentlich unsere Volks-
kraft erhalten habe, ganz abgesehen von der luimittelbar wirksamen Lyrik der Freiheits-
sänger. K. zieht daraus die Folgerungen für unser modernes Leben: er fordert grössere
Teilnahme für die nationale Poesie, aber freilich nicht ftir die „Modemachwerke" Wilden-
bruchs, als ein äusseres Zeichen Denkmäler für unsere grossen nationalen Dichter, aber
freilich nicht für „Henri Heine", und die ganze Schrift gipfelt in einer Apotheose
Richard Wagners. **2J — K. Pranke'*^) wünscht, dass man auch ausserhalb des Kcjllegs
und der Studierstulte „Germanistik" studiere, indem man z. B. in Frankfurt nicht ver-
säumt, das Goethehaus und den Sachsenhäuser Goethehügel zu besuchen. — Sehr
hübscli setzt Fulda 64j in einer Musterung der verschiedenen Berufsarten, deren Ver-
treter sich Schriftsteller nennen, auseinander, dass es keinen eigenen Schriftstellerstand
giebt: sonst müsste man folgerichtig auch einen Rednerstand anerkennen, und das wini
niemand thun wollen: „hier wie dort Leute der allerverschiedensten Lebensstellung,
hier wie dort die Unmöglichkeit einer Grenzbestimmung und die Zusammenfassung
durch ein ganz äusseres, ganz nebensächliches Merkmal: hier das Reden, dort da«
Schreiben." — Dagegen hält Keiter^^) offenbar das Schreiben*'*) und das Drucken-
lassen für das Charakteristikum des Schriftstellers und bringt eine Reihe von Rat-
schlägen tiber die Einrichtung des Manuskripts, über Büchertitel und Inlialtsverzeichnis,
über den Verkehr mit Druckern, Redakteuren, Verlegern, Agenten zusammen: alles sehr
elementarer Art und doch selbst von altgedienten Schriftstellern nicht immer einge-
halten.ö''-^^) — Spitteler^^) handelt im Scherrton von den Ursachen unseres litterari-
sclien Epigonentiims, das er nicht diurch ein Nachlassen der schöpferischen Kraft des
Volkes erklären mag. Während er, so wie wir es auch oben mehrfach hörten,
dagegen ist, dass man den grossen Dichter aus seinem Milieu heraus zu verstehen suche,
meint er die verpfuschten Dichter durchaus aus den Eigenschaften ihrer Umgebung
begreifen zu können, und macht für das Epigonenhafte unsrer modernen Dichtung die
stets rückwärts blickende Klassikervergötterung, den „Gottschedismus", das Alexandriner-
und Byzantinertum und die scholastische Art unserer Bildung verantwortlich, gegen
die er in oft recht glücklich gewählten Worten zu Felde zieht. —
1,2
Geschichte der deutschen Philologie.
Wolfgang Golther.
Vorläufer N. 1. — Brüder Grimm: Briefwechsel N. 6; Jacob Grimm N. 12; Deatache Sagen N. 13. — Lachmann,
Sohmeller N. 14. — Einzelne Gelehrte bis auf die Gegenwart N. 16. — Allgemeine Sprachwissenschaft N.29. — Nekrologe N. 3.5. —
Unter den Vorläufern der grossen deutschen Philologen wird zunächst Schot-
telius, der „Jacob Grimm des 17. Jh.", durch von Waldberg ') in einem übersicht-
lichen Artikel geschildert, der gleichmässig die wissenschaftliche, sprachliche mid
metrische wie die poetische Thätigkeit Schotteis berücksichtigt. Ihn erftillte eine warme
Pseudonyme: FrZg. N. 43. — 60) Titel- u. Namenfragen in d. Litt.: HambCorr. N. 666. (Aastag ans •. Artikel t. ILLanda«
in d. NFPr.) - 61) Max Koch, Nationalität n. Nationallitt. E. Vortrag fttr d. .Allgemeinen DeuUohen Verband». Berlin,
Walther. 22 S. M. 0,50. (Vgl. DWBl. 4, S. 296-307.) — 62) QXK. Walcker, Arbeiteriesebuch. KarUruhe, Macklot.
IV, 35 S. M. 1,00. — 63) K. Franke, Wo u. wie studiert man ausserhalb d. Kollegs a. d. Studierstobe Germanistik: ZDÜ. 6,
S. 537-45. — 64) L. Fulda, Giebt es e. Schriftstellorstand: FrZg. 286 7. — 65) H. Keiter, Praktische Winke fUr Schrift-
steller u. solche, die es werden wollen. Dritte, rerb. Aufl. Regensburg, Selbstverlag. 48 S. M. 0,60. — 66) OX Por«o
(Adolf Agas), V. Schreiben. E. Blick Ober d. SchnlUr d. Schriftstellers: FZg. N. 207. — 67) OX Schardt, Ana d. Welt
d. .lournalistik: ib. N. 67. — 68) O X A. Schröer, Ueber Studium n. Bildung. 3. Litt. Prodaktion n. Ueberprodnküon :
ib. N. 142. - 69) C. Spittelor, D. Epigonentum: NZUrchZg. N. 21;4. -
I) M. von Waldberg, J. G. Sehottelias. (S. a. 13:3, 1112:64.) — 2) W. Wiegand, J. D. SchUpflin : ADB.
2*
I 2: 3-6. W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie. 20
Begeisterung fiir den Gegenstand seiner Forschung, für die deutsche Sprache, m seinen
Schriften speicherte er die Summe der damaligen deutschen Sprachwissenschaft auf und
verstand sie selbständig auch vom geschichtlichen Standpunkte aus zu verarbeiten. —
Von Schöpfhn, dem Geschichtschreiber des Elsasses, entwirft Wiegands) ein an-
sprechendes und lebendiges Bild. — Mit dem Aufleben des deutschen Minnesangs be-
schäftigt sich eine von Sokolowski^) in Angriff genommene Arbeit, deren erstes
Kapitel als Dissertation erschien. Das Wiedererwachen des altdeutschen Minnesangs
ist an die Auffindung der grossen sog. Manesseschen Liederhandschrift geknüpft. Im
Anfang des 17. Jh. schrieb Goldast einen Teil der Hs. ab und veröffentlichte in ver-
schiedenen Schriften Stücke daraus. Im 17. Jh. blieb man wesentUch auf Goldasts
Darbietungen angewiesen. Um die Wende des 17./18. Jh. aber begann man auf die
Hs. Goldasts, die mehr enthielt als seine gedruckten Bücher, und auf das Original zu-
rückzugreifen. Bald nahmen Bodmer und Breitinger die Arbeit auf: 1748 erschienen
die „Proben", 1758/9 die „Sammlung von Minnesingern aus dem schwäbischen Zeit-
punkt". S. erörtert den Wert dieser Veröffentlichung und ihr Verhältnis zum Original.
Im Zusammenhang und für sich allein ist eine solche Untersuchung bisher noch nicht
angestellt worden; Neues z. B. über August Buchner und Karl Ortlob bringt S. in der
Behandlvmg der zwischen Goldast und Bodmer liegenden Zeit vor. — Im vorigen Jh.
trug sich, wie L. H. Fischer 4) nachweist, der Berliner Gymnasial-Rektor J. L. Frisch mit
dem Gedanken eines märkischen Wörterbuchs und hatte dazu viel gesammelt. Von
seiner Arbeit kam jedoch nichts an die Oeffentlichkeit. — Die erste für die deutsche
Litteratur bestimmte Nominalprofessur, die allerdings keine Bedeutung erlangte, wurde,
wie Ernst Müller 5) ausfuhrt, im Anfang unseres Jh. zu Münster errichtet. Der „Frei-
mütige" erwähnt in N. 132 des Jahrgangs 1805, es gebe noch keine Universität mit
einer eigentlichen Nominalprofessur für deutsche Sprache und Litteratxu-, aber Heidel-
berg beabsichtige eine solche zu begründen. In N. 162 folgt eine Berichtigung dieser
Aeusserung mit dem Hinweis auf Münster. „Schon vor 4 — 5 Jahren ist hier Schlüter
(bekannt durch seine Bearbeitung der Sallustischen Geschichte sowie diu-ch mehrere
philologische Arbeiten) als öffentlicher Lehrer des deutschen Stils und der deutschen
Litteratiir angestellt worden. Gewiss verdient dieses, als etwas, das dem Geiste des
bisherigen Curatoriums der Münsterschen Universität ungemein viel Ehre macht, öffent-
lich bemerkt zu werden." —
Das Verhältnis der Brüder Grimm zu dem Göttinger Theologen Friedrich
Lücke war im allgemeinen bekannt, besonders aus dem von Ippel veröffentlichten Brief-
wechsel der Brüder mit Dahlmann und Gervinus. Durch den von Sander 6) heraus-
gegebenen Briefwechsel der Brüder mit Lücke selbst treten uns nunmehr diese
Beziehungen mit grösserer Klarheit entgegen. In den Göttinger Briefen (1830 — 1837)
werden zunächst wissenschaftliche Fragen erörtert, Jacob erteilt Lücke Auskunft über
ein schwieriges Wort der Sprache Luthers und empfängt von Lücke Nachweisungen
aus der älteren kirchlichen Litteratur. 1837 erfolgte bekanntlich die Aufhebung der
hannoveranischen Verfassung vom Jahre 1833, und die Erklärung der Göttinger Sieben
über die fortdauernde Giltigkeit des beschworenen Staatsgrundgesetzes von 1833 führte
zur Entlassung der Brüder. Lücke, dessen offene Teilnahme die Freunde erhofft hatten,
hielt sich zurück. Das wirkte entfremdend auf die freundschaftlichen Beziehungen, aber
es kam zu einer offenen brieflichen Auseinandersetzung zwischen Lücke und Jacob,
der 1838 — 41 in Kassel weilte. Zu Jacobs machtvoller Sclirift „Meine Entlassung" bildet
der zehnte Brief eine schöne Ergänzung. Lückes Hinweis auf sein Promemoria, mit dem
er sich an das Curatorium der Universität gewandt hatte, beantwortet Jacob mit den
Worten: „Was hätte es gefrommt, wenn Luther, was er gegen Rom im Herzen trug,
an einen Cardinal oder an den Pabst selbst sub sigillo entsandt hätte? Bloss was
er zu Wittenberg offen that, konnte wirken und die Wahrheit an den Tag bringen."
Die persönlichen Beziehungen wurden aber nicht gestört und bald blühte der frühere
gelelirte und persönhche Verkehr wieder auf Als 1840 Otfried Müller auf einer Forschungs-
reise in Griechenland gestorben war, richteten die Brüder wunderschöne Briefe an Lücke,
der ihnen eine Denkschrift über den Verstorbenen zugeschickt hatte. Besonders aus
Wilhelms Brief spricht sein echt deutsches Gemüt. Er redet von Müllers Begeisterung
für das griechische Wesen; er betrachtete auch die Gegenwart nvu* mit dem Auge des
Griechen. Wir waren für ihn den Griechen gegenüber Barbaren, „zwar in diesem Sinne
lobenswert, aber uns blieb doch nichts übrig, als uns leidlich über dem Wasser zu er-
halten, oder wie Goethe sagt, auf der Anhöhe barbarischer Vorurteile". Es wäre ihm
32, 8. »59-308. — 8) B. SoVolowski, 1). Aufleben d. altdeutschen Minnesangs in d. neuen deutschen Litt. I. Kap.: il. Auf-
leben d. Hinneaangg in d. Wissenschaft bis 1759. Phil. Diss. Jena. Frouunaunsohe Buchdruekorei. S«. 44 S. (Vgl. u.
III 2: 1.) — 4) L. H. Fischer, J. L. Frisch: .IbVNioderdSpr. Iß, S. 109—10. — 5) Ernst MUller, D. erste Universitäts-
professur d. deuUchen Litt.: ADA. 17, S. 842/8. — 6) Briefwechsel Friedrich Lückes mit d. Brüdern Jacob u. Wilhelm Grimm.
Her. V. K. .><aniler. Hannover-Linden, Man« * Lange. VI, 134 S. M. 5,00. |[R. Steig: NatZgM. 19 Sept.]| (Mit erläuternden
21 W. Goltlior, Ge8chi('ht(f der deutHclien Philol<»^i<». I 2: 7-fl.
schwer ^ewoidoii, an den DeutHcheu VorzCi^e anzuerkeniHüi, die den (iriechen feliU<3n
und ihnen /ugleidi wünschenswert gewesen wären. Müller suclite mit Vorliebe das,
was mit dem Sinn der Griechen in Uebereinstimmung zu setzen war; Wilhelm aber
Huchto die Eigentümlichkeit des deutschen Geistes, auch wo er dem griechischen wider-
sprach, zur Blüte zu bringen. „Der Gedanke, dass die Griechen schon alles erreicht
haben, und wir, wenn wir unser Bestes thun, nur hoffen dürfen, ihnen nahe zu kommen,
hat mir immer etwas Niederdrückendes gehabt; Goethe, der in spät^^rer Zeit auch daliin
neigte, erhielt davon etwas Kaltes und Marmorartiges". Trotzdem war Müller damals
einer der wenigen klassischen Philologen, die gegen die Erforschung des heimischen
Alterturas nicht vorsätzlich die Augen verschlossen; aber er trug doch immer zur
Schau, dass von seinem griecliischen Standpunkt aus ein solches Zugeständnis eine
Herablassung bedeutete. „War es über Müller verhängt, im Auslande zu sterben, so
hat er eine schöne Grabstätte gefunden. Deutsche Landsleute wollen eine Cjr^resse
darauf pflanzen. Aber ich wünsche doch jedem Deutschen einen Hügel in heimischer
Erde." Jacob schildert in seinem Brief den Eindruck, den Müllers Persönlichkeit auf
ihn machte. Seit 1841 datieren dann die Briefe der Brüder von Berlin. 1851 starb
Lachmann; Wilhelm berichtet Lücke über den Verlauf seiner Krankheit und über seinen
Tod. Für die Zusendung der Besprechung, die Lücke in den Göttingischen Gelehrt^en
An/eigen der Laclvmannbiograpliie von Martin Hertz gewidmet hatte, dankt Jacob
am Jahresschluss 1851. Er spricht von seiner eigenen Gedächtnisrede auf Lachmann.
„Viel genauer luiterrichtet gewesen wäre Haupt, allein er hätte Lachmann vergöttert, nicht
als Menschen dargestellt." „Mir schien mit meiner Stellung es verträglich, dass über
einen Befreundeten, dem ich dem natürlichen Laufe nach im Tode hätte vorausgehen
sollen, ich ein wirkliches Urteil auszusprechen versuchte, woran der Nachwelt seinet-
und auch meinetwegeii mehr gelegen ist als an blosser Aufzählung seiner Verdienste,
die unverschwiegen bleiben." „Es ist wahr, dass meine Natur oder Art und Weise abwich
von der Ijachmanns; als wir zuerst bekannt wurden, hatte sich schon alles in uns fest-
gesetzt, und die vorher geschriebenen Briefe waren fast vertrauter als das spätere Bei-
sammenleben, so ungetrübt äusserlich unser Vernehmen immer blieb. Auf manches mich
ergreifende ging er wenig oder gar nicht ein und hielt sich zurück, da, wo mir Teilnahme
wohlgethan hätte oder nötig gewesen wäre. Während ich strebte, mich aus manchen
Formen loszureissen, sagte ihm zu, sich fester in sie zu verstricken." Li demselben
Brief schreibt Jacob, er sei jetzt in die unabsehbare, wahrhaft grundlose Arbeit des
Wörterbuchs versenkt und müsse alle Pläne zurückstellen. Die letzten Briefe sind 1853,
zwei Jahre vor Lückes Tode, geschrieben; sie vermitteln den Austausch von Gedanken
über die Frage, wie göttliche Oifenbarung sich in menschliche Formen kleiden könne. —
Unsere Kenntnis von den Briefen der Brüder wird durch Sanders ''-^) Biographie Lückes
erfreulich bereichert. Zugleich hat der Herausgeber durch umfangreiche Zugaben, die
namentlich die Krisis vom Jahre 1837 und den gemeinsamen Göttinger Freundeskreis
der Brüder und Lückes betreifen, alles gethan, um den Leser in die Verhältnisse ein-
zuführen, aus denen die Briefe entstammen. Ein Verzeichnis der Personennamen er-
möglicht einen raschen Ueberblick und eine bequeme Benutzung des reichen Inhaltes,
den das Buch uns darbietet. — Der Briefwechsel Emil Brauns des Archäologen
(1809 — 1856) mit den Brüdern Grimm und Joseph von Lassberg, enthält 2 Briefe von
Wilhelm, 3 von Jacob, 5 von Lassberg. Die übrigen sind von Braun selber an die
genannten drei Männer gerichtet, die meisten und wichtigsten an Lassberg. Der Heraus-
geber Ehwald^) glaubt, mit der Veröffentlichung der Geschichte der deutschen Philo-
logie zu dienen. Es werden allerdings vielfach wissenschaftliche Fragen berührt und
einige Bemerkungen über Gelehrte wie Lachmann, Schmeller, Cleasby, aus dessen Nach-
lass Gudbrand Vigfusson sein isländisches Wörterbuch schuf, und Füglistaller einge-
streut; letzterem wird in der Einleitung fälsclüich eine HeliandübersetÄung zuge-
schrieben, während in den Briefen doch Otfried genannt ist. Aber nur rasch und
flüchtig ist von solchen Männern die Rede. Braun war in der Zeit, aus der die Briefe
stammen (1829 — 1832), ein junger, noch durchaus in der Entwicklung begriffener Student,
der allerdings an der germanistischen Wissenschaft lebhaften Anteü nahm, besonders
dadurch, dass er fleissig und opferwillig f(\r andere Handschriften absclirieb. Li den
Briefen werden a\ich namentlich Handschriften und alte Bücher erwähnt, aber nichts,
was für uns jetzt von Belang wäre. Vom „Meister Seppi auf Eppishusen", dem gast-
freien Schlossherrn, von seiner jugendfrischen Freude an den Studien des deutschen
Mittelalters hört man am liebsten im launigen Briefton erzählen ; Lassbergs liebenswertes
Zusätzen u. Zugaben ans d. gemeinsamen Freundeskreise besonders ttber d. akademischen Krisis d. J. 1837.) — 7) \ ¥.
Sander, Friedrich Lücke, Abt zu Bnrsfelde u. Prof. d. Theol. «u Göttingen (1791 — 1855). Hannorer-Linden, Karl Manr.
V1II,240S. M. 6,00. — 8) X id., Friedrich Lttcke u. seine Freunde: AZgB. N. 196. — 9) Emil Brauns Briefwechsel mit d. Brfldern
Grimm u, Joseph Ton Lassberg, her. v. B. Ehwald. Gotha, Perthes. VII, 169 S. M. 3,0a 1[E. Steinmeyer: ADA. 17,
1 2: iü-L'2. W. Goltlier, Gescliichtc der deutschen riiilolo<iie.
22
Bild tritt auch hier wieder lebendig mis entgegen. Dem Büchlein zum fechmixck dient
das gefällige Aeussere und das Bildnis Brauns; zum bequemen Gebrauch wid ziir Ji.r-
läuterung sind Anmerkungen und ein Namensverzeichnis angefägt. - Drei Briete
J. Grimms an den Freiherrn A. von Fürth aus den Jahren 1835-39 veröffentlicht
Fromm 10)- hier werden Beiträge Fürths zu den Weistümern ans dem Jvohier Gebiet
erwähnt. — Der Briefwechsel der Brüder mit Benecke JBL. 1890 ist von Roethe n) ge-
würdigt — Eine längere, gehaltvolle und sehr schön geschriebene Abhandlung über
Jacob Grimm knüpft M. Bernaysis) an den Briefwechsel Jacobs mit Hirzel und an
den 8. Band der kleineren Schriften (vgl. JBL. 1890). Eine kurze Geschichte des
Wörterbuchs dient zur Einleitung, dann folgen feine Bemerkungen zur Charakteristik
Jacobs, Wilhelms und Hirzels. Besonders schön ist Jacobs Verhältnis zu Goethe ge-
schildert: aus Goethes Sprachfülle wusste aber auch Hirzel manches zu schöpfen als
Beisteuer für das Wörterbuch. Das briefliche Gespräch der beiden Männer bewegt sich
natürlich um dieses Wörterbuch, um dessen innere und äussere Geschicke. Aber auch
vieles andere Merkenswerte taucht auf, das in nähere und fernere Gebiete der Wissen-
schaft, der Kunst und des Lebens hinausdeutet. Gerade diese Seiten weiss B. sehr an-
schaulich zur Darstellung zu bringen; hier hat die zweite Hälfte des 8. Bandes, „Zeit-
geschichtliches und Persönliches", ebenfalls reiche Beiträge geliefert. Was die yeröflPent-
lichungen in zerstreuten und vereinzelten Zügen darbieten, verstand B. mit feinem Ver-
ständnis zu einem abgerundeten, anziehenden Gesamtbilde zu vereinigen. — Das köst-
liche Werk der Brüder, die deutschen Sagen, gab He rm an Grimmig) in dritter
Auflage heraus. Bisher erlangte das Buch, obschon es von reinster Poesie durchleuchtet
und in meisterhafter Form abgefasst ist, nicht entfernt dieselbe breite und tiefe volks-
tiimliche Wirkung wie die Märchen. Der jetzt erscheinende Abdruck ist mehr auf ein
Volkslesebuch berechnet, Druck und Format sind sehr vorteilhaft im Vergleich zu den
älteren Ausgaben vergrössert, ein schönes Vorwort G.s kam neu hinzu. Möge das herr-
liche Werk, dem ein unvergänglicher Jugendreiz eignet, mit gutem Glück seine neue
Wanderung vollenden. Keines ist mehr geeignet, deutsche Sitte und deutsches Dichten
zu wahren und zu fördern. —
In einer Besprechung der Liedertheorie F. A. Wolfs und Karl Lachmaiins
stellt Ilg 14) nur die Anschauungen hervorragender Forscher über die homerische Frage
zusammen und kommt zu dem Ergebnis, dass weder die wirklichen und gesuchten
Widersprüche der Gedichte, noch auch die Untersuchungen über die sprachlichen Ver-
schiedenheiten zur Annahme von Einzelliedern berechtigen. Mit einem Ausblick auf
die „vermittelnde" Richtung, welche die ursprüngliche Einheit, aber spätere mehr oder
weniger ändernde Ueberarbeitung behauptet, bricht das Referat ab. — Am 20. Juli wurde
zu Tirschenreuth das Denkmal Schmellers enthüllt, eine schöne lebensgrosse Büste.
Die Akademie, die Staatsbibliothek und die Universität München hatte zu der Feier
Vertreter entsandt; verschiedene Zeugnisse über ihren Verlauf liegen vori^). So ist nun
J. Grimms Wunsch erfüllt, wenn auch nicht in der Hauptstadt des Bayerlandes, so doch
in Schmellers Geburtsstadt. — Eine Anzahl kleinerer Arbeiten befasst sich mit einzelnen
Gelehrten und führt bis in die Gegenwart. So charakterisiert zunächst die ADB.
eine Reihe von Männern, die zwar keine hervorragende Stellung in der deutschen Pliilo-
logie und Litteraturgeschichte einnehmen, die aber doch am Ausbau dieser Fächer nach
Kräften mitgearbeitet haben. Das Leben und Wirken K. E. Schubarths, seine
Beziehungen zu Goethe , seine philosophischen , ästhetischen und philologischen
Forschungen, worunter namentlich die ablehnende Haltung gegen Wolfs Homer-
kritik bemerkenswert ist, bringt D. Jacoby^^) mit liebevoller Ausführlichkeit und
Gründlichkeit zur Darstellung. — G. A. Schölls vielseitige Wirksamkeit auf dem
Gebiete der klassischen Philologie und deutschen Litteraturgeschichte führt uns
treiflich R. Scholl i'') vor, der hiermit eine wertvolle Ergänzung zu F. Schölls
Nekrolog (Bursians JbAltertK. 1883) bietet. — Weniger selbständig, nur ältere Werke
excei-j)ierend und zusammenfassend ist von Waldbergs i^) Artikel über Valentin
Schmidt, der von der Romantik angeregt vergleichende Litteraturgeschichte pflegte,
Carstens'!») Arbeit über Hans Schröder, den Begründer des Hamburger Schriftsteller-
lexikons und Biographen J. G. Müllers, die von H. FischerSO) gelieferte Biographie des
schwäbischen Dichters und Gelehrten Gustav Schwab, Teutschs2i) Artikel über J. K.
8. 328; A. y. Weilen: ZOG. 42, S. 1004.]| (Mit Porträt Brauns.) — 10) E. Fromm, Ungedruckte Briefe v. Jacob Grimm:
ADA. 17, S. 170—81. — II) Roethe, Briefe d. Brüder J. u. W. Grimm an Benecke, her. v. W. Müller: DLZ. 12, N. 11. —
2) M. licrnays, Z. Kenntnis J. Grimms: AZgß. N. 46/9. — 13) Deutsche Sagen, her. v. d. Bfüdern Grimm. ;i. Aufl. besorgt
V.H.Grimm. 2 Bde. Berlin, Nicolai. XX, 208, 215 S. M. 6,00. — 14) 11g, Ueber die homerische Kritik seit F. A. Wolf.
I. Teil: D. Wolf-Lachmann«che Richtung. Progr. d. Kgl. Gymnasiums in Ravensburg, 1890/91. 4«. 28 S. — 15) D. Kgl. Hof-
u. StiiBtshibliothek bat unter d. Signatur Bavar. 1637 'i. 40. einige auf d. Feier bezügliche gedruckte Urkunden (Beden, Trink-
sprOche u. dergl.) zusammcngostellt. - 16) D. Jacoby, K. E. Schubarth: ADB. 32, 606-12. — 17) E. Scholl, G. A. Scholl:
ib. H. 218-24. — 18) M. y. Waldberg, Valentin Schmidt: ib. S. 14/6. - 19) Carstens, Hans Schröder: ib. S. 513/5. -
rO) H. Fincher, Gustav Schwab: ib. 33, S. 153/5. — 21) TeutFCh, J, K. Schuller: ib, 82, F. 682/6. — 22) H. Holland,
Scliiillei", dei) vorditMitt'ii Kifui-scli(!r dvs Sprache, uml (lt;.s \ Olksf iiiiis in SiflxMilfürgcii,
iiihI die, voti H. Hollaiirl-2) ^o^oIkmk^ Clmraktoristik Schönwerths, de« SaKf^nforsoherH
der ObRi-pfalz. lliihedoutend sind dio von R. Jung^:»^, SrhloKsar^^) und E. Schneider^*)
«^ehrarliten Notizen über den IMiilologen und Litteraturlustoriker K. Soliwenk, über
Scliottky, dv.u Mniidai'tforsclier und Herausgeber niederösterreirhischer VolkKÜeder, und
ü\)rv den VielselinMber Schönluith, den HeranKffe>)er altdent«elier Texte. — Die .TBL. 18JX)
erwähnte Schrift von Bascli (il)er Seljerer wird von Burdach^«) jrewürdij^t; B. hobt die
Eigenart des französischen Biograjdien hervor, welclie in der Darstellung und Auffassung
zur CTeltun^ kommt. — Wurzbachs27-2Hj biographisches Lexikon bringt eine kurze
Lebensbeschreibung J. v. Zingerles und J. Zupitzas. Wertvoll sind die Artikel nament-
lich durch das sorgfaltige, fast erschöpfende Verzeichnis aller Arbeiten der beiden
Gelehrten. —
r. J. Schmitthenner gehört durch seine sprachlichen Arbeiten („Ursprachlehre"
lH2n) zu den Vertretern der indogermanischen, „indisch-teutschen" Sprachwissen-
schaft. Seine Leistungen auf diesem Gebiete wurden rasch vergessen, als Bopps und
Potts IIauj)twerke erschienen. Sein deutsches Wörterbuch blieb in der Neugestaltung
seines Schillers Weigand erhalten. Schmitthenners sprachwissenschaftliche Richtung
hält die Mitte zwischen dem ])hilo8ophischen und dem historisch- empirischen Stand-
j>uid\t, aber neigt doch mehr zum ersteren, wie sein Biograph Edw. Schröder^^) her-
vorhebt. — Zum lOOj. Geburtstag Franz Bop])s brachten Tagesblätter und Zeitschriften
gehaltvolle Aufsätze. Von besonderem, bleibendem Wert ist die schöne Biographie
Lefmanns^o), deren erste Hälfte bis zum Jahre 1833, bis kurz vor das Erscheinen der
vergleichendeTi Grammatik führt. L.s Buch, in dem nur des Vf. manierierter Stil stört,
ist ausgezeichnet durch Gründlichkeit und Klarheit. Die Darstellung beniht auf zuver-
lässigem Materiale, auf Bopps Briefwechsel mit seinen Gönnern, Freunden und Schülern;
im Anliange ist auf 168 Seiten alles Wichtige mitgeteilt, so dass jeder selber die
Urkunden dxircliselierv kann, auf welche die Lebensbeschreibung aufgebaut ist. Der
bisher veröffentlichte Teil schildert des jungen Gelehrten Laufbahn, seinen bewunderns-
werten Fleiss bei der Erlernung des Sanskrit unmittelbar aus den Hss. der Pariser
Bibliothek, seine Reisen, seine Leiden und Freuden bis zur Erlangung einer gesicherten
Lebensstellung, der Berliner Professur (1821). Das Konjugationssystem (1816) und die
Akademieabhandhnigen in Berlin geben Veranlassung, Bopps Leistungen auf dem Gebiete
der vergleichenden Grammatik schon hier hervorzuheben; aber vorwiegend wird sehie
Thätigkeit in der Wissenscluift des Sanskrit betrachtet. Ein treffliches Bild Bopps aus
seinen späteren Jahren ziert den Band. Die ungemein sympathischen Züge voll milden
Ernstes bestätigen und vervollkommnen den Eindruck, den der Leser von Bopps edlem
Wesen, von seiner segensreichen Arbeit empfindet. -'i"^) —
Endlich hat das Berichtsjahr auch Veranlassung zur Abfassung einer Reihe
von Nekrologen gegeben. Dem vortrefflichen Kenner des nordischen Altertums,
Theodor Möbius (geb. 22. Juni 1821, gest. 27. April 1890), widmet K. Maurer^S) mit
der ihm eigenen schliciiten und zugleich überaus gründlichen Art einen warm empfundenen
Nachruf. Ausser durch zaiilreiche kleinere Schriften, welche H. Gering hinter M.s
Nekrolog sämtlich verzeichnet, förderte Möbius die nordische Philologie besonders durch
mehrere 'sorgfaltige Textausgaben, durch ein vorzügliches Wörterbuch und durch zwei
bibliographische Werke (1856 u. 1880), die eine erschöpfende Uebersicht über die gesamte
wissenschaftliche Thätigkeit auf dem Felde der nordischen Altertumskunde dem Forscher
in bequemster Weise darbieten. — Am 15. Oktober 1891 starb Friedrich Zamcke. Die
Naclirufe 38-^0) heben die grosse Bedeutung des Mannes, dessen Forschungen die deutsche
Litteraturgeschichte von den ältesten Zeiten bis auf Goethe umfassten, gebührend hervor.
Obwohl er selber keine Schule machte, war doch seine Stellung in der Nibelungenfehde
gegen Lachmanns Lehren für die Entwicklung der altdeutschen Studien von nachhaltiger
Wirkung. — Andere Nekrologe 41-43^ gelten Anton Birlinger (f 15. Juni 1891), dem
Kenner \xnd Förderer schwäbisch-alemannischer Volkskunde, und dem am 14. Dezember
uns entrissenen liebenswürdigen Goetheforscher Gustav von Loeper. —
F. X. SchOnwerth: ib. 8. 821/4. — 23) R. .Jung, K. Schwenok: ib. 3A, S. 377. - 24) Sehlossar, J. M. Sehottky: ib. 32,
S. 418'9. — 25) E. Schneider, 0. Scbünhuth: ib. S. 307/8. — 26) Burdaoh, Hasch, W. Scherer et la philoIogie allemande:
DLZ. 12, N. 1. - 27) C. Wurzbach, J. V. Zingerle; BiogrLeiikon 60, S. 146 9. - 28) id., J. Zopitxa: ib. S. 815 7. -
29) E. Schröder, F. J. Schmitthenner: ADB. 32, S. 48 — 50. — 30) S. Lefmann, Franz Bopp, sein Leben a. seine Wisaen-
schaft. 1. Hälfte. Mit d. Bildnis F. Bopps. Berlin, G. Reimer. IV, 176, 168 S. M. 8.00. |[L. Schermann: AZgB. N. 29».]|
— 31) X K. Brugmann u. W. Streitberg, Franz Bopp: IndogermF. 1, S. V— X. — 32) X H. Hirt, Franz Bopp: N»8. 59.
S. 37-42. - 33) X L. Schermann, Franz Bopp: MünchenNN. N. 422. - 34) X H. Steinthal, Franz Bopp: ML. 60,
S. 593.'). — 35) K. Maurer u. H. Gering, August Theodor Möbius: ZDPh. 23, S. 457—70. — 36) E. Zarncke, Friedrich
Zamcke: LCBl. N. 44. - 37} 0. Lyon, Friedrich Zarncke: ZDU. 8, S. 721—30. — 38) V. Michels, Friedrich Zamcke: Voss.
Zgs. N. 45. - 39) R. Bechstein, Friedrich Zamcke: RostockZg. N. 498, 500, 502. — 40) L. F rJnkel, Friedrich Zamcke:
FZg. N. 297. - 41) A. Holder, Anton BirUnger: Alemannia 19, S. V-VIIl. — 42) Anton Birlinger: KölnZg. N. 500. —
43) 0. Harnaok, G. t. Lo«per: AZg». N. 801. -
1 3: Ma. R, M. Werner, Poetik und ihre Geschiclite. 24
1,3
Poetik und ihre Geschichte.
Richard Maria Werner.
Gescliiclite der Poetik und der Aesthetik: Die drei Einheiten N. 2. — Friscli N. 4. — Sehwabe N. 5.
— Winckolmann N. 7. — Lessing N. 10. — Herbart N. 12. — Schopenhauer N. 20. — v. Hartraann N. 25. — Richard Wagner
N. 27. — Ziel und Methode der Forschung: Normative Aesthetik N. 32. — Schul massige Zusammenstellungen:
Poetik N. 39. — Rhetorik N. 47. — Subjektive Versuche: Holz N. 52. — v. Kralik N. 53. — Kratz N. 57. — Induk-
tive Aesthetik: Kunstphysiologie N. 62. — Phantasie N. 67. — Schön und gut N. 71. — Künstler und Mensch N. 74. —
Fleiss N. 75. — Genie N. 80. — Induktive Poetik: Evolution N. 89. — Urform N. 94. — Scherer N. 96 — Werner N. 99.
— Poesie und Malerei N. 103. — Anthroiiomorphismus N. 108. — Dichterisches SchaiFen N. 109. — Popularität \. 111. —
Einzelne Fragen: Wahrheit N. 112. — Tendenz N. 120. — Natur N. 123. — Allegorie N. 127. — Humor N. 130a. —
Poetik der einzelnen Dichtungsgattungen. Lyrik: Lied N. 131; Ballade N. 132. — Roman N. 137. —
Drama: Tragödie N. 142; Komödie N. 151; Drama und BUhue N. 153; Moderne Technik N. 174. — Der Naturalis -
mus: Sein Ende N. 179. — Historisches N. 184. — Nietzsches Einfluss N. 197. — Einzelne Persönlichkeiten und der
Naturalismus N. 208. — Naturalismus und Socialismus N. 214. — Kunst und Zeit N. 225. — Schönheit und Sittlichkeit N. 227.
— Neue Schönheit N. 246. — Milieu N. 248. — Suggestion N. 255. — Französischer Naturalismus N. 260. — Deutscher N. 263.
Russischer N. 277. — Nordischer N. 278. —
Grössere Darstellungen der Geschichte der Poetik und Aesthetik sind
während des Berichtsjahres nicht erschienen, es wurde aber das Werk Braitmaiers von
Walzel 1) sehr eingehend besprochen. An die Spitze stellt W. einen fruchtbaren metho-
dischen Gedanken: ausgehend von der Beobachtung, dass der Aesthetiker von einem
ganz anderen Standpunkte die Geschichte der Aesthetik betrachte als der Litterar-
historiker, macht er auf die Gefahr aufmerksam, die in einem Anwenden der philologisch-
historischen Methode der modernen Litteraturgeschichte auf die Geschichte der Aesthetik
verborgen ist : nur mit genauer Kenntnis der Philosophie und mit eigener philosophischer
Schulung wird es möglich sein, den Einfluss ästhetischer Lehren auf die poetische
Praxis aufzudecken, und das gerade dürfen wir von einer Geschichte der Aesthetik
verlangen. Sehr richtig betont er, dass Gottscheds Theorie darum zu verurteilen sei,
weil aus ihr der „Sterbende Cato" hervorwächst, und dass Lessings Lehren dort die
Grenzen ihrer Richtigkeit haben, wo sie Ifflands und Kotzebues Rührseligkeit die
theoretische Grundlage gewähren. Er verlangt also von einer Geschichte der Theorie
Hilfe für die Litteraturgeschichte, aber natürlich nur so weit, als es sich nur um eine
Diclitung handelt, die in der Abstraktion wurzelt. Nach einem kurzen Ausblick auf die
neueren Werke i«) von Borinski, v. Stein, Servaes und v. Antoniewicz charakterisiert er
Braitmeiers Buch treffend als eine Sammlung von vier fast selbständigen Monographien,
Gottsched und die Schweizer, A. G. Baumgarten, J. G, Sulzer und Moses Mendelssohn,
und sucht an einem lehrreichen Beispiele zu zeigen, dass Braitmaiers Darstellung ge-
wonnen hätte, wenn er sie mit einer Untersuchung der nichtdeutschen Theorien hätte
eröffnen wollen. Dieser Teil der Anzeige, der sich mit Pietro de' Conti di Calepio aus
Bergamo beschäftigt, verdient besondere Beachtung. Sein Werk „Paragone della poesia
tragica d'Italia con quella di Francia" erschien 1732, vermehrt 1738, und hat stark nach-
gewirkt. Conti bekämpft Corneilles drei „Discours sur le poeme dramatique", indem er
sicli deduktiv an Aristoteles anschliesst und seine Schrift w^esentlich nach dessen Poetik
gliedert. W. giebt den Inhalt klar an und weist nach, dass Braitmaier manches falsch
dargestellt habe, so Contis Verhältnis zur antiken Tragödie, zum italienischen Drama,
seine Meinung über den Zweck der Tragödie (nicht moralische Besserung, sondern Er-
götzen!) seine Ansicht über hvayvwQiaig. Dann macht W. seine Zw^eifel an Braitmaiers
Beliauptung geltend, Contis „Paragone" habe auf den Lessing -Mendelssohnschen Brief-
wechsel Einfluss geübt, indem er vielmehr wahj-scheinlich macht, die Ueberein-
stimmung zwischen Lessing und seinem italienischen Vorgänger stamme aus Bodmers
und Contis „Briefwechsel von der Natur des poetischen Geschmackes" (Zürich 1726);
erst in der Hambiirgischen Dramaturgie sei Lessing, wie sich aus vielen Aehnlich-
keiten^ entnehmen lasse, von jenem Briefwechsel zum „Paragone" zurückgegangen.
Wichtig ist dann die Korrektur, die W. an Braitmaiers Urt,eil über Gottsched vornimmt;
er sagt richtig, dass Gottsched „der geschicktere Faiseur" gewesen sei und „die ent-
scheidende Leistung, nicht die Conception, sondern die Abfassung einer neuen Poetik,
eines ästhetischen Kanons mehr als ein Decennium vor den Schweizern geliefert und
sich die intensivere Wirkung dadurch gesichert habe". Ueberhaupt trifft alles zu, was
W. im Gegensatze zu Braitmaier über Gottsched und seine Bedeutung sagt. Schliess-
•' 0. F.Wal zel, Braitmaier, Qesch, d. poei Theorie u. Kritik, 1890: ADA. 17, S. 55-74. — la) X Eugen Wolf f,
üeb«r neuere B^itrr. z. Gesih, d. Poetik: AGPhilos. 4, S. 251/9 (Breitmaier, Hervaes, Netoliczka, Bystron, G. Zimmermann,
25 R- M. Wem (31-, Poetik und ihre Geschichte. I 3: 2-4.
lifli hriiigt W. noch ein methodisches Bodenken gegen die Vereinigung von Geschichte
der Theorie und der Kritik vor: nur jenes Thema gehöre zur Geschichte der Aesthetik.
dieses zur Litteratur- oder Kulturgeschichte. —
Eine Frage, die einst im Mittelpunkte der Diskussion stand, die Frage nach
den drei Einheiten, hat im Anschlüsse an R. Ottos Einleitung zu seinem Neudrucke
von Jean de Mairets Pastoraldrama „Silvanire" (Bamberg, Buchner, 1890, S. VI — CI)
Mahrenholtz 2) tibersichtlich vom historischen Standpunkte behandelt. Aristoteles sah
in der Einheit eines Sonnenumlaiifs nur ein Herkommen, ebenso wird er wohl aucli die
Einheit des Ortes beurteilt haben. Die italienischen Uebersetzer und Kommentatoren
seiner Poetik gingen weiter und wollten die Schuldefinitionen durch seine Autorität
decken. Besonders ist Castelvetro für die Folge massgebend; er hat 1570 zu "Wien den
griechischen Text mit italienischer Ilebersetzung und ausführlicher Erläuterung ver-
ötfentlicht, 1576 und 1582 wurde die Ausgabe in Basel neu aufgelegt und noch 18.S1 in
Mailand neu gedruckt. Er verlangt die zwölf Stunden für das Drama, die Unveränder-
lichkeit der Scene und will alles Episodische von der Handlung ausscheiden. In Frank-
reich herrschte ursprünglich eine gesündere Praxis, und so stiess Castelvetros strenge
Gesetzgebung anfangs auf Widerspruch. Auch in Italien verwarfen die indotti Poeti
seine Theorie, während die schulgerechten Dichter und Theoretiker sich an sein Schema
hielten. In Frankreich wird dann Scaliger massgebend, der an einer Zeitdauer von
() bis 8 Stunden festhält, aber nur Beschränkung des Scenenwechsels, nicht Unveränder-
lichkeit des Ortes verlangt. Jodelle schärft 1552 in seiner Tragödie „Clöopätre" die zwölf-
sttindige Dauer ein, während Ronsard 24 Stunden zugestand. Ein Schüler Ronsards,
Jean de la Taille, verlangte wieder das Zwölfstundenstück und die strenge Ortseinheit;
aber das Gesetz, für das auch Andre de Ribaudeau 15(!5 eingetreten war, freilich mit
der Bemerkung, dass in Terenz' „Heautontimoinimenos" die Handlung zwei Tage währe,
drang in Frankreich noch immer nicht ganz dvu-ch. Ei'st mit der Wende des Jli. en-ang
es initer Einfluss der italienischen Pastoraldichtung den Sieg, und nun verdrängte die
Zeit- und Ortseinheit die Erinnerung an die mittelalterlichen Passionsspiele mit ihrer
freieren Teclmik. Daniel Heinsius kam mit seiner Theorie zu Hilfe, die er 1611 in der
Uebersetzung der Aristotelischen Poetik und in seiner Schrift „De tragica constitutione
liber" entwickelte. An Widerspruch gegen diese Theorie und Praxis fehlte es in Frank-
reich nicht; so verwarfen sie der Komödiendichter Pierre Larivey 1611, der Geistliche
Fran9ois Ogier theoretisch, Alexandre Hardy praktisch. Jean de Mairet trat in seiner
dramaturgischen Vorrede zum „Silvanire" (1631) für Orts- und Zeiteinheit ein. Pierre
Corneille hat in der Vorrede zur Comödie „La Veuve" (1634) nur für jeden der 5 Akte
die Dauer eines Tages, als Ortseinheit die ganze Stadt (Paris) verlangt; aber nach den
Angi'iifen beim Erscheinen des „Cid" (1636) muss er sich der Theorie anbequemen, liint«r
der Richelieu und die neue französische Akademie stand. Praktisch behandelt
P. Corneille diese Forderungen spitzfindig. Sein Gegner Georges de Scudery
machte sich sogar über das Gesetz in den Jahren 1(534 und 1635 lustig; erst durch
Comeilles Unterwerfung kam die Theorie der drei Einheiten zur Bedeutung eines unver-
brüchlichen Gesetzes, das nun Dichten wie Mairet, Chapelaine, Abbe d'Aiibignac konse-
quent hielten. Racine wählte so einfache Stoffe, dass sie sich ohne psychologische ITn-
mögliclikeit wirklich innerhalb der 24 Stunden entfalten konnten und eine Veränderung
der Scene nicht nötig machten. In der Komödie blieb man freier, so besonders Moliere.
Lessing hat also Recht, wenn er Corneille für den Zwang in der dramatischen Technik
verantwortlich macht, obwohl er dabei die Zeitumstände nicht berücksichtigt. —
Die fxbrigen Schriften, die in diesem Zusammenhange zu nennen sind, behandeln
entweder einzelne Aesthetiker mehr biographisch oder einzelne Systeme in übereichtlicher
Kritik. So hat von Waldberg 3) in seiner Chartikteristik des bekannten Sprach-
forschers Schottelius auch die „Teutsche Vers- oder Reim-Kunst" (Wolfenbüttel 1645)
besprochen und ihren Zusammenhang mit dem Marinismus der Pegnitzschäfer dargestellt. —
Interessant ist das Schulspiel von J. L. Frisch, das 1890 L. H. Fischer *) neu heraus-
gab; mir wurde diese Publikation erst jetzt zugäi\glich, und trotz Creizenachs Bericht
(JBL. 1890) muss ich ihrer gedenken, weil Fischer in den Anmerkungen manches für
die Geschichte der Poetik zusammengestellt hat. Frisch giebt eine Kritik von poetischen
Fehlern, indem er eine Figur seines Spiels ein fehlerhaftes Gedicht vortragen, die anderen
es dann beiu-teilen lässt. Frisch verwirft die unreinen Reime, lässt sie aber in den
alten Kirchenliedern unangetastet, weil sie dort durch das Alter geheiligt sind, er ver-
bietet das starke Enjambement nicht bloss am Versende, sondern auch in der Caesur,
weil er nur den deutschen Sprachgebrauch, nicht das Beispiel des Lateinischen gelten
lässt; er bekämpft die Sprachmengerei und den übermässigen Gebrauch mythologischen
Oneisse). — 2) R. Mahrenholti, D. drei Einheiten d. franiösischon Tragödie: BLU. 1, S. 17/9. — 3) M. ron Waldberg
J. G. Schottelias: ADB. 32, S. 407 — 12. — 4) J. L. Frisch, Schulspiel v, d Unsauberlceit d falschen Dicht- u. Reimkunst, h»r,
I 3: 5-8. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 26
Schmucks, aber ebenso die Trivialität der Gesellschaftslieder, für die er in einem
Soldaten-, einem Zeitungs- und einem derben Volkslied abschreckende Beispiele vorführt;
ihm sind sie hauptsächlich zuwider, weil sie der echten Poesie im Wege stehen und
der Keuschheit nicht entsprechen. Dann verspottet Frisch die Leberreime des Georg
Gretflinger; in der Anmerkung zu dieser Stelle führt Y. mehrere unbekannte Ausgaben
des Komplimentier-Büchleins an und handelt über die Sitte der Leberreime wie über
die einschlägige Litteratur in sehr willkommener Weise. Nicht einverstanden ist Frisch
mit den volkstümlichen Rätseln; in der Anmerkung orientiert F. dankenswert über die
Rätsellitteratur des 16. und 17. Jh. Dann wendet sich Frisch gegen die Bildergedichte,
für die er einige Beispiele giebt; sie wurden jedesfalls (vgl. v. 31, 8) aufgehängt, wodurch
sich Creizenachs Frage beantwortet. Frisch streift in seiner Kritik das Verhältnis von
Malerei und Poesie und verweist auf die Malerei, die ein rechter Dichter können muss,
während eine „Versfigur von einer Schreiber- Hand gemacht wird". In seiner Anmerkung
entwirft F. eine kurze Geschichte der Bildergedichte, die schon im Altertume begegnen.
Die nächste Gattung, über die sich Frisch lustig macht, ist ein Cento aus den Dichtern
des 17. Jh.; damit wird zugleich die Frage nach der „Imitation" berührt; nur gestreift
hat Frisch andere Künsteleien: Akrostichon, Sinnbild, Anagramm und dergleichen.
Auch für die Centones giebt F. die wichtigste Litteratur. Frisch nimmt also in seinem
Schulspiele hauptsächlich gegen die Künsteleien der Pegnitzschäfer Stellung. Auch in
seiner satirischen lateinischen Einladungsschrift, die mit abgedruckt ist, behandelt Frisch
die Poesie und stimmt in einzelnen Ansichten, worauf F. hinweist, mit dem Freiherrn
von Canitz überein. —
Die erste eingehendere Betrachtung J. J. Schwabes hat Waniek 5) geliefert
und dabei vor allem den wichtigen Nachweis gegeben, dass die bisher Schwabe
zugeschriebenen Streitschriften, der „Taschenalmanach" und das „Tintenfässl", nicht von
ihm herrühren dürften. Bodmer liielt den Vergilübersetzer Christoph Schwarz aus
Regensburg für den Vf., und ein im Gottschedschen Nachlasse erhaltener Brief vom
27. Nov. 1744 zeigt, dass das 3. Stück des Tintenfässls, „Standrede up T. P. Herrn
Emanuel Pyra, Kanzler von Germanien'' usw., von Denso aus Stargard, „der früher Mit-
glied der deutschen Gesellschaft war", herrühre. Durch diesen Nachweis rückt Schwabe
freüich aus der Stellung, die er bisher in dem Streit zwischen den Leipzigern und den
Schweizern einzunehmen schien, und W. zeigt, dass Schwabe durchaus nicht immer und
überall den Standpunkt Gottscheds eingenommen habe, so treu er persönlich stets zu
seinem Meister hielt. Das Verdienst Schwabes sieht W. einmal in dem Versuch, die
„Belustigungen" als ein Organ für das erste Aufstreben „der entbundenen Kräfte aus
dem Banne platter Nüchternheit, für den beginnenden Kampf der Phantasie um die ihr
vorenthaltene bevorzugte Stellung in der Dichtung" zu schaffen, wobei Schwabe nun
allerdings nicht energisch und konsequent vorging. Ein weiteres Verdienst war sein
redliches Bemühen, „dem deutschen Volke auf den verschiedensten Bildungsstufen
Kenntnisse des praktischen Lebens und Ergebnisse der Wissenschaften in deutscher
Sprache zugänglich zu machen und auf diese Weise zur geistigen Befreiung der Nation
von dem Auslande beizutragen": dabei hat Schwabe „in der Reinheit und der formalen
Handhabung der Sprache für seine Zeit Achtungswertes geleistet". Er war einer der
Eifrigsten und Ausdauerndsten von jenen Männern aus Gottscheds Gefolgschaft *'), die,
durchdrungen von der Idee einer geistigen Erhebung des deutschen Volkes, mit dem
vollen Einsätze ihrer beschränkten Mittel dem Aufschwünge der deutschen Litteratur
vorarbeiteten. Freilich fehlt auch ihm jede Selbständigkeit und so verengern sich die
natürlichen Schranken seines geistigen Lebens immer mehr. Bei seinem Tode hinter-
liess er der Leipziger deutschen Gesellschaft achthundert Thal er, recht zum Zeichen,
dass er seine Zeit nicht mehr verstand. —
Ein älterer Vortrag A. Baiers''^^) über Winckelmanns Kunstlehre wurde neu
gedruckt, was er wegen seines, von Th. Ziegler gerühmten, bleibenden Werts verdiente,
obwohl H. Cohen das Thema weiter und tiefer ausführte. B. sieht das zwiefache Ver-
dienst Winckelmanns in der Schaffung der Kunstgeschichte und in seiner Theorie über
das Wesen und die Hauptformen des Schönen; Win ckelmann zeigte noch die Vereinigung
von Archäologie und Aesthetik. Aber B. entwirft nur die Grundzüge seiner Lehre vom
Schönen und von der Kunst. Für Winckelmann habe es sich nicht sowohl darum gehandelt,
was das Schöne sei, sondern um die Frage, aus welchem Grunde die Schöpfungen der
griechischen Kunst schön seien, also darum, was das gegenständliche Wesen der Schön-
heit ausmache, femer um den Sinn und das Geftihl dafür und endlich um den Ausdruck
sowie um die Bildung zur Schönheit. Winckelmann giebt schon die Bestimmung, die
dann bei Kant wiederbegegnet, dass der Schönheitssinn in einem allen Menschen inne-
T. L.H.FIicher, 1890. -5) Q. Waniek, Joh. Joach. Schwabe: ADB. 33, S 1(12—71. - 6) X Jen t seh. Chr. 0. Frhr. v. Schön-
»ich: ib. 82, S. 253/4. — 7-8) Alwlll Baier, Winckelmanns Lehre v. Schönen u. v. d. Knnst. E. Vortrag z. Winckelmann-
F^Ier am 9. De«. 1862. = Aus d. Vergangenheit. Akad. Reden u. Vortrr. Berlin, Wiegandt & Grieben. 222 S, M. 8.00.
27 R. M. Werner, Pnefik uml iluo ftoscliifliti'. I .: ^ u
woliii('inl(Mi V(irmöfi;(Mi dos iiif<M"üSKeloHeii W'olil^eiHlIeiis lujHtelie, das als Fidii/^k^it,
nichf als Fertigkeit, als allgoineiiie Anlage bei allen gesitteten Völkern sich finde. Be-
dingt ist die Fähigkeit, das Schöne zu empfinden, durch das entsprechende hannonische
Verhältnis zwischen dem inneren inid dem üusseren Sinn. Vom Schönen unterscheidet
Winckelmann das Sinnlich-Wohlgefällige, das Liebliche und Gefallige und sucht datui
positiv das Wesen der Schönheit zu bestimmen, das ihm „in der Mannigfaltigkeit im
Einfachen" besteht, und weiter: das Schöne ist Abbild des ewigen Urbilds der Kreatur
in Gott. Da Winckelmann von der antiken Plastik ausgeht, vergleicht er die höchste
Schönheit dem Charakter- und geschmacklosen reinen Wasser. Das ergiebt sich nach
B. daraus, dass eben die Bildsäule des Gottes gelöst sein muss von den zufälligen
wecliselnden Beschränkungen der Erscheinung, abgeschlossen in unendlicher Ruhe und
Selbstgenügsamkeit, ja in erhabener Gleichgültigkeit. Da aber Winckelmann als Gegen-
stand der Plastik doch den Menschen in seiner Individualität, den schönen Menschen
erkeinit, so ergeben sich Folgennigen, die seine Theorie als ungenügend erscheinen
lassen. Winckelmann sah neben der Schönheit den Ausdruck, ohne den Schönheit un-
bedeutend, wie Ausdruck ohne Schönheit iinangenehm wäre. Weil aber der Ausdnirk
die Schönheitsformen verändert und, je grösser diese Veränderung, desto nachteiliger
der Schönheit ist, beobachteten die Griechen die Stille, die Grazie. Winckelmann erkennt
in der Entwicklung der griechischen Kunst vier Stilarten, die er zu den historischen
Verhältnissen in Beziehung setzt. Seiner Theorie fehlt vielfach noch die scharf begriff-
liche Abrundung \ind folgerichtige Durchführung, aber sie war von anregender, bahn-
bi-echender Bedeutung, was B. durch ihren Einfluss auf Goethe wie Schiller hübsch
aufzeigt. Winckelmanns Theorie enthält allerdings einige Elemente der Aesthetik seiner
Zeit, die das Schöne aus dem Vollkommenen abzuleiten suchte, aber beeinflusst ist sie
durch die ästhetisch-sittliche Anschauung des Altertums, „es fehlt noch an der begriff-
lichen Vermittlung zwischen der Form und dem geistig-sittlichen Gehalt des Kunst-
werkes, deren lebendige Wechselwirkung und Harmonie die Schönheit bedingt". Auf
engem Raum hat B. das Wesentliche sicher und anregend darzustellen verstanden. —
Die merkwürdige Uebereinstimmung von Carl Philipp Moritz und Kant ^) im Begriffe
des Schönen und in der Auffassung des Geschmacks hat Walzel ^) aufgedeckt, indem
er die Einleitung Auerbachs zu seinem Neudruck weiterführte und berichtigte. —
Edler '0) legt tibersichtlich dar, auf welchem Wege Lessing zu seiner Ansicht
über das Wesen der Fabel gelangte; unbedeutend ist dagegen die Kritik dieser Ansicht
im zweiten Teile des Schriftchens, weil sich E. unselbständig fi-emden Urteilen überlässt.
Er bringt nur einen Vergleich für das Verhältnis von Tierepos und äsopischer Fabel
bei, der neu ist, nämlich das Verhältnis von Geschichte und Anekdote; Vergleiche sind
aber nicht überzeugend. Sehr bedenklich erscheint die Meinung, dass die erste Poesie
„natürlich didaktisch" sein musste, weil es ein Bedürfnis war, „die Lehren weiser
Männer zu fixieren und auch für die Nachwelt zu erhalten": das habe zur Poesie
geführt: als Beweis dient die didaktische Poesie der Bibel. „Man (?) fing damit an,
erst diese Lehren selbst in einer bestimmten Form festzustellen, woraus die Sprich-
wörter entstanden. Dann ging man einen Schritt weiter, man wandte die allgemeine
Lehre auf einen bestimmten Fall an, um sie anschaulicher zu machen: so entstand die
Fabel". Dann wnirden diese erweitert, künstJerisch ausgeschmückt und unter einer ein-
heitlichen Idee vereinigt, hieraus entstand das Epos. Ursprünglich berühren sich in der
Fabel Geschichte und Poesie: als aber „in der letzteren die Kunst zu sehr in den
Vordergrund trat", empfand man das Bedüi-fhis nach einer nüchternen, verstandesmässigen
Darstellung der Ereignisse: so entstand die kritische Geschichtsschreibung. Da E. die
Fabel für die einfachste und ursprünglichste „Dichtgattung" hält, erscheint es ihm als
der beste Weg „zur Ergründung des Wesens der Poesie", dass Lessing von der Fabel
ausging. Die Erklärung, die Danzel für die Liebe Lessings zur Fabel gab, reicht E.
nicht aus, darum sucht er nach einer neuen, aber kaum ebenso begründeten. Viel
Förderliches enthält die Arbeit nicht. — Der abenteuerliche Eulogius Schneider, der
sich 1790 auch mit einer ästhetischen Schrift auf Eschenburgscher Grundlage einstellte,
wturde von Wegele'^) behandelt. —
Mit Herbarts Aesthetik hat sich eingehend und fördernd Hostinsky 12) be-
schäftigt; er weist nach, dass Herbart im Jahre 1803 den ersten Grundstein zu seiner
Aestlietik gelegt und 1804 in seiner Abhandlung „Ueber die ästhetische Darstellung
der Welt" die wichtigsten Sätze der Aesthetik gedrängt, aber wesentlich schon so, wie
er sie später 1808, 1813 und 1831 weiter ausführte, vorgetragen habe. Anfangs der
S. 131—68. |[Th. Z.: DLZ. 12, S. 1666/7.]1 — 9) 0. F. Waliel, üeber d. bildende Nachahman^ d. SehOnen v. K. Ph Morit«
her. V. S. Auerbach, Deutsche Litteraturdenkmale 31 (1888): ADA. 17, S. 260/2. (Vgl. noch F. Speyer: ASNS. 06.
S. 320,11; WIDM. %. S. 292; ZOG. 42, S. 234.) — 10) 0. Edler, Darstellung u. Kritik d. Ansicht Lessings aber d. Weson d.
Fabel. Herford, Heidemann. 1890. 23 S. — II) F. X. Wegele, Eologin* Sehneider: ADB. 32. S. 103/8. — O) 0.
Hostinsky, Herbarts Aesthetik in ihren grundlegenden Teilen qnelleumSssig dargestellt u. erltutert, Hamburg u. Leipiig,
X 3: 13-25. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 28
Aesthetik fremd, wurde er indirekt durch Fichte zu seinen ästhetischen Studien ange-
regt, denn bei diesem lernte er den Mangel seiner „prosaischen Natur" fühlen; dann
machten Schillers Lehren den nachhaltigsten Eindruck auf Herbart, der Goethe, Schiller,
W. Scott, Shakespeare, Homer und Sophokles mit Vorliebe anfährt, Drama und Epos
auffallend bevorzugt., aber von der Lyrik am wenigsten angesprochen wurde, „da er den
Wechsel der Gedanken und Empfindungen unter keine Regel bringen konnte". Der
bildenden Kunst stand er fern, dafür war er ein tüchtiger Musiker. H. verfolgt nun
mit seiner Schrift den Zweck, die zerstreuten Aeusserungen Herbarts über Aesthetik so
zusammenzustellen, dass sie einen Ersatz für eine selbständige Aesthetik von Herbarts
eigener Hand bieten können. Darum hat er Herbarts Text nicht geändert, höchstens
im Anfange der einzelnen Fragmente stilistisch retouchiert, und eine Zusammenfassung
sämtlicher Stellen mit sorgfältigen Quellennachweisen gegeben. Dem Texte folgen dann
kürzere und längere Anmerkungen, in welchen Herbarts Lehren mit denen seiner Vor-
gänger verglichen, einzelne Ansichten vor Missdeutungen geschützt, erläutert oder kritisch
untersucht werden. Doch war dies nur ein Nebenzweck der Arbeit, ebenso wie die
Scheidung der eigenen Ansichten Herbarts und ihrer Weiterbildung durch seine Schule.
Die Hauptsache war für H., aus der Fülle der Werke den Text klar und übersichtlich
herauszulösen, und das muss als ein sehr nützliches Unternehmen bezeichnet werden.
Auch einzelne der Anmerkungen verdienen besondere Beachtung wegen ihres selbst-
ständigen Werts, so die 1. über gut und schön, die 6. über das Verhältnis von Psycho-
logie und Aesthetik, die 9. über die Methode der Aesthetik, worin die prinzipielle
Uebereinstimmung Herbarts und Fechners aufgezeigt wird, die 15. über die „Zusammen-
gesetztheit des Kunstiu-teils", die 2L über die Bedeutung der Nachahmung für die
Schönheit. Uns besonders geht noch die 20. Anmerkung an, die von den Elementen
des Poetisch-Schönen nach Herbart handelt, vor allen aber die 14., weil sie eingehend
(S. 89 — 107) und klar den ,, Formalismus" Herbarts bespricht, verteidigt und geschicht-
lich einreiht. Die Darstellung H.s ist würdig und zutreffend, auch in der Polemik voll
vornehmer Bescheidenheit und überzeugender Kraft. Die Schrift verdient gelesen zu
werden. — Zeigt uns Herbart den Einfluss der Schillerschen Aesthetiki^), so hat auch
Goethe weitergewirkt, was für den „Wilhelm Meister" Prodniggi*) darstellte. — Ein
Goetheaner war Karl Ernst Schubarth, dem D. Jacoby^^) nicht nach der Art
mancher Mitarbeiter der ADB. 16-18^ ^^j. gii^g biographische, sondern auch eine kritische
Studie gewidmet hat, in der besonders der Einfluss Goethes mit feinem Sinn aufgezeigt
wird. 19) —
Von Schopenhauers Werken erscheinen nach dem Aufhören des Privilegs
billige Ausgaben, von denen besonders die durch E. Grisebach^o) besorgte grössere
Wichtigkeit zu erlangen verspricht. — Die auf die Kunst sich beziehenden Abschnitte
der Schriften hat Gwinner^i) in zwei Bändchen bequem zusammengestellt. Obwohl
man Zweifel an der Richtigkeit eines solchen Unternehmens geäussert hat, scheinen
solche Separatausgaben doch vielen erwünscht zu sein, wie bei einer anderen 22). aus-
drücklich betont wurde. 23) — Seine Erinnerungen an Schopenhauer hat W. Jordan 2*)
kokett erzälilt, sein Bekanntwerden mit dem Philosophen, seine Differenz über die
Farbenlehre, vor allem seinen einzigen Besuch bei Schopenhauer in Gemeinschaft mit
Friedrich Hebbel, den er aber ausführlicher und charakteristischer für Kuhs Hebbel-
Biographie (2, S. 586 f.) geschildert hatte. —
Eine umfangreiche Studie des Schweden E. Wrangel25) über die Aesthetik
von Hartmanns folgt dem Hauptwerke Schritt für Schritt. W. gliedert seinen
Stoff in fünf Abschnitte: der erste behandelt v. Hartmanns Entwicklung und
seine Werke, besonders die ästhetischen, der zweite wendet sich den grundlegenden
Begriffen seiner Aesthetik zu, vor allem dem ästhetischen Schein, der ja das Fun-
dament seiner Lehre bildet, dem Verhältnis der Schönheit zu den anderen Gebieten,
endlich der Stellung des Schönen innerhalb des Universums; daran schliesst sich
eine kiu-ze Kritik des Hartmannschen metaphysischen Schönheitsbegriffs. Der dritte
Abschnitt ist den Konkretionsstufen des Schönen gewidmet, der vierte den Gegensätzen
Vom. XXV, 186 S. M. 2,40. — 13) X Deicke, Schillers Ansichten über d. tragische Kunst vgl. mit denen d. Aristoteles
(Vgl. u.IV.lO.) — 14) X H. Prodnigg, Goethes W. Meister u. d. ästhetische Doctrin d. alteren Romantik. (Vgl. u. IV.ll ) —
15) D. Jacoby, K. E. Schubarth: ADB. 32, S. 606—12. — 16) X F- BrUmmer, G. A. Frhr. v. Seckendorf: ib. 33, S. 517/8.
(AU Geburtstag wird der 20. (nicht 26.) Nov. 1775 angegeben.) — 17) X L- Fränkel, K. L. Seidel: ib. S. 621/3. - 18) X
H. Pröhle, J. St. Schutze: ib. S. 146/7. (Weist nur nach, dass Schütze zuerst am 12. Nov. 1806 bei der Schopenhauer mit
Goethe Jusammentraf, aber sein Haus nioht besuchte.) — 19) X F. BrUramer. T. G. Scliröer: ib. 32, S. 561/3. (Als Chr.
Oeser Vf. d. verbreiteten Aesthetik fllr Damen.) — 20) A. Schopenhauer, SSmtl. Werke in 6 Bdd. Her. v. E. Grise-
baoh. Bd. 1-2: ÜB. 2761/5, 2781/6. Leipzig, Reclam. lö«. 667,762 S. M. 3,00. |[Eh.: LCBl. 1036/7; Rud. Lehmann: DLZ.
12, 8. 843.]| - 21) id , Philosophie d. Kunst. 2 Bdchen. Leipzig, Brockhaus. VH. 16 S.; 111, 253 S. M. 4,00. [D.: LCBI. S. 1035/6.]|
— 22) X id., üeber Genie, grosse Geister u. ihre Zeitgenossen. E. Samml. v. Stollen aus s. Werken. Leipzig, Brockhaus.
VII, IBl 8. M. 2,00. |[B. MUnz: BLÜ. S. 668.]| — 23) X >d., SämmtL Werke. 6 Bde. Leipzig, Brookhans. M. 18,00.
[BLÜ. 8. 383. 718.]| — 24) W. Jordan, Begegnungen mit A. Schopenhauer = Episteln u. Vortrr. Frankfurt a. M., Jordans
Selbstyexlag. VI, 4«0 S. M. 4,00. S. 1— 25. — 25) Ewort Wrangel, E. v, Hartmanns Estetiska System i kritisk belysning:
29 R- M. Werner, Poetik und ilire Geschichte. I 3: M-88.
des Schonen und seinen Modifikationen, der fünfte endlich dem Dasein des Schönen in
Natur und Geschichte, der klnistleriscihen Thätigkeit, den schönen Künsten; eine kurze
Kritik der Hartmannsclien Kunstlohre, seiner Methode und Darstellungsweise bilden den
ScliluHS der Arbeit, welche genaue Vertrautheit mit den deutschen Untersuchinigen
überall verrät. — Einen prinzipiellen pjinwand gegen den „ästhetischen Schein" erhebt
R. Steiner-") in seiner überaus anerkeinienden Charakteristik v. Hartmanns. Er verlangt,
dass die Aesthetik sage, „was denn eigentlich im ästhetischen Schein dasjenige ist, das
auf uns wirkt". Nicht nur die realen Wirkungen des Kunstproduktes verhindern eine
iisthotische Wirkung, auch „die reine Betrachtung des Scheins" lässt ästhetisch un-
berührt, wenn wir keine Empfindung dafür haben, „was gerade durch den ästhetischen
Schein zu uns spricht"; nicht „der ('harakter der Scheinhaftigkeit, sondern der Inhalt
im Schein, das was der Künstler im Schein verkörpert, macht die Natur des Kunst-
werkes aus". Der Schein ist ein notwendiger Behelf der Kunst, eine Folge des künst-
lerischen Schaffens, macht aber das künstlerische Schaffen nicht aus. ,.Wer nur für
den Schein Sinn hat und keinen für das im Scheine Ausgesi)rochene, der bleibt der
Kunst gegenüber doch unempfindlich." Trotzdem rühmt S. fiai-tmanns Aesthetik wegen
der grlindlichen Kenntnis der Technik in den einzelnen Künsten, wegen der Ausblicke
auf das Leben und wegen des feinen Geschmacks in allen Kunsturteilen. —
Ein Schüler H. von Steins, Dessoir27)j widmete der Aesthetik Richard
Wagners eine Studie, die vom Herausgeber Hans von Wolzogen nur mit einer ge-
wundenen Verklausulierung in das Bayreuther Parteiorgan aufgenommen wurde. D.
unterscheidet „drei Wege" fi'u- jeden, der sich zum Zwecke eigener Gedankenbildung
mit der Aesthetik beschäftigen will: 1. den metaphysischen, der von der Idee des Seins
auf die Idee des Schönen leitet und alle Kreise der ästhetischen Phänomenologie „um-
fasst" ; 2. den historischen, der von der Pülle der seit Jahrtausenden bestehenden Kunst-
werke durch Abstraktion auf die ihnen zu Gi-unde liegenden Gesetze führt; 3. den
psychologischen, der in das Innenleben des Genies einzudringen und aus ihm das Ver-
ständnis für die Kunst zu erschliessen sucht. Ein vierter „Weg", „die Summe" der
drei, „würde von der inneren Erfahrung des recipierenden Menschen ausgehen und erst
idlmälilich zum producierendeu gelangen, dabei aber die Hilfe der Geschichte in Anspruch
nehmen und seine Induktion durch bewusste apriorische Deduktion leiten lassen müssen".
Wagner habe den dritten Weg eingeschlagen, „im Wesentlichen also die Erforschung
seiner selbst" zur Enträtselung der Kennzeichen des echten Kunstschönen benutzt. Die
von ihm gegebene Charakteristik des Genies ist „durchaus n\ir eine Abbildung und Er-
weiterung der eigenen inneren Erfahrung und zeigt uns dieselben Züge wie das Wesen
des Maimes überhaupt: eine unverkennbare Hinneigung zur Sinneswelt, einen unbe-
zwinglichen Schaffensdrang, ein glühendes Mitgefühl flir die Leiden der Menschheit",
dazu „eine tiefwurzelnde Ueberzeugung von dem unverletzbaren Rechte der Persönlich-
keit und die rückhaltlose Offenheit im Aussprechen von Gefühlen und Gedanken", ü.
findet nun den Begriff des elementaren Triebes zum Schaffen in einer ganz eigentümlichen
Färbung vmd entwickelte dies in überaus anregender Art. Indem der Künstler, aus
seinem Volk hervorgegangen, die Schmach der Verhältnisse als ein unerträgliches Elend
empfindet und sein geprsstes Herz nur durch freiwilliges Kunstschaffen erleichtern
kann, bringt er gleichsam die allgemeine Not seines Volkes zum Ausdruck, lässt er die
Uünstlerischen Bedürfnisse, die im Volke schlummern, leibhaftig werden. So kommt
Wagner zu seinem Satze ,, Nicht der Dichter schafft, sondern das Volk", zu dem alle
diejenigen gehören, „welche Not empfinden und ihre eigene Not als die gemeinsame
Not erkennen oder sie in ihr begreifen". Alle Genialität ist also nur die höchste Steige-
rung der in dem menschlichen Geiste liegenden Kräfte ; sie schafft nichts Neues, sondern
bemächtigt sich der Erfindung, Wagner imterecheidet darum im Genius zwischen dem
Seher, welcher das über alle Wirklichkeit erhabene Wahrhaftige sieht, und dem Dichter,
„der dies den aufhorchenden Menschen so getreu wiedererzählen" kann; Künstler ist
derjenige, der Stoff und Gehalt durch die Form zu bewältigen weiss. D. deutet an, dass
bei Wagner zmt Erklärung noch ein Moment fehle: das Genie finde zwar keine neue
Idee, aber eine noch unausgesprochene Potenz der Idee. Der Künstler überlässt sich
rückhaltlos den Sinneseindrücken, die sein Empfindungswesen sympathisch berühren,
und wird von einem solchen Uebennass von Eindr{\cken erft'iUt, dass er „die über-
wuchernde Empfängnis in der Mitteilung wieder von sich geben muss". Indem der
Mensch durch die Sinne wahrnimmt, löst er die Erscheinungen von ihrer Naturv^-irklich-
keit los und hat das doppelte Bemühen, sie zu sichten oder im Zusammenhange sich
vorzufiihren ; diese zweite sich unwillkürlich vollziehende Thätigkeit des Gehirns nennt
Wagner Phantasie. Er verlangt vom künstlerischen Phantasiebilde, es solle sich in eben
Aftryuk ur Lunds Universitets Arsskrilt Tom. 20. Luud, Uerlingska Boktryckeri- och Stilgjoteri - AktiabolagaL 1890.
4«.IV, 127S. (Vgl. 1890, 13:21.)- 26) R.Steiner, E. v. Hartmaiin. S. Lehre ii. s. Bedeutung: DeuUehe Worte XI, 1. S. 22-32.
- 27) M. Deasoir, R. Wagner als Aestthetiker : BayreuthBll. H, S. »7-H0, 132-41, 165-72. — 28) P. Scheerbart, M.
I 3: yo..'j|. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. BO
dem Masse wieder den Sinnen mitteilen, in welchem diesen die Erscheinungen sich
ursprünglich kundthaten. Zwischenträger ist das Gefühl, das sich an das Herzensgefühl
des Hörers wendet. Der hellsichtige Künstler erkennt die Natur, wie sie ist, nicht die
durch die Mode entstellte sinnliche Gegenwart, und darum setzt er sich in bewussten
Geo-ensatz zu seiner Umgebung. Er ist von dem un vertilgbaren Sehnen durchdrungen,
die Möglichkeit eines besseren Daseins in Wirklichkeit zu verwandeln und der Idee der
reinen Menschlichkeit, die ihn beherrscht, zum Siege zu verhelfen. Darum begnügt er
sich nicht in aller Stille zu schaffen, sondern „drängt mit Gewalt den stumpfen Menschen
ein unsägliches Glück auf". Mit Ereiheit wählt der Künstler aus dem Stoffe nur das,
wozu er seiner innersten Empfänglichkeit nach gebildet werden kann, so dass also das
Notwendige entsteht. Dazu gehört, dass ein Objekt in schönen Formen dargestellt
werde, nicht schöne Eormen an einem Objekte. Dies führt Wagner dazu, das Wesen
des Gehaltes" näher zu bestimmen; als höchsten und mitteilungswertesten Gegenstand
erkennt er den Menschen selbst, insofern er über alle Verschiedenheiten der Jahrhun-
derte hinaus das Eeinmenschliche verkörpert. Das Reinmenschliche hat Wagner allerdings
nicht begrifflich definiert, sondern positiv daran zwei Eigenschaften hervorgehoben, die
Innigkeit des Gemüts und die in ihm liegende Ahnung des harmonischen Weltganzen,
negativ aber das Freisein von der Konvention, vom Widerstreit zwischen Trieb und
Pflicht, nicht die Ueberwindung dieses Konflikts, in dem Schiller das Erfordernis sitt-
licher Schönheit erblickte. An einem Stoffe bringt dann der Künstler seine Stimmung
zum treffendsten Ausdruck, entweder wie der Maler und der Musiker angeregt dxn'ch
künstlerische Eindrücke oder wie der Dichter durch Aufnahme von Lebenswirklich-
keiten. Dabei fragt es sich freilich, ob der Künstler als solcher durch rein künstlerische
Eindrücke bestimmt wird. Wagner unterscheidet also zwei Kunstarten, eine weibliche,
empfangende, und eine männliche, zeugende. Von den verschiedenen Eigenschaften des
künstlerischen Menschen, äusseren und inneren, Gefühl und Verstand, ferner von dem
Bedürfnis ausgehend, in den Künsten die ihn umgebende Natur wiederzufinden, hebt
Wagner sechs Einzelkünste heraus: Tanzmusik (Mimik), Musik, Dichtkunst; Bau-
kunst, Skulptur und Malerei. Sie alle sollen in das höchste gemeinsame Kunstwerk, das
musikalische Drama aufgehen. D. geht näher auf diese Einteilung ein, obwohl er Kunst-
lehre und Aesthetik scharf von einander treinit, er bespricht auch das Gesamtkunstwerk,
in dem Wagner die vollkommenste Form sah. Darauf einzugehen liegt ausser dem
Rahmen dieses Berichtes; nur so viel sei hervorgehoben, dass für Wagner die „innere
Form" ein geläutertes Stoffliches war. Es erübrigt noch ein Wort über den Zweck
oder, besser gesagt, die Wirkung der Kunst; im Einklang mit Schopenhauer sah sie
Wagner in dem willensfreien Anschauen der Ideen, wie es in der Künstlerseele voran-
gegangen ist. Das ist nichts ihr Fremdes, Beabsichtigtes, sondern etwas rein Thatsäch-
liches, es erfordert einen echten Künstler und die Empfänglichkeit der recipierenden
Menschen. Wagner wirft wie Schiller in den „Briefen über ästhetische Erziehung" einen
Blick in die Zukunft auf den idealen künstlerischen Menschen, welcher „der zum Wesen
der Gattung erweiterte Mensch nach der höchsten Fülle seines eigenen, besonderen
Wesens" wäre. Damit greift er über die Grenzen der Aesthetik hinüber, die es mit
den wirklichen Menschen und der Wirkung des Kunstwerks auf diese zu thun hat.
Darauf geht Wagner nicht ein, und D. sucht seine Ansichten andeutend zu ergänzen,
indem er so gleichsam die Probe der Wagnerschen Kunsttheorie macht. Schliesslich
hebt D. die induktive Methode von Wagners Kunstforschung, zugleich aber ihre Sub-
jektivität hervor und charakterisiert den pädagogischen Wert einer solchen Erscheinung.
Man freut sich seiner Auseinandersetzungen, seiner Gabe, die fragmentarischen, durchaus
nicht systematischen Aeusserungen Wagners im inneren Zusammenhang darzustellen und
durch gelegentliche Winke den äusseren Zusammenhang mit den ästhetischen Lehren
anderer anzudeuten. — Anders hat Scheerbart 28) Max Klingers 29) Aesthetik behandelt;
da dieser von der Griffelkunst speciell die „Skizze" fordert, erweitert dies S. und
verlangt es von der gegenwärtigen Kunst überhaupt. Höchstens der Lyrik sei es augen-
blicklich möglich, „zu völlig neuen, stilfertig organischen Erzeiignissen zu gelangen", weil
ihre aUereigentlichste Aufgabe der Ausdruck individuellen Ringens mit der Stimmung
sei. Alle anderen Künste könnten nur durch die experimentelle Skizze die grosse Kunst-
epoche vorbereiten. S. sieht in KHngers Aesthetik die individuelle Rechtfertigung von
Kliiigers Kunst, und gerade das erscheint ihm wertvoll. 30) —
Ziel und Methode der Forschung. Wie weit wir gegenwärtig noch von
einem sicheren Ausbau der Poetik und Aesthetik entfernt sind, das lässt sich am besten
aus den widerstreitenden Ansichten über den bei solchen Untersuchungen einzuschlagen-
den Weg entnehmen, ja es steht nicht einmal das Ziel fest, zu dem wir gelangen sollen
Klingor als Aesthetiker: FrB 2, S. 1009—12. — 29) X M. Klinger, Malerei u. Zeichnung. München, Fritsch. l[Kw. 5,
8. 17-20.JI - 30) X M. K ronenberg, Lotze als Dichter: AZgaN. 188/9. - 31) Th. Lipps, Zweiter ästhetischer Litteratur-
31 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: ^i-^n.
oder wollen. Lipps'^') führt z. B. in seiner Besprechung von Werners Werk „Lyrik
und Lyriker" aus: „Das Endziel soll sein Verständnis des Schönen, nicht dieses Allge-
meinhegrilfes, sondern der mannigfachen Arten seiner Verwirklichung in der Welt
Normative Bestimmungen ergeben sich daraus insofern, aber auch nur insofern, als der-
jenige, der weiss, welche Mittel zu einem Zwecke geeignet sind und welche nicht, ohne
weiteres auch zu sagen vermag, wie derjenige verfahren müsse, dem an der Erreichung
des Zweckes gelegen ist." — Aehnlicher Ansicht ist Xanthippus ■'2)^ der in dem Aus-
spruche eines Aesthetikers: „Die Kunst soll", nichts anderes als die wissenschaftliche
Aussage sieht: „Die Kunst, die das Ziel A hat, wird der Mittel B, C, D nicht wohl
entraten können, B, E, D würde sie trüben, E, D, E verzerren, E, E, Gr in ihr Gegen-
teil verwandeln". Das „kann" und „soll" der Aesthetiker „wissen". — Im Wesen, wenn
auch nicht im Ausdruck, stimmt auch Avenarius 33->4) überein, welcher „Zweck der Kunst"
als ,, Zweckmässigkeit des Könnens" erklärt. — H. Fleischer •'*^) verficht nun in einem
eigenen Hefte die Möglichkeit einer normativen Aesthetik. Er geht vom Widerspruch
gegen Scherers Programm für die Poetik aus, sie solle die dichterische Hervorbringung,
die wirkliche und die mögliche, vollständig beschreiben, in ihrem Hergang, in ihren Er-
gebnissen, in ihren Wirkungen. Er vergleicht damit eine Aeusserung Gustav Kirchhoffs,
der 187G als Aufgabe der Mechaiiik bezeichnete: „die in der Natur vor sich gehenden
Bewegungen zu beschreiben und zwar vollständig und auf die einfachste Weise zu be-
schreiben". Während E. dieses Progi-amm als berechtigt zugiebt, meint er, die Poetik
sei „die Lehre von der Dichtkunst, also die Lehre von einem Können, das nur mit
Rücksicht auf einen bestimmten Zweck diesen Namen führen kann, also die Lehre von
diesem Zweck und von den Mii-teln, durch die er erreicht wird. Also hat die Poetik
allgemein giltige Sätze für die dichterische Hervorbringung aufzustellen''. Damit glaubt
er Scherer widerlegt zu haben, ohne zu sehen, dass er eigentlich mit Worten spielt
und eine petitio principii sich zu schulden kommen lässt; denn er spricht ganz allge-
mein von einem Z\\-eck, ohne zu sagen, von welchem Zweck. Dadurch scheint ihm erwiesen
zu sein, dass eine normative Aesthetik „eine nicht abzuweisende Forderung" sei, und er
wendet sich nun der Frage zu: ist sie möglich? Zuerst thut er „einen wirklich klaren
Blick in die Natur des Schönen"; er legt dar, dass das Schöne nicht ausser uns ist,
sondern nur in uns gebildet werden kann durch Association, die er gegen Vischers
„Einfühlung" und Bieses Anthropomorphismus als das Ursprüngliche festhält. Im An-
schluss an einen älteren Aufsatz von Lipps „Ueber Formschönheit, insbesondere des
menschlichen Körpers" (N&S. 1888, Mai) entwickelt er, worin die Schönheit die
menschlichen Gestalt, ,, worin also (!) Schönheit überhaupt laesteht"; ihr Eindruck „be-
ruht auf dem Ausdruck wertvollen seelischen Lebens". Der Endzweck der Kunst ist
die Erzeugung des Schönen, sie hat also, wofern sie diesem Zwecke nicht untreu werden
will, „wertvolles Leben, menschliches oder menschenähnliches, zum Ausdruck zu bringen".
Und eine solche Tautologie soll uns nun fördern! Was sagt F. anderes, als die Kunst
müsse, weil sie die Schönheit darstellen wolle, die Schönheit, weil sie wertvolles Leben
darstellen wolle, wertvolles Leben darstellen. Nun beschäftigt sich F. mit dem Begriffe
„wertvolles Leben" und kommt zu dem Ergebnis, es sei ein „in ganz bestimmter Rich-
tung Chai^akterisiertes" ; darum foi-muliert er die Aufgabe der Kunst (S. 33): „Die
Kunst hat nach irgendwelcher Seite hin charakterisiertes, wertvolles, menschliches oder
menschenähnliches Leben zum Ausdruck zu bringen und darf dabei weder unsere sitt-
lichen noch unsere intellektuellen Gefühle verletzen, sondern muss möglichst darauf aus-
gehen, sie zu kräftigen." Je stärker sie es thut, um desto höheren Eindruck des Schönen
wird sie hervorrufen, nur niemals den Eindruck eines ,, Absolut-Schönen", denn ein
solches existiert nicht und kann nicht existieren, da das Schöne auf dem Ausdrucke
wertvollen Lebens beruht, das stets in irgend einer Weise charakterisiert ist. Nach
alledem glaubt nun F.: eine normative Aesthetik ist möglich, weil man angeben kann,
was zu geschehen hat, damit ein ganz bestimmt charakterisiertes Leben zum Ausdruck
gelangt. Der Zukunft überlässt er es, zu untersuchen, v.-ie ein bestimmt charakterisiertes
Leben zum Ausdruck gebracht wird, er skizziert nur, dass wirklich alles Schöne auf
einem solchen Leben beruht, und giebt Winke, was er nun für die Aufgabe der norma-
tiven Aesthetik hält. Ich greife das Beispiel heraus, das er für das Kunstgewerbe bei-
bringt. Er bespricht die ästhetische Form eines Kruges, wobei freiHch ästhetisch und
praktisch identifiziert werden, und meint, dass die Ausweitung, um der im Krug befind-
lichen Flüssigkeit nachzugeben, nicht ins Unbegrenzte gehen diu-fe, weil „die Elasticität
des Kruges ihr entgegensteht und mit ihr im Gleichgewicht sich befindet". Das lasse
sich zeigen, indem man rings um den Krug etwa einen aufstrebenden Blätterkranz an-
bringt und so für diese, wie jjede Funktion des im Kruge wirksamen Lebens, ein be-
beiicLtll. (Schlnss): PhilosMh. 27, S. 546—72. (Speciell S. 565.)— 32) Xanlhippus, Imp«r»tiTe Aesthetik ? : Kw. 4, S. 218/9.
— 33) (F. Avenarius,) D. Redensart v. „Zwecke" d. Kunst: ib. S. 161/3. - 34) F. A(Tenarin8): ib. S. 219. - 35) H.
j 3; 36-45 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 32
stimmtes, unmittelbar verständliches Zeichen findet". Aufgabe der normativen Aesthetik
wäre es nun, „solche Zeichen zu finden, anzugeben, in ihrer besonderen Bedeutung zu
bestimmen". Dann scheint aber die Aesthetik ein Gebiet zu betreten, das eigentlich
schon der Kunst gehört: die Kunstbetrachtung wird zur Kunstproduktion. Aber hat
denn Scherer, auf dessen „Poetik" F. so schlecht zu sprechen ist, nicht gerade auch
darauf geachtet, wenn er in seinem Programm (S. 65) ausser der wirklichen noch die
,mögliche" dichterische Hervorbringung erwähnt und seine Gedanken über diese
Seite klar andeutet? Jedenfalls klarer, als F., der S. 45 als „Gesichtspunkte", von
denen man zu einer normativen Poetik gelangen solle, angiebt, die Grenze nach dem
Didaktischen hin, die vorzuführenden Charaktere, die allgemeine Anordnung und Vor-
tragsweise, die Ausdrucksmittel zu bestimmen. Er bekennt schliesslich, dass die Auf-
gabe der normativen Aesthetik ,,etwa ebenso vielseitig wie das Leben" wäre, nur be-
schränkt durch den Stoff, an den jede Kunst gebunden ist. ,, Diesen Stoff auf seine
Eigenschaften, auf seine Ausdrucksfähigkeit hin zu untersuchen, davon hängt alles ab."
Ja, ist denn das die Aufgabe des Aesthetikers und nicht vielmehr des Künstlers?
Würde sich die Aesthetik nicht etwas anmassen, was ihr nicht zukommt, weil sie es
nicht leisten kann! Müsste nicht eine solche Aesthetik in jenen Fehler verfallen, den
man etwa Gottsched vorwarf: die Kunst lehren zu wollen? F.s Heft vermag nicht zu
überzeugen, dass eine solche normative Aesthetik möglich sei, ja er überzeugt sogar,
dass sie nicht wünschenswert wäre, weil sie verwirren müsste. Mit Recht hat Scherer
(S. GG) gesagt, wir hätten an den wirklichen Produkten Genüge, wenn wir nur erst
so weit wären, hier die von F. geforderten Beobachtungen sorgfältig auf Typen zurück-
geführt zu haben. — Aehnlicher Ansicht wie Scherer ist Bruno Willeme), der vier
Methoden der normativen Aesthetik aufzeigt; er verwirft die postulierende, die zu sagen
pflegt: „Ich verlange von der Kunst . . . .", ferner die metaphysische, welche die Kunst-
gesetze aus einer vorgefassten Metaphysik folgert, endlich die autoritäre, welche das
Gesetz aus den Werken Eines Künstlers ableitet; dagegen billigt er die psychologische
Methode, die aus den Wirkungen der Kunstwerke auf die Menschen die E-egelmässig-
keiten (Gesetze) löst, Störungen, Beeinträchtigungen des ästhetischen Eindruckes auf-
deckt und verurteilt und so auch eine Norm bietet. — Handelt es sich in dem Gegen-
satze zwischen Scherer und Fleischer hauptsächlich um das Ziel der Aesthetik, die
freilich auch die Methode betrifft, so gehen auch im besonderen die Ansichten über
die Arbeitsweise stark auseinander. Während z. B. Minor 3'?) in seiner scharfen Ver-
urteilung von Werners Buch „Lyrik und Lyriker" die Zusammenstellung und Betrach-
tung der „Schneegedichte" besonders instruktiv findet, sieht Carriere^s) darin nur einen
Beweis, „wie der Vf. sich allzu sehr ins Breite ergeht und dem Leser gar zu wenig
überlässt". Ein solcher Widerspruch zeigt nur, wie wenig gefestigt die Ansichten über
die Methode noch sind. Und so gehen denn auch die Darstellungen nach wie vor weit
auseinander, was sich im Einzelnen ergeben wird. —
Schulmässige Zusammenstellungen. Wer für Schüler, kleine wie grosse,
Poetiken zu verfassen hat, wird freilich nicht umhin können, das Feststehende darzu-
legen und im Zweifelhaften eine Entscheidung zu treffen. Es wird sich dabei immer
nur um den Takt des Bearbeiters handeln. Den Vorzug von Methners Darstellung in
dieser Hinsicht rühmt nun auch Minor 39). — Populäre Zwecke 40-44^ mit wissenschaft-
licliem Geiste zu vereinigen, haben sich Heinze und Goette*^) vorgenommen, ohne
jedoch über einen eklektischen Dilettantismus hinausziikommen. Sie wollen zwar haupt-
sächlich im Sinne Comtes und Taines vorgehen, geben aber mehr Phrasen als Erkennt-
nisse. Nach einem kurzen Ueberblick über die Geschichte der neueren Aesthetik be-
stimmen sie das Wesen der Kunst als die naturgetreue Wiedergabe von Erscheinungen
des Lebens in einheitlicher Begrenzung dergestalt, dass sich die Gesetze des Seins an
ihnen widerspiegeln. Sie betrachten dann das künstlerische Schaffen, bei dem sie jedoch
des Unbewussten garnicht gedenken; nach ihnen ist alles beim Künstler bewusstes Be-
obachten. Es fehlt ihren Auseinandersetzungen hier und im übrigen an der nötigen
Vorsicht im Ausdruck, an Kritik und gesundem Blick. Das tritt besonders störend im
Kapitel über die dichterische Sprache hervor, nach welchem, falls man sich an den
AVortlaut hielte, der Schwulst als Ideal der poetischen Rede erschiene. Bei der spiele-
rischen Darstellung des Wertes, der nach H. und G. den einzelnen Lauten zukommt,
Fleischer, üeber d. Möglichlteit e. normativen Aesthetilc. Phil. Diss. Breslau, Koebner. III, 50 S. — 36) B. Wille, Tendenz
ind. Poe8ie:FrB. 2, 8. 467. (Vgl. u. 13: 120.) - 37) J.Minor, Werner, Lyrik u. Lyriker: GGA. 1892. - 38) M. Carriöro
Werner, Lyrik u. Lyriker: AZg«N, 183ll5!t.| - 39) J. Methner, Poesie u. Prosa, ihre Arten n. Formen Halle a./S , Waisen-
haus. 188«. X, 838 S. M. 2,80. |[Minor: DLZ. 12, S. 916.]| — 40-42) X R. v. Zeynek, Lehrbuch d. deutschen Stilistik u.
Poetik. 6. Aufl. Grax, Lousohner & Lubensky. VII, 336 S. M. 2,60. — 43) OX A. Reichen sp erger, D. Kunst
Jedermanns Sache. 2. Aufl. Wegberg, J. Floitgraf. XX, 41 S. M 1,00. _ 44) X F. Bachmann, Schusters Lehrbuch d.
Poetik fUr h(lh«rH Uhranstulten. 3. Aufl. Halle, MUlilmann, WM). XVI, «7 S.: AHNS. 86, H. 306/9. — 45) P. Heinze u
U. Goutte, Deiits.he l'i.clik. Imriss il. Lehre v. Wesen u. v. (1. Formen d. Uichtkunsl. iMit e. Einführung in <1. Gebiet d-
3.^ Tl. M. Wornor, Poetik und iliro Geschichte. | B: 4fi- r.r«
werden sie unwillkürlicli koiiiisci», gelien übrigens von der falschen Meinung aus, dass
e und o „abgeleitete" Vokale seien, was zu falschen Folgerungen führt. Und so ver-
raten die Vfi". noch oft ihre geringe Vertrautheit mit dem wissenschaftlichen Rüstzeug,
und besonders die Metrik beweist, dass sie von den neueren Untersuchungen keine
Koinifnis haben und die älteren nicht vollständig verstehen. Auch in ihren neuen Auf-
stellungen sind sie nicht glücklich, die Lyrik z. B. teilen sie ein in Liederdichtung,
Stiiumungslyiik und Gedankenlyrik; wälu'cnd in der ersten Gruppe bekannte Gattungen
vereinigt sind, wird die Stinimungslyrik in historische Lyrik, Lebens- und Landschafts-
bihl, Sittcngcniid(hi, die Gedankenlyrik in Woltsynibolik, Poesie (l) der Lebenserkenntnis
und prophetische Dichtung (!) gegliedert. Die Epik zerfällt in Epos oder Heldengedicht,
erzählendes Gedicht (Idyll, poetische Erzählung), Balladen- und Märchendichtung
(Ballade, Romanze, Märchen), epische Dichtung mit besonderer Zuspitzung (Fabel, Pa-
rabel, Allegorie, Rätsel, Satire) und erzählende Prosadichtung (Roman, Novelle). Die
Dramatik wird eingeteilt in das Drama höheren Stiles und in das Lustspiel. Man sieht
schon aiis diesen wenigen Proben, dass H. und G. den Durchschnitt populärer Dar-
stellungen nicht eri'eichen,**') — Auch die Neubearbeitung von Calmbergs Rhetorik
durch Utzinger '*'') kann wegen der vielen schiefen Ausdrücke und verwiiTenden Be-
stimmungen keineswegs gerühmt werden '*8-5i). —
Subjektive Versuche. Unzufrieden mit der bisherigen Kunstbetrachtung
sucht ein „Moderner", Arno Holz^-), seine eigenen Wege zu wandeln xnid dabei für
seine Darstellungsart von den Franzosen zu lernen. Er kleidet das Ganze novellistisch
ein, entwirft Stimmungsbilder und lässt ,, Dokumente" für die ein::elnen Stufen seiner
Erkenntnisentwicklung reden. Wir folgen den breiten Auseinandersetzungen mit Inter-
esse, freilich aber nur mit halber Billigung. Der Inhalt lässt sich kurz durch einige
Sätze wiedergeben: (S. 34) ,,Er pfeift auf das schulstaubtrockne Dogma klassischer
Autorität", klammert sich nicht (S. 41) „an die Schürze einer längst verlotterten, abge-
takelten Aesthetik". Nun erscheint ihm Zolas Satz „Une oeuvre d'art est un coin de
la nature vu ä travers tm temperament" zeitweilig als Lösung seiner Zweifel, aber er
führt ihn hübsch auf seine Quellen zurück und beweist, wie wenig Zola als Theoretiker
originell ist. H. greift zu Taine und bezeichnet als Grundlage seiner „Philosophie de
l'art" das Gesetz: „Jedes Kunstwerk resultiert aus seinem Milieu" und das falsche
Dogma: ,,In der exakten Reproduktion der Natur besteht das Wesen der Kunst nicht."
Durch Induktion aus Einem Falle gelangt nun H. zu seiner Ansicht: „Die Kunst hat
die Tendenz, wieder Natur zu sein. Sie wird sie nach Massgabe ihrer jedweiligen Re-
produktionsbedingungen und deren Handhabung" (S. 117); das führt er dann in einem
französischen Brief an Zola im Gegensatze zu dessen Ansichten durch luid giebt als
Resultat: „Papa Hamlet" und die ,, Familie Selicke". Ob ein anderer Arno Holz mit
dieser theoretischen Begründung der gemeinsamen Dichterarbeit von Arno Holz und
Johamies Schlaf zufrieden wäre, das soll hier nicht untersucht werden. Der Vei'such
einer solchen Aesthetik ist ganz subjektiv, hat aber Wichtigkeit für die später noch zu
betrachtende Frage nach der Ueberwindung des Natui*alismus. —
Einen anderen Weg schlägt von Kralik^-^) ein; schon das Motto, „Die rechte
Kunst ist Gottes Bote", drückt seine Ansicht aus. Die Fortsetzung dieses Satzes von
Friedrich von Sonnenburg (v. 177): „und ist darzuo sin kneht" lässt er freilich fort
aber folgende Punkte stehen für ihn fest. Ohne eine klare Weltanschauung ist künst-
lerisches Schäften nicht denkbar; die Weltanschaiunig muss religiös sein, d. h. über den
Zusammenhang des Unendlichen mit dem Endlichen, dos l'^nbedingten mit dem Bedingten
Aufschluss geben, sie muss positiv, bejahend sein, vereinigend, nicht kritisch scheidend.
Sie muss eben die wahre Weltanschauung sein, deren Kern dieser ist, dass wir uns
hier auf der Erde in einem Zustande vorübergehenden Kampfes gegen alles Uebel be-
finden, dass dieser Zustand aber nicht unser wesentlicher sei, dass höhere Mächte auf
diesen Kampf Einfluss haben. Die Kunst ist etwas so Positives und Gegebenes wie
die Religion ; wie diese kann sie zeigen, dass alles Uebel des Kampfes, alles Leid vor-
übergehend ist und unser ewiges Wesen nicht zu versehren vermag. Nur in der
Methode miterscheidet sich die Kunst von der Religion, indem sie uns den ganzen
Hergang des Weltlaufs im Ganzen oder im Kleinen miterleben lässt, aber so, dass dem
Hörenden der wii'kliche Zusammenhang, der ilrni im Welttreiben zu verschwunden droht,
Kunstlehro. Dresdon-Striospn.Hcinzo. V, 363 S. M. ,\00. ;[nninl.Naclir«. N. 41; GreniK 1, S. 477/8.]; - 43) X F- J- O « n tb e r
Khotorik u Poetik. Zweite verb Aufl. bearb. v. C. Scliroeter. S.-A. v. GQntlicrs 100 Paragr aus d. Rliet, n. Poetik usw.
Gera [jctit Leipzig!, Keisewitz. IV. 92 S. M. 1,00. — 47) A. Calmbcrjr. I>. Kunst d. IJcde Lelirbucli d. Rhetorik, St4li:itik,
Poelik. 3. Aufl. Neu bearb. r. H. Utzinger. ZUricli, Orell Ktissli & Co. XII, 2:18 S. M 3.00. - 48-51) A. Brunner,
Heycr, dtnitstlio Poetik: BBG. 45, S .104-12. (1890.1.3:42.) — 52) Arno Holz, 1>. Kunst, ilir Wesen u. ilire (Jcsetze.
Berlin, Issleib (Gustav .'^clmlir). V. 15« S. M. 3,50. |[L. Simons: Do Gids (Mlrz); FrB. 2, S..S71; K. »t. Mcjer: Dl.Z. 12,
S. 1089; l'.LU. S. 4G3 ; K. Erdinann: AZg». 99; Gcsellsckift 1. S. 446]; — 53) ß. t. Kralik. Knnstbiiclilcin ^erocliten
erlliidMclien Gebrauchs aller Freunde der Diclitku:is4 Wien, Koncson. VIII, 146 S. M. 2 4». [Cr. nzb. III. S. ISO'fil : K. M
Jahresberichte fllr neuere deutsche Littoraturj^osrhichte II ■'>*• 3
I 3: 54-57. K M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 34
mit überzeugender Kraft entgegenleuchtet. Dadurch gelangt K. zu einem tieferen Ver-
ständnis der Aristotelischen Lehre von Furcht und Mitleid. Die Kunst lässt uns das
Furcht- und Mitleid-erregende Leid miterleben, aber so, dass wir zugleich das wahre
Verhältnis der Dinge schauen oder ahnen und dadurch von Furcht und Mitleid befreit
werden. Die Kunst hat wieder eine doppelte Methode dieser Befreiung: sie stellt ent-
weder das Ewige, Göttliche der menschlichen Seele oder das Unbedeutende des Leiderrs
dar, also entweder das Erhabene oder das Lächerliche; nur diese Kategorien erkennt
K. an, alle übrigen, wie das Schöne, das Charakteristische, der Stil, der Geschmack,
das Naive oder Sentimentale, das Anmutige, der Humor, die Ironie usw. sind entweder
jenen untergeordnet oder bloss negativ oder nichts der Kunstlehre allein Angehörendes.
Die Schöpferkraft erkennt K. darin, das Leben auch dort zu erblicken, wo es nicht in die
Sinne fällt. Die Aufgabe der Kunst, was die Charaktere, eigentlich den (Charakter, die
Individualität, die Persönlichkeit betrifft, ist, zu zeigen, wie jeder Mensch durch das
Handeln notwendig in eine unfreie, zur Fessel seines Ichs werdende Richtung gedrängt
wird, über die ihn nur das tragische oder komische Bewusstsein dieser Notwendigkeit
erheben kann. Die künstlerische Phantasie besteht in der Fähigkeit zu charakterisieren,
d. h. handelnde Gestalten so zu sehen und darzustellen, als ob sie gegenwärtig wären.
Die Kunst hat Handlungen zum unmittelbaren Gegenstand, die Charaktere sind aber
nichts als Handlung, Schein von Charakter; es giebt nicht verschiedene Charaktere, nur
verschiedene Handlungen. Mit dem Handeln ist immer ein Bingen, ein Kampf ver-
bunden, jedem Spruch steht ein Widerspruch, jeder Lust ein Schmerz gegenüber, jedes
Handeln schafft Leid, also giebt es wohl verschiedene Kombinationen, aber nur Einen
Kern, wohl verschiedene leidenschaffende Handlungen, aber nur Eine Leidenschaft.
Die Dichtkunst kennt nach dem Stoffe der Dichtung nur zwei Dichtungsgebiete, ein
objektives und ein subjektives, sie schöpft entweder aus dem Makro- oder dem Mikro-
kosmos, aus dem Weltgeschick oder aus dem Gemüte des Dichters. Die Grundformen
der Dichtung sind demnach Epik als objektive, Lyrik als subjektive Form; vom Epos
trennt sich durch die Form das Drama, von der Lyrik der Roman, der, nur insofern er
„lyrische Selbstbiographie" ist, in den Bereich der hohen Kunst gehört. Mit Ent-
schiedenheit wendet sich K. gegen die Auffassung des Romans als des modernen Epos,
weil dieses in der Sage, nicht in der Erfindung einer Erzählung besteht; unter Sage
versteht K. die Gesamtheit der überlieferten Nachrichten von göttlichen oder himm-
lischen Dingen, die entweder ausschliesslich im Jenseits spielen oder in die endliche
Welt hereingreifen: sie ist die „Idee" der Welt. So stellt der Vf. manches Paradoxon
auf, das zu denken giebt, und handelt dann von den Meistern der Weltlitteratur fein-
sinnig, wenn auch bewusst subjektiv. Zum Schlüsse bringt er Ratschläge, nicht Regeln
für die Poesie der Zukunft zusammen. Sein liebenswürdiges Büchlein ist kein System
und will es nicht sein, es ist das Ergebnis umfassender Kenntnis, eindringender Reflexion
und starkausgeprägten Subjektivismus. Es regt an und reizt zum Widerspruche. —
Das zeigte sich deutlich in einer freundschaftlichen Polemik zwischen A. Bettelheim
und F. Mauthner. Wegen der lobenden, warmen Besprechung Bettelheims 5*) nimmt
Mauthner^^) Stellung zu dem Büchlein, in dem er , jugendliche Greisen Weisheit" sieht,
eine gewisse Koketterie der Sprache, philosophische Unklarheit, ja Unwahrheit un-
angenehm empfindet; Kralik gebe für eigene Weisheit aus, was doch aus Schopenhauer
geschöpft sei, baue „seine ganze ästhetische Ueberzeugung auf einem zu diesem Zwecke
rücksichtslos zurech tgeschobenen Schopenhauer auf". Besonders klar trete dies in der
Lehre von Furcht und Mitleid hervor, in der Kralik ,,aus einer Theaterregel des Aristo-
teles in die Lüge einer Kapuzinerpredigt hinüberspringe". M. ,, pro testiert" nun gegen
die dadurch herbeigeführte Verquickung von Glauben und Kunst, weil Kralik „mit
seiner ästhetischen Romantik einer kirchlichen Reaktion in die Hände arbeite". Dadurch
kommt aber in M.s Besprechung ein fremder Ton, was ihm Bettelheim °6) mit Recht
vorgehalten hat. Auch B. stimmt keineswegs allen Ansichten Kraliks zu, verwirft die
Grundanschauung, den Begriff der Sage, die Theorie des Epos, der Cliaraktertragödie
und -komödie; aber das ganze Heft imponiert ihm duich die Selbständigkeit des Denkens.
Er tritt lebhaft für Duldung auf dem Gebiete der Kunstschulen und Theorien, für
Toleranz in Geschmackssachen ein. Im Grunde genommen besteht gar kein Gegensatz
zwischen Mauthner und Bettelheim, nur bekämpfte jener das Kunstbüchlein als einen
Zeugen für die von ihm gefürchtete litterarische Reaktion und verwechselte dabei
litterarische und politische Reaktion. Man sieht daraus, mit welchen Gefahren die
Aesthetik zu ringen hat. —
Unter Aesthetik versteht Kratz ^7) clie Lehre von den Gefühlen, während er
die Lehre vom Schönen einer besonderen Kunstlehre zuweist. Seine „Grundzüge" ver-
Werner: DLZ. 12, S. 1779/80; H. Löbner: BLU. S. 640.]| - 54) X A. Bettolhoim, E. noue Theorie d, Dichtkunst: Nation».
8. S. 740/9. — 56) F. Mauthner, E. Kunstbtlchlein: ML. 60, S. 596/8. - 56) A. Bottelheim, Offener Brief an F. Mauthner:
ib. S 047. — 67) H. Kratz. Aesthetik. Cirundzilge o. Lehro v. d Gefühlen. Gütersloh, Bertelsmann. 68 S. M. 0,80.
35 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: 68-64.
folgen populai'o Ziele, suchen nach einer nicJit gerade tiefen, aber einfachen Ordnung
der Thatsachen und wollen das Ganze mehr andeuten, als ausführen. „Gefühl" ist für
den Vf. alles, was man überhaupt fühlt, im weitesten Sinne des Wortes, also das ganze
Gebiet unseres bowussten Innenlebens; er vermisst eine einheitliche Bezeichnung dafür,
weil das Wort Gefühl mehr eine Einzelerscheinung meint; haben wir denn nicht den
substantivierten Infinitiv: das Fühlen? Er unterscheidet drei Gruppen von Gefühlen
nach den Ui-sprungsgebieten: 1. leibliche (die ihren Ursprung in unsrcr leiblichen Natur
haben), 2. seelische und 3. geistige. Die leiblichen gliedert er weiter in a) innerleibliche
inid })) leibliche Verhältnis- oder Umstandsgefühlo (z. B. Wärme, Kälte, Nässe, Druck),
die seelischen zerfallen in a) bleibende Stimmungsgofülde (Temperamente, Heiterkeit,
Ruhe usw.), b) wechselnde Stimmungsgefühlo (Aufregung, Verdriesslichkeit u. dgl.), die
geistigen Gefühle sind: a) geistige Beziehungsgefühle (Liebe, Eifersucht, Verehrung usw.),
und b) innergeistige Gefühle (Schönheits-, Rechts-, Sittlichkeits-, Selbst-, Vaterlands-
gefühl, religiöses Gefühl usw.); diese innergeistigen wieder: «) Form- ß) Sachgofühle.
Fonngofühle sind das musikalische und das malerische Gefühl, die zusammen das Schön -
heitsgefühl bilden; Sachgefühle, durch eine ideelle Sache angeregt: Wahrheits-, Rechts-,
Anstands- und sittliches Gefühl, durch eine reelle Sache wachgerufen: Selbst-, Verwandt-
schafts-, Heimats-, Vaterlands-, Natur-, religiöses und Sprachgefühl. Er stellt weiter
den Zusammenhang der Gefühle untereinander \ind mit dem Denken luid dem Wollen
dar, schliesslich aber die Aeussei-ung der Gefühle. Hier, wie in dem ganzen Hefte wird
der Versuch gemacht, die grosse Mannigfaltigkeit a\if einfache Typen zurückzuführen,
was einen gewissen Wert auch für die Kinistbetrachtung hat, obwohl die Gliederung
allzu äusserlich ist inid das Wesentliche dabei unberücksichtigt bleibt. ^-^') —
Induktive Aesthetik. An die Spitze muss ein Werk gestellt werden, das
zwar mit der Dichtkunst direkt nichts zu thun hat, aber in konsequenter Weise die
Physiologie für die Aesthetik auszunutzen sucht. G. Hirth^^''^) versteht in seinem
vornehm ausgestatteten Buche, das kapitelweise, so wie es geschrieben wurde, in die
Druckerei wanderte, unter Kunstphysiologie „die Erklärung der für die bildenden
Künste und ihre Kritik, für das künstlerische Schaffen und den guten Geschmack in
Beti'acht kommenden Regeln — soweit thunlich — aus der Natur der menschlichen
Sinne und Seelenkräfte". Es ist in erster Linie eine Art Streitschrift, die für eine bessisre
Methode des Zeichenunterrichts eintritt, H. verlangt nämlich, dass nicht nach Vorlagen
oder Gipsmodellen, sondern von Anfang an nach der Natur gezeichnet werde. Um die
Richtigkeit dieser von ihm schon melu'mals vertretenen Ansicht darzuthun, zieht er alle
Momente sorgfältig in Betracht, die bei jeder künstlerischen Reproduktion — dieses
Wort im weitesten Sinne genommen — thätig sind. Ist es ihm so vor allem um
])raktische Zwecke zu thun, die Vorbildung in der Jugend zu verhindern, zur Selbst-
beobachtung anzuleiten, und steht auch durchaus die bildende Kunst im Vordergi'und,
so werden doch einzelne Resultate für die Kunst überhaupt wichtig. Nur ist H. leider
ein so einseitiger Betrachter der bildenden Kunst, dass er dadurch zu einer gewiss nicht
ganz berechtigten Polemik gegen Wundt verführt wird. Was dieser fiber das künstlerische
Schaffen sagt, das gilt in allererster Reihe für die Dichtkunst, während für H. in diesem
Werke Kunst und i)ildende Kunst, Künstler inid Maler identisch sind. Trotzdem kann
sein Begriff der Kunst mutatis mutandis allgemein beachtet werden; er findet Kunst
überall da, „wo uns eine ungewöhnliche Vertrautheit mit der Natur, mit dem Leben und
der Waln'heit in sicherer, zielbewiisster Gestaltungskraft — wenn auch vereinfachend
und verklärend — entgegentritt". Das ist ihm das „specifisch Künstlerische". Er be-
trachtet die physiologischen Grundlagen, die zur Herbeiführung dieses specifisch Künst-
lerischen thätig sind, denn ihm ist die Phantasie nur die Association von Bildern aus
der Vorratskammer imsres Gedächtnisses; das Gedächtnis aber ist ein scheinbarer Ab-
schnitt der einlveitlichen Entwicklung, die mit der Apperception begiinit Entsprechend
den drei Bedeiitungen, in denen wir das Wort „merken" brauchen, unterscheidet H.,
abweichend von der wissenschaftlichen Erklärung, drei Grade des Merkens: 1) die zu-
fällige Apperception, das unbeabsichtigte, unwillkürliche Einspringen von Sinneseindrücken
in unsre Aufmerksamkeit und ins Gedächtnis; 2) die vorbedachte Apperception, auf
Grund eifriger, fortgesetzter oder wiederholter Betrachtung unter Befolgung eines (wenn
auch unbcwussten) logischen Sj'stems; endlich 3) die „Apperception als Selbstzweck",
das Bestreben, die charakteristischen Merkmale der Erscheinungen aufzufassen und fest-
zuhalten in der bestimmten Absicht wirklicher oder phantastischer Reproduktion: das
— 58) OXX Giovanni Giuseppe Gizzi, n fondamonto del'» ostolica. Roma, LOscher. [[NAnt. 33, S. 403.]' —
59l XX E. Blömont, EstUötique de la Tradition. Paris. F. Maison nouve VIII, 124 S. Frc. 3 00. |[M. La V ia-Bonelli:
ASTP. 16, S. 128/9 ]1 — 60) OX E. Lodere q, Piiilosophio de l'enseignement des beaiix-arts Paris-Vcrviera. Pont-
S;iint-Laurent. 12". 208 S. Fr. 1,20. — 61) OX «lo Chambrun, Aelia. Uno ötude d'esUiötique. Paris, Chamerot 183 S.
— 62i G. Hirth, Aufgaben d. Kunstpbysiologie. 2 Teile mit Abbildungen. MDnclien, G. Hirtb. VIII. III u. 611 S.
m. fi.no. — 1[G. Pcrtig: BLU. S. 571'2.1 — 63) OX Knnstplivsiologio: (irenzb. III, .'^. 73'8. - 64) X <". Lombroso, D.
3*
'l 3: 65-C7. iR. M, Werner, Poetik und ihre Greschiclitö. 36
ist die eigentlich künstlerische Betrachtung der realen Dinge, denn sie erhebt die ge-
läuterte Erscheinung über den gemeinen Dunst der Realität und adelt, was dem bloss
praktischen Verstand gewöhnlich, unbedeutend oder vielleicht gar hässlich erschien.
Die künstlerische Auffassung sucht nicht die „schönen" Dinge auf, schön wegen ihres
realen Inhalts, kann aber aus einer Pfütze ein Meisterwerk machen. Eingehend be-
schäftigt sich H. dann mit den physiologischen Thatsachen des Sehens, immer mit Rück-
siclit aiif die bildende -Kinist und die Erziehung des bildenden Künstlers. So anregend
diese Kapitel des ersten Bandes sind, in unsrem Zusammenhange müssen sie unbeaclitet
bleiben. Dafür bietet der zweite viel Wichtiges über das Gedächtnis : niemand, der sich
für künstlerisches Schaffen interessiert, darf H.s Ausführungen ungelesen lassen. Auf
Grund von Beobachtungen, besonders von Selbstbeobachtungen, aber auch mit sorgfältiger
Benutzung der einschlägigen wissenschaftlichen physiologischen Untersuchungen bemüht
er sich, Klarheit über die Rätsel des Gedächtnisses zu gewinnen. Ueberzeugend und
für die Kunstbetrachtung höchst fruchtbar sind die „Ünterströmungen im verborgenen
Gemerk", wie H. die Veränderungen des Gedächtnisinhaltes nennt, die sich unter der
Schwelle vollziehen. Im Gegensatze zu E. v. Hartmann ist er nämlich mit Rücksicht
auf die Thatsachen zumal des Traumlebens der Ueberzeugung, dass das Gedächtnis auch
ohne neue Wahrnehmungen und ohne Zustände der Aufmerksamkeit und des Bewusst-
seins in fortwährender Umbildung begriffen sei. Mari köinie darin in erster Linie ein
Attribut der angeborenen Organisation erblicken, der sich die individuellen Erwerbungen
mehr oder weniger leicht ankrystallisieren. Auf die Existenz dieser ünterströmungen
können wir immer nur nachträglich sicher schiiessen. H. geht aber weiter und nimmt
folgerichtig auch eine „verborgene Aufmerksamkeit" an, die entweder bei bewussten
oder verborgenen Vorstellungen thätig ist. Besonders die zweite Möglichkeit, die bei
kerngesunden Prachtmenschen eintritt, hat für unsere Zwecke Wichtigkeit. Er weist
darauf hin, dass es verschiedene Temperamente der Grundgedächtnisse wie der Merk-
systeme gibt; unter Merksystemen aber versteht er die erworbenen Gedächtnisorgani-
sationen zum Unterschiede von den angeborenen. Diese Merksysteme können sich ent-
weder der natürlichen Anlage und Entwicklung der Grundgedächtnisse anpassen oder
nicht; in jenem Ealle sind sie gesunde, in diesem ungesunde. Eine gesunde Anpassung
schliesst gleichermassen einseitiges wie diffuses Merken aus, verlangt immer wdeder er-
neute Aufnahme von Sinneseindrücken, ferner nicht bloss bewusste Aufmerksamkeit,
sondern auch automatische Geistesthätigkeit, endlich die nicht begriffliche Substitution
bei Reproduktion und Kombination der Erinnerungsbilder. Durch seine ganze Ueber-
zeugung ist H. natürlich genötigt, zu LombrosoB'^-^-^'ö) Werk „Der geniale Mensch"
Stellung zu nehmen, und er thut dies mit ebensoviel Ruhe wie Klarheit. Von vorn
herein verwirft er für diese Frage die statistische Methode, was ihm hoch anziu'echnen ist,
weil ein gewisser Mut dazu gehört, diese Lieblingsmode wegen ihrer unwissenschaft-
lichen Trüglichkeit zu bekämpfen. Dann nimmt er die einzelnen Beweise durch, die für
die Verwandtschaft von Genie und Wahnsinn zu sprechen scheinen, und widerlegt sie.
Die Nichtvererbung des Genies vom Vater auf den Sohn hält er für ganz natürlich, da
im Gegenteil die Vererbung so viele günstige Umstände voraussetzt, dass sie überaus
selten eintreten: gleichartige Organisation und Temperatur der Grundgedächtnisse, gleich-
artige Erziehung und Ausbildving des rein Handwerksmässigen vor der geschlechtlichen
Reife usw. Mit Schärfe wendet er sich gegen die Behauptung, dass die Psychose des
Genies epileptoiden Charakter habe, weil bei Genie und Epilepsie ähnliche Erscheinungen
vorkämen; er sieht in diesem Vergleicli einen wissenschaftlichen Irrtum, hauptsächlich
hervorgerufen durch das Verkennen der beim Genie wirksamen Faktoren: Aufmerksamkeit,
Verknüpfung und Urteil. Man müsse genau unterscheiden zwischen der Erkrankung und
der Ursache oder doch Begleiterscheinung; das Genie könne wie einen Lungen-, Magen-,
Herz-, auch einen untergeordneten Gehirndefekt haben, vielleicht als Folge übertriebener
Geistesthätigkeit: das beweise jedoch nichts für eine Verwandtschaft von Genie und
Wahnsinn. Skeptisch verhält sich H. auch gegen die Erläuterung angeblicher Fälle
von Geisteskrankheit bei genialen Künstlern, wobei er einzelne interessante Thatsachen
mitteilt; die stärksten Zweifel hegt er aber an der Berechtigung, künstlei'ische An-
wandlung bei Irren als Beweis anzuführen. Mit beherzigenswerten Worten über die
Hygiene des Genies schliesst der Vf. sein grossgedachtes Werk, das als eine Art Pro-
gramm, nicht als ein abschliessendes Lehrbuch anzusehen ist. H. zeigt vielfach nur
den Weg, auf den er die Kunstbetrachtung weisen möchte, aber er steht der bisherigen
deduktiven Aesthetik fremd, als Gegner gegenüber und verwirft für die bildende Kirnst
ganz so wie Scherer für die Poesie das objektive Kunsturteil: schön und hässlich.
geniale Mensch, übers, von M. 0. Fränkol, Uamburg, Verl.-Anst. u. Dr. AG. 1890. 483 S. M. 10,00. — 65) i d.. Genie u. Irrsinn in
ihren Beziehungen z. Gesetz, übers, v. A. Courth. (= ÜB. 2313/ß), Leipzig, Reeliiin. 43Ü. S. M. 0,80. |LRau: AZg». N.266.JJ -
66) X •'• Berg, I). Krankheit 0. modernen Poesie. Studio: ML. CO, S. 538-40. — 67) F. E. GUntzel, D. Geheimnis d. Phantasie
.57 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: ««<i>.
Sein Werk wird j^ewisM noch AidasH zu eingehenden Untersuchungen werden, dein»
Portigs grobe Ablehnung nur zeugt von Mangel an Verständnis. —
Wenn man sich der Vorzüge Hirths recht bewusst werden will, so ziehe man
GüntzolsO') höchst konfuse Schrift über die Phantasie in Vergleich; man sehe
ganz davon ab, dass der Vf. nicht einmal mit den Gmndrcgeln der deutschen Gram-
matik vertraut ist und ein Deutsch schreibt, wie man es in gleicher Schlechtigkeit kaum
wieder finden dürfte, und halte sich nur an seine Gedanken. Er behauptet allerdings,
sie auf Grund der Thatsachen und der modernen wissenschaftlichen Untersuchungen
gewonnen zu haben, aber chaotisch quirlt er alles durcheinander. „Was ist Phantasie . . .
anders als ein weitgehendes Anpassen von Nobenoindrücken an die grossen Central-
eindrücke in möglichst harmonischer Anordnung, zur Neuordnung eines gegebenen
Cenlraleindrucks?" (S. 54.) Nach G.s Ausfülinuig über das Vorwalten der Plmntasie
beim weiblichen Geschlechto muss man die Unklarheit, Unbestimmtheit des Kindrucks
als das für die Phantasie Massgebende ansehen, und durch seine Definition wird wohl
niemand aufgeklärt; sie sei wörtlich citiert (S. 57): ,,Phantasie ist meiner Ansicht nach
ein durch die Seele bewirkter Austausch der Nebeneindrücke von Haupteindrücken, und
ziehen erstere selbst die letzteren mit heran in die Gruppierung — ; wenn die Binde-
glieder, die Bewegungserscheinungen, die abstrakten Begi-iffe, eine specielle parallel
laufende, in den Gedankengang eingreifende Anregung von der Aussenwelt erhalten und
somit mechanisch in der Weise wirken wie beim Träumen, d. h. durch Verstärkung des
Reizes für den speziellen Bewegungseindruck." Ebenso deutlich erfahren wir, was
Genie ist (S.G2), es beruht „auf hervorragender Wirksamkeit der mechanischen Ein-
drücke im Gehirn für abstrakte Begrifte, indem durch sie dem Urteil vermittelst des
Denkvermögens — speciell der Phantasie — und aus den Schatzkammern mehrerer
besonderer Dispositionen zu Geistesfähigkeiten ein grösserer Reichtum verschieden-
artigster Eindrücke konkreter Dinge bis zu den kleinsten Werten herab, aber harmonisch
geordnet zugeführt werden". Der beste Freinid des Genies aber ist der Scharfsinn,
„denn er fördert in ganz besonderer Weise die Vermehrung der Nebeneindrücke im
Geiste; er spürt den feinsten Anklängen letzterer im grossen Gesamteindruck nach und
verschafFt ihnen den Wert von sekundären Centraleindrücken, wobei er in ganz specieller
Weise gerade die Bewegungseindrücke bevorzugt". Eingehende Betrachtung findet das
Spiel und — der Roman, weil in ihnen die Phantasie verschieden produktiv auftritt;
aber diese Unterscheidung ist viel zu eng, wenigstens müsste für Roman die Dichtung,
vielleicht mit Ausschluss der Lyrik, gesetzt werden. Beim Spiel hält der Vf. nämlich
das für massgebend, was man gewöhnlich Personifikation nennt, beim Roman das Erfinden
der Handlung. Da er weitere Bethätigungen der Phantasie nicht bespricht, so erkennt
er wohl überhaupt nur diese zwei Grundtypen, und dann zeigt schon dies allein die
Einseitigkeit seiner Darstellung. Auch eine Theorie der Langeweile entwickelt G.; sie
soll in erster Linie „wegen momentan physisch verhinderter, gestörter, zweckmässiger
Kraftentfaltung in der Miiskidatur der körperlichen Sinnesorgane und Gliedmassen,
innen \nid aussen" entstehen, erst in zweiter Linie „wegen Nichtbeschäftigung der
Geistesthätigkeit"; man sieht übrigens, dass G. im Grunde nur einen etwas anderen
Ausdruck wählt. Diese Ausführungen erhalten sonst einiges Anregende und Ansprechende.
Ln Ganzen fi-eilich überwiegt bei der Lektüre der unangenehme Eindruck, und das Her-
einziehen der Physiologie erregt wiederholt Bedenken. ♦'") ~ Noch bedenklicher ist die
Schrift des bekannten Vielschreibers Mantegazza*»»), die von R. Teuscher ins Deutsche
übertragen wurde. M. führt ohne Sj'stem der Auswahl eine Reihe von „metaphysischen"
Definitionen des Schönen durch, um sie zu vei-werfen, betont darauf die Unmöglichkeit,
beim gegenwärtigen Zustande der positiven, experimentellen Psychologie eine Definition
zu finden, und hilft sich schliesslich mit der Formel: „Das Schöne ist das Wahre -t- x";
also ganz ähnlich wie Arno Holz. Der Bestimmung dieses x ist M.s Buch geA\'idmet.
Das Schöne an sich ist weder in der Natur noch in der Kunst vorhanden, wohl aber
giebt es schöne Dinge; das Schöne ist also eine Abstraktion, die einen Gegenstand und
ein Nervencenirum zur Entstehung verlangt. Jener ruft eine Empfindung hervor, in dem
dieses einen Charakter erkennt; das Schöne ist also ein Charakter einer Empfindung
ebenso wie Lust und Schmerz. Nahe verwandt, aber nicht identisch ist das Schöne mit
der Lust; alles Schöne erregt in uns ein Lustgefühl, aber nicht alles^ ist schön, was ein Lust-
gefühl hervorbringt. Die Frage nach dem absohiten Schönen erscheint M. unnütz und
kindisch, das Schöne existiert nur als schöner Gegenstand, und jeder Gegenstand besitzt
seine eigentümliche Schönheit, nämlich das Prototyp des Gegenstandes selbst. M. nimmt
nun die Quellen ästhetischer Erregung durch u. z. Symmetrie, Gegensatz, Farbe, Grösse
H. d. Gemüts. KeJexionen auf pliysiologiseher Basis ttber c. psycliologisclie Studie in gemeinvorstandl. Weise geschrieben. I*eip-
«ig, Spohr. o.fl . XI, 146 S. M. 2,80. HGronzb. IV, S. 196|7.]i — 68) OX H. v. Wo 1 logen, Phaut«sie: BayreuthBU. 14,
S. 53—63. — 69) P. Mantegazza, Epikur. Physiologie d. SiliHuen. Einzig aotor. deutsche Ansg. Aus d. Italienischen t.
I 3: 70-71. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 38
und Kleinheit, Mannigfaltigkeit, Bewegung; aber er konstatiert nur, dass aus solche:^
Quellen ästhetische Erregung fliessen könne, ohne dies zu erklären oder in seinem Wesen
darzustellen; ja wiederholt fühlt man sich versucht, sogar die Richtigkeit der Beobach-
tungen anzuzweifeln, so wenn M. z. B. die Sprünge des Känguruhs schön findet. In
dem Abschnitte über die Farbe bleibt M. weit unter dem, was von der Aesthetik gewiss
schon richtig festgestellt wurde, er gedenkt nicht einmal der Einschränkung, dass uns
eine sonst gefallende Farbe hässlich erscheint, wenn sie am unrichtigen Platze stellt:
rote Nase, blaue Haare. Seichte Phrasen werden statt der Untersuchung geboten.
M. hat sich noch kaum die Grundprobleme klar gemacht, da er sein drittes Kapitel mit
dem Satze beginnt, es müsse schöne, schönere und schönste Dinge geben, weil „das
Schöne immer das Resultat einer Vergleichung und einer Wahl" sei. Es ist ein
abstossendes Spiel mit Worten, wenn es unmittelbar hintereinander heisst: „Das Schöne
in der Natur scheint fast allen höher zu stehen als das Schöne in der Kunst, aber die
Aesthetik der Göttlichen Komödie oder der Oden Pindars wird immer höher gestellt
werden als die Schönheit einer Blume." M. macht es sich sehr leicht, wenn er als
Bezeichnungen für Grade der Schönheit bunt durcheinander erhaben, erstaunlich, unüber-
trefflich, göttlich, ausserordentlich, unvergleichlich usw. anführt. Als einzigen Mass-
stab betrachtet er die Zahl der Nervencentren, „die durch die Betrachtung oder
Bewunderung eines schönen Gegenstandes in Mitwirkung gezogen werden". M. setzt
folgende acht Formen des Schönen an: das Grossartige, Erhabene, Anmutige, Malerische,
Verhüllte, Schreckliche, Groteske, Komische; aber er begnügt sich mit diesen Schlag-
wörtern und macht nicht einmal den Versuch, diese Begriffe nun zu erläutern ; oder darf
ein ernst zu nehmender Aesthetiker vom Erhabenen sagen, es sei „eine sehr hochstehende
Schönheit, ein Superlativ der Superlative", es unterscheide sich vom Grossartigen, „weil
es weniger auf die Grösse des Horizonts und mehr auf die Erhabenheit (!) der Gemüts-
bewegung und auf den hohen Schwung der Empfindung ankommt, welche an der
ästhetischen Empfindung teilnehmen sollen"? Darf er als Erkenntnis den Witz vor-
bringen, das Anmutige sei das Muskatellerschöne? Und von dieser Art oder von der
überaus belehrenden Form a = a sind alle seine Redereien; er sagt gern, das und jenes
sei schwer zu definieren, werde aber von jedem verstanden, „bei dem das ästhetische
Gefühl auch nur massig entwickelt ist". Wozu es dann dieses Aesthetikers bedarf,
das sieht man freilich nicht ein. Plaudereien, weder geistreich noch originell, bringt er
über den Einfluss der Rassen, über Neuheit luid Gewohnheit, über zufällige Stöi'ungen
wie Förderungen des ästhetischen Eindruckes vor. M. gerät aber auch häufig mit sich
selbst in Widerspruch, woran einerseits die Flüchtigkeit seiner Arbeit, andrerseits die
Unklarheit seiner Fragestellung Schuld trägt. So konstruiert er die acht verschiedenen
Formen des Schönen, bringt aber dann eine heillose Verwirrung hervor, indem er im
Einzelnen ihre Wertschätzung vornimmt; so sagt er, oft werde „der schlechte Geschmack
epidemisch und eine ganze Generation oder eine ganze Geschichtsperiode erkranke an
ästhetischer Pica", weil sie „das Groteske schön" findet, er hat aber selbst das Groteske
für eine Form des Schönen erklärt. Mir liegt leider das italienische Original nicht vor,
und ich bin ganz auf Teuschers flüchtige Uebersetzung angewiesen, trotzdem glaube ich
nach den vielen Widersprüchen M. auch diesen zutrauen zu dürfen. Wer Burckhardts
Urteil, „Die barocke Kunst spricht dieselbe Sprache wie die Renaissance, aber einen
verwilderten Dialekt derselben", erstaunlich findet, der steckt noch in den Anfängen der
Kunstbetrachtung. Auch bei der kurzen Revue der einzelnen Künste werden wir nicht
gefördert. Was speciell die Dichtkunst betrifft, so weist ihr M. zweierlei Art zu, einen
schönen Gegenstand „zu beschreiben", „entweder durch Vergleichung mit einem anderen,
der mit ihm grössere oder geringere Aehnlichkeit hat, oder so, dass er seine Aufmerk-
samkeit auf dessen Besonderheiten richtet, sodass er in uns auf anderem Wege die
Empfindung erzeugt, welche in uns der Anblick des Gegenstandes selbst hervor-
gebracht hat(!)". Braucht man noch eine Probe für das Seichte dieser angeblich
physiologischen, im Grunde aber durchaus normativen Aesthetik? Mit einer Reihe von
„Dogmen" beschliesst M. sein Buch, dessen Wert im umgekehrten Verhältnisse zu seinem
Erfolge steht. Auffallend ist, dass M. Fechners Forschungen nicht zu kennen scheint. —
Einzelne Schriften zur Aesthetik'^o) im Allgemeinen hat wieder Lipps'^i) in seiner
fruchtbaren Weise besprochen''^) und dabei zuerst das Verhältnis des Schönen zum
Guten oder sittlich Wertvollen behandelt. Auch hier erscheint ihm die Untersuchung
im Einzelnen als der einzige Weg zum Erfolge, die Betrachtung der einzelnen Arten
von Vei-wirklichung des Schönen in Natur und Kunst mit Rücksicht darauf, wie weit
überall an dem Eindruck des Schönen ein Gutes oder sittlich Wertvolles beteiligt sei.
Dr. R. Teuscher. Jena, CostenoWe. VIII, 189 S. M. 2,00. |[C. Grottowitz: ML. CO, S. 29ü/8.]| - 70) X Ernst Grosse,
D. erste Baustein zu e. ctlinologiadicn Aesthetik : Gegenw. 40, S. 70/2. (Im Hinblick auf Hein, D. bildenden Künste bei d.
Dayak» auf Borneo. E. Beitr. z. allg. KunstgescL. Wien, Holder.) — 71) Tli. Lipps, Zweiter ästhetischer Litteraturhericht
39 R. M. Werner, Poetik und ilire Geschichte, I 3: 72-74.
Er vorlangt jedocli klares Bewiisstseiii des Unterschiedes und Gegensatzes von ästhetischer
BcAirtoiluiig und prakÜHcli sittlicher WertschiitzunK- Unter Gut aber versteht er, „was
irgendwie zur Vollkoninionheit der Persönlichkeit hinzugeliört oder dazu einen positiven
Beitrag liofort". In Giacinto Fontaiuvs Work „La nioralo e l'estetica" findet er statt
Untersucliung Begi-ifFwarbeit und sieht den Korn in dcui Satze, dass das Schöne nicht
notwendig gut und walir, das Gute und Wahre dagegen an sich oder seinem eigentlichen
Wesen nach jederzeit schön sei. Dieser Idealismus erscheint L. sympathisch, das Werk
aber selbst wenig förderlich. Lucien Arr6ats Buch „La morale dans le drame, l'epopee
et le roman" stellt zwar hauptsächhch historisch die thatsächliche Entwicklung der
Moral dar, wie sie uns in der Geschichte der Poesie, insbesondere der des Dramas ent-
gegentritt, behandelt aber die wichtige ästhetische Frage auch in einem eigenen Kapitel
„L'art et la morale", nur, wie L. nachweist, nicht mit konsequenter Klarheit. Zwar billigt
L,, dass Arreat die moralische Nützlichkeit der Kunst leugnet, venv'irft aber andrerseits
dessen Behauptung, die Sittlichkeit („la moralit^") sei gar nicht Gegenstand der
Kunst, sondern nur „uno condition du plaisir dramatique". Das könnte nur zugegeben
werden, wenn man auf dem Standpunkte des socialen Utilitarismus stände und unter
sittlich die nützlichen, nämlich für das Gemeinwohl nützlichen menschlichen „Emotionen"
begrirte. Dagegen bestehe der Genuss beim Kunstwerke, vor allem beim Dranui,
schliesslich in niclits anderem als in der „Sympathie", der Kunstgenuss sei der Genuss
des sittlich oder menschlich Wertvollen, und die Kunst des Künstlers habe die Aufgabe,
uns diesen Wert fühlbar, reiner fühlbar zu machen, als er irgend sonst werden kann.
Bei Guy aus sociologischer Aesthetik (L'art au point de vue sociologique) vermisst L.
Klarheit über das, was Aesthetik ist, und zeigt, wie die folgerichtige Durchftilirung
seiner Ansichten zu dem Unsinn gelangen müsste, das wertloseste Machwerk aus Sym-
pathie für den Künstler als künstlerisch wertvoll anzusehen. Er betont gegenüber
Guyaus Behauptung, Elemente des Kunstgenusses seien 1) das Vergnügen, in der Nach-
alnnmig das Nacligeahmte wiederzuerkennen, 2) die Freude am Künstler und seiner
Gescliicklichkeit, damit verbunden am Kiitisieren, endlich 3) die Freude, mit den vom
Künstler dargestellten lebenden Wesen zu sympathisieren, scharf aber voll berechtigt:
der Genuss des Kunstwerks bestehe nur im Genuss des Kunstwerks, nicht auch im
Genuss des Künstlers und seiner Geschicklichkeit, des Kritisierens oder des Wieder-
crkennens. Es scheint gerade der Schrift eines „eigenartig selbständigen Geistes" gegen-
über nicht übei-flüssig, diesen selbstverständlichen Satz auszusprechen. So selir L. mit
Paul Souriau (L'esthetique de mouvement) in dem Grundsatz übereinstimmt, dass gegen-
wärtig die „Aera der Monograpliien" für die Aesthetik angebrochen sei, d. h. die Epoche
für Sammlung einzelner Beobachtungen, muss er andrerseits Souriaus Sophistereien zurück-
weisen. Nicht die Anstrengung, sondern der Erfolg der Anstrengimg gewährt uns Freude;
die Anstrengung ist Bedingung des Erfolgs und insofern der Freude, darum aber noch
nicht deren Gegenstand. Es sei nicht richtig, dass wir das Unangenehme der Anstrengung,
überhaupt das Unangenehme, suchen, um davon befreit zu werden; die erwartete Be-
freiung vermöge unser Widerstreben zu vemiindern, aber es nie in positive Lust zu
verwandeln. Vollends den Genuss des Tragischen aus diesem Prinzip abzuleiten, heisse
nicht methodisch beobachten, sondern auf Nachdenken verzichten. L. lässt für die
Psychologie das einzige Gesetz ,,du moindre effort" gelten, dass die psycliische Thätigkeit
in dem Masse erfreut, als sie positive, von Hemnumg oder Zwang befreite Thätigkeit
ist. Er warnt dann vor- scheinbar physiologischer Psychologie, die aus annähernder
Uebereinstimmung zwischen Pulsschlag und Rhythmus unsre Freude an diesem erklären
wolle. Ueberall veiTät L. seine sichere, nicht durch Vorurteile beeinflusste Erkenntnis. —
Die Besprechung von Cherbuliez'''2) Arbeit spare ich auf, bis sie in der Buchaus-
gabc liier zu behandeln ist.''^) —
Das interessante Thema, wie sich im Künstler „schöpferische" und „mensch-
liche" Seele terhalten, hat R. Falckenberg''*) zum Gegenstande einer populären Dar-
stelhxng genommen. Er zerlegt das Problem in drei Fragen: 1) Wie muss ein Mensch
beschaffen sein, um ein Künstler sein zu können? Welche Eigenschaften machen den
Künstler? Welche Eigenschaften sind den Künstlern gemeinsam im Unterscliied von
ihren nicht produktiv begabten Mitmenschen? 2) Welche Rückwirkung übt das Künstler-
sein auf den Künstler? 3) W^elche Beziehungen bestehen zwischen der Eigenart des
Schaffens inid der Eigenart des menschlichen Wesens? oder anders ausgedrückt: erlaubt
die Ai-t des künstlerischen Schaffens Schlüsse auf die Eigenschaften des Menschen? F.
meint nun, den Künstler zeichne aus erhöhte Aufnahmefaliigkeit der Sinne, schärferes und
II (Scliluss): 8. 0. N. 31. — 72) X X V. Cherbuliez, L'art et I» naturc. Ifre partie. L'oenvre d'art et
le plaisir esth^tique. Ili^me partio: L'imogination, sea lois, scs m^thode?, ses joies dans son commerce direct »vec la natnre.
H. Los rliiigriiis, les tourments de rimagination et sa d61ivr.uice par los arts. 4. Les doctriiies, les Cooles et 1» personnalitö de
Tartiste: RDM. 106, S. 5—42, 242-86, 481 ffi. 721 ff. (1892 als Buch erschienen.) — 73) O X Rod. Bettaszi, Teoria delle
grandezze. Pisa, Hoepli. 4<'. M. 6,00. — 74) B. Falckenborg, KUnstler u. Uensch: N&S. 58, S. 376— 91. (Vgl. Kw.
I 3: 75-76. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 40
genaueres Gedäclitnis für Sinneseindrücke, freieres Sclmlten mit den Erinnerungsbildorn,
d. h. eine muntere, starke und reiche Phantasie, feinfühhger Geschmack, d. h. das
sichtende, wählende Gefühlsurteil über die Bilder der Phantasie, endlich eine
gesteigerte Gefühlsthätigkeit. „Das innige Zusammen von Fühlen _ und Schauen, das
Ineinander von Bild und Stimmung ist es, was recht eigentlich den Dichter, den Künstler
macht." Die Beantwortung der beiden andern Prägen ist nur in flüchtiger Andeutung
gegeben und zeigt mehr, worauf geachtet werden muss, als was sich- schon ermitteln
Hess. Diese Teile sind weniger fruchtbar als der erste. Der Vergleich zwischen dem
Wesen des Künstlers und dem Wesen der Prau ist mehr äusserlich bestechend als innerlich
überzeugend; auch merkt man, dass F. selbst noch nicht zu festen Ueberzeugungen
gelaugt ist, wenn sich überhaupt die Pülle der Erscheinungen unter ein einheitliches
Prinzip bringen lässt. Ausdrücklich schiebt P. die Beantwortung der Präge, wie sich
Künstler und Mensch verhalten, für jeden einzelnen Pall dem Biographen zu und sucht
nur einiges Gemeinsame zu erfassen, Pleiss sieht er als einen steten Begleiter des
grossen Künstlers an. —
Auch Spitteler'^5) {^t dieser Ansicht, aber er hält den Pleiss auch für den
Vorarbeiter und Bahnbrecher der Inspiration, die Stimmung und Eingebung könne ertrotzt
oder angelockt werden. Natürlich bildet hervorragendes Dichtertalent die unerlässliche
Voraussetzung. Auch bezieht sich der Pleiss nicht auf den IJrentwurf, der aus Phantasie-
zwang hervorgehen muss, wenn aus dem Werk etwas werden soll. „Die Ureingebung
stammt aus Seelengegenden, die den Kräften des Verstandes, des Willens und des
Geistes weit überlegen sind", dafür giebt es nur Eine Vorarbeit, „vom Leben tüchtig
geschüttelt zu werden". Ja die erste Eingebung ist unzulänglich: ehe ein Plan arbeits-
reif wird, sind noch ergänzende Conceptionen in Menge nötig. Darum das langsame
Reifen von Plänen, „wer zu früh beginnt, beraubt bei aller Kunst den Stoff seiner
schönsten Erträgnisse". Hat die Arbeit aber begonnen, dann soll es in Einem Zuge
weitergehen, hier gebührt dem Pleisse sein wächtiger Platz; vom imterbro dienen Arbeiten,
vom behaglichen Versuchen und längerem Wählen hält S. nicht viel. Ist durch Zufall,
also plötzlich auftauchende Schwierigkeit im Stoffe, physische und psychische Abspannung,
äusseres Leben eine Unterbrechung eingetreten, dann ist es besser, nicht erst auf die
Rückkehr der Lust und Stimmung zu warten. Die Dichter gingen da anders vor als die
Musiker oder Maler; aber das hält S. für unrichtig, auch die Dichter sollten durch
Energie, „sanitätswidrige Anstrengung", den Grad ihrer Fruchtbarkeit erhöhen. Nach
Beginn der Arbeit gilt es die Vollendung kurzer Hand zu erzwingen. Es sei eine That-
sache, die schwerlich ein Künstler bestreiten werde, dass während oder unmittelbar
nach einer kräftigen Arbeit die schöpferische Phantasie in grösserem Masse sich gegen-
wärtig und willig zeige als im träumerischen Ruhezustände; ferner lehre die Er-
fahrung, dass neue Eingebungen um so reicher zuströmten, je kräftiger ein Künstler
die alten erledige, je fleissiger er sein Lebtag arbeite: zwischen Arbeit und Eingebung
walte folglich ehi ursächlicher Zusammenhang. Für die Visionsphänomene glaubt S.
folgenden „Kalender" aufstellen zu können: „Niemals taucht eine Vision an demjenigen
Punkt auf, nach welchem der Schaffende die Aufmerksamkeit gerichtet hat, wohl aber
rückwärts und vorwärts auf der Bahn des Werkes und zwar in einer Menge, welche der
Energie der Arbeit proportional ist" ; er nennt das für seinen Hausgebrauch „das Gesetz
der ricochetierenden Phantasie". Unbedenklich unternimmt er bei der w^üstesten Stim-
mung die Arbeit, denn die Stimmung ist Nebensache, die künstlerische Phantasie aber
nicht; in einem guten Stoff liegt die Kunststimmung stets enthalten. „Ausserhalb des
Bereichs des Bewussten" liegen Lösung „der scheinbar unentwirrbaren Verwicklungen"
oder Auswahl zwischen anscheinend gleichwertigen Motiven; denn die Visionen sind
stets einfach, es muss durch Gedanken- und Willensarbeit das kompositorische Hindernis
so weit überwunden werden, dass die allereinfachsten räumlichen und zeitlichen Ver-
hältnisse vorliegen, ehe von der Eingebung ein poetisches Bild zu erwarten ist. S. teilt
das als seine eigenen Erfahrungen mit, vermutet aber, dass er nicht privaten Naturgesetzen
unterliege und darum anderswo dasselbe voraussetzen dürfe. — Das wird bestätigt durch
einen interessanten Aufsatz Spielhagens'^^); der Genius ist nach ihm im genialen Pleiss
ebenso exceptionell wie in jeder anderen virtus. „Hat je ein Genie existiert, so ist es
der Fleiss selbst gewesen". „Der Dilettant kann mir arbeiten, wenn er in Stimmung
ist; der Berufskünstler holt' sich seine Stimmung aus der Arbeit". Regelrechte Schulung
und beständige Uebung machen den Künstler und den Meister. Auch in der Schilderung
der stillen Arbeit im Innern, die plötzlich, oft wo es am wenigsten geahnt werde, das
Bild scharf umrissen zeigt, stimmt S. mit Spitteler überein. Natürlich vergisst auch S.
6, 86|7.) — 75) C. Spittfiler (Felix Tandem), Fleiss n. Eingebung. Z. Paycliologio d. dichterischen Scliaffcns: Kw. 4, S. 113/5.
— 76) F. Spielhagen, Produktion, Kritik u. Publikum. = Aus meiner Studienmappe. Ueitrr. z. litt. Aesth. u. Kritik. 2. Aufl.
K.1-46. Berlin, Allg. Vorein f. D. Litt. IX,361. S. M. 6,00. |[A. Schröter: BLU. I, S. 311 (nicht gerade anerkennend) ; Grenzb.
41 R. M. Weriior, l'ootik uinl ilirn (icsrhiclito. 1 ;i: 77-s4.
diu ]3o<^al)Uii<j; iiiclit. Alier er berücksichtigt noch anderes, vor allem die Stellung des
Künstlers zxnn Publikum iji ihrer Bedeutung für beide, dann des Kritikers, als eines
Vermittlers zwischen beiden. Mit Gescliick führt S. die Verhältnisse zurück auf die
(Jrundtypen xnid gCM'iinit dadurch manchen Aufschluss über K<)nnen, über Kennerschaft^
über Wirkinig und Kunstabsicht. Auch die Ki-itik wird von ihm vollauf gewürdigt^'-^'');
er sieht in ihr freilich nur einen P^rsatz für das normale Verhältnis eines direkten Ver-
kehrs zwischen Künstler und Publikum, aber einen Ersatz, der notwendig ist, weil eben
das Publikum ein buntes, in Geschmack, Bildung und Empfänglichkeit verschiedenes
Konglomerat darstellt. Darum vermag aber auch der Künstler nicht mehr direkt die
Wirkung des Kunstwerks auf das Publikum zu beobachten und darnach sein Werk zu
gestalten oder umzugestalten, hier hätte die Kritik dem Künstler als Ersatz zu dienen.
Man sieht, wie das mit der künstlerischen Arbeit zusammenhängt. —
Mit dem Wesen des Genies hat sich eingehend K. Bleibtreu80-82) beschäftigt,
indem er seine „Paradoxe der konventionellen Lügen" weiterführt. In der ihm eigenen
Schäi-fe zieht er allerlei „moderne" lleberzeugungen in Zweifel und spricht inibeirrt
durch Schlagwörter wie durch Rücksichten offen und subjectiv seine Ansichten aus.
Vieles hängt allerdings nur sehr lose mit seinem eigentlichen Thema zusammen, aber die
Einheit wird durch seine originelle Denkungsweise herbeigeführt. Ihm ist das Genie
„die originale Eortentwickelungsfähigkeit" des Menschen, „das ]>otenzierte Entwicklungs-
ja-iiizip, der lebendige Zeuge des unveräusserlichen Selbstbewusstseins der Mensch-
werdung, die höchste erreichbare Stufe der descendenten Perfectibilität"; das Genie
bezeichnet die Grenze der Entwicklungsfähigkeit^^), bietet aber zugleich den stärksten
Beweis gegen die Descendenztheorie, die B. völlig verwirft. „Die Entstehung des Genies
und sein vererb luigsunfähiges Aussterben wirft das schärfste Streiflicht auf die Schranken
der Entwicklungs- und VererbuTigslehre", so sagt er ausdrücklich. Er betrachtet das
Genie als das Ausserordentliche, das gleichsam zerstört werden muss, weil das Normale
das Feststehende ist. B. hält also das Genie nicht etwa für eine krankhafte Erscheinung,
im Gegenteil wie Alberti (181)0 I 3 : 84) für höchste Gesundheit, aber für eine, die nicht
fortsetzungsfähig ist. Von den einzelnen Eigenschaften des Genies handelt der erste
Aufsatz nur im allgemeinen, aber der Gegensatz zwischen Genie und Talent, besonders
mit Rücksicht auf die Technik, wird herausgearbeitet, wobei B. gut auf das Genie als
scheinbaren Plagiator eingeht, der „deduktive Idealismus" des Genies wird betont:
„seinem Wesen nach deduktiv, analysiert das Genie zugleich blitzschnell die Dinge:
Schneller denken wie andre, wie Napoleon von sich rühmte, zugleich aber logischer
denken, fiber die enge Logik des gesunden Menschenverstandes hinaus, kennzeichnet
Genialität. Intuition und Induktion mischen sich unmerklich". B. verwirft die Schopen-
hauersche Trennung von Wille und Intellekt, die ihm viclmelu- eins und dasselbe sind.
Näher geht der zweite Aufsatz diesem Gedanken nach. „Im genialen Menschen wächst
von Anbeginn ein genialer Wille neben einem genialen Intellekt und umgekehrt". Die
Genialität ist demnach „die höchste und im Grunde euizig wertvolle Stufe des mensch-
lichen Geistes". Das Genie ist seiner selbst im höchsten Grade bewusst und naiv nur
darin, dass es in seinem ungestümen Drange niemals die Vorsichtsmassregeln der Welt
berücksichtigt. Das hebt B. besonders gegen Carlyle hervor. Wie Schopenhauer und
E. V. Hartmann setzt B. das W^esen des Genies in die Anschauung und bezeichnet daher
als Hauptbedingiuig die Phantasie, während Beobachtung nur eine technische Talent-
ausbildung bedingt. Dem Genie ist sein Dichten und Denken Selbstzweck, es arbeitet,
sich seiner wogenden Ideenwelt zu entledigen, darum ist es produktiv, wiederholt sich
aber nicht, es produziert wahllos, daher „oft eine gewisse Ungleichheit im äusseren
Wert der verschiedenen Leistungen". Nachdem schon in den ersten beiden Aufsätzen
manche Widersprüche auffielen, traut man seinen Augen nicht, wenn man den dritten
liest, der zu Lombroso Stellung nimmt. Nun erfahren wir plötzlich, „dass Genie ohne
eine gewisse physische Schwäche und ohne anormales Wesen, zum mindestens tolle
Reizbarkeit der Nerven, undenkbar scheint", nun wird mit der gleichen Sicherheit, wie
in den früheren Aufsätzen das Gegenteil ausgesprochen: „Irrsiini ist unklare Genialität,
Genie ein klarer logischer Wahnsinn". „Es giebt keine Ausnahme, sondern alle genialen
Naturen sind mehr oder weniger krankhaft oder veiTückt" ; ,, Genialität ist ein chronischer
Zustand, IiTsinn nur ein temporärer". Ja B. stellt das „Gesetz" auf: „Unter ungünstigen
Umständen tritt überall der Irrsinn ein, wo unter günstigen Umständen Genialität"; und
doch wird wenige Seiten später behauptet: „Genie und Irrsimi stehen ausserhalb des
II, S. 55/6.]! — 77) O X H. Helferich, Künstler u. Kunstkritiker: KunstfAlle. C, S. 164/9, ISO/S. - 78) X 0. Nenmann-
Hofer, Kritik ii. EUsonnement: Kw. 4, S. 214/5. (,A»8 LBll.) — 79) X A. Neugraf, Kritik u. Baisounement : DentschZg.
N. 7096. — 80) K. Bleibtreu, D. naturwissenschaftliche Anschauung u. d. Genie. =: Letzte Wahrheiten. S. 1—98. Leipzig,
Kriedricli. o. J. IV, 204 S. M. 3,00. — 81) id., D. Genie an sich: ib. S. 99—142. — 82) id., Genie, Wahnsinn u. Strafgesetz :
ib. S. 143—89. — 83) X 0- Pan« z za, Genie u. Wahnsinn. Vortr. geh. in d «Gesellsch. f. mod. Leben*. (= Münchener
Flugschriften I. Ser. N. 5—6.) München, Pocssl. 32 S. M. 0,20. — 84) W. H. v. K i e h 1 , D. Sage t. verkannten Genie
I 3: 85-92. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 42
Milieu, die Entwicklungskette reisst hier ab." Früher hörten wir, dass sich Genie nicht
vererben könne (d. h. nicht direkt, abgesehen von der Seelenwanderung), nun hören wir,
,dass sich die musikalische Begabung (!) ebenso leicht wie der Wahnsinn vererbt,
d. h. also diejenige Genialität, die nachweissbar am meisten ziim positiven Wahnsinn
neigt." Welches ist nun die „letzte Wahrheit?'- Freilich sagt B., man dürfe die Sünden
und Ausschreitungen dieser morbid Unnormalen niemals pharisäisch verurteilen, weil die
Genialen gleichsam einer anderen Rasse angehörten; wie stimmt das aber mit dem Satze,
dass die Menschheit ihr Ende erreicht, „sobald alle Menschen , Genies' geworden", und
dass dies „die einzig mögliche Entwicklung" sei? B. sieht das Genie ,,ganz einfach"
als einen Besessenen an, „der seine Gehirn- und Lebenskraft übermenschlich steigert,
sich infolge dessen meist auch früh verzehrt". Einen Unterschied erkennt aber B. doch
zwischen den Genies und den mit ihnen sonst am meisten verwandten ,, Streitsüchtigen
und Graphomanen", und das ist ,,die aggressive Extase"; auf diese Bezeichnung legt er
„Wert", weil er in iln- „das Gesetz der Genialität gefunden" glaubt: die Irren sind
aggressiv „ohne den beflügelnden Schwung der Extase, oder ihre wirre Extase ermangelt
der Logik imd Kraft". Es ist unmöglich, dem dritten Aufsatze B.s irgend welche Berechtigung
zuzuerkennen. Auch scheint er den Ausdruck „Extase" etwas anders zu fassen, als die
Psychologie jetzt gewöhnlich thut^*). — Ueber Extase, besonders bei Richard Wagner,
hat Bonnier^s) emphatisch geredet. — Ansprechend handelt Stommel^^) mit An-
führung charakteristischer Beispiele von der schaffenden Phantasie, der Anschauung, die
von der Einbildungskraft verschieden ist. Dadurch wird das Unbewusste im genialen
künstlerischen Schaffen hervorgehoben und gegen Zolas „Beobachtung" protestiert.
S. geht natürlich auch von Traum und Rausch aus, es stört aber, dass er flüchtig über
die Sachen hingleitet, statt sich in sie zu versenken, das Ganze ist eben nur eine Skizze. - -
Der populäre Vortrag R. von Wicherts^'') giebt einen guten Ueberblick über die
moderne Stellung zum Schönheitsproblem und ist geeignet, ein grösseres Publikum in
die Aesthetik einzufüluren ; selbständigen Wert beansprucht er nicht. s^) —
Induktive Poetik. Eugen Wolfl^s „Prolegomena" (189013:60) wurden ein-
gehend besprochen von R. M. Werner ^9) und Roethe ^0-91). "W". sieht in dem
Schriftchen nur einen bescheidenen Versuch zur Lösung der Aufgaben, welche der
Poetik harren, zweifelt aber daran, ob Wolff Recht that, schon jetzt in umfassender Weise
die eventuellen Resultate einer evolutionistischen Poetik auszumalen; er macht ferner
auf einen prinzipiellen Mangel dieses Versuches aufmerksam, dass nämlich die Wirkung
poetischer Werke auf ihre Zeit nicht beachtet wurde, darnach scheidet er kurz andeutend
die Aufgabe der Litteraturgeschichte, der Kxilturgeschichte und der Poetik und zeigt
die Berechtigung für die Poetik auf, eine Auswahl unter den Werken zu treffen. Gegen
Wolff vertritt W. weiter die Ansicht, die Urform der Poesie sei, so weit wir bis jetzt
sehen können, die Lyrik, nicht die Epik; schliesslich tadelt er, dass Wolff die Poetik
nicht als einen Zweig der Aesthetik anzusehen scheine. Schärfer als Werner verurteilt
R. das Heft, indem er das Neue nicht richtig und das Richtige nicht neu findet. Wie
Werner protestiert er gegen Wolff's Auffassung der „Entladung" in der Tragödie und
den andern Dichtungsarten, er hebt dann hervor, dass die Litteratiu'geschichte die
induktive Methode nicht erst von Darwin zu lernen brauchte nach alle dem, was unser
Jh. dem Aufschwung der historischen Wissenschaften verdankt; schliesslich betont er
scharf, dass er nicht recht an einen Litterarhistoriker glauben könne, der nie Philologe
gewesen sei. — Gegen diese Recension hat Wolff ^2) eingewendet, sie erfasse den Grund-
gedanken seiner Schrift nicht richtig: es komme ihm für die Poetik nicht auf die
„klassischen Beispiele", sondern auf das litteraturgeschichtliche Gesamtmaterial ah, das
auch von der Poetik in seiner geschichtlichen Ordnung, nicht in zusammenhanglosen
Einzelbeispielen verwendet werden müsse; er verlange ein „Inbeziehungsetzen" des
litteraturgeschichtlichen Gesamtmaterials „unter grundsätzlicher Anerkennung der obwal-
tenden Entwicklung d. h. allmählichen Aus- und Umbildung der poetischen Gattungen".
Er geht nicht auf das blosse Feststellen des Gemeinsamen bei Sophokles und Shakespeare
aus, sondern auf Darlegung ihrer notwendigen Verschiedenheit, wie sie nur im Zusammen-
hang der durch stete Wandlungen bezeichneten litterarischen Entwickehing hervortrete.
Dabei setzt er aber voraus, was doch erst zu zeigen ist, dass nämlich von Sophokles z\i
Shakespeare wirklich eine stete Wandlung der bezeichneten litterarischen Entwdcklung
stattgefunden hat, er vergisst, dass die Wirkung der klassischen Beispiele immer von
neuem eintritt, für jeden Dramatiker Sophokles dann abermals zu leben beginnt, wenn
(Nach e. Vortr.): Didaskalia N. 275. — 85) C. Bon nier, D. Extase : liayreutliBll. 14, S. 222|9. - 86) K. Stoinmel,D.
Traumanschauung in d. Kunst. = Aus d. Geistosleben d. Gegenwart. S. 143-71. Düsseldorf, Bagel. 2. Aufi. o. J. VIII, 423 S. M. 3,00.
— 87) B. V. Wichort, l). Sch(!no. (= D. ewigen Ratsei. 2. Serie. S. 21—41.) (Vgl. 1890 13:72.) - 88) X F- Goeler v.
Kayonsburg, Z. Aesthetik: LMorkur 11, S. 1/3. (Seiihte Besprechung d. Dissertation v<.n (». Mautnor-Markhof. 1890.
13:82.) — 89) K. M. Werner, Kouo Schriften z. Poetik: ADA. 17, H. 154-61. - 90) G. Rootho, E. W olil', Prologomena:
ZDPh. 24, S. 273/5. — 91) X A. Döring, E. Wolff, Prolegomena: ASNS. 86, S. <J0/1. - 92) Eug. Wolff, Erwiderung
4.'^ R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: »8-9K.
er «ich in ihn lüiieinfindct, hinuinstudiort, hineinfühU, dasH die Httorarischo Entwick-
hing der Wehlitteratur von jedem Dichter nach Massgahe Heiner perscinhchcn Entwick-
hnig in einer keinenwega mit dem hiHtorischen Verlaufe stimmenden Reihenfolge neuer-
lich durchgemacht wird. W. fordert von seiner Poetik daiier nicht mir etwas Unmögliches,
sondern sogar etwas Unsinniges; er sucht nach den Gesetzen der Gattungsontwicklung,
ohne daran zudenken, dass Menschen die Träger dieser Dichtungsgattungen sind. Durch
seine Erwiderung hal)on seine Ansiriiten keineswegs an Klarheit gewonnen, ja es ist
unbegreiflich, wie er hei seiner Parallelisierung der Wandlung und Entwickelung in der
l'oesio mit derjenigen der natCirlichon Arten auf historischem, nicht naturwissenschaft-
lichem Boden zu stehen glaubt. — Was er dann Werners und Roethes Einwand gegen
seine Entladungstheorie entgegnet, das hatRoethe^^^ in seiner „Antwort" zurfick-
gewiesen. Der 8treit über die Bedeutung der Philologie aber ist unverständlich, denn
nach Wolfls Aeusserung, seine Methode sei systematisch-litteraturgeschichtlich und
philologisch, stimmt er doch R.s Ansicht uneingesclu-änkt zu. —
Mit der Frage nach der Urform der Poesie beschäftigte sich Jacobowski '•'^j
und schlug den ontologischen Weg ein. Er entdeckt als ursprüngliche Aeusserung der
Em})findungen tiberall Laute, die wir lyrisch nennen müssen, und erkennt zwei Quellen:
Lust und Unlust, die beide lyrisches Aussprechen veranlassen; wir haben also von
Anfang an eine doppelte Lyrik. Zweierlei kommt für sie in Betracht: Gefühlsruhe,
die unproduktiv bleibt, und plötzlich oder allmählich eintretenile Lust oder Unlust,
welche die Seele aus dem indifferenten Zustand aufrüttelt und zum Laut, also zur Urlyrik
nörjgt. Dabei verhalten sich aber Lust und Unlust schon verschieden : die Lust drängt
nur, wenn sie stark und explosiv in den Ruhestand einbricht, zur lyrischen Aeussei*ung,
während bei der Unlust auch allmähliches und schwaches Einbrechen so wirken kann.
Die Lust nehmen wir ferner einfach auf, ohne zu fragen, woher sie kommt, während wir
sehr ei-finderisch sind, die wirklichen oder vermeintlichen Unlustquellen auszuspüren.
Dadurch gewinnt die Unlustlyrik quantitativ und qualitativ das Uebergewicht über die
Lustlyrik. Zudem bleiben von Lustempfindungen geringere Erinnerungsreste als von
Unlustempfindungen. J. glaubt auf diesem Wege die Schwierigkeiten hinweggeräumt
zu haben, die Scherer in seiner Poetik so viel zu schaffen machten, da er die Poe.^ie
aus der Freude ableitete und nun herauszubringen suchte, wieso trotzdem das Unan-
genehme Gegenstand der Poesie werden könne; auch den Versuch Werners (ADA. 13,
278 ff.), das Bedürfnis nach Abwechslung, Zerstreuung, LTnterhaltung zur Erklärung des
Phänomens herbeizuziehen, vei'würft J., indem er ihn mit Schillers Spieltrieb in Zusammen-
hang bringt. Aber Werner macht in seiner Besprechung von J.s Schrift auf einen
Grundirrtum des Vf. aufmerksam, dem sich die Lyi'ik aus Lust oder Unlust zu einer
Lyrik von Lust oder Unlust verwandelt, wälirend W. wie Scherer darin .schon eine
weitere Stufe der Entwicklung sieht. Er weist darauf hin, dass alles, was J. von der
Urlj'rik sagt, nur so lange gilt, als sie die einzige Urpoesie ist, nur so lange, als die
Poesie noch die unwillkürliche Aeusserung von Lust- und Unlustgefühlen genannt werden
kann. In dem Augenblicke jedoch, da der primitive Mensch sich mit seiner Aeusserung
an ein anderes Wesen richtet, ändert sich der Charakter der Poesie; sie sucht nun Wir-
kinigen zu erzielen, das, was sie selbst fühlt, auf einen anderen zu übertragen, sie setzt
also ein Publikum voraus und wird zur Urform jener Dichtungsgattung, für die kein
Name allgemein giltig ist (Schiller-Goethe nennen sie die pragmatische^ sie teilt sich
in die epische und dramatische. J. verfolgt die Lyrik mir bis zu dem Punkte, wo sie
zur Poesie im engeren Sinne des Wortes wird, so dass die scheinbar einander
diametral entgegenstehenden Ansichten von Wolff und J. sich vereinigen lassen: in der
Litteratur tritt die Epik früher auf als die Lyrik, obwolil diese die Urpoesie ist. Wolif
fragt nach den Anfängen der Litteratur, J. nach denen der Poesie, und so haben beide
Recht. J. betrachtet dann noch den Zusammenhang von Lyrik, Bewegung (Tanz) und
Rhythmus, die Form und den Inhalt der Urpoesie, endlich ihre Differenzierung. J.s
Behauptungen shid z. T. so kühn, dass manche Recensenten daran Anstoss nahmen und
den gesunden Kern des Schriftchens libersahen.^-"') —
Selir bedeutsam hat Walzel »6) die Vorträge des Frlirn. v. Berger (1890 I 3 : 32)
besprochen und dabei die tiefe Uebereinstimraung zwischen Scherer und v. Berger
aufgedeckt. Er begründet die Notwendigkeit des historischen Standpunkts dem Drama
gegenüber, behandelt klug das Verhältniss von Poetik und Litteraturgeschichte, Pliilo-
logie und Technik, weist v. Bergera Polemik gegen die Bucherzählung^^) zurück und
betont die Wichtigkeit des Theatralischen für das Drama. W. würdigt dabei die Vor-
ZDPh. 24, S. 428/9. - 93) 0. Roethe, Antwort d. Rezensenten: ib. S. 429—30. - 94) L. Jacobowski, D. Aonnge d.
Poesie. Grundlegung zu e. realistischen Entwickelungsgesch. d. Poesie. Dresden u. Leipzig, Pierson. VIII, 141 S. M. 2.50. [B.
JI. Wem er: ADA. 17, S. 164/7 ;BLÜ. I, S. 143; A. B— r: LCBI. S. 875/6; Kruse: KielZg. N. 14212; J. Ettlinger: AZg». N. 145.]|
— 95) X id., Poetik d. Lachens: Zeitgenosse 1, S. 180;4. — 96) 0. F. Walzel, A. v. Berger, Dramaturgische Vortir.: AZg».
N. G2. — 97)X6Manz, Unser Poesiegenuss. E. ernsthafte Plauderei: Zeitgenosse 1, S.340/3. — 98) V. Valentin,
I 3: 98-105. R. M. Werner, Poetik und iliro Geschichte. 41-
Züge der Schererschen Poetik. — Ihr hat V. Valentin ^8) vorgeworfen, sie entspreche
dem Titel nicht, weil Scherer die scharfe Abgrenzung der Begriffe, mit denen gearbeitet
wird, nicht getroffen habe; seine Poetik sei die Lehre von dem Wesen der Poesie.
V. sieht in Scherers Buch eine Gefahr und 'nimmt deshalb Stellung dagegen, nicht ohne
mit sich selbst in Widerspruch zu geraten: so billigt er zwar die induktive Methode,
verwirft aber die Behandlung einer ästhetischen Präge auf einem einzelnen Kunstgebiete,
es müsse die ganze Kunst herangezogen werden. Damit setzt er etwas als Ausgangs-
punkt, was doch erst Zielpunkt sein soll. Erst wenn für die Einzelgebiete die Induktion
dm-chgeführt ist, können wir zu dem allen Künsten Gemeinsamen vordringen. V. wirft
Scherer Unklarheit vor, nennt aber dann die Sixtinische Madonna „ein poetisches Kunst-
werk", was er vom „dichterischen" Kunstwerk unterscheiden will. Das ist nichts als
Spielen mit den Worten. Gegen Scherer bestimmt V. die Poetik als „die Lehre von
den dichterischen Gattungen und Formen", nur sagt er leider nicht, was „dichterisch"
ist, während Scherer eben eine Pormel finden wollte, die eine Tautologie: Poetik ist die
Lehre von der Poesie vermeidet. Man wundert sich, dass V. so wenig Verständnis
für das Werk hat, welches gewiss vielfach zum Widerspruche reizt, aber eine scharf
umrissene Phj^siognomie zeigt. —
Valentin 99) hat im Anschlüsse daran auch Werners Werk „Lyrik und Lyriker"
(1890 I 3 : 36) beurteilt und „eine merkwürdige TJebereinstimmung" in beiden Büchern
entdeckt: „das einzelne aus der Aesthetik herausgegriffene Gebiet soll einmal historisch-
philologisch, das andere Mal naturwissenschaftlich behandelt werden, und beide Male
kommt die Behandlung gegen den Willen der Vff. auf das philosophische und speziell
das ästhetische Gebiet"; er findet darin ein Zeichen, dass für ästhetische Fragen die
ästhetische Behandlung die einzige wäre. Lipps^^o) sieht aber gerade in dem Inhalte
des Wernerschen Werkes „ästhetische" Behandlung, weil für ihn das „Endziel" der
Aesthetik „Verständnis des Schönen, nicht dieses Allgemeinbegriffs, sondern der mannig-
fachen Arten seiner Verwirklichung in der Welt ist". Es müsste daher vor der Er-
füllung von V.s Begehren erst eine Einigung über das Wesen der ästhetischen Behand-
lung erzielt werden. V. bestreitet, dass das für „einige Lyriker" Gefundene für die
Lyi'ik gelte; er weist aber nicht einen einzigen Lyriker auf, für den es nicht gilt, ja
er sagt, die Gesetze müssen für den Prozess des dichterischen Schaffens überhaupt
gelten, wenn sie richtig wären; das hat aber Werner S. x. ausdrücklich selbst hervor-
gehoben. V. meint, die Untersuchung habe auszugehen von den beiden Fragen: „wie
kommt der dichterische Prozess überhaiipt zustande?" und dann: „was macht im ein-
zelnen Falle einen besondereii dichterischen Prozess zum Hervorbringer einer lyrischen
Dichtung?" Eine Vorfrage betrifft das Wesen der Gattimgen. V. verwirft die Zwei-
teilung der Dichtung in Lyrik und Pragmatik und verheisst eine eigene Darstellung des
Gegenstandes. Auch an den Tabellen Werners nimmt V. Anstoss, worin R. M. Meyer ^oi)
mit V. 'übereinstimmt. M. tadelt die äusserlichen Einteilungsgründe, möchte z. B. beim
indirekten Erlebnis unterschieden sehen, ob die Anregung durch inhaltliche oder formelle
Momente gegeben wurde ; er vermisst beim inneren Wachstum Rücksicht auf die innere
Ordnung und das Entstehen des Gedichtes im einzelnen von Vers zu Vers, von Strophe
zu Strophe. Bei der Geburt unterscheidet er Improvisation, Gelegenheits-, Erinnerungs-
und Bestellungsgedicht. — Am schärfsten ist Minor 102) dem Werke zu Leib gegangen,
um es im allgemeinen und im besonderen zu verwerfen. —
Durch Viehoffs Poetik angeregt, an die auch ein Aufsatz Kiys^oa) über Poesie
und Malerei anknüpft, hat sicli in sehr ansprechender Weise Roetteken 'Oi) mit
den Kunstmitteln beschäftigt, durch die es dem Dichter gelingt, in unserer Phantasie
Bilder von Dingen der physischen Welt zu schaffen. Besonders deutlich hat er die
Gefahren dargestellt, denen die Beobachtung auf diesem Gebiete ausgesetzt ist. Er
nimmt einzelne der Mittel durch, prüft sie und teilt seine Beobachtungen iiber die von
ihm selbst erlebten Wii-kxmgen mit; dabei ist er häufiger veranlasst, Viehoff zu wider-
sprechen, als ihm zuzustimmen. Er geht aber nicht nur auf Gesichts- und Gehörs-
vorstellungen ein, sondern auch auf Geschmacks-, Geruchs- und Tastvorstellungen und
bespricht die Verschiedenheiten iniseres Verhaltens ihnen gegenüber. Seine Resultate
sind: bis zu einem gewissen Grade ist die physische Welt darstellbar, so weit sie sich
dem Auge und dem Ohr enthüllt; die Objekte der anderen Sinne lassen sich dagegen
für die meisten Menschen nicht eigentlich darstellen, nur die Gefühle, die an den Sinnes-
affektionen hängen: es handelt sich also dabei mindestens ebensosehr um Darstellung
der psychischen wie der physischen Welt. Der Aufsatz verdient allgemeine Beach-
tung. ^05) — ]y[j^ eij^ pj^g^j. neuen Beispielen, sonst aber im wesentlichen unverändert und
W. Schcror, Poetik: ZYLR. NF. 4, S. 478—85. - 99) id., R. JI. Wornor, Lyrik u. Lyriker: ib. S. 485-94. - 100) (S. o. N. 31.
Besonders S. 565|7.) - 101) R. M.Moyftr, K. M. Wonior, Lyrik u. Lyriker: .\DA. 17, 8. 320/8. — 102) (S. o. N. 37.) — 103) X
V. Kiy, D. DicUtor als Maler. Nach H. Vichofts Auffassung: llambCorr«. N. 28/9. — 104) H. Roottekon, Z. Leluo v. d.
Darstellungmitteln in d. Poesie: ZVLK. NF. 4, S. 17—47. - 105) O X P- v. Schöuthan, Litt. Spezialitäten: FromdenBl.
45 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: loe-iis.
ohne neixe Erfjebnisse hat W. Jordan '^) das Thema des Laokoon wieder aufgenommen ;
nur die Polomik gegen die Illustrierwut 'ö^) und die Meiningerei unserer Tage kann
man liervorhebcn. —
Gegen Biese (1890 I 3:90) wendet sich Valentin ^08)^ indem er für den
Anthropomorphismua unterscheidet „zwischen der Thatsache der allgemeinen Bo-
lohung des Objekts durch das Subjekt und der besonderen Vorstellung, wie diese Be-
lebung sich Hussert: die orstoro nimmt das Subjekt aus sich, die zweite aus seiner Er-
falu-uiigin der Welt, zu der es ja auch gehört". Nur jene Form könnte man „Einfühlung"
nennen. Das Associationsprinzip ersclieint V. fraglich. —
Eine gedrängte Uebersicht über das dichterische Schaffen gibt R. Weit-
brecht ^os)^^ obwohl er in seinem durch Form und Gedanken gleich ausgezeichneten
Aufsatze nur seine Grundsätze der Kritik erläutern will. — Otto Ernst***') hebt als
charakteristisch für den dichterischen Prozess das Mitschwingen grösserer Vorstellungs-
kom])lexe, vor allem entfernterer Vorstellungen hervor, durch das ein Werk den Ein-
druck des Selbstverständlichen erregt; der Dichter braucht darum auch reiche Bildung,
nicht Gelehrsamkeit. Der überquellende Reichtum seines Geistes entrückt ihn den Herzen
der Verständnislosen, deshalb werden die bedeutendsten Dichter nicht immer am schnellsten
anerkannt. —
Spielhagen*") unterscheidet verschiedene Arten der Popularität, denn das
Publikum besteht aus drei Gruppen : den mit allen Bildungsmitteln ihrer Zeit Ausgerüsteten,
den Kultivierten, den Unkultivierten. Der erste Eindruck eines Werkes kann sein, dass
es von den beiden ersten Gruppen acceptiert wird; das tritt dann ein, wenn es aus den
aktuellen Interessen der betretenden Zeit hervorgeht, zugleich aber das stofflich Wirk-
same in einer Grösse und mit einer Grossheit behandelt, dass es über die momentanen
Stimmungen und Tendenzen hinweg in das Ewige der Menschennatur hinüberweist. Das
Werk kann aber auch von der mittleren Schicht acceptiert, von der obersten abgelehnt
werden, das hat dann vorübergehende Popularität zur Folge. Der Fall, dass ein Werk
von der obersten Gruppe acceptiert, von der mittleren dagegen abgelehnt wird, macht
es für immer unpopulär und hat seinen Grund in einem Zuwenig oder Zuviel: entweder
ist der GriiF ins volle Menschenleben nicht geglückt, oder es gelang nicht, das Heraus-
gegriffene mit dem Wohl und Wehe der Menschheit in einen auch minder scharfen
Augen unverkennbaren Zusammenhang zu bringen. Die höchste Popularität ist die
Klassizität, die Welttümlichkeit, die immer nur Werken in rhythmischer Form zu Teil
wird. S. spricht gescheidt und klug über das Wesentliche dieses Rhythmischen. —
Einzelne Fragen. Vielfach behandelt wurde das Verhältnis von Dichtung
und Wahrheit. **2-ii4). Spielhagen i*^) schränkt den Satz ein, den Karl Frenzel
aufstellte, „die Dichtkunst strebt nicht nach Wahrheit, sondern nach Wahrscheinlichkeit",
indem er nachweist, die Dichtkunst müsse auch zum Unwahrscheinlichen greifen, das
Unwahrscheinliche despotisch in ihren Dienst zwingen; nur dann erfiille sie ihre Auf-
gabe. — B. Münz 1*6) protestiert gegen die grundsätzliche Scheidung von Kunst und
Wissenschaft, nicht wegen der einzelnen „Dichterphilosophen", sondern weil beide den-
selben Weg nach demselben Ziel gelien. Alle Dichtung ist realistisch, sogar mehr als
der Naturalismus, aber sie schöpft wie die Wissenschaft „aus dem Tage die Ewigkeit";
sie begegnet sich mit der praktischen Philosophie, nur legt sie die Früchte ihres Nach-
denkens in anderer Form .vor. Aber auch der Denker ist ein Dichter**'), wenn er wirk-
lich ein Denker ist. — Schell wien **8) will gleichfalls von einer Gebietsteilung, die
besonders scharf Macaulay vornahm, zwischen Wissenschaft imd Kunst nichts wissen,
weil die Wahx-heit keiner gehört, die Wissenschaft durch das Denken die unveränder-
liche Gesetzmässigkeit alles Geschehens, die Kunst durch das Dichten das konkrete
Leben und seiiie geschichtliche Fortbewegung zu interpretieren sucht« Die beiden
ergänzen sich demnach, aber „die Wissenschaft darf nicht dichten, die Dichtkunst nicht
demonstrieren". Nach zwei Seiten hin muss sich jedoch die Dichtung „als Wahrheit
erweisen": 1) durch Uebereinstimmung mit der sinnlichen Realität, die allein ihr
waliren Stoff verleihen kann, und 2) durch die Wahrheit des inneren Lebens, mit dem
sie diesen Stoff' in der freien Reproduktion erfüllt. Leicht hat es S., die Ansicht Zolas
von der Möglichkeit eines roman experimental als weder der Wissenschaft noch der
Dichtung entsprechend ad absurdum zu führen; aber seine eigenen Ansichten sind
I
N, 42. — 106) W. Jordan, Bild n. Wort. = Epistoln h. Vortrr. 8. 76—156. (S. o. N. 24.) - 107) X G- Oortel, «Vor-
illustrioren" d. Poeten: Kw. 4, S. 116/7. (Aus d. LZg. vgl. DtschWarte. Giebt einigt» Beispiele unsinniger Gcdirlitilinstrat'onen.)
108) V. Valputin, A. Kiese, d. Assoziationsprinzip u. d. Anthropomorpliismus: ZVLR. NF. 4, S. 2.56,'9. — 109) R. Weit-
breuht, Kritiker u. Dichter: BLU. II, S. 625/7. — 110) Otto Ernst, U. Oedankenwerkstatt d. Üirhfers. E. zweite Be-
trachtung z. Psychologie d. Dichtung: ML. 60, S. 56/9. (l. vgl. 1890 13: 114.) — III) F. Spielhagen, Litt. Popularit«.
= Aus moiuer Studienraappe. S. 47—62. (S. o. N. 76.) — 112) X H. Bahr, Wahrheit, Wahrheit;: Nation". 8. S. ö90,3. —
113) 3 X Wahrheit?: Grenzb. 4, 8.559-65. — 114) Otto Ernst, (18<.K) 13 : 114): Kw. 4. S. 132,5. — 115) F. Spielhagen,
Wahrscheinlichkeit in d. Dichtung. (E. offener Brief an Karl Frenzel.) = Aus meiner Studienmappe. S. W— 7S. (S. o.
N. 76.) - 116) B. MUn z, Dichtung u. Wahrheit: BLU. S. 620—31. — 117) id., Wahrheit n. Pichtii-g: ib. S. 545 7. - 1:8) U,
I 3: 119-128. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 46
durchaus nicht sicher genug ausgedrückt und sein ganzes Prinzip ist recht anfechtbar,
weil er durchaus konstruktiv feststellt: das soll die Dichtung, das soll sie nicht, statt
zu sagen: das kann sie, das nicht. Mit Recht meint die Redaktion in einer Pussnote
zu diesem Aufsatze, das letzte Wort in dieser Präge habe der grosse Dichter durch
sein Können zu sprechen. Die ästhetische Forschung kann auch weiter kommen als bei
S., aber sie muss untersuchen, nicht deklamieren und remonstrieren, nicht von Wahrheit
und Preilieit sprechen, ohne dass dabei eigentlich etwas herauskommt. Ein weiteres
Lieblingsschlagwort des Vf. ist „die Allheit" : auch dieses fördert nicht sonderlich.
Auffallend ist die ungerechte Verteilung von Licht und Schatten, an Zola wird alles
getadelt und verworfen, weil er die Preiheit nicht darstellt; an Ibsen wird vieles gelobt,
weil er die Preiheit, wenn auch nur im Gegensatze zur Natur vorführt. Das Urteil,
das S. fällt, ist übrigens durchaus kein ästhetisches, er fasst die dichterischen Gestalten
nicht ästhetisch, sondern ethisch oder moralisch ins Auge und polemisiert nicht gegen
die Kunst oder Afterkunst, sondern gegen die Weltanschauung und die Ansichten der
Dichter. Auch die Thatsachen sind nicht immer richtig angegeben: so wundert er sich
iiber die Subjektivität des experimentalen Romans und vergisst ganz, dass Zola vom
Roman verlangt, er solle Natur sein „aufgefasst durch ein Temperament". Der Ästhetik
ist mit Aufsätzen, wie dieser, nicht gedient, Methode steckt auch nicht in ihnen, sie
gehören einer verschwundenen Periode an und besonders den Ausführungen S.s ver-
mag ich nicht, wie Pranzos in der erwähnten Note, das Prädikat „anregend" zu. geben.
Am besten erscheint mir noch das über die Geschichtsschreibung im Verhältnis zur Dich-
tung Gesagte; leider ist dieser Teil der kürzeste des Artikels. i^^) —
Bruno Wille 120-122") untersucht die Präge, ob Tendenz in der Poesie immer
verwerflich sei, und verneint sie: nicht in jeder Bedeutung des Wortes dürfe Tendenz
verworfen werden; er macht darauf aufmerksam, dass jedesmal dann die AVirkung ver-
sagt, wenn der Dichter einen Effekt verlangt, ohne die Voraussetzungen dazu zu bieten.
Verwerfliche Tendenz hat nach ihm z. B. die Schlagwortpoesie, die historische oder
mythologische Anspielungspoesie, das Lehrgedicht. Die Agitationspoesie kann vielfach
nur zur Rhetorik, nicht zur Poesie gerechnet werden, weil sie auf unser Wollen, auf
unser motorisches Gefühl wirkt. Er giebt schliesslich für die verwerfliche Tendenz
folgende Definition: „Tendenz in der Poesie ist die Richtvnig eines poetischen Werkes
auf eine Richtimg, welche nicht im Bereiche der rein künstlerischen, ästhetisch-kontem-
plativen Geistesverfassung liegt." Der Aufsatz enthält manches Beachtenswerte. —
Eine mehr litterarhistorische als ästhetische Skizze für die Entwicklung des
Naturgefühls giebt S. Preyi23)^ indem er besonders den Einfluss Rousseaus darstellt;
doch deckt er auch die Gefahren auf, denen das romantische Naturgefühl ausgesetzt ist.
Die Besonderheit unseres Naturgefühls erklärt er daraus, dass wir nichts von der Ntitur
und die Na:tur nichts von uns verlangt. — Das Buch von Hallier (1890 I 3 : 27) hat
B öl sc he 124) in ruhig sachlicher und fördernder Weise widerlegt; es sei noch nicht an
der Zeit, eine Gesamtbetrachtung anzustellen, d-a noch die Vorarbeiten fehlen, die viel-
leicht durch Arbeitsteilung geliefert werden könnten. 120-126) —
In einem sonst hier nicht zu berücksichtigenden Aufsatz handelt W. Jordan 12'?)
u. a. auch über die Allegorie und betont, dass die Bilder an sich, ohne Rücksicht auf
ihre tiefere Bedeutung, ja im Gegensatze zu einer vollständig durchgeführten Identi-
fizierung von Bild und Bedeutung, ausgeführt werden, sofern sich der Poet ihrer bedient,
dass also eine ganz bis ins Einzelne gehende Deutung unmöglich ist. Der Aufsatz
handelt ferner in dem Teil über die Terzine von der Wechselwirkung zwischen Porm
und Inhalt. J. glaubt als allgemeine Dichtererfahrung sagen zu können, dass jedes
Gedicht gleichsam aus einem Willen im Stoff eine bestimmte Porm annehme, wenigstens
hat er diese Erfalirung an sich selbst gemacht. — Zu allgemeinen Sätzen gelangt K.
M aas s 128)^ indem er von Beobachtungen am Sprichwort ausgeht; es mangelt ihm aber
die Gabe verständlicher Darstellung. Nach ihm ist die Metapher „eine aiif Grund der
Gleichung von Verhältnissen, innerhalb deren zwei, verschiedenen Gebieten angehörige,
an sich einer Uebertragung nicht widerstrebende Begriffe oder Begriffsgruppen die ein-
ander gemässe Stelle einnehmen, mittels Gleichung bewirkte namentliche Uebertragung
des einen Verhältnisgliedes auf das entsprechende andere". Er imterscheidet erläuterte
und volle Metaphern. Geschlossene Gedankenbilder sind ihm Allegorien. Die Meto-
Schellwion, D. Wahrheit in d. Dichtung: DDichtung 10, S. 50/6. 73/8. — 119) X J- Mähly, D. Fluch d. Kunst: Oogenw.
89, 8. 89—90. (Ahgöttorci, d. mit d. Künstlern getrieben wird, ist d Fluch d. Kunst.) — 120) Bruno Wille, Tendenz in d.
Poesie. E. Einleitung z Ergrtludung e. Zcitprohlems : FrB. 2, S. 465/8. — 121) id, Tendenz in d. Poesie. Weitere Gedanken
%. ErgrUndung o. Zeitproblems: ib. S. 495/8. — 122) id., Tendenz in d. Poesie. Schluss-Benierkk. z. ErgrUndung e. Zeit-
problenig: ib. S. 51(>-21. — 123) Silvester Frey, Nur — fUr Natur! (Poet. Auftassungsarten d. Natur): FrUnkKur. N. 422.
— 124) W. B öl sehe, E. neue Aesthetik d. Natur: Gegonw. 39, S. 150/2. (Vgl. Kw. 5, S. 84.) - 125) X A. Biese, D. Natur-
schöno im Spiegel d. Poosicrals Gegenstand d. deutschen Unterrichts: ZDU. 6, S. 173-93. — 126) X id., D. Naturlyrik Lud-
wig UhUndB u Eduard MOrikes: ib. 822—39. — 127) W. Jordan , Dantes Kunstgeheimnis. = Episteln u Vortrr. S 157—243.
(S. 0. N. 24.) — 128) K. Maass, Ueber Metapher u. Allegorie im dcutsclion Sprichwort. E. Gang v. Bogriffsbild z.
47 TL M. Werner, Poetik und ihre GeKßhinhfe. 13: I2ü-I30».
nyiiiie „vertauscht logisch zusammenliänf^endc, vorwiiiuhe Jic^riti'e deHselbeu Gebietes
mit einander, so dass die Saclic nicht ganz verscliwindet, also aucli ihre eigentliche
Bedeutung nicht verliert"; die Synekdoche „vertauscht auf dem Umfangsverhiiltnis
fussend logisch zusammengehörige Begriffe desselben Gebietes mit einander, so dass die
Sache stets in dem Bilde nocli mitverstanden wird". — Einen anderen Standpunkt
nimmt J. Schiepek^-") bei seiner Betrachtung der plattdeutschen Spnchwörter von
Göttingen und Grubenhagen ein; er konstatiert- nur dort Bildlichkeit, wo dies durch die
Anwendung unzweifelliaft wird, und macht dann interessante statistische Beobachtungen
über die Häufigkeit der bildlichen Ausdrücke. Er verfolgt zwar nicht die Zwecke der
Poetik, liefert ihr aber trotzdem branchbares Material, weil er nicht die Stotfwahl, sondern
die Pormwahl berücksichtigt. Freilich darf nicht vergessen werden, dass dergleichen
Sammlungen nur Vorarbeiten sind, aber sie müssen unbedingt vorhergehen, ehe
Resultate selbst auf kleineren Gebieten zu erzielen sind, und darum ist die Zusammen-
stellung dankenswert. — Ueber den poetischen Stil im gegenwärtigen Deutschland sagt
Bjltz !•'"), er weise auf Verfall und Niedergang hin. Die Schuld sieht er in unserer
Gabe der „Anempfindung" sowohl den fremden Litteraturen, als der eigenen älteren
Litteratur gegenüber. Den Phich dieses Einflusses zeigt er an Wagners Nibelungen-
trilogie. Als Wendepunkt des Stils betrachtet B. das Revolutionsjahr 1848, deini
während der damit begiimcnden Epoche historischer Dichtung sei der Wahn aufge-
kommen, die Personen in einer ihrer Zeitperiode angemessenen Sprache reden zu lassen.
Das schlage der Theorie jeder wahren Dichtung ins Gesicht. Der Dichter soll seinen
Personen die Sprache der Gegenwart, freilich in künstlerischer Veredlung in den Mund
legen. Als Gegensatz dazu kam dann das naturalistische Extrem der Sprache, und so
entstand jener Wechsel von pathetischer und realistischer Redeweise, wie sie die meisten
lyrischen und epischen Dichtungen der Gegenwart durchzieht: Beispiel Wilden-
bruclis „Quitzows". —
Dem Humor hat der betriebsame Biese ^^Oa) ein . eigenes Heft gewidmet.
Er hält den Humor nicht für einen ästhetischen Begriff, sondern für Lebensstimmung,
Weltanschauung, ja höchste Weltweisheit. Und nun werden Bilder für den Humor an-
geführt, um endlicli zu der „Definition" zu gelangen, er sei ,.köstlichste Blüte des Ge-
müts oder direkt das Gemüt". B. bezeichnet es als Thorheit, den Romanen Humor
abzusprechen; aber erst die Germanen haben das Wort „zu edlerer, geistiger Bedeutung"
geprägt. Und so geht es weiter in leichten, seichten Wendungen. Hierauf erhalten
wir eine „Geschichte" des deutschen Humors, d. h. eine Liste der angeblichen deutschen
Hinnoristen, die aiisser Luther, Goethe, Erau Aja als Humoristen seit dem Ende des
18. Jh. anführt: J. H. Voss, Claudius, Hebel und sich dann sogleich den drei „grössten
Humoristen" Deutschlands: Jean Paul, Eritz Reuter und Heinrich Seidel zuwendet. Bei
dem älteren Dreigestini erfahren wir nicht viel über den Humor: bei Voss soll wohl
das Malen des Lebens im deutschen Pfarrhause „mit warmem Emjjfinden und treuherzigem,
wenn auch etwas hausbackenem Behagen" der Humor sein; da nun aber kaum das
Pfarrhaus den Humor beisteuert, sondern walu-scheinlich das warme Empfinden und
treuherzige Behagen — um von dem falschen Ausdruck „malen" ganz abzusehen — , so
begreift man nicht, warum nur Voss herausgegriffen wurde. Bei Claudius und Hebel
begegnet uns die ,, Naturbeseelung", die B. schon in mehrfacher Zubereitung serviert
l\at, in einer neuen Eigenschaft: sie ist der Humor. Man sieht, B. versteht es ausge-
zeichnet, „sein Thema" zu variieren. Jean Paul stellt uns den „sentimentalen, ge-
künstelten, grüblerischen" Humor, ja die ,, metaphysische Formlosigkeit und Ueber-
schwenglichkeit" dar, während der Humor bei Reuter und Seidel „naiv inid gesund
lind volkstüiiilich" ist. Li solchen Extremen bewegt sich B., um immer wieder mit
schillernden Phrasen zu enden, die uns nichts über das Wesen des Humors sagen.
Die „wichtigsten Merkmale des Jean Panischen Humors" sind „schrankenlose Subjek-
tivität, grüblerisches Zerfasern der eigenen Empfindungen, Mischung des Realen und
des Idealen in buntem Kontrast". Bei Reuter dagegen ist nicht „metaphysisches
Grübeln über den Kontrast des Endlichen und Unendlichen", sondern „sclilichte Daseins-
freude, reine, ungebrochene Sympathie mit den Menschen" die Grundlage der humoristi-
schen Weltanschauung. B. unteracheidet drei Elemente in Reuters humoristischer
Wirkung: den Dialekt, das Komische, das heiTliche Gemüt, und mit dem Gemüt ver-
einigt „den weltüberwandenden Humor". Indem nun aber B. die modernen Erzälilungen
durchnimmt, wobei man ihm genie folgt, wenn auch die vielen Superlative stören, ringt
er sich zur Ueberzeugung durch, der Grundzug des deutschen Humors sei „ein idyl-
Qednnkenbild. Prog. Wettin. Gymii. i\x Dresden. Leipiig, Fock. 4«. 23 S. M. 1,00. — 129) J. Sehiepek, Ueber d.
iniiemoteclin. Seite d, spriohwörtl. Ausdruckes. Progr. Stiiats-Obergymn. zu Saatz. 24 S. — 130) K. Bilti, Ueber d.
Rej^enw. poet. Stil in Deutschland. =: Neue Hoitrr. z. Gesch. d. deutschen Sprache n. Litt. S. 9—38 Iterlin, .'^targardt.
251 S. M. 4,00. — 130a) A. Biei<e, Fritz Beuter, H. Seidel u. d. Humor in d. neueren deutschon Dichtung. Nebst hielbst-
biographie v. H. Seidel. (= Deutsche Schriften f. Litt. u. Kunst. 1, 5.) Kiel n Leipzig. Lipsius & Tischer. 55 8. M. 1,00.
I 3: i30b-i33. R. M. Werner, Poetik und ilire Geschichte. 48
lischer"; nur freilich versucht er es auch jetzt nicht, das Charakteristische des Humors
gegenüber dem Komischen zu erfassen. Er bleibt so auf halbem Wege stecken. Der
Anhang bringt eine sclilichte Selbstbiogi'aphie Seidels, den B. für den bedeutendsten
Humoristen neben Reuter hält. Von einer wirklichen ästhetischen Erfassung des Humors
und des Humoristen ist bei B. keine Rede. Die Untersuchungen, welche Lipps der
, .Psychologie der Komik" widmete, scheinen dem Vf. unbekannt geblieben zu sein. —
Mehr von der kulturhistorischen _ Seite fasst G. Steinhausen i^ot) das Thema in einer
Aufsatzfolge auf \mä nimmt dabei das Wort Humor in der weiteren Bedeutung, die uns
z. B. geläufig ist in dem Ausdrucke „Hunioristische Vorträge". Aber dem eigentlichen
Kerne nähert er sich, wenn er als wesentliches Zeichen des Humors „Selbstverlachung"
darstellt. S. skizziert die verscliiedenen Seiten der volkstümlichen Komik des 15. und
IG. Jh. und giebt einige bezeichnende Proben, dann zeigt er den Verfall während des
17. Jh., die Hinwendung zur Rohheit einer-, zur Satire andrerseits, um endlich den
modernen, vornehmeren, philosophisch sentimentalen Humor des 18. Jh. zu streifen,
neben dem sich der volkstümliche nicht mehr so reich entfaltet. — Eine be-
sondere Form des Witzigen, das Läppische, charakterisiert mit Kant ein Aufsatz von
F. Robert i30c-d). _
Poetik der einzelnen Dichtungsgattungen. Lyrik. Eine zusammen-
fassende Betrachtung des deutschen Liedes durch Honegger^si) ergiebt wenig, sie
hält sich zu sehr ans Aeusserliche; das Wesen des Liedes wird mit schönen Phrasen ge-
schildert, nicht untersucht, die Stoffe werden nur im allgemeinen skizziert. Dann gliedert
H. die Gruppen: Naturlied, Liebeshed, geistliches Lied, politisches und soziales Lied,
humoristisches Lied, Spruch, lyrisch-epische Poesie. Den Schluss bilden die Formen,
woi-unter aber nur die metrischen verstanden werden. Löbner hat das Buch viel zu
günstig beurteilt, es ist ein seichtes Machwerk ohne Bedeutung. H. will diesem Bänd-
chen, das etwa die Jahre 1830 — 1850 „ästhetisch" umfasst, ein zweites „ästhetisch-
kritisches" über die Gegenwart folgen lassen. Hoffentlich gelingt es ilim dann, etwas
Förderndes zu schaffen; der vorliegende Teil hat so gut wie gar keinen Wert, besonders
die „Aesthetik" hat allen Grund, gegen einen Missbrauch ihres Namens, wie er bei H.
getrieben wird, sich mit aller Macht zu wehren. H. hat gar keinen Begriff von den
Aufgaben der Aesthetik, zeigt dabei auch weder Vertrautheit mit ihrer Litteratur, nocli
Sinn für Untersuchung. —
Zwei umfangreiche Monographien wurden der Ballade gewidmet. Mit erstaun-
licher Belesenheit hat Chevalier i32J {^^ seiner nur zur Hälfte vorliegenden Schrift eine
Uebersicht über die Begriffsbestimmungen der Ballade, wie über ihre Geschichte gegeben ;
er ergänzt so in willkommener Weise die Darstellungen Holzhausens und Sauers und
bereitet sich zugleich den Boden für seine weiteren Untersuchungen, die nun eine
Prüfung der vorhandenen Einteilungen und Begriffsbestimminigen auf ihre Giltigkeit und
eine neue Unterscheidung nach dem Inhalte verspricht. Die Arbeit darf niemand ausser
Acht lassen, der sich für dieses schwierige Grenzgebiet interessiert; schon die historischen
Sammlungen allein haben Wert, es ist niu" zu bedauern, dass ein Lihaltsverzeichnis und
ein Register fehlt. C. umfasst das ganze Gebiet, weil noch keine Einigkeit über die
Abgrenzung besteht. — Viel einseitiger fasst J. Goldschmidt i'^-^) sein Thema: ergreift
nur Eine Gi'uppe heraus und stellt ihren Begriff fest. Er kritisiert die Bestimmungen
Echtermeyers, Gottschalls, „des massgebendsten Aesthetikers unserer Zeit", und Grubes.
Er verwirft „die episch-lyrische oder lyrisch-epische Zwittergattung" und kommt zu
folgendem Resultate: „Die Ballade ist ein erzählendes Gedicht von ernstem Charakter
und massigem Umfang, das den Einfluss der überirdischen Welt auf die irdische ver-
anschaulicht". Indem nun G. die einzelnen Dichter durchnimmt, sucht er seine Begriffs-
bestimmung klarer zu machen, es wird aber niu' deutlich, dass er den Namen Ballade
eben ganz anders fasst, als wir alle bisher. So wird z. B. von Bürger nur „Der Kaiser
und der Abt" als eine wirkliche (komische) Ballade bezeichnet, wälu-end am ,, Wilden
Jäger" und ,,Leonore" mancherlei ausgesetzt ist. Man sieht, dass G. gar keinen Sinn
für die wirkliclien Unterschiede hat, besonders, wenn man nun die Reihe der Goetheschen
Balladen durchgemustert bekommt und plötzlich das neue Charakteristikum : Folgerichtig-
keit für die Ballade als kennzeichnend erhält. Wolil am auffallendsten ist aber die Be-
zeichnung der „ersten Walpurgisnacht" als Ballade. Bei Schiller wird dann „die Er-
klärung der Ballade durch die Einführung der Idee als übersinnlicher Macht erweitert",
und alle möglichen Gedichte sind nach G. Balladen, sogar der „Handschuh". Von Uhland,
um aus der Gruppe der Nachfolger nur ihn herauszugreifen, sind nach G. Balladen:
— 130b) G. steinhausen, Deutsili. Humor: MagdobZg». N. 33|7 (vgl. u. I 5:35). — 130c) F. Robert, Uobcr d. Lappische:
Nation». 9. S. 190/8. — I30d] X K. v. H einhar dstöttnor, D. Kaufmann in d. Dichtung. E. litt.-hist. Skizze: FZg.N. 233/4.
— 181) J. J. Honegger, ü. deutsche Lied d Neuzeit, s. Geist u. Wesen. Leipzig, Friedrich V, 299 S. M. 3,00. j[H. Löbner:
BLU. ij. 473;G]j — 132) L. Chevalier, Z Poetilc d. Ballade I. Prog.Staatsobergymn. zu Prag-Neu tadt. Ol S. — 133) J.
Qoldschmidt, D. deutsche Ballade. Progr. Talmud Tora. Höhere EUrgerschule. Hamburg, Nisscnsohu. 4". 44 S.
49 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: iS4-i42,
„Der bliudo König", „Vom treuen Walter", „Bortran de Born", „Die Rache", „Des
Sängers Fluch", „Harald", „Das Nothemd", „Der Graf von Greiers", „Das Glück von
Edonliall", alle anderen nicht. In der modernen Dichtung ist die Ballade verloren ge-
gangen, „es muss durchaus geleugnet werden", dass Theodor Fontane ein Balladen-
dichter sei. Chevalier sagt: „Einer der grössten Meister der Ballade ist sicher Th. Fon-
tane". G.s Heft ist geeignet, die auf unserem Gebiete bereits herrschende Konfusion
noch zu vergroasern, es zeigt weder feines Gefühl noch sichere Grundanschauungeii
und kann daher nicht empfohlen werden. — Mehr historisch beschäftigt sich die fjin-
leituTig von Buehheims '3^) schöner Sammlung mit der Ballade und Romanze, doch
kommt er auch auf das Wesen zu sprechen; B. zeigt sich als liebevoller Betrachter der
deutschen Dichtung, wie in seiner früher erschienenen Sammhnig deutscher Lyrik. '■^) —
Eine ganz flüchtige Skizze widmete ein Anonymus den Gedichten über das Meer'^),
erst durch Heine sei diese Gattung wirklich eingeführt worden. Merkwürdig schief ist
die Auffassung von Goethes „Meeresstille" xnid „Glückliche Fahrt". —
Es ist begreiflich, dass ein so fruchtbares Gebiet, wie der deutsche Roman,
Gegenstand der Forschung geworden ist^^^), man kann aber nicht behaupten, dass die
ästhetische Auffassung seines Wesens irgendwie gesichert sei. '38) Hier hat jedenfalls
die Untersucliung einzusetzen 1^9)^ clie wahrscheinlich nur durch die Unmasse von zu
bewältigendem Lesestoffe bisher diesem Gebiete fernblieb. L. Gregorovius *^) hat
mit unzureichender Bildung den historischen Roman herausgegriffen, um ihn als ver-
werflich, ja schädigend und verrohend zu erweisen. Er verlangt vom Roman grössere
Treue als von den „höheren Dichtungsgattungen", also z. B. von der Tragödie, und
zeigt an Frey tag, dass historische Treue niclit möglich sei; aber einerseits hält er sich
an Kleinigkeiten, die nicht stören, andererseits feldt es ihm bei aller Detailkenntnis doch
an wirklicher Vertrautheit mit den historischen Zuständen. Ihm mangelt die Fähigkeit,
die richtige Form der Fragestellung zu finden, und die Gabe, seine Behauptungen in
ihren Konsequenzen durchzudenken, ehe er sie veröffentlicht. Wenn er von der histori-
schen Dichtung sagt, nicht die Darstellung historischer Personen oder thatsächlich
erfolgter Vorgänge mache sie zu einer historischen, sondern die Darstellung einer
historischeu Idee, so steckt darin ein Körnchen Wahrheit ; aber sofort müsste nun ge-
zeigt werden, worin der Unterschied zwischen der Geschichtsschreibung und der
historischen Dichtung bestehe. Und dies umsomehr, weil nach G. der Roman gar nicht
einmal Dichtung ist, sondern — ein Kunstwerk, so nennen wir aber auch gewisse
glänzende Muster der Historiographie, z. B. die Geschichte der Stadt Rom seines
berühmten Namensvetters. G. wendet sich speziell bei Freytags „Ahnen" gegen die Ver-
erbungstheorie und rechnet aus, dass Victor König nur der 35„ 184. 372, 088 832 ste Teil
Ingos sei, was ich auf seine Richtigkeit nicht geprüft habe, weil ich eine bessere Zeit-
verwertung kenne. Die Schrift wurde von der Kritik mit seltener Uebereinstimmung
zurückgewiesen, wie sie es verdient. — Einzelnes über den naturalistischen Roman ^nrd
in anderem Zusammenhange zu besprechen sein. '*i) —
Unter allen Schriften über das Drama ragt die ruhige Darstellung von
Lippsi*2) hervor, die, eigentlich durch Polemik hervorgerufen, es verstanden hat, in
saclilicher Weise neue Resultate festzustellen. Sie will „diejenigen Betrachtungsweisen
der Tragödie kennzeichnen und abweisen, die statt aus der Tragödie den Sinn der
Tragödie herauszulesen, vielmehr ihre Weltanschauungen in sie liineintragen oder durch
einseitige psychologische Theorien ihren Inhalt verkümmern", sie will positiv „den Sinn
der Tragik und Ti-agödie feststellen, ohne sich dabei von etwas Anderem als der Sache
beraten zu lassen". L. wird von der Ueberzeugung geleitet, „das darstellende Kunst-
werk wolle durch das wirken, was es darstellt: durch die Gestalten, die es uns vor-
führt, und das, was diese Gestalten innerhalb des Kunstwerkes — nicht irgend jemand
sonst, am wenigstens wir selbst, ausserhalb desselben, — sind und denken, thun und
erläutern". Er ist durchdrungen von dem Gedanken, das Auszeichnende des Genusses
am dai-stellenden Kunstwerke sei eben, „dass das Schöne in ihm zur Geltung kommt
und wirkt, wie es an sich ist, genossen wird in dem Werte, den es an sich hat, nur
verflochten in die Beziehungen, in die es im Kunstwerke verflochten erscheint". Eine
— 134) C. A. Rucliheim. liiilhden n. Boinanien. Selected and arranged with notes and literary introduction London.
Maemillan and Co. XXXVI, 318 S. — 135) O X Rud. Eckart. D. didaktische Poesie Ihr Wesen n. i hre Vertreter.
Hannover, Nörten. |[Przowodnik naukowy i literacki. 19, S. 95» f.; HambNacbrg. N. 37 ] j — 136) J. J., D. Meer u. d. Dichter:
HiimlCorr. N. 545. — 137) X />■ (Tli. Zolling), Z. Gesch. d. deutschen Romans: Oegenw. 39. S. 183/5. — 138) Q X *'• W.
El.püng, D. dtsch. Roman. E. Mene-Tekel. Berlin, Trautvettor. 103 S. 1,20 M. i[K. B.: DDichtung 10. S. 32; A. Sehroeter:
ItLÜ.S. 579-80.]; — 139) XE Zola, D. auf d. Roman angewandte krit Formel (deuUch v.L. Berg): ML. 60, S. 819-21. (Taines
Methode d. Kritik ist d. Älethodo d. naturalistischen Romans) — MO) L. GregoroTJns, D. Verwendung hist Stoffe in d-
cr/.nlilonden Litt. Mllnchen.nuehhoIzA. Werner. 71 S. M. 1,20 ; [A. Hermann: BLU. S. 500/1; K. B.: DDiihtung 10, S. 79; B. U.
Werner: DLZ. 13, S. 1113 4.] j 141) X D- Roman d. Zukunft: Kw. 5, S. 52. — 142) Th. Lipps. D. Streit Ober d. TragOdi<».
(= Beitrr. z. Aesthetik her v. Th. Lipps u. K. M. Werner. N. 2.) Hamburg, Voss. VI, 79 S. M. 1.50 , [Kummer: BLU.
S.363f.; Jeep: Nation«- 8, S. 520; HambCorr. N. 343 ; K. Werner: AZgB.N.209; Lipps: PhiJosMh. 27. S. 567,9; T h. Ziegler:
Jahresl>erlchle fUr neuere deutsche Liltoraturgcschichto II iil. 4
I 3: 143-144. R M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 50
Vermengung mit fremden Interessen ist wie die Vermengung von Traum und Wirklicli-
keit. So lehnt L. die pessimistische wie die optimistische Auffassung der Tragödie ab,
den Tod des Helden als Resignation wie den Tod des Helden als „poetische Gerechtig-
keit", er führt mit schlagenden Beispielen die einzelnen Ansichten ad absurdum, die er
nicht für eine Klärung, sondern für eine Verwirrung in den theoretischen Auseinander-
setzungen ansieht, und gewinnt so freie Bahn, aber auch scharfes Erfassen der einzelnen
Theorien von Schuld und Sühne. L. ist auch mit Valentins Theorien von der dvirch
„vorübergehende Schmerzempfindung" (1890 I 3 : 111) hervorgerufenen Freude nicht ein-
verstanden, weil nicht das Aufhören des Leidens, sondern das vorhandene und von uns
mitempfundene Leiden in der Tragödie, wie bei jeder Tragik, der Grund unseres Genusses
ist. Dieses mitempfundene Leiden führt zum Mitleid; darin erkennt aber L. das Gefühl,
„in dem sich mit dem Weh, das die Wahrnehmung des Schmerzes bereitet, das erhöhte
Bewusstsein des Wertes verbindet, den das geschädigte Leben besitzt". Er unterscheidet
nun zwei verschiedene Arten des Leidens, indem er Antigene und Romeo kontrastiert, luid
erkennt darnach zwei verschiedene Arten der Tragödie: „in der einen folgt das Leiden
aus der Verwirklichung eines wertvollen und erhabenen Wollens, in der anderen besteht
es in der Vereitlung eines solchen Wollens". „Bei Antigone behauptet sich das
Schöne und Gute trotz des Leidens und im Leiden; bei Romeo erweist es sich erst im
Leiden". Nun nimmt L. noch den Macbeth hinzu und zeigt, dass in ihm „erst im
Leiden die Macht des Guten zur Wirksamkeit kommt". So stehen sich in Antigone und
Romeo einer-, in Macbeth andererseits zwei Formen der Tragik gegenüber: in jener be-
hauptet oder erweist sich das Gute in der Persönlichkeit gegen das Uebel, in dieser
bethätigt sich die Macht des Guten gegenüber dem Bösen. L. glaubt durch die Namen
Schicksalstragödie und Charaktertragödie die beiden Gattungen am besten unterscheiden
zu können, ohne dadurch aber nun scharf geschiedene Gegensätze bezeichnet zu haben,
denn in Gretche-O- sind beide vereinigt, und es kommt nicht blos auf den „Helden",
sondern auch auf den Gegenspieler an. In der Tragödie findet er dann subjektive, im
ernsten Schauspiel auch objektive Versöhnung. Klar handelt er über die poetische
Motivierung und über den Untergang des Helden, durch den jedes Mal anders der Kon-
flikt beendet, abgeschnitten wird, wobei sich aber der Blick öffnet für das Ganze der
Persönlichkeit, so dass sich eine subjektive, d. h. in unserer Betrachtung reinigende
Wirkung einstellt. Zweck der Tragödie ist eben, „uns die Macht des Guten in einer
Persönlichkeit geniessen zu lassen, wie sie im Leiden zu Tage tritt und gegen Uebel
und Böses sich bethätigt, uns von dem Werte dieses Guten den denkbar tiefsten und
reinsten Eindruck zu geben, einen Eindruck, der nicht, wie so oft im Leben, getrübt ist
durch den Gedanken an uns selbst, an äusseren Erfolg, an Lohn und Strafe, der im
Gegensatz zu allem Haften am Einzelnen und an der Oberfläche des Geschehens und
Thuns dem Ganzen der Persönlichkeit und ihrem innersten Wesen gerecht wird. Die
Tragödie fordert dafür nichts, als dass wir uns ihr ganz hingeben und nichts Fremdes
einmischen, dass wir vor allem nicht in unseren Reflexionen und Theorien statt im
Kunstwerk unsere Befriedigung suchen". L. hat, und das stimmt mit der Absicht der
„Beiträge zur Aesthetik", insofern auch „normative Bestimmungen" gegeben, als mit den
von ihm widerlegten Theorien alle nur in Rücksicht auf diese Theorien geschaffenen
Dramen verworfen sind, ebenso wie alle Dramen, die nur in dieser Richtung noch ge-
schaffen würden. L. hat sich von der bisherigen Theorie soweit emanzipiert, als er sie
in den Dramen, deren tiefe Wirkung er kennt, nicht bewährt gefunden hat; er geht
nicht von Aristoteles aus, um zu^m Verständnis von seiner Definition der Tragödie zu
gelangen, sondern hält sich an die Tragödien und giebt so Induktion. — Anders
die Schrift von Thomai**^); sie wiederholt in hausbackener Weise allbekanntes, häuft
eins aufs andere und wirkt dadurch fast wie eine Parodie. Unglücklich ist das Bild,
das T. für das Drama braucht: eine Bergbesteigung mit obligatem Absturz unseres Be-
gleiters (des Helden), unseres anderen Ich, um das wir dann Thränen der Wehmut
weinen, während wir doch Gott danken, dass nicht auch uns der Schwindel ergriff und
uns ins Unglück hinabriss. Man könnte die landläufigen Theorien kaum besser paro-
dieren. Die Einteilung der Dramen trifft T. nach dem Verhältnis der Strafe zur Schuld,
ob sie grösser, kleiner oder entsprechend ist, und darnach spi-icht er sein Urteil über
die einzelnen Dramen. Die Arbeit ist unreif und unbedeutend. Kummer hat in seiner
Besprechung hübsch Freytags „Technik des Dramas" gewürdigt, was wieder nötig zu
sein sclieint. — Hat Lipps mit Hettner Schicksals- und Charaktertragödie unterschieden,
so sucht nun A. Dres dner^*'*) neben jenen beiden Typen ein drittes, das moderne
Drama. Von der Charaktertragödie wird es ausgehen, ohne jedoch eine Erneuerung
(\eT Shakespeareschen Charaktertragödie zu bringen. D. findet den schärfsten Unterschied
DLZ. 12, S. 1893/4.]| — 143) A. Thoma, D. Drama. E. gemeinverständl. üarstellung s. Wesens u. Baues. Gotha, Thiene-
mann. 45 S. M. 0,80. |[A. v. Weilen: ZOG. 42, S. 1003 f. (ganz ablehnend); F. Kummer: BLU. S. 862/3.] j - 144) A. Dresd-
51 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I i: lis-iso.
der Shakespeareschell und der modernen Welt darin, dass jetzt die „Gesellschaft" als
oliarakterbildende und sohicksnlbestimmende Macht in die Litteratur eingetreten ist; zwar
hat sie immer ilu-en Einfiuss ausgeübt, aber erst in der neueren Zeit ist dieser Einfluss
so stark in iinser Bewusstsein getreten, dass wir die menschlichen Dinge nur noch unter
seiner Beleuchtung zu sehen vennögen. Auch in der Wissenschaft diese Bewegung:
es löste sich von der alten Staatswissenschaft die Gesellschaftswissenschaft ab. Die
Gesellschaft, die sociale Organisation tritt in den Vordergrund, das drückt natürlich die
Bedeutung des Individuums herab. Dem Drama wuchst in der Gewalt der Gesellschaft
etwas zu, was an das Schicksal des „antiken" Dramas erinnert. Ja, D. sieht in den
modernen Dramen sogar eine Annäherung an den antiken Bau, da wir in einer grossen
Zahl dieser Stücke „thatsächlich eine Art von Chor, zum wenigsten einen Choragen
ohne Choreuten hätten". Das äusserste Ziel dieser Richtung sei geradezu der Gegen-
pol des , 'Shakespeare-Dramas": die Gesellschaftstragödie als die ins Moderne übersetzte
antike Schicksalstragödie. Neben dieser Richtung können wir aber eine andere bemerken,
die nun das Verhältnis des von der Gesellschaft gebildeten Charakters zu dieser selben
Gesellschaft zeigt, also wieder der Charaktertragödie sich nähert; diese beiden Richtungen
zu verehiigen ist die Aiifgabe der Zukunft. — Auch Dehlen^'^-i**) betrachtet die
Tlieorie der Tragödie vom Standpunkt der neuen Zeit; er geht durchaus von Aristoteles
aus, sucht aber die alten Begriffe der Poetik neu zu deuten. Zur Erklärung von Furcht
und Mitleid werden die einschlägigen Stellen herbeigezogen, das Resultat ist: wir
sollen eine doppelte Stellung einnehmen, eine entferntere, in der wir Mitleid, eine
nähere, in der wir Furcht empfinden. Indem war uns einerseits als Zuschauer fühlen,
andererseits in den Helden versetzen, empfinden wir Furcht und Mitleid. Der Dichter
muss also zu Personen"der Tragödie Wesen nehmen, die Leiden unterworfen sind, die
der Zuschavier auch für sich selbst oder einen der Seinen möglich sich denken kann,
und muss von den verscliiedeneu Möglichkeiten von Wesen eine Individualität heraus-
arbeiten, die wir lieb gewinnen müssen, wie einen unserer Nächsten, für die wir empfinden,
wie für uns selbst. — Hamartia ist der durch unverschuldete Fehlerhaftigkeit bewirkte
Felller des Helden. Für die moderne Zeit bewirkt das ein der Weltanschauung des
Zuschauers entsprechendes Schicksal. Dieses moderne Schicksal sind „die Faktoren der
Bildung". Nicht Menschen mit unseren Anschauungen, sondern Menschen nach unserer
Anschauung verlangt das moderne Schicksal. Für die moderne Tragödie ist nicht der
moderne Stoff, sondern das moderne Schicksal charakteristisch. — Auch die Katharsis
muss modern werden. In der Tragödie werden Leidenschaften und deren Reinigung
vorgeführt, und durch Mitempfinden und Miterleben bewirkt die Tragödie die Reinigung
von solchen — durch Identifikation erweckten — Leidenschaften beim Zuschauer.
Setzen wir nun überall die neuen Werte D.s. Die Tragödie stellt das Leben dar, also
den Kampf ums Dasein. Der Held fülirt den Kampf, die Faktoren der Bildung sind
das moderne Schicksal, unter dessen Einfluss der moderne Held steht; daraus entspringt
die Hamartia, die ihm Leiden schafft, Niederlagen im Kampf ums Dasein bereitet. Das
Ziel des Kampfes aber ist die Vervollkommnung; der Held wird durch die Faktoren
der Bildung gehindert, dieses Ziel zu eiTeichen, muss also diese Faktoren zu überwinden
suchen; das gescliieht, wenn er durch die Krafl des Anpassungsvermögens die schäd-
lichen Einflüsse paralysiert. Dann hat also die modenie Katharsis in der Vervollkomm-
nung zu bestehen. Der Aufsatz scheint ernst gemeint zu sein. — P. Richter'*^) sieht
in der „})oetischen Gerechtigkeit" eine der möglichen Kompensationen für den allzu
heftigen Eindruck, den ohne sie das Tragische sonst auf uns ausüben würde; er streifl
auch noch andere Kompensationen. Aber der Wert seiner Arbeit, soweit sie bisher vor-
liegt, besteht mehr im negativen Teil, in der ruhigen, jedoch scharfen Verurteilung der
von Günther vorgetragenen Ansicht über das Tragische als eine durch die Sittlichkeit
geforderte Lebensverneinung im Konflikt mit einer an sich vollberechtigten Lebens-
bejahung; Wert, hat ferner der Nachweis, dass Günther Unrecht daran that, seine Theorie
gerade in den Tragödien des Aischylos verwirklicht zu sehen. Diese Darlegung hat aber
R. noch nicht vollendet, da bisher nur „Die Sieben gegen Theben" und „Der gefesselte
Prometheus" besprochen wm-den. Die Fortsetzung der Arbeit wird jedesfalls auch auf
Lipps eingehen, dessen Heft R. nur mehr bei der Korrektur benutzen konnte. -—
RosikatiöO) sucht die antike Tragödie gegen die Bezeichnung als Schicksalsti-agödie
zu verteidigen. Er weist nach, dass der Unterschied zwischen antiker Schicksals- luid
moderner Charaktertragödie zuerst von Lenz in seinen „Anmerkungen" behauptet -«-urde,
während sich bei Lessing nur ein Ansatz dazu, bei Herder aber das gerade Gegenteil
ner. D. dritte Drama: Kw. 4, S. 289— 91. — 145) A. Dehlen, Mitleid n. Furoht: ML. 60, S. 248/». (N. 145/8 «hren d.
Siimmeltitel „Neue Werte lllr alte Worte. 1—4".) — 146) id., D. tragische Schuld: ib. S. 361/3. — 147) id., D. Schioksal: ib.
S. 582/4. — 148) id., Katharsis: S. 807/8. — 149) P. Richter, D. Tragödien d. Aeschylus nach Inhalt u. Wirkung beleuchtet
Zugl. e. Wort d. Kritik Über d. Werk>. Q. QUnther: GnindxUgo d. trag. Kunst. 1. Teil. Progr. d. slJldt. JohanuMgymn. in
Breslau. 40.~39 S. - ISO) A. Rosikat, üeber d. Wesen d. Schicksalatrag. I. Teil. PrOgr. d sttdt B«alg7Bn. in
4»
I 3: 151-156. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 52
findet. Den Namen „Schicksalstragödie" braucht übrigens auch Lenz noch nicht, R. ver-
mutet, dieser Name sei erst im 19. Jh. aufgekommen. Um dann aber für seine Unter-
suchung festen Boden zu gewinnen, hebt R. die „allgemein zugestandenen Merkmale"
des Tragischen und der Tragödie hervor; solche sind nach ihm: 1) das Tragische ist
traurig, leidvoll, 2) es stellt sich dar als Kontrast zwischen Erstrebtem und Erreichtem,
3) es tritt in Erscheinung als Folge des Thuns und Lassens der handelnden Person.
Das „generelle Gepräge" der Tragödie ist das Schicksalsvolle der Handlung; ihr „Gegen-
stand" ist ein grosses Leiden: der Held stösst in seinem Streben und Handeln auf feind-
liche Mächte, seine Kraft bricht, und nach heissem Ringen unterliegt er. R. kommt zu
Aristoteles' Furcht und Mitleid und erblickt in ihnen mit Hermann Baumgart die
„specifischen Schicksalsempfindungen". Es giebt eine höhere Macht als die unsere;
„dass dieses unserer Empfindung auf das eindringlichste kund wird, ist eine von den
Wirkungen der Tragödie, der eigentlichen Schicksalsfabel". R.s Auseinandersetzungen
sind rein theoretisch, obwohl er auf einzelne Dramen gelegentlich eingeht; die Fort-
setzung wird zeigen müssen, wie weit es ihm gelingt, die Tragödien unter seinen einheit-
lichen Begriff zu bringen. —
Nicht zu rühmen ist das Heft Bettingens^^^), das zwar hauptsächlich das
komische Drama, im Gegensatze dazu aber auch die Tragödie behandelt. Wesen und
Wirkung des komischen Dramas besteht nach B. darin, „durch Darstellung von Ver-
hältnissen und Charakteren, die von der im Dichter und Publikum lebenden Norm
so abweichen, dass sie in ihnen ein Gefühl der Ueberlegenlieit hervorbringen, im
Publikum heitere Daseinsfreude und Lust bis zum höchsten Grade zu erwecken". Er
nimmt ohne den Sinn für zusammenfassende Prinzipien ordnungslos komische Figuren und
komischeVerhältnisse durch, neben Aristophanes erscheintbesondersKotzebuealsZeuge. Von
einer wirklichen Erfassung des Problems, ja von einer richtigen Fragestellung ist nicht die
Rede. B. hält allerdings den Weg der Induktion für den richtigen, er schlägt ihn aber
nicht ein. — Ein Anonymusi52) unterscheidet im Lustspiel zwei Richtungen oder Ent-
wicklungsreihen: an der Spitze der einen, die das realistische Lustspiel bedeutet, stehen
Werke wie „Minna von Barnhelm" oder „Die Journalisten", sie erfüllen, was ihre Kunst-
form erheischt: Leben der Wirklichkeit vorzutäuschen; tief unten stehen die Modelust-
spiele, die an unsere Phantasie die nämlichen Anforderungen stellen, ohne das Ent-
sprechende zu bieten. Die zweite Reihe dagegen verzichtet von vornherein auf die
Täuschung, dass uns Ereignisse des wirklichen Lebens vorgeführt werden (phantastisches
Lustspiel), oder empfindet das Wirklichkeitsmässige als unwahrscheinliche Störung der
Einheit (idealistisches Lustspiel). Jenes realistische Lustspiel und dieses (der Vf. nennt
es der Kürze halber Posse) sind künstlerisch ebenbürtig. Von der zweiten Gattung, zu
der Aristophanes gehört, möchte sich der Vf., selbstverständlich bei einer Aenderung
im Sinne der neuen Zeit, eine Zeitsatire versprechen, die im realistischen Lustspiel schwer
denkbar ist. —
Im Gegensatze zu Johannes Lepsius weist Stommel i^^-^"*) nach, dass man das
Drama nicht aus dem Wesen der Schauspielkunst unter Berücksichtigung der Bühnen-
kunst, sondern aus der Poesie ableiten müsse. Die drei Dichtungsgattungen scheiden
sich S. so, dass er sagen kann: „der Lyriker hat Empfindungen, der Epiker sieht
Bilder, der Dramatiker schaut Gestalten und hört sie reden". Das Wiesen des Drama-
tischen ist „die aus dem Charakter entspringende Handlung", das Wesen des Epischen
„der aus der Fülle der Begebenheiten verständlich gemachte Charakter". Er betrachtet
die Anstrengung vom Auge und Ohr beim Drama und meint: beide Sinne müssten in
harmonischer Verbindung arbeiten; aber nicht etwa so, dass damit nun alles geleistet
sei. „Für die Sinne ist die Darstellung auf der Bühne Wirklichkeit, für das Bewusst-
sein ist sie Illusion ; das eigentliche Kunstwerk aber ist die Vision, welche in der Phan-
tasie bleibt, unausspreclilich und undarstellbar." Also nicht das, was den Sinnen von
der Bühne geboten wird, nicht das Wirkliche, sondern zugleich das, was dadurch ange-
deutet wird, ruft die Wirkung des Dramas hervor. Von diesem Standpunkt aus betrachtet
S. einzelne Grundfragen und einzelne Dramen. — Den Unterschied von antiker und
moderner Tragödie sucht Stommel l^ö^ aus dem Unterschied der Religionsanschauungen
abzuleiten. Der Konflikt mit dem „Scliicksal" muss in beiden anders auftreten, weil
die Antike „den geheimnisvollen Zusammenhang", welcher in der Schuld zwischen
Sünde und Schicksal besteht, nur ahnte, ohne ihn zu begi'eifen, während das Christentum
neben der äusseren, objektiven Verkettung der Umstände einen subjektiven Widersti'eit
in der Brust des Helden sich erheben und von ihm in Freiheit entscheiden lässt. Daraus
folgt, dass in der modernen Tragödie der Charakter, nicht das Schicksal, „in den Vorder-
KOnigsberg i. Pr. 4". 26 8. — 151) F. Bettingen, Wesen u. Entwicklung d. komischon Dramas. Berlin, Weidmann.
99 S. M. 2,00. — 152) Lust.-i.iel u. Posse: Kw, 4, S. 193/0. — I53/4-) K. Stommel, Ueber d. Wesen d. dramat. Kunst.
= Aus d. Geistesleben. S. 240-G2. (S. N. 86.) — 156) id., Antike u. christl. Tragik: ib. S. 41/8. — 156) id.. Unsere dramat.
53 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. l :\: 1.7174.
grund tritt" und beide sich „aus ihrer gegenseitigen Durchdringung auch gegenseitig
erklären und verständlich machen", während in der antiken Tragödie „diese beiden
hauptsächlichen Faktoren der tragischen Kunst unvorhältnismässig un<i unvermittelt
neben einander herlaufen". Einen zweiton Differenzpunkt bildet die Auffassung des
Todes, einen dritten die Unsterblichkeit der Seele. Die pessimistischen Folgerungen,
die S. daraus zieht, sind wenig überzeugend und die Vermischung oder Identitizierung
von tragisch und Tragödie wirkt verwirrend. — Für die moderne Produktion
verwirft Stommeli''*) den Anschluss an die Antike und fordert nationale Stoffe
der Gegenwart. — W. Jordan 1^'') sieht die Unmöglichkeit einer modernen Tragödie
in der Uiunöglichkeit, einen Menschen als Helden hinzustellen, und iti unserer
Abneigung gegen Greuel, welche die Griechen, selbst Sophokles, und Shakespeare
mit einer gewissen Vorliebe gaben. Die Zukunft verheisst J. dem „Schauspiel",
insofern es den Sieg des Menschen über das „Schicksal" darstellt. Aber J. hat
das Problem kaum richtig erkannt, gewiss aber falsch gelöst; das zeigt sein Verhalten
gegent\ber einem „modernen Schauspiel" wie Ibsens „Sttitzen der Gesellschaft", er be-
kämpft es, obwohl es seiner fr(\her ausgesprochenen Ansicht entsprechen sollte. Nicht
den Ausgang des Stückes, sondern die Wahl des singulären Falles, das hat er verwerfen
wollen, wie sich aus seiner Stellungnahme zum jüngsten Geschlecht der Dramatiker
ergiebt, aber man vermisst die Klarheit einer wirklichen Erkenntnis. '^8) — j,^ einem
andern Aufsatze führt W. Jordan i^^) mit ein paar hül)schen Gleichnissen den Gedanken
aus, dass auf der Bühne „alle unmittelbare Natürlichkeit ewig verpönt bleibt", dass der
Schein, nicht die Wirklichkeit gegeben werden müsse. J. berücksichtigt dabei melu*
die Schauspielkunst als das Drama, aber mit Behauptungen wird nichts bewiesen. '**-•«•) —
Wie weit man in Amerika von der Ansicht entfernt ist, dass auf der Bühne nur der
Schein der Wirklichkeit gegeben werden solle, das erfahren wir aus dem Feuilleton
eines Anonymus ^^^); er führt einige Stücke an, welche die Wirkliclikeit in aller Gräss-
lichkeit auf die Bühne New-Yorks brachten. Man glaubt Berichte über Stücke des
17. Jh. zu lesen, nur natttrlicli mit Steigerung des Raffinements: was ist das harmlose
Ochseublut, das damals auf der Bühne vergossen wurde, gegen die haarscharf geschliffene,
wirklich diu-ch Dampf getriebene Kreissäge in dem Schauspiele Blue Jeans, welcher
langsam dem Körper eines wirklichen Darstellers näher rückt, um erst in einer Entfer-
nung von einem Zoll seiner Angstlage entrissen zu werden. Das ist freilich Entartung,
giebt aber doch zu denken. Durch so konsequente Uebertreibung wird die Meiningerei
wohl am besten in ihrer Haltlosigkeit dargestellt. i63-i<>4) — Die Gegenbewegung in
Deutschland ging bekanntlich von München aus, wo der Versuch gemacht "wnu-de, zur
Shakespearebühne zm-ückzukehren. Dieses Streben fand allseitige Beachtung und Er-
wägiing 165-168^ — DJQ Schrecken und Gefahren einer ersten Aufführung schildert, in einem
launigen Dialog Spiel hagen i*»^). — Aus praktischer Bühnenkenntnis heraus hat
Wehl i'^O) im Anschluss an einzelne Dramen und einzelne Autführungen die Resultate
seiner Erfahrung mitgeteilt. Kilian that Recht daran, sie dem Nachlasse des Dramaturgeii
zu entnehmen. Die Aufsätze bringen einzelne Winke über die Bühneneinrichtung klassischer
Stücke oder über die Auffassung einzelner Rollen, sei es, indem ilu-e Darstellung durch
anerkannte Künstler analysiert oder verglichen wird, sei es, indem W. seine eigenen
Ansichten als Dramatiu-g entwickelt. Immer verrät sich seine intime Vertrautheit
mit Bühne wie Litteratur, immer spricht zu uns der feine Sinn eines verständigen, ge-
schmackvollen Bühnenleiters auch dort, wo man seinen Ausfülirungen nicht zuzustimmen
vermag. I7i-172) —
Die Veränderung dramatischer Technik in neuer Zeit"') führt A. Kemp-
neri''*) auf zwei Prinzipien zurück; das eine hängt mit dem Realismus zusammen,
das andere nicht. Jenes siicht die Vorgänge auf der Bühne der Art des wirklichen Lebens
anzugleichen, darum wird vor allem der Monolog vermieden luid durch Pantomime ersetzt
Der Monolog wird nur gestattet, wo er im Leben auch vorkommt, also bei heftiger
Produktion: ib. S. 37—41. — 157) W. Jordan, D. Neige d. Tragödie. = Episteln u. Vortrtge. S. 62—75. (S. •. N. 24.1 —
158) O X Emil Wolff, D. Neige d. Tragödie: HambNachrS. N. 10. — 168) W. Jordan, An ©. berllbint« Srhanspielerin.
= Episteln n. Vortrr. S. 36—51. (S. o. N. 24.) — 160) O X L- Li er, Drama u. Publikum: Orenxb. II, S. 42ft— 83.
(Vgl. Kw. 4. S. 278—81, 293/4.) — 161) O X L- L[ier], Theaterkritik u. Publikum: ib. III, S. 2:H 6. — 162) ÄmerikaaiMlie
Buhnenrealistik. E. Federzeichnung t. jenseits d. grossen Wassers: StrassbPost N. 285. — 163) X G. Schwarikop f,
Wiener Thoaterbrief 1890/1: ML. 60, S. 376/8. (Vgl. Kw. 4, S. 325/6; handelt Ober d. Realismus auf d. BBhne.) — 164) X H.
Bahr, Z. Entwicklung d. modernen Schauspielkunst: ib. S. 151/3. — 165) W. Bormann, E. Wort i. MBnrhener Schaaspiel-
Reform: DBtthnenRs. I, S. 27/9. — 166) X L. Hartmann, D. MOnchener «Shakespeare-Bahne« : Kw. 4, S. 228. (Aas
DresdZg.) — 167) X E. Drach: ib. S. 228/9. — 168) L. Hartmann: ib. S. 229-31. — 169) F. Spielhagen, D.
„Premiere". = Aus meiner Studienmappe. S. 79—98. (S. o. N. 76.) — 170) Feodor Wehl, Dramaturg. Kansteine. Ge-
samm. Aufsatze. Aus d. Nachl. hir. v. E. Kilian. Oldenburg, Schulze, o. J. VII, 174 S. M. 2,40 i[ WaldmOll er: BLU.
S. 759 f.; Bulthanpt: WcserZg. N. 16183.]| — 171) X L. Hartmann, ,D. dumme Kerl. d. Dichter ....': Kw. 4, S. 97 9.
(Betont d. Recht d. Dichters, d. Aufführung zu leiten.) — 172) X H. Bnlthanpt. Dramaturgie d. Schauspiels. 2. Aufl.
(=: Dramaturgie d. Classiker 3. Bd.) Oldenburg, Schulze. XV, 396 S. M. 5,00. |[W1DM. 6», 8. 291; Grenzb. I, S. 45/6; Ad.
Voigt: Kw. 4. & 220/l.]| — 173) Q X H. A. Kennedy, The Drama of the moment: 19thCent S. 174.— 174) A. Kempner,
I 3: 175-180. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 54
Aufregung, die abgerissene Wörter hervorstösst, und bei Wahnsinn oder Trunkenheit.
Vermieden wird ferner aus dem gleichen Grunde das ä part-Sprechen der Personen,
endlich die direkte Charakteristik, auch die Selbstcharakteristik, wo sie nicht als Gegen-
satz zur indirekten Charakterisierung dient. Während K. in diesen Zügen Neuerungen
der modernen Technik sieht, hält er andere nur für konsequente Weiterbildungen früherer
dramatischer Gepflogenheit, so vor allem das Bestreben, die Vorgeschichte nur beiläufig
und andeutend, überdies nicht auf einmal, sondern auf weite Scenen verteilt, zu erwähnen:
hier soll Lessing der grosse Wegweiser sein; weiter das Streben, die sogenannten merk-
würdigen Zufälle zu vermeiden und deutlicheren „Einblick in die ursäcliliche Verknüpfung
der einzelnen Bestandteile der Handlung-' zu gewähren: auch das bringt K. in Verbin-
dung mit Lessings Satz, das Drama solle den „Durchschnitt des Lebens" darstellen.
Ein letztes ist die Sprache, bei der man nach dem Wesen der redenden Gestalten und
der vorgeführten Situationen strenge differenziert; damit fällt die pathetische und die
geistreiche Rede fort, wo sie nicht der Charakteristik dient. Alle diese Mittel stehen
nach K. im Zusammenhange mit dem realistischen Streben; dagegen entdeckt er drei,
die „allein auf ästhetische Gründe zurückzuführen sind und zum Teil dem Realismus
ins Gesicht schlagen". Das erste, das sich noch sehr gut mit ihm verträgt, ist das Be-
mühen, innerhalb des Dramas den Kommentar zu vermeiden und das Publikum die
nötigen Schlüsse ziehen zu lassen; dies gilt für das ganze Drama, wie für einzelne
Scenen. Nicht mit dem Realismus zu vereinigen ist das Aneinanderreihen wesentlicher
Momente, damit verbunden die Scheu vor Episoden, dann die zeitliche Einheit. Hier
sieht K. die Entwicklungsfähigkeit des modernen Dramas. '''5) — Auch Brahm^''^) setzt
als Parteimann auseinander, dass „das moderne Theater naturalistisch sein werde
— oder gar nicht". Er geht davon aus, dass jede vorwärtsstrebende Litteratur revo-
lutionär, das Theater aber konservativ sei; er zeigt, welche Schwierigkeiten Schiller,
Goethe, Kleist, Grillparzer fanden, ehe sie auf dem Theater durchdrangen, und meint,
ebenso werde der Naturalismus siegen. Von Anzengruber wird eine Stelle über den
Realismus angeführt und dann dargestellt, wie notwendig die Wahrheit gegenüber der
Konvention sei. Er gedenkt der „Freien Bühne" und ihrer Erfolge: die Vorstellung
der „Gespenster" habe mehr für die Verbreitung Ibsens gethan als alle Aufsätze. Die
Verbindung von Theater und Naturalismus wünscht aber B. auch im Literesse des
Naturalismus, denn er werde in der Berührung mit der konservativsten aller Künste die
Extreme abthun, Mässigung lernen und gerechte Beschränkung. Er erwartet einen
Naturalisten der Zukunft, der wie Scliiller die Vorläufer überbietend den Naturalismus
auf der Bühne vollenden werde, ^'^''-i''^) — Wir sind damit schon beim Natura-
lismus angelangt, zu dem alle modernen Untersuchungen mehr oder weniger Stellung
nehmen. —
Der Naturalismus. Nur mit Zagen wagt man sich in das Gestrüpp, das in
vollster Ueppigkeit dieses Thema umwuchert. Man fühlt sich einem Proteus gegenüber,
der fortwährend die Gestalt wechselt und doch eigentlich keine Gestalt hat. Die Be-
trachtung wird noch dadurch erschwert, dass die meisten Auseinandersetzungen einzelnen
Fällen gelten und daraus Schlüsse ziehen. Jede neue Erscheinung der Litteratur ruft
eine neue Formulierung der Hauptsätze hervor, jede kleine Nuance führt zu einer neuen
Bezeichnung der ganzen Richtung. Wir befinden uns eben auf einem schwankenden
Boden, in einer ununterbrochenen „Umwertung der Werte", in einem Chaos, das nach
einem Gebilde strebt, ohne es bisher erreicht zu haben. Wohl bietet eine solche Periode
reichen Anlass zum Nachdenken, aber es ist fast unmöglich, in dem Wirrsal sich zurecht-
zufinden. Immer mehr befestigt sich die Ueberzeugung, das Ende des Naturalismus
sei herangekommen; wer sich nicht durch die stets erneuerte Versicherung überreden
lässt, der könnte fast drurch die Leidenschaftslosigkeit bekehrt werden, mit der man den
Naturalismus betrachtet. So gut das möglich ist, macht sich eine mehr historische, sogar
objektive AufPassung geltend; man streitet nicht mehr für und wider, man sucht viel-
mehr ruhig das Richtige vom Falschen zu scheiden. Am lautesten verkündet Bahr' ''^■i^o),
dass es mit dem Naturalismus zu Ende gehe, rund heraus sagt er : „Der Buchnaturalismus,
des Romans und der Novelle, gehört schon wieder der Geschichte. Sein Kampf, sein
Sieg, seine Ueberwindung liegen hinter uns." Das Neue sieht er in Frankreich werden,
,,die neue Psychologie, die neue Romantik, den neuen Idealismus", die Litteratur der
Nerven. Diese Litteratur der Zukunft — sie ist freilich nach B. schon zum Teil vor-
handen — wird nicht eine Rückkehr zum Klassizismus oder zur Romantik sein, obwohl
auch sie „den Ausdruck des Menschen" will, denn der Klassizismus sagte „Mensch" und
D. Technik d. modernen Dramas: VZg8. N. 27. — 175) X E. v. Jagow, D. Technik d. modernen Dramas: DBUhnenG. 20,
S. 265/7. — 176) 0. Brahm, D. Naturalismus u. d. Theater: WIDM. 70, S. 489—99. — 177/8) X !>• Zukunft d. deutschen
Dramas: AZg". N. 154. — 179) H. Bahr, D. Uehorwindung d. Naturalismus. Als zweite Reihe v. ,Z. Kritik d. Moderne".
Dresden u. Leipzig, l'iorson. VI, 323 S. M. 4,50. |[A. Hermann: BLU. S. 583; Gegenw. 40, S. 207.] | — 180) id., D.
i
55 R. M. "Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: i8i-i»4.
meinte „Vernunft und Gefühl", die Romantik meinte „Leidenschaft und Sinne", „die Mo-
derne" jedoch meint „Nerven". Ueberwunden wird also der Naturalismus „durch eine
nervöse Romantik, durch eine Mystik 181-182) (Jer Nerven". Das klingt alles recht schön,
weiui es nur auch wahr wäre, wenn sich nur der Vf. auch bei seinen „nervösen" Worten
etwas denken würde. Freilich giebt uns B. in dem Aufsatze ,,Die neue Psychologie"
zwei Beispiele für die neue Kunst im Verhältnis zur alten; ich glaube aber kaum, dass
damit etwas klarer wird, denn „Protokolle" von Nervenschwingungen müssen uns erst vor-
liegen, ehe wir ihre Möglichkeit zugeben; auch Bourget, an den B. natürlich in erster
Linie denkt, kann nicht anders vorgehen als die alte Kunst, auch er muss rückblickend
die einzelnen Momente zerlegen und analysieren. Eine Probe der nervösen Kunst liefert
uns B. selbst; das ist sein Stil, jenes unruhige, gesucht unstilisierte, möglichst ungramma-
tische Deutsch, das etwa einen Aufsatz anfängt: „Vom Bühnennaturalismus nämlich will
ich reden, nur von diesem", Sätze mit ,, Sondern", mit „Also" anhebt, die Präpositionen
gegen die Grammatik braucht usw. usw. Das ist alles Absicht, „Pose", wie man wohl
gesagt hat, denn B. selbst spricht sehr vernünftig „Vom Stile". Man fürchtet, dass
unsere Nerven die „Mystik der Nerven" nicht werden ertragen können. Nach der
Periode des „Waliren" käme nun eine des Raffinements, wenn B. die Zukunft vertritt.
Raffiniert ist seine Kunst, mit den Gegenständen zu spielen, sie so darzustellen, dass
man nichts von ihnen erfährt, nur vom schreibenden Autor; dass man gereizt wird, un<l
wenn man nun hofft, die Mahlzeit kommt, dann ist alles zu Ende. Die Lektüre des
Buches stellt hohe Anforderungen an die Geduld, denn der Vf. handelt meist über Fern-
liegendes, Unbekanntes, und thut so, als ob es jedem Leser bekannt, vertraut sein müsste.
Oder richtiger ausgedrückt, B. scheint überhaupt nicht an einen l^eser zu denken, sondern
nvu" die „Protokolle" seiner eigenen Nervenzustände sorgfaltig zu schreiben. Man wird
die bunte Sammlung von Feuilletons, die B. unter einem nicht tiberall zutreffenden
Titel zusammengebracht hat, für eine ungewöhnliche Erscheinung erklären, muss aber
sagen, dass sie trotzdem wenig positiv fördernd ist, vielleicht nur in den Augen des Bericht-
erstatters, der nun einmal an wissenschaftliche Arbeit gewöhnt ist und nicht viel von
den ,, gierigen Horchern nach den Trieben der gegenwärtigen und nach den Zeichen der
zukünftigen Kultur" hält, wenn sie es nicht verstehen, bei der Beobachtung ruhig und
kritisch zu bleiben, sich die Augen auszuwischen und zwischen Sonne und Lrlicht zu
unterscheiden. — Gerne wird man mit R. Steiner 183) übereinstimmen, der in einem
beachtenswerten Aufsatze Bahr „den bedeutendsten Kopf des jüngsten Deutschland
genaimt hat, wird aber auch zugeben, dass die Bahrsclien Paradoxen in gesundes Deutsch
übertragen, nichts anderes heissen als: „Die Kunstprodukte sollen nicht Kunstprodukte,
sondern Naturerzeugnisse sein", wenn sie nämlich unser Nervensystem genau ebenso
beeinflussen sollen wie die Wirklichkeit. Uebrigens vergass Bahr, das ein solches Ver-
langen zum konsequentesten Naturalismus fülu*en müsste. —
Li einer historischen Betrachtung hat Valentin ^^) ausgeftihrt, der Naturalis-
mus sei „die roheste Art der Kunstschöpfung", stehe immer am Beginne der Entwick-
lung als Keim oder am Schlüsse als Verfall. Das allgemeinste, überall giltige Merk-
mal der Kunst sei die Bildlichkeit der Kunstschöpfting, sie stelle etwas Fremdes dar
und gebe deutlich zu erkennen, dass sie die dargestellte Sache nicht sei. Der NaturaUs-
mus aber sei „die Richtung in der Kunst, die eine ihrem Wesen nach bildliche Dar-
stellung so gestaltet, dass diese für die Sache selbst gehalten werden soU". Das Ziel
des Naturalismus wäre somit Ersetzung der wirklichen Natur durch eine zweite schein-
bare, welche die Täuschung hervorbringt, als ob sie die wirkliche wäre. Dabei kann
entweder die Täuschung als solche erkannt werden, und dann stellt sich eine gewisse
kindliche Wirkung der Kunst ein, wie etwa im Wachsfigurenkabinet, in vielen Zweigen
des Gewerbes, besonders des Kunstgewerbes usw., „die kindliche Freude daran, dass
etwas wie wirklich aussieht, ohne wirklich zu sein"; oder aber die Täuschung soll als
solche nicht erkannt werden. Nun bedient sich der Mensch von fi-üh an des Kunst-
schaffens, „um den Ausdruck für eine Empfindung zu gewinnen, ftlr die die ihn um-
gebende Natur keine Erscheinung darbot, die fähig gewesen wäre, als Ausdruck ftir
seine Empfindung zu dienen"; die älteste Kunst sucht durch die Natumachalimung nicht
die Wirkung der Natur selbst zu erreichen, sondern vielmehr zu vermeiden. Diese be-
wusste Bildlichkeit anstreben, heisst Stilisieren. V. verfolgt dieses Prinzip mit über-
treibender Einseitigkeit in der Geschichte der Baukunst, dann in der Kunstgescliichte
überhaupt. Die erste und ursprüngUche Empfindung aussergewöhnlicher Art, die nach
einem Ausdruck in der Kunst ringt, ist die von einer die menschliche Kraft über-
ragenden überirdischen Macht; ihre Darstellung verlangt eine Veränderung der Natur-
Dekadenoe: Nation». 8, S. 619-21. — 181) X L- Berg, Realismus u. Mystik: Zeitgenosse 1, S. 296/8. — 182) X «d-i Sjmhol
u. Realismus: ib. S. 642/6. — 183) Rud. Steiner, Auch e. Kapitel z. ,Kritik d. Moderne": LMerkur 11, S. 233/6. — W) V.
Valentin, D. Naturalismus u. s. Stellung in d. Kunstentwieklung. (= Deutsche Schriften f. Litt a. Kunst I, 4.) Kiel n.
1 3: 18>189. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 56
erscheinungen, also etwa Zusammensetzung von Menschen- und Tiergestalt, fratzenhafte
Umbildung der menschlichen Erscheinung, Vervielfältigung einzelner Gliedmassen usw.;
das sehen wir in den ägyptischen, assyrischen und indischen Götterbildern. Geht nun
die gröbere Auffassung zu einer feineren über, so wird auch der grobe, derbe Ausdruck
nicht mehr entsprechen, man gelangt zu einer eingehenderen und schärferen Natur-
beobachtung, die Kunstschöpfung wird der Naturwirklichkeit genähert, bis der Eindruck
entsteht, dass eine solche Schöpfung allen Bedingungen der Naturwirklichkeit entspricht,
auch wenn sie selbst gerade so in der Natur niemals vorgekommen ist und niemals vor-
kommen kann; das Kunstwerk ist „ein potenziertes Naturwerk", in dem sich die Gesetze
seines Daseins klarer enthüllen als in der Naturerscheinung. Nun kann aber das Be-
dürfnis, „eine das Alltägliche überschreitende Empfindung zu hegen", durch die Freude
am Alltäglichen verdrängt werden, dann braucht es keiner besonderen Ausdrucksmittel,
es genügt, die Natur mit allen ihren Zufälligkeiten nachzuahmen. Damit stellt sich der
Naturalismus ein, „ein Widerspruch gegen das Wesen der Kunst, aber immer nur eine
vorübergehende Erscheinung". V. führt nun eine Reihe von Fällen vor, die deutlich
zeigen, wie Naturalismus und Kunst im Widerstreite stehen, so dass entweder der
Naturalismus oder die Kunst zurückweicht, entweder der Naturalismus wie z. B. auf
der Bühne durch „Arrangement", durch Konzessionen seinem eigentlichen Prinzip untreu
wird oder aber die Kunst verloren geht. Aber der Naturalismus kann auch ein Mäntel-
chen umhängen; ein solches erblickt V. in der „Idee", besser hätte vielleicht „Tendenz"
gesagt werden sollen: die Kunst wird missbraucht, um Ideen auf den Markt zu bringen,
dadurch „kommt in erster Linie der Inhalt der Darstellung und die in diesem hervor-
tretende Bestrebung des Künstlers, nach irgend welcher Seite hin auf die Erkenntnis
oder auf das praktische Leben selbst wirken zu wollen, in Betracht". Wenn die Kultur
übertreibt, ungesunde Elemente zur Herrschaft gelangen lässt, dann gewinnt die Natur-
kraft den Charakter des Gesunden, des Erlösenden; aber sie darf nun dabei nicht als
Selbstzweck stehen bleiben, sondern soll der Anfang einer neuen Kultur sein. Das ver-
misst V. am Naturalismus, dessen Streben „wahr" zu sein, nur ein Streben nach Gemein-
heit, nach Schmutz ist: auch das Schöne finden wir in der Natur, daneben das Hässliche,
der Naturalismus zeichnet das Hässliche, um ganz wahr zu sein, weil ihm wahr und
schön identisch werden, also je gemeiner, desto wahrer, desto schöner; dadurch aber
wird er zur Lüge, die um so schlimmer ist, je mehr der Naturalismus auf die Wahrheit
als das eigenste Wesen seines Schaffens pocht. Er gelangt einerseits zum Grässlichen,
andererseits zum Lüsternen, zwei Empfindungen, die nahe verwandt sind. Aber V.
unterscheidet scharf zwischen Naturalismus und Realismus ; nicht Realismus und Idealis-
mus sind Gegensätze, sondern diesen beiden verschiedenen Stufen einer und derselben
künstlerischen Auffassungsweise der Welt steht der Naturalismus als die unkünstlerische
Auffassungsweise gegenüber. Der Realismus ^^^-i^*') lässt mehr den Charakter der Einzel-
erscheinung hervortreten, ohne dass dadurch die symbolische Kraft verloren ginge, der
Idealismus betont mehr „das in der einen Erscheinung eine Fülle von Erscheinungen
erfassende und umschli essende allgemeingiltige Wesen, ohne der als Vertreterin gewählten
Einzelerscheinung den Charakter der Möglichkeit wirklicher Existenz zu entziehen"; in
den grossen Künstlern sind beide Auffassungsweisen vereinigt, was im besonderen ge-
zeigt wird. Der Gegensatz zu beiden ist der Naturalismus, armselig und langweilig,
oder genötigt, Ziele mit hereinzuziehen, die ihn zum Missbrauch der Kiuist füliren.
V.s Ausfuhrungen folgt man mit Interesse; die Beispiele, die er wählt, sind belehi*end,
er verkennt nur vielleicht, dass der Naturalismus bloss in seltenen Ausnahmen wirklich
dem Bild entspricht, das sich prinzipiell von ihm entwerfen lassen müsste ; ofb wird von
den Vertretern des Naturalismus nichts anderes als stärkerer Realismus gegenüber dem
Konventionellen verlangt. — Mit Schärfe hat Eugen Wolff'87) den Widerspruch auf-
gedeckt, in dem Zolas Theorie und Zolas Praxis stehen, und damit zugleich gezeigt,
dass der konsequente Naturalismus unmöglich ist; er gelangt zu Thesen, in denen aus
Zola die Richtigkeit dieser Behauptung unzweifelhaft erscheint, und fasst alles zusammen
in den zwei Sätzen: ein Werk hört auf wissenschaftlich zu sein und wird poetisch
durch freie schöpferische Bethätigung des Geistes, es hört auf poetisch zu sein und
wird wissenschaftlich durch festes Gebundensein des Geistes an den Mechanismus der
Erscheinungen. W. sucht also darzuthun, dass Zola trotz seiner eigenen Absicht ein
Dichter sei, wenn er auch d\irch allerlei störende zufällige Zuthaten sich den Anschein
des Wissenschafllichen geben möchte. i^^-^^^) — Von einer anderen Seite sucht Reiss-
Leipzig, Lipsius u. Tischer. 45 8. M. 1,00. — 185) X C. Gurlitt, Z. Würdigung d. Realismus: Gegenw. 40, S. 228—31.
(Im Anschluss an Th. Alt, System d. Kllnste.) — 186) X 'd-. Am Grabe d. Idealismus: ib. S. 293/4. — 187) Eug. Wolff,
Zola u. d. Grenzen v. Poesie u. Wissenschaft. {— Deutsche Schriften f. Litt. u. Kunst I, 6.) Kiel u. Leipzic, Lipsius u.
Tischer. 40 S. M. 1,00. — 188) X K. Grotte witz, D. wissenschaftliche Methode in d. modernen Dichtung: Kw. 4, S.257/9.
— 189) X Kossmann, D. Verhältnis d. künstlerischen Naturalismus z. Naturwissenschaft: ib. S. 358/0, 372/4. (Aus FZg.
67 R. M. Werner, Poetik uiifl ihre Geschichte, I 3: loo-m.
manu •'**') dein Thema gerocht zu worden, indem or itühn eni Bild von der Entwickhuig
der Kunst skizziert. Ihm offenbart sich die erste Aeusserung der Kunst im Tanz; ja
schon im Marsch, der Reglung einer gewöhnlichen Verrichtung, zeigt sich Ordnung,
wodurcli er zum Träger künatlorisclior Ideen, zum Verkünder innerer Stimmungen wird.
Und dieses Prinzip ist dann überall wirksam, wo der Mensch künstlerisch thätig ist,
d, h. wo er mit vollem Bewusstsein und luiter dem Einfluss bestimmter Ideen aus sich
heraus gestaltet. Ueberall, a\xch wenn er nur Geschautes nachahmt, mischt sich seine
Individualität, seine Art zu schauen ein und verleiht der Ausführung ihren besonderen
Charakter. Dies verfolgt R. in der Geschichte der Kunst und gelangt zu dem Resultate,
dass nur, indem die Nachbildung dem einfachen Beschauer mehr offenbart als das
Original, nur durch alles das, was den schaffenden Künstler der Genius sehen lehrte,
die Natjlibildung zum Kunstwerk wird und ihren eigensten Zweck erfüllt. „Die Kunst
ist somit das durch die Natur angeregte und von ihr beeinflusste Erzeugnis des Jahr-
tausende andauernden Ringens der Menschheit nach Veranschaulichung der die Welt
und das Leben beherrschenden Ideen." Im zweiten Abschnitte wendet sich R. dem
Naturalismus und der Kunst der Gegenwart zu, indem er ihr wieder den Spiegel der
Vergangenheit vorhält und fortwährend zwischen Naturalismus imd Realismus schwankt.
Am besten ist das verschiedene Verhältnis von Poesie und Musik einer-, der übrigen
Künste andrerseits zum Naturalismus durchgeführt. Aber sonst entspricht dieser Teil
nicht dem Aufwand an Worten. Die schwächste Partie ist wolU die über die Lyrik
in ihrem Verhalten zur Natur, wobei R. Natur fast ausschliesslich im Sinne der Land-
schaft nimmt. Hervorzuheben wäre höchstens noch die Ausführung über Prosa- und
Vorsform, obwohl auch sie nicht ganz klar ist. Die historischen Ueberblicke leiden an
starken Lücken und manchen Schieflieiten. i''i-i''5) — Schreyeri^ö) sucht im Anschluss
an die Erfahi-ung iind die praktische Kunstübung das Wesen der Kunst zu erfassen.
Der Name Kunst bezeichnet ein Können, ebenso wie der Ausdruck Schaffen, es muss
aber näher erforscht werden, was darunter zu verstehen ist. Die Nachahmung genügt
noch nicht, es fragt sich, was und wie in der Kunst nachgeahmt wird. S. will nun zu-
erst erweisen, dass die Kunst immer und überall aufs Nachahmen ausgegangen sei, aber
er verschiebt schon hier die Grundlage durch einen Zusatz: „oder sagen wir lieber
Nachbilden der Natur", und bald darauf spricht er von „nachbildender Darstellung".
Er nimmt nun die einzelnen Künste durch, um zu zeigen, dass sie eine Auswahl der
nachzuahmenden Dinge treffen; auch die freieste Schöpfung sei keine völlige Neubildung.
Die Schilderung der einzelnen Künste in ihrer Nachahmungssphäre ist melir poetisch
als wissenschaftlich genau. Aber S. ist nun nicht der Meinung, dass die Freude am
Gelingen der Nachbildung den hohen Genuss des Kunstwerks erklärt. „Böte die Kunst
niclits anderes als die nachgeahmte, die abgespiegelte Natur, so wäre sie entbehrlich";
auch der grösste Künstler bleibt hinter der Natur zurück. Naturwalu-heit wird immer
nur annähernd erreicht. Der Wert des Kunstwerks liegt also darin, dass es anderer-
seits auch mehr bietet als die Natur: nicht nur das Dargestellte, das Objekt, sondern
auch den Darstellenden, das Subjekt. Das verfolgt nun S. weiter, indem er die Herr-
schaft des Künstlers über die Natur darstellt. Das Kunstwerk ist Natur, aber^im Geiste
des Künstlers wiedergeborene Natiu*, vergeistigte Natur. Dadurch ist die Kunst eine
andere, höhere Natur. Die Kunst wird der sinnlich-anschauliche Ausdruck der höchsten
Gedanken und Empfindungen des Menschengeschlechts, sie kann nicht nur, was ist,
sondern was sein kann und sein soll, schildern. Das Kunstwerk ist real und doch
ideal, Natur und doch Geist. Aber dieses Idealisieren ist keineswegs bloss ein Umbilden
ins Schöne, Treffliche, nur ein Herausarbeiten des Notwendigen durch Zurückdrängen
des Zufälligen. Das wird im einzelnen dargelegt, und S. kommt zu dem Resultat, dass
die einzelne Kunstschöpfung um so vollendeter sei, je mehr sie einerseits durch ihre
Naturwahrheit den Schein der Wirklichkeit erweckt, und je reifer, gewaltiger und edler
andererseits die PersönHckeit des Künstlers ist, die sie widerspiegelt. Nennen A^nr
jene Seite der Kunstthätigkeit Realismus, diese Idealismus, so zeige sich, dass beide sich
nicht ausscliliessen, sondern zusammenwirken, sich gegenseitig ergänzen müssen. Nur
die Mischung beider Elemente wird verschieden sein, je nach dem Individuum und der
Zeitrichtung. —
Den Einfluss Schopenhauers auf den Natiiralismus kann wohl niemand leugnen,
dafür wird, wie schon Steiner erkannte, Nietzsche von der neuen Dichtung hoch-
gehalten; darauf geht nun auch Hanssoniö?) näher ein; er sieht in Nietzsche den Riesen,
N. 189.) — 190) A. Reissmann, D. Naturalismus in d. Kunst (= Deutache Zöit- u. Streit-Fragen NF. 6. Jhg., Heft 88/9.) Huaborg,
Verlagsanstalt u. Druckerei A.G. (vorm. Richter.) 74 S. M. 1,60. |[1IL. 60, S. 736 ]|— 191) X »d-. Vögel, Dichter u. Musiker:
NZMusik 87, S. 381/3. — 192) X A. Lasson, Naturalismus in d. Kunst: NatZg. N. 199. — 193) X Mar» Cop-Marlet,
Naturalismus: FremdenBI. N. 253. — 194) X H- Bulthaupt, Naturalismus u. Kunst (Bericht Ober e. Vortr.): FZg. N. 56. —
195) X Margarethe Halm, Realistisches Ober Ideen und Ideale: Gesellsch. II, S. 1314/9. — 196) H. Schleyer, Bealiamns
u. Idealismus in d. Kunst: BLÜ. I, 8. 66/7, 81/4.— 197) 0. Hansson, F. Nietische u. d. Naturalismns: Oeg«nw. 8». S. 275/8.
I 3: 198-204. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 5ö
gegen den Zola, Ibsen und Tolstoi nur Pygmäen sind: Zola ein wissenschaftlicher
Dilettant, Ibsen ein moralischer Spiessbürger, Tolstoi ein konfuser Ignorant. Nietzsche
wird als der Gegenpol des Naturalismus bezeichnet, aber zugleich als „der erste Dol-
metscher der Subjektivität in der modernen Litteratur und in dieser seiner Eigenschaft
der positive Werteschaifer, dessen Werk der Zukunftsbrief der Menschheit ist". H. giebt
eine dithyrambische Schilderung von Nietzsches Wesen und Werden, behandelt den
Naturalismus sehr von oben und stellt sich ganz auf den Boden der Zukunftspoesie.
Wichtig ist ein Satz: „Die Forschungsresultate und die Kulturideale, die Nietzsche vor-
führt, können nicht aus dem Grunde seiner Persönlichkeit weggenommen werden, sie
sind eins mit jenem entblössten Punkt seines Ichs, der die Sensibilitätsart ist"; wichtig
das berühmte Schlagwort vom „aristokratischen Individualismus". — Kaum zu verwundern
ist es nun, dass in einer Reihe von Aufsätzen^QS) soviel von der Individualität des
Künstlers gesprochen wird, woran vielleicht auch Langbehn mit seiner Streitschrift
,,Rembrandt als Erzieher" sein Teil hat. Wenigstens geht F. Langei^^) von ihm aus,
indem er an der gegenwärtigen Kunst die persönliche Empfindung vermisst, besonders
aber in der Litteratur die Revolution der Persönlichkeit gegen das Konventionelle, gegen
den kalten Verstandesbegriff in jeder Form sich aufraffen sieht. Es sind nur Anfänge,
die vielleicht zu etwas Neuem füln-en können, dazu ist aber vor allem notwendig, dass
zuerst das Publikum „die Persönlichkeit der Andern dulden lerne". Allerdings sieht
auch L. das Ziel der Dichtung in breiter volkstümlicher oder nationaler Wirkung, aber
er warnt vor der Meinung, dass der Dichter national schaffe, „der seiner Zeit photo-
graphisch treue Spiegelbilder der Menschen, Zustände und Stimmungen vorhält", er
glaubt vielmehr, das thue nur der geistige Führer und Vorempfinder seines Volkes, „der
seines Volkes Persönlichkeit in ihren Tiefen und Höhen mit seiner eigenen, dichterischen
Persönlichkeit verkörpert, der in seinen Schöpfungen den Volksgenossen zu fühlen giebt,
dass alles, was sie selbst nach ihrer angeborenen Art empfinden, in dieser Dichterseele
wiederklingt, aber reiner, edler, höher und so den Leser über sich selbst emporhebend".
Was ist das aber anders als „aristokratischer Individualismus"? — Im Anschluss an eine
mir nicht bekannt gewordene Schrift der nordischen „Modernen" Öskar Levertin und
Werner von Heidenstamm ,,Pepitas Hochzeit", wie mit ausdrücklicher Anlehnung an
Langbehn und Nietzsche hat auch Lauenstein^oo) die Frage vorgenommen, was ist
Individualismus in der Kunst? Er sieht in ihr nur einen Rückschlag gegen die Problem-
dichtung unserer Zeit, aber noch kein eigentliches Programm, denn der Individualismus
ist in der jüngsten Schule nur zu stark; die Forderung erscheint ihm daher nur zu
lieissen: „Wir brauchen etwas, das ist mir klar. Nur weiss ich nicht, was." L. dürfte
jedoch nicht auf den Grund gegangen sein, sonst würde der Unterschied zwischen Indi-
vidualität und Individualität schärfer herausgearbeitet und die Erkenntnis fruchtbar ge-
worden sein, dass nur jene Probleme der Dichtung anstehen, die auch für unsere Zeit
noch Probleme sind. — Auch Zola^oi) mischt sich in den Chorus, aber bespricht nur
den Stil als den Ausdruck der Persönlichkeit; denn „das ganze Wesen der Originalität
besteht in diesem persönlichen Ausdruck der wirklichen Welt, welche uns umgiebt". —
Grottewitz202) fragt, wie der Nietzschesche Zug nach aristokratischem Individualismus
mit dem nivellierenden demokratischen Zug der Zeit zu vereinigen sei, zeigt aber zugleich,
dass man eigentlich anders fragen müsse. „Die neue Ethik stellt als oberstes Ziel die
vollpersönliche (d. i. geistigphysische) Höherentwicklung der Menschheit auf", im Per-
sönlichkeitskultus steckt „die Anerkennung der menschlichen Triebe als einer bedeutinigs-
vollen Macht". Die Annahme, dass jeder Mensch schon von selbst die Normen finden
werde, nach denen er zu leben habe, ist ein Irrtum, es bedarf also geistiger Führex',
daher das Streben nach Persönlichkeit, nach Individualismus. Man kann dem Aufsatze
nicht gerade Tiefe nachrühmen. — Bruno Wille^os) erforscht die Bedingungen, welche
Ausnahmen, und das müssen die geistigen Führer sein, hervorbringen, und erkennt als
solche „individuelle natürliche Geistesanlagen, neue Lebensereignisse, neue Kom-
binationen innerhalb der menschlichen Gedankenwelt"; diese treiben neue Ideen hervor.
An ihnen lassen sich aber Vorstellungsgehalt und Gefühlsgehalt unterscheiden, und gerade
im Gefühlsgehalt, der oft sogar das primäre sein kann, zeigt sich das Genie. Insbesondere
der originelle Dichter ist Gemütsindividualist, „er prägt neue Worte, gewinnt den
Objekten neue Seiten ab und ist somit eine Quelle neuer Beurteilungen, ein Spender
jener Triebkraft, welche die geistige Konvention und Satzung durchbricht". — In vier
köstlichen Parabeln hat Wille204) dann seine Meinung poetisch eingekleidet. — Die
Schwierigkeiten, mit denen jetzt ein Dichter zu kämpfen hat, weil die Blicke stets auf
9. — 198) O X E. Eyangelium d. Naturalismus: Grenzb. III, S. 34—44. — 199) Fried r. Lange, Ueber d. Persönlichkeit
in d. Kunst bes. in d. Dichtung: Kw. 4, S. 196/8, 213/4. (Aus TglRs. „Das Persönliche im Nationalen".) — 200) A. Lauen-
stein, D. Ruf nach Individualität: ML. 60, S. 407—10. — 201) E. Zola, D. Ausdruck d. Persönlichen (deutsch v. L. Berg):
ib. 8. 774/6. - 202) K. Orottewitz, D. Kultus d. Persönlichkeit: FrB. 2, S. 233/6. — 203) Bruno Wille, GemUts-Indivi-
dualismus. E. krit. Studio zu e. Zeiti'rage: FrB. 2, S. 305—10. — 204) id., Parabeln v. Individualismus : ib. S. 769-70. —
r
59 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 3: 205-22S.
die Klassiker gerichtet sind, scJiildert mit Lebhaftigkeit Spitteler^«^); daboi winl aucli
mit vernünftigen Worten der Kritik gedacht 2M), deren Loos keineswegs das angenehmste
ist. Die Polemik der Zeitungen und Zeitschriften über die journalistische Kritik gehört
nicht in den Rahmen dieses Berichtes^O''). —
Verschiedene Aufsätze suchen das Verhältnis einzelner Persönlichkeiten
zum Naturalismus zu erfassen, so weist Ehrenfels^oö) nach, dass Richard Wagner trotz
seiner wiederholt betonten Abneigung gegen die modernen naturwissenschaftliclieii
Theorien, trotzdem er seinen Idealmenschon in der Vergangenheit sucht, vielfach mif
der ,, Moderne" übereinstimmt, besonders durch seine psychologische Auffassung des
menschlichen Lebensinhalts, durch seine Refonngedanken, durch sein Verwerten der
Stiimnungen, psychischen Regungen, für deren Ausdruck besonders das „Leitmotiv" ge-
schaft'eii sein soll. — Ehrenfels^oo) sieht in Wagner den Dichter, welcher in seinen
Dramen den Inhalt seiner Zeit festgehalten und in allegorischer, nicht symbolischer
Weise dargestellt hat, wobei E. freilich Allegorie und Symbol in einer dem Goetheschen
Gebrauche gerade entgegengesetzten Bedeutung braucht. Er deckt nicht ohne Gewalt-
samkeit das Typische des Konfliktes auf, der im Auflehnen gegen das Alte, ohne dass
schon ein Neues an dessen Stelle träte, tragisch wird. — Nachdem dann Ehrenfels2i0) im
Naturalismus Wesentliches und Unwesentliches geschieden und sich besonders gegen
die Naturnachahmung als ausreichende Aufgabe der Kunst mit einleuchtenden Beispielen
ausgesprochen, endlich der jetzigen Periode der „Naturstudien" eine solche der „Kom-
positionen" als Zukunft prognostiziert hat, wendet er sich in seinem Schlussaufsatze^'i)
der Erage über das Verhältnis des Musikdramas zum Naturalismus zu. Eine Ueberein-
stimmung zwischen Wagner und dem naturalistischen Drama findet er „in der Ver-
innerlichung des dramatisch darzustellenden Geschehnisses und in der Verwendung der
Sprache mit vorwiegender Berücksichtigung ihrer Funktion als Ausdrucksmittels". Die
Ai"t ist verschieden: das Mtisikdrama erzeugt die Stimmung durch den Klang, der
Naturalismus durch die associativen Funktionen der Sprache; deshalb ist die dargestellte
Innerlichkeit beider Stilgattungen eine verschiedene. E. glaubt nicht daran, dass hier
einmal eine Vereinigung möglich sein werde, doch meint er, dem Musikdrama werde die
historische Vergangenheit zufallen, die naturgetreu darzustellen unstatthaft sei, es werde
also den menschlichen Schönheitsgehalt der schwindenden Weltanschauung zu dramati-
schen Geschehnissen verkörpern und mit den Wogen der Musik tragen und diu-chfluten,
also etwa wie Wagner in der „Götterdämmerung". — So wie Ehrenfels in Wagner einen
Alten sieht, der aber zugleich auf ein ganz Neues weist, erblickt Bölsche^iz) in Wil-
helm Jordan einen Alten, welcher ,, krampfhaft" versucht hat im Neuen mitzuthun, aber
,,ein ungeheures Fiasko" erlitt, weil seine „Unfähigkeit eine leider vollkommene war",
und welcher sich nun „nicht entblödet, böse Schimpfreden denen naclizurufeu, die er
ziierst so recht hatte mit Behagen nachahmen wollen". Er bestreitet die Behauptung
Jordans, dass Schopenhauers Pessimismus auf den Naturalismus Einfluss habe, woran
aber andere nicht zweifeln 213). —
Ein mir nicht zugänglicher Angriff Liebknechts^i*) hat das Thema Natura-
lismus und Socialismus in den Vordergrund gerückt. Brahm^'^') betont, dass in
den Dramen des , jüngsten Deutschlands" der Atem der Gegenwart, die socialen Pro-
bleme nicht zu vermissen seien, wenn sie auch wohlweislich nicht vom Parteistandpunkt
aus betrachtet werden. Auch sei allerdings^i«) z. B. von Hauptmann der socialistische
Agitator nicht als Idealgestalt behandelt. — Nachdem dann R. Schweichel in der
„Neuen Zeit" Liebknechts Ansicht vertreten hatte, widerlegt beide J. Hart^l^). Ergeht
aus von der Spaltung der Socialdemokratie in „Alte" und „Junge" und vennisst eben
bei den „Alten" ein Verständiiiss für das , jüngste Deutschland"; dieses ist ihm keines-
wegs eine einheitliche Schule, sondern eine sehr bunte Mischung „verschiedenfachster
Charaktere, Stilrichtungen und Anschauungen".2i8) Scharf wendet er sich gegen die Be-
hauptung vom Zusammenhange des , jüngsten Deutschland" und des Pessimismus.-'9-22-i) —
Das Thema Socialismus und Naturalismus wird auch in Aufsätzen über die Berliner „Freie
Volksbühne" gestreift 223). — Bei seiner Betrachttuig des Milieu, dessen Bedeutung ftlr
205) C. Spitteler, Ueber d. Epigonentum: Kw. 4, S. 164/7, 180/8. (Ans NZOrichZg.) — 206) X K. Orottewits, D. uUk«
Zopf: ML. 60, S. «61/4. — 207) X B- v. Soydlitz, Vor- u. naohmarilicbo Kunstkritik: KunstfAUe 6, S. 230/2. — 208) Ch.
Ehrenfels, R. Wagner u. d. Naturalismus: FrB. 2, S. 337-41, 372 6. — 209) id., B. Wagner als Dichter: ib. S. 48»— 96. —
210) id., Wahrheit u. Irrtum im Naturalismus: ib. S. 737 — 42. — 211) id., D. mu.-iikalische Drama d. Zukunft: ib. S. 867—62.
- 212) W. Bölsche, E. Wörtchen an W. Jordan: ib. S. 381,3. — 213) X H. Lorm, W. Jordan u. d. Optimismus: 0«genw.
39, S. 180/2. — 214) O X W. Liebknecht: NZeit — 215) 0. Brahm, Naturalismus n. Socialismus: FrR" 2,
S. 241/3. — 216) id., D. Naturalismus u. Herr Liebknecht noch einmal: ib. S. 625,6. — 217) J. Hart, E. socialdemokratischer
Angriff auf d. ^Jüngste Deutschland": ib. S. 913/6. — 218) X W. BOlsche, E. socialistischer Kritiker Zolas: ib. S. 1037—40.
(Gegen Paul Lafargue gerichtet, betont d. unrichtige tendenziöse Betrachtung d. Kunst durch d. socialistiscben Kritiker.) —
219) X H. Ströbel, D. geistige Proletariat: ib. S. 37-41. — 220) X H. Mielke, Proletariat u. Dichtung: ML. 60, S. 182;«.
— 221) O X M. Q. Conrad, D. Socialdemokratie u. d. Moderne: tiesellsch. 1, S. 583-92, 719-41. — 222) Q X 0. J. Bier-
baura, Z. Kapitel: ,D. Socialdemokratie u. d. Moderne": ib. S. 1246 S.— 223) O X G. A d 1 e r , D. Socialreform u. d. Ttae^r.
I 3: 224-233. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 60
den Menschen zuerst von Montesquieu und Herder, dann von der Anthropogeographie
Ritters, hierauf in unserem Jh. von der Naturwissenschaft und der socialökonomischen
Forschung erkannt wurde, dessen dichterische Verwertung schon in Goethes „Werther",
daim aber mit voller Konsequenz in Zolas Theorie und Praxis begegnet, kommt Röhr224)
gleichfalls auf das Verhältnis von Socialismus und Naturalismus zu sprechen, ja er nennt
den Naturalismus geradezu „das poetische Pendant des Socialismus"; Zola lässt in den
speciell der socialen Frage gewidmeten Romanen fühlen, dass zur Erklärung der Per-
sonen die Schilderung des Milieu notwendig sei. ,,Zola und die übrigen Naturalisten
seien", so meint R., „bei dieser Darstellung der Wirkungen des Milieu von ganz ähn-
lichen Gedanken geleitet wie etwa Engels und Marx." R. verkennt die Gefahr dieser
Richtung zur deterministischen Weltanschauung nicht, doch wichtiger erscheinen ihm
die guten Folgen solcher Romane: „die Ueberhebung der Glücklichen zu unterdrücken,
zu verhüten, dass sie mit Hochmut auf die Unglücklichen herabblicken, als ob der
beiderseitige Platz die Folge eigenen Verdienstes und eigener Verschuldung sei und
nicht, wie es in neunzig unter hundert Fällen zu sein pflegt, der Macht übermächtiger
Umstände, und so die tiefe Kluft zu überbrücken, welche heut zwischen Arm und Reich
gähnt, und Milde des Urteils zu verbreiten". —
Die Frage nach dem Verhältnis des Naturalismus zum Socialismus ist aber eine
zu enge, denn sie betrifft nur die Stellung Einer Kunstrichtung zu Einer Zeitrichtung,
umfassender müsste das Thema lauten: wie stellt sich die Kunst zu ihrer Zeit, und
auch dieses Thema wurde nach verschiedenen Seiten hin betrachtet, hauptsächlich mit
Beschränkung auf die Litteratur als Kunst. Lauenstein ^25) hat dies besonders erfolg-
reich gethan. Er wirft unserer bisherigen Litteraturgeschichte vor, sie sei sich über
ihre Aufgabe noch nicht klar, sie müsse vor allem die „Entwicklung der Weltanschauung"
darstellen, weil die Litteratur der jedesmal schärfste Ausdruck der Weltanschauung ist.
Von der Poesie aber verlangt L., sie solle die wirkliche Führerin im Kampfe der Zeit
sein und mahnend vorwärts in die Zukunft weisen. — Was er unter dieser Forderung
versteht, hat er später entwickelt 226). Er erkennt in jeder Zeit einen Gegensatz zwischen
der litterarischen Ueberlieferung und dem „Gegenwartsdenken", zwischen Alt und Neu
oder, wie man wohl sagt, zwischen Idealismus und Realismus, obwohl richtiger wäre:
zwischen Altidealismus und Neuidealismus. Das ist so zu verstehen, dass der Dichter
in einem gewissen Dilemma steht: die Gedankenwelt seiner eigenen Zeit lockt zu sprach-
lichem Ausdruck, andererseits hat die Ueberlieferung alle Gedanken schon klar mid
scharf herausgearbeitet zu bequemer Benutzung. Je begabter der Dichter ist, desto mehr
wird er sich von dieser Ueberlieferung befreien und eigene Wege wandeln. Dadurch
wird er die Ideen seiner Zeit weiterbilden und der Entwicklung der Menschheit dienen.
Hier sieht nun L. die wichtigere ,, ethische Bedeutung der Kunst". Wenn Lessing,
seiner Zeit voraneilend, den „moralischen Zweck" der Kunst verwarf, so dachte er nur
daran, dass die Kunst nicht die Aufgabe habe, die Menschen zu bessern, d. h. die
Menschen einer bestimmten Zeit den Idealen eben dieser Zeit zu nähern, also nicht den
christlich asketischen Sittlichkeitsidealen. Durch diese wichtige, folgenreiche Erkenntnis
habe Lessing, dann Herder und Schiller nur negativ Platz geschaffen für eine neue Ethik,
zu der er selbst erst am Ende seines Lebens vordrang. L. erblickt in der neuen deutschen
Litteratur andere, aber doch Ideale, er sieht in ihr eine neue Ethik, freilich nicht die
christlich asketische Moral lebendig. —
SchliessHch fasst Lauenstein227) diesen Gegensatz zwischen „Schönheit" und
„Sittlichkeit" theoretisch und historisch auf, indem er zeigt, dass man mit einem Gegen-
satz von „ästhetisch" und „ethisch" irre gehe, weil beide identisch seien. In Schillers
ästhetischer Entwicklung trete dies zu Tage; wenn man mit Kuno Fischer drei Phasen
seiner Ansichten annehme: der ästhetische Gesichtspunkt unter, neben und über dem
moralischen, so zeige dies, dass Schiller wohl das Richtige fühlte, es aber noch nicht
richtig auszudrücken vermochte. Man brauche nur statt ästhetisch: modern-ethisch und
statt moralisch : kirchlich-ethisch zu setzen, und man entgehe sofort allen Schwierigkeiten.
L. stellt die moderne Ethik über die Buchstabenmoral der Kirche, die nur in-
folge unserer Erziehung für uns noch einen Katechismus bilde, während wir und nun
besonders die Litteratur als Kunst schon darüber hinausgekommen seien. 228-232) — Ob
dies allgemeine Meinung ist, fragt Lauenstein nicht. Von anderen Seiten wird aber
das Thema wesentlich anders aufgefasst. K. F. Jordan 233) hatte mit einer Broschüre
Berllü, Walther & Apolant. 48 S.M. 0,80. |[DWB1. 4, S. 251 ; Jul. Hart: FrB 2, S. 243/5.] | — 224) J. Köhr, D. Milieu in Kunsi
u. Wissenschaft: FrB. 2, S. 341/5. - 225) A. Lauenstein, D. Kulturmission d. Poesie: ib. S. B67-70. — 226) id., Kunst
u. Leben: ib. S. 761/5. - 227) id., Schön contra Sittlich: ib. S. 958—63. — 228) O X J- Schlaf, Moral, Kritik u. Kunst:
Qcsellsch. II, S. 1168—72. — 229) O X M. G. Conrad, D. Recht d. Künstlers u. d. Prüderie: ModerneBll. 1, N. 26, S. 5 ff.
- 230) O X Ignotus, 1). UnSittlichkeit in Wahrheit u. Dichtung: ib. N. 25, S. 4. — 231) O X J- V. Widmann, D.
Erotische in d. Eomanen d. jungen Naturalisten in Deutschland: Nation". 9, S. 87/9. — 232) X H. Merlan, Lumpe als
Helden. B. Beitr. z. med. Aesthetik: Gesellsch. 1, S. 64-79. — 233) K. F. Jordan, D. moderne Bühne u. d. Sittlichkeit.
61 R. M. Werner, Poetik und ihre Geachichte, I 3: 234-241.
LiberraBchendeu Erfolg, die nicht vom künstlerischen oder ästhetischen, sondern vom reli-
giösen Standpunkt das Verhältnis von Sittlichkeit und Drama darstellte. Dem Kunst-
werk ist kein Zweck bestimmt, es ist eine Art Spiel, speciell das Drama, nicht auf
Nützlichkeit und Erkenntnis, sondern auf Erholung und Erbauung ausgehend. Aber
der Dichter muss einen bestimmten Zweck in sein Werk hineinlegen, und zwar, weil er
ein Mensch ist und sich an Menschen wendet, der Mensch aber ein sittliches Wesen
ist, muss sein Zweck die Sittlicldceit sein. Entsittlichend darf ein Drama niemals wirken,
unanständig oder gesinnungsroh darf es niemals sein. Das Sclilechte darf nur nach der
Abschrockungstheorie verwertet werden und ja nicht in einen! schönen Gewand er-
scheinen, denn in diesem Falle würde nicht Nutzen sondern zehnmal grösserer Schaden
gestiftet. Nun bespricht J. einzelne moderne Dramen, um zu zeigen, dass sie seinem,
„dem allgemeinmenschlichen" Standpunkte nicht entsprechen oder wie weit sie ent-
sproclien. J. genügt es nicht, wenn ein Dichter wie etwa Ibsen die grausigen Folgen
der Si'iudo zeigt und sagt, „so ist die Welt", er verlangt vom Dichter ein „so könnte
sie sein oder gar ein: so kann sie werden", der Dichter „sollte es zu seiner Aufgabe
aus rein menschlich-sittlichen Beweggründen machen, neben und gegenüber dem Niedrigen
auch das Dasein des Vollkommeneren der Erkenntnis der Menschen nahe zu bringen".
J. vermisst das erstrebenswerte Ideal in den Dramen, z. B. in „Nora", aber er ist so
wenig frei in seinen Ansichten, dass er Ibsens Ideal nicht als ein Ideal erkennt — die
Pflichten des Individuums gegen sich selbst — , weil er auf dem Boden des positiven
Christentums steht. Er leugnet die Prinzipien, von denen Ibsen ausgeht, da ist freilich
weder Verständigung noch selbst Verständnis möglich. Was der Naturalismus leugnet,
davon lässt sich J. leiten: das Christentum und seine Moral, das jener als etwas Ver-
gangenes behandelt und nun durch etwas Neues ersetzen will, gilt diesem als die Zu-
kiinft, die allein Heil bringen kann. J. will nichts wissen von dem Humanismus unserer
Klassiker, der Antike, „nein: das Christentum und der Geist des Erlösers muss das
Bewegende, Leben Gebende in der neuen klassischen Kunst sein, weil nur in diesem
Geiste, den Cln-istus einst der Welt mitgeteilt hat, Weg und Mittel zur Eri'eichung des
höchsten Zieles: der sittlichen Vollkommenheit gegeben sind". In Lauenstein und
Jordan sind die beiden entgegengesetzten Pole gekennzeichnet, innerhalb derer sich die
verschiedenen Meinungen bewegen; aber es muss hervorgehoben werden, dass J.
nichts anderes anstrebt, als eine Besserung der seiner Ansicht nach verwerflichen Zu-
stände durch eine christlich-moralische Reaktion des Publikums und der Dichter, nicht
etwa durch polizeiliche Verbote. Von anderer Seite wurde jedoch geradezu die Hilfe
der Staatsbehörden angerufen 23*)^ und dagegen protestierten einzelne Stimmen mit vollem
Rechte 235-236^ _ — Eine weitere Propaganda gegen die „moderne realistische Litteratur" geht
von der „Allgemeinen Konferenz der deutschen SittHchkeitsvereine in Verbindung mit
der Allgemeinen Konservativen Monatssclirift" aus; es sind „Litterarische Denkscliriften",
die an einzelnen Schriftstellern die Unsittlichkeit nachweisen, um die Familien vor der
Lektüre solcher Autoren zu warnen. Die Wald trifft keineswegs die eigentlichen
Realisten allein, denn noch gefälarlicher als diese schon von Haus aus verdächtigen
Gesellen erscheinen jene bereits anerkannten Dichter, ,,die die Schlange im Blumen-
körbchen bergen", „die geistvollen Propheten der Fleischeslust, die, im modernsten
Gewände und mit feinen Manieren auftreten, längst Lieblinge der Salons geworden sind,
ehe man dahinter kommt, dass sie Gift in die Seelen unserer Frauen und Kinder träufeln
wollen". Die beiden älteren Hefte gegen Spielhagen und Conrad, Bebel und Bleibtreu
lagen mir nicht vor, jetzt kommen Paul Lindau und Paul Heyse an die Reihe. Schrill 237)
fasst Lindau als den geistvollsten Feuilletonisten, zeigt die „Schlange" in einzelnen seiner
kleinen Novellen, um dann über seine Romane vollends den Stab zu breclien. Lindau
wird beschuldigt, „die poetische Verherrlichung bezw. versuchte Verteidigung von (alles
gesperrt gedruckt) Lüge und Notlüge, Meineid und falscher Zeugenaussage vor Gericht,
Unzucht und Hurerei, Ehebruch und Selbstmord" gegeben zu haben. — 0. Krauses«) be-
handelt Heyse als einen Ueberschätzten, aber doch als einen Realisten im bösen Sinne
des Wortes, und hält ihm seine Sünden gegen die zehn Gebote vor; ganz so lang wie
bei Lindau ist das Register nicht, und zum Schlüsse wird uns sogar der gebesserte
Heyse gezeigt. Der Titel dieser Flugschriften ist in keiner Hinsicht gilt gewälUt, gewiss
aber am wenigsten zutreffend ist der Zusatz vom „Liclite der Aesthetik": mit Aestlietik
haben diese Predigten nichts zu schaffen. Auch wird das Streben ganz verkannt, für
eine Zeit, die eine geoffenbai-te Moral nicht annimmt, eine neue Ethik zu bilden. 239-240) —
Servaes24i) sagt ausdrücklich: „Die Moral hat sicli nach den Bedürfiiissen der Men.sch-
■i. Aufl. Berlin, Rehtwisili & Seeler. 63 S. M. 1,00. — 234) I). Roalismug vor Gericlit: Leipzig, Friedrich. 96 8. M 1,00.—
235) X Kunst u. SittliehVeit: KZg N. 955. - 236) X !>• Teufel d. Auifoulust: NFPr. N.9633. - 237) E. Schrill (.S. Keller),
P. Lindau. =: Moderne realistische Litt, im Lichte d. Ethik u. Ae.-ithetik. 3. Heft. S. 1—15 Berlin, Sittlichkeitavereine.
o. .1. M. 0,40. - 238) 0. Kraus, P. Heyse: ib. S. 17—34. — 239) X K. Grottewit«, D. Qrund-Ideal d neuen Ethik: XL.
60, S. 314'5. - 240) O X Neue Ideale: Orenzb. 11, S. 625. — 241) F. Serraes, Sexuelle Probleme: ML. 60, S. 667/9. —
I 3: 242-249. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 62
heit einzurichten, und nicht umgekehrt". Er fordert eine Gescliichte der Geschlechts-
empfindungen von ihrem rohesten Urzustand bis zur Ausschweifung und Perversität,
die auch dem Christentum und seiner Bekämpfung oder Abtötung der Pleischeskist die
richtige Stelle anwiese. Dann wiirden sich die Probleme unserer und der folgenden
Zeit am besten verstehen lassen. Jedesfalls würde das Weib dabei stärker berücksichtigt
werden müssen als der Mann, weil es in einem viel bedeutungsvolleren Sinn als dieser
Geschlecht ist. — Noch schärfer fasst dieses Thema Hans son 242) an, der in der
modernen Litteratur Umschau hält, wie das Weib geschildert wird. Er sieht drei Seiten :
die hohe Würdigung des Weibes als Intelligenz, moralisches Wesen, Charakter, Gesell-
schaftsmitglied , Kulturamazone ; tiefe Verachtung des intelligenten und verfeinerten
Mannes für das Weib in jeder dieser Hinsichten; und unter diesem Gegensatze die ge-
meinsame Basis von Evas Würdigung als Geschlecht und von Adams und Evas Zu-
sammenleben als Geschlecht. Die neue Litteratur wird von einer völHg anderen Erfassung
des Weibes auszugehen haben. Dort, wo Milieu und Natur ineinander wirken, muss der
Dichter seine Sonde hinabsenken, das sei kein Bastard zwischen Wissenschaft und Kunst,
sondern das Entdecken einer terra inculta für die Dichtung. H. denkt an Krafft-Ebings
Werk „Psychopathia Sexualis", das anregen werde, aber nicht so, dass die Erfahrungs-
thatsachen des Psychiaters novellisiert würden, sondern so, dass der Dichter gleichsam
durch dieses Werk aus seinem Unbewusstseinszustande gerissen und veranlasst werde,
Gestalten zu schaffen zwischen reiner Normalität und reiner Abnormität. 2*3-245') —
Ueberall regt sich ein Neues, erst der Gestaltung Harrendes: wir leben „in
einer Zeit, wo eine alte Welt zur Neige geht und eine neue beginnt", grosse
Probleme tauchen auf; da erfüllt die Gemüter neues Streben, neue Gedanken brechen
sich Bahn, und alles dies Neue will sich in der Schreibweise Ausdruck verschaffen.
So verkündet Pfütze-Grottewitz 246) ^{q neue Schönheit; da aber alles noch
gährend, verworren ist, will es sich auch äusserlich „als etwas besonderes doku-
mentieren", und so ergiebt sich die Menge von neuen eigentümlichen Stilarten. Nun
schildert er sie, den ehernen Herrscherstil, Blitzstil, Experimentierstil Nietzsches mit
seinem „ungeheueren" Einfluss auf die junge Dichtergeneration, den gewundenen Stil
Conradis mit den unendlichen Parenthesen, Relativsätzen, Appositionen, den „umständ-
lichen Bandwiirmwörtern", den überladenen Schwulst, den „Keulenstil" Kaberlins, der
als „Prügelstil" bei anderen die Ausartung des Urwüchsigen ins Rohe, des Klobigen
ins Gemeine, des Derben ins Strassenjungenhafte zeigt; das sind die dem Untergang
geweihten Unarten einer Uebergangszeit. Dann kommt der Barock-, Brillantfeuerwerk-
stil Bahrs, auch er der Ausgang einer alten Richtung. Der Zukunftsstil wird einfach,
klar und mannhaft sein, „durchsichtig und markig wird die zukünftige Entwicklungs-
poesie die grossen Gedanken und Ideale der neuen Aera sprachlich objektivieren".
Die neue Poesie wird nämlich die Dinge im Lichte der Entwicklungsweltanschauung
darstellen, die auf der neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnis beruhenden Probleme,
Ideale, Motive, Gedanken wiederspiegeln und sich dem neuen Inhalt entsprechend einen
neuen Stil schaffen. Sie wird jedesfalls nicht den Weg Hauptmanns gehen, der aus dem
schlesischen Dialekt „seine" Reden zusammenstellt, wie Schiller die seinen aus seinem
griechischen Schönheitsideale. Die naturalistische Aesthetik, der Hauptmann folgt, wird
abgethan sein, sie kennt ja nur den Tj^pus des Durchschnittsmenschlichen und den
Untertypus des Pathologischen, nicht das Uebertypische, das Zukunft- Vorbereitende
oder die Schönheitsideale der neuen Zeit. Das Kampfwort Schönheit oder Wahrheit
ist eben falsch, es muss heissen: alte oder neue Schönheit, alte oder neue Ideale. Das
Ziel der neuen Litteratur ist, neue Schönheitsideale auf Grund der Darwinistischen Welt-
anschauung zu finden. Und dann erhalten wir das Geständnis, ein Jahrzehnt lang sei
der Name Schönheit von allen jungen stürmischen Geistern verlästert worden, jetzt
sehnten sie sich nach Schönheit. Nach dem Kranken wird nun das Gesunde kommen
und damit der gesunde, klare und künstlerisch verklärte Stil. Die beste Parallele ent-
deckt P. in der Sturm- und Drangperiode des ausgehenden vorigen Jh. — Es ist begreif-
lich, dass Carriere247) dieses Bekenntnis mit einem gewissen Triumphe bespricht; er
verweist übrigens auf die vierziger Jahre unseres Jh., in denen sich auch auf allen
Gebieten ein Umschwung ankündigte, in denen es von „überwundenen Standpunkten"
in Berlin „wimmelte". Er freut sich, dass nun nicht mehr bloss auf das Gemachtwerden
von aussen, auf das beliebte Milieu, sondern auch auf das Bilden von innen, auf die
originale Triebkraft des Menschen, Rücksicht genommen werden wird. —
Das Milieu, so sagt Carriere248) in einem anderen Aufsatze, „macht das
Innerlichste des Menschen zum Ergebnis von lauter Aeusserlichkeiten" und stimmt da-
242) 0. Hanssoii, D. Weib in d. Litt.: ib. S. 390/3. — 243/5) X K. Goldmaun, Ma.qochismus u. Sadismus in d. raod. Litt. :
ib. S. 769/6L - 246) C. PfUtze-Gro tte witz, Neuer Stil u. neue Schönheit: ib. S. 86/7. - 247) M. Carri^re, E. Be-
kenntnis d. ModoniPt flegenw. 39, S. 196/8. — 248) id., T). Milieu: ib. S. 343/5. — 249) K. Grottewitz, D. lleberwindung
63 R. M.Werner, Poetik und ihre Geschichte. 1 3: 250-285.
durch zu den In-lohren dos Materialismus. Aber das Milieu ist nicht die Macht, welche
den Dichter bildet, sondern das Mittel, dessen er sich bemächtigt, um sich und sein
Werk zu bilden, und deswegen sagt auch Zola, die Kunst sei ein Stück Wirklichkeit,
aufgefasst durch ein Temperament. Nicht als Geschöpfe so sehr, denn als Schöpfer
ihres Zeitgeistes haben die grossen Geister zu gelten. — Grotte witz 2*9) betrachtet die
Lehre vom Milieu als einen heilsamen Rückschlag, eine gesunde und fortschrittliche
Reaktion gegen die „Absolutheitsanschauung" vom Menschen, die nur auf die Thatsachen,
das Sein, nicht auf die Ursachen, das Worden sah. Aber wie jede neue Lehre wurde
auch die vom Milieu übertrieben. Jetzt glaubt niemand mehr an die „absolute Abge-
schlossenheit des Menschen", darum braucht auch „die Abhängigkeit vom Milieu nicht
als eine unbedingte hingestellt zu werden". ,,Die bisherige Lehre vom Milieu war für
den Durchschnittsmenschen geschaffen, der, wenig individualisiert, geistig inferior, aller-
dings den Einflüssen des Milieus blind gehorcht", während die Hervorragenderen, „die
geborenen Aristokraten", die Umwelt zu ihrem Dienste beugen. Je entwickelter ein
Mensch ist, um so mehr wird er Auswahl unter den Eindrücken halten, alle zuwider-
laufenden Einflüsse zurückweisen, das Milieu tiberwinden. Möge das Milieu aus den
Grössen a, b, c, d, e bestehen, so ist der Mensch keineswegs die Summe a-f-b-fc + d-f-e,
weil vielleicht der Mensch gar nicht zur Reaktion gegen die Grösse e disponiert ist.
Und die übrigbleibenden Grössen können sich gegenseitig verändern, so dass aus ihnen
etwas Neues herv'orgeht, wie aus den Tönen die Melodie, a, b können als m, einer
ganz neuen Grösse, ebenso c, d als n wirken und m, n gar als o vielleicht eine Grösse
(Empfindung, Idee, Handlung usw.) ergeben. — Diese Auseinandersetzungen hält ntui
B öl sehe 250) für Konfusion, denn Grottewitz stehe bald auf dem neuen Standpunkt des
Determinismus, bald auf dem alten der metaphysischen Weltanschauung. Wenn die
Grösse e nicht wirke, dann gehöre sie eben nicht zum Milieu des betreffenden Lidivi-
duums. Auch leugnet B., dass von Wissenschaft oder Kunst wirklich schon der Mensch
als Resiiltat der Verhältnisse berechnet worden sei, theoretisch habe dies Zola allerdings
verlangt, aber praktisch auch noch nicht leisten können. Die Konfusion kommt nach
B. daher, dass zwei Momente unklar gesehen werden, die man freilich kritisieren könne:
einmal die einseitige Uebertreibung der sogenannten „materialistischen Geschichts-
auffassung" in der modernen Litteratiu', und dann die Neigung einiger Poeten zu „ufer-
losen Beschreibungen des Hintergrundes, endlosen Landschaftspanoramen, riesigen Still-
lebenmalereien in Worten, wobei notwendig das Innenleben des Menschen verloren geht".
Das ist aber nicht untrennbar mit dem Milieu verbunden. Den ganzen Aufsatz von Grotte-
witz betrachtet B. nur als eine vollständige Rückkehr zu einem veralteten Standpunkt. —
Aber der „Neuästhetiker" Grottewitz 26i) glaubt eben, dass die realistische Aesthetik
Unrecht daran that, verschiedene Begriffe der alten Aesthetik unter falschen Voraus-
setzungen einfach beseitigen zu wollen, anstatt ihre Weiterent-wicklungsfähigkeit in
Rechnimg zu ziehen. Das zeigt er an der Phantasie, die von der realistischen Aestlietik
nur darum verworfen wurde, weil man ganz unbewusst nur ,,die mittelalterliche Nebel-
phantasie" darunter verstand; dass die Phantasie, als die Fähigkeit, ver.schiedene Be-
wusstseinsinhalte mit einander z\i neuen zu kombinieren, \uu\ als der so entstandene
neue Bewusstseinskomplex, etwas jedem Menschen Eigentümliches sei, das bedachte
man dabei nicht. Was uns Not thut, ist die hohe Phantasie, die Gabe, aus bekannten
Grössen das unbekannte gi'osse, zukunftsbedeutsame x herauzulösen. Die Hauptaufgabe
der neuen Aesthetik wird sein, zu untersuchen, wie die Phantasie sich zu den beiden
anderen Eigenschaften des grossen Dichters verhält, zu seiner Fähigkeit, Gefühlswerte
zu schaffen ^5-), und zum Besitz der höchsten Weltanschauung der Zeit. Vennittelst der
Phantasie kombiniert und kom])oniert der Künstler eine Fabel, vermittelst der zweiten
Fähigkeit lässt er die einzelnen Momente dieser Fabel als Geftihlswerte in das Gemüt
seiner Leser einziehen; um aber mit diesen Eigenschaften etwas Neues xnid Bedeut-
sames zu schaffen, muss er die höchste Bildung seiner Zeit besitzen, „denn nur so kann
die erwählte Fabel im fortgeschrittensten Lichte aufgefasst und die erzeugten Gefühls-
werte auf moderne Basis gestellt sein". — In ihrer gemeinsamen Arbeit haben Lauen-
stein und Grottewitz 253) ähnliche Gedanken ausgesprochen; Brieger in seiner Re-
cension verwii-ft die Weltanschauung der Vff. als unmodern, die neue Aesthetik sei alles,
nur kein Aestlietik. ^54) —
Ein wichtiges Thema, das neben dem Einflüsse des Milieu bestimmend auf die
Dichtung einwirken kann, stellte Franzos255) speciell vor das Fonun der Physiologie,
Nervenpathologie und P.sychiatrie, die Frage nämlich, wie weit durch Suggestion auf
d. Milieus: ML. 60, S. 455/7. — 250) W. Bölscho, Z. AesUiotik d. Konfusion: FrB. 2, S. 771/:l. - 251) K. Orottcwiti,
D. Wiedereinsetzung d. Pliantasio: ML. GO, S. 150/1. — 252) X Otto Ernst, D. Schöpfting d. Genihle. E. d ritt« Betrachtung
z. Psjisbologie d. Dichtung: ib. S. 70'L'. (Vgl. 1890 I 3 : 114 u. s. o. N. 110, 114.) — 263) O X A. Laucnstein u. K.
Grottewitz, Sonnenaufgang. |[A. Brieger: BLU. I, S.26/7.]l (Vgl. 1890 13 : 137.) - 254) X K. Grottewiti, D. xetm
Artikel d. Neu-Idealismus : Zeitgenosse 1, S. 152/7. — 255) K. E. Franz oa, D. Suggestion u. d. Dichtung. E. offener Brief:
I 3: 255a-278. R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 64
einen fremden Menschen Gedanken, Wünsche, Gemütseigenschaften, Hajidlungen über-
tragen werden können. Er führte drei merkwürdige Fälle solcher Suggestion an und
stellte die Trage ganz bestimmt: sind solche Fälle möglich und, wenn ja, handelt es sich
dabei um ganz besondere Ausnahmefälle oder um Erscheinungen, die wir oft erkennen
werden, sobald sich unser Blick für ihre Beobachtung geschärft haben wird? Es liefen
sehr interessante, zum Teil umfangreiche Gutachten wissenschaftlicher Autoritäten ein,
die aber keine durchgängige Ueberein Stimmung zeigten; die einen verhielten sich völlig
ablehnend gegen solche Erscheinungen, welche den anderen als bewiesen und nicht zu
bezweifeln gelten, obwohl sie nun im einzelnen meist sehr weit auseinandergehen. Von
allen aber wird die sogenannte Telepathie, die Willensübertragung ohne irgend welche
physische Vermittlung als unmöglich, undenkbar behandelt. Was aber natürlich für
die Dichtung das wichtigste ist, alle Stimmen sprechen dem Naturalismus beim Ver-
wenden der Suggestion als eines dichterischen Motivs jede Berechtigung ab, sich auf
die Wahrheit zu berufen. Das Aufsehen, das diese Enquete eri'egte, hatte den Abdruck
der einzelnen Gutachten in vielen Tagesblättern zur Eolge, was zu verzeichnen völlig
überflüssig wäre, auch wenn nun Polemik daran geknüpft wurde. — Hervorgehoben sei
nur, dass du Prel^sß) den Standpunkt einnimmt, die Suggestion sei zwar im Drama,
welches die ganze Handlungsweise des Helden aus dem Charakter herausspinnt, nicht
aber im Roman ausgeschlossen, hier sei das Thema für den Seelenmaler ungemein ver-
lockend.^^''"^ös^ — Du Prel259) hat übrigens seiner Theorie bald die dichterische Praxis
folgen lassen und besonders im zweiten Bande seines Romans die Suggestion von Ver-
brechen, freilich mit ihrem Gegensatz, der Entdeckung durch Suggestion, dargestellt. —
Auch diesmal kann wieder nur Einzelnes über die vier verschiedenen Kreise
des Naturalismus angedeutet werden, weil sonst der Bericht kein Ende nehmen würde;
fast in allen Zss. erscheinen Recensionen über die neiien Werke der Naturalisten ver-
bunden mit Auseinandersetzungen über die Prinzipien; manches wurde schon gestreift.
Ueber die französischen Zustände hat sich am eingehendsten Bahr^ßO) verbreitet;
er muss als genauer Kenner bezeichnet werden, dem keine bedeutsame Regung der
litterarischen Wiedergeburt entgeht. — Rells^^i) betrachtet und kritisiert die französische
zeitgenösische Litteratur als Psychologe, Lothar-*52^ hauptsächlich als pikanter Plauderer.
Zola263) erzählt von einer Zeitschrift ,,Der Realismus", die Edmond Duranty mit
einigen Ereuuden 1856 und 1857 herausgab, um die Romantik zu bekämpfen. —
Den wesentlichen Unterschied romanischen und germanischen Kunstempfindens führt
Marsop264) aus. —
Ueber den deutschen Naturalismus ist oben schon vielfach gehandelt.265-267^
In anmutiger, novellistisch eingekleideter Skizze handelt B. EörsterSes) von der allgemeinen
Bildung und kommt dann auf die Hauptrichtungen in Kunst und Wissenschaft zu
sprechen; seine Ansicht geht aus dem Satze hervor: „Nicht der Anblick des ab-
schreckenden Lasters, nicht die Erkenntnis des überwuchernden Elends erhebt den
Menschen zu mannhafter That, zu beglückendem Dasein . . . Die Freude allein ist's, die
den Menschen veredelt, die Freude an dem Zauber der Natur und an der Empfänglich-
keit der eigenen Seele für das Höchste und Schönste. "269-271) — Innerhalb des deutschen
Naturalismus bilden Berlin und Münclien wieder engere Kreise, die nicht immer har-
monieren.272-276) —
Ueber den russischen Natiu-alismus handelt „als trefflicher Führer auf diesem
Gebiete" E. Kraus277)^ doch zog er auch anderes mit herein. —
Am zahlreichsten sind die Schriften über den nordischen Kreis. Hansson^'^s)
schildert den Einfluss, den Georg Brandes auf die neue Litteratur übte, und gi-eift
dann als die „prägnantesten Persönlichkeiten" der nordischen Länder den Dänen
ML. 60, S. 8/9. - 255a) D.Suggestion u. d. Diclitung: DDichtung 9,8.71-80,1-25-30, 179—81,207/9, 251/3, 303/5; 10,8.25/7,
71/3. - 256) C. du Prel, Suggestion u. Diclitung: Gegonw. 39, 8. 53/6. - 257) X id., D. Suggestion v. Gericht: ib. S. 86/9.
— 258) X Ruff, D. Suggestion als dramatisclies Moment: FZg. N. 56. (I'lilirt d Wirkung d. Dramas auf Suggestion zurücV.)
- 259) C. du Prel, D. Kreuz am Forner. E. Lypnotisch-spiritistischor Roman. 2 Bde. Stuttgart, Cotta Nachf. IV, 312, 23« S.
M. 7,00. |[Gegenw.40, S.301/2.]j — 260) H. Bahr, Uehorwindung d. Naturalismus. Qi. o. N. 179.) - 261) W. Rolls, Psycho-
logie u. Naturalismus in Frankreich: Nations. 8, S. 532/4. — 262) R. Lothar, Neue Litteraturströmungen in Frankreich:
NFPr. N. 9741. - 263) E. Zola, D. realistische Beweguug in Frankreich vor 30 Jahren (deutsch v L. Berg): ML. 60,
S. 052/4. - 264) P. Marsop, Deutsche u. französische Kunst: Gegenw. 39, S. 260/2. - 265/6) X Ca jus Möller, Z. Lehens-
anschauung unserer ,jUngsten'' Littcratursehule : NatZg. N. 118. — 267) X 1j- Jacobowski, Z. Litt. d. Moderne. Krit.
StreifzUgo: Zeitgenosse 1, 8. 373/6. — 268) Brix Förster, Auf d. Chiemsee: BLU. 8. 417-20, 433/6. — 269) O X C.
Albert i, Natur u. Kunst. Beitrr. z. Untersuchung ihres gegenseitigen Yorhaltnisses. Leipzig. Friedrich. 320 S. M. 4,00.
|[ Eh: LChl. 8.1108/9 (ablohnend); Carriöre: AZg«. N. 191.]| - 270) X H. Eichfeld, D. Naturalismus u. d. Kunstreeen-
senton. E. Wort z Verteidigung: Kw. 4, S. 219—20. - 271) X K. Erdmann, D. konsequente Knalismus u. s. Absurditäten:
AZgii. N. 99. — 272) X Erw. Bauer, D. „Modernen" in Berlin u. MUntheu: 20Jh I, 8. 768-81. - 273) X 0. J. Bier-
baum, D. Oesellscliaft f. modernes Leben: ML. 60, 8. 12/3. — 274) X id., D. Bestrebungen d. „Moderne" in München: ib.
8. 153/4. — 275) X id., D. Denkschrift d. MUnchener „Moderne": ib. 8. 022/3. - 276) X Sodom u. Gomorrha oder d. Unter-
gang d. guten Güsclimacks in Kunst, Litt. u. Presse Rücksichtslose Kritik, Humor, Satire. In zwanglosen Heften. MUnchon,
Aokerraannn. IV, 127, 04, 82, 71 S. M. 2,00. — 277) O X Eberhard Kraus, Romantik u. Naturalismus. Litt. Kreuz- u.
QuersprUuge. Mitau, Hehre. 51 S. M. 1.00. |[BLU. I, 8. r:i9.]| — 278) 0. Hansson, D. junge Skandinavien. Vier Essays.
65 R. M. Woruor, Poetik und ihre Geschichte. I i: -ti-^h-v i 4: i-5.
J. 1', Jakobson, den Srliw(><lon An^u.sl, .Strindl»^-;; iiml dnn Norweger Anio Garborg herauH;
man wird h\c.\\ wundern, nicht Ihnon^''^) und JijjiniHon nennen zu hören, aber auf sie ist
Hansson-'^'*) sohlocht zu Hpreohen. — In- (eigenen Krinnerungen giobt Laura
Marliolin-**') ein sehr anschaulicheH Bild der «kandinaviscljen Ijitt<M-atur. Da M. die
meiston Sclu'i ff steiler j)ers('>nlich kennt, stehen sie vor ihr als Persöidichkeiten, und da
sie ihre l^cizielmngeii zu ihnen an(l(!utot, den Eindruck, die fjinwirkung, die sie von
ihnen cifuhr, so ist es uns, als liätten wir selbst Anteil an ihnen; niemand wird die
Schilderung von der Art, sich als McMischen wie als Schriftsteller zu geben, bei (Jeorg
Brandes, Alexandcsr L. Kielland je wieder vergessen. Die Macht der skandinavischen
Litteratur beruht nach M. auf ihrer individuellen Erfahrung, dem pereön liehen Bekenntnis,
dem erlebten Jjeben; diese Litteratur ist die Schilderung individualisierter Körper und
individualisierter Seelen. Das Neue war ihre Frische, ihre Naivetät, der Enist ihrer
Ehrlichkeit. Es wäre sehr schade, wenn diese köstlichen Bilderbogen nicht in be-
sonderem Abdrucke einem grösseren Publikum zuganglich gemacht würden.'^ — Der
stets originelle Harden-*') schilderte Arne Garborg und Knut Hamsun, die trotz dem
aufreibenden Kamj)f um die Existenz gelernt haben „de penscr noblement"; die Be-
trachtung ist mehr socialer als ästhetischer Natur. — üla Hansson wird durch Servaes^**)
als eine weiblich empfängliche, durchaus lyrisch subjektive Natur charakterisiert; zugleich
erkennt S. an ihr, was L. Marholm von der ganzen skandinavischen Litteratur gerühmt
hat, die kindliche Naivetät, die gar nicht weiss, wie schlimm die Dinge sind, die sie
nennt. In seinen Novellen sind ihm die Situationen gar nichts, die vereinzelte Lebens-
äusserung sehr wenig, er will nur das Persönlichkeitscentrum und seine Leitungen nach
aussen haben. Darin liegt bei aller Lebensfeindlichkeit und Kälte doch Kraft und
Eigenart. Hansson ist ein Werdender, kein Fertiger, aber er hat beherzt einige Schritte
iu uuentdecktes Land gethan. Der Zusammenhang mit der übrigen nordischen Litte-
ratur^**^) ist klar, aber auch die anderen Litteraturen nahmen Einfluss auf den Dichter. —
1,4
Schrift- und Buchwesen.
Karl Kochendörffer.
Scliri ftwesfln : Ilandschriftonkatalogo N. 1. — Autograplion N. 4. — Buchwesen: Erfindung d«r Drucker-
kunst N. ß. — Einzelne Drucker N. 10. — Bibliographie N. 3:1: BlockbUoher N. 36; Inkunaboln N. 38; lOOj. Kalender N. 4«;
Zeitungen N. 49; BUchflrvcr7.eichnis.'«e N. 51 ; ZeltschriTtenregister N.GO. — Bibliotheken: Allgemeinrs N. M; einzelne Bibliothekea
N. 70; Schulbibliotheken N. 89; Bibliophilen unil Bibliothekare N. 99. — Buchhandel: Allgeineinw N. 104; Buchbtodler
N. 117; Censur N. 132; Nachdruck N. 135; Pflichtt-xeinplare N. 13K; heutiger Betiieb N. 144. — Bucheinband N. 153.—
Auf dem Gebiete des Schriftwesens ist im Berichtsjahr nichts von Belang
erschienen. Mit der Veröffentlichung von Handschriftenkatalogen beginnen die
Grossherzogliche Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe (s. u. N. 76) und die könig-
liche öffentliche Bibliothek in Stuttgart (s. u. N. 77). — Keuffer •) setzt das Verzeichnis
der Stadtbililiothek zu Trier fort. — Einiges aus der kleinen Hand.schriften8ammlung
der Schneeberger Lyceumsbibliothek bringt Heydenreich 2) l)ei. 3) —
Ueber die Versteigerung von Autographen durch Liepmannsohn in Berlin,
Briefen von Musikern und Dichtern, liegt ein Bericht <) vor. Darunter sind Briefe von
Goethe, Schiller, Klopstock, Reuter, Heine; von letzterem 3 Jugendbriefe aus dem Jahre 1822.
— A. Colin 5) hat wiederum einen Katalog von Autograi>hen herausgegeben, hi dem u. a.
Auerbach, Bodenstedt, Chamisso, Freiligi-ath, Geibel, Geliert, Goethe, Hebbel, Heine,
Hölderlin, Immermann, Leibniz, Rückert, Schefer, Schiller, Wieland, Zimmennann ver-
treten sind. Unter den Stammbüchern erweckt das des stud. jur. W. L. Rodow6 aus
Dresden u. Leipzig, Pierson. 184 S. M. 2,00. — 279) X W. Bölsche, Sechs Kapitel Psychologie nach Ibsen: FrB. 2,
S. 1272/4. — 280) X 0. Hansson, D. Litteraturentwicklung in Skandinavien: Kw. 4, S. 177 9. — 28h Laura Marholm,
D. skandinavische Bowogui g I— III: VZgg. N. 13T>. - 282) X id., D. Bauer in d. Litt : Kw. 4, S. 273 7. — 283)11.
Hardon, AllUgspopsie : Nationn. 8, S. 467/8. (Vgl. Kw. 4, S. 244/5.) — 284) F. Servaes, O. Hanssons neue Sohrirten: FrB-
2, S. 1245/8. — 285) X Vald Vedel, D. Lebenswert d. modernon Litt Nach d. Dänischen bearb. v. Friedr. t. KlneKAesohi):
Zeitgenosse 1, S. 444/6. —
I) M. Keuffer, D. Kirchenvater. Hss. d. Stodtbibliothek in Trier. N. 113—214 d. H8S.-Ratalogs. (= BMihreibeadM
Verzeichnis d. Hss. d. Stadtbibl. zu Trier v. M. Keuffer. 2. Heft.) Trier, Lintt. XIII, 149 S. M. 3,00. - 2) E. Herden -
reich, Mitteilungen aus d. Hss. d. alten Schneeberger Lyceumsbibliothek = Festschrift d. Kgl. Oymn. mit Bealklassen xn
d. am 30. Okt. st:ittlind. Einweihung d. neuen Schnigeb. Schneeberg, Glrtner. S. 40 8. — 3) O X Beck. D. hss. Brief-
schatze d. Zwickauer Ratsschulbibl. aus d. 17. Jh. Referat Über e. Vortrag: MAVZwickan. 3, S. XIIIIV. — 4) Autographen:
NFPr. N. 9500. — 5) Katalog e. wertvollen SammL v. Antogmphen, bist Dokumenten, Stammbüchern n. Urkunden aas d. Be-
sitze d. verstorb. Hrn. F. Roeth, H Reimer, A. Schloenbach, K. Elze, Frl. Fanny Tamow n. A. Berlin, Alb. Cohn. 102 8. —
Jahresberichte fUr neuere deutKche Lilteratorgcscbichte U cd. i>
1 4: c-12. K. Kochen dörffer, Schrift- imd Bnchweseti. 60
Osnabrück besonderes Interesse durch die Eintragungen von Lessing und Goethe, denen
die Silhouetten der Dichter beigezeichnet sind. —
Viel mehr hat man sich mit dem Buchwesen beschäftigt. Ueber die Er-
findung der Buchdruckerkunst bringt das Berichtsjahr eine Monographie, die den
Anspruch erhebt, wissenschaftlich zu sein. Aber anstatt aus den scharfsinnigen und
gründlichen Arbeiten der letzten Jahre von v. d. Linde, Dziatzko, Wyss zu lernen, bleibt
ihr Vf., Eaulmann ß) dabei, die Legende von den hölzernen Lettern zu verteidigen, mit
denen er die Bögeilige Bibel gedruckt sein lässt. Um seine Ansicht zu halten, sieht er
sich o-enötigt, der Reihe nach alle iirkundlichen Nachrichten, die wir über die Erfindung
noch haben, die Strassburger Prozessakten, die Helmaspergersche Urktmde usw. für
Fälschungen zu erklären, ohne doch über die erforderlichen palaeographischen mul
diplomatischen Kenntnisse zu verfügen, die ihn zu diesem Urteil berechtigen könnten.
Natürlich werden auch die neuen in Avignon aufgefundenen Urkunden, die F. mit ihren
metallenen Typen im 5. Jahrzehnt des 15. Jh. nicht passen, als gefälscht verworfen.
Wyss hat in seiner Kritik des F.schen Buches dessen völlige Unbrauchbarkeit über-
zeugend nachgewiesen. — Anspruchsloser als Faulmanns Darstellung tritt ein Schriftchen
des Pfarrers Ihme '') auf, das der Erfindung des Buchdrucks im Elsassund den s])äteren
Druckern dieses Landes gewidmet ist. Diese Anspruchslosigkeit ist leider auch das
einzige Gute, was sich von dem Buche sagen lässt. Denn der beste Wille, der gewiss
hier Antrieb zur Arbeit war, ist keine Entschuldigung für das Unterfangen, ohne Kenntnis
der Litteratur und namentlich der Probleme, um die es sich handelt, andere, „die weniger
wissen", belehren zu wollen. Nach I. hat Schöffer das Giessen der Lettern erfunden.
„Dadurch war ein neuer wichtiger Fortschritt erzielt, vind das ist die Mainz eigens zu-
kommende Ehre, dass, nachdem Gutenberg, der Mainzer, in Strassburg die bew^eglichen,
geschnitzten hölzernen Buchstaben samt der Druckerpresse erfunden, Peter Schöifer in
Mainz die gegossenen Buchstaben erfunden hat. " Die Nachrichten über die Strass-
burger Drucker sind Ch. Schmidts Buch über Strassburgs Bibliotheken und Buchdrucker
entnommen. — Der Versuch Fumagallis '''*), seinem Landsmann Pamfilo Castaldi die
Ehre der Erfindung zuzuweisen, muss trotz dem Aufwand von Eifer inid Scharfsinn
als aussichtslos bezeichnet werden, da die Zeugnisse spät und belanglos sind. — Dem
Urkiindenfund von Avignon, der den Procopius Waldvogel betrifft, widmet Requin ^)
eine zweite Schrift, in der auch die Faksimiles der Urkunden mitgeteilt werden, die
jeden Zweifel an der Echtheit zerstören müssen. Während R. seine erste Schrift mit
dem Satze schloss, dass Avignon nunmehr als die erste Stadt dastehe, die nach Strass-
burg eine Druckerei besessen habe, lässt er jetzt freilich bei dem Mangel jeden Druckes
die Existenz einer solchen in Zweifel, wirft aber dafür die Frage auf, ob Waldvogel
selbst Erfinder gewesen sei oder die Kunst in Strassburg gelernt habe. — Dass Wald-
vogel nach den Urkunden nicht gerade den Eindruck des Erfinders macht, hat schon
Goebel^) hervorgehoben. —
Die Reihe derer, die über einzelne Drucker gehandelt haben, eröffnet von
der Linde 10^: er beschäftigt sich mit Peter Schöffer. Dieser war anfangs Kleriker und
erscheint zuerst 1451 als Bücherabschreiber zu Paris. Schon dadurch ist es ausge-
schlossen, dass er an der Ei-findung der Buchdruckerkunst irgendwie beteiligt war. Am
16. Nov. 1455 ist er in Mainz Belastungszeuge wider Gutenberg für Johann Fust, dessen
Töchter er heiratet und mit dem zusammen er ein Verlagsgeschäft gründet. Von da
ging das erste vollständig datierte typographisch gedruckte Buch der Welt, das „Brevi-
arium Mogimtinum" aus. — Ueber den Schwiegersohn des grossen Strassburger Drucker-
herrn Mentel, Martin Schott, bericlitet Steiff ^^). Als ersten datierten Druck von ihm
haben wir ein deutsches Plenar v. J. 1481, als letzten Wimphelings „Philippica" Ende
1498. Doch reicht seine Thätigkeit sicher über beide Grenzen hinaus. Seine Drucke,
meist dexitsche Werke, sind mit künstlerischem Schmuck reich ausgestattet. — Sein
Sohn Johannes Schott, ebenfalls von Steiff'^) besprochen, studierte in Freiburg, Heidel-
berg \\m\ Basel. Der erste bekannte Druck von ihm stammt aus dem Jahre 1500; er
druckte bis zur Mitte des Jh. Da die „Margarita ])hilosophica" des Gregor Reisch
1503 Freiburg als Druckort nennt, die Ausgabe 1504 in Basel korrigiert iiud die dritte
von Michael Fiu'ter inid Schott gemeinsam in Basel herausgegeben wurde, so wird wohl
Schotts Geschäft auch in jenen Städten eine Vertretung gehabt haben. Von seinen
Drucken sind gegen 130 bekannt, die wirkliche Zahl beläuft sich aber sicher auf mehr
8) K. Fanlmann, D. Erfindung d. Buchdruckerkunnt nach d. neuesten Forschungen. D. dtsch. Volke dargestellt. Wien,
Pest, Leipzig, l{artl(iben. VllI, 156 S. ||Wyss: CblUiblw. 8, S. 551—60; Du Kiou: NoderlaiiaseheSpfctator S. 2-14;6.]| —
7) F. A. Ihine, Gutenhorg n. d. lluchdruckorkunst im Elsass. Strassburg, (;. F. Schmidt. 52 S. M. 0,80. — 7a) G. Funia-
galli, La quostiono di ramfilo Castaldi. Mailand, Iloeiili. 127 S. L. 3. |[K. Dziatzko: DLZ. 12, S. 1895/6.]] — 8) Requiu,
Urigines de riniprimorie en France (Avignon 1444). (= Erweit. Abdr. aus: Clir.Ißliupr. S. 51—60.) Paris, Cercle de la librairie.
40 S. M. 1,60. - 9) Tb. Goebel, 1). Buchdruckeroi zu Avignon: BOrslilDliuchhandel 57,3 (1890), S. 4598-600. — IG) A. von
der Linde, Peter Schtiffer: ADB. 32, S. 213/4. - II) K. Steiff, Martin Schott: ib. S. 406/6. — 12) id., Johannes Schott: ib
67 K. K oclKMiflör f ft'i-. Scliriff- tiinl Bnol»w«sen. f 4: 13-2««.
als 150. Darunter ist die Iniiiiaiiistisrlu« J^itrcratur /icinlich stark vertreten. Auch zei^t
Schott sicli als eifrif^dii Aiihän^^nr der Reformation. Eine gi'osse Zahl auch seiner Drucke
ist mit Holzschnitten reich geziert. — Den beiden Druck<!rn Matthias und Lazarus
Schürer gelten zwei Artil<(^l Knods'^-H). Matthias, ans Schlettstadt gehCirtig, war her-
vorrngender lunnaiiistischer Drucker in Strassburg, wo er, seit ITKJO in der Druckeroi
soin(^s Oheims Martiu Flach als Korrektor thätig, 15{)H eine eigene Druckerei ««rrichtete,
die vorzugsweise der Verbreitung der Klassiker und der Werke humanistischer Schrift-
steller gewidmet war. Von H. Bebel ist das meiste bei ihm erschienen, von Erasmus
15 Werke in etwa 70 Ausgaben 150*.) — 1519. Des Matthias Neffe ist Lazarus SchOrer,
innnanisiischer und reformatorischer Drucker in Schlettstadt, als Drucker ausgebildet
in der Offizin seines Strassburger Oheims, dessen Teilhaber er wurde und von dessen
hinteriassener Presse er 1519 einen Teil nach Schlettstadt überführte. Sein erstes hier
entstandenes Werk, noch 1519 erschienen, ist von Erasmus, wenngleich sich die 1520
erschienenen „Epigranimata Jo. Sapidi" als „primitiae" bezeichnen. Aus seiner Presse
ging eine nicht geringe Zahl reformatorischer Schriften hervor, während er selbst schon
1519 zur alten Kirche zurückkehrte. 1522 gab er seine Druckerei auf. — Die ersten
Münchener Drucker bespricht Ruepprecht '^). Der erste bekannte Druck ist Hans
Schauers Schrift „Mirabilia Romae" 1482. Hans Schauer war wandernder Buchdrucker,
bis 1494 in München, wo aber kein weiterer Druck von ihm bezexigt ist, später ina
Augsburg. Er ist nicht identisch mit Froschauer, wie früher angenommen wurde, dv
für einen jeden eine eigene Matrikel in Augsburg besteht. Der zweite Drucker is
Hans Schobser, der bis 1498 in Augsburg thätig gewesen ist. Von ihm keimen wir zwei
Drucke. Von dem dritten, Benedikt Puchpinnder, sind uns drei Drucke erhalten. —
W. Vogt'"!^) giebt Nachrichten über drei Augsburger Drucker, Johann Schftssler, Hans
Schönsperger und Hans Schobser. Schüssler wird in den Augsburger Steuerbüchern
zuerst 14G6 erwähnt. Bekannt sind von ihm 8 Drucke aus den Jahren 1470 — 73. Er
soll seine Kunst von Günther Zainer erlernt haben. Des Namens Hans Schönsperger
sind zwei zu unterscheiden, „der elter" und „der junge". Der berühmtere ist der ältere, von
dem wir als ersten Druck ein „Regimen sanitatis" von 1481 kennen. Er druckte eine Menge
deutscher Bücher, darunter „Sachsenspiegel", „Buch der Natur", „Buch der Wei.sheit",
eine deutsche Bibel 1487 und „Elucidarius" 1490. 1501 hört seine Thätigkeit in Augs-
burg auf. 1510 erscheint Hans Schensperger der junge, der zugleich Buchführer war.
1517 kommt in Nürnberg des altem Schönspergers prächtigstes Werk, der „Theuerdank"
mit den Schaufel ins chen Holzschnitten heraus, die zweite Ausgabe 1519 in Augsf)urg.
Bis 1524 erscheinen dann noch Drucke ohne Unterscheidung der beiden, so dass ihre
Vereinigung zu vermuten ist. — Hans Schobsers erster Augsburger Druck ist „<ier
teutsche Kalender" 1488; 1489 folgte die Uebersetzung der „Gesta Romanorum". •') —
Ueber clie deutschen Inkunabeldrucker in Italien, Johann Schurener und Scinzenzeler,
berichtet Steiff 20-21). Schurener, ein Magister aus Boppard, hatte seine Druckerpresse
in Rom aufgeschlagen, wo von ihm zwischen 1474 und 1477, z. T. in Verbindung mit
Mag. Nikolaus Hanhe^'^mer aus Oppenheim, Drucke hergestellt wurden. Die ihm von
Hain ziigeschriebenen Drucke würden seine Thätigkeit mindestens bis 1485 führen lassen.
Die Scinzenzeler in Mailand stammen aus Bayern. Der hervorragendere, Ulrich, druckt
seit 1478 zusammen mit seinem Landsmann Leonhard Rachel. Ihr letzter gemeinsamer
Druck stammt aus dem Jahre 1489. Von 1487 bis 1500 druckt Ulrich auch allein.
Bekannt sind uns von ihm etw^a 210 Inkunabeln, die von seinem umfangreichen Ge-
schäfte zeugen. Wahrscheinlich ist der auf fünf Drucken erscheinende Heinrich Scin-
zenzeler identisch mit Ulrich. Von 1500 an druckt in Mailand Johann Angelus Scin-
zenzeler, jedenfalls ein Sohn des Ulrich, mit dem er sich aber weder an Zalü noch
an Schönheit der Drucke messen kann. — Erwähnt sei noch ein Artikel über Hans
Schweintzer -2) in Strassburg; über andere neuere Drucker, Valentin Schumann in
Leipzig, Hieronymus Schütz in Dresden, SaJomon Schnorr in Helmstedt, handeln
Wustmann 23)^ G. Müller 24) und P. Zimmermann 25). — Die Bemühungen und Ver-
dienste des Verlages von Johann Schoeffer in Mainz (1503 — 1531) um die Herausgabe
lateinischer Klassiker und Schulbücher beleuchtet F. W. E. Roth 26) durch eine Biblio-
graphie dieser zum Teil selten gewordenen Drucke. — Ein für die Geschichte des Buch-
S. 402/4. — 13) G. Knod, Matthias SchUrer: ib. 33, S. 84 5. — 14) id., LataruB SchBrer: ib. 8.83/4. — IS)Ch. Rneppreeht,
D. MOnchener Inkunabeln: AZg». N. 101, S. 4/6. - 16) W. Vogt. Johann SchOssIer: ADB. 3.3, S. 09. - 17) id., Hans Schöns-
perger: ib. 32, S. 320/1. — 18) id., Hans Schobser: ib. S. 211. — 19) X Th. Drück, Z. Gesch. d. Beutliiiger Bochdmcks
BBSW. N. 13/4. (Besprechung v. SteifFs Aufsatz z. Gesch. d. Reutlinger Buchdrucks im 1. Jh. d. Buchdnii-kerkunst; Tgl.
JBL. 1890 I 4 : 33.) — 20) K. Steiff. Johanu Schurener: ADB. 33, S. 82 3. — 21) id., Scinzenzeler: ib. S. 476 9. - 22) 1. n.,
Hans Schweintzer: ib. S. 3tU 5. - 23) O. Wu s tma nn, Valentin Schumann : ib. S. 57 9. — 24) G. MOller, Hieronymox
Schütz: ib. S. 1-26(7. — 25) P. Z liinnerm an n, Salomon Schnorr: ib. 32, S. 181. — 26) F. W. E. Roth, D. Buchdrucker u.
Verleger Johann Schoeffer zu Mainz. 1503—31 als Verleger lat. Klassiker n. Schulbücher: BomanF. 6, S. 4«2— 75. — 26a) F.
Olthoff, De Boekdrukkers, Boekverkoopers en Uitgeyers in Antwerpen sedert de nitrinding der boekdnikkanst tot op onie
dagen, alfabetisch gerangschikt en van geschiedkundige aanteekening«n voorzien, opgeluisterd door een a«nt«l portretten en
5*
I 4: 27-38. K. Kochendörffer, Schrift- und Buchwesen. 68
drucks und Buchhandels in Antwerpen sehr schätzbares Werk ist Olthoffs^ßa) alpha-
betische Ziisammen Stellung aller Buchdrucker und Buchhändler dieser Stadt. Der Vf.
bringt unter den einzelnen Namen eine Fülle von historischen Nacliricliten, verzeiclmet
viele der selteneren Drucke und teilt eine grosse Anzahl von Druckennarken, auch
einige Bildnisse berühmter Drucker mit. Ein sorgfältiges und nützliches Verzeichnis
der Hausnamen, die oft allein im Impressum angegeben werden und deshalb zur Be-
stimmung der Drucke von Bedeutung sind, bescliliesst den Band und giebt Anlass zu
dem Wunsche nach einer umfassenden Sammlimg solcher Namen. Wenn 0. in der
Einleitung den Buchdruck sclion dem Anfang des 15. Jh. zuweist, so wird er das wohl
nicht so ernst meinen. — In die Werkstatt des berühmten Antwerpener Druckers Plantin,
dessen Geschäftshaus mit der vollständigen Einrichtung noch erhalten, von der Stadt
angekauft und zu einem Museum umgewandelt ist, führt uns eine auf Degeorges „Maison
Plantin" beruhende Skizze 27)^ in der nach Rooses, dem Biographen Plantins, einige
Hauptdaten der Geschichte des Hauses mitgeteilt werden. — Von dem einzigen dort
erhaltenen Einbände Clir. Plantins, der bekanntlich zuerst Buchbinder war, giebt
Grueps) eine Abbildung. — Aus den Baseler Gerichtsakten bringt StehlinSö) zur
Geschichte des Buchgewerbes Regesten, als Fortsetzung seiner Sammlungen in früheren
Bänden des AGDBuchhandel. — In die schweizerische Stadt Biel hat die Buchdrucker-
kunst erst sehr spät, nämlich im Jahre 1734 Eingang gefunden. Einen auf den Ratsakten
beruhenden Abriss ihrer Geschichte liefert Maag^o). Der erste Drucker war Johann
Christoph Heilmann, der in seiner Heimat Marburg i. H. noch nicht selbständig ge-
druckt hat. Wenn M. zum Tröste für die späte Einführung des Buchdrucks in Biel
mit Stolz darauf hinweist, dass die Genealogie der ersten bielerischen Druckerfamilie
bis auf die Wiege der Kunst zurückgehe, indem er an die beiden Heilmanns denkt, die
in Strassburg mit Gutenberg in Verbindung standen, so müsste er docli erst beweisen,
dass zwischen den Marburger Heilmanns und jenen ein verwandtschaftliches Verhältnis
bestand, was mir ausgeschlossen erscheint. 3i-32j —
Der landläufige Begriff der Bibliographie 33-34) igt ein sehr vielseitiger und
umfasst sowohl die wissenschaftliche Buchbeschreibung wie die einfache Schriftenaufzäh-
lung. Wir beginnen mit jener, die allein eigentlich den Namen verdient. Einen wert-
vollen Beitrag zur Geschichte der Blockbücher hat Hochegger ^s) geliefert und zu-
gleich den Nachweis, dass sie nicht sowohl der künstlerischen Darstellung als vielmelu'
dem praktischen Bedürfnis nach Unterrichtsmitteln zu verdanken seien. Für den Biblio-
gi-aphen ist nicht nur seine eingehende Besprechung des „Liber regum", dessen Text
er abdruckt, von Wert, sondern vor allem die Bemerkungen über die verschiedenen
uns erhaltenen Blockbücher, sowie über die Bedeutung der Sammelbände für die Auf-
hellung ihrer Bibliographie. Hat er auch die Gleiclizeitigkeit und Zusammengehörigkeit
der zusammengebundenen Blockbücher nur wahrscheinlich gemacht, keineswegs be-
wiesen, so verwirft er die leider nur zu häufig in Bibliotheken und Antiquariaten
geübte Praxis, die alten Sammelbände zu zerstören, mit Recht als unwissen-
schaftlich. 36-37) _
Ein für die Erforschung der Inkunabeln hervorragend wichtiges Werk hat
Burger 38) mit seinem Index zu Hains „Repertoriinn bibliographicum" geliefert. Da
dieses nach dem Alphabet der Autoren angelegt ist, so musste bei einer jeden Unter-
suchung über einzelne Drucker, über den Anteil einzelner Städte an dem Buclidruck,
über die ersten bekannten Drucke iisw., so weit sie auf Hain gegründet werden
sollte, bisher immer wieder das ganze umfangreiche Werk durchgearbeitet werden, ohne
dass die Sicherheit gegeben war, dass nichts überselien sei. B.s Veröffentlicluing, die
unser ungeteiltes Lob verdient, hat nun ein- für allemal solclie Vorarbeiten überflüssig
gemacht und die reiche Fundgrube ganz erschlossen. — Für den Laien vielleicht nicht
uninteressante, sonst aber doch etwas unzulängliche Mitteilungen über das Wesen der
drukkorsmorken. Antwerpen, Rnof, 40. 134 S. — 27) H. Wnn., D. Erzdrncker v. Antwerpen. (Reisemomonte.) NFPr.
N. »748. — 28) L. Gruel, Christophe Plantin, rölieur: Clir.TGImpr. 80. Annöo, 2. S6rie, Tome 35, S. 213/6. - 29) K. Stehlin,
Regosten z. Gesch. d. Buchdrucks. 1501—20. Aus d. Basler Archiven: AGDBuchhandel 14, S. 10—98. — 30) A. Maag, D.
ersten Bnclidruckor in d. Stadt Biel: BernerTh. 41, S. 55-76. — 31) X F. Amhrosi, I tipograii trentini o lo loro edizioni.
— Estr. dair Archivio trentino. Tronto, Mariotti. 34 S. — 32) X A. Kirchhoff, E. Druekorei-Taxo aus d. J. 1694:
AODBuclihandcl 14, S. 360/3. - 33) X W. T. Rogers, A mamial of bibliography. New od. London, Grovol, Sop. Sh. 5. —
|[CBlBibl. 8, S. 230/1.]] — 34) X G. Ottino, Bibliografia. 2. ediz. rivoduta. Milano, Hoepli. VI, 160 S. L. 2. - 35) R.
Hochogger, Uebor d. Entstehung u. Bedeutung d. BlockbUcher mit besond. Rllcksicht auf d. Liber Roguni .sou Historia
DavidiH. E. bibliogr.-kunstgesch. Studio. Zugleich e. Boitr. z. Gesch. d. Untorriclitswosens. M. e. Faksimilo-Tafel. (= Bei-
hefte z. CBlBibl. VIT.) Leipzig, Harrassowitz. VIII, 67 S. M. 3,60 |[0. Moyer: DLZ. 12, S. 1701/2; H. Janitschok: LCBl.
1892, S. 655.]| — 36)0 XR-Forrer u. P. Gorschol, 6 Holztafeldrncko u. e. Kupferstich-Inkunabel d. Sammlung Forror. 7 photogr.
Tafel-Fcsras. in Orig.-Gr. nebst erl. Text. In Mappe. Strassburg, Gerschol. 4«. 7 S. M. 15,00, mit llandkolorit M. 24,00. —
37) O X E. Kol ebner, 11. Enndkrist d. Stadt-Bibl. zu Frankfurt a. M. Fcsm.-Wiodergabe. Her. u. bibliogr. be.schr. Frank-
urt a.M., Keller. 4". IX, 40 S. m. Abbild. M. 18,00. — 38) K. Bürger, Repertorium bibliographicum in quo libri omnes
ab arte typographioa inventa usque ad annum Ml) typis expressi . . . recensentiir. Opera Ludovici Hain. Indices uberrimi.
(= Ludwig Hains Repertorium liibliographicum. Register. D.Drucker d. 16. Jh. mit chronolog. Uobersicht ihrer Werke zus.-gest.
Beihefte z. CBlBibl. VIII.) Lipsiae, Harrassowitz. VI, 428 S. M. 16,00 |[E. Steffeuhagon: LCBl. 1892, S. 334/5; K. Kochen-
69 K. Kochendörffer, Schrift- und Buchwesen. I 4:'89-M.
Iiikmiabohi hiin^t Ruepprocht^«). Einige veretändige Betrachtungen und WünHche am
ScIjIukso dv.H Aufmit/os hinsichtlich dor Behandlung von Inkunabeln Hind zum Teil
Hchoii zur Thatsacho «^owordeii. Dass auch K. du« Märchen von den anfung« auH Holz,
(lanu aus Metall goKchnittonen, «pätor erat gegossonon Lottern wio<lor auftiHcht, horahrt
seltsam. — Von oiiuir zwar nicht sehr umfangreichen, aber doch an Seltenheiten nicht
armen Inkunabelsammlung in der Stadtbibliothek zu Braunschweig hat Nentwig**')
ein Verzeichnis erscheinen la.ssen, das mit grosser Sorgfalt imch den von Milchsack in
Tetzholdts Neuem Anzeiger 1H82 aufgost(!lU(!n llegtsln gearbeitet ist. Wie sehr sich die
Arlxiit lohnt, ergicibt sich schon aus dem Umstand, dass von den Braunschweiger In-
kunabeln allein 44 von Hain nur aufgeführt, nicht boschrieben, 92 ihm unbekannt ge-
blieben sind. — R. Busch ••') behandelt in der Fortsetzung seines Vt'rzeichnisses der
Kölner Inkunabeln die Drucke des Heinrich Quentell, deren die Darmstädter Hof-
bibliolhek 7ü besitzt, aus den Jahren 1475)— 1481 und 14H0— ir>OÜ. Benusrkenswert ist,
(lass auch unter diesen Drucken, wie in Einjens Verzeichnis der auf d*!r Kölner Stjidt-
biblii)thek vorhandenen, keiner aus den Jahren 14H'2 bis einschliesslich 14H<; sich b(!-
Hndot und aus den Jahren 14H7 und 14H8 nur je eiiujr und zwar ohm; Nennung des
Druckers. *2-«:») — Von der Versteigerung einer wortvollen BCichersannnlung des ver-
storbenen Bierbrauers W. H. Crawford in London, die zahlreiche Inkunabeln, darunter
besonders Editiones principes der griechischen und lateinischen Autoren enthielt, winl
Nachricht*^) gegeben, wobei zugleich die für diese Erstlingsausgaben erzielten Auktions-
preiso mitgeteilt werden. 45-47^ —
Die Entwicklungsgeschichte des lOüj. Kalenders von Mauritius Kimuer, Prä-
laten des Klosters Langlieim, hat Borthold <») zum Gegenstände seiner Untersuchung
gemacht und 138 verschiedene Drucke aus den Jahren 1701 — 18<;8 festgestellt, während
or die Anzahl der erschienenen auf 220 berechnet. Von den Originaldrucken Knauore,
(leren Existenz B. wahrscheinlich macht, ist keiner bekannt. Die erste Au.sgabo hat
lliiUwig nach einem anonymen Knauerschcn Ms. bearbeitet und 1701 in Erfurt erscheinen
lassen, während die Reihe der Ausgaben, in denen Knauer als Vf. gonainit ist, 1704
in (Xilmbach beginnt. Von der Hellwigschen Ausgabe sind bis auf die Neuzeit 40, von
der Knauerschen 90 — 100 Drucke erschienen, daneben noch eine Menge verschiedener
Bearbeitungen, die B. auf 5 Typen zurückfülirt. —
Die CTOi^chichto der älteren Zeitungen leidet vor allem an dem Mangel an er-
haltenen Exemplaren dieser ephemeren Littoratur. Eine Sammlung aus der Zeit des
30 j. Krieges, wie sie die Stadtbibliothek in Zürich besitzt, ist deshalb von hohem Werte.
Schon Opel hat ihr in schien Anfängen der deutschen Zeitungspresse eine Untersuchung
gewidmet. Für eine von ihnen, die „Zeitung Post" 1()33 oder „Wöchentliche Ordinari-
Zeitung" seit 1034, die Opel für ein Frankfurter Journal erklärt hatte, erbringt
Bodmor-*'J) den Beweis, dass sie hi Zürich aus der Bodmerschen Druckerei hervor-
gegangen ist, wobei er zugleich über die Entwicklung des ältesten Zeitungswosens
neues Licht verbreitet. Die Anfänge gehen auf das Postwesen zurück. Zeitungen
konnten nur da entstehen, wo verschiedene Postlinien sich kreuzten und ein Zusannnen-
tluss der maTniigfaltigsten Nachrichten statt hatte. Auch die Periodicität hängt mit der
Post zusannnen: die ersten Postverbindungen waren wöchentliche, die iütesten Zeitungen
daher Wochenblätter. Sie versorgten den Ort, wo sie erschienen, mit den politischen
Nachrichten aus dem Ausland und hatten deshalb für Lokalberichterstattung noch keinen
Raum, so dass vom Druckorte selbst nichts mitgeteilt wurde. Wenn nun die Beiblätter
der „Ordinari-Zeitung", von denen 15 erhalten sind, unter anderm die Aufschrift tragen
„Extra Ordinari Zeitungen auss Franckfurt am Mayn", so kann damit nicht, wie Opel
glaubte, eine Frankfurter Zeitung gemeint sein, sondern nur, dass die Nachrichten aus
Frankfurt stammen, also eine Frankfurter Korrespondenz, was bestätigt wird durch
eine andere Beiblattaufschrift „Extra Ordinari Zeitung auss vnderschiedenlichen Landen
vnd Orten". Die Bestinnnung der Zeitung als Zürcherische ergiebt sich aus der, Her-
kunft der Berichte. Sie muss an einem Orte entstanden sein, aus welchem man Nach-
richten erwarten darf, aus dem sie aber ganz felden, während die Umgebung des Druck -
dörflor: DLZ 13, S. 183/4.]| — 39) C h. Kuop procht, Uober Inkumiboln. S.-A. aus ,üouUche Uuoliliandler-Ak»d«ww»
M. 7, Heft 10. Weimar. Weissbuch. 13 S. M. 0.25. - 40) H. NentwiR. 1). Wiegondrucko in d. StadlbiWiolhoV tu Bnuin-
shwois. Im Auftr. d. sUdt. Hohördon bcarb. WolfenbUttol, Zwisslor. IX. 24t? S. M. 7,.'iO. |[0. H[.rtwiKl: CHblBlM. S.
S. 41tJl| - 41) B Husch, Vorz. d. KOlnor Inkiinabolu in d. Gros.shorzgl. Hofbibl. tu DannsUdt. IV. Mit d. Typen d. Homneh
Qucntellschen Ofliziu gedruckte Werke: ClilBibl. 8, S. 30-48. - 42) O X M. Pelloohet, C.UIoguo de« incunablo^ et do*
livros iinrrimfs de 1500 ,\ 1520 do la bibliotbdque de Versailles. Pari», PicanL - 43) O X M- Roura. «j^""'» *^ '»*
iiicunables, nue posee la Hibliotoca publica do Mahon. Palma, escuela lipogr. provinclal. 1890. XXX. 1^4 8. - **> ^»'»'^'- "'
S 400/2 - 45) O X II. Houchot, Les livres i vignetles du XV. »u XVllI. sii^clo. Paris. Roureyre »!^- »« ». -
46) O X i<l, Los livres -X vignettos du XIX. «iöclo. Paris, Kouvoyro. 18«. 104 S. - 47) X A. Ein sie. D. P^Pk- ^»"♦*
alter u.ueucr Zeit. Vortr., gob. am 20. Febr. 18«! in d. Monats-Versan,ml. d. Allertums-y..re,ns .n W'-m ^ .en. KöhUr. 4«-
lOS.- 48) .1. 1! er t hold, Bibliogr. Beitrr. z. Frage Über d. Entwicklung d. lOOj. Kalender«: CBWB.bl. 8 >. 89-1».
iVgl. JllL. IS'.tü U 5 : 35.) - 49) U. Hodmcr, 1). älteste ZUrioher Zeitung: Zllrchorrb. NF. 14, .- I..1 .!■ wi J-
I 4: 5i-52a. K. Kochendörffer, Schrift- und Buchwesen. 70
ortes mit besonders häufigen Berichten vertreten sein wird. Der Druckort wird den-
jenigen Plätzen am nächsten liegen, deren Berichte das jüngste Datum tragen. Dieses
haben nun Korrespondenzen vom Oberrhein, Bodensee und axis der Schweiz; während
aber deutsche Zeitungen häufig Nachrichten „Auss der Schweitz" bringen, fehlen solche
Ueberschriften in unserer Zeitung ganz. Die Schweizer Herkunft ist damit wahr-
scheinlich gemacht und wird erwiesen durch die Bemerkung in N. XIII, v. J. 1635:
„Diese Wochen sind keine Brieff auss Teutschland eynkommen". Unter den schweize-
rischen Städten, von denen nur noch Basel, Bern und Schaffhausen in Betracht kommen
könnten, wird Zürich als Druckort dadui-ch festgelegt, dass die vier verschiedenen Journale
des einen Sammelbandes sich als Redaktionsexemplare enthüllen, aus denen unsere
Zeitung zurechtgeschnitten wurde, und die zum Teil, wohl als Postadresse, die Auf-
schrift „Zürch" tragen. Durch Vergleichung von Typen, Verzierungen usw. würd endlich
die Bodmersche Druckerei als die Geburtsstätte der Zeitung nachgewiesen. Eine will-
kommene Bestätigung für die Richtigkeit der Beweisführung findet sich, w^eini auch
erst aus dem Jahre 1666, in einem Ratsbeschlusse von Zürich, worin dem Michael
Schaufelberger die Herausgabe einer Zeitung untersagt und verfügt wird, es möge bei
der ,,Ordinari Wochen Zeitung, welche die Zythen vnnd Jahr hero" in der Bodmerschen
Druckerei herauskomme, sein Bewenden haben. Ich bin bei B.s Aufsatz etwas ausführ-
licher geworden, weil die Beweisführung mir nicht nur vollkommen gelungen erscheint,
sondern auch zugleich als Vorbild für methodische Untersuchung des ältesten Zeitungs-
wesens gelten darf. — Auf eine Apregung hin, die von der Ausstellung hessischer
Zeitungen im Jahre 1890 in Marburg ausging, verfolgt Nebelthau^o) die Spuren noch
unbekannter hessischer Zeitungen und kann 20 feststellen, von denen entweder nur
noch einzelne Nummern oder gar nichts mehr als der Name auf iins gekommen ist.
Die älteste von ihnen, die zugleich eine der ältesten deutschen Zeitungen überhaupt sein
würde, der „Fuldaische Postreuter" (angeblich 1618 — 1629) weist N. wohl mit Recht ins
Reich der Fabel. —
Eine wichtige Arbeit liegt auf dem Gebiete der Bücherverzeichnisse vor.
Keysser^i) giebt in den Veröffentlichungen der Kölner Stadtbibliothek Vorarbeiten zu
einer rheinischen Bibliographie, die ein möglichst vollständiger, zuverlässiger und
praktisch brauchbarer Führer durch das gesamte Gebiet der rheinischen Litteratur werden
soll und, wenn sie im Sinne K.s zur Vollendung gelangt, eine Musterbibliographie zu
werden verspricht. Neben einem solchen Plane enthält die Schrift ein Verzeichnis der
älteren rheinischen Bibliographien und eine Zusammenstellung der für andere deutsche
Gebiete in neuerer Zeit herausgekommenen Litteraturübersichten. — Erwähnt möge hier
auch eine andere, von der rühi'igen Verwaltung derselben Bibliothek ins Leben gerufene
Veröffentlichung werden, die Herausgabe ihrer Zugangsverzeichnisse ^^^)^ die allmonatlich
die Eingänge in bibliographischer Genauigkeit aufführen und, einseitig gedruckt, zum
Einkleben in Kataloge verwendet werden können. — Mit dem Betriebe der Bibliographie
im deutschen Buchhandel höchst unzufrieden äussert sich C. Georg ^~)^ dem man ein sach-
verständiges Urteil nicht absprechen kann. Der Kernpunkt der Frage für die wissen-
schaftlichen Kreise liegt in der Enthüllung der schon oft von jedem mit bibliographi-
schen Feststellungen beschäftigten lebhaft empfundenen Lückenhaftigkeit der grund-
legenden Buchhändlerbibliographie von Hinrichs. Dass aber diese Lückenhaftigkeit so
gross ist, dass beispielsweise Heinsius über einen Zeitraum von 4 Jahren eine Nachlese
von 8000 Titeln geben, oder dass G. selbst aus den Buchhändlerrundschreiben in einem
Jahre allein zum Buchstaben B fast 100 Titel nachtragen konnte, die bei Hinrichs
fehlen, hätte man doch nicht erwartet. Zur Vermeidung solcher Uebelstände sclilägt
G. die Einrichtung eines deutschen Buchamtes beim Börsenverein vor, der von Amts-
wegen eine offizielle Bibliographie herausgeben soU, und liefert zugleich durch eigene
Erfahrung erprobte praktische Winke für die Anlage der Verzeichnisse. Ich möchte
jedoch, um den Laien vor falschen Schlüssen zu bewahren, den Hinweis auf diese
Kritik unserer Bucliliändlerbibliographien nicht ohne die Erklärung lassen, dass, was
Vollständigkeit, Vielseitigkeit und Pünktlichkeit des Erscheinens sowie Genauigkeit im
einzelnen anlangt, unsere Bibliographien noch immer den ersten Rang behaupten. Trotz
den von G. gerügten Mängeln ihrer Anlage kann man sich in keiner anderen Litteratur
so rascli und wohl auch zuverlässig über die neuesten Erscheinungen unterrichten wie
in der inisrigen. — In erster Linie kommen dafür in Betracht das Buchhändlerbörsen-
blatt 5-a) mit seinen täglich erscheinenden Listen und dem aus ihnen zusammengestellten
Nubeltliau, ilussiäcbe Zeitungen: Hessenland 5, S. 228—80. — 51) A. Keysser, Z. gesch. u. landeskundl. Bibliogr. d.
Klii^iiiprovinz. (= Veröffentlichungen d. Stadtbibl. in Köln. Heft 4.) Köln , Du Wont-Sehauberg. VI, 46 S. M. 1,60. —
51a) .Stadtbibliotliek in Köln. Zugaugsverzeicliuisso. 1. Bd. N. 1 — 6: Okt. 18U0 bis Milrz 1891. Köln, Du Mout-Scbauborg.
IV, lOö S. (2. lid N 7-12: Ai.ril-Seiit. 1891. ebda. 1892. 76 S.) — 52) C. Georg, ü. dtsch. Buoharat. Vorschläge z.
Neugestaltung d. dtscL Bibliogr. Her. auf Veranlassung d. Buchhändler-Verbandes Hannover-Braunschweig. Uannover,
Cnise. 14 S. M.ü.ao. — 52a) Lörsenblatt fttr d. tltstU. Buchhandel u. d. verwandten GoschUftszweige. Jjlhrl ch 4 Bde.
71 K. Kochendftrffer, Schrift- uiul BuchwuMou. I 4: ssb-M.
nioiiatlichoii Vorztiicluiis^-'»), sodaiui tlio wöcliüiitlichüii, inoiiatlicheii, viorteljäiirliclien,
luill»jitln]i(li(!ii und fViiiCjäliri^on IJihlio^rapliion der Buchluiiidlung von J. C. HinricIiH*^*^«),
(Idiioii sicli 'Mir ei-l'rüuliclioii Kontrollo nnd Ergünzung anHclilicHKon die vier Jahre uinfattKonden
HiUhor-Lüxica von HüinsiuHf'^) und Kay« or"^»). — Auch für die nicht in diese JJihlio-
jXiapliicn auff^oiiouiinonon Universität«- und Schulschriften Imhon wir nehon den von der
licrliiior Kgl. Jiihliotliok offiziell jährlich horausgogobenon Katalogen (1890 1 4 : 7.'» ♦>)
durch (Ion Buclii»iiii(llor Cr. Fock'^) eine recht gute und brauchharo monatliciie
ITohorsicht die nacii dun einzelnen Fächern geordnet ist; für den vollständigen Jahrgang
wird ein Autorenverzeichniss und eine Statistik der aufgenouunenen Schriften g«-
liofert. — Gemeinsam mit Ost hat C. Georg das handliche und l)equeme Vad«5inecuiii
von Otlniior'»") in 4. Auflage hoarheitet. Der verstorbene Vf. sowohl als die Heraus-
<i:i\\)QV vurdionon dtsn Dank des Litteraturfreundes für diesen praktischen Führer, der
auch die ausländische scluinwissenschaftlicho Litteratur berücksichtigt, soweit sie in
deutscher Uobersetzung vorliegt. Bei der Sorgfalt der Nachträge lallt es auf, dass die
Bibliothek des Stuttgarter litterarischen Vereins nur bis 1H77 fortgeführt ist. — Den
litterarischon Bedürfnissen eines grösseren Publikums kommt W. Koch^*) entgegen
durcii eine Zusammenstellung guter Bücher, die er mit zurechtweisenden Anmerkungen
versehen hat. "«b-vj) —
Längere Serien von Zeitschriften durch ein Register nutzbar zu machen, ist
gerade kein erfreuliches, aber ein dankbar anzuerkennendes Geschäft, Neben dem Oeneral-
register zum GoethcJb. (a. ..u. IV, lOa) darf bei der Fülle von Aufsätzen und Be-
sprcciiUMgen, welche die ZOG. zur neuern Litteratur enthält, lobend des Repertoriums
von Stcjskal ^'<^) gedacht werden, das in systematischer Anordnung sämmtlicho Artikel
und Referate der ersten 40 Jahrgänge dieser Zeitschrift musterhaft verzeichnet. — Der
Auti(piar Aksel Josephson öi-u^)^ den Bibliogra[)hen bekainit durch sein systematisches
Verzeichnis zu den „Acta societatis scientiarum Upsaliensis" und durch seine anti-
quarischen Mitteilungen, beginnt mit einem Index der in schwedischen Zeitschnfton,
mit Ausnahme der medizinischen und naturwissenschaftlichen, erschienenen Abhand-
lungen. Die Anordnung ist alphabetisch nach realen Stichwörtern, wie in unsenn
Schlagwortkatalog. *»■*) —
Dziatzko^ö) giebt eine alles Wesentliche heraushebende Ueberdicht über
Bibliotheken im allgemeinen, ihre Einteilung nach Besitzverhältnissen und Auf-
gaben, über den gegenwärtigen Stand der öffentlichen Bibliotheken in Deutachland und
andern Ländern sowie über den in den einzelnen Staaten bestehenden PHichtexemplar-
zwang. — Bedeutung und Aufgabe der Bibliotheken bespricht Ruepprecht '^j, indem
er ein Bild von dem Umfang einzelner besonders bekannter Bibliotheken entwirft und
Leipzig, Dtsch. liuchliilntllorliaus. — 52b) Mouatl. Verzeichnis d. Neuigkoitcii u. Korlsi'tziiiif;uii d. dt.s<-li. Üiiclihandcil.s.
Beilage z. IWrseiiblatt fllr d. dtscli. «ticiiliaiulel. 18'J2. Leipzig, Dlscli. ItucbhHiidlerhaus. M4 S. — 53a) Allg.-iiioin.«
Bihliiigrapliiu lllr Deutsclilaud. Wücliontliclies Vorzeiclinis der ([18U3:] cräcliioiienen u. d. vorbereiteten) Neuigkeiten d.
dtscli. Buchhandels. Nach Wissonschaftou geordnet. Jiihrlich 52 Niimnicrn (je *l-t — 'i Bogen). Leipzig, Hinriohs. M. 7,j0.
- 53b) Jlonatlicbe Uebersicht d. bedeutenderou Erscb<-inuugen d. dUch. Buchhundeis. Nach WisücnsclLifloD geordnet.
Jährlich 13 Nuininnni vom 1(5 Seiten. Leipzig, Ilinridis. M. 1,50. — 53c) Vierteljahrs-Katalog d. Neuigkeit<>n d. dlsrli.
Buchhandels. Nach d. Wissenschafton geordnet. Mit 1 alph. Kegistcrn. 47. Jahrg. Leipzig, llinrichs. XL, 70:t S. M. 5,75.
— 53d) Verzeichnis d. im dtsch. Buchhandel neu erschieneneu u. neu uuCgelegten BUcher, Landkarten, Z»8. etc. Mit
Augabo d. Formate, Seitenzahlen, Verleger, Preise, mit litt. Nachweisungen, wissenschaftl. Uebersicht u. Stichworl-R«<giiiter.
(= llalbjahrskalalog 188., 189. Forts. 18'.)2 Bd. 1, 2.) Leipzig, llinrichs. 207*, 62Ü u. 23<J*, 772 S. M. ll.UO. — 53e) Hinrich«
Fllnfjahriger Katalog d. im dtsch. Buchhandel orsch. Blicher, Zss., LandkarU<n etc. Bd. 8. 1880-9Ü. Bearb. v. K. lUupi
u. H. Weise. (1. T. Text d. Katalogs. 2. T. Sachregister.) Leipzig, Hinrieha. 18112. 40. VII, 104«, 274 S. M. 00,00. -
54) \V. Heinsius, Allgeiu. Bllcher-Lexikon od. vollst, alphab. Vorz. aller v. 1700 erschien. BBcher, welelio in I)eat«rli-
laud u. in d. durch Spniche u. Litt, damit verwandten LUiidorn gedruckt worden sind. Bd. LS. 1885—88. Her. r. K. Bol-
hoevener. Leipzig, Brockhaus. 4" Abt. 1. mi S.; Abt. 2.1033 S. M. 72. 80. — 54«) Ob. IJ. Kay sor. VolUtlndige« Bacher-
Lexikon 25. 2t!. 1887— '.tO. Bearb. v. 0. Wetzel. Leipzig, VVeigels Nachf. (0. H. Tauchnit»). 1". 7«2, 8»j7 S. M. 65.00. —
55) Bihliogr. Mouat.sbericlit Über neu erschienene Schul- u. l'niversitUt.sschrifteu (Dissertationen. — Progrjmmabb. — llahilit.
Schriften etc.) Unter Klitwirkung mehr. Universitatübehörden her. v. d. Centralstrilo f. Disi^crtalionon u. rrogranimo t. (J.
Fock. 2. .Ig. Ocl. 18".»0-Sept 91. Leipzig, Kock. (IV.) 144 S. M. 2,00. — 56) 0. Othmcr. Vadomecum d. LilL-Kreundes.
Zasammenslellung d. wissenswUrdig.Hten Erscheinungen auf d. Ciehiete d. schOnwissenscbaftlichen Litt. 4. Aull. Bearb. von
C. Georg u. L. Ost. Hannover u. Leipzig, Ost. 003 S. M. 10,00. — 56a) W. Koch, E. Auswahl guter, mt-ist gcbuudeni-r
vornehmlich zu Geschenken geeigneter Bücher. YervollatUndigt dnrch bewahrte, für d. praktische Leben vorfassto Schriften.
Königsberg, Koch. 104 S, iLAItprMschr. 28, S. 051. )i — S6b) O X E. B. Sargant and Wbisbaw. A guidp
to books. New-York, Jlacmillan & Co. 344 S. — 57) Q X C. F. Kichardson, Tho choico of books. Sew-York, Unit««!
States Book Co. 208 S. — 58) X L. Herold, JugcudlektUre u. SchBler-Bibliothoken unter Berflcksichtigang d. Zeitrorhllt-
nis.se. Mit Auswahl u. Inbaltsangabo guter Jugendschril'ton u. e. Vorwort r. L. Kellner. KUnster, Scböningk. 14C S.
M. 1.20. — 59) X Verzeichnis v. Jugendschriften, welche fUr Schiller-Bibliotheken u. Volks- u. BOrgerscbulen ab gMignet
anerkannt wurden. Wien, Sallmayer. 12 S. M. 0,30. — 60) K. Stejskal, Kepertoriura ttbcr d. er<it«a 40 Jahrgtage a. 4.
Supplementheft d. 37. Jahrgangs d. ZOG. v. 18.'>0-89. Wien, Gerold. XV, 538 3. U. 8,00. — 61) AksolG. S. Josephsoa,
Catalogue mcthodii|ue des Acta et Nova Acta Rogiao socictatis scientiarum Upsaliensis 1744 — I8S9. Upsala, Josephson. 1889.
40. 33 S. Kr. 1. — 62) id.. Meddelanden frau Josophsons Antikvariat. Tidskrift i UiMiot(rafi. 1890. N. 1—5. Upsala
1890/1. 120 S. — 63) id., Bibliogralisk Üfversikt af Svensk periodi'sk Literatur. (= Sirtryck ar .Svensk Tidskrifl 19»l).
1891 : 1. Upsalii, Alm^uist k Wiksell. 21 S. — 64) O X F. N iset. Projet d'un Catalogue ideologique (Kealkatalog) des
P'^riodiques. Brux»>lle>i. Vanbuggenhoudt, — 65) K. Dziattko, Bibliotheken. Abdruck ans d. Handwörterbuch d. Staat-«-
wi>seuschafteu. Bd. 1. Jena, G. Fischer. S. 542/9. — 66) Oh. Uuepprecht, Bedeutung o. Aufgabe d. Uibliotbekeu : AZg"
I 4: 7-73. K. Kochendörffer, Schrift- und Biichwesen. 72
daran eine Schilderung der bibliothekarischen Thätigkeit anschliesst. — Ruepprecht 6'')
belehrt auch über den Unterschied zwischen Central- und Fachbibliotheken und ihre
dadurch bedingte Verschiedenheit bei Erwerbung, Katalogisierung und Benutzung. —
Ueber zwei besonders hervortretende Missstände unserer Universitätsbibliotheken klagt
A. SchröerßS)^ nämlich über die Unzugänglichkeit und Erschwerung der Benutzung
und über die Unzulänglichkeit ihrer Mittel. Während man ihm letzteres unbedenklich
zugeben wird, da auch die bestdotierte Bibliothek nicht Schritt halten kann mit der
Produktion in der Wissenschaft, muss die erste Klage in ihrer allgemeinen Fassung
als unbegründet zurückgewiesen werden. Denn wohl in der grossen Mehrzahl der
Bibliotheken stehen die Kataloge auch den Studierenden zur Verfügung, giebt es Lese-
säle mit Handbibliotlieken zu freier Benutzung. Das grosse Publikum in die Bücherräume
zu lassen, ist unthunlich und am allerwenigsten im British Museum gestattet, das als
Musterbibliothek aufgestellt wird. — Einen sonderbaren Vorschlag bringt Gröpler^^)
zur Diskussion. Von der Ansicht ausgehend, dass unsere deutschen Bibliotheken erst
etwas Grediegenes leisten könnten, wenn sie von Reichs wegen einheitlich dotiert und
organisiert würden, stellt er das Verlangen, dass ein Reichsamt für Bibliotheks- und
Archivwesen eingesetzt werde, das die Staatsanstalten zu überwachen habe. . Diesen
sei ein Parlament zur Seite zu stellen, zusammengesetzt aus sämtlichen Bibliotheks- und
Archivbeamten, und alljährlich nach Berlin zu berufen. Es soll sich von den Provinzial-
chefs statistische Berichte über alle Einzelheiten vorlegen lassen, die es dann veröffent-
licht. Schon der Gedanke an ein solches Parlament und an die Häufung und Sank-
tionierung der statistischen Erhebungen, die sclion jetzt den Bibliotheken allzureichlich
blühen und meistens völlig unfruchtbar sind, lässt uns nach Durchlesung der G.schen
auf drei Seiten entwickelten Vorschläge, die der Vf. bescheiden als „vielleicht zu ein-
gehend" bezeichnet, aufatmen in dem beruhigenden Bewusstsein, dass es noch gute
Wege hat bis zu diesem Ziele der gediegenen Leistungen deutscher Bibliotheken. —
Einzelnen Bibliotheken gelten nicht wenige Arbeiten. Von einer deutschen
Büchersammlung, die im 17. Jh. in die Universitätsbibliothek zu Upsala gekommen
ist, stellt P. Wittmann '0) ein Verzeichnis zusammen, das 508 Nummern vnnfasst, die
aber nicht, wie er meint, ebensovielen Bänden entsprechen können, da recht viele Werke
nach seiner Angabe aus mehreren Buchbinderbänden bestehen. Die Verzeichnung der
Bücher, bei der W. von dem Oberbibliothekar Annerstedt unterstützt wurde, mag richtig
und vollständig sein, es ist aber ein Mangel, dass W. in der eine Seite umfassenden
Einleitung nicht den geringsten Versuch macht, die Existenz der Bücher in Upsala zu
erklären. Nicht einmal eine Angabe über das Aeussere der Bücher, woran ihre gemein-
same Würzburger Herkunft erkannt werden könnte, ist darin enthalten und erst auf eine
Besprechung des Wüi'zburger Oberbibliothekars Kerler''^) liin nachgeliefert worden. ''2)
Dass in Upsala Bücher aus dem Besitze des Fürstbischofs Julius Echter sich befinden,
war durch Seuffert (AHVUnterfranken 10, S. 206 — 63) bekannt. Eine Aufklärung wäre
nötig gewesen, wie und wann sie dahin gekommen und avis welcher Bibliothek, ob aus
der Universitätsbibliothek oder aus der Privatsammlung des Fürstbischofs. Gegen
die Behauptung, dass die verzeichneten Bücher den grössten Teil der ehemaligen Würz-
burger Universitätsbibliothek darstellen, hatte K. mit Recht Einspruch erhoben, da W.
den Beweis dafür schuldig geblieben war. Nach W.s Erwiderung steht wenigstens
fest, dass die schwedischen Bücher alle einer Sammlung des Fürstbischofs Echter, des
Gründers der UniversitätsbibKothek, entstammen; eins ist durch Inschrift als zvu" Uni-
versitätsbibliothek gehörig erwiesen. Auffallend ist, dass bei dem Streite um die Her-
kunft eine Thatsache nicht in Betracht gezogen ist, die geeignet sein dürfte, entweder
die Zeit der Besitznahme oder ihre Herkunft näher zu bestimmen Das jüngste Buch
der Sammlung ist nämlich ein Druck aus dem Jahre 1591. Daraus ist mit Sicherheit
zu entnehmen, das die Sammlung, wie sie in Upsala ist, im Jalire 1591 oder wenigstens
kurz darauf in sich abgeschlossen war. Denn es ist nicht glaubhaft und findet keinerlei
Bestätigung durch andere Fälle von Bibliotheksplünderungen, dass kein einziges Buch
aus den vier letzten Decennien ihres Bestehens in Wüi'zburg mit nach Upsala gekommen
sein sollte, wo von einer Auswahl der Bücher nach ihrem Werte bei der Bedeutungs-
losigkeit der meisten nicht die Rede sein kann. Hat also die Tradition, wek-he die
Ueberführung in die dreissiger Jahre des 17. Jh. verlegt. Recht, so gewinnt die An-
nahme an Wahrscheinlichkeit, dass die Sammlung der Universitätsbibliothek entnommen
sei, der sie Julius Echter 1591, im Jahre der Einweihung der Universitätskirche, wo-
durch die Universitätsgründung ihren Abschluss erhielt, überwiesen haben und wo sie.
N. 263, S. 1-6. — 67) id., Central- u. SpecialHViliotLeken: LZgu. N. 89. — 68) A. Scliröer, Unsere Bibliotheken: FZg.
— 69) üröplor, liUclieroien mittelbarer Fürston u. Grafen Deutschlands u. Oestorreichs sowie ehemaliger freien
dtseh. Reichsstildto. 2. Aufl. Deseau, Leipzig, Kahle. 42 S. M. 1,00. (JBL. 18',I0 I 4 : 55.) — 70) P. Wittiuann,
Würzburger Bücher in d. k. schwed. Univ.-Bibl. zu Upsala. (Stp.-Abdr. aus d. AHVUnterfranken 34.) WUrzburg, Stürtz. 51 S.
- 71) NWttrzburgZg. N. Dö. — 72) ib. N. lüü. - 73) P. Dahlmiuiu, 1>. ohom. Dombibl. zu Münster i. \V.: KBIWZ. 10
73 K. Kochendörffer, Schrift- und Buchwesen. I 4: 74-79.
durch einheitlichen Einband von den spftteren Erwri l»im;4t-ii f^iisrliimlmi, «nne hoHondere
Aufstellung bekonitnrüi haben ktinnte. Ob die andere M()KlJchkeit, das« nämlich die
Bücher, entfijo^on der '^Fradition, srhon im hitzten .lahr/.fihnt doH IG. Jh., und «lanu wohl
nicht aus der Universitätsbiiiliotlujk, nach l'psala j^okonnnen seien, etwa im Zusammen-
hang mit der versuchten Katholisicrun^ Schwed«;ns durch Kfini^ Si^ismund, einige
Aussicht auf Wahrscheinlichkeit hat, muss der Historiki'r t«n*HCJu<iden. — Ueber die
ehemalige D()iiil)ibH()tlu!k z»i Münster btirichtiit Jiahlmann '■*), Standers Notizen in seimim
,,Catali)fjus chirogiiiphorum" S. VIII f. «irweitornd und ergänzend. DaHs die itibliothek
schon frühzeitig einen bedeutenden Umfang gehabt lmf»e, v<Tmutet IJ. wohl mit Recht.
Ob aber (hifür auch die im Jahre 13(52 erfolgt«) Ueber\^'eiHung einer Pfrüntio an den
Custos bibliüthecao angeführt werden kann, ist doch zweifelhaft, da rebertragung und
Grösse einer Pfründe noch nicht eine gesttiigerte Thatigkeit zur Voraussetzung zu halxm
pflegt. Die ganze Bibliothek ging im Anfang des 1(5. Jh. zu (4nuide, teils durch
eine- Feuersbrunst im Jahre 1527, teils durch den Fanatismus der Wiedertäufer 1534.
Den Grundstock der neuen Dond)ibliothek, die mit der l'niversität.s- und Gymnsisial-
bibliothek im Jahre 1HÜ2 zu der heutigen Paulinischen Bibliothek vereinigt wurde,
bildete die bedeutende Schenkung des Dechanten CM)(tfried von RaesfeM 158(5, dtTen
Verzeichnis in der Paulina aufbewahrt ist. — Zur Vorg(!Schichte der Ueberfühnnig der
Palatina nach Rom gehört ein Bi'ief, den Erdmannsdörffer '■♦) veröti'entlicht. Der
Herzog von Bouillon, Henri de la Tour d'Auvergne, ein Hugenotte und Freun<l des
Kurfürsten von der Pfalz, der an seinem Hofe mehrere .lahre seiner .lugend verlebt
hatte, erbietet sich in einem Schreiben an Kanzler und Räte in Hei«lelberg vom
11. Februar 1622, die kostbarsten Hss. der Palatina während der Zeit tier Kriegswirren
in seiner Festung Sedan sicher unterzubringen. Wäre, der Kanzler auf diesen Vorschlag
eingegangen, so würde vermutlich die kostbare Sammhnig der Pfalz erhalten gi;blieben
sein. — Einen Brief des Kardinals Leo AUatius vom 8. Febr. 1(523 an den Nuntius in
Brüssel und Erzbischof i. p. von Patras, wo von der beabsichtigten Fortschaffung
der Heidelberger Schätze gesprochen wird, teilt Omont^-'') mit. — Brambach'*^
berichtet über die Entstehung und Vermehrung der Handschriftensammhuig der Hof-
und Laiidesbibliothek in Karlsruhe. Sie besteht aus zwei Abteilungen. Die erste ent-
hält die Hss., welche die IMarkgrafen und Grossherzoge von Baden uimiittelbar für ihre
Bibliotlieken in- Pforzheim, Durlach, Basel, Rastatt und Karlsruhe erworben haben. Die
früheste Nachricht einer markgräHich badischen Bibliothek findet sich in des Johannes
Oecolampadius Ausgabe des Cyrillus vom Jahre 152H, wo der testamentarischevi Schenkiujg
der Bibliothek Reuchlins gedacht ist. Sie befand sich in der Michaidskirche in Pforz-
heim, von wo sie später nach Durlach, Basel und Karlsruhe kam. Die mainiigfaltigen
Zeugnisse über die Schicksale des Reuchlinschen Büchei'schatzes stellt B. übereichtlich
nach der Zeitfolge zusammen. Die zweite Abteilung ist aus 22 verschiedenen Sanun-
lungeu geistlicher und weltlicher Herrschaften zusannuengeflossen, die von B. nnt
der Zahl ihrer Hss. aufgezählt werden. Den hervorragendsten Platz darunter nimmt
natürlich die Bibliothek des Benediktinerklosters Reichenau ein, deren Geschichte B.
ausführlicher behandelt. — Eine Uebersicht über die Geschichte der Hand.schriften-
sammlung der Königlichen öiFentlichen Bil)liothek in Stuttgart giebt von Heyd^'j.
Die ganze Bibliothek ist eine junge Gründung. Ei-st Karl Eugen fühlte das Bedürfnis,
eine grosse Bibliothek zu schatten, und rief sie vermittelst Stiftungobriefes vom
11. Febr. 17G5 ins Leben. Seinem überaus regen Sammeleifer, der sich mit Erfolg
einer Reihe von in- und ausländischen Gelelu'ten als Ratgeber bei Ankäiifen usw.
bediente und keine Kosten scheiite, ist es zu verdaidven, dass in Stuttgart eine Bibho-
thek entstand, die auch in Bezug auf Hss. eine hervorragende Stellung ciinnnnnt. Die
bedeutendste Bereicherung der Art erhielt sie nach Karl Eugens Tode durch die Aullösung
der Klöster und ritterschaftlichen Gebiete, wobei nur zu bedauern bleibt^ diuss ein wert-
voller Teil der Hss. an die von König Friedrich neu gegründete Handbibliothek abge-
geben werden musste, was ihre Bemitzung bisher unnötig erschwerte. — Die Grün<lung
der neuen Strassburger Universitäts-Bibliothek und ihre erfreuliche Entwicklung während
der ersten zwanzig Jahre ihres Bestehens ist von Klatte""^) dargestellt worden, —
Heuser'**) zeichnet hauptsächlich auf Grundlage der Univei-sitätsakten die Geschichte
der Universitätsbibliothek in Giessen. Gleich der Universität ist sie eine Gründung
des Landgrafen Ludwig V. aus dem Anfange des 17. Jh. luid hat mit jener die Ueber-
S. 8t/9, 114—22. - 74) B. Erdman iis dörf fer, Z. Oesch. d. Heidolberger BibliotIie«m Palatina: NHJbb. 1. S. 349-51. -
75) H. Omont, Lettrede Leone AUaeio relative au trnnsiiort ^ Koine de I» bibliolhdquo de Heidclb«>rg: CBlBibl. 8, S. 1234. —
76) 1). Hss. d. grossherzo^l. lüid. Hof- u. LaiidesbibL in Karlsruhe. 1. Gosoh. u. Bestand d. SamralunK t. W. Br»mb«ch.
Kiirlsriihe, (Iroos. 111, 25 S. M. 1,00. — 77) W. v. Heyd, I). bist. Hss. d. Kgl. Off.'nU. Bibl. xu SinttRart. Bd. 1. 2.
(.= 1). llss. d. kgl. öftentl. Itil.l. zu Stuttgart 1. Abt. D. bist. Hss. Bd. 1. 2.) Stuttgart, Kohlhammer 1889-90. 0891) XV,
3J6 S. M. 25,00. — 78) A. Klatte, Nach iwaniig Jahren. E. Uedenkblatt t. Gesch. d. kaiserl. Unir.- n. IjindesbiM. in
Stnissburg. S.-A. aus d. Strassburgl'ost. Strassburg i. E., Heinrich. 18U0. 20 S. M. 0.40. — 79) E. Heuser, Beilrr. «. Uesch.
I 4: 80-89. K. Kochen clor ff er, Schilift- iind Buchwesen. 74
Siedlung nach Marburg und im Jahre 1650 die Rückreise Jiach Giessen durchgemacht.
Von einem alten Grundstocke der Sammlung ist demnach nicht die Rede; noch 1727
kann der Bibliothekar Arnoldi nur von wenigen alten Hss. berichten. Ihr Hauptbesitz
an solchen und an Inkunabeln rührt her aus der 1771 von der Markuskirche zu Butz-
bach nach Giessen geschafften Büchersammlung und besonders aus der im Jahre 1800
der Universität vermachten, aber erst 1837 mit der Universitätsbibliotkek vereinigten
Bibliothek des Frhrn. Renatus Carl von Senckenberg. Wie eine Bibliothek Jahrhunderte
lang in Folge mangelhafter Mittel und der Bequemlichkeit der mit ihrer Leitung be-
trauten Professoren verwildern kaini, ist aus der Geschichte der Giessener Sammlung
zu lernen. — Die Hauptergebnisse der Schrift von Heuser hat Nick^o) in seiner Be-
sprechung derselben zusammengestellt und dazu eine Reihe dankenswerter Berichtigungen
gegeben. — Zwenger^i) erzälilt die Geschichte der Fuldaer Landesbibliotliek (nicht
jener älteren, weitberühmten Sammlung, die im 16. Jh. von der Bildliäche verschwand)
von ilirer Gründung durch den Fürstbischof Heinrich VIII. von Bibra bis zur Zeit des
Fürstprimas, und zwar nach den Aufzeichnungen ilires ersten Bibliothekars, des ge-
lehi'ten Petrus Böhm. Die Bibliothek hatte keine ruhige, friedliche Jugend; teilte sie
doch mit dem ganzen Lande das Schicksal, biiuien wenigen Jahrzehnten fünf ver-
schiedenen Regierungen unterstellt zu sein. Ein Glück für sie, dass während dieser
ganzen Zeit ihr erster Bibliotliekar (f 1822) an ihrer Spitze stand, wodurch doch
mancher sonst unvermeidliche Schaden abgewendet wiu'de. Der grösste Teil der Hss.
inid Inkunabeln, die heute Eigentum der Bibliothek sind, stammt aus dem Kloster
Weingarten, aus dem sie unter der oranisclien Regierung nacli Fulda kamen. — Ihr
kostbarster Besitz, die drei berühmten Codices Bonifatiani, gehörte zum Domschatz.
Uinen wädmet vonKeitz^S) eine Besclu-eibung. - — Einem Bericht über die Erwerbungen
der Murhardschen Stadtbibliotliek in Kassel *^^) ist die erfreuliche Tliatsache zu ent-
nehmen, dass sich diese Sammlung unter ihrem Bibliothekar Uhlworm besonders auf
dem Gebiete der Orts- und Landesgeschichte energisch vergrössert. Die zahlreichen
und wertvollen Zuwendungen von Sammlungen hessischer Gegenstände und Erinnerungen
lassen das Bestreben erkennen, die Bibliothek zugleich zu einer Art liessischen Landes-
musenms zu machen. — In der Stadt Aachen lässt sich, wie Fromm s^) in einem Vortrag
entwickelt, im Mittelalter keinerlei grössere Büchersammkuig nachweisen, wenn man von
der Palastbibliothek Karls des Grossen, von der Einhard bericlitet, absehen will. Erst
seit der Mitte des 18. Jh. ist eine grössere Büchersammlung nachweisbar, die aber
ausschliesslich Handbibliothek des Rates war. Eine öffentliche Bibliothek erhielt Aachen
erst durch die testamentarisclie Schenkung der aus 20000 Bänden bestehenden Bibliothek
des Stadtrates P. J. F. Dauzenberg und die Vereinigung dieser mit den Resten jener Rats-
bibliothek. Hauptsächlich durch ähnliehe Zuwendungen ist die Sammlung allmählich
bis auf 80000 Bände angewachsen. — Eine der jüngsten öffentlichen Bibliotheken ist
die Freiherrlich Carl von Rothschildsche öffentliche Bibliothek, die im Jahre 1887 von
dem Freifräulein Louise von Rothschild in Fraid\furt a. M. gestiftet wurde. Ueber die
Gründung und die ersten Jahre ihrer W^irksamkeit berichtet ihr Bibliothekar Berg-
höffer^^^). Die Bibliothek, die zur Zeit der Abfassung des Berichtes gut llOCX) Bände
umfasste, soll vor allem Archaeologie und Kunstgeschichte, deutsche, französische und
englische Philologie, jüdische Theologie und Handelswissenschaften pflegen^ — Ueber
die k. k. Studienbibliothek zvi Klagenfurt unterrichtet uns Kukula*^^). Sie enthält
unter beinahe 50000 Bänden 450 zum Teil hochinteressante und höchst wertvolle In-
kunabeln und 292 Hss., die zum grössten Teile aus dem aufgehobenen Jesuitenkloster
Millstatt in Kärnthen stammen. — Ferner erhielten wir eine kurze Geschichte der
esthländischen öffentlichen Bibliothek in Reval, deren Anfänge in die Mitte des 16. Jh.
reichen ^'^). — Das Inventar einer Speierer Klosterbibliothek aus dem Anfang des
16. Jh. (367 Bde.) teilt Mayerhof er^^) mit. Leider ist es kein Katalog der Bticher,
sondern bloss Angabe der Zahl und ihrer Verteilung auf einzelne Pulte, woraus wir
wenigstens über die Einrichtung der Bibliothek unterrichtet werden. 254 Bücher liegen
noch an Ketten, was für jene Zeit gewiss nicht mehr die Regel bildete. —
Von Schulbibliotheken nimmt neben "der rühmlichst bekannten Zwickauer
Ratsschulbibliothek ^'•^) einen hervorragenden Platz die Bibliothek des Friedrichsgym-
d. Univ.-Uibl. Giessen. (= Keilielte z. CBlBihl. C.) Leipzig, Harrassowitz. 74 S. M. 2,80. — 80) 0. Nick, D. Grossherzo«;!.
Üniv.-Bibl. zu Giessen. S.-A. aus d. QHmVHcssen. Darmstadt,, WitUcli. 11 S. (Auch DarmstädtZg. N. 189, 191 u. 201.
S.-A. l.'i S.) — 81) F. Zwonger, Z. Goscli. d. Fuldaer Laiidesl>il)l.: llpssenland 4 (1890). S. 320/3, ;!38— 40; 5 (1891), S. 6-8 u.
23/4. — 82) A. V. Keitz, ü. Codices Honifatiani in d. Landesibilil. zu Fulda: ib. 4 (.1890), S. 197/8, 211/2. - 83) U. Murbard-
Hche Stadtbibl. in Kas.sel im J. 1890/91: ib. 5, S. 107/9. — 84) E. Fromm, 1). Aaclieuer SUdtbibi. ihre Entstellung u. ilire
Entwicklung bis z. üogenwart. Vortrag. Aachen, Barth. 12 S. M. O,.^ — 85) C h. W. Berghöf fer, D. Einrichtung u.
Verwaltung d. Freiherrl. C. v. Rothschildschon ötlentl. Bibl. w»hrend d. J. 1887—90. Frankfurt a. M., Baer & Co. 38 S.
3 Taf. M. 2,00. |tG. Zedier: CBlBibl. 8. S. 513/5.]| - 86)ß. Kukula, D. k. k. Studienbibl. iu Klagenfurt: CBlBibl. 8,
S. 60/2. — 87) BKELK. 4 (1890), S. 343 ff. — 88) J. Mayerhofer, 1). Inventar d. Speierer Dominikanerklosters v. .1. 1525:
MUVrfalz, 15, S. 11— 40. — 89) OX Buchwald, U. Bedeutung d. Zwickauer Katsschulbibl. iu Beziehung auf d. lieuutnis d.
75 K. K nfh('.iii1('>rff<ir, Scliriff- und Buchwesen. I 4.- '.miiks,
DaHiuras zu Alf;eiibur<f mit tuiuü' erliuhliduju Anziihl alter und wortvoller Drucke ein.
Von 275 vor 151H erschienenen Biiiiden ^ieht Geyer *'*') ein Horgfaitij^e», auch rlas AeusBore
der Bücher heacht(Mides \%ir/ei<'hniH, dein eine Uehernicht der Druckorte un<l Drucker
beigefVigt ist. Hiiin wie PHn^(^r lassen si(-h daraus ergiinzen. In der Einleitung wird
die Geschichte; (hn* Biichersaiundinig hesprochen, «hiren (irund.stock aus (huu Barf'CiHHor-
kloster zu Altcul)urg gebildet wurde. Der zum Zwecke d«!r Uehernahme lotH ge-
schriebene Katalog lässt uns einen urkundlichen Kinbiifrk thun in die Pra.xis des Ueber-
nahmegeachiifts, die zum SchadcMi der Bibliothkon zu jenen Zeiten wohl mir zu häufig
gei'ibt wurde. Am Schlüsse heisat. oh: „Sunuuarum aller Ijuclusr droy hundert vud sechs
vund neiuidczigk. Dauan sein gancz outuchdige buchor autt' pergainent vnud paeir
geschribenn, gemoiulich gecolligirte Sormoims uemlich, ein hundert vnd ein vud secliczigk
bucher, -wiewol der andere bucher wenig seindt, die noch zu gebrauchoiui sein, wie die
tittel der bucher mit bringen." Wie G. gewiss richtig vermutet, werden die Hhh. maku-
liert, insbesondere der Schere des Buchbinders verfallen sein. Der Katalog ist auch
dadurcli für uns von Bedeutung, dass er die Bücher nach ihrem Standort auf den
Pulten anführt \uid erwähnt, dass sie „des inehrenteil mit keton an eisern stangen
schlössen sein". G. hat mit Hülfe der alten Ilechnungon ungefähr den Atifwand für
Biicherankäufe feststellen können, die bald gleich null, bald auch wieder ganz beträcht-
lich waren. Nicht unerwähnt bleibe der Eintrag des Rectors (iauder (1<)14 — 33) in das
Lexikon des Scapula v. J. 1()20: „Lexicon hoc temere sive absentium sive tarde venien-
tium scholae Altenburgensis mulcta fuit comparatiun. In eorundem igitur ]iub]icum
atque coinminiem usinn religiöse asservetur." Auch sj)äter wird ein Teil der Schul-
strafen in dieser verständigen Weise verwendet. — Kataloge von Schulbibliotheker er-
schienen von Bromberg, Detmold, Erfurt, Frankfurt a. 0., Krems, Lissa, Lübben,
Weisseyfels 91-98). _
Dem Bibliophilen Johann August von Ponickau, dessen wertvolle Bücher-
sammlung mit der Universitätsbibliothek Halle verbunden ist, hat Langguth'**) ein
Denkmal gesetzt. In seinem Aufsatze, der freilich über das Leben des übermässig be-
scheidenen Mannes auch nur wenig Neues zu geben vermag, geschieht auch einer Reihe
von anderen grösseren Bibliotheken des damaligen Dresdens Erwähnung nach den Mit-
teilungen, die darüber J. A. Lehninger und K. W. Dassdorf gemacht haben. — Eines
andern Büchersamnilers, des Altdorfer Professors Georg Christoph Schwarz, gedenkt
Mummenhoff "JO). Seine Bibliothek, die gegen 12 (XX) Bände umfasste und an Druken
aus der Zeit 1500 — 1550 sehr reich war, vermachte er der Universitätsbibliothek zu
Altdorf, mit der sie später an die Universitätsbibliothek Erlangen kam. i^') — Ueber
den Münchei\er Bibliothekar Schrettinger stellt Bäumker^oa) Ijebensnachrichten zu-
sammen, während A. Wetze 1 103) 3 Briefe des Hamburger Bibliothekars David Schelhamraer
(1679 — 1093) an den Kieler Professor J. D. Major abdruckt. —
Der Entwicklung des Buchhandels im allgemeinen widmet Dziatzko >*>*)
einen Artikel, in dem er nach einem Ueberblick über den Buchhandel im Altertum und
Mittelalter der Neuzeit, in welcher durch die Erfindung des Buchdrucks ein völliger
Umschwung im Buchwesen eingetreten ist und ein Buchhandel im modernen Sinne
überhaupt erst sich gestalten konnte, eine ausführlichere, alle wesentlichen Umge-
staltungen berücksichtigende Darstellung zu teil werden lässt. — Einen schätzbaren
Beitrag zur Geschichte des mittelalterlichen Buchhandels hat Delalaini^ö) geliefert,
der die Stellung und Bedeutung der Handschriftenhändler in Paris im 13. — 15. Jh. er-
örtert. Er übersetzt die auf die librarii und stationarii bezüglichen Urkunden des von
Denifle und Chatelain herausgegebenen „Chartularium universitatis Parisieusis-' und er-
gänzt sie durch einige andere, die er den Universitätsakten entnommen hat. Die Er-
Reformationsgesch. Referat Über e. Vortrag: MAVZwickau 3, S. XH/III. — 90) M. Geyer, Verz. d. bis i. J. 1517 einscbliesslich
gedruckten Werke d. Gyiunasialbibl. (= 84. Nachricht von d. Friedrichs-Gymn. zu AIt«nburK-) AltenburR, Bondo 4". 30 S.
— 91) E. Hertel, Kgl. Beal-Gymn. in Bromberg. Katalog d. LehrerBibl. Bromberg, Dittmann. 92 S. — 92) X H. Thor-
becke, bibl. d. Fürstl. Lipp. Gymn. Leopoldinuni zu Detmold. (Beilage /.. Progr.) Detmold, Meyer. 71 S. — 93) Katalog d.
LehrerBibl. d. Kgl. Gymn. zu Erfurt. (Beilage z. Progr.) 2. Abt. Erfurt, Bartholomaeus. 10 Bl. — 94) R.Schw»rie,
Verz. d. Si htiler-Bibl. d. Kgl. Friedrichs-Gymn. zu Frankfurt a. 0. Nach ihrem ßesiindo zu Ostern 1891 aufgenommen. Beil.
zu d. Schulnachrichten. Frankfurt a. 0., Trowitz.sch & Sohn. 47 S. — 95) F. Eberle, 1). Bibl. d. L»nde8-0berre*l8chule in
Krems. Anhang zu dem im 26. .IB. veröffentl Rückblick auf d. I. Viorteljh. d. Beatehon.s d. Lehranst«]! (= 2«. JB. Über d.
nied.-österr. Landes-Oberrealschule u. d. mit derselben verbundene Landes-Handelsschule in Krems veröffentl. am Schlüsse d,
Schuljahrs 1891.) Krems, Pammor. 56 S. — 96) Katalog d. d'M. d. Kgl. Gymn. zu Lissa. Progr. Lissa, 96 S. — 97) O.
Werner, Real-Progymn. zu LUbben i. d. L. Katalog d. Schlilor-Bibl. Beil. t. JB. Ostern 1891. LUbbeu, Driemel * Sohn. 72 S.
- 98) Katalog d. Lehror-Bibl. d. stadt Progymn. zu Weissenfol.s. 1. Teil. (Beil. z. Progr.) Weissenfels, Kell. :« S. —
99) A. Laugguth, Job. Aug. v. Ponickau. E. gelehrter Bibliophile d. 18. Jh.: CBlBibl. 8. S. 241-7.\ — NM) .M ummenhofr,
Georg Christoph Schwarz: ADB. Xi, S. 236'7. — 101) X M. Pcllechet, Catalogue des livn>.s de la bibliotheque d'un rhanoine
d'Autun, Claude Guilliaud (149;)— 1551). Extrait des Jlömoires de la societ« Edueune, N. .s. 18. Paris, Pieard. 1890 XI,
239 .>^. Fr. 7. - 102) W. BUumker. Martin Wilibald SchreUingor: AHB. :t2, S. 491. — 103) A. Wetiel, Drei Briefe d. llain-
burgcr Bibliothekars David Schellhamnier: MVHamburgG. N. 9. — 104) K. Dziatzko, Buchhandel. Besonderer Abdruck aus
dem Handwörterbuch d. Staatswissenschaften. Bd. 2. Jena, G. Fischer. S. 744—57. — 105) P. DelaUin, Etüde sur 1«
libraire parisien du Xllle au XVe siede, d'apres les documeuts publik dans le Cartulaire de l'universitä de Pam. Parij
I 4: 106-110. K. Kochendörffer, Schrift- und Buchwesen. 76
gebnisse werden in der Einleitung zu einer zusammenhängenden DarsteUung verflochten,
vmd am Schlüsse sind die in den Urkunden genannten Handschriftenhändler chrono-
logisch zusammengestellt mit Angabe ihrer Amtsbezeichnung als stationarius oder libra-
rius und ihres Geschäftshauses. Wenn D. den allerdings nicht immer durchgeführten
Unterschied zwischen stationarius und librarius darin sieht, dass der stationarius zugleich
auch Verfertiger, der librarius nur der Händler der Hss. sei, so scheint mir nach den
Statuten A. Kirchhoff, dessen Schrift über die mittelalterlichen Handschriftenhändler D.
entgangen ist, mit der Ansicht, dass des stationarius Hauptgewerbe im Verleihen der
Hss. bestanden habe, im Recht zu sein. — Unsere Kenntnis der Bücheranzeigen, der
ältesten Vertriebsmittel der Buchhändler, wird durch einige neue Stücke vermehrt.
Dziatzko i*^*^) hat das Glück gehabt, in der Culemannschen Sammlung von Einblatt-
drucken im Kestnermuseum zu Hannover die älteste uns bekannte Bücheranzeige in
deutsclier Sprache aufzulinden, die 1798 von Am Ende veröffentlicht worden ist und
für verloren galt. Sie geht, wie schon der erste Herausgeber richtig erkannte, von
Johann Bäinler in Augsburg aus und stammt aus dem Jahre 1473. D. giebt einen ge-
nauen Abdruck. — Eine noch vinbekannte Bücheranzeige Günther Zainers, frühestens
aus dem Jahre 1476 herrührend, teilt Burger i'^'^) mit als willkommene Ergänzung zu
Wilhelm Meyers Bücheranzeigen (CBlBibl. 2, S. 437—03). — Zwei Einblattdrucke aus
der Bibliothek des Buchhändlerhörsenvereins, die dem Zwecke dienen, die Bücherkäufer
auf ein bestimmtes Werk aufmerksam zu machen, veröffentlicht und bespricht E. H.
Meyer i^«). Der eine ist eine Reklame des Basler Druckers Bernhard Richel für die
von ihm 14H2 gedruckte „Postilla super IV Evaugelia" des Hugo de S. Caro. Wie aus
Hains Beschreibung der „Postilla" hervorgeht, bildet er. das erste Blatt dieses Buches.
M. zweifelt nun daran, dass das Blatt ursprünglich ein Bestandteil der „Postilla" ge-
wesen sei, er hält es für einen Prospekt, an dem initen die sonst bei Bücherüuzeigen
übliche Angabe der Niederlage des Buchführers weggelassen sei. Schon die fast markt-
schreierische Anpreisung spreche mehr dafür als für ein Vorwort, und die Bemerkung,
dass das Werk durch Bernhard Richel gedruckt sei, habe ja auch keinen Sinn, wenn
der Käufer dieses Wei-k seilest vor sich gehabt habe. Diese Zweifel sind zurückzu-
weisen. Das Blatt kann natürlich auch einzeln als Pros})ekt verwendet worden sein,
aber dass derartige Reklamen am Kopfe der Bücher, ja auf dem Titelblatte selbst, ge-
bräuchlich waren, dafür finden sich auch später noch Belege. Das zweite Stück ist ein
Pergamentblatt, auf dem von dem Bischof Melchior von Brixen am 12. Nov. 1492 dem
Klerus seiner Diöcese die Anschaffung eines von Erliard Ratdolt in Augsburg in seinem
Auftrag gedruckten Missale em[)fohlen wird. M. wird Recht haben, wenn er in diesem
Pergamentdruck eine Legitimation sieht, die sich der Drucker vom Bischof hat aus-
stellen lassen, um sich den Absatz seines Missale im Privatvertrieb bei Geistlichen usw.
zu sichern. — A. Kirchhoff loo) bringt in der Fortsetzung seiner Lesefrüchte aus den
Akten des städtischen Archivs zu Leipzig wieder eine Menge interessanter Einzelheiten,
von denen ich nur einiges hier berühren kann. Da in den Klagen der Buchhändler
• des 18. Jh. die sich mehrenden Bücherlotterien eine grosse Rolle spielen, so ist die
Auffindung und Wiedergabe des gedruckten Planes einer solchen Lotterie, der den
Herausgeber des „Universal-Lexicons" J. H. Zedier zum Vf. hat, erfreulich. Auch
die Mitteilungen über die nicht minder beunruhigend wirkenden Auktionen von rohen
Büchern verdienen Erwähnung. Die Forderung, dass neben dem Verleger auch der
Name des Buchdruckers auf dem Buche aufgeführt werde, ist in Leipzig erst am An-
fange des vorigen Jh. mehr zur Geltung gelangt, wesentlich wohl in Folge eines Streites
zwischen den Verlegern und den Druckern. Erstere ersuchten in einer Eingabe vom
24. Juni 1708 das Oberkonsistorium in Dresden, es möge die Drucker bei strenger
Strafe anhalten, sorgfältiger zu drucken, worauf diese ihrerseits klagten, dass die
Leipziger Firmen gewohnt seien, die leichtesten Bücher bei auswärtigen Buchdruckei-n
und nur Titel, Präfation und Register in Leipzig drucken zu lassen, damit solche
Bücher den Namen des Leipziger Druckes führten. Es möchte inskünftig den Verlegern
aufgegeben werden, die Buchdruckernamen unter die Bücher setzen zu lassen. Eine
dahingehende Verfügung scheint das ganze Ergebnis des Streites gewesen zu sein. — Von
einer Foi-tsetzung der Beteiligung Leipzigs am internationalen litterarischen Verkehr, von
der aus dem IG. Jh. doch einige Nachrichten auf uns gekommen sind, hat A. Kirchhoff ii")
im ganzen 17. Jh. nichts entdecken können. Erst an dessen Ende, gleichzeitig mit dem
Rückgang des ausländischen Buchhandels in Frankfurt a. M. beginnen die fi-emden
Buchhändler, zumal die Holländer, wieder in Leipzig aufzutauchen und auch ausserhalb
Deliilain. IS«. XLII, 77 S. M. 4,00. — 106) K. Dziiitzko, liibliograpli. Miscelleii 5.: CBlBibl. 8, S. 411/3. — 107) K. liurger,
E. Bllclioraii/.iiiso (iUnthor Zaiuers: ib. S. 347/9. — 108) F. 11. Meyor, Botriobsinittol d. ältesten Hucbli'.liidlor: AGUltucliUaudel
14, S. 1/9. —109) A. Kirchh off, Klagen ii.'llissstllnde im Aiifanj,' d. 18. Jh. Vortrieb. (= LosolVIlchte aus d. Akton d. stadt.
Archivs in Leipzig. V.): ib. S. 190— 2C9. — MO) id , 1). auslilndisclie Üuchhandol in Leipzig im 18. Jh.: ib. S. Iö5— 82. —
77 K. KochoiHl(»rffer, Snhrift- iin<l Buohwosen. I 4: iiuiao.
(lor MesHZ(3it mit Sortimontalagem nirli foatzusotzon. Der beharrliclu! WiflorHtond der
Leipziger Verleger gegen diese Eindringlinge vermochte nicht ihre gänzliche Fornhaltuug
zu erzielen. Erst mit dem Erlöschen der Firma Arkst^^e und Merkus lenktan die ge-
schäftlichen Beziehungen des holländischen Buchhandels zu dem deutschen in die Be-
triebslormen des letzteren ein, indem sich die holländischen Buchhändler fortan ihrer
Leipziger Konnnissionäre bedienten "'). — lieber Leipzig als Vertriebsplatz des aus-
ländisclien Buchhandels im 18. Jh. macht F. H. Meyer "^j Mitteilungen aus der Kor-
respondenz der ausländischen Vorleger, die sich in der Bibliothek des Börsenveroins
belindet. — F. H. Meyer"-') beleuchtet auch nach Auszügen aus den Meftsrelationen
der Jahre 1780 — 18237 die Lage und ]i(!dcutung der Leipziger Büchermesso, den Altsatz
nacli den verschiedenen Ländern, die GrCmde für den zeitweiligen Niedergang des Buch-
handels: Mangel und hoiier Preis des l*a[)iers, Ueberhandnehmen der perio<lischen
Littefat\ir, zu grosso Konkurrenz, Kundonrabatt und Schleuderei, Nachdruck usw. "■*•"•'») —
Von dem Versuche des Würzburger Professors der Philosophie, Köl, eine Buchhandlung
zu führen, berichtet A. Koch •'"). Das Unt*irnohmen, das mit fürstbischöflicher Er-
laubnis und besonderer Begünstigung 1797 ins Leben trat und den ungelehrten Würz-
burger Buchhändlern zeigen sollte, was ein Gelehrter leisten könne, ging schon 17{)9
wieder ein. —
Ein chronologisches Verzeichnis der Verlagswerke des Frankfurter Buch-
li an dlers Sigmund Feyoi'abend, doch n\ir der sicher von ihm verlegton Schriften, deren
Erscheinungsjahr ermittelt wei'den konnte, ist von F. H. Meyer 'i^) ausgearbeitet
worden. Auch eine nach Feyerabends Tode aufgenommene Scliätzung eines Teiles
seines Verlags dnxckt er ab iind giobt dabei verschiedene Quellenbelege dafür an, dass
in den frühen Zeiten des Buchhandels die Preise der Bücher geschwankt haben wie
der Marktpreis der Kaufmannswaren. — A. Kirch lioff"^^ verötlentlicht das Nachlass-
inventar dos Buchhändlers Finckclthaiis, das von kulturgeschichtlichem Interesse ist
und aus der Einfachheit der aufgezählten Einrichtung nicht darauf scliliesson lässt, dass
sie einem der reichsten Leipziger Bürger angehörte. — Derselbe "9) konstatiert aut
Grund einer Schlussschrift des in Magdeburg verlegten und in Basel von Adam Potri
gedruckten „Book der Profecien", dass die Magdebiirger Buchführer Johann Lörr (Lor,
Lorer) und H.ins Kunjacob identisch sind. — Der Begründer der nach ihm genannten
Buchhandknig \u\d Biichdruckerei in Basel, Johannes Schweighauser, hat nach Sieber'-")
umfasseufle Materialsammlungen zur Gescliichto seiner Vaterstadt hinterlassen, die seit
1852 der Baseler Universitätsbibliothek gehören. Drei von ihm zusammengebrachte
stattliche Kollektaneenbände, im Besitze der Vaterländischen Bibliothek der Losegesell-
schaft, betreffen die Gescliichto der Basler Buchdrucker, und zu der umfangreichen
Sammhmg von Originalbriefen aus dem 16. und 17. Jh., die sein Oheim J. W. Huber
(1700 — 1755) angelegt hat und die zu den kostbarsten Besitztümern der Ba.sler Bibliothek
gehört, hat er ein übersichtliches Verzeichnis angefertigt. — Walther Schultze'^i) giebt
Nachrichten über den Hallenser Vorlagsbuchhändler Kai*l Gustav Schwetschke, der
auf dem Gebiete der Bibliographie wertvolle Arbeiten geliefert hat, vor allem seinen
„Codex nundinarius Germaniao literatae bisecularis" 15(14 — 1705, worin eine Statistik
der deutschon litterarischon Produktion nach Orten, Buchhändlern, W^issenschaften und
eine Bibliographie der Messkataloge versucht sind, ferner die „Vorakademische Buch-
druckergeschichte der Stadt Halle" 1840. — Dem Hamburger Verleger Gottfried Schnitze,
dem Mainzer Musikalienv^-rlage Schott, dem Begründer der „Münchener Bilderbogen"
und der „Fliegenden Blätter", Friedrich Sclmeider, gelten Artikel von Beneke'-),
Eitnori^'»), H. Hollandes*), — Der äusseren Geschieht« der Nicolaischen Buchhandlung
widmet Friodoli^s) ehie kleine Monogi-aphie, in der einzelne Stellen aus den als Ms.
erschienenen Jugendorinnerungen von Gustav Parthey abgedruckt werden, die sich auf
Th. Körners Verkehr mit dem Nicolaischon Hause beziehen. Neu, wenn auch nicht
gerade wichtig, ist die aus dem Album der Studierendon entnommene Nachricht, da.ss
Körner am 14. August 1811 von der Universität exkludiert worden ist, jedenfalls wegen
Nichtbelegung von Kollegien. In der Anlage wird ein vonnutlich von K. W. Ramler
herrührendes Gedichtchen auf die silberne Hochzeit Nicolais mitgeteilt i26-i3i) —
III) X id., D. Muten tll<er d. Bnc.hliUndlor-Oosellsclmft v. 1696: ib. S. i:i.')-41. — 112) F. H. Moy er, D. Anssfuihandol dpnUchrr
Buo.hhSndlor im 18 .Ib.: ih. S. 183-1)5. — 113) id., D. Loipzigor ltllc.liermo-.so v. 1780-1837: ib. S. 2}W-3Irt. - IM) X id..
Z. Transitrocht: ib. S. 270 8. — 115) X A. Kirch hoff, Z. Firmonrocht: ib. S. 303«. — IM) A. Koch, RcRieruii); n. Buch-
handel vor 100 Jahron: ib. S. 279—87. — 117) F. H. Meyor, 1). VerlaR Sigmund Foyor»l>«nds: ib. S. IH— .14. - 118) A. Kirch-
hof f, Lorons Finekolthaus' in Loip/.ig Nachlass-Inventar v. J. 1.581: ib. S. 99—113. — 119) id., Johann Lörr (Ur) BuchfUhror
in Magdeburg 1490—1517: ib. S. 350/2. — 120) L. Siebor, Johannos Schweighauser: ADB. 3.3, S. 343 .1, — ßl) W. Schul t«e.
Karl (jnstav Seliwotschke : ib. S. 440/2. — 122) Bonoke. Gottfried Schnitze: ib. 32, S. 73;i •">. — 123) R. Eltncr, Schott: ib.
S. 39.\ — 124) ir. Holland, Friedrich Schneider: ib. S. I23'4. - 125) E. Friedel, Z. Gesch. d. Xicolaischen |:nchhandlnng
n. d. Hausos Brtlderstrasse 13 in Berlin. Mit C. Abbild. Berlin. Nicolai. .^5 S. W. 1,00. - 126) X A- Kirchhoff.
BuchhUndlerischos SelbstgelUhl: AGDBuchhandel 14, S. 371'2. — 127) X Th. Distel, Kleinigkeiten «n« d. K. Hanpt-StMt«-
archiv in Prosden: ib. S. 356/8. — 128) X A. Kirchhoff, Beitr. 7.. Gesch. d. Bnohaasstjittnng : Ih. S. .175 6. — 129) X F.
Gess, Ans Leipzig in Herzog Georgs Zeit: ib. S. 352/3. — 130) X F- H. Meyer. Noch etwas Ober Wolf Pmunlein: ib.
I 4: 131-142. K. Kochen dörffer, Schrift- und Buchwesen. 78
Gewöhnlich wird in der Concessionsurkunde für Einrichtung einer Druckerei
dem Drucker aufgegeben, nur solche Dinge zu drucken, die der bewilligenden Obrigkeit
angenehm und nützlich feien. Ein sehr frühes Beispiel von einer über diese bei Con-
cessionserteilungen verständliche Specialbestimmimg hinausgehenden allgemeinen Prä-
ventiv-Censur seitens einer Behörde legt Dziatzkü^32^ vor. Es ist der Beschluss des
Rates der Stadt Nürnberg vom 15. Jan. 1518, wonach die Buchdrucker Nürnbergs
eidlich sich verpflichten müssen, nichts Nachteiliges über (leistlichkeit, Reichsstände oder
einzelne Personen und Kommunen zu drucken, sondern vorher darüber des Rates Be-
scheid einzuholen. — F. H. Meyer '•''^) stellt ein allerdings nicht vollständiges Verzeichnis
der in Preussen verbt)tenen Schriften zusammen. — Derselbe '3+) ergänzt aus den Akten
der Leipziger Bücherkommission zwei in früheren Bänden des AGDBuchhandel enthaltene
Artikel, die sich mit einer eigenmächtigen Massregel der österreicliischen Bücherpolizei
beschäftigen. Danach hatte der Landeshauptmann von Teschen, Graf Tenzin, eine
Anzahl von Weidmann an den Buchhändler Muthmann in Teschen auf Bestellung ge-
lieferter protestantisch-theologischer Bücher zum Teil verbrannt, zum Teil konfisciert.
Zwei geharnischte Schreiben Weidmanns an Tenzin, in denen mit der Veröffentlichung
der ganzen Affaire gedroht wurde, hatten nicht den gehofflen Erfolg, sondern brachten
die Eirma lun- in Ungelegenheit. —
A.Koch 135^ berichtet zwei Eälle von Nachdruckstreitigkeiten, von denen der
erste nach zwei Seiten bemerkenswert ist. Aus dem Nachdruckstreite zwischen Peter
Langenberg in Köln und dem Würzburger Buchdrucker Nikolaus Rausch erfahren wir,
dass schon damals der Boykott gegen missliebige Kollegen an der Tagesordnung war,
indem Johann Mayer, Kurmainzischer und Pfälzischer Hofbuchdrucker in Mainz, über
Rausch „Scheltwort sowohl nach Würzburg als nacher Nürnberg, Eranckfurth und
Leipzig an die sammentliche buchdrucker^ gesellschafften geschrieben, ja sogar es dahin
zu bringen suchet, dass Rausch auf seiner profession für einen untüchtigen buchdrucker
und infamen Mann solle gehalten und declariret werden", so dass er scliliesslich keinen
Gesellen mehr finden konnte. Ein besonderes Licht fällt auf die Fabrikation von
Gebet- und Erbauungsbüchern. Aus Rauschs Verteidigungsschrift erhellt, dass ein und
dasselbe Buch unter mehreren, bis zu sechs, verschiedenen Titeln in die Welt hinausging,
je nachdem die Buchbinder mit dem einen oder dem andern ein besseres Geschäft zu
machen glaubten. So war „Der güldene SchlüsseU", „Seelen-Speiss", „Hertz-Opffer", „Seelen-
Trost" ein und dasselbe Machwerk. 136-137^ —
Kohlmann 138^ bringt zur Kenntnis ein Gesuch der Universität Wittenberg an
den Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen vom Jahre 1614, worin sie um eine Ver-
ordnung bittet, dass jeder Wittenberger Verleger von seinen Verlagswerken ein Pflicht-
Exemplar an die Bibliothek abzuliefern habe. Die Antwort lautet, die Universität
möge mit den gedachten Verlegern in Verhandlung treten und über deren Erklärung
Bericht erstatten. — Gegen die von Steffenhagen i^^) überzeugend nachgewiesene
Verpflichtung zvir Einlieferung von Pflichtexemplaren in Schleswig-Holstein hatte Weid-
ling Protest erhoben. Die Nichtigkeit seiner Einwendungen wird von Steffenhageni^^^
in einem zweiten Artikel dargethan. — Die für Oesterreich geltenden Bestimmungen
über Einlieferung von Pflichtexemplaren hat Kalus'^^) übersichtlich zusammengestellt.
Aus dieser nicht nur für die österreichischen Buchhändler nützlichen Arbeit ersehen
wir, dass sowohl hinsichtlich der Zahl der Pflichtexemplare, als des Umfangs der
ihnen zuzurechnenden Druckwerke (Photographien!) und der Zeit, innerhalb deren sie
abzuliefern sind, die Bestimmungen in Oesterreich viel rigoroser sind als bei uns. —
Ueber die Abgabe der Pflichtexemplare in Schweden belehrt uns Lundstedt i^s^. Dort
werden nicht wie in Deutschland vorzugsweise die Verleger, sondern ausschliesslich die
Drucker angehalten, sämtliche Erzeugnisse ihrer Presse, einschliesslich der Accidenz-
drucke, abzuliefern und zwar in vier Exemplaren, von denen eins als Ueberwachungs-
exemplar an den Justizminister und drei Studienexemplare an die kgl. Bibliothek in
Stockholm und die beiden Universitätsbibliotheken Lund und Upsala einzuliefern sind.
Die Unterlassung wird in jedem einzelnen Falle mit hoher Geldstrafe geahndet. Es
kommen auf diese Weise, da die Ueberwachimg streng gehandhabt wird und die
S. 353/5. — 131) X A. Kircbholf, Paul Fürst, ,der Bildermann" v. Nürnberg 1655: ib. S. 359-60. —
132) K. Dziatzko, Bibliogniiiliische Miscellen. 6.: CBlBibl. 8, S. 41.'}/5. — 133) F. H. Moyer, BUcherverbote im Königreiche
Preussen von 1834 bis 1882: AGDBuchhandel. 14, S. 317— 49. —134) id., Z. Gesch. d. österr. BUeherpolizei. 3.: ib. S. 368— 70.—
135) A. Koch, Z. Gesch. d. Nachdrucks: ib. S. 142—54. — 136) X A. Kirchhoff, Spekulation auf d. Betrag e. angeblich
wegen Nachdrucks verwirkten Strafe: ib. S. 355/6. — 137) X 'd., Z. Nachgosch. d. sitchs. Mandats v. 1773: ib. S. 373/5. —
138) F. Kohlmann: CBlItibl. 8, S. 64/6. — 139) E. Steffenhagen, D. Pflichtexemplar/.wang in d. Provinz Schleswig-
Holstein. E. Schutzschrift. Kiel, Schmidt & Klaunig. 1890. 23 S. M. 1,00. [[Woidling: JuristLBl. N. 23]| — 140) id.,
D. Pflichtexemplare in Schleswig-Holstein. 2. Artikel: CBBibl. 8, S. 275/8. — 141) A. Kalus, D. Vorschriften llber Pflicht-
Exemplare in Oesterreich. E. Zusammenstellung d. geltenden Gesetze u. Verordnungen nebst Erläut. aus d. eiuschläg. Litt.
Wien, Verein d. öst.-ung. Buchhändler. 32, XXII S. M. 1,20. — 142) B. Luudstedt, Ueber d. Abgabe d. Pflichtexemplare
V. Druckerzeugnissen an d. Bibliotheken in Schweden, sowie damit zusammenhangende Fragen: CBBibl. 8, S. 202-10. —
79 K. Kochoiulörffer, Schrift- niul Buchwesen. I 4: ms-im.
Drucker ohne {]p-(^sson Widoratniid ahlieforn, eine Mengn von Srhrifteti in die Ril)Hotheken,
die im Biichhilndlerkataloge gar niclit geführt werden, infolge doHHon fCir die liihliutheken
und die Wissenschaft, verloren sein würden. Kh ist erfreulicli zu hören, dass die Klagen
üher diese Besteuerung seit Jahrzehnten schon aufgehört hahen, während in Deutsch-
land das Widerstreben der Vorleger und die Klagen Ober Vergewaltigung durch eine
Steuer, die viel geringer ist als in Schweden luid schliesslich doch nur vom Verfasser
und dem Publikum getragen wird, nicht aufhören wollen. — Lehrreich ist da auch eine
Mitteilung ''♦•■'), wonach der Verwaltungsbericht der Oxforder Universitiitsbibliothek aus
dem .Jahre iHiK) einen Zuwachs von IHKHd Nummern aus l'Hichtexomplarcn aufweist. —
Im Anschluss an zwei frühere SchriftduMi '^< i<f>), die das gleiche Thema, die
Misstände im heutigen Betrieb des Buchhaiuhils betroffen, handelt der sachkun<lige
G(')ttinger Verleger Ruprecht''*") über die ]iaars(»rtimente, deren Abschaffung er
dringend empfiehlt, weil sie die dem Buchhandel imbodingt zu erhaltenden Provinzial-
sortimcnte aufs äusserste scluidigten. Wenn U. in allen seinen Schriften bjitxiiit, dass auch
das Publikum durcii die Erhaltung der alten bewährten Einrichtung besonders gegenüber
der Schleuderei luu' gewinnen werde, so hat er gewiss in nuincher Jieziohung Recht, wird
aber auf Unterstütznng in diesem Kami)fe von Seiten des einzelnen Bücherküufers, für
den lediglich die Billigkeit massgebend ist, nicht rechnen dürfen. ^*^•^^^^) —
In einer tieissigen Abhandlung schildert Lade wig "••') die verschiedenen Ver-
suche, eine einheitliche Grundlage für die Tarifierung von Bucheinbänden 'M-im^ ^u
finden, nnd übt an ihnen Kritik. Dann teilt er das auf der Hof- und Landesbibliothek
in Darrrrstndt eingeführte Verfalu'en em])fehlend mit. Einen praktischen Nutzen von
solchen theoretischen Aufstellungen, die nur der Maschine, niclit dem Menschen gegen-
über Berechtigung haben, kami ich mir nicht versprechen. —
1,5
Kulturgeschichte.
Georg Steinhausen.
Allgemeines: Begriff der Kulturgeschichte N. 1. — Allgemeine Darstellungen N. 6. — Darstellungen grOHserer
Gebiete N. 13. — Sammelwerke N. 14. — Kiilturentwicklung im einzelnen: Darxlellun);«» einzelner Epochen und
ZeilbiUler N. 16 — Familienleben, häusliches Leben, Frauen N. 28. — Gesolliges Leben, Spiele, Feste N. 4:(. — OelsUge und
gemütliche Entwicklung N. 02. — Nati.male Entwicklung N. 96. — Aens.Kere Kultur: Wirtschaft., Wohnhaus, Tracht, Nahrung,
Gesiiuilheitswesen, Verkehrswesen, Reisen N. ICH. — Sittengeschichtliches N. 162 — Volkskunde und Mythologie N. 18». —
Tiere und Pflanzen N. 285. — Einzelne Materien N. 296. — Lokalstudien N. 307. — Einzelne Stünde und Meoschenklassen
N. 382. — Einzelne Personen N. 400. — KuUurstrehiingen der Oegenwart N. 434. —
Allgemeines: Begriff der Kulturgeschichte. Da.ss der Bericht über die
kulturgescliichtlichen Arbeiten des Jahres in den JBL. einer grossen und berechtigten
Beschränkung unterliegt, hat schon mein Vorgänger dargethan. Es würde sonst auch
der ergiebig behandelte Bericht denselben oder einen gi'össeren Raum einnehmen als
die JBIj. überhaupt. Hier gilt die Kulturgeschichte also nur als Hilfswissenschaft, aber
als eine — das möchte ich betonen — recTit notwendige Hilfswissenschaft der Litteratur-
geschichte. Man kann meines Erachtens die Litteraturgeschichte nur richtig betreiben,
143) ib. S. 511. — 144) W. Ruprecht, E. Weg z. Erhaltung d. Provinzialsortiments. Oailing.n, Vandenhoeck * Ruprsrht.
1889. 8 S. M. 0,20 - 145) id., 1). L»denprpis im dtsch. liuchhaiidel. Seine volkswirthschaftl. Bedeutung u. B<!re4-.htigiiiig.
3. Aufl. Giittiugen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1889. 8 S. M. 0,15. — 146) id., O. Itaarsortimente. E. Segen oder e. Oafehr
fUr d. dtseh. lUicliliandel ? Oöttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. I« S. M. 0.20. — 147) X H. Rlamenthal, D. Ver-
kehr zwischen Verleger n. Sortinienter, sowie d. Verhllltniss derselben zu ihren Gehilfen. Zeitgem&ss« Betrachtuagen. 8.-A.
aus ,1"). wichtigsten Arbeiten d. Verlegers". Iglau, Selbstverlag. 32 S., 1 Portr. 1. 1,00. — 14« \ <». G ranichstidten,
D. Urheberrecht, Pressgesetz u. d. objektive Verfahren, erl. durch gerichtl. Entiicheidungon. Wien, Konegen. VlII, 224 S.
M. .3,60. - 149) X II. Huber, Z. Begriff d. Prossfreiheit nach Schweiz. Rechte. Bern, Wjss. 71 S. M. 1,.V). — ISO)
X K. Krem er, D. ausschliossl. Recht d. Urhebers an d. Melodie. Leipzig, Rreitkopf * Hartel. 42 S. M. 1,00. - 151)
X W. Möller, D. Buchdruckers best« Bezugsquellen. E. treuer Berater bei Neueinrichtung n. Vergr3ss«niug y. Buch-
dnickereien. E. Hilfsbuch zu vorteilhnften Bezüge tigl. Bedarfsartikel. Alphabet, geordnet u. her. Berlin, Isaleib. 36 S. II. 1,0(1. —
152) X A. Reitzer, Bezugsquellen- Adrossbuch f. Buchhilndler, Buchdrucker, Buchbinder, Schreib- n. Zeichenrequisiten-
Händler, Cartonage-Arheiter, Lithogiaphien u. alle verwandte OeschSftsziToige. Wien, Expcd. d NoviUten-Anxeiger f. <L
Colportage-Buchluindel. 72 S. M. 0,60. — 153) F. Ladewig, Tebor Tarifierung v. Bucheinbinden: CBIBibl. 8. S. 529—50. —
154) O X H. Bouchot, De la reliure. Exemples k imiter ou 4 rejet»^r. Paris, RouTeyre. 18». 94 S., 15 pL Fr. 7,50. —
•55) O X O- Brunet, Ätudes sur la relinre des liyres et sur les collections de bibliophiles eel^bres. 2. «d.. Bordeau,
Vve Moquet. — 156) O X A. Ledieu, Reliures artistiques et armoiri^es de la biblioth^qne d'AbbcTille. Paris, Cruel snc«. —
I 5: i-11. Gr. Steinhausen, Kulturgeschichte. 80
wenn man sie kulturhistorisch vertieft. Erst wenn man weiss, wie die wirklichen
Menschen waren, wird man einerseits die litterarischen Werke und andererseits ihre Ur-
heber, die Schriftsteller, richtig beurteilen und verstehen können. Von anderem Gesichts-
punkte aus kann man wieder die Litteraturgeschichte als Hilfswissenschaft der Kultur-
geschichte auffassen, und wer in diesem Sinne litterarhistorisch thätig ist, hat sicherlich
seine Verdienste. Glücklicherweise ist es aber noch niemandem eingefallen, sich dar-
über den Kopf zu zerbrechen, ob die Kulturgeschichte der Litteraturgeschichte oder diese
jener sich unterordnen müsse. Der Kampf über diese Frage tobt vielmehr zwischen
der Kvilturgeschichte und der politischen Geschichte ^) und ist im Berichtsjahr neu ent-
facht worden 2), Hier ist nicht der Ort, darauf einzugehen, ebenso wenig wie auf einige
Schriften und Aufsätze, die eine Berücksichtigung der Kulturgeschichte im Unterricht
in höherem Grade als bisher fordei'u 3-5). —
Allgemeine Darstellungen von grösserem Wert sind nicht erschienen. ^)
Andresens '') Buch ist rein philosophischer bezw. geschichtsphilosophischer Natur. —
Heichen ^) macht den Versuch, „ein Nachweisungs- und Unterrichtsmaterial
der Entwicklung der menschlichen Kultur vom Altertume an in chronologischer Folge
zu geben". Soweit sich diese Aufgabe überhaiipt durchführen lässt, ist sie nicht übel
gelungen. Zum Orientieren über das Datum kulturell wichtiger Ereignisse ist das Buch
nützlich; ein Register erleichtert den Gebrauch. Eine kurze Entwicklung der mensch-
lichen Kultur in ihren charakteristischen Zügen darf man aber von dem Buche nicht
erwarten. — Rein populär ist, wie schon ans dem Titel hervorgeht, K. Biedermanns ^)
Werk. Im Grunde ist es zwar weder eine wirkliche Volks-, noch eine wirkliche Kul-
turgeschichte, sondern die nicht allzuviel modifizierte politische Darstellung mit ange-
hängten Kapiteln über die Kultur der Zeit. Aber sie steht doch weit über anderen
populären Darstellungen und giebt viele richtige Gesichtspunkte für die Auffassvmg der
einzelnen Epochen. Für die Förderung bessei'en historischen Verständnisses kann das
Buch gute Dienste leisten. — Eine wesentlich populäre Darstellung will auch Sach^o)
geben, von dessen Werk der 2. Band erschienen ist. Nach der Ajigabe des HJb. streift
der Ton „oft ans moralistische". Ebenda sind folgende Proben der Themata angegeben :
Gesellschaftliche Zustände und Anschauung des scheidenden Mittelalters. Fahrende
Schüler. Die frommen Landsknechte. Aus dem Bauernkriege. Aus der Zeit des
Glaubenshaders. Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache. Fürstenleben und
Hoffestlichkeiten im Reformationszeitalter. Der Student des 16. Jh. Die Kunst des
16. Jh. Die Verwelschung vor dem grossen Kriege. Das Alamode- Wesen im 17. Jh.
Die Hexenprozesse. Unehrliche Leute und Gewerbe. Das Reichskriegswesen. Zeit-
stimmen aus dem 18. Jh. Landwirtschaftliche Zustände und Bestrebungen zur Zeit
Friedrichs des Grossen. Schwärmer, Alchemisten und Geheimbünde des 18. Jh. Ein
Dorfscludmeister der alten Zeit. Volksaberglauben der Gegenwart. — An dieser Stelle
muss endlich auch auf ein allgemeines Werk eingegangen werden, das zwar mit der
deutschen Kulturgeschichte im besonderen nichts zu thun hat, das aber für die Erörte-
rung der fundamentalen Frage nach dem Verhältnis der Kiüturgeschichte zu den Um-
gebungen, zu dem Erdboden selbst, sehr wichtig ist; schliesst doch diese Frage die
nach der Abhängigkeit des Einzelnen, des Dichters also wie seiner Figuren, von ihrem
„Milieu" in sich ein. Ratzel ^^) handelt in dem ersten, schon 1882 erschienenen, Teil
seines Buches allgemein über die Naturbedingungen der Kulturentwicklung, S. 399 über
die Beeinflussung des National Charakters durch die Naturumgebung, im zweiten über die
geographische Verbreitung des Meiischen und erörtert dabei unter anderem die Be-
ziehungen zwischen Bevölkeriuigsdichtigkeit und Kultiu'höhe, das Verhältnis der un-
kultivierten oder, wie R. sagt, kulturarmen Völker zur Kultur; die Wohnfläche der
Menschen: Städte, Ruinen, Wege, Ortsnamen werden als Zeugnisse kultureller Ansiedelung
betrachtet. Endlich wird über den grundlegenden Begriff" der Rasse gehandelt. Obwohl
das sehr wichtige Werk in der Regel die bisher voi'gebrachten Meinungen nur mit
kurzer Kritik zusammenstellt, durchzieht doch als leitender Faden die ungeheuere Menge
%
OXChr. Clason,D. Geschichtswissonschaft. Progr. Hadamar. 4". 29 S. — 2) D. Scliaefer, Gesch. u. Kultuigesdi. (S.o.
1:31.) — 3) X G. Stfiinhausen, D. Kulturgosch. u. d. dtsch. ünivorsiUton : Gegenw. 39, S. 322/4. — 4) X Lohmeyer,
Rllhle, Panton, Wie i.st d. UiUerrieht in d. Gesch. auf d. höher. I/ohraiistalten zu handhahon . . . damit d. Gesch. d. neuesten
Zeit u. A. Kulturgesch. in ausreichendem Masse Berücksichtigung tiiideu? '.i Guiachton. Prog. d. Kealgymn. St. Joliann in
Danzig. Danzig, A. MlUlor. 4«. 18 S. — 5) X li- Mahronholz, Waudlungeu d. Gei3ch.-AuffassunK u. d. Gesch.-Unterrichts,
hes. in üeutscliland. (= Deutsche Zeit- u. Streitfragen 84/5.) Hamburg, Vorlag.s-Anstalt A.-G. 74 S. M. 1,60. — 6) X
K. F. V. Ohertimpflor, Kulturgesch. (= llausbücherei her. v. Hottinger, l?d. 14.) Strassburg i. E., Holtinger. 12«. ItiO S.
M. 0,H0. — 7) C. Androsen, D. Entwicklung d. Mon.schon. Studien. Hamburg, Vorlagaanstalt u. Druckerei A.-Q. III, 124 S.
M, 3,00. |[IX'I!I. S. 1451/2.11 — 8) P. Iloichen, D. Kulturgosch. in llauptdaten v. Altertum l)is .auf d. Gegenwart. Berlin.
Lüstonöder. IV, 272 S. M. 2,00. |IG. Winter: BLIT. S. 82a.)l| — 9) K. Biedermann, Dtsch. Volks- u. Kulturgesch. f.
Schule u. IlauH. 2. Aufl. .«. Tle. in 1 Bd. Wiesbaden, Bergmann. XI, 108 S;; IV, 174 «.; IV, 2.19 S. M. 6,00. |[G. Winter:
BLU. S. 822; LCBl. 1892, S. 808 f.]| _ I0) J A. Sach, Dtsch. Leben in d. Vergangenheit. Bd. 2. Hallo, Buchh. d.
Waisenhauses. VI, 875 S. M. 0,00. |[H.lb. 12, S. 203; NationB. 8, S. 378; MHL. 19, S. lll.|) - II) F. Ratzol, Anthropo-
gcographie oder GrundzUge d. Anwendung d. Erdkunde auf d. Gesch. Stuttgart, Engelhorn. XLII, 781 S. M. 18,00. —
81 G. Steinhausen, Kulturgeschichte. I 5: 12-15.
gelehrten Materials Eine bestimmte Anschauung: die von der Einheit des Menschen-
geschlechts. Alle Verschiedenheiten anthropologisclier, sprachlicher, socialer, kultureller
Art verschwinden völlig vor der überwiegenden Masse der Uebereinstimmung aller
menschlichen Organisationen. Jedes unbedingte Operieren mit Begriffen wie Rasse,
Nationalcharakter, Kultin-- und Naturvolk wird ds bedenklich widerraten, und nachdrttck-
lich weist R. auf die Relativität aller dieser Kategorien, auf die Elasticität der Merkmale
hin. Auch die Verbindungen der Völker werden über das Mass der geläufigen An-
schauungen gehoben, so dass nicht nur die ursprüngliche, sondern auch die historisch
gewordene Isolierung als eine höchstens relative erscheint. — Hier sei auch ein ge-
schiclitsplnlosophisches Schriftchen von Ritter '2) erwähnt, das die Gegensätze der
Völker und Staaten im Vergleich zum allgemeinen Bedürfnis und Wollen des Menschen
nur ephemer sein lassen will und an einzelnen Nationen namentlich Westeuropas zeigen
mochte, dass die anscheinende nationale Dissonanz schliesslich zur Menschheitsharmonie
sich entwickelt. —
Darstellungen grösserer Gebiete. Als eine solche muss G. Stein-
hausens 13) Werk, von dem im Berichtsjahr der 2. Teil erschienen ist, aufgefasst werden.
Es wäre gut gewesen , wenn schon im Titel ausgedrückt wäre, dass hier nicht nur eine
Geschichte des Briefstils gegeben wird, wie sehr viele vermuten, sondern dass der Nach-
druck auf den Brief als Spiegel der geistigen Entwicklung, des Volkscharakters, des
geselligen Verkehrs, der jeweiligen Zeitströmungen gelegt wird, nicht zu vergessen die
mit besonderer Vorliebe gepflegte Behandlung, welche die gemütlichen Kräfte unseres
Volkes, Familiengeist, Freundschaft, Liebe, Humor usw. erfahren. Für die Litt«ratur-
geschichte fällt manches ab, z. B. behandelt ein Kapitel die Litteratur im Briefe und
den Brief in der Litteratur; die Briefe zahlreicher Litteraturgrössen werden beurteilt,
der Briefstellerlitteratur, die man in ihrer Vergangenheit nicht nach den heutigen Brief-
stellern beurteilen und gering schätzen darf, werden besondere Abschnitte gewidmet.
Für die Geschichte des Verkehrs und des Verkehrswesens, der Post, Hefert S. neue Bei-
träge. Die Menschen in iliren Verliältuiscen zu einander als Eltern, Gatten, Kinder,
Verwandte, Freunde, weiter die Frauen besonders werden ausführlich nach den Quellen
charakterisiert. TJeberhaupt verweilt der Vf. mit Vorliebe bei der Menschenschilderung.
Die Bildung, der Geist einzelner Stände, der Fürsten, des Adels, dar Bürger erhält aus
den Briefen mannigfache Beleuchtung. Der politische Briefverkehr wird in seinen Eigen-
tümlichkeiten gerade so geschildert wie der gelehrte und kaufmännische. Die Interessen,
welche die einzelnen Kreise oder das ganze Volk zu gewissen Zeiten beherrschen, treten
hervor. Die innere Einteilung des Werkes knüpft naturgemäss an die Entwicklung
des Briefstils an, die im vorliegenden Teil mit der alles beherrschenden Ausländerei
einsetzt. Das lateinische und namentlich das französische Element des „deutschen"
Briefes, der Einfluss der Kanzlei, der Schwulst im Brief wird, vielleicht zu eingehend,
behandelt. Eine Kürzung hätte auch die Schilderung des Tons der Briefe, der -wider-
lichen „Komplimentierart", ertragen. Die geringen Reste besseren Geschmacks, nament-
lich in den Frauenbriefen, bieten einen ei'freulicheren Ruhepunkt. Die eintretende
Besserung, die zunehmende Natürlichkeit und Freiheit des Stils, die sich entwickelnde
Empfindsamkeit und Gefühlsschwärmerei, die Erreichung vollkommenster Individualität,
daneben der unglaubliche Briefkultus sind der weitere Gegenstand der Darstellung, die
bis zur vormärzlichen Zeit des 19. Jh. geführt wird^^a-f), —
Sammelwerke: von Hellwald >*) hat 27 Aufsätze, die namentlich auf die
allgemeine Kulturgeschichte sich beziehen, in Buchform vereinigt. Wissenschaftlich
Neues oder besonders Interessantes soll darin nicht enthalten sein. — Mancherlei für
die Kulturgeschichte Wichtiges findet sich in Lübkesi^) Sammlung. Ich erwähne:
Prachtrüstungen französischer Könige in Deutschland von deutschen Künstlern ausge-
führt. Deutsche Miniaturen des frühen Mittelalters. Mitteralterliches Hausbuch und
Hans Tirols Holzschnitt. Ziu- preussischen Kulturgeschichte. Eine vergessene Reichs-
stadt (Dinkelsbühl). —
Kulturentwicklung im einzelnen. Darstellungen einzelner Epochen
und Zeitbilder. Der Zeitraum, mit dem die JBL. einsetzen, die beginnende Neuzeit,
hat im Berichtsjahr, wenigstens nach einer bestimmten Seite hin, eine im hohen
12) Ritter, NationalitMt u. HumanitKt Desfiau u. Leipzig, Rahle. 58 S. M. 1,20. — 13) O. Steinhansen, Gesch. d.
deutschen Briefes. Z. KuUurgesch d. deutschen Volkes. 2. Teil. Berlin, Oaertner. HI. 420 S. M. 9,00. |[0. Roethe:
HZ. 66, S. 95-100; K. Sallmann: BLU. N. 28; Ph. Strauch: DLZ. 12, S. 786/8; M. KoCh: LMerkur S. 393/4; LCBI.
S. 1752; Hellinghaas: LRs. 18, S. 53/4; I'rJbb. S. 284 (alle durchaus anerkennend i-H — 13a) X I>. deutsche Brief u. seine
Gesch.: NorddAZgS. N. 44, 50. (Auszug aus 13.) — 13b) X 0. Schwebel, Z Gesch. d. deutschen Briefes: SchlesZg. N.
684, 687. VZg N. 345, (Auszug aus 13.) — 13c) X Z. Gesch. d deutschen Briefes: TglRs. N. 66, 72, 75. (Auszog aus 13,
meist wörtlich) — I3d) X Gesch. d. deutschen Briefes: DVerkehrsZg. N. 31/2. (Au'iug ans 13.) — I3e) X Gesch. d.
deutschen Briefes: APost N. 23/4. (Auszug, meist wörtlich, aus 13.) — I3f) X H. R., D. denUrhe Brief im 17. u. 18. Jh.:
HambCorr. N. 380, 383. (Auszug aus 13.) — 14) O P- T- Hellwald, Ethnograph. R^sselsprBnge. Knltar- n. volksgeseh.
Bilder u. Skizzen. Leipzig, Reissner. 416 S. U. 6,00. — 15) W. LUbke, Altes o. Neues. Stadien n. Kritiken. Breslau,
Jahresberichte fUr nenere deutsche Litteratargcschichte II (i|. ß
I 5: ic-.'ij. (jr. Öteintiaiisen, Kultürgeschiclite. 82
Grade beachtenswerte Darstellung durch Alwin Schultz iß) gefunden. Nicht die
Menschen selbst, nicht die Zeitströmung, nur das äussere Leben mit allen seinen bunten
Bildern: das ist der Darstellungsgegenstand. Gleichwohl bietet das Buch für
unsere Zwecke sehr viel. Zunächst charakterisiert der V£ die äusseren Schauplätze des
Lebens, die Burgen, die Städte und die Dörfer. Die Stadt steht naturgemäss im
Vordergrund. Ihre Hauptbauten werden geschildert und daran Exkurse geknüpft, z. B.
geben die Wirtshäuser Anlass zur Schilderung des in ihnen herrschenden Treibens. Die
Einrichtung der Privathäuser tritt uns m allen Einzelheiten entgegen. Die verschiedenen
Stände, Kaufleute. Handwerker, Künstler werden bei ihrem Thun belauscht. Wertvoll
ist die Schilderung des bisher wenig beachteten bäuerlichen Lebens. Weiter kommt
dann der Vf. auf den Lebensgang der Einzelnen, auf Erziehung, Reisen und Wandern,
Heirat, Eheleben usw. Umfassend ist der Abschnitt über die Tracht, lehrreich der über
die Eeste, Vergnügungen und Unterhaltungen. Den Schluss bildet die Darstellung des
Kriegswesens. So ist das Werk recht geeignet, den Hintergrund der Zeit, das äussere
Leben und Treiben einer bestimmten Epoche zn veranschaulichen. Die Absicht, „die
bunte Aussenseite des damaligen Lebens zu schildern", ist wirkungsvoll durch eine
grosse Zahl sehr gut ausgeführter Abbildungen unterstützt, die alle aus zeitgenössischen
Quellen stammen. Auch in der Darstellung geht der Vf. auf die Quellen zurück, giebt
allerdings oft nur nebeneinandergestellte Quellenauszüge. Wer die geschilderte Zeit
litterarhistorisch behandeln will, wird in dem Biich eine gute Quelle zur Orientierung
über das „Milieu" sehen müssen, wie er andrerseits die Litteratur der Zeit in vielen
Einzelheiten a us ihm kommentieren kann. — Die Zeit der Renaissance hat einen neuen
Darsteller in Schaff i'') erhalten; in populärster Form wird von Schottes) über das
Jahrhundert der Entdeckvingen gehandelt; seine Schilderung des gesamten socialen
Lebens der Gegenwart setzt Röhr ich 10) fort. — Wesentlich geographischer Natur,
für den Stand der modernen materiellen Kultur wie auch für den Bildungsstand der
Bevölkerung nicht unwichtig, aber für uns ohne besonderes Interesse ist J. W.
Richters 2«) populäre Zusammenstellung. — Unter den klehieren Schriften 21) und Auf-
sätzen, die zum Verständnis einer einzelnen Epoche beitragen und die ich hier gleich
erledigen will, befindet sich manches wertvolle Stück, vor allem ein Aufsatz von
Dilthey—)^ der an späterer Stelle der JBL. noch besprochen wird. — Mit einem
gewöhnlichen Menschentypus des 16. Jh. beschäftigt sich ein' Aufsatz G. Stein-
hausens23) im Anschluss an die von Höhlbaum veröffentlichten Aufzeichnungen des
Kölner Bürgers Hermann Weinsberg. Sie zeigen klar, wie der nüchterne Durchschnitts-
mensch damals lebte und dachte. Es ist schon nicht mehr der frische Zug in den
Menschen, der uns im 14., 15. und am Anfange des 16. Jh. erfreut. Und bald darauf
beginnt Deutschlands trübste und elendeste Epoche, über die uns freilich eine gute
Kulturdarstellung noch immer fehlt. Aber das Ende dieser Zeit, da der Geschmack
vom „alamodischen" ins ,, galante" übergeht, ist neuerdings in einigen Partieen wenigstens
höchst charaktei'istisch und hübsch gezeichnet. In der ersten seiner anonym erschienenen
Studien, „Das Tabaksdöschen" betitelt, geht Paul Hoffmann 24) zunächst auf den
Kultus des Knasters und der Pfeife ein (,, es giebt eine Zeit in unserer schönen Litteratur",
sagt Hoffrnann von Eallersleben, „etwa von 1690 bis 1730, in der jedes Blatt nach
Tabak riecht"), dann auf die Mode des Schnupfens, die den Dosenkultus hervorrief
Selbst das „Frauenzimmer" beteiligte sich daran („Tabak, beliebte Kost der Nasen,
Galanter Hände Zeitvertreib, Des Spötters Zorn mag immer rasen. Dich liebt und braucht
manch artig Weib"). Gehört das Döschen aber namentlich zum ständigen Inventar der
galanten männlichen Welt, so ist die Rokokoschöne ohne die mouche, das Schmink-
pflästerchen, nicht denkbar. Erst spät macht sich das weibliche Geschlecht von dieser
Entstellung frei: Wieland bringt ihr 1773 die letzte Huldigung. Damals verschwand
auch die Allmacht, welche das L'hombre, wie überhaupt das Kartenspiel, a\if die galante
Welt ausübte. Namentlich war die Frauenwelt dem „L'hombretischgen" hold („Unsere
Leipzigerinnen treiben es so weit, als wenn sie ihr Brod damit verdienen wollten").
Seine interessanten Studien schliesst der Vf. mit einer Beleuchtung der bezeichnenden
Schles. Verlags-Anstalt. VIII, 522 S. M. 8,00. - 16) Alwin Schultz, Deutsches Leben im 14. u. 15. Jh.
1. Halbband. Prag, Tenipsky ; Leipzig, Freytag. IV, 320 S. XV Taf., 265 Bild. M. 30,00. |[M. Heine: DLZ.
13, S. 472; G. Steinhausen: TglEs. 1892, N. 177/8; J. Lessing: DRs. 71, S. 402/5.]| — 17) O Pli- S c haff.
The Renaissance. The rovival of loarning and art in the 14. and 15. centurics. New-York, Putinans Sons. — 18)
Th. Schott, D. Jh. d. Entdeckungen in liiographien für d. gebildete Jugend. Stuttgart, Union. 465 S. M. 7,00.
[LCBl. 1892, S. 479.]| — I9) W. Röhrich, D. Buch v. Staat u. Gesellschaft. E. allg. Darstellung d. gesaraten socialen Lehens
d. Gegenwart. 10.— 12. Lfg. Leipzig, Biodermann. S. 289-384. je M. 0,40. — 20) J. W. Richter, Deutschland in d.
Kulturwolt E. geogr.-statist Vergleich unseres Vaterlandes mit d. hervorragendsten Lllndergebieten d. Erde. Leipzig, Voigt-
Iftnder. Vlll, 367 S. M. C,00. — 21) O X Chr. Aieyer, E. deutsche Stadt im Zeitalter d. Humanismus u d. Renaissance. (=
Samml. gemeinverstUndl. Vorirr. 122). Hamburg, Verlagsanstalt. 36 S. Jl. 0,80. — 22) W. Dilthey, Auffassung u. Analyse
d. Menschen im- 15. u. 16. Jh. (S. u. II 1.) — 23) G. Steinhausen, Leben u. Meinungen e. Durchschnittsmenschen vor
8 jhh.: TglRs. N. 184, 187. 190. — 24". (S. n. III 1: 39—42.) — 25) 0. v. Leiiner, 1888 bis 1891. Sociale Briefe
83 G. Steinhausen, Kulturgegchichte. I ."i: 2« <-».
Worte „artig und galant" ab und fharaktcrisiert damit in Kürze das Bildungsideal des
Rokoko. — Nicht Holoho intime Schildennigon, sondern breit ausgoführte Zeitbilder
fiebt von Leixner^S) in den liriofon, die das heutige Leben^«) oft recht grell beleuchten.
)ie Zustände der deutschon Hauptstadt, in einer Hinsicht für das grossstädtischo Leben
fiborhaupt, in anderer doch wieder nur fVir das deutsche, speciell norddeutsche Leben
charakteristisch, werden unparteiisch blossgelegt. Das Berliner Familienleben, die Ge-
sellschaft, die einzelnen Stünde, die sittlichen Anschauungen, die recht betrübenden
wirtschaitlichon Zustünde, die litterarische und Kunstwelt, endlich die socialdemokratische
Strömung sind die Hani)tgegcn8tünde der Darstellung. Das Buch hat, nicht immer in
die Tiefe gehend, abgesehen von seiner löblichen Tendenz, Wert als ein nicht parteiisch
gefärbtes Bild heutiger Kultur. — Das heutige deutsche Leben in französischer Be-
leuchtung zeigt eine Skizze -7), die sich mit einem albernen Aufsatz der Revue des deux
mondes beschäftigt. —
ramilienleben, häusliches Leben, Frauen. Unserem rasch hastenden,
hyperegoistischen und hyperindividualistischen Geschlecht droht mehr und mehr ein be-
lebendes Element abhanden zu kommen, das allein die Gesundheit und die Kraft jeder
grösseren Gemenischaft verbürgt: der Familiensinn. Die Familie der Vergangenheit hatte
ein festeres Gefüge, in ihr fand der Einzelne wahren Halt. Diesem Familiengeist und
Familienleben früherer Zeiten ''^'*--^) nachzugehen, hat aucli ohne Tendenz ein hohes kultur-
historisches Interesse. Cettys'*^) nicht wissenschaftliches, aber doch meistens auf
ursprüngliche Quellen gegründetes Buch hat zwar jene Tendenz, der Gegenwart einen
Spiegel vorzuhalten, aber es ist doch auch sonst lehrreich und zeigt Familiengeist und
-leben, Erziehung, Bräuche, Geselligkeit der Vergangenheit in klaren Umrissen. Mit
Recht betont er die Frömmigkeit der alten Familie, aber er schliesst dabei doch zuviel
aus den für die Vergangenheit so charakteristischen frommen Formen, Formeln und
Sprüchen. Das war konventionell. Bei jenen frommen Haussprüchen dachte man sich
nicht mehr als der Kaufmann des IG. Jh., der auf den Frachtbrief schrieb „Im Namen
Gottes geladen". Zum Teil beruht das Buch auf den frfüier allgemein geführten Haus-
büchern und Familienchroniken. So werden die Aufzeichnungen A. Dürers, J, Stolzens,
J. Joners u. a. erwähnt. ^ Solche Familienchroniken oder aber jene kurzen Notizen in
den früher beliebten Schreibkalendern sind auch sonst als beachtenswerte Quellen hin-
gestellt^'-^^). Mehr politisch als kulturhistorisch interessant ist die von Chr. Meyer**)
veröffentlichte Chronik des Ritters Ehenheim; über den Kreis der Familie gehen auch
grössteuteils zwei von Grössler •^-''j) hervorgezogene bürgerliche Familienchroniken aus
dem 18. Jh. hinaus, die namentlich öffentliche Ereignisse, Mordgeschichten u. dgl. ver-
zeichnen, aber auch durch wirtschaftliche Notizen wertvoll sind. — Eines der charak-
teristischen Momente des alten Familiengeistes ist die Allmacht des Vaters. Ein Aus-
fluss derselben sind die häufigen schriftlichen Lebensanweisungen für die HeiTen Söhne
in der IVemde^^). Es können hier die Skizzen, die Th. Vetter ^7) nach den Briefen
Lord Chesterfields an seinen Sohn giebt, wenigstens erwähnt werden, obgleich hier ein
Engländer spricht. Uebrigens studierte der Sohn in Deutschland. — Li die häuslichen
Zustände im Bürgerhause des ausgehenden 16. Jh. führt uns eine Arbeit Eids**), die
über die übliche kulturhistorische Dilettantenschriftstellerei vielfach erheblich hinausgeht.
Die Angaben des „Inuentarium und verzaichnus aller ligender vuid Farender habe viind
guettere" des Bürgers Niclaus Scheffer zu Moschel werden zu einem hübschen Kultur-
bild verarbeitet — Ein seit langem beliebtes kulturhistorisches Thema, die Fraueii-
schilderung, hat wieder einmal mehrere Liebhaber gefunden; unter den Arbeiten von
Lina Morgenstern ^ö), de Witt^O) ^nd Cauviere-*') ist freilich keine allzube-
deutend^ia). — Da3s den Frauen zu ilirer Bestimmung, der Ehe, nicht bloss in
neuester Zeit durch die Annonce verhelfen wurde, zeigt eine unbedeutende Skizze von
J. Paul42). _
aus Berlin mit bes. Berllcksiohtigung d. socialdemokratischen StrHrnaogen. Berlin, PfeiUtUcker. XVI, 392 S. M. 4,00. KGreni-
boten III, S. 'J8ä |] — 26) X Moderne Menschen. Zeit- u. Sittenbilder aas d. Ovheimkamers e. Amateurs. 2. Taa^'snd
Wiesbaden, Mobr. III, 78 S. M. 1,00. — 27j Leben u. Sitten im Lande d. deiit^cheo Barl>aren: Qr«Dxbolen SO. II. S. 2&:t,8.
28) X M. de Zinidgrodzki, La ini-re et l'enfant: RTF. 6. S. 3()— 48. - 29) X »• Vallery- Rado t , .**eiitiment« de
fuinille I5T0— 1801: RPL. 24, S. 8— L>. — 30) U. Cetty, D. altelsSssische Familie. Einzige genehmigte lehersetzung aas d.
Französ. Freiburg i. B., Heider. XI, 228 Ö. M. 2,00. — 31) X J- Rathgeber, Aus e. elsss-t. Familienchronik.
JbGElsLotlir. 7, S. 123/7. - 32) X E- Martin, Notizen e. Strassburger BBrgers am 1625: Ib. S. 109-16. — 3S) X
G. SteinhauHon, Au» alten .Schreibkalendem: ZDKG. NF. 2, S. 113/6. — 34) Chr. Meyer, D. Familienchronik d. Kitters
Michel T. Ehenheim: ib. NF. I, S. 69—96 u. 123—46. — 35) H. GrOssler, Zwei FamiUen-Chroniken d. 18. Jh. aus HelfU
u. Eisleben: MansfeldBll. 5, S. 66—122 — 36) X F. Katt, Vaterl. Ermahnungen ror 2 Jlib.: Brief v. Beichlingo an seinen
Sohn Wolf Dietrich :BurschenschBll. 5, S. 16,'7. — 37) Th. Vetter, Rat.ichl»ge e. englischen Vaters an seinen Sohn: NZBriehZg.
N. 159, 162/4. — 38) L. Eid, lu Bürgers Haus u. Hof um 1597. E. Bild pfalaiscber Kultur: MHVPfala. 15, 8. 41-80. —
39) Lina Morgenstern, D. Frauen d. 19. Jh. Biogr. u. kulturhist. Zeit- u. Charaktergemilde. 27— S4. (3. Folge 3—10 HJt)
Berlin, Verlag d. DUausfrauenZg. S. 65—320. je M. 0,50. — 40) de Witt, Les femmes dans l'histoire. 2. Edition.
Paris, Hachette & Co. 402 8. iivec 80 grayures; — 41) J. Cauviere, De la condition de la lemme depuis Tantiquit^ ju^qn'i
nos jours. Marseille, Iiupr. Marseillaise. 22 S. — 4la) X O- Gräfin t. Streitberg, D. Enterbten, Gefallenen a. Verlorenen.
. E. Beitrag z. Kulturgesch. d. Weibes. Berlin, Fried. 88 S. M. 1,50. (lüt nicht historisch.) — 42) J. Paul. Durch d. Zeitun:;:
6'
r
I 5: 43-62. Gr. Steinha Visen, Kulturgeschichte. 84
Geselliges Leben, Spiele und Feste. Die Fortschritte der geselligen
Kultur lassen sich recht gut an der Entwicklung der Anschauungen über den geselligen
Anstand betrachten, die wieder freilich mit der allgemeinen Entwicklung eng zusammen-
hängt. Diesen Zusammenhang der allgemeinen Zeitströmung mit der Umwandlung
der Anstandsbegriffe hätte Denecke ^3) in seiner fleissigen Arbeit noch mehr be-
tonen sollen. Er verfolgt die Entwicklung des Anstandsgefühls, namentlich durch
Wiedergabe der jeweiligen Anstandsregeln, in Deutschland vom 11. bis 18. Jh. Ganz
richtig ist, dass schon vor den ersten Anfängen des höfischen E,itterwesens von durch-
aus höfischem Verkehr die Rede sein kann. Das Rittertum bildete den geselligen An-
stand dann weiter aus zu einer konventionellen Etikette. Das aufkommende Bürgertum
schuf sich trotz vielfacher Anknüpfungspunkte neue Anstandsiehren. Als charakteristisch
stellt D. „Betonung des ursprünglich menschlichen Anstandes und Zurücktreten des weib-
lichen Geschlechtes" hin. Für den bekanntlich damals massgebenden Einfluss des
Bürgertums ist es bezeichnend, dass sich der Fürstenstand gesellschaftlich von dem
vornehmen Bürgerstand kaum unterschied. Als dritter Abschnitt folgt dann in der Ent-
wicklung die Charakterisierung der widerlichen und in Servilität und Gemeinheit auf-
gehenden Komplimentierart, von der man sich langsam losringt. D. hätte aber nicht
vergessen sollen anzuführen, dass auf jenen namentlich aus Frankreich stammenden
Formen im Grunde unsere heutigen Formen („ich habe die Ehre" usw.) beruhen. Nur von
der ceremoniellen Umständlichkeit und Hyperservilität des früheren Deutschen hat man
sich frei gemacht. — Ein kleines Produkt des modernen Verkehrs, die Visitenkarte,
bespricht Grand-Carteret^'*); kleinere Publikationen von Edw. Schröder^») und von
Heinematin*^) beschäftigen sich mit anderen Dokumenten des geselligen Verkehrs
früherer Zeit^'). — Den Luxus desselben zeigen die früher ausserordentlich häufig
erlassenen „Ordnungen", deren einige auch im Berichtsjahr von P. Lemcke''8) veröffent-
licht sind.'^^a) — Zur Geschichte der deutschen Geselligkeit trägt zum Teil auch
F. Webers^ö) Darstellung der geselligen Tafelfreuden, der Trinksitten usw. bei. So
wird z. B. das alte deutsche Nationallaster, der Trunk ^0-52^^ {^^ seiner Entwicklung ver-
folgt.— Die Stätten, in denen vor allem dem Trunk gehuldigt wird^Sa)^ die Wirtshäuser,
und weiter die Gasthöfe älterer Zeit findet man in von Liebenaus^^^ Buch, im wesent-
lichen einer grossen Notizensammlung, geschildert und durch Illustrationen veranschau-
licht. — Unter den Festlichkeiten der Vergangenheit haben die Fastnachtslustbarkeiten
eine grosse Rolle gespielt. Ueber eine solche vom Jahre 1657, ein Kübelstechen, „bei
welchem sich die Kämpfenden in hölzerne Kübel oder Bottiche steckten und in dieser
Ausrüstung gegen einander anritten", giebt Bosch ^4) nach einer Hs. des Germanischen
Museums willkommene Mitteilungen. — Zur Geschichte der Spiele 55-57") nnd Feste57a-60^
sind manche Beiträge geliefert worden, die zum Teil in das Gebiet der Volkskunde ge-
hören. — Für die deutsche Kulturgeschichte hat auch Lagardes^i) mit der üblichen
Polemik gepfefferte Abhandlung kein unmittelbares Interesse, da sie sich mit der Ent-
stehung des christlichen Weihnachtsfestes beschäftigt, dessen Einsetzung Usener chrono-
logisch fixiert hat. Andererseits könnte uns die Arbeit einen nicht gerade erfreulichen
Beitrag zur Geschichte des heutigen Gelehrtenlebens geben. Damit komme ich zu
Schilderungen der geistigen Entwicklung. —
Geistige und gemütliche Entwicklung. Den Spuren der deutschen
Scholaren, speciell der Rechtsliörer in Italien, nachzugehen, hat sich Luschin von
Ebengreuth62) zur Aufgabe gestellt. Er fährt mit den 1886 begonnenen Berichten
über seine Forschungen in den Archiven Bolognas und Paduas fort. Nach diesen Mit-
Didaskalia N. 76. (Frülieste Heiratsannonce v. 8. Juli 1738.) — 43) A. Deneckc, Beitrr. z. Entwicklung d. gesellseh.
Anstandsgefühls in Deutschland. Progr. Gyinn. z. Heil. Kreuz, Dresden. Leipzig, Fock. 4". XXXIII S. M. 1,20. |[R.
M. Meyer: ADA. 17, S. 331.] | — 44) J. Grand-Carteret, La carte de visite ä travcrs 2 siöcles: RPL. 47, S. 149—64. —
45) Edw. Schröder, Neujahrswunsch a. d. J. 1520: KBlVNiederd.^pr. 14, S. 85. — 46) 0. v. Heinemann, Einladung z.
e. Kindtaufo 1471: ib. S. 6. — 47) (IUI: 17.) — 48) P. Lomcke, Verlobungs-, Hochzeits- etc. -Ordnungen d. Stadt Nord-
hausen: HarzerMh. 2, S. 54/6. — 48a) X I'- Jacob i, Ueber Missbräuche bei Hochzeiten, Taufen, Leichenbegängnissen etc. in
Homburg im 17. u. 18. Jh.: MVGHomburg 4, S. 11-20. — 49) O F- Weber, Gastronomische Bilder. Beitrr. z. Gesch. d.
Speisen u. Getränke, d. Tischsitten u. Tafelfreuden verschiedener Völker u. Zeiten. 2. Aufl. Leipzig, Weber. 12". XVI, 348 S.
M. 5,00.-50) X Deutscher Durst: Didaskalia N. 282. (Auszug aus N. 49.) — 51) X A. Birlinger, Ex Bibosophia : Alemannia
19, S. 28—31. — 52) X A. Treichel, D. Lied v. Krambambuli: AltprMschr. 28, S. 338—44. — 52a) X A. Plaumann,
Breslaus Wirtsstuben sonst u. jetzt: SchlesZg. N. 627, 630. — 53) O Tli- v. Liebenau, D. Gasthof- u. Wirtshauswesen d.
Schweiz in älterer Zeit. Mit 61 Illustrr. Zürich, Preuss. X, 347 S, M. 12,50. | [HJb. 12, S. 205; SchwcizKs. S. 449 f.] | —
54) H. Bosch, Fastnachtsbelustiguug im J. 1657: MGNM. S. 22/4. - 55) X C. W. Luders, D. Kaak-Spiel : MVHamburgO.
13, S. 46/8. — 56) X H. Hein eck, E. latein. Schulgespräch über d. Schmaräkel-Kegolspiel aus d. J. 1696 ins deutsche über-
tragen V. H. Grössler: MansfeldBU. 6, S. 155—63. — 57) X A. Schmidt, E. Schweizer Kartenspiel aus d. Anfang d.
16. Jh.: QBllHVHessen. 1, S. 88-93. — 57a) X H. Dollmeyer, D. Schützenwesen d. Stadt Hörn im Zeitalter d. 30j. Krieges:
BVLNioderösterroich. NF. 25, S. 206-23. — 58) X I'- Tobl er, Ueber schweizer. Gemeindefeste: NZürichZg. N. 78. (Setzt
d. grösseren Natioualfosten d. Scliweiz die alten lokalen Feste gegenüber, die d. Charakter grösserer Traulichkeit u. Innigkeit
zeigen.) - 59) X U. Stehle, Volkstümliche Feste etc. im Elsass: JBGElsLothr. 7, S. 200/6. (Vgl. 1890 I 5: 62.) — 60) X
H. Krallinger, Ueber Frühlings-, Gregorius- n. Rutenfeste: Bayerland 2, S. 42/4. — 61) P. de Lagarde, Altes u. Neues
über d. Weihnachtsfest. Mit e. Anhang. Göttingen, Dieterich. S. 211—323 u. 384—421. M. 2,00, — 62) Luschin v. Eben-
85 G. Steinhausen, Kulturgescliichte. I 5: «3-77.
feiluiifzion muss der geistige Eiiiiluss Italiens auf Doutscliland im Mittelalter und der
l)egiiiiionflen Neuzeit ausserordentlich gross gewesen sein. Wer heherrschto denn auch
die Welt, nachdem längst das Imperium Romanum in Trümmer gesunken iHt? Rom,
die „ewige Stadt""); denn sie war der Sit>z der ersten geistigen Macht, der Kirche.
Und auch nacJi dcun Ansturm des Wittenberger Mönchs blieb der römische Einfluss
bestehen. 8o hatte der Humanismus denselben gerade belebt. Wieder sollte, wie einst,
für alle gelehrten Produkte die lateinische Sprache allein giltig sein. Lateinisch war
auch die Sprache des Lehrstuhls. Dagegen traten erst um die Wende des 17. Jh.
Neuerer auf; einige schwache Anfänge machen sich schon zu Beginn des 16. Jh. (Tile-
mann, Hevelitjg und vor allem Theophrastus Paracelsus) bemerkbar. Hoder-
mann*»^) hat darCiber gehandelt, vorzugsweise natürlich über den Thomasius, der zu
Leipzig dieses „noch nie erluirte Crimen" beging. Wie Schupp schon vor Thomasius,
so begannen, dui'ch ilui angeregt, hie und da Scribenten vae der Professor Grau, Caspar
Büszing, seine berechtigten Jdeen zu verfechten, ohne dass diesen Verfechtern eine
grosso Bcdeutiuig zukommt. Auf die nun bemerkbaren wirklichen Anfange und die
Ausbreitung des deutschen Kathedervortragos geht der Vf. zu wenig ein. l5em Thoma-
sius gebührt aber jedenfalls das Hauptverdienst. Es steckt in ihm schon viel vom
modernen Menschen. Das zeigt vor allem auch sein Kampf gegen die vorbolirte theo-
logische Macht, der schon eine Komfidie ein Verbrechen schien ö*), und sein Kampf
gegen den Aberglauben, gegen die Hexenverfolgungen. Das elende SHkulum, durch so
viele hässliohe Züge sonst schon entstellt, gefiel sich auch in dieser Verzerrung. Der
Aberglauben — ich handle in diesem Abschnitt nur von ihm, sobald er als auükllige
geistige Strömung auftritt, vom Volksaberglauben dagegen bei der Volkskunde — fülu*te
in dieser Zeit zu wirklichen Tragödien 66). Diese Hexenprozesse haben eine ganze
Reihe von Scliilderungen oder Publikationen im Berichtsjalu- hervorgerufen'"-"). Nament-
lich für Oesterreich sind interessante Beiträge gegeben. So behandelt Meli '2) das
Hexenwesen in Steiermark. Von Hammer-Purgstall ist einer dieser steirischen Prozesse,
der Massenprozess zu Peldbach (1G72 — 74), im Roman verwertet („Die Gallerin auf der
Riegersburg"). M. legt die Aussagen der Angeklagten, die „Geständnisse", zu Grunde,
geht auf die Art, wie der Teufel und der Verkehr mit ihm, auf die Teufelsdogmatik,
auf das Gerichtsverfahren selbst und einzelne Prozesse ein, so auf einen seltenen Fall,
in dem ein Weib trotz aller Grade der Folter nichts bekannte und ohne Lüge starb. —
Einen kärntnerischen Prozess aus dem Jahre 1715 behandelt Aichelburg '♦); man sieht
daraus, wie der Beschuldigte auf der Folter leicht dahin zu bringen war, auch andere
zu belasten und so einer „wahnsinnig gewordenen Justiz" immer neue Opfer zu-
zuführen. — Wertvoll ist das Buch von Rapp'^^), das in erster Auflage 1874 erschien,
einerseits weil es uns in die älteste Zeit der Hexenprozesse, die diu-ch die Bulle des
Papstes Innocenz VIII. 1484 flu- Deutschland organisiert wurden, andererseits weil es
auf die frühen Gegner dieser furchtbaren Richtung eingeht. Der Hexenmeister Heiiuich
Institoris, der 1485 in Tirol erschien, musste wieder von dannen: „der Bischof schaffte
den Liquisitor zum Lande hinaus". Gegen Ende des IG. Jh. tritt in Tirol als Gegner
der Hexenverfolgungen der P. Tanner auf, dessen massvolle Ansichten ausführlich dar-
gelegt werden, am Anfang des 18. Jh. ein Weltgeistlicher Tartarotti, dann der Priester
Ferdinand Sterzinger, deren Wirken uns ebenfalls anschaulich vorgeführt wird.
Sehr willkommen sind die Beilagen: „Aus den ältesten Akten von Hexenprozessen im
deutschen Südtirol". Bemerkenswert ist, dass Tanner Jesuit war ebenso wie der be-
kannte Spee, der das Abscheuliche der Hexenprozesse stark empfand 'S). — Darauf
möchten sich am Ende die Verteidiger des Jesuitenordens berufen, zu denen neuerdings
Duhr^ö) gekommen ist: er versucht, einzelne „Fabeln", z. B. die Monita secreta der
Gesellschaft Jesu, Verpflichtung zur Sünde usw. zu entkräften. Er wird freilich von
der Vortrefflichkeit des Ordens Jesu doch nicht alle Leser überzeugen können"). Sie
greuth, Quellen z.Goscli. deutsdior RochtsIiOrer in Italien: SBAkWienPli. 124, N. XI. — 63) X L- Frlnkel, Rom. d. ewig«
Stadt d. WeltRcsch. u. d. Dciitsilion: DoutscLZg. N. 7010. (Einleitungskapitel z. e. Studie über Koni u. d. deutsche Litteratnr.)
— 64) R. H odermann, Iniversitatsvorlesungon in deutscher Sprache um d. Wende d. 17. .Ih. (Vgl u. I,«.) — 65) X Oeorg
Minier, E. Dresdener Komödienverbot v. J. 1662: NAS«chsG. 12, S. 298-309. (S. 1890 III 4 : 1.3.) - 66) X R- Kleinpanl,
Tragödien n. Komödien d. AbergUubons : Gaitenlaube N. 11. - 67) X 0- Strecker, Z. Gesch. d. Hexenproiesse in Pommera:
MHIIGPomraG. 5, S. 145/9. — 68) X 0. Kurth, Ankliigoschrift aus e. Heienprozesse: Blr 17, S. 7 9, 16 7. (Krcienwalde 1644.)
- 69) X C. Stamford, E. Prozess v. d. peinl. Halsgericht: ZVHessG. NF. 16, S. 285-314. - 70) X L. Ab»»i, E. Hezen-
prozess: Hazilnk 9,1, S. 72/4. (1763.) — 70a) X J- Schillingcr, D. Hexenproiesse im ehemaligen FBrst«ntum B*sel: YJnni
zSchwarzwald 8, S. 1-44. — 70b) X E.Hermann, D. Hexen t. Baden-Baden. Karlsruhe, Macklot 12«. 56 S. M. 1,00. —
71) X K. E. H. Krause, E. Mecklenburger Heienlied: RostockZg. N. 379. (Vgl. ib. N. 422, d. Lied ist nur d. Rwt e. Dich-
tung V. Dräger. Wenn man nur nicht alles, was das Volk singt n. redet, sogleich original u. altertOmlich finden wollte.') —
72) A. Meli, Z. Gesch. d. Hexenwesens: ZDKG. NF. 1, S. 317-35. - 73) M. Frelh. t. Aichelburg, D. Prozess d. Peter
Eiizi. E. Beitr. z. Kulturgesch. d. 18. .Ih.: Carinthia I. 81, S. 76-80. — 74'» L. Rapp, D. Hexenproiesse u. ihre Gegner in
Tirol. 2. Antl. Mit dem Bildn. TarUrottis. Brixen, Weger. V, 171 S. M. 1,60. — 75) X Linsemann, Bapp, D. Heien-
prozesse; Ammann, d. Innsbmcker Hexenprozess v. 1485: ThQ. 73, S. 666—73. — 78) B. Dohr 8. J., Josuitenfabeln.
E. Beitr. z. Kulturgesch. Lfg. 1-2. Freiburg i. B., Herder. YlII, 220 S. je M. 0,90. - 77) X 0. Oildemeister, Jesuiten-
15: 77a-87. G. Steinhausen, Kulturgeschichte; 86
sind und bleiben für die Mehrzahl die Prototypen jener engherzigen Weltanschauung,
deren Charakteristikum die Bekämpfung Andersgläubiger ''■'a) mit allen Mitteln ist, jener
Anschauung, aus der auch die ganze Hexenverfolgung hervorging. — Es ist übrigens
nicht leicht, sich über den Ursprung dieses Hexenwahns klar zu M^erden. Man darf
eine grosse, ungeheure, aber doch nicht alle Schuld den Verfolgern zusprechen: es
scheint, als ob gewisse Thatsachen unbestreitbar sind; sie wurden nur von der Unver-
nunft der Zeit dem Teufel statt anderen Ursachen zugeschrieben. Snell'^^), der die
Geschichte des Hexen wahns''^) eingehend untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass die
angebliche „Besessenheit" oft nur ein Krankheitszustand war. So nimmt er als Grund-
lage der Selbstanklagen einen geisteskranken, melancholischen Zustand an. Die meisten
„Hexen" waren aber seiner Ansicht nach hysterisch. Die „Besessenheit" stimmt nach
ihren Symptomen häufig mit Hysterie überein, auch in der Möglichkeit der Ansteckung.
Die somnambiilen Zustände sind ebenfalls nicht ausser Acht zu lassen. Einige haben
Hexen ausdrücklich als „mesmerische Patienten" bezeichnet. — Wir kommen damit in
das Gebiet jener mystischen „Thatsachen", für die Kiesewe'tter §0) neuerdings den
Ausdruck „Occultismus" angewandt hat. K. hat denselben in einem umfangreichen und
sehr fleissigen Werke in seiner historischen Entwicklung zu verfolgen gesucht. Frei-
lich ist das Buch nichts weniger, als kritisch, denn der Vf. steht ganz auf dem Boden
der „Geheim Wissenschaft". Einen Wert hat die Schrift nur als Materialsammlung.
In breiter Ausführlichkeit werden die Ansichten des Agrippa von Nettesheim, des
Paracelsus, des Cardanus usw., später Swedenborgs, J. Böhmes u. a. bis auf Carl du
Prel meist durch Auszüge aus ihren Schriften vorgeführt, bei denen Wesentliches und
Unwesentliches nicht geschieden ist. Der Vf. sagt selbst, er habe nichts gethan, als das
riesige Material „historisch gruppiert". Viel Mühe hat er auf bibliographische Angaben
verwandt. — In populärer Porm behandelt den „modernen Aberglauben" J. Uhl^ij, indem
er den Wundem des Spiritismus scharf zu Leibe geht oder sie auf ihren eigentlichen
Wert zurückführt. — Dass aber dem angeblich civilisierten Menschen der Aberglaube noch
tief im Herzen sitzt ^-), das zeigt auch jener immer noch nicht ausgerottete Blutaberglaube,
den Strack 83) behandelt. Rituelle Vorschriften der Juden fordern das Blut nicht, der
Aberglaube hat aber zu allen Zeiten Menschenblut gefordert. — Einen Beitrag zur Gesclüchte
der geistigen Entwicklung unseres Volkes giebt G. Steinhausen ^4)^ indem er die
Lieblingslektüre desselben verfolgt. Von einer solchen lässt sich im Mittelalter kaum
im allgemeinen sprechen. Der Geistliche betrachtete die antiken Schriftsteller als ver-
botene Frucht, naschte aber gern davon. Die Laien, soweit sie überhaupt lesen konnten,
nahmen neben den Erbauungsbüchern hier inid da auch weltliche Sachen zur Hand,
namentlich die Frauen. Erst nach der Erfindung der Buchdruckerkunst entstand ein
allgemeines Lesebedürfnis: neben der Erbauungslitteratur sind die Volksbücher,- Lieder-
sammlungen und Schwanke, dann die zahllosen „fliegenden Blätter" und „Neuen
Zeitungen" die eigentliche Volkslektüre. Aeusserst beliebt waren auch die Praktiken
und Wetterbüchlein; endlich die Teufelbücher. Die Ausländerei des 17. Jh. brachte
die Beliebtheit der Amadisromane mit sich; überhaupt wurden die Romane von nun an
das Hauptlesefutter.. Die Erbauungslitteratiu' blieb daneben ein wesentlicher Bestandteil
der Lektüre. Das 18. Jh. besiegte allmählich die allgemeine Vorliebe für die „galanten"
Romane und Schriften. Robinson eroberte die Welt, dann kamen die moralischen
Wochenschriften, die massenhaft gelesen wurden, darauf Geliert, der eiia Volksschrift-
steller im weitesten Sinne des Worts war. Klopstocks „Messias" und Goethes „Werther"
wurden zwei Lieblingsbücher. Wieder folgte dann die Zeit der Romane, namentlich
der elenden Ritter- und Räuberromane, die in unsere Kolportagelitteratur auslaufen.
Heute ist die eigentliche Lektüre der Massen die Zeitung im weitesten Umfange. — Das
Beste ist es jedenfalls nicht immer, was das grosse Publikum am liebsten liest, und die
verächtlichen Aeusserungen unserer Klassiker über das Publikum, die Biltz^S) ober-
flächlich zusammenstellt, sind nur zu sehr berechtigt. — Ueber drei Lieblingsbücher aus
der Schulzeit, das Wörterbuch, den Horaz und den Schulatlas plaudert Rodonberg^*').
Seit dem alten Atlas, meint er, habe sich die Welt gewaltig verändert. — Aber wie viel
interessanter als dieser Atlas, der die Welt doch so wiedergiebt, wie sie wirklicli ge-
wesen, ist doch eine Karte des Mittelalters, die vor uns mit einem Schlage eine Welt
moral: NationB. 8, S. 213/5 u. 227— 30. — 77a) X C h. Hutzelmann, E. jcsuitischor Foldzugsplan z. Ausrottung aller Ketzer.
Nach e. Schrift V. 1735 mitgot. 2. Aufl. Nürnberg. 27 S. — 78) 0. S nell, Hexenprozesse u. Geistesstörung. Psychiatr.
Untersuchungen. Mllnchen, Lehmann. 130 S. M. 4,00. — 79) X !>• Ursprung d. Hoxenwahns: KölnZg. N. 902. (.KnUpft
an N. 78 an.) — 80) C. Kiesewetter, Gesch. d. neuereu Occultismus. Geheimwissenschaltl. Systeme v. Agrippa v. Netteshoim
bis Carl du Prel. Leipzig, Friedrich. XIV, 797 S. M. 10,00. i[LCBl. S. 1188|9.]| - 81) J. Uhl, D. Formen d. modernen
Aberglaubens. (::=Samml. gomeinnlitziger Vortrr. N. 146/8.) Prag, Dtsch. Verein. 1890. 52 S. M. O.CO. — 82) X S6billot,
Superstitions de civilisös IL: RTP. 5, N. 11. — 83) H. L. Strack, D. «lutaberglaube bei Christen u. Juden. (= Schritt.
d. Instit. Judaio. 14.) München, Beck. VI, 59 S. M. 1,00. — 84) G. Steinhausen, >Yas man vor Zeiten gern las: TglRs.
N. 139—41. — 85) K. Biltz, Ausspruche unserer Klassiker über Publikum u. öflentl. Meinung: Neue Beitrage z. Gesch.
d. d. Sprache u. Litterntur [s. o. I 3 : 130]. S. 180—92. — 86) J. Roden berg. Alte Blicher: Dida=kalia N. 33. - 87) E.
87 G' Steinhausen, Kulturgeschichte. I 5: 8»- 102.
der riiaiilasii! hiiizaulturt und umh wo den ganzen geistigen Horizont der Zeit deutlich
voranscliiiuliclit. Eh ist kürzlifli difj gnisstxj und reichhaltigste dieser Karten, die aus
dem l'd. J\\. stanniionde Kbstorf'or Weltkai'to durch Sommerbrodt'*') veröffentlicht: in
diesem grossen Weltbild iiat man die ganze Entwicklung der geographischen An-
scliauuiig im Mittelalter vor sich. Das geographisch Richtige ist noch altes Erbgut aus
antiken Karten: interessanter Ist aber die Oeographie des Wunderbaren. Das Paradies,
die goldenen Borge, das Reich der Amazonen usw. sind ganz genau fixiert, ebenso die
falx^lhaftestcn V(")lker, oft in „naturgetreuen" Abbildung(5n. Nichts kaini besser in das
Mittelalter einfiihren, als diese „illustrated romanco". — Nur stufenweise**) entwickelte
sich eine bessere Keinitnia von der Mutter Erde: den Gang dieser Entwicklung verfolgt
Oppel^o) bis zur Geg(Miwart von rein geographischem Gesichtspunkt. — Den Fortschritt
der Menschhoit auf einem andern Gebiete, dem der Humanisierung des Krieges in den
letzten liundert Jahren, will HetzeP"^ erweisen; er beabsichtigt später das Thema von
den ersten Anfängen der Geschidite an durchzuführen. Die Zusammenstellung der
„Thatsac'hen" und liostrebungen ist zweifellos interessant, der Standpunkt des Vf durch-
aus gemässigt: an den ewigen Frieden glaubt er nicht. — Zur Erforschung der
gemütlichen p]ntwickhuig luiseres Volkes ist leider wie gewöhidich nicht viel geschehen.
Eine grosse Geschichte des deutschen Gemüts, die doch so lohnen<l wäre, giebt es
inunor noch nicht. Kleine Beiträge sind indessen zu verzeichnen: so ein von W. Rib-
beck ^i) vorgelegter interessanter niederdeutscher Liebesbrief aus dem If). Jh. — die
Plauderei S. Freys ^2) über Liebesbriefe ist ganz wertlos — ; so einzelne Partieen der
in gutem Sinne ])opulären Arbeit von Hauffen^-'); so ein Bild aus jenen Tagen, da
dem Gemüts- und Gefülilsleben der Menschen eine besondere, exaltierte Pflege ent-
gegengebracht wurde'**). — Eine Gescliichte des deutschen volkstümlichen Humors in
seinen Hauptzügen giebt G. Steinhausen^s). —
Nationale Entwicklung. Auf einen Teil der liier in Betracht kommenden
Schriften ^^-^^'j wird in anderen Abschnitten der JBL. (II 1, III 1, IV 1) eingegangen.
Hier sei davon zunächst die Schrift von F. W. Behrens ^0) angeführt, aber nicht ge-
lobt. Halbverdaute pliilosophisclie Redensarten können uns wenig nützen, ebensowenig die
Heieinziehung Bacos, Descartes' usw. Von einer liistorisch begründeten Entwicklung
ist auch keine Rede. Der Vf begnügt sich, oberfläcliliche Belege für das Nationalgefülü
der einzelnen Männer zu geben; Moscherosch ist garnicht erwähnt. — Einen grösseren
Zeitraum hindxu-cU wird das deutsche Nationalbewusstsein von G. Schultheiss *''<')
verfolgt. — Bei dieser Gelegenheit sei auf die Geschichte des deutschen National-
bewusstseins aufmerksam gemacht, die Lamprecht i^'i) als Einleitung ft\r seine „Deutsche
Geschichte" gegeben hat und die in klarer Entwicklung die Hauptpunkte vorführt.
L.s Buch wird uns in späteren Berichten, wenn es erst in die von uns behandelte Zeit
gelangen wird, noch beschäftigen, um so mehr, als in diesem Werke der geistigen, ge-
sellschaftlichen luid wirtschaftlichen Entwicklung ein ganz anderer Wert beigelegt
wird, als es sonst, von wohlwollenden Phrasen abgesehen, gemeinhin geschieht. —
Wiederum in neuer Auflage ist im Berichtsjahr Jastrows i*'-) Geschichte des deutschen
Einheitstraumes erschienen. Aus der Vielheit ging der Euiheitstraum und der Eiidieits-
drang hervor, aus dem erst unter Führung des preussischen Staates die wirkliche Ein-
heit entstand. Unserem selbstbewussten Geschlecht ist die Vertiefung in die Zeit
jener Bestrebungen nicht genug anzuraten. Man scheint heute mehr und mehr zu ver-
gessen, welcher Anteil an der praktischen Durchführung der Einheit dem deutschen
Volke in seinen besten GJiedern gebührt. Noch schärfer müsste in J.s Buch hervor-
treten, dass der Leiter der preussischen Politik auf das ersehnte Ziel hingedrängt wurde.
Den besten Weg gefiuiden zu haben, bleibt sein Verdienst. Durch das Studium der
Soiuraerbrodt, D. Ebstorfor Weltkarte, im Auftr. d. hist. Vereins f. Niedersaclisen her. Mit e. Atlas y. 25 Tafeln. Hannorcr.
Hahn. Fol. XII, 88 S. M. 32,00. — 88) X «S. Uugo, Nie. Cusas Karte v. Deutschland: Globus 60, N. 11. — 89) A.
Oppol, Terra incognita. K. kurzgofassto Darstellung d. stufonweisen Eotwicklung v. Ausgange d. Mittelalters bis i. Oogon-
wart etc. Itoil. z, TroRr. d. Handelsschule Bremen. Bremen, Guthe. 68 S. 5 T. — 90) H. Ho tzel , D. Humanisierong d.
Krieges in d. letzten hundert Jahren 1789—1889. E. Studie (2. Teil) Frankfurt a. 0., Trowitisch & Sohn in Commiss. 19.
VIII, 288 S. M. 12,00. (.1- 1'e'l "och nicht erschienen.) — 91) W. Ribbeck, E. Liebesbrief: JbVNiederdSpr. 16, S. 73/8.
— 92) S. Frey, Liebesbriefe: Didaskalia N. 18. - 93) A. Hauffen, Leben u. Fühlen im deutschen Volkslied. (= Samml.
genieiiinUtz. Vortrr. N. 143.) Tra.g, Dtsch. Verein. 18<,»0. 19 S. M. 0,20. — 94) O X !•• »• Schröder, Aus d. Tagen d.
Emptindsarakeit: BaltMsehr. 38, S 570—88. — 95) G. Steinhausen, DeuUcher Humor: MagdebZg". N. 33". — 96) X R-
Goette, D. Zeitalter d. Deutschen Erhebung 1807—15. {— Gesch. d. d. Einhoisbeweg. im 19. Jh. Bd I.) Gotha, Perthe«.
409 S. M. 7,00. KLCBl. S. 1354/5.]| (Kulturhist ohne Bedeutung; Tgl. IV 1 : 59.) — 97) X f. Meinecke, D. dUch. Gesellschaften
u. d. Hoffraannscho Bund. E. Beitr. z. Gesch. d. polit. Bewegungen in Deutsohl, im Zeitalter d. Befreiungskriege. Stuttgart.
Cotta Nachr. 79 S. M. 2.00. — 98) X K. v. Hase, Heden an d. JUnglinge d. freien Hochschulen Deutschlands. Leipzig,
Broitkopf & Httrtol. VI, 150 S. M. 3.00. — 99) F. W. Behrens, Deutsches Ehr- u. NationalgefBhl in seiaer Entwicklung
durch Philosophen u. Dichter 11600-1815]. Leipzig, Fock. 150 S. M. 2,50. ilLCBI. 1892, S. &40/l.)| - 109) O. Schult-
heis s. D. deutsche Nationalbewusstsein in d. Gesch. (Samml. wiss. Vortrr. Heft 129). Hamburg, Verl.-AnsUlt. 52 S. M. 1,00.
- 101) K. Lamprecht, Deutsche Gesch. Bd. 1. Berlin, G«rtner. XVH. 364 S. M. 6,00. - 102) J. Jastro w, Gesch. d.
Itsch. Einheitstraumes u. seiner Erfüllung. In d. Grundlinien dargest 4. Aufl. Berlin, Allg. Verein f. dtech. ytt ¥111,4008
I 5: 103-I20a. G. Steinhausen, Kulturgeschichte. 88
vergangenen Einheitsbestrebungen aber wird erst klar, dass die wirkliche Einheit eine
historische Notwendigkeit war. —
Aeussere Kultur. Der Wirtschaftsgeschichte hat sich seit einiger Zeit
ein grösseres Interesse zugewandt: zweifellos ist auf diesem Gebiete noch manche schöne
Aufgabe zu bewältigen. Für die speciellen Zwecke der JBL. scheint aber ein weiteres
Eingehen auf diese Litteratur nicht angebracht. Neben einer ganz populären Zusammen -
fassungios) sind einzelne Monographien lo^-ioß) erschienen; aufGotheins^O'?) vielversprechen-
des Werk werde ich erst nach seinem Abschluss zurückkommen i07a-b^. — Vielfach hat
man sich im Berichtsjahr mit dem deutschen Hause beschäftigt 'O^-ii'^): diese Forschungen
stehen im engen Zusammenhang mit dem warmen Interesse, das man heute überhaupt
der Erforschung unseres Volkstums entgegenbringt. Bevorzugt wird das Bauernhaus:
einerseits weil hier sicherlich die ursprünglichen Formen am besten erhalten sind, dann
auch, weil man heute dem ländlichen Leben überhaupt eine grössere Aiifmerksamkeit
und eine grössere — Achtung zu teil werden lässt. Fordert doch ein bekannter Autor
geradezu die „Verbauerung" unseres Lebens. Ganz hübsch ist Johns^^*) Arbeit, die
auch vielfach zusammenfassend orientiert. Er betont zunächst den innigen Zusammen-
hang des Bauernhofes 115) mit der Scholle, weiter seine Entstehung aus dem deutschen
Walde. Die selbständigen, von einander unabhängigen Einödhöfe bildeten Gruppen, und
so entstanden die Dörfer. Ihre Bewohner standen lange Zeit in der öffentlichen Mei-
nung sehr tief; darüber unterrichtet das oben (N. 16) angeführte Werk von Alwin
Schultz. Erst die moderne Zeit hat sozusagen das deutsche Dorf „entdeckt". Seine
litterarische Verwendung (Immermann!) wird flüchtig gestreift; ebenso die Vorliebe,
welche heute die Kunst für das ländliche Leben zeigt. Wissenschaftlich von Interesse
sind dann die volkskundlichen Bestrebungen, die vorwiegend eben an das Bauernhaus
anknüpfen. Unter seinen zahlreichen Formen sind folgende Haupttypen hervorgetreten,
die nun wieder zu vielen anderen Typen in Beziehung stehen: das Sachsenhaus (der
Einbau), das nordische, das friesische Haus und die weitverbreitete fränkische Hofanlage, der
Antipode des Sachsenhauses. In der Geschichte des deutschen Bauernhauses werden
zwei Epochen unterschieden, die alte Herd- und Rauchstube als älteste Urform, und die
Erweiterung, wie sie im fränkischen Haus am vollkommensten ausgebildet ist. —
Zweifellos ist für die Einzelforschung noch viel zu thun. So macht PeezU^) auf die
Lücken hinsichtlich Oesterreich-Ungarns aufmerksam und stellt die zu beantwortenden
Fragen fest, indem er gleichzeitig vier Haupttypen des österreichischen Hauses unter-
scheidet. — Auf seinen Forschungsgängen durch heutige Baiierhäuser begleiten wir H.
Steinhausenii''-li8) und lernen u. a. die „gute Stube" und das Altenteil näher kennen,
auch sonst allerlei vom deutschen Bauernleben und von dem Zerstörungswerk, das sich
seitens der „Bildungsverbreiter" vorbereitet. — Einen sehr ideal angelegten Landsitz der
Vergangenheit führt uns 0. Döring^i^) vor, indem er über jenes berühmte Kunstwerk
des 17. Jh., das durch Philipp Hainhofer am Stettiner Hofe abgeliefert wurde, berichtet.
Kulturhistorisch interessant ist namentlich das „Verzaichnus, vnd Summarische kurtze
beschreibung des Mayrhoffs". — Im Besitz pommerscher Fürsten war übrigens auch
jener von J. Lessingi20) bescliriebene kunstvolle Teppich, der uns noch heute erhalten
ist. Man brauchte diese Teppiche i^Oa) zur Dekorierung und zwar umsomehr, als es bei
dem häufigen Wechsel des Hoflagers oft galt, schnell eine gewisse Wohnlichkeit herzu-
stellen. Der Hauptsitz aller Teppichindustrie waren die Niederlande. Niederländische
Teppiche sind ebenso begehrt wie etwa Augsburger Waffen, über deren Herstellung
M. 6,00. (IV 1:50). — 103) E. Moormeister, D. wirtscliaftl. Leben. Vergangenheit ii. Gegenwait, dargest. für Schule u. Haus.
Freiburg, Herder. VIII, 180 S. M. 1,80. — 104) X F- J- Haun, Bauer u. Gutsherr in Kuncadison. Schilderung d. ländl.
■Wirtschaft u. Verfassung im 16., 17. u. 18. Jh. {=-. Abhandll. a. A. staatswiss. Sem. zu Strassburg. 9.) Strassburg, TrUbner.
XI, 321 S. M. 6,00. - 105) X K. Biedermann, D. Bauernartikel v. 1525 im Lichte ihrer u. unserer Zeit: ZDKG. NF. 1,
S. 241-69. - 106) X G. Schnapper- Arn dt, lieber Geldvorkehr, Preise etc. in d. 1. Hälfte d. 18. Jh.: KBIWZ. 10,
S. 28—31. — 107) O XX E. Gothein, Wirtschafts- Gesch. d. Schwarzwaldes u. d. angrenzenden Landschaften. Im Auftr.
d. Hist. Komm, bearb. Lief. 1-5. Strassburg, TrUbner. 480 S. je M. 2,00 |[DLZ: 12, S. 512/3; LCBl. S. 712/3.J1 —
107a) X A. Thamm, D. Entstehung u. Entwicklung d. Handels bis z. Neuzeit auf weltkundlicher Basis dargest. Striegau, Watten-
bach. 12«. III, 826 S. M. 4,00. — 107b) X H. Gibbin s, Ihe hisloiy of commerce in Europo. New-York, London, Mnc-
millan & Co. 16". VIII, 253 S. C. 90. — 108) X G. Bancalari, Forschungen über d. deutsche Wohnhaus: Ausland 64,
N. 31/7. — 108a) X ß. Meringer, Studien z. gernian. Volkskunde. D. Bauornhiius u. dessen Einrichtung: ilAuthropGesWien
NF. 11, S. 101—52. (I'.etr. Alt-Aussee.) — 109) X E. Güpfert, Unser Haus u. Heim im Lichte d. Sprache u. Kulturgosch.: ZDU.
5, S. 386—402. (Soll anziehend d. Wesentliche zusammenfassen.) — 110) X W. Götz, D. nordische Wohnhaus wahrend
d. 16. Jh., sonderlich im Hinblick auf d. Schweizerhaus. (= Samml. gem. wis.s. Vortrr. 131.) Hamburg, Verl.- Anstalt. 31 S.
M. 0,60. — Hl) X K. Brandi, D. osnabrückische Bauern- u. Bürgerhaus : MVGLOsuabrUck 16, 8.265—314. - 112) X H. ühle,
U. Dänische Haus in Deutschland: VGAntlir. S. 493—615. — 113) X Mejberg, Aehnlichkeit^n d. Schlosw. Bauernhöfe m. d
Gebäuden d. mittl. u. alt. Zeit: ib. S 409 f. — 114) A. John, Dorf u. Hauernhof in Deutschland sonst u. jetzt: ZDKG. NF. 1,
S. 436-68. - IIS) X Ch. Meyer, Dorf u. Bauernhof in Deutschland in alter u. neuer Zeit: TglKs. N. 18, 19, 20, 22. —
116) A. Peez, D. Bauernhaus in Oesterreich-Üngarn. Wien, Holder. 4«. S. 57/9. M. 0,80. — 117) H. Steinhausen,
Bauernhauser: Kunstw. 4, 8. 249—52. — 118) id., E. Kiliansbrief über Bauernhauser: BayreuthBll. 14, 8. 110-20. — 119) 0.
Doering. Philipp Hainhofers Beschreibung d. sog. pommerschen Meyerhofs: ZHVSchwaben 18, 8. 67—86. — 120) J. Lessing,
D. Croy-Teppich d, Universität Groifswald: DRs. III, 8. 136—42. —120a) X •>■ Stammler, D. Teppiche d. hist. Museums in
89 Ct. Stoinhausen, Kulturgeschichte. I 5: 121-154.
\ind Verbreitung uns eine Arbeit von Boelieim'^i) vorliegt. — Für -die Kenntnis der
Geschichte der Tracht können uns zu praktischen Zwecken oder zu schneller Orientie-
nnig illustrative Veniflentlic^hiuigen am förderlichsten sein, wie solche in den bekannten
Blättern von Heydens'^-) oder in den minder anspruchsvollen MCinchenor Zeichnungen'^)
vorliegen. — Für die heutigen Volkstrachten, die ja doch über kurz oder lang der alles
nivellierenden Gegenwart zum Opfer fallen werden, kommt vor allenDingenKret8ch!ners'24)
Publikation, die auch einen erklärenden Text enthält, in Betracht. — Im übrigen sind
mannigfache urkundliche oder scliildemde Beiträge zur Trachtengeschichte oder zur
Geschichte der Mode'-^^i^o) zu verzeichnen. Das vergangene Leben bietet eben eine
buntere Aussenseite als das heutige. — "Weniger interessant ftir uns als die Art, wie
man sich kleidete, ist die Art, wie man seine Nahrung bereitete. Ueber beide Themata,
dazu auch über die Wohnung, in lokaler und zeitlicher Spezialisierung, handelt ein
anonyjner Aufsatz '3*). — Abgesehen von den N. 40. erwähnten Weberschen „Bildern", liegt
sonst wenig "*2-i34) vor. Hervorzuheben ist indessen eine Schrift von Reiber'^S), Es
wird in diesem auch äusserlich splendid ausgestatteten Büchlein ein kleines
Manuskript aus dem Anfang des 1(5. Jh. nachgebildet. Ueber die Küche des Klosters
hinaus führen die Notizen des Herausgebers nach einer Handschrift: „Inquisition
und Aussagen der Closterfrawen zu Sankt Celans in Undis wegen der ungebürlicheti
Handlungen und Unzucht, die darin fürgangen". R. hätte uns mit ausführlicheren Schil-
derungen des Klosterlebens erfreuen sollen. — Die Kenntnis des Gesundheitswesens
früherer Zeit ist einerseits durch mehrfache Bekanntmachung von Recepten und Heil-
mitteln i^"-^^^) — zusammenfassend behandelt Peters*^^) die Pharmacie der Vergangenheit — ,
andererseits durch Beiträge zur Geschichte des Badewesens '^o-i*') bereichert worden. So
legt Bosch ^^2) (Jie Anweisungen vor, welche 1571 ein Nürnberger Arzt, Volcherius
Coiter, der erste bekannte „Zergliederer", einem Patienten gab, der sich wegen seines
„bösen Magens" zur Kur nach Karlsbad begeben wollte. — E. Jacobs '^^^ bringt Nach-
richten über einen französischen und einen holländischen ärztlichen Landfahrer, die auf
den Märkten ihr Zelt aufschlugen. — Eine Epidemie früherer Zeit — alle Sommer kehrte
ja damals bei den mangelhaften hygienischen Verhältnissen das „Sterben" wieder —
schildert Ammann. 1*^) — Zur Geschichte des deutschen Verkehrswesens '*5-i*=*) hat
Quetsch '''^) einen fleissigen Beitrag geliefert. Unzweifelhalt ist gerade die Gegend des
Mittelrheins ein historisch sehr wichtiges Gebiet, zu Zeiten geradezu ein Centralpunkt
geschichtlichen Lebens gewesen, folglich höchst geeignet, auch für das Verkehrswesen,
das hier zu besonderem Aufschwung gedieh, nahezu als typisch zu gelten. Jedenfalls
Hess sich hier auch ein reicherer Stoff zusammenbringen als sonst irgendwo. Ganz
scheint mir der fleissige Vf. dieses Stoffes nicht Herr geworden zu sein, insofern mir
die wesentlichen Gesichtspunkte nicht scharf genug herausgearbeitet sind und das Buch
Tliun: ÄHVBern 13, S. 231—94. — 121) W. Boohoim, Augsburger WalfenBchmiede, ihre Werke u ihre Beziehungen z. Kaiserl.
u. and. Höfen: JKSAK. 12, S. 165-227. — 122) IUI. f. KostUmkunde. Hist. u. Volkstrachten. Unter Mitwirk. t.K. Ahrendts
. . . her. V. A. V. Hoydon. NF. 19— 21 (Schluss-Heft) (217-52 Klatt). Berlin, Lipperheido. 1888-90. 40. XXIII, 86 S.
je M. 4,50. — 123) Z. Gösch, d. Kosttlmo. Nach Zeichnungen v. W. Diez, C. Fröhlich. C. Haberlin etc. MUnrhon, Braun t
Schneider. Fol. 76 Taf. 8 S. M. 9,50, color. 16,10. — 124) A. Kretschmer, Deutsche Volkstrachten. Orig.-Zoichn. mit
erkl. Te.xt. Wohlfeile Ausg. 27—30 Llg. Leipzig, Bach. 4". 12 Taf. 38 S. je M. 1,00; cpit. 36.00. — 124«) X Th. Martin,
Trachten am Bodenseo: ZGBodensee 20, S. 104—13. — 125) X G. Sello, Z. Trachten-Oesch. d. Mark Brandenburg: FBPO. 4,
S. 607 — 13. — 126) X Klotz, Kirchl. GewMnder m ersten Jh nach d. Reformation: MAVZwickau 3, S. 34/9. — 127) X E.
Jacobs, BUrKcrlichos Ehrenkleid 1648: ZHarzV. 24, S 297/8. — 127a) X .•• W. B raun , D. PerrBcke in Berlin: B«r 16,
S. 390 ff. — 128) X Spitzen. Kulturhist. Skizze: NorddAZg. N. 50. — 129) XC. Gurlitt, Neunzig Jahre Frauenmode:
Gartenlaube N. 1 u. 3. — 130) X Baier. Nationaltrachten: Bayerlaud 2 u. 3, S. 419 fr, 531 ff, 36 ff, 47 ff. — 131) Brauch u. Sitte
in Schleswig-Holstein im Anfang d. 19. Jh. (Wie man wohnte. Wie man sich kleidete. Wie man ass u. trank.): ZDKO.
NF. 2, S. 86—102. — 132) X L- Eid, Herzog Stephans ZweibrUckor KHcheuordnung. 1443: Bayerland 2, S. 117—20. 155 ff.
— 133) X P- Regonsborg, Allerlei r. Sauerkraut: Oidaskalia N. 24. (Wird Übrigens z. B. in Ruasland mehr gegMsen als
im Lande d. deutscheu „Sauerkrautesser".) — 134) X Th. Volbohr, Weinrezepte d. 18. Jh.: MGNM. S. Miß. — ISS) F.
Reiber, KUchon-Zettel u. Kegeln e. Strassburger Fruuonklosters d. 16. Jh. Strassburg i. E., Heitz. 4". 52 S. M. 4,00. —
136) X *'• Jenny, Alte Receple u. Hausmittel: Alemannia 19, S. 31|6. — 137) X E. Pfaff, Ge.sundheittiregeln mitgeteilt: ib.
S. 108. — 138) X J- H. Gall^e, Mittelniedcrl. Arzneibuch: JbVNicderdSpr. 15, S. 105—49. — 139) H. Peters, Aus phanoa-
ceutischer Vorzeit in Bild u. Wort. 1. Bd. 2. Aufl. Berlin, Springer. XIV, 305 S. M. 7,00. |[M. Hey ne: DLZ. 12. 8. 60, 1.1| -
I40l X F. Falk, Z. Yolksgesundheitspfloge Deutschlands im Mittelalter: HPBII. 108, S. 811—21. (Badewesen n. SeelenbMi.)
— 141) X Edm. Bayer, Z. Gesch. d. Seebades: LZg». N. 52/4. — 142) H. Bosch, E. Karlsbader Kur Tor 300 Jahren:
MGNM. S. 10/8. — 143) E. Jacobs. Fahrende Aerzte. Z. Gesch. d. Arzneiweaens 1650, 1657: ZHarzV. 24, S. 298-302.
— 144) P. Ammann, D. Pest d. J. 1636 in Neustift bei Brixen. Brixen, Wegor. 57 S. M. 0,80. — 145) X F. Haaas, Ent-
wicklung d. Posten v. Altertum bis z. Neuzeit Vortrag. Stuttgart, Metzler. 24 S. U. 0,50. (Auch Ausserdeatschea.) —
146) X BrUgelmann, D. t. d. Mittelalter z. Neuzeit Uberleit«nden Ereignisse betr. in ihren weiter umgestaltenden Wirknngen.
IL D. Seeschiflahrt Progr. Gymn. Veehta. |[DLZ. 12, S. 1657 ; G. Winter: BLU. S. 823.]| ^«•'«'"»»üonal.) — 147) X 0.
Winckolmanu, £. Förderer d. Verkehrswesens in Elsass-Lothringeu im 16. Jh.: JbGElsLothr. 7, S. 83—100. — 148) X G.
Bessert, Z. Gesch. d. Verkehrswesens: WUrttVjh. 13, S. 112 f. (Post- u. Boteneinrichtungen d. Grafen Wolfgang
V. Hohenlohe im 16. Jh.) — 149) X 0. Redlich, Vier Post-StundenpUne 1496-1500: MZÖG. 12, S. 494-509. —
150) X B- Stolte, Beitr. z. Gesch. d. Postwesons im ehemal. Hochstifte Paderborn. Paderborn, SchOningh. 61 S. M. 1,00.—
151) X A. Rosenkranz, Postalische Reminiscenzen. D. schleswig-holsteinische Post 1848-1852 u. deren Postschillinge:
KielZg. N. 14165. — 152) X E. sächsisches Wegebaudenkmal v. 168S: APosU 19. S. 857/9. (Mit Versen.) — 153) X Piseber,
D. Vorkehrswesen i. d. Kunst: ib. 19, S. 161—74. — 154) F. H. Quetsch. Gesch. d. Verkehrswesens am Mitt«lrhein
V. d. ältesten Zeiten bis z. Ausg. d. 18. Jh. Nach d. Quellen bearb. Freiburg i. B., Herder. IX, 416, IX S. M. 7,00. [LCBl.
I 5: 155-176, G. Steinhausen, Kulturgeschichte. 90
noch vielfach den Eindruck einer unkritischen Materialsammlung macht. Nachdem Q.
quellenmässig die Uranfänge des Verkehrs, Land- und Wasserstrasseu, von denen diese
für den grossen Verkehr wichtiger waren als jene, Brücken und Ueberfahrten, das Strassen-
transportwesen, die Schiffahrt in ihrer Entwicklung geschildert und durch Illustrationen,
wie auch die folgenden Abschnitte, zum Teil veranschaulicht hat, geht er auf das Boten-
wesen vor Einführung des Postwesens ein, doch nicht so, dass nicht dieser Abschnitt
noch vielfach zu ergänzen \ind lebensvoller zu gestalten wäre. Ein grosser Teil des
Buchs (S. 118 — 237) ist dem Postwesen gewidmet: augenscheinlich sah der Vf. in der
Schilderung desselben eine seiner Hauptaufgaben. Kulturhistorisch interessiert uns
mehr der folgende Abschnitt: der Verkehr, bei dessen Darstellung Q. sich eine bewusste
Beschränkung auferlegt. Hier wäre uns, namentlich bei dem Abschnitt „Allgemeiner
Verkehr" ein liebevolleres Eingehen willkommen gewesen, um tiefere Blicke in das
deutsche Leben der Vergangenheit thun zu können: aber dem Vf. war es darum weniger
zu thun, zumal sich seine Aufgabe dadurch bedeutend erweitert hätte. Bei dem Abschnitt
„Handelsverkehr" ist vor allem auf die Darstellung des Weinhandels hinzuweisen. Im
Kapitel „Reiseverkehr" übergeht Q. die für das 17. Jh. so charakteristische modische
Reisesucht ganz und betont den späteren romantischen Reisetriel; zu wenig. — Eine
gute, von höheren kulturhistorischen Gresichtspunkten ausgehende Geschichte des Reisens
fehlt uns überhaupt. Kleinere Beiträge, so zur Geschichte der Pilger- und Je-
rusalemfahrten ^^^-i^*^) liegen auch in diesem Jahre vor. Jene oben erwähnte Reisesucht
hatte sich namentlich bei den Vornehmen ausgebildet: zur Bildung gehörte die übliche
grosse Kavaliertour. — Leber einzelne fürstliche Reisende wird \ins wieder be-
richtet 157-158")_ Natürlich sind solche Reiseberichte i^ö) nicht nur für die Art des Reisens
interessant, sondern sie verdienen auch wegen der Persönlichkeit der betreffenden Rei-
senden oder wegen des Berichts über das Gesehene Beachtung. Nicht allzu sehr ragt in
dieser Beziehung der von C. Curtius^'^o^ vorgelegte Bericht des Hamburger Dichters
Postel und seines Preundes v. d. Melle hervor. — Die Anfänge moderner Touristik zeigen
sich in einer Harzreise des Grafen Götzen '6i-i6ia)_ —
Sittengeschichtliches. Neben mancherlei Schnitzeln ^ 6-- 1'''^) sei U. Roberts ^*''^')
interessantes Buch hervorgehoben. — Osswald ^^'') giebt nach Aufzeichnungen des Nord-
häuser Bürgers Prommann wertvolles Material zur Geschichte der Hinrichtungsarten
und sonstiger Strafen; das Kriminalverfahren betrifft übrigens meistens Hexen usw.,
und so werden auch Segen, Beschwörungs- und Zauberformeln erwähnt. — Gegen das
moderne verkommene Geschlechtsleben richtet sich ein Aufsatz der Grenzboten i^^) nach
Ribbings Buch: „Die sexuelle Hygiene und ihre ethischen Konsequenzen". — Ein über-
aus grober Brief eines Konsistorialrats an einen Pfarrer aus dem Jahre 1759 wird als
sittengeschichtlicher Beitrag verzeichnet ^6^). — Eine andere Notiz ^''O) handelt von dem
Worte „Chaland", das den Namen württembergischer Beamten und anderer Leute zu-
gesetzt wurde, dessen Bedeutung aber nicht mehr ersichtlich ist. Eine spätere Be-
merkung i'^Oa) erklärt diese Leute als Eisenhändler des Oberlandes. Unwillkürlich möchte
man sonst an Mitglieder der früheren Kalandsbrüderschaften denken. Pur die Ge-
schichte derselben in Westfalen ist ein Beitrag von Darpe^'^i) geliefert. — Zur Ge-
schichte der Juden und ihrer Stellung in der Vergangenheit ist manches veröffentlicht
worden i72-i75j^ Dass sie eine harte Leidenszeit durchzumachen hatten, zeigen u. a. die
auf urkundlichen Quellen beruhenden Skizzen F. Ottos i''^), die auch für den Ursprung
1892, S. 710.]| — 155) X de Diesbacli, Les pölerins Fribourgeois ä Jerusalem (1436— 1646). Etüde historique: ASHFribourjj.
5, S. 191—324. — 156) XR- Röhricht, ü. Jerusalemfahrten d. Grafen Philipp, Ludwiff u. Reinhard v. Hiinau: ZVHessU.
NF. 16, S. 85-188. — 157) X E. Fein, Koiso Herzog Friedrichs I. nach England im Jahre 1592: BßSW. 13. Fohr. N. 1-2.—
158) X A. Gessler, Felix Platters Schilderung d. Reise d. Markgrafen Georg Friedrich zu Baden u. Hochherg ... im J. 1598:
BasIerJb. S. 104—46. (Zugleich für d. Schilderung d. Hoflebens [Hochzeit] interessant.) — 159) H. Becker, Deutsche See-
fahrer u. Reisende in vergangenen Jhh. : Didasltalia. N. 78. (Betont d. Anteil v. Deutschon an d. Entdeckungsfahrten, zllhlt
weiter bedeutende deutsche Reisende auf.) — 160) C.Curtius, Heinrich Christian Posteis u. Jacob v. d. Melles Reise durch
d. nordwestl. Deutschland nach d. Niederl. u. nach England. Aus e. Hs. d. Lübeck. Stadtbibl. her. Progr. Katharineura
Lübeck, Borchers. 4". 48 S. (Vgl. III 5: 29). — 161) E. Jacobs, Aus e. Harzreise d. Grafen Friedrich v. Götzen im J. 1791.
ZHarzV. 24, S. 327-33. — I6la) X id., E. Harztour v. 55 Jahren: HarzMhh. 2, H. 1. — 162) X A. Birlinger, Sitten-
geschichtliches. Aus Jaunerlisten 1, 2: Alemannia. 19, H. 1. — 163) X G. Pilk, Fehden u. Räubereien im 15. Jh.: ÜBA.T
14, S. 157/9, 165/7. — 164) X 0. S., Altberliner Folterwerkzeuge: Bär. 17, S. 30 f. — 165) X Fassbindoroi auf d. Main:
Didaskalia. S. 84. (Betr. die alte Sitte der Küfer, auf zugefrornen Flüssen e. Fass zu binden.) — 166) U.Robert, Les signes
d'infamio au raoyen-ägo: juifs, sarrasins, herötiques, löpreux, cagots et Alles publiques. Paris, Champion. 16". 194 S. Fr. 5. —
165) P. Osswald, Nordhäuser Kriminal-Akten v. 1498 bis 1657: ZHarzY. 24, S. 151-200. — 168) Z. dunkeln Kapitel d.
Kulturgesell.: Grenzboten. 50, II, S. 605-13. — 169) id., E. schwäbischer Rüffel: Didaskalia. N. 9. — 170) Z. Württemberg.
Kulturgesch.: SchwäbMerkur. N. 197. — 170a) Ueber d. Bedeutung d. Wortes „Chaland": SchwäbKron. N. 199. — 171)
F. Darpe, D. Nienberger K.aland: ZVGWestf. 49, S. 147-60.— 172) O M- Ettinger, Psychologie u. Ethik d. Antisemitismus
im Altertum, Mittelalter u. in d. Neuzeit. AVien, Gottlieb. 29 S. M. 0,40. — 173) X C. Grefe, Beitrr. z. Gesch. d. Israeliten
in Wien. 1. Der alte Friedhof im IX. Bezirke aus dem 16. Jh . Wien, Gilhofcr & Ranschburg. 11 S. m. 6 Photogr. 4".
M. 10,80. — 174) X A. Adam, Judenordnungon Leopolds I., Bischofs v. Sirassburg 1613: Ece'esiasticum Argentinense. 9,
Beil. 105-24. — 174a) X H- Br esslau, Aus Strassburger Judeuakten 1.: ZGJudon. 5, S. 115-25. - 174b) X L. G[eiger],
Elsässer Bestimmungen über Juden 1784: ib. S 273/4. — 175) A. Wyking, D. Juden Berlins. Nach bist. Quellen bearb.
.Aufl. Leipzig, Uhl. XII, 104 S. M. 1,00. - 176) F. Otto, D. Juden zu Wiesbaden: AnnVNassAK. 23, S. 129-48. -
91 G. Steinhausen, Knlturgeschichte. 1 5; 177.20».
der Bo^chworden über die Judon manches CliarakteriHtische bieten.'") — Der Umschwung
kam im Zeitalter der „Aufklärung". Sehr lehrreicrh ist dafür die Arbeit von Renas "8^,
('er die lleformschrift des StaatHmaiuies und Geschichtsschreibers Ch. W. Doiim be-
handelt, namentlich auch in Hinsicht auf ihre Wirkung. Er bespricht die beirälligen
Stimmen, so in Nicolais „AUgeuHMiier Deutscher Bibliothek", und die gegnerischen, so die
Recension des Professors Hissmann in den „Göttinger Gelehrten Anzeigen". — Kur/ werden
auch die bald folgenden gesetÄgoborischen Reformen erwähnt. — lieber die Sitten-
geschichte hinaus geht ein Stoti', über den schon recht viel in dilettantischer Form ge-
handelt ist, der jetzt aber eine gründliche wissenschaftliche Bearbeitung durch
von Amira '■'ö) erfährt, namentlich vom rechtsgeschichtlichen Standpunkt aus. Der Vf.
will jene Tierstrafen zu erklären suchen, die man oft nur als Kuriosität ansah. Einer-
seits arbeitete man früher auch mit zu geringem Material, andererseits analysierte man
nicht die Thatsachen, sondern kombinierte nach Herzenslust. A, unterscheidet zwischen
den weltlichen Tierstrafen, die bei christlichen Völkern wesentlich einer Zeit der Re-
ception und der Rechtsmischung angehören, und dem eigentJichen, kirchlichen Tier-
process. Diesen, der sich nie gegen einzelne bestimmte Tiere richtet, fasst er als „Ge-
spensterprocess". Das Verurteilen ist ein „zauberisches Bannen von Menschen- oder
Dämonenseelen". —
Volkskunde und Mythologie. Wenngleich ich der Ansicht bin, dass
zwischen Volkskunde und Kulturgeschichte genügend geschieden werden s(»llte, so kam»
man die Kulturgeschichte doci» immerhin so weit fassen, ditss sie auch die Volkskunde
mit einbegreift. Da ferner volkskundliche Ergebnisse oft auch im engeren Sinne kultur-
historisch interessant sind, so will ich in Kürze darauf eingehen. Ausserordentlich viel
Material findet man in den speciellen Zeitschriften, von denen die von Weinhold '*)
geleitete auch eire Bibliographie bringt, i**') „Am Urquell" '82) ist eigentlich wesentlich
sammelnd. Mancherlei liefert auch die „Alemannia '**), vieles namentlich für die Ver-
gleichung Interessante geben die fremdländischen Zeitschriften 184-18«')_ j„j Folgenden
richte icli mein Augenmerk wesentlich auf Material, das in diesen Specialzeitschriften
nicht enthalten ist. Allerlei Kleinigkeiten, unter dem Titel „Volkstümliches" oder „Glaube
und Brauch" zusammengefasst i»'?-i93)^ werden nach den verschiedenen Gegenden be-
]\andelt. Man sieht daraus, dass mau sich über ein mangelndes Interesse kaum be-
klagen kann. Ueberall giebt e.-< Sammler, die sich freilich in ihrem Dilettantismus leicht
zu falschen Folgerungen verleiten lassen. — Ueber Volksbräuche im einzelnen liegt
mancherlei vor i'**). Die Bräuche an bestimmten Tagen, z. B. am Matthiastag
(24. Februar) ^^^), an dem die Mädchen des Sollings in die Zukunft schauen zu können
meinen, oder an Festtagen, so zu Ostern: Osterfeuer, Osterwasser, Ostereier usw. ''''--'*"),
am Nikolaustag 20-) oder zu Weihnachten 20:5-205^ bieten Stoff genug 205a), Ebenso die
Bräuche bei Hochzeit 206), Geburt und Tod 207-208), Ausfülirlich handelt darüber
J. Sepp 200)^ der die Dinge vom vergleichenden Standpunkt unter Beibringung zahlreicher
Belege ansielit, aber durch sie seine Ansichten nicht immer wahrscheinlich macht. Oft
wird man bei vielen dieser und anderer Gebräuche einen uralt-religiösen Ursprung
richtig vermuthen können, wenn man auch nicht überall dergleichen wittern darf. Zu tief
177) X II. Jungfer, D. Juden unter Friedrich d. Grossen. 2. Aung. Leipzig, Fritsch. 147 S. M. 0,50. — 178) F. Beusd, Chriitiui
Willielras Dohms Sclirift „Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden" u. deren Einwirkung auf d. gebildeten St&nd« Deutsch-
lands: Dss. Leipzig. Kaiserslautern, blonk & Cie. 105 S.M. 2,00. — 179) K. v. Amira, Tierstrafen u. Tierproiesse : MJÖO. 12,
S. 545-GOl. — 180) Zoitsclirift d. Vereins f. Volkskunde her. v. K. Weinhold. 1. .lahrg. 1891. 4 Hfte. Berlin, Asher ik Co.
M. 10,00. — 181) X Zeitschrift f. Volkskunde in Sago u. Milr, .Schwank u. Streich. Lied, K.%tdel u. Sprichwort, Sitte u. Brauch,
lior. V. Veckenstedt. 'S. Leipzig, Fruukenstein & Wagner. — 182) Am Urquell. Honatsschr. f. Volkskunde. Uamburt;, Gramer.
— 183) Alemannia her. v. A. Birlinger. 19. Bonn, Hanstein. — 184) X Kevue des Tradition« populaircs. 6. Pari.*, Haison
neuvo. — 185) X Melusine. Recuoil de niythologie, littöraturo populairo, traditions et usages, dirige par H. Gaidoi. 5. Paris,
Rotland. — 186) X Folklore, aquarterly reviewof niyth. tradition, Institution and rustora 1—2. London, Natt. — 187) X A.
Uhlhorn, Volkstümliches: JbGEIsLothr. 7, S. 146—50. — I88)X !'• Korth, VolkstUmlio'ies aus d. Kreise Bergheini: AHVXi.'derrh.
^I, S. 1—60. — 189) X 15. Stehle, VolkstUml. Feste, Sitten u. Gebrauche im Elsass: JlGEULothr. 7, S. 20lMi. — 190)
X 0. Heilig, VolkstOmlichcs aus Unterfrankon : AHVUnterfranken. 34, S. 217-20. — 191) X Kaiser. Volkstumliches aus
Hinterporamern: MHUGPommG. 5. S. 33'8. — 192) X B- Jelinek, Materialien ». Vorgesch. u. Volkskunde Böhmens. 1. Tl.
Wien, Hdlder. 4". 36 S. M. 3,60. — 193) X GrUuenwald, Reste alten Glaubens, alter Sitten n. Sagen in d. PfaU:
PfälzMus. 8, N. 1 ff. (Betr. namentlich Volksmedizin.) — 194) X F- Weineok, Glaube u. Brauch in d. Umgegend t. LUbben
u. Luckau: MNLGAU. 2, II, S 133—5.3. — 195) X M. Rohleu, Etwas y. Niesen: Didaskalia. N. 13. (Brlache u. An-
schauungen, d. Niesen betr., bei verschiedenen Völkern.) — 196) H. Sohnrey, D. Matthiasgebr&uche d. SoUinger Waldes: ib.
N. 77. — 197) X W. V. Langsdorff, Altheidnische Ostergebräuche u. ihr Einfluss auf d. christl. Festfeier: LZgB. N. 37.
(lleidn. Name [Ostara], Osterfeuer = Freudenfeuer, d. Entstehung d. Frühlings, Ostereier Symbol d. fruchtbringenden Sonnen-
wHrmo, Verhalten d. Kirche gegenüber d. Osterbräucheu.) — 198) X R- Dietrich, VolkstUml. Ostergebrtuche : Didaskalia.
N. 74. (Auch d. Schwerttänze.) — 199) X Rackwitz, Osterfeuer: KBlAnthr. 21, N. 11/2. — 200) X A. Hammerau,
D. Bergfeuer in Deutschland: AZgB. N. 88;*). ^Sucht d. Heimat im Orient) — 201) X 0. Ol Öde, Y. Osterhasen: ZDU. 5,
S. 702. (Grundbedeutung unsicher.) — 202) id., V. hl. Nikolaus: ib. S. 69. — 203) X Siebenbürgens Weihnachts- u.
Neujahrsbräuche :KBlVSiebenbLK. 14,8.43/4. -204) X P- Bartels, Z. Feier d. Zwölften: ZDU. 5, 283.5. — 205i XA- Tille,
1). Weihnachtsbaum u. seine Geschichte: N&S. 59, S. 322— 49. — 205a) X F- Ortwein, Auf d. Suche nach PflngstbrSucheo
im Harz: HarzMhh. 2, Hft. 6. — 206) X Zwei Hochzeitslieder aus Schönberg: KBlVSiebenbLK. 14. 69-70. — 207)
X K. KrUger, Verhüllen d. Hauptes beim Tode: ZDU. 5, S. 51/2. — 208) X W. Hein, D. Todtenbretter im BOhmerwalde:
Wien, Holder. 4. 16 S., 2 T. M. 3,20. — 209) J. Sepp, Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt u. Tod. Beweis (ttr d. Einheit
I 5: 210-247. G. Steinhausen, Kulturgeschichte. 92
wurzelte noch in der Volksseele der alte Glaube, als dass er durch das Christentum hätte
ganz zerstört werden können. Gedankenlos aufbewahrte Reste freilich sind es, aber
doch immerhin wirkliche Reste des alten Heidentums, die wir auf dem Gebiete der
Volkskunde überall finden. Eine populäre Zusammenstellung aller solcher Reste giebt
Stubenvoll 210)^ indem er einen Rundgang durch das Jahr macht und bei den einzelnen
Tagen das Erwähnenswerte anführt. — Aus einem Buche Sepps, das ebenfalls alles
Mögliche zusammenstellt, giebt Fessl^n) einige Auszüge. — Das grosse Gebiet des
Aberglaubens 212-213^^ (Jas diese heidnischen Reste 2i4) so häufig aufweist, ohne dass sie
immer mit der heidnischen Volksreligion zusammenzuhängen brauchen (denn wieviel
neuer Aberglaube ist seitdem hinzugekommen), hat auch sonst wieder eine reiche Litte-
ratur hervorgerufen 210-224 ")_ — Aufmerksamkeit verdient die Arbeit von Losch 22B)^ ^qj- eine
grosse Menge von Heilsprüchen, Segen usw., die für die deutsche Mythologie höchst
wertvoll sind, nach Hss. und gedruckter Volkslitteratur zusammenstellt. Er will später
die „Volksbücher" noch weiter für die deutsche Mythologie ausnutzen. — Auch
h'tterarhistorisch interessant ist die Abhandlung von Amersbach 226), Gerade bei Grimmeis-
hausen, als volkstümlichem Schriftsteller, erlauben diese Dinge einen bedeutsamen Rück-
schluss, wenn er auch unzweifelhaft vieles gelehrten Quellen — darin blieb er ein Zeit-
kind — entnimmt. Eür uns ist auch die Stellung wichtig, die Grimmeishausen selbst
zu dem Aberglauben einnimmt. Er ist darin ebenso befangen, wie alle seine Zeit-
genossen. Eine grosse Rolle spielen bei ihm die Sagen; Grimm und andere haben aus
ihm geschöpft. — Die Sagenlitteratur dieses Jahres 226a) kann übrigens hier nur ganz
flüchtig gestreift werden227-239i)^ wenngleich diese dichtende und erdichtende Kraft im
Volke, die auch heute noch rege ist, an sich alles Interesse verdient. Eine Specialität,
die Glockensagen, die meist an die Glockentaufe anknüpfen, behandelt E. Müller240). —
Ein verwandter Zweig der Volkspoesie, das Volksmärchen2^i), hat eine Bereicherung durch
U. Jahns242) hübsche Ausgabe erfahren. In der Einleitung kommt er darauf zu sprechen,
wie schwer es heute ist, aus des Volkes Mund derartiges zu erhaschen. Auch was er
sonst über die Arten, über die heutige Entwicklung und Umwandlung des Märchens
sagt, ist sehr lesenswert. Die Sammlung selbst ist sehr reichhaltig und bietet will-
kommenen Anlass, die Volksseele zu studieren. — Blicke in dieselbe vermag auch zu
thun, wer einen bestimmten Stoff darauf ansieht, wie ilm das Volk behandelt. Der-
artige Arbeiten liegen mehrfach vor243-244"), Himmel 2*5) und Hölle in der UeberUeferung
des Volkes behandelt Matthias 245-247), Er meint, dass die Anschauungen darüber fast
d. Menschen-Geschlechtes u. d. Urheimat Asien. München, Huttier. 176 S. M. 2,00. — 210) Stubenvoll, Heidentum im
Christentum. 1. u. 2. Aufl. Heidelberg. Siebert. 191 S. M. 2,90. — 211) J. Fressl, D. Religion d. alten Deutschen u. ihr
Fortbestand in Volkssagen, Aufzügen u. Festbräuchen bis z. Gegenwart: MUnchNN. N. 348. (Im Anschluss an d. gleichnam.
Buch von J. Sepp. 1890.) — 212) X A. Graf, Naturgesch. d. Teufels. Aus d. Italien, von R. Teuscher. Jena, Costenoble.
XVIII, 448 S. M. 4,00. (Kommt in einzelnen Partien auch für uns in Betracht.) — 213) X Tl»- Achelis, D. Entwicklungsgesch.
d. Teufelsglaubens: Ausland. 64, N. 4 u. 5. (Auszug aus N. 212.) — 214) X S. Schwarz, Reste d. Wodankultus in d.
Gegenwart. Leipzig, A. Neumann. III, 50 S. M. 1,00. — 215) X B- Martiny, Aberglaube im Molkereiwesen. E. Beitr. z.
Verständnis d. Aberglaubens u. z. Gesch. d. Molkereiwesens. Bremen, Heinsius Nachf. 42 S. M. 1,50. — 216) X Bartels,
Volksaberglaube im 17. Jh: JbGEmdenG. 9, S. 98—100. (Uober Heilung durch e. Messer, mit dem Menschenblut vergossen
ist, über Puh-Hille als Namen für Goisterbeschwörerinnen u. d. ,Rose von Jericho". — 217) X Seile, Neumärkische Mirakel:
FBPG. 4, S. 613-22. — 218) X Prem, Tirolischer Glaube u. Aberglaube d. 15. Jh.: ZDA. 36,8.51/3—219) X A. Schlossar,
Volksmeinung u. Volksglaube aus d. deutschen Steiermark: Germania 36, S. 880—406. — 220) X F- Rosenberger,
D. Wünschelrute: DR. 16, IV, S. 60/8.— 221) X J- Resch, Schlag, K. J. Schmidt, Wolf als günstiges Vorzeichen: ZDU. 5.
58, 286, 697. — 222) X Schuh u. Stiefel im Aberglauben: Didaskalia. N. 62. — 223) X A. Achlei tner, D. Menschen-
leben im Aberglauben, e. volksmediciniseho Studie aus d. steir. Hoch'and: AZg. N. 264. — 224) X -T- Koulen, E. alter
Heilspruch: ZDU. 6, S. 694/5. — 225) F. Losch, Deutsche Segen, Heil- u. Bannsprüche. Nach gedr., schriftl. a. mündl.
Quellen zusammengest.: WürttVjh. 13, S. 157— 258. — 226) Karl Amersbach, Aberglaube, Sage u. Märchen bei Grlm-
melshausen. (S. u. III 3:4.) — 226a) X A. SchuUerus, Z. Sagenkunde : KBlVSiebenbLK. 14, S. 25/9. — 227) X Grimm,
Deutsche Sagen. 2 Tle. in 1 Bd. 3. Aufl., besor^'t v. H. Grimm. Berlin, Nicolai. XX, 268 u. 215 S. M. 6,00. — 228) X
Hauser u. Birlinger, Sagen: Alemannia 19, S. 42/9. — 229) X R- Waiser, Sagen v. Schlosse Stein: Carinthia 81,
S. 54/7. — 230) O X Fr. Francisci, Sagen aus d. Gailthalo: NCarinthia 1, 129—31. — 231) X A. Haas, RUgensche Sagen
u. Märchen. Greifswald, Bamberg. XII, 263 S. M. 2,80. — 232) X Hohaus, D. Sagen d. Grafschaft Glatz: VjsGGlatz
10, S. 93/6 n. 402/4. — 233) X N. Warker, Wintergrün, Sagen, Geschichten, Legenden d. Prov. Luxemburg. 2. Aufl. Arlon,
Willems-Poussin. — 234) X H. Grössler, Dritte Nachlese v. Sagen u. Gebräuchen d. Grafschaft Mansfeld u. deren nächster
Umgebung: MansfeldBll. 5, S. 168—75. — 235) X M. Drumel, Sagen aus d. unteren Gailthale: NCarinthia 1, H. 4. — 236)
X J. V. Zingerle, Sagen aus Tirol Gesaramelt u. her. 2. Aufl. Innsbruck, Wagner. XX, 738 S. M. 9,60. |[M. di Martino:
ASTP. 10, S. 581/2.]| — 237) X S. M. Prem, D. Legende v. Kaiser Max auf d. Martinswand: ZDAlpenV. 11.
(Berücksichtigt auch d. poet. Bearbeitungen d. Sage u. bringt neue Details.) — 238) X Ray dt, D. deutsche Kaisersage: DEBU.
16, S. 73. — 239) X P. Gaebisch, Rothenburger Sagen: Didaskalia. N. 117. — 239a) X J. Stöckle, Schwetzinger
Sagen. D. SchlUsselraadame u. d. Pflngstrosenfest: BadSchulZg. N. 20/1. — 239b) X C. Gander, Sagen u. sagenhafte Mit-
teilungen aus d. Kreise Guben: MNLGAU. 2, II, S. 121—32. — 239c) X Ch. L. Wucke, Sagen d. mittleren Werra, der an-
grenzenden Abhänge d. Thüringer Waldes, d. Vorder- n. d. hohen Rhön, sowie aus d. Gebiet d. fränk. Saale. 2. Aufl., hör. v.
H. Ullrich. Eisenaeh, Kahle. XV, 530 S. M. 4,50. — 239d) X Krautwoihlegenden. Zusammengest. v e. Priester d. Diöcese
Paderborn. Paderborn, Bonifaciusdruekerei. 42 S. M. 0,25. — 240) E. Müller, Glockonsagen in Württemberg: BBSW.
N. 19-20. — 241) X L. Fränkel, Z. Proteusmttrchen u. andern wanderndi'n Stoft'en: Germania 36, S. 308/10. — 242) U.Jahn,
Volksmärchen aus Pommern u. RUgen. 1 Tl. (= Forschungen d. Vereins für Niederd. Sprachforschung 2.) Norden, Soltau.
XXII, 382 S. M. 7,50. — 243) X H. Frischbier, D. Menschonwclt in Volksrätseln a. d. Provinzen Ost- u. Westpreussen:
ZDPh. 23, S. 240—64. — 244) X B. Wossidlo, Gott u. Teufel im Mundo d. Mecklenburg. Volkes: KBlVNiederdSpr. 15,
S. 44/8. — 245) X K- Hildebrand, Olymp u. Himmel, dabei etwas v. hohlen Bergen u. vom Echo: ZDU. 5, S. 433/9. —
246) E. Matthias, D. Himmel in d. volkstUml. Ueherlioferung: LZg». N. 93. — 247) id., D. Hölle in d. volkstUml. Ueber-
93 G. Stein hn 11 soll, KulturgeschiVhte. I 5; 248-270
auHRchliesslich aus der Bibel horHtainincn. AufPetruH geht or Itfisoiulers ein: das Fege -
fouei* ist nach ihm nie in die oigontliclio Volksüherliefennig (iher^ogangen. — Wie das
V^olk Ciber den Tod denkt, bespricht oberflächlich Habs - Randau''*'*). Die überall
wiedi^rkohrendo Mythe von der Toteninsel ^^") wird in einem Wiener Feuilleton be-
hiiiuh^lt, ebenso der Wienerische Tod -•'•*>), der ein charakteristisches nicht-grausiges, ich
niötlito sagen griechisches Ansehen zeigt. Die Abbihhnig des Todes auf dem Titel-
kupfer von „Mercks Wieun" (KJHO) möchte man nach dem Vf. faät „Herr v. Tod"
titulieren. — Für das GemCitsleben des Volkes ist überhaupt der humoristische Zug
charakteristisch. Auf diesem Gebiet, dem des Volkshumors, snid wenig Neuigkeiten zu
vorzeichnen2'ii-253"). Dass cui wesentliches Kennzeichen desselben die Derbheit ist, zeigt
ein Beitrag SchtUtolkopfs^-'^^) aus Känithen. — Vielfach mischt sich in den Volkshumor
ein verstandesmässiges Element: der witzige Rpottvogel kommt zum Vorschein. Nament-
lich zeigt sich das in den Neckereien über einzelne Orte, eine Gattung, über die u. n.
schon der alte Wachsmuth vor vielen Jahren recht gut gehandelt hat. Speciell für den
])()minerschen Lokalwitz ist jetzt von Knoop''^^''*-^*^)^ der auch sonst für die pommersche
Volkskunde manches beigetragen hat^ß'), eine Sammlung veröffentlicht. In alphabetischer
Reihenfolge der Orte wird alles auf sie Bezügliche, teils aus gedruckten Quellen, teils
aus mündlichem Bericht herrührend, zusammengestellt. Noch deutlicher als im Volks-
humor, der doch meistens „wenig Witz und viel Behagen" zeigt, findet sich der Volks-
verstand in der Spruch Weisheit 258-26«) (Jes Volkes, die oft auch wieder humoristisch
gefärbt ist. Aus den hübschen, schon JBL. 1890 charakterisierten Sammlungen v. Hör-
manns giebt Leist^co) einen Auszug. — Von Sprich wörtersammlungen 2«' -:i«2j jg^ ^\q
fleissige Arbeit Dirksens2ß3) hervorzuheben. — Neben Grabinschriften 26<-2<w) sind weiter
die Haussprüche und -inschriften 267-271) zu beachten. Buhlers2''2) leitet seine Sammlung
mit einigen interessanten Bemerkungen ein. Haussprüche haben nach ihm ihre Lieb-
lingsstätte in Gegenden mit Holzbauten. Ihre allgemeine Quelle sind die Bibel, weiter
die Sprichwörter und Redensarten. Oft richtet sich der Spruch gegen den Neid der
Nachbarn. Einige Sprüche verbreiten sich über weite Gegenden als eine Art Volkseigen-
tum. Zu erwähnen ist für diese, wie für andere Sammlungen, dass ein gi-osser Teil der
in ihnen enthaltenen Sprüche und Inschriften lateinisch ist. — Aus einer Zusammen-
stellung echten, Volksgutes, dem neu gedruckten Strassburger Rätselbuch vom Jalire
lf)05, werden mis Proben gegeben 273V Schüttelkopf2'*) setzt seine verdienstliche
Sammlung von Kinderreimen und Kinderspielen fort. — Etwas viel Gelehrsamkeit v^-ird
an die verschiedenen Fassungen der volkstümlichen Einteilung des Menschenlebens nach
zehn Jahrzehnten verwandt, über die auch ein nachgelassener Aufsatz Zachers275)
unterrichtet. Interessanter ist die Erörterung über die bildlichen Veranschaulichungen
der zehn Altersstufen. Warum die Gans als Begleiterin des Hundertjährigen gewählt ist,
hat zu vielen künstlichen Vermutungen geführt, gegen die mit Recht Bedenken erhoben
werden. ■ — Ein oft mit Unrecht verachtetes Volksgut sind die Erfahrungen über das fiir
das Landvolk so wichtige Wetter, die es in mannigfachen Regeln und Voraussagungen
ausspricht 276-278»). Einen geschichtlichen Ueberblick über die volkstümliche Litteratur
dieser Art giebt Hellmann2'<9-280), — Yüt die Volkskunde nicht ohne Interesse sind
liefernng: ib. N. 140. — 248) E. Habs-Randau, D.Tod im Sprichwort: MBnchNN. N. 389. (Auch Didubkll* N. 180.) — 249)
M. Ildt., D. Todteninsel: NFPr. N. 9763. — 250) D. Wienerische Tod: ib. N. 9704. — 251) X H. Frischbier, VolkswiU:
AltprMschr. 28. H. 1-2. — 252) X E. Jeep, Schildbürger: ZDU. 5, S. 355,7. — 253) X J. Jan sc ha, E. Beitr. i. Volks-
hnmor a. d. mittleren Giirkthale: Carinthia 81, S. 90. — 254) U Schattelkopf, D. Brechlstear: ib. S. 185—93. (Behandelt
d. Schimroelreiter, d. in Kürnthen beim Flachsbrechen erscheint, u. giebt d. humorist-poetischen Redestroit, d. sich dab«i ant-
spinnt, wieder.) — 255) 0. Knoop, Allerhand Sclierze, Neckereien, Keime n. Erzählungen Ober pomm. Ort« n. ihre l(«wolui«r.
Stettin (Pobcii, Jolowicz). 105 S. M. 2,00. — 256) id., Allerhand Scherz, Neckereien, Reime u. Erzthl. Ober pomm. Ort« n.
ihre Uewobuer: BaltSt. 41, S. 99-203. — 257) id., Plattdeutsches aus Hinterpommern : MBllOPommG. 6, 8.38—40,58,4, «»—71,
87/0, 119—21. — 258) X R- Sprenger, Alb. Richter, DeuUche Redensarten, sprach!, u. kultorgeseh. erl.: ASNS. 8«, 8. 300. —
259) X P- Söbillot, Les rootes et devinettes, proverbes: RTP. 6, S. 92/8. — 260) X Leist, Volkspoesie In i. AlpM:
MUnchNN. N. 389. — 261) X 0- Wunderlich, Deutsche Sprichwörter, volktUmlich erklkrt n. gruppiert. 2. Bdchen. 5. Anfl.
Langensalza. Schulbuvhbaudlung. YIIl, 95 S. U. 0,75. — 262) X 3- Ka thgeber, Elslss. Sprichwörter n. sprkhwOrtl. Redens-
arten : JbGElsLothr. 7, S. 141;5. — 263) C. Dirksen, Ostfriesische SprichwOrt«r n. sprichwOrtl. Redensarten mit bist. n.
sprachl. Anm. 2. Hft. Buhrort, Andreae & Co. 95 S. M. 1,80. — 264) X 0. L. Testorpf, Inschriften t. Grabdenkmilem,
Gemälden usw. in der Kirche zu Groden: MVHambG. 13, S. 49—57. (Bemerkenswerte Verse.) — 265) X F. Branky,
L. von Hermann, Grabschriften u. Marterten: ZDU. 5. S. 501/3. — 266) X A. Hintze, Sprache t Sargschilder u. Grabsteine.
Hamburg, Horold. 53 S. M. 1,00. — 267) X B- Engelhard, D. HausinschrifUm d. Stadt Dnderstadt. (= Beitr. t. Knnst-
geschichto Niedersachsens. C.) Beilage z. Progr. d. Progym. Duderstadt. 40. S. 29—41. — 288) X A. Leicht n.E.OraB«,
Meissner Inschriften u. Abzeichen: MYGMeissen 3, S. 17 — 76. (Viele Gedichte.) — 269) X J. Freund, Hausinschriflen ans
Marburgs Umgebung. (S.-A.) Marburg, Ehrhardt 32 S. M. 0,30. — 270) X B. D nrrer, D. Salzherrenhaus zn Samen: ASchweizAK.
24, S. 579-82. (NairensprUche d. 16. Jh.) — 271) X GioT. Tram^, Inseripztuns in Engiadina: ASRhaetR. 6, .•<. 1—33.
(Auch deutsches u. lateinisches.) — 272) Buhlers, Hildesheimer UaussprOche: ZHarzV. 24, 8. 425 — 53. — 273) Deutsche
RaUel: Didaskalia N. 30. — 274) B. Schattelkopf, Kinderreime u. Kinderspiele (Forts.': Carinthia 81. S.23flr., SOff., 121 ff.,
157 ft'. — 275) J. Zacher, Zehn Alterstufeu d. Menschen (aus seinem Nachlass r. E. Matthias): ZDPh. 23, S. 385—412. —
276) X Ueber Wetterregeln u. Verwandtes: BBWS. N. 11 2. - 277) X B. S chO t tel k opf. WettorsprOche n. Wettergebete:
Carinthia 81. S. 89—90. — 278) X F. P f a ff, Practica auf alle Monat durch d. gantie Jarr gestallt: Alemannia 19, S. 169—73. —
278a) X J- H. Graf, Ueber astrologischen Aberglauben wie d. Uoroskopstellen u.Kalenderpropheieien: BemerTb. 40, S. 185— 233L
(Aus Schweizer Kalendern des 16.-18. Jh.) — 279) G. Hellmann: Meteorologische VolksbOeher. E. Beitr. z. Oeaeh. d.
I 5: 280-293. G. Steinhausen, Kulturgeschichte. 94
endlich die Mitteilungen, die Riegl^si) üher einen mit Zeichen bedeckten achtseitigen
Holzstab macht, der eine Art immerwährenden Kalenders darstellt, freilich seit der
gregorianischen Reform seine Zwecke nur ungenügend erfüllen konnte. So lässt es
sich erklären, dass diese Stäbe ausser Gebrauch gekommen und nur noch wenige Spät-
linge wie dieser erhalten sind. — Auf die Mythologie282) kann hier, wo es sich um
die neuere deutsche Kultixrgeschichte allein und um die allgemeine Kulturgeschichte nur
insoweit handelt, als sie die letztere berührt, nur wenig eingegangen werden. Sie
kommt für uns in Betracht, soweit sie im Volksglauben und Volksgeist noch fortgelebt
oder aber Einfluss auf Kunst und Dichtung späterer Zeiten geübt hat. Jenes Moment
trat schon oben hervor bei Besprechung der Volksbräuche, des Aberglaubens usw.
Auch Herrmanowskis283) mythologisches Werk bietet uns dafür in seinem ersten
Bande manches Interessante. Dieser erste Band, eine ziemlich unkritische Zusammen-
stellung, die kein Bild von der deutschen Mythologie in ihrer Entwicklung und
Wandlung, sondern mehr ein vollständiges Bild davon giebt, wie man sich die deutsche
Götterwelt dachte und vorstellte, kann uns namentlich wegen dieses letzten Punktes
nützlich werden; so geht der Vf. auch auf viele Sagen ein. Grösseren Wert hat aber
für unsere Zwecke der zweite Band, der die Verwendung der deutschen Götter und
Helden in der Kunst darstellt und zwar bis in unsere Zeit. Auch das Märchen wird
berücksichtigt. Das Grundmotiv des Vf ist, die alte Götter- und ßeckenwelt neu zu
beleben und uns wieder näher zu bringen; es verdient gewiss alles Lob. Aber ich
fürchte, dass, ehe nicht unsere gesamten Bildungsgrundlagen recht tüchtig geändert sind,
darin wenig Erfolge zu erreichen sein werden. H. hat sehr recht, wenn er meint, dass
heute nur wenige mit jener Welt vertraut sind. Sein Buch kann dazu beitragen, diese
Vertrautheit zu befördern, und damit zum Verständnis unserer Volksnatur verhelfen. —
Einen kleinen Teil der mythologischen Welt in seinem späteren Eortleben behandelt
Mus hacke 284). Er betont, dass das Elfenreich ursprünglich eine heitere Färbung gehabt
habe, die durch den Einfluss des Christentums im Norden ganz, in Deutschland teilweise
verschwunden sei. Anders war der Verlauf auf gallischem und englischem Boden. —
Tiere und Pflanzen. In den meisten der hierher gehörigen Arbeiten wird die
Auffassung und Verwendung der Tiere und Pflanzen in der Sage, im Volksglauben und
in den Bräuchen mit Vorliebe besprochen: wir können sie also hier passend angliedern.
Das Buch von C. J. Steiner^ss) soll den Erwartungen, die man nach dem Titel hegen
kann, nicht genügen: wissenschaftliche Ansprüche macht es wohl auch nicht. — Von
den Arbeiten, die sich im einzelnen mit Tieren 286-286a) beschäftigen, ist die von Gl ock 287)
fleissig zusammengestellt, aber nicht immer nach den Quellen. — Ueber mancherlei
Pflanzen 288-289) verbreitet sich, namentlich in Bezug auf Symbolik und Sagenbildung,
das ebenfalls höchst fleissige Buch von Handtmann^so). — Die Eiche verfolgt Wagler29i-292J
durch alle Zeiten. Im ersten Teil, der sich wesentlich auf die Eiche im Altertum be-
zieht, sind für uns einige Notizen über medizinischen Aberglauben unserer Vorfahren,
die sich an Wundereichen usw. knüpfen, sowie die Zusammenstellung deutscher Sprich-
wörter über den Baum wertvoll. Mehr bietet ims der 2. Teil S. 36 ff: „Die Eiche im
Kultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme." Die Verwendung im Kultus, in der
Sage, im Aberglauben wird erschöpfend und übersichtlich behandelt. Aus dem Schluss-
wort hebe ich die Betonung der freilich nicht unbekannten Thatsache hervor, dass die
Eiche die Rolle eines eigentlichen deutschen Nationalbaumes im Mittelalter nicht gespielt
hat. Bei mittelhochdeutschen Dichtern findet sich eher die Linde bevorzugt. Die Eiche
gewann erst seit Klopstock mehr Ansehen. Im Anhang stellt W. deutsche Dichter-
stellen über die Eiche zusammen. — Kürzer, aber ebenfalls in ihrer gesamten Verwen-
dung wird die Rose in einem Vortrag von Bienengräber^^s) behandelt. Alle diese
Meteorologie u. z. Kulturgesch. Berlin, II. Patel. 53 S. M. 1,00. — 280) D. Vf. d. IOO3. Kalenders: Didaskalia N. 178. (Mauritius
Knauer; nach Berthold: vgl. JBL. 1890 II 5:35 u. 0. I 4:48.) — 281) A. liiegl, E. kärntnerischer Bauernkalender: Carinthia
81, S. 13—23. — 282) O IX K. A. Neuhoff, Etymologie, Volkstum u. Mythologie: HambCorr. N. 633. - 283)
P. Herrmanoswki, D. deutsehe Götterlehre u. ihre Verwertung in Kunst u. Dichtung. 1. Bd. Deutsche Qötterlehre. 2. Bd.
German. Götter u. Heidon in Kunst u. Dichtung. Berlin, Nicolai. III, 284 S. M. 4,50. VI, 278 S. M. 3,00. |[1)LZ. 12,
8. 1101/3; — gk: LCBl. S. 1764/5; A. Schröder: BLU. S. 109; W. Golther: MUnchNN. S. 526.]] — 284) W.LMushacke,
Beitrr. z. Gesch. d. Elfenreiches in Sage u. Dichtung. Progr. Crefold. 4P. 20 S. — 285) O C. J. Steiner, D. Tierwelt, nach
ihrer Stellung in Mythologie u. Volksglauben, in Sitte «. Sage, iu Gesch. u. Litt., in Sprichwort u. Volksfest Gotha, Tliieno-
mann. XI, 824 S. M. 4,20. |[JBOPh. 13, S. 144/5.]| — 286) X A. Schlieben, D. Schwein in d. Kulturgesch. Wiesbaden,
Bechtold. 63 S. M. 1,00. — 286a) X Graf M. v. Hu tten-Czapski, D. Gesch. d. Pferdes. Nach d. Vf. Todo aus d. Poln.
ins Deutsche Ubers. v. L. Koenigk. 2. (Titel) Aufl. Berlin, Bath. Vlll, 716 S. M. 12,00. — 287) O J. Th. Glock,
D. Symbclik d. Bienen u. ihrer Produkte in Sage, Dichtung, Kultus, Kunst u. Bräuchen d. Völker. Heidelberg, Weiss. XII,
411 S. M. 5,00. ItLCBl. S. 1597 ]| — 288) Baron L. A. J. W. Sloet, De planten in hat gennaan'sohe Volksgeloof en
Volksgebruik. s'Gravenhage, Nijhoff. 1890. 98 S. M. 2,00. [Kossmann: LBORPh. 12, S. 263/4 ]| — 289) X J- Flos,
D. Pflanze als Prophetin: Didaskalia N. 56. — 290) O E. Hundt mann, W'as auf märkischer Heide spricsst. Märkische
Pflanzenlegendeu u. Pflanzensymbolik. Berlin, LUstenöder. VII, 184 S. M. 3,00. ||JBGPh. 13, S. 142/3.]| — 291) P. Wagler,
D. Eiche in alter u. neuer Zeit. E. mythol.-kuUurhist. Studio. 1. Tl. Progr. Würzen. 4». 41 S. [IBPhWS. 12, S. 20;
JCGPh. 13, S. 140/7.]| — 292) id, D. Eiche in alter u. neuer Zeit. 2. Tl. (= Berliner Studien f. class. Phil u. Archäol. 13,2.)
Berlin, Calvary. 128 8. M. 4,00. — 293) M. Bienengräber. D. Rose in Gesch. u. Dichtung Vortrag. Borlin, Radelzki.
95 d. Steinhausen, Kulturgeschicht«». 15: rv4-'*
Arbeiten 294-295) können in vielen Einzelheiten für den Volkscharakter und das Natur-
^rcliihl oder aber auch in der Bevorzugung einzelner Tiere und Pflanzen zu gewissen
Zeiten für Zeitstimmung, Geschmacksrichtung und Kulturwandel vieles Beachtenswerte
bieten. —
Einzelnes 2ößai.), Hier seien Arbeiten erwähnt, die einen bestimmten Stofl'
iiUgemein kulturgeschichtlich behandeln und insofern auch für die deutsche Kultur-
geschichte von Wert sind. Aehnlich wie oben Tiere und Pflanzen wird z. B. durch
W. Bormann 2»«") das Meer, allerdings in obertlücldichster Weise, in seiner dichterischen
Verwendung verfolgt. — Ebenso wortlos ist ein Feuilleton Halbegs^»') über den Früh-
ling. — Mehr Beachtung verdienen einige im engeren Sinne kulturhistorische Arbeiten.
Lüttich 2W) geht von der Tliatsache aus, dass gewisse Zalden auf allen möglichen
Ciebieten des menschlichen Lebens eine bedeutungsvolle Rolle spielen. Er versucht
dieses. Zahlenmaterial zu ordnen vnid zu deuten, indem er, Lippert folgend, auf die Be-
gritfe der Mutterfamilie und Vaterfamilie zurückgeht. Aus jener Periode soll die 3 in
ihrer Bedeutung stanunen, die L. an vielen Beispielen erörtert. In der ersten Periode
d6r Vaterfamilie sollen die 2 und die 4, die 7 und die 13 zu ihrer Bedeutung gelangt
sein usw. Anfangs meint er, war die Familie, später wurde die durch die Vorgänge am
Hinuuel geregelte Zeiteinteilung die Schöpferin bedeutungsvoller Zahlen. Im einzelnen
viellach, aucii für die deutsche Kulturgeschichte, interessant, wird die Auseinander-
setzung doch nicht überall überzeugen. — G. Steinhausen 2»«) entwickelt die Formen
dos Grussos, der ursprünglich Ausdruck unbedingter Unterwerfung oder ein Zeichen
des Friedens war. In diesem Sinne lässt sich auch das Hutabnehmen ^ erklären.
Nach ihren Grussworten werden einzelne Völker charakterisiert. — Der Ausgangspunkt
des Vf., dass nämlich heute zahllose Bräuche und Formen existieren, deren ursprüngliche
Bedeutung niemand mehr kennt, die aber überall gedankenlos angewandt werden, ist
auch der Gesichtspunkt einer Skizze von K. Alberti^"'), der alle möglichen Anschauungen
und Bräuche von heute auf ihre frühere und eigentliche Bedeutung prüft, z. B. das
Brüderschafttrinken. — Ein sehr interessanter kulturgeschichtlicher Stoff, die Namen-
moden, wird von Needou302) ganz hübsch, aber lange nicht ausreichend behandelt.
Eine tiefere Kenntnis der Vergangenheit z. B. durch Studium von Urkunden und Matrikeln
wäre wünschenswert gewesen. — M. Beck^osj verfolgt durch die Gescliichte das Haupt-
werkzeug der Schreibkunst in seinen Wandlungen; über Ringe und ihren Gebrauch ver-
breitet sich B. Martin304)j über berühmte Glocken von Stahl^os); er erwähnt auch die
Glockeuinschriften305a-b), — Lehrreich ist die Abhandlung von Perle-'^o) über das social-
demokratische Symbol, die rote Fahne, die keineswegs das Symbol von Blut und Feuer
ist. Sie stammt aus Frankreich. Nach dem Gesetze vom 2L Oktober 1789 sollte sie den
Nationalgarden, die irgend einen Aufruhr zu unterdrücken hatten, vorangetragen werden.
Das Volk hasste also die rote Fahne. Erst im Zusammenhang mit der roten Jakobiner-
mütze erfuhr sie später tiefen Bedeutungswandel. P. verweilt, um diesen zu erklären,
namentlich bei einer Episode vom 5. Juni 1832. —
Lokalstudien. Auf diesem Gebiet herrscht nach wie vor eine grosse Thätig-
keit, die allerdings häufig, so nicht selten in den Veröffentlichungen der historischen Ver-
eine, zu einem Kultus des Unbedeutenden und Unwichtigen ausartet. Erfreulich ist
es, dass einzelne liistorische Vereine weniger auf die Geschichte ihrer Landesf^irsten,
ihi-es Stiidtleins oder ihrer Nachbai-dörfer , als auf die Erforschung vergangener
Kultur und unseres Volkslebens Wert legen. Freilich kommen da hin und wieder recht
dilettantische Arbeiten zum Vorschein. Den Bericht über die kulturhistorisch inter-
essanten Lokalstudien knüpfe ich an einen Rundgang durch Deutschland. Berlin ^o«*), von
dem ich ausgehe, ist vielfach der Gegenstand solcher Studien gewesen. Schwebeis**')
Buch ist, wie alle Arbeiten dieses Autors, unwissenschafthch und für unkritische Leser
berechnet. Interesse können die Abbildungen haben, die auf alte Vorlagen zurückgehen. —
L. H. Fischers^os) gesammelte Aufsätze, die kaum über das vorige Jh. zurückgeheu,
31 S. M. 0,80. — 294) X GrUnonwald, D. Masslioben: PflIlzMus. 8, S. 29—80. (^Namentlich als LiebeRorakel Terwandt.) —
295) X W. Richter, Lotus u. Papyrus. E. kulturhist. Skizze: KZg. N. 842. (FUr d. deuUche Kulturgesch. ohne B«lajig.) —
29Sa) X E. Lippmann, Gesch. d. Zuckers, seine Darstellung n. Verwendung seit d. Ut«8ten Zeiten bU la Beginn d. Knben-
zuckerfabrikation. E. Beitr. z. Kulturgesch. Leipzig, Hesse. 1890. XV, 474 S. mit l Kart«. M. 6,00. — 2fl5b) X
L. Vallet, Le chic ä cheval. Histoire pittoresque de l'öquitation. Pröface de M. H. Laredan. Paria, Fimin-Didot 4«.
XI, 274S. Fr.22,00. — 296) W. Bormann, Meer u. Dichtung: Didaskalia N. 66 7. — 297) L. Halbeg, Frühling: Ib. N. 68 —
298) Sei mar Lattich, Ueber bedeutungsvolle Zahlen, e. kulturgesch. Betrachtung. Progr. Domgymnas. Naamburg.
Naumburg, Sieling. 40. 47 S. — 299) G. Steinhausen, D. Gross u. seine Gesch.: TglKa. N. 84(5. — 300) OX K. Brd-
mann, D. Hutabnehmen: VFolszMeer 1S90 1, Heft 12. — 301) K. Alberti, Knlturgespenstor : Didaskalia N. 64,5. — 302)
R. Needou, Namonmoden: LZg». N. 72. — 303) M. Beck, V. Holigriffel bis «. Stahlfeder: Didaskalia N. 27. —304)
B. Martin, Du Ring an .meinem Finger: ib. N. 63. — 305) (i. v. Stahl, BerShmte Glocken: ib. K. 297 — 305«) X
D. Glocken v. Treptow a./R.: MBllPommG. 5, S 97ff.— 113ff. - 305b) X K. E. U. Krause, D. Glocke, .Nachtegall' d. ait«n
Rathauses in Anklam: ib. S. 124/5. — 306) F. Perle, D. rote Fahne: Grenzboten ."iO, 1, S. 157; 65. — 308«) X F. Uoltie.
Gesch. d. Kammertjcrichts in Briiudenburg-Preussen. 2. Tl. 1540—1688. Berlin, Vahlen. XV, 376 S. M. 8,00. :[LCB1. S. Il.%5.]i —
307) O. Schwebe!, Aus Alt-Berlin. Stille Ecken u. Winkel d. ReichshanptstMlt in kulturhist. Schilderangen. Berlin,
LtiRtenöder. 40. VIII, 487 S. M. 15,00. I(FBP0. 4, S. 307; BLU. S. 219— 2«).1| — 300) I.. H. Fischer, Ans« Beriins Vsr-
I 5: 309-330C G. Steinhausen, Kulturgeschichte. 96
haben wesentlich Wert für die Geschichte des litter arischen Berlins: hauptsächlich tritt
Tiecks Gestalt in den Vordergrund. Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die Beiträge
zur Schulgeschichte Berlins, die im 18. Jh. recht unerfreulich ist, auf den Aufsatz über
Berliner Wochenschriften vor 100 Jahren und auf die Biographie des jüdischen Philo-
sophen Salomon Maimon. — In das Berlin zu Anfang des 17. Jh. führt uns der von
Zechlin^oo) besprochene Reisebericht des bekannten Augsburger Patriziers Philipp
Hainhofer, dessen gesamtes Reisetagebuch übrigens schon 1834 in den Baltischen
Studien veröffentlicht ist. Neben der topographischen Beschreibung Berlins interessiert
uns seine Schilderung des Schlosses, weiter die Notizen über die von ihm genossene
Geselligkeit ^0^^). Aus dem Jahr 1690 -"^^o^ liegt ebenfalls ein Reisebericht vor^n), nament-
lich durch die Schilderung des Hoflebens wertvoll. — W^ieder eine Spanne Zeit weiter
hören wir durch Schmollers^is) Vermittlung eine Beschreibung, wie damals einem
französierten sächsischen Höfling Berlin und sein Hof, der damals eben seinen mili-
tärischen Anstrich bekommen hatte, erschien 3i2a^. — Ein französischer Diplomat macht seine
Bemerkungen über das Berlin vor hundert Jahren; Masson '^^^) hat sie veröffentlicht. —
Fast in neueste Zeit führt uns P. Lindenbergs 314) feuilletonistisches Büchlein, als ein
von einem Zeitgenossen entworfenes Kulturbild doch nicht uninteressant. — Auf ein
wichtiges Element der Berliner Bevölkerung, auf die französischen Refugies, geht eine
Darstellung Tollins und Beringuiers ^i^) ein, die uns die wirtschaftliche und geistige
Bedeutung dieses Elements gut vor Augen bringt. — In die Zeit der Einwanderung
selbst führen einige von Muret-^iß) mitgeteilte Autobiographien solcher Refugies. —
Wir schreiten weiter nach Osten. Aus Pommern wird uns durch Unruh ^i'') von Hexen-
prozessen, von den Hofnarren der pommerschen Herzöge, von dem „Zutrinken", von Ver-
gnügungen, von der Tracht, vom Trunk, von theologischen Interessen, vom pommerschen
Lokalwitz allerlei zusammengestellt. — Aus Westpreussen^is) liegt eine Geschichte der
Stadt Danzig von Wistulanus 3^^) vor, die das Kulturgeschichtliche angemessen berück-
sichtigt. — An die Geschieht eder Provinz Posen von Christian Meyer 320) hat sich ein
unerquickliches Nachspiel geknüpft. Auf die Kulturverhältnisse, die hier als in einem
der Kampf länder deutscher Kultur besonders wichtig sind, ist übrigens einiger Nachdruck
gelegt. — Wir verlassen den Osten 321)^ um jetzt von Berlin aus nach Westen zu gehen,
zunächst nach Hamburg 3-2-23). Das Buch von Borcherdt 32*)^ von dem nun auch die zweite
Hälfte erschienen ist, ist schon JBL. 1890 charakterisiert 32*»). — lieber Altona liegen
gerade in kulturhistorischer Hinsicht interessante Beiträge z. B. vonR. Ehrenberg325-326)
vor. — In novellistischer Form gehalten, aber doch voll lehrreicher Einblicke in Geist und
Leben eines schleswigschen Städtchens sind einige Skizzen 327)^ die auch hier an der Stätte
der Wissenschaftlichkeit getrost erwähnt werden dürfen. — Wir gehen südwestlich 328-329a)
weiter nach Westfalen. Vogeler 330-330c) veröffentlicht in einer dortigen Lokalzeit-
sclirift fast lauter kulturhistorische Beiträge. Für die Sittengeschichte, natürlich auch
wieder für die Geschichte des Hexenwesens, findet sich manches Wertvolle; ferner seien
die Ordnung des Tagelohns von 1(556, die Sonntagsfeierordnung von 1693 und das
Edikt gegen Pasquillanten von 1710, noch mehr einige urkundliche Beiträge zur Ge-
schichte Soests im 30 j. Kriege, Zeugnisse aus Deutschlands Leidenszeit, hervorgehoben. —
gangenheit. Ges. Aufsatze z. Kultur- u. Litt.-Gesch. Berlins. Berlin, Oehmigke. 205 S. M. 2,00. |[NatZg. N. 441.] | — 309)
A. Zechlin, Philipp Hainhofers Bericht über Berlin im J. 1617: VZg. N. 327, 329. — 309a) X Zernin, Berlin u. Köln
a. d. Spree vor 250 Jahren: Bär 16, S. 244/7, 261/2. — 310) X P- Seidel, Berlin u. sein Hof im J. 1696: ib. 17, S. 96/9,
154/6. - 311) (S. u. III 1 : 31.) — 3ß) (S. u. 111,1 N. 33.) — 312a) (III 1 : 35 ) - 313) F. Masson, Berlin il y a Cent ans:
RevHD. 5, S. 28—65. |[Wetzel: MVGBerlin 8, S. 90/l.]| (Aufzeichnung e. franz. Diplomaten aus d. Zeit 1772—83.) —
314) P. Lindenberg, Aus d. Berlin Kaiser Wilhelms I. Bilder u. Skizzen. (= Univ.-Bibl. N. 2779—80.) Leipzig, Keclam.
120. 219 S. M. 0,40. — 315) Tollin u. B6ringuier, I). franz. Colonie in Berlin. (= GescliBll. d. deutschen Hugenotten-
Vereins 4.) Magdeburg, Heinrichshofen. 42 S. M. 0,50. — 316) Mure), Lebensbilder einiger R6fugi<5s aus d. Zeit d. Ein-
wanderung, nach ihr. eigen. Aufzeichnungen mitget. Berlin, Mittler & Sohn. 4". 92 S. M. 3,50. — 317) Th. Unruh, Bilder
aus d. pommerschen Kultur- u. Sittengeseh.: ZDK6. NF. 2, S. 103—13. — 318) X Nadmorski, Gesellschaftl. Zustände im
Marienburgischen : Wisla 3, S. 717— 54. — 319) H. Wistu lanus, Gesch. d. Stadt Danzig. Danzig, Lehmann. 12". 98 S.
M. 1,00. — 320) Chr. Meyer, Gesch. d. Provinz Posen. Gotha, Perthes. X, 371 S. M. 6,00. |[ZHGPosen 6, S. 234-48.]| —
321) X Volkmer, Gesch. d. Stadt Habeis chwerdt: VjsGGlatz 10, S. 1—60, 97-131, 193-233, 289—312. - 322) X H. Haase,
Malerische Ecken u. Winkel Hamburgs. 18 Zeichnungen. Text v. 0. Rüdiger. Hamburg, Boysen. Fol. 2 S. Text. M. 20,00. —
323) X Th. Schrader, Hamburg vor 200 Jahren. Gesamm. Vorträge v. Th. Schrader, K. Jacoby, K. J. W. Wolters, Otto
Rüdiger u. R. Ehrenberg. Hamburg, Gräfe & Sillem. VII, 367 S. M. 10,00. — 324) A. Borcherdt, D. lustige alte Hamburg.
Scherze, Sitten u. Gebräuche unserer Väter, gesammelt. 2. Hälfte. Hamburg, Dörling. VII, 308 S., 24 Taf. in 4«. M. 4,00. —
324 a) X J. F. Voigt, D. Schmalenbecker Hof. E. kulturgesch. Skizze. Als Hs. gedruckt Hamburg. 20 S. — 325)
R. Ehrenberg, Altona unter Schauraburgischer Herrschaft. Her. mit Unterstützung d. Kgl. Commorz-Collegium zu Altona
1—3. Altona, Hander. IX, 48, 73 S. M. 4,00. (D. Anfänge Altenas. D. Altonaer Fischer, Wirtshäuser, Accise u. Bierbrauereien.
QlUckstopf-Geachichten. D. Anlage d. Palmaille.) — 326) Bhe., Kulturgesch. Beitrage über Altona vor 100 Jahren : HarabNaehra.
N. 49. — 327) Aus dänischer Zeit. 1. Unsere kleine Stadt. 2. Tante Feddersen. 3. Was Mahlmann erzählte. 4. D. Stadt-
mnsiker. 6. Qrossvatera Schreiber. 0. Diebesrache: Grenzboten 50, III, S. 78-83, 129-35, 179—86, 283/7, 569—76, 611/9. —
328) X 6- Seile, Beitrr. z. Gesch. d. Landes-WUrden. Mit 2 Siogoltafeln. Oldenburg, Stalling. IX, 94 S. M. 2,40. — 329)
X C. L. Niemann, D. oldenburgische Münsterland in seiner gesch. Entwicklung. 2. Bd. bis z. Verein, mit d. Herzogt Olden-
burg. Oldenburg u. Leipzig, Schulze. 387 S. M. 3,00. — 330) Vogeler, Alte Soester Kriminalnachrichten: ZVGSoest
Jg. 1889/90, S. 1—23. — 330a) id.. Einige obrigkeitl. Verordnungen aus alter Zeit: ib. S. 59-74. — 330b) id.. Aus e. alten
«tädt Knchenbuch: ib. S. 89—95. — 330c) id., Urkundl. Beitrr. «. Gesch. Soests während d. 7j. Krieges: ib. S 49-58. (Auch d.
97 G. Stoinhaiisnii. KulturjTosr.lur.htft. I ',: smi-'*15.
Bis an die Schwollo des grossen Ivriej^es ist die Geschieht»} einer andern westlahscJiun
Stadt, BocliumH, durch Darpe^^n) geführt, von der in dein 1H91 erschienenen Abschnitt
die Zeit von l")!? — KJIH anerkennenswert belmndelt ist. Besonders zu heaclit<'n ist das
Ka])itel: „Wirtsciiaftliclio Verhältnisse inid Volksleben in Bochum im Hi. Jh.; Stein-
kohlciigewinnung; die Pest; llexenwahn." Fttr die Namenkunde interessant ist das
„Billgerverzeichnis". Weniges von allgemeinerem Interesse bietet der Abschnitt: „Adel
und Bauern von Bochum". — Einen gewissen typischen Wert hat das familiengeschicht-
liche Bihl, das E. Jacobs ='^-) entwirft. — Nach der kulturgeschichtlichen Seite hin hat
auch Braunscliweigs Geschichte einen Bearbeiter in Hohnstein '*3H) gehuiden. — Ueber
den Harz ^^*-^3'''') wenden wir uns ins Hannoversche 5^^). Namentlich wirtschaftflgeschichtlich
Interessantes bringt hier A. Ulrich '"i«-^»«'»). — Halles Vergangenheit hat eine umfassende
liistorische Behandlung durch Hertzberg '•^') erfahren. — Aus einer von K. Heine^»«) ge-
gebenen Geschichte des Dorfes Erdebom sind die Notizen über den dortigen Pfarrer Martin
Riiikart, weiter die Schilderung der Drangsale des 30 j. Krieges, endlich die Inschriften
der Glocken zu erwähnen. — Anemt\llers"30) Buch geht namentlich auf die Ausgestaltung
der KyfFliäusersage ein. — Ein lokales, aber sehr berl\hmtes Fest, das Naumburger Kirschen-
fest, behandelt ein Ancnymus "■'O). Es war ursprünglich ein sehr einfaches Kinder-
und Nat urfest ohne grössere Bedeutung. Was später gefabelt wurde, geht zum grössten
Teil tiuf den Geschichtsfälscher Rauli zurück: erst Lepsius zerstörte den ganzen
Schwindel. Auch auf die belletristisclio Behandlung des Festes wird eingegangen
(Kotzebues „vaterländisches Schauspiel mit Chören"). Der Vf des bekannten Spott-
liedes „Die Hussiten zogen vor Naumburg" ist der damalige Referendar Karl SeyfFert,
der die gläubigen Naumburger Bürger damit sehr erbitterte. — Aus dem Königreich
Sachsen 3-»-3J2) wäre auf Wustmanns 3i3) Atlas der Stadt Leipzig hinzuwci.sen. —
Andräs344) Arbeit über Crimmitschau kommt wesentlich für die politische Geschieht«,
nicht für uns iu Betracht. — Dagegen ist aus der thüringischen •M*a) Lokalge.schichte
ein achtungswerter kulturhistorischer Beitrag von Einert^^) hervorzuheben. Es
handelt sich um Arnstadt, aus dessen Geschichte sehr bezeichnende Kulturbilder her-
ausgearbeitet sind, so „Flurzug und Flurstreit", „Steinbusse" (die üblichste Strafe, bei
der auch die Vergehen besprochen werden), „Die Zeit der Kipper und Wipper", „Ein
grosses Sterben" (interessant ist namentlich das Gutachten des Stadtphysikus),
„Die Merodebrüder", „Die Mädeliiischulmeisterin" (für die Erziehungsgeschichte
nicht unwichtig), „Erbhexen" usw. Litterargeschichtlich interessant sind die Abschnitte:
„Schultheater auf dem Rathaus", dabei des Rektors Operette: „Die Klugheit der Obrig-
keit in Anordnung des Bierbrauens" ; „Holbergs ,Politischer Katuiegiesser' auf dem
Schultheater", eine Auiführung, die erst nach ^delen Anfechtimgen zustande kam; „Eine
vergessene Dichterin", die mit dem kaiserlichen Lorbeer gekrönte Poetin Sidonia Hed-
wig Zäunemannin (f 1740). — Ueber Hessen'^-*«^ Hegt mancherlei vor. Wiesenbach^«")
führt die Bezeichnung „blinde .Hessen" auf den Namen des Stammes zurück, der
ursprünglich Katze bedeute (Chatten). — Hessler^^^) giebt nur im Anhange seines ftir
die Schule und das Volk bestimmten Buches kulturgeschichtliches, und dies ist ohne
wissenschaftlichen Wei't^^o). — Geiger ^so) bespricht die vor längerer Zeit erschienenen
Aufzeichnungen des Kardinals Garampi, soweit sie sich auf Frankfurt beziehen, inter-
essant auch deshalb, weil Goethes Beschreibung von Frankfurt annähernd dieselbe Zeit
im Auge hat. — Eine Zeitungsnotiz^öi) weist mit Recht auf die Behandlung des Wortes
Ubr. Aufsatze d. Bds. v. Vf.) — 331) F. Darpo, Gesell, d. Stadt üoclium. II. Bochum in d. Nouxeit. A. 1517—1618. Bochum.
Stumpf. S. 11>J— 228. M. 1,80. — 332) E. Jacobs, Kulturbildor aus d. Zeit d. 30j. Krioges (2). D. BegrBndung d. Guts auf
d. Boke zu Altonrode u. d. Schicksal v. Iloicr v. Lauingons Nachkommenschaft: ^HarzV. 24, S. 116—60. — 333)O0. Ho^p-
stein, Kulturhist. Bilder aus alter Zeit. Neue Folge. BraunschweJK in d. .Zeit Tor d. 30j. Kriege. Brannscbwei^, Appelhäna
& Pfenning.storft. MF, 253 S." M. 3,(0. [[G.Winter: BLU. S. .824]!"- 334) x'"arwock- Waldsted t. Was 4. Selke
pUtschert; Geschichtliches, Gedichte, Sagen u. Mllrthcn aus d. SoIVothale. Osterwieck, Zickfeldt. 16«. XI, 160 S. M. 1.00. —
335) X R- Steinhoff, Gesch. d. Grafsdiaft, biw. d. Fürstentums Blankenburg a.'H. Blankonburg a. H.. Vieweg. VIII, 192 8.
[LCBl. S. 781.]] — 336) A. Ulrich, Bilder aus Hannovers Vergangenheit. Hannoter-Linde.n, Moni. 182 S. M. 2,00. —
336a) X H. Dohning, 1). Geschichte d. Stadt Celle. Cello, Schulze. XI, 280 S. M 5.00. - 3S7) O Oertzberg. Gesch.
d. Stiidt Halle an d. Saale v. d. Anfangen bis z. Neuzeit. Nach d. Quellen dargest. 2. Hallo wihrend d, 16. u. 17. Jh. Halle.
Buchh. d. Waisenhauses. X, 687 S M. 7,50. |LLCItl. 1892, S. 80.) i - 338) K. Heine. Z. Gesch. d. Dorfes Erdebom im
jilansfeldischeu: MansfeldBll. 5, 1-65. (Vgl. III 2:41.) — 339) E. AneraUIler. KyD'hnusor u. Rotheabnrx in Veigmnganheit
n. Gegenwart. Detmold, Hinrichs. V, 40 S. M. 0,60. — 340) I). Naumburger Kirscbfest: Grentboten 50, III, S. :«56— 7». —
341) X W. Loose, Beifrr. z. kirchl. Zucht u. Sitte in d. Stadt Meissen: BSachsKG. 6, S. 85-«7. — ZV») X A. Moschkau,
l.öbau z. Zeit d. 30j. Krieges. Zittau, Böhm. 13 8. — 342) X "• Ermisch, Wanderungen durch d Stadt Freiberg: NASachsG.
12, S. 86- 1()2. — 343) G. VVustniann, Leipzig durch 3 Jhh. E. Atlas z. Gesch. d. Leipziger Stadtbildpx im 16., 17. n. 18. Jh.
Mit kurzen Erl. Leipzig, Duncker & llnmblot. Fol. YlII. 24 S., 72 Taf. M. 40.00 - 344) E. Andra. D. Stadt Crimmitschau
wahrend d. grossen Krieges. I'rngr. Crimmitschau. 118 S. — 344a) A. Schirraer, Eisenberg im 30j. Kriege: MVGEisenb«rg6.
345) E. E inert, Aus d. Papieren e. Rathauses. Beitrr. z. deutschen Sittengeseh. Arnstadt, Frotscher. V, 196 S. K. 3,00. —
346) O X F. Seelig, Geschichtsbilder aus d. f asseler Vergangenheit. Vortrag. 2. Ausg. Cassel, HUhn. 12". IV, 56 S.
M. 0,80. — 347) F. Wiesenbach, D. blin-'en Hessen. E. sprachl.-hist.-herald. Studie. Hamburg. VerL-Anst 32 S. IL 1,00.
;iK. Sallraann: BLU. S. 444.]! — 348) K. Hessler, Gesch. r. Hessen. Mit Ausschluss d. beim Tode Philipps d. Gross-,
mutigen abgetrennten Gebiete. Cassel, Klaunig. VI, 223 S. M. 2,00. — 349) X K. Schäfer, Jagenbeim: Didaskalia N. 160.
— 350) L. Geiger, Frankfurt in d. Beschreibung e. Italieners 1761: FZg. N. 148. — SSI) D. Rhein: SchwabMerk. 23. Febr
Jahresberichte fUr neuere deutsche Litteraturgeschichte II (i|. 7
1 5: 352-370 Gr. Steinhaviseii, Kulturgeschichte. 98
„Rhein" im Grimmsclien Wörterbuch durch M. Heyne hin. — Jenseits des Rheins ^^2— 354)
hat Strassburg355-35G) Anlass zu manchen Veröffentlichungen gegeben. — In das Schlett-
städter Bürgerleben der Vergangenheit führt uns Geny^-^^). Namentlich erwähnenswert
ist die beigegebene „Ordnung der Herrenstube" von 1600 — 1601, durch den dort be-
schäftigten Schenken Balthasar Beck aufgezeichnet. — Ueber das Schwabenland «^58-359 j
kommen wir nach Bayern 3ßo-36i), Was der vorerwähnte Garampi (N. 350) über
München 3ö2) zu sagen hat, wurde von Geiger 363) ebenfalls veröffentlicht. Er giebt dabei
Notizen über die von Garampi erwähnten Gelehrten Amort, Lori, v. Oefele. — Eunk^W)
weist auf das früher erschienene, für die allgemeine Kulturgeschichte höchst wichtige
Tagebuch der Eichstätter Augustinernonne Clara Staiger hin^ß^a)^ — Y)[q frühere Be-
deutung der bayerischen Centren des Handels, Augsburgs und Nürnbergs, die zugleicli
typisch für die Vormacht des Bürgertums im 15. und 16. Jh. waren, führt Klein -
schmidt365) vor Augen. — Mummenhoffs 366) grosse Publikation bietet vielfache
Schilderungen kulturliistorisch wichtiger Momente aus Nüi-nberg. — Bei den politischen
Grenzen kann die deiitsche Kulturgeschichte nicht stehen bleiben, darum von Bayern
zu Oesterreich36'7-367a)_ Die Kulturverliältnisse des Ijandes, namentlich auch die geistigen
imd litterarischen Beziehungen zu Deutschland, hat für das vorige Jahrhundert Clir.
Meyer 368) geschildert. Die Aufklärung in Oesterreich sei durchaus ein Nachhall der
deutsclien Aufklärung. — Wien in seiner Vergangenheit wird uns von Grefe 3<iö)
und Uhlirz369a) bildlich vorgeführt. 3i 9b) — Kleinere Lokalstudien sind für
Klagenfurt durch IT. Ehrlich 3^0) und auch sonst 3'?0a-37i) veröffentlicht. — Für die Ge-
schichte des Deutschtums in Böhmen ist auf K. Eckardts 37-:) Buch hinzuweisen. —
Von Schweizer Lokalstudien3''3) ist Mülinens374) Schrift wesentlich politiscli-
historischer Natur. — Allgemeineren Wert 374a) ]^at Geisers 375) Arbeit, die
an den höchst tramigen geistigen und moralischen Zuständen Berns im vorigen
Jh., auf die schon Stapfer in seiner „Histoire et description de la ville
de Berne" eingegangen ist, zu beweisen sucht, dass der Vorwurf, den man der Demo-
kratie gemeinhin macht, dass sie nämlich eine geistige Depression herbeiführe, mit viel
mehr Recht die Aristokratie treffe. Nach zeitgenössischen Quellen wird diese Behaup-
tung treffend illustriei't. Sehr gute Einblicke in die Bernische Atmosphäre gewährt z. B.
das ergötzliche, aber ernst gemeinte Büchlein „Lebensbesclireibung Johannes Justingers,
eines bernischen Patricii'', aus dem G. einiges mitteilt. Jenen Ausspruch Schlözers,
„dass drei Gessler ein erträglicheres Unglück sind, als Deux-Cent erbliche Ratsherren",
erweist avich eine andere schweizerische Stadt als richtig, in der, wie in Bern eine adlige,
(iine bürgerliche Oligarchie herrschte. Die faulen Zustände in Zürich, auch hier veranlasst
durch eine „oligarchische Krämeraristokratie", schildert eingehend Hadorn376). Wie
es einem erging, der gegen diese oligarchischen Sünden vorgehen wollte, das zeigt das
— 352) X J- Nover, D. Typus d. Rheingauers: Maiir/Anz. v. 18. Juli. — ,353) X K. Tlieile, Bilder aus d. Chronik
Hactiarachs u. s. Tbäler. E. SUlck rheinischer Orts- u. Kirchengescli. (r.>tlia, Perthes. VII, 152 S. Jl. 2,00. |[Jentsch: 15LU.
S. 392.JI — 354) X «T- Steinbach, Führer durch d. Ahrthal an d. Hand d. Sage u. Gesch. Ut-r. v. \V. Sleinbach. 4. Aufl.
Neuwied, Heuser. 12«. IV, 119 S. 1 Karte. M. 1,20. — 355) X A^- f' [oybo thj , Souvenirs du vjeux Strasbourg. 50 Planches
avi'c texte oxplicatif. Strassburg i. E., Heitz. Fol. 12 S. Te-xt. M. 12,00. — 356) X R- Uoigel, Fntwicklungsgesch. d.
öffentl. Beleuchtung Strassburgs. Strassburg i. E., Heitz. V, 85 S. lu. 5 Tal'. M. 3,00. — 357) J. G6ny, Aus d. Sclilettstildlcr
liürgerleben d. 16. Jh.: ZGOlili. NF. 0, S. 283—95. — 358) O X K. Gerok, E. Paulus, H. v. lius tige, v. E hmann ,
0. Fraas, 0. Baisch, Th. Schott u. a. hervorragende St.iatsmänner u. Schriftsteller, D. Schwabonland u. seine kulturelle
Entwicklung in d. Neuzeit. (= Württemberg u. sein König 1864 — S9. Stuttgart, Süddeutsches Verlagsin>t. Fol. III, lOa S.
mit zahlr. Illustr., Kun-stb-ill. etc. etc. M. 6,00. — 359) X Lauffcn am Neckar: Didaskalia N. 203. (Nach d. MUucliNN.) —
360) X A. V. Hahn, llothenburg ob d. Tauber u. d. Meistertriinkauffliliruug: LZg». N. 73. — 361) X K. Th. Heigel,
Nymphenburg. E. geseh. Studie. (= Bayr. Bibliothek 2.5.) Bamber/, Büchner. 112 S. M. 1,40. — 362) X Encheri seh,
Aus Münchens vergangenen T^geii. Kulturgesch. Erzählungen. MUneiien, Huttler 154 S. M. 1,60. — 363) L. 6 eiger,
Jninchen vor 130 Jahren: MlinchNN. 20. Okt. — 364) Funk, Schlecht, Eichstatt im Schwedonkrieg: ThQ. 73, S. 673. —
364i) X J- Schlecht. Aus d. Schwedenzeit: SBlHVEichstätt. 6, S. 102/7. — 365) A. Klein seh niidt, D. Weltstellung
Augsburgs u. Nürnbergs: ZDKG. NF. 1, S. 391—408. — 366) E. Mummeuhoff, D. Rathaus in Nürnberg . . . Mit Abbildd.
... V. H. Wallraff. Nürnberg, Schräg. XIV, 365 S. M. 25,00. — 367) X A. Achleitner, Aus d. Hochland. Berggeschichten,
Skizzen u. Kulturbilder aus d. bayer. u. Osterr. Alpenwelt MUuclien, Stahl. 120. VII, 201 S. M. 1,60. — 368) Gh. Meyer, Oesterreich
u. d. deutsche Kultur im vorigen Jh.: ZDKG. NF. 1, S. 270—300 — 369) C. Grefe, Unser altes Wien. Samml. v. photolith.
Nachbildd. seltener alter Zeichnungen, Kupferstiche u Holzsclinitte z. Topographie-, Kunst- u Kulturgesch. Wiens im 15. bis
18. Jh. 1. Serie. Wien, Gilhofer & Ranichburg, Fol. 24 Bl. ra. 55 S. M. 18,00. — 369a) K. Uhlirz, Beitrr. z. Kulturgesch.
u. gesch. Topographie Wiens: BVLNiederösterr. NF. 25. S. 52—64, 177—205. — 369b) X id., D. Wiener Bürger Wehr u.
Waffen 1426—1648: BMAVWien 27, S. 131— 44. — 370) U. Ehrl ich, Erinnerungen an Klagenfurt, seine alten Häuser u. Familien.
Klagenfurt, Raunecker. 84 S. M. 2,50. — 370a) X P. Wolsegger, D. Urbarium d. Herrschaft Gottschee v. J. 1574:
MMusVKrain 3. — 371) H. v. Wlislocki, D. Szekler u. Ungarn in Siebenbürgen. Harabuig, Vcrlags-Anstalt. 40 S,
M. 0,80. — 372) K. Eckardt, Gesch. d. vereinigten deutsch-evangelischen Gemeinde A.B. u. H. B. in Prag. Prag, Selbstver-
lag. VI, 141 S. 1[K. Sali mann: BLU. S. 798.]| — 373) X A. v. Liobenau, Charaktorbüder aus Luzerns Ver-
gangenheit. Nach gesch. Quellen. 2. Bd. Luzern, Prell Nachf. 256 S M. 2,80. (Inhalt: Hesse v. Rynach, d. Vater d.
Armen. — Anna Russ, e. Frauenleben aus d. 15. Jh. — Marschall Jost v. DHrler u. d. 10. August 1792.) — 374) W. F.
v. MUlinen, Berns Gesch. 1191—1891. Festschrift z. 700j. Gründungsfeier. 2. Aufl. Bern, Schmid, Francke & Co. VIII,
235 S. M. 1,80. — 374a) X H. TUrler, Culturgesch. Notizen aus d. Berner Stadtarchiv: BernorTb. 40, S. 234— 44. (Nament-
lich über Hexenaberglaubon.) — 375) K. Geiser, Beitrr. z. Bernischen Kulturgesch. d. 18. Jh.: Neujihrsblatt d. litt. Ge-
Hellsch. Bern. 42 S. — 376) A. Hadorn, D. polit. u. socialen Zustände im Kanton Zürich gegen Ende d.
18. Jh. u. Altpfarrer J. H. Wasers Prozess u. Hinrichtung Bern, Nydegger & Baumgart. 95 S. mit 1 Bild. M. 1,50.
99 Gt. Steinhausen, Kulturgeschichte. I 5: 3i7-40ib.
glciclifallH in H.s Buch behandelte gerichtliche Verfahren gegen den Pfarrer Waser, daa
mit der Hinrichtung Wasers endete. — Schliesslich sei noch eine wertvollo Veröft'ent-
lirlunifc aus einem andern nicht-deutschen Lande deutsclier Zunge, aus Livland, envähnt.
BodccK'ors Chronik, die von Nayjiersky •'"?") vorlogt, hat nicht nur ihre politisch- und
lokalgeschichtliche Bedeutung, sondern gewährt vielfach Einblicke in das Leben und
Treiben der Zeit. — Neben Htiidten und Landschaften haben zu speciellen Monographien
audi geistliche Stiftungen, Kirciien und Klöster^"*-:»'«») mehrfach Arilass gegeben. In
manclien Einzelheiten, z. B. der Auffülu-ung der Grabschriften, anziehend ist Gh^f
Leutrums-'^o) Geschichte der Frauenkirche zu Unter- Riexingen. — Tüchtig ist Liesons'si)
Arbeit, der uns nach einer von einer Klosterachwester geschriebenen Chronik in daa
Loben des Agnetenklosters in Emmerich, eines der Schwesterhäuser vom gemeinsamen
Leben, sehr gut einflihrt. Der Abhandlung (I Arbeit, II Bildung, HI Askese) sind
Proben der Chronik beigegeben. —
Einzelne Stände und Menschenklassen, lieber das Studentenleben und
die Studenten sind manche beachtenswerte Arbeiten 38- 38>) von besonderem kultur-
historischen Interesse erschienen. — Eine Menschenklasse, die im 17. und 18. Jh. das
Universitätsleben mit charakterisiert, aber nicht blo.ss dort ihre Rolle spielt, schildert
G. Steinhausen 3^0), weniger von erziehungsgeschichtHchem Standpunkt aus, als um
einen Menschentypus des Rokoko und des Zopfes zu zeichnen. Beachtenswert ist es,
wie viele unserer geistigen Grössen ein solches Hofmeisterdasein gekostet haben. — In
das Leben eines Professors der Vergangenheit, des Mediziners Tichtel, führt uns
A. Huber 387) nach dessen Tagebuch. Allei'dings ist nicht der Lelu-er, sondern der
])raktische Mediziner jener Zeit damit charakterisiert. Die Einkünfte der Herren Aerzte
waren schon damals recht hübsch. — Die Aerzte einer s|)äteren Zeit schildert, freilich
nicht nach deutsclien Quellen, J. Kutscher 388). — Auch für die Kenntnis des Künstler-
lebens der Vergangenheit 3S9-390) f^j,^(^ Beiträge zu verzeichnen. — Andere behandeln die
Anhänger des Waftenliandwerks in früherer Zeit 391-393). — Vq,i sonstigen derartigen Mo-
nographien betreffen viele Handwerk und Gewerbe 394-397). — Wertlos sind zwei Feuille-
tons über den Jäger398) und den Nachtwächter3!'9). Und welch hübsches Bild könnte man
doch z. B. von dem letzteren entwerfen. —
Einzelne Personen. Hier Hesse sich schliesslich .jede Biographie aus der Zeit
nach 1450 unterbringen. Und wieviel mehr wäre das noch der Fall, wenn alle Biogra-
phien so wären, wie sie sein sollten, uns den Helden immer im Rahmen seiner Zeit
schilderten und wieder andererseits klarlegten, welchen Einfluss auf seine Zeit oder
welche Bedeutung für seine Zeit der Held hatte. Solcher Biogi'aphien kenne ich kaum
Eine. — Hier führe ich nur von biogra])hischem Material das an, was besonders leicht
einen kulturhistorischen Gesichtspunkt zulässt. So erwähne ich aus der ADB. die
Artikel über N. S. Schmidt, gen. Küntzel, eines der gelehrten Wunder, von H.A. Li er *<'<>).
ferner N. Schmiterlow LT, einen städtischen Charaktertypus aus der Reformationszeit,
von PyHooa); über E. Schnepff", den schwäbischen Reformator, von Brecher^oob); aber
Louise von Schönberg, eine schöne Seele und fleissige Briefschreiberin, von E. Jacobs***«);
über den Herrnhuter Freiherrn v. Schrautenbach, von H. A. Lier^oo^); über den durch das
Märchen vom Hasen und Swinegel bekannten Wilh. Schröder von Krause *oi)- Qber
Ch. Schubart, der, wie der Biograph W^ohlwilH^ia) nüt Recht bemerkt, auch von kultur-
377) liodockcr, tliroiiiV Livläiidischer u. Risasclier Ereignisse 1693—1638... Be»rb. v. J. Q. L. v. Nmpiersky. Rigm, Kymm«!.
1890. XIX, 158 S. M. 4,00. |[BLÜ. S.333'4]i — 378) X '^- Horning, D. Stift v.Jung-Sankt-Peter in. Stnwsbnrg. Urknndl.
Beitrr. z. Gesch. desselben au.s 6 Jlih. [1200— 1700J Strassburg, Noiriel. XII, 83 S. M. ^-M). — 379) X A. Hurdegger.
Mariaberg bei Korscliacli. {— NeujalirsllHVStGallon.) St. Gallen. Uuber & Co. 63 S. in. 2. T. M. 2,00. — S79a) X ü«ber
die Abtei Koloczmonostor: KBlVSiebenbl.K. 14. .". 81. — 380) (•. Graf Leutrum von Ertingen, D. gnIL Leatramsche
Frauenkirche zu Uuter-Riexingen. Mit o. Uobeiblick llber d. Gesch. d Dorfe.t. t>tuttgart, Kohlhamni'r. VI, 178 S. M. 2.50.
— 381) B. Liesen, Z. Klostergesch. Euimerichs bei Beginn d 16. Jh. Beil. z. Progr. d. Oymn. Emmerich. Ronen. 4». XUI,
14 S. — 382) J. Hartmann, Reutlinger Studenten im 15. u. 16. Jh.: KoutlingdBlI. 8. 83f7. — 389) (I 6 : 168). —
384) (16 : 171). — 385). L. Kist, Studium u. Studentenleben vor 40 bis 50 Jahren u. e. schw^-re PrBfung nach abgolviertea
Universitäts-Sludium. E. lieitr z. Ku'.turgesch. d. 19. Jh. Innsbruck. Vereins-Huchh. 12«. VII, 587 .s. |i. 3.00. — 386) 0.
Steinhausen, D. Hofmeistor: VZgS N. 113, 125. — 387) A. Uuber, Aus d. Leben e. Professor-i d. Medixin im 15. Jh.:
HTb. 6. Folge 10. S 271—83 — 388) J. Kutscher, I). Aerzte d. 17. Jh. nach d. KomOdicn Molierea. Progr. Karolinen-
Ihal. 34 S. — 389) O X E. Braun fels, Aus d. KUnstlerlobon d. Rococozeit. Davos, Kiehtor. III, 168 S. U. 2.00. —
390) X V. de Swarte^ Les financiers amateurs d'art aux XVIe, XVlIe et XVIIIe si^cle. PariM, Plön et Nourrit 65 .S. —
391) X C. Thömrael, D. Landsknechte Recht u. GebiSuche: ZDK«. NF. 1, S. 409— 35. — 89lal X A v. Iteyden, D. Turnier:
WIDM. 70, S. 673-02, 841 55. — 392) XE. E. Fieytag, Sachsens Heer im bist Volksliede: LZg». N. K. — 398)X A. Blti.Sold»»«-
werbungen im voiigon Jh.: Bayer and 2, S. 293,4; 303/7; 315 '•; 829—32. — 394) X K. Mettig, D. tIU«te AmUbacb d.
Schmiede zu Riga u. d. Schrägen der.'iolben von 1578. Progr. Riga, Realschule. ;[BLU. S. 333.], — 39S) X A. Bnff. D.
Ausgeschenk d. Augsburger Buchbinder E. Beitr. z. Innungsgesch.: Grenib. .SO, III, S. 457—62. — 996) X R. Lahmer, Alte
Gesellen-Sitten u. Gebräuche d. Schwarz- u. Schönftrberzunn: BINordböhmExcursCIub 14. 1. — 396«) X 0. Daieheadt,
D. Lichtbraten, e. Rechtsbrauch unter d. lUnftigen Handwerksgesellen: KBlV.~:iobenbLK. 14, S. 53,4. — 907) X J- F. Qr«f,
Mühle u. Minier im Nösnergau: ib. S. 72 6. — 398) J. v. Horst. Im grUnen Rock: FrtnkCour. N. 476. — 399) Regens-
borg, Mit, Hörn u. Spiess: ib. N. 191. (= Didaskalia N. 93.) — 400) H. A. Lier, Nikolaus S. Schmidt: ADIt. 32. 8.16/8.—
400a) Pyl, Nikolaus Schmiterlow: ib. S. 38— 42. — 400b) Brecher, Erbard Schnepff: ib. S 168—72. — 490c) K
Jacobs, Louise v. .Schönberg: ib. S. 264/7. — 400d) H. A. Lier, Freiherr v. Schrautenbach: ib. S. 461/4. — 401) Krause,
Hr. Wilhelm Schröder: ib. S. 5.S3/4. — 401a) A. Wohlwill, Christian Schubart: ib. S. 588—3«. — 401b) O. Frank, Job.
7»
I 5: 401C-419. G. Steinhaiisen, Kulturgeschichte. 100
historischem Standpunkt Interesse erregt, „sowohl wegen seiner wechselvollen Lebens-
schicksale, in denen sich die deutschen Zustände seiner Zeit mannigfach spiegeln, als
auch wegen seiner journalistischen Wirksamkeit, durch welche er in weiten Kreisen
Bildung verbreitete und zur Erweckung deutschnationaler Gesinnxmg beitrug"; über
J. H. Schulz, genannt der Zopfprediger oder avich der Prediger des Atheismus und des
zureichenden Grundes, von G. Erank ^o^^); über Th. von Schön, von seinem Biographen
Maurenbrecher 40ic^ übrigens mit grossem Unrecht hart mitgenommen — Schön passt
freilich nicht in die Zeit der politischen Streber — ; über J.Schulze, den Mitbegründer
des preussischen Unterrichtswesens, von M. Hertz^oid^j über Schulze-Delitzsch, inter-
essant als politischer Charakterkopf und wichtig für die sociale Entwicklung, von
Eheberg 402) j über H. Schurif, eine bezeichnende Gestalt aus der Reformationszeit, von
E. Landsberg^O-'"^); über „das Wunder ihrer Zeit, den Ruhm ihres Geschlechtes", Anna
Maria von Schurmann, von E. Martin 402b) j über das von Schiller und Kurz verherrlichte
„Sonnenwirthle", den Räuber J. E. Schwan, von Schott*"-*^); über den bekamiten
Hans von Schweinichen, von Wutke ""O'-d); über den liberalen Grafen Schwerin, von
Granier ^O'^); über Semler, den Hauptrepräsentanten der theologischen Aufklärung des
18. Jh., von T seh ackert 403a). — Yon kleineren biographischen Aufsätzen oder Brief-
sammlungen 401-407) erwähne ich im einzelnen Bvichwalds 408) Aufsatz, der „die Un-
zuverlässigkeit häufig sich findender Notizen über Bücher aus Luthers Bibliothek" nach-
weist, Knochenhauers 409) Arbeit, die nicht über die künstlerische BedeutAmg des
Augsbiirger Malers Rottenhammer (um IGOO) Aufschluss geben will, sondern ausdrücklich
den kulturhistorischen Gesichtspunkt hervorhebt und interessante Einblicke in das
Künstlerleben jener Zeit gewährt, die Mitteilungen Buchwalds 4io) über den zu Anfang
des 30j. Krieges vertriebenen evangelischen Pfarrer Wenzel Altwasser, zum Teil nacli
dessen Tagebuch. — Aus neuerer und neuester Zeit seien genannt eine Plauderei
Rodenbergs 411)^ clie Eranz Dingelstedt, Ernst Dohm und Gustav Nachtigal uns in
kurzen Strichen zeichnet, und zwei Nekrologe: über den urwüchsigen Reisenden und
Schriftsteller Wernick4i2) ^^d über einen der Göttinger Sieben, Wilhelm Weber 4i3)^ (Jen
Miterfinder des elektrischen Telegraphen. — Von grösseren Publikationen kommt zu-
nächst Ab erl es 4i4) Beitrag zur Kenntnis jenes merkwürdigen und geistig hochstehenden
Mannes, des Theophrastus Paracelsus in Betracht. — Sehr viel kulturhistorisches Material
findet sich ebenso wie in den schon früher veröif entlichten Briefen der Lise Lotte (in
der Bibliothek des litterarischen Vereins) in der Publikation von Bodemann4i5-4iö)^ auf
die die JBL. an anderer Stelle eingehen. — Eine kirchenhistorische und kirchenpolitische
Arbeit von H.Maas 41'?) beschäftigt sich besonders mit der Person des Erzbischofs Her-
mann von Vicari. — Schon im Titel drücken den kvilturhistorischen Gesichtspunkt be-
sonders aus die biographischen Portraits, dieW. H. Rie]il4i8) veröiFentlicht. Er sieht in seinen
Skizzen „zugleich Beiträge zur Kulturgeschichte und zwar zumeist zxir Kulturgeschichte
einer Zeit, die mis heute am allerfernsten liegt — und das ist die nächstvergangeno
Zeit". Li eine Zeit, ,,wo es noch ein Vergnügen war, ein Gymnasiast zu sein", führt
uns die erste Skizze mit der liebevollen Schilderung des Direktors; Moriz von Schwind,
dann Berly, „ein vormärzlicher Redakteur", und Emilie Lindner, die R. eine „Lebens-
künstlerin" nennt, sind die Helden der nächsten Skizzen. In dem „Modernen Benvenuto
Cellini" verkörpert er eine zeitgeschichtliche Portraitgestalt, ohne doch einen bestimmten
Mann im Auge zu haben. Viktor Scheffel, den König Max, Liidwig Richter und Richard
Wagner 41«) sucht er in den übrigen Bildern künstlerisch zu erfassen und zu zeichnen.
Ueberall lugt aber, wie R. neckisch sagt, noch ein anderer Charakterkopf hervor und
das ist — er selbst. — Eine Reihe wichtiger Biographien, deren Helden mehr oder
Heinrich 'Schulz; :"ibi S.--745/7. — 40lc) W. Maurenhrecher, Theodor v. Sehöu: ib. S. 781-02. — 40ld) M. Hortz, Johannes
Schulze. (S. u.'ie : 105)"— 402) BVoherg, Scluilze-Delitzseh: ADB. 33, S. 18— 29. — 402a) E. Landsherg, Hieronyniiis
Schurif: ib. S. 86—90. — 4G2b) E. Martin, Anna Ilaria v. Scliuiraann: ib. S. 00/4. — 402c) Th. Schott, Job. Friedlich
Schwan: ib. S. 177—81. — 402d) C. Wntke, Hans v. Schweinichen: ib. S. 360/1. — 403) H. Graiiicr, Graf v. Schwerin:
ib. S. 429—35. — 403a) P. Tschacke rt, Joh. Salonio Seniler: ib. S. 098—7^4. — 404) X H. Herzog u. J. B. Rahn,
Christoph Silberysen, Abt v. Wettingen, u. e. rhein. Hilderfolge d. 15. Jh. in ZUricli: Turicensia S. 52—70. — 404 a) X
F. W. E. Rotli, D. Buchdrucker u. Verleger Johann SclioefFer zu Jlainz 1503—31 als Verleger latein. Klassiker und Schul-
bücher: RomanF. 6, S. 402—74. (1 4:26.) — 405) X Fuchs, Aus d. Loben d. Landgrafen Georg II. Vortrag: GBllHVHessen
NF. 1, S. 26/7. (Referat.) — 405 a) X A. Lin gke, J. Hektor v. Klettenberg: ÜBuTh. 14, S. 191/2. (Vortrag [Referat].) -
405b) X Schlecht, Felician Ninguarda: EQClirA. 5, S. 62-81, 124-50. — 406) X A. Btlrkli, rriefe a. d. Jahren 1809—15
V. Salomon Hirzol: ZUrcherTb. NF. 14, S. 70—147. — 407) X F- S., Caspar Tauber: WionKommunalkal. 29, S. 376—83.
(T. wurde am 22. Sept. 1624 in Wien als Protestant hingerichtet.) — 408) 6. Buchwald, Ans Lutliors Bibliothek: LZgn.
N. 88. (Vgl. u. II 6.) — 409) Knochenhauor, Aus d. Leben d. Malers Joh. Rottenhammor: MGNM. S. 64—70. - 410)
G. Buchwald, Wenzel Altwasser: JGGPÜ. 12, S. 55— 71. — 411) J.Eodonberg, D. Haus im Tiergarten: Didaskalia N. 15. —
412) P. S[chlonther], Fritz Wernick: VZgS. N. 37. — 413) Wilhelm Weber: Didaskalia N. 148. (Nach d. „VZg.") — 414) O
K. Aberle, Grabdenkmal, Schädel u. Abbildungen d. Tlioophrastus Paracelsus. Boitrr. z. genaueren Kenntnis desselben.
Salzburg, Dieter. 111, 74 u. S. 260-580 m. 6 Taf. M. 6,00. - 415) (S. u. III 1 : 25.) — 416) (S. u. III 1 : 26.) - 417) H. Maas, Gesch.
d. katholischen Kirclio im Grossherzogtum Baden. Mit bes. Berücksichtigung d. Reglerungszoit d. Erzbischofs Hermann
V. Vicari. Froiburg, Herder. XXlll, 692 S. m. 1 Bild. M. 10,00. — 418) W. H. Riohl, Kulturgesch. Charakterköpfe. Ans
d. Erinnerung gezeichnet. Stuttgart, Cotta. VII, 528 S. M. 6,00. — 419) X H. Ritter, Riebard Wagner als Erzieher.
JOl G. Steinhausen, Kulturgeschichte. I 5: 420-4«»
wolliger auch kulturgeschiclitlich augeselien werden kuimten, so namentlicli Hayms^SO)
„Duiicker" und 8ainsonH'*2i) „Kirclieiipauor", kann ich hier nur streifen *^-*-*); ebenso
die kulturgeschichtlich höchst ergiebige Menioirenlitteratur^^o-»-'«). —
Kultui hestrebungen der Gegenwart. Hier käme für die historische Be-
trachtung zunticlist alles das in Fiage, was für die Stimmungen und Strömungen der
modernen Zeit besonders charakteristisch ist, im besonderen derjenige Zweig unserer
Litteraiur, der mit Bewusstsein eine allgemein erzieherische Tendenz pflogt, also di )
Volkspädagogik. Von der zuletzt erwähnten Litteratur zuerst zu reden, so hat das viel •
genannte und viclgeleseno Buch dos Rembrandtdeutschen^^*), das sclion JBIj. l8iK) angezeigt
ist, in dorn Zeitraum, den unser Bericht lunfasst, noch nicht das Endo gefunden, das allei.
solchen Modobüchern bevorsteht, das Vergessensein ■*3'*-'**2). Die geistige und nationalo
Wiedergeburt, welche der Vf. mit abstossender, gesuchtester „Geistreicliigkeit" und einem
SchwAll von Phrasen und tönenden Antithesen, dazu mit unglaublich künstlicher Ver-
wendung alles dessen, was er je zusammengelesen hat, auf mehreren hundert Seiten dem
deutschen Volke als notwendig hinstellt, mag wirklich notwendig sein. Ob in dem Sinne
des „Rembrandt als Erzieher", darüber lässt sich streiten. Meines Erachtens ist das
Buch an sich ziemlich wertlos; eine kulturhistorische Bedeutinig hat es aber in drei-
facher Beziehung: erstens in seinem inigeheuren, nicht zu leugnenden Erfolg; es ist also
massgebend für den geistigen Standpunkt unseres Volkes; zweitens in dem durch diesen
Erfolg unzweifelluifr, erbrachten Beweise, dass in iniserer Zeit ein tiefes ReformbedQrfnis
vorhanden ist; drittens in Stil und Ton und Inhalt: solch ein Buch, das ist modern. —
Den an sich höchst lobenswerten Willen, zu bessern und zu ei'ziehen, hat auch das gut-
gemeinte, aber im grossen und ganzen ziemlich triviale Buch Carneris **3). — Mit dem
Verhalten des Publikums vor der Bühne beschäftigt sich ein Feuilleton *•••). —
A. Schröer*4i) weist avif die Gefahren hin, welche drohen, wenn sich in Deutschland
die Wissenschaft, deren augenblicklichen Betrieb S. mit Recht scharf kritisiert, und die
Nation einander entfremden, anstatt einander zu dienen. — Sehr lobenswerte Bestre-
bungen verfolgt der Verein für Volkslitteratur, zu dessen Vorkämpfern von Leixner*^*)
gehört; aber dieser Kampf gegen die Schundlitteratur wird, fürchte ich, kaum grosse
Erfolge erringen**''). — Diese und ähnliche Versuche, auf unser Volk einen veredelmlen
Einfluss zu tiben**^)^ hängen zum Teil mit der Richtung zusammen, die den unteren
Volksschichten, ihren Bedürfnissen und Leiden ungleich grössere Aufmerksamkeit
schenkt als frülier, mit der unser heutiges Leben beherrschenden socialreformatorischen
Strömung. Die litterarischen Erzeugnisse, die für diese in Betracht kämen, auch nur
dem Titel nach anzuführen, ist unmöglich die Aufgabe dieses Berichts. Nur auf eine
kulturhistorisch besonders interessante Veröffentlichung auf diesem Gebiet sei hin-
gewiesen, auf Göhres**^) Buch, die aus dem Bedürfnis, den Arbeiter und sein Leben
kennen zu lernen, hervorgegangen ist und nun sich zu einem wichtigen Kulturbild er-
weitert. Seine kirchlichen Ansichten kommen hier nicht weiter in Betracht. — Jene Nei-
WUizburg, Staliel. IV, 81 S. M. 1,50. — 420) R. Kay m . D. Lcl)en Max Dunckors. Berlin. Gnrtiior. VII. 470 S. M. 10.00.
— 421) II. V. Sainson, G. II. Kirchenpauer. E. Lebens- u. Cliaraktorbild. Keval. Kluge. 171 u. 90 .S. M. 4,50. — 422) X
F. Merkel, Jacob Ili-nle. E. deiitscUes Gelohrleiilobon. Nach Aufzeichnungen u. Erinnerungen er»«hlt Breunacbwoig.
Vioweg & Sohn. XII, 411 S. mit 1 Portr. jr. 10,0 X — 423) X Gossnerä Loben u Mission. 3. Aufl. Bcrlin-Friedcnto,
Buchh. d. Gossnerschon Mission. 32 S. W. 0,20. — 424) X 0. A. Ellissen, Friedrich Albert Lange. E. Lebensbeschreibung.
Leipzig', Baedeker. VI, 271 S. M. 4,50. — 425) O X Bischof Dr. Ferdinand WiiUer, weil. Gcnomlsniterintendont in Lirland.
Seine Landtagspredigten u. sein Lebenslauf. Leipzig, Dunckcr & llumblot VI, 40i n. 101 S. M. 10,00. — 426) X M. Ditt-
ricli, Meine Schulzeit in Chemnitz ISöl— 0:2. Jugcnd-Erinneruwgcn o. Zeitungsschreibers. Leipzig, Geissler. 56 .•<. M 0.50.
— 427) X W- LUbko, Lobcnscrinnorungen. Berlin, Fontane. VIII, 379 S. M. 6,00. [DLZ. 12, S. 1205]' — 428) X C. E.
Luthardt, Erinnerungen aus vergangenen Tagen. 2. Aufl. Leipzig, Dörfliing & Franke. VI, 373 8. m. Bildnis. M. 5,00.
— 429) X Aus d. LcbcnserCahrungen o. Siebzigers. Gotha, Perthes. VII. 199 S. M. 3.00. — 430) X J. Fröbol, E. Lebens-
lauf. Aufzeichnungen, Erimieruncen u. Bekenntnisse. 2. Bd. Stuttgart, Cott.i. Vlll. 704 S. »I. 12.00. ![DLZ. 12, S. 1277;
Grenzb. IV, S. 511.]: — 431) X Klaus Groth, Lebeuserinnorungen, [her. v. Eugen Wolff.] (— Schriften f. deatseh«
Litt. u. Kunst. 2.) Kiel. Lipsius & Tischcr. 12". 125 .S. ra. Portrait. M. 3,00. - 432) X C. Th. Hermann, ErinnemiiKeii
1&04— 37: BaltMschr. 38, S. 1—23, 81-93. — 433) X F. Dahn, Eiinnerungon. 2. Buch. D. l'niversiutsieit. Leipiig,
Breitkoif & Ilartel. 028 S. M. 10,00. — 434) Rembmndt als Erzieher. Von e. Deutschen. 2«.— 35. Aufl. Leipzig. IlirMbfeM.
VII, 329 S. M. 2,0\ — 435) X ^Est Est Est*. Randbemerkungen zu ,Rembrandt aU Erzieher* t. e. niederdtsch. Bauern.
■I.— 7. Aufl. Dresden, Pierson. 49 S. M. 0,75. — 436) X A. Barino. Lo biUn intellei tuelle de rAllemagno dapri-s an Alle-
mand: RPL. ü. — 436a) X M. Bewer, Rembrandt und Bi-mirck. Dresden, Druckeroi Olöss. 78 S. II. 1.00. —
436b) X D. heimliche Kaiser oder d. D-mpfbau oder d. wildgewordene Bliemchenkaffee. UnhcimL Ocheimni!» .Rembrandt» aU
Erzieher" entlitlUt v. e. begeisterton Zögling. 2. Aufl. Stuttgart, Deutsche VerI»gsan8t*It. 23 S. M. 0,40. — 436c) X
Uobor Rembrandt als Erzieher vun einem Erzieher. Leipzig, Zangenberg k Himly. M. 0,75. — 437i X A. Hermann,
Neue Schriften zu „Herabrandt als Erzieher": BLU. S. 193 5. — 438) X id-. Rembrandl-Nnchkltnge : ib. S. 472. - 439) X
Rembrandt als Erzieher. Z. 37. Aufl. noch einmal: HPBll. 108. S. 9{X)-10. — 440) X Rembrandt als Erzieher: MKL. IS.
S. 779-80. — 441) X A. Baumgartnor S. J., Rembrandt als Erzieher: StML 40. S. SO— lOL — 442) X Offener Brief an
d. Vf. V. „Rembrandt als Erzieher". Von e. deutschen Frau: BLU. S. 289—91. — 443) B. Carnori. D. moderne Mensch.
Vorsuche «bor Lebensführung. 2. Aufl. Bonn. Stniuss. XV, 186 S. M. 4,(0. [B. M Um: AZg». N. 55; LCBI. 189.', .S 174 ;
Grenzb. I, S. r.27.]| — 444) Ueber d. Beifall u. d. Zeichen d. Missfallens im Theater: Signale N. 45. — 445) M. M. A. SchrOer.
Ueber Erziehung, Bildung u. Volksinteresse in Deutschland u. England. Dro-den, Damm. IV, 99 S. M. 1.80. — 44«) 0.
V. Leixner, Z. Reform unserer Volkshtt. Her. im Auftr. d. Vereins f. Volkslitt Berlin, Drcwitx. 30 S. — 447) X
Welche Blicher liest d. Volk am liebsten?: GeselLichatt I, S. 570,7. — 448) X F- A[Tenarius]. Veredelt d. Volksfeute : : Kw.
4, S. 369—71. — 449) P. GOhre, Drei Monate Fabrikarbeiter u. Qandwerksbursche. B. prakt. Studi«. Leipxig. Grunow.
1 5: 450-459. G. Steinhausen, Kulturgeschichte. 102
gung, unserem „Volk" grössere Aufmerksamkeit zu schenken, hängt andererseits wieder
mit einer Zeitströmung zusammen, die in unser Volkstum sich liebevoll zu vertiefen
sucht — ich erinnere an die Pflege der „Volkskunde" — und diese wieder mit dem
nationalen Geist unserer Tage. Auf die Hebung des Nationalgefühls dringt heute eine
starke Bewegung, die sich auch in litterarischen Produkten ablagert. Der „Rembrandt
als Erzieher" steht zum grossen Teil unter diesem Einfluss. — Ich erwähne noch die
Brochüre „Deutschmanns" ^^o), die ganz verständig ist und namentlich auf die vater-
ländische Erziehung Wert legt.^^i) Zuweilen geberdet sich freilich der Most absurd,
imd die Hoffnung auf einen guten Wein könnte sinken. Es scheint, als ob das Na-
tionalgefühl ^^2) liie und da einen beschränkten Charakter gewinnt: es wird zum Chauvi-
nismus. — Auf übertriebenes Nationalgefühl, daneben aber auf rein wirtschaftliche
Gründe ist auch die starke antisemitische Bewegung der Gegenwart*^^^ zurückzuführen.
Was über dieselbe von bedeutenderen und unbedeutenden Zeitgenossen gedacht wird,
ist von Klopf er 4S*) zusammengestellt. Die Gegner überwiegen. — Am wenigsten ist
in dem Antisemitismus ein christlich-religiöses Moment zu spüren: das hängt mit der
unzweifelhaft irreligiösen oder wenigstens unkirchlichen Denkungsart unserer Zeit zu-
sammen 455). Dass die christlichen Glaubenssätze heutzutage keine selbstverständliche
Wahrheit mehr sind, wird von einem Theologen, von Gott schick 456)^ selbst zugegeben.
G. geht auf die Gründe dieses Umschwungs ein: die Bewegung gegen den Autoritäts-
glauben überhaupt, in der sich das Verlangen der Gegenwart nach eigener persönlicher
TJeberzeugung kundgiebt, die Erkenntnis des gesetzmässigen Zusammenhangs dieser Welt,
in der es keinen Raum für Wunder giebt, die historische Kritik sowie die Ueberzeugung
von der Entwicklung und Relativität sittlicher Anschauung, und skizziert auch die mo-
dernste Welt- und Lebensanschauung, die eine neue Sittlichkeit will und dergleichen
schöne Dinge. 457-408) e^ meint nun, dass diese Situation das Christentum nicht gefährdet,
sondern zu vertiefter Erfassung desselben zwingt. Die augenblickliche Krisis zerstöre
den „einschläfernden Schein der Selbstverständlichkeit des Glaubens und stelle den
Gegensatz seines Gegenstandes zu den natürlichen Wünschen, seinen Charakter
ils befreiende That der sittlichen Person, die Notwendigkeit seiner Begründung
ijtatt auf eine formelle Lehrautorität, vielmehr auf eine schöpferische Geistesmacht ins
hellste Licht". Die tiefere Auffassung, die G. nun im folgenden entwickelt, scheint mir
freilich dem Vorwurf der Ktinstlichkeit nicht entgehen zu können. — Im übrigen be-
weisen alle solche Erscheinungen den gährenden Charakter unserer Zeit. Ist es ein
Zeichen der absterbenden, ist es ein solches einer neu erwachenden Kult\ir? Jedenfalls
ist es misslich, Zukunftsträumen nach Art Bellamys nachzuhängen. Die späteren
Generationen werden dergleichen belächeln, so wie wir heute einen Zukunftsroman
früherer Zeit, der übrigens gründlich vergessen ist und auf den Oehlke*^^) zurück-
kommt, belächeln; es handelt sich um Julius von Voss' „Ini, ein Roman aus dem 21. Jh." —
Am Schlüsse dieses Berichts möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich mich be-
müht habe, die Schriften über neuere deutsche Kulturgeschichte und alles, was von der
allgemeinen Kulturgeschichte unser Gebiet streift, möglichst vollständig zu geben, dass
ich aber andererseits ebenso scharf die Grenzen abzustecken suchte, wo die „Kultur-
geschichte" aufhört und eine andere Wissenschaft anfängt; im nächsten Bericht werde
ich noch kritischer in der Aufnahme sein: nur so wird man sich vor vagem Herumreden
sichern und wirklich nützen können. —
|[Grenzb. II, S. 587; Gesellschalt II, S. 1163/8]| (Auszug. StrassbPost N. 159— 64) — 450) Frie dlieb D eutsehraann
(Pseudonym), Deuts he Eigenart, deutsches NationalgefUhl, deutscher Patriotismus. E. Zeit- u. Zukunftsbild. Hannover,
C. Meyer. Ö9 S. SI. 0,60. — 451) X 0. Sieroka, D. Vaterländisdi-Erziehliche in Heinrich von Kleists „Prinzen Friedrich
von Homburg". JB. d. Gyran. AUenstein. Alienstein, Harich. 40. 8 S. (Vgl. u. IV 4.) — 452) X K. Brukner , Deutsche
Welt- u. Lebensanschauung. PegiUndet d. d. Versuch e. neuen Lehre v. d siitl. Erscheinungen. Berlin, Reinecke. 95 S.
M. 1,50 — 453j X Gurt Müller, Juden, e. nationales u. sociales Elend. Kulturgesch,- u. national-ökouom. Studie. Leipzig,
liouraan. 32 S. M. 0,50. — 454) E. Klopfer, Z. Judenfrage. Zeitgenöss. Originalaus-prliche. München, J. F. Lehmann.
63 S. M. 1,00. — 455) X A. M. Weiss 0. Pr , Apologie d. Christentums v. Standpunkte d. Sitte u. Kultur. 2. Aufl. 3. Bd.
Natur u. Uebernatur 2 Tle. Freiburg, Herder. X, IX, 1192 S. M. 8,40. - 456) J. G o ttsehick, D. Verhältnis d. christl.
Glaubens z. modernen Geistesleben. Akad. Eede, Giessen. Giesseu, v. MUuchow. 4". 32 S. — 457) X J- Hart, Alte u. neu»
Sittlichkeit: FrB. 2, S. 785/9, 8G3/6. — 458) X L. Kühl enb eck, Reform d. Ehe. Philos., kulturgesch. u. naturrechtl.
Randbemerkungen z. 6. Gibot. Leipzig, Rauert & Kocco. III, 136 S. M 2,00. — 459) A. Oohlke, E. deutscher Vorg«uger
Bellamys: Didaskalia N. 19. —
103 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtawesens. I ö,
1,6
Geschichte des Unterrichtswesens.
Karl Kehrbach.
OeBchichtn der PMdiiK<'K' k : fifiBamtdar»t«llung«n N. I. — IHufUclj« Er«l«bong, Prinuoorxi«bonK N. 9. —
Methodik einzelner F»«»ier N. lOii. — Einzelne PersOnlichkoi ten: Thnomtiker: llUr« Zeit N. 17; riiiUiitbropini)iU>n
N. 21; katholischn rildiiKogon N. 24; PosUlo/ziü Zeitgenossen N. 20; Herbart N. 32; Dle»f«rweK' N- 38. — Hchulmanoor:
Sachsen (Königreich und Provinz) N. 65; Tlillringon N. 71; Hesxen N. SO; Khi'ingognnden, Württemberg, Bayern N. 88;
Schlosion N. 04; Poson, Prcu-fsen, Poinmorn, BIncklonhurg N. 09; Uerlin N. 10:«; Brunaxchwoig. WoHlfalon N. 106; Haniteatldt«
N. 109; Aiislaml N. 113. — Frounde dos Schiilwosons N. 118. - U n terrich tsanDtal tcn: Urkundnn: üniv(»rnitit*n und
AkadomiPu N. 122. — Schulen N. 128. - Diirstollungnn : UnIvorHitftton and Akademien: Allgam'^iiie'i N. 152; einzelne An-
stalten N. 155. — Schulen: prössere Bezirke N. 108; oinznloo Anstalten N. 182.— Verschiedenes: Schulkumtdie N.221.—
Siiiele und Feste N. 227. — Schulmllnzen N. 231. — Fratornitaii scholarium N. 232. —
Litteratur und Erziehung — wer könnte ihre innigen Wechselbeziehungen
leugnen, Beziehungen, die nicht nur darin bestehen, dass die Litteratur einen
wichtigen Unterriclitsgegenstand bedeutet. Was wir an dieser Stelle viel mehr her-
vorheben müssen, ist die Thatsache, dass, wie einzelne Bestrebungen im Unterricht sich als
Niederschläge litterarischer Strömungen einer Epoche darstellen, andererseits diese Strö-
mungen wiederum die notwendige Eolge von Unterricht und Erziehung sind. Und auch
da, wo die Greschichte von dem Einfluss einzelner litterarischer Persönlichkeiten auf Unter-
richt und Erziehung berichtet, wie von dem eines Herder, Goethe, Schiller usw., wird man
wiederum andererseits manche ihrer Charaktereigentümhchkeiten, manche Betliätigung ihres
Genius nur erklären können aus den Grundsätzen, der Art und Weise sowie aus den
Stoffen des empfangenen Unterrichts. Es wird somit auf eine ganze Reihe von Fragen,
die innerhalb der Litteraturgeschichte entstanden sind und noch entstehen werden, eine
befriedigende Antwort erst von der Erziehungs- und Schulgeschichte gegeben werden
können. Um freilich alle die Beziehungen, die zwischen den beiden Gebieten obwalten,
zu erkennen, um die Fäden aufzudecken, die hinüber und herüber laufen, sind bis jetzt
unsere Kenntnisse zu mangelhaft. Es lagen und hegen die Schätze, welche die Belehrung
bringen können, vielfach ungehoben. Wohl waren liier und da gute Anfänge gemacht,
guteEunde geglückt und weiteren Kreisen zur Kenntnis mitgeteilt; aber eine planmässige
Durchforschung des Gebietes steht erst zu hoffen, wenn die Bestrebungen der „Gesell-
schaft für deutsche Erziehung luid Schulgeschichte" von Erfolg begleitet sein werden.
Die Gründung dieser Gesellschaft, die bereits auf der Philologenversammlung zu Zürich
im Jahre 18b8 auf AI. Reifferscheids Antrag hin beschlossen worden war, ist am
14. Dezember 1890 in Berlin geschehen. Die Gesellschaft erstrebt eine möglichst voll-
ständige Sammlung, kritische Sichtung und wissenschaftliche "Veröffentlichung des in
Archiven und Bibliotheken zerstreutfen Materials, soweit es auf die Erziehungs- und Schul-
geschichte in den Ländern deutscher Zunge Bezug hat. Sie legt ilire Arbeiten in den
Monumenta Germaniae Paedagogica (1890 I 6 : 55, 58) nieder und in ihren „Mitteilungen".
Aus ihren Satzungen geht hervor, dass ihre Bestrebungen sich decken mit dem Ziele,
welches die Monumenta sich gestellt hatten (vgl. Kehrbach, Kurzgefasster Plan der
MGP. Berlin 1884). Da sie über mehr Mittel und Kräfte als ein einzelner Herausgeber
verfügt lind somit Einrichtungen treffen kjinn, die den sicheren Fortgang der Arbeit
gewährleisten, so darf sie hoffen, diese Aufgabe besser zu lösen. — Von den „Mitteilungen"
ist im Berichtsjahre der erste Band erschienen, auf den wir weiter unten mehrfach zu
sprechen kommen werden und dessen reicher Lihalt aus dem beigefügten, nach Art
eines Repertoriums angelegten Namen- und Sachregister zu erkennen ist. Das Register
wird hier, wie bei den MGP., als integrierender Teil der Veröffentlichungen aufgefa.«58t,
es bietet den Gesamtinhalt der Veröffentlichungen in krvstalüsierter Form
gleichsam von neuem dai-, gruppiert die Menge vereinzelter Thatsachen, über die man
in den Urkunden nur zu leicht hinwegliest, übersichtlich unter Stichworte, bringt da-
durch diese Thatsachen in einen höhereu Zusammenhang und verstärkt auf diese Wei.s6
das Interesse des Lesers ganz erheblich. Ja, ein solches Register ist selbst imstande,
dem Fachmanne neue und wichtige Gesichtspunkte, die er vorher nicht kannte, darzu-
bieten. Ein wie weites Gebiet der Inhalt der „Mitteilungen" umspannt, lässt schon ein
oberflächliches Durchblättern sofort erkennen. Nicht nur ftlr Erziehung und Unterricht,
sondern auch für alle den Schulwissenschaften entsprechenden Fachwissenschaften und
selbst für ferner stehende Wissensgebiete fallt reiches Material ab. Wenn scheinbar
ganz unbedeutende Dokumente in den „Mitteilungen" abgedruckt worden sind, so ist es
I 6: 1-9. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. 104
unter der Voraussetzung geschehen, dass auch das Unbedeutendste ein wiclitiges Glied
in der Kette einer wissenschaftlichen Beweisführung bilden kann. Leider hat man in
der Geschichte der Pädagogik bis jetzt nur zu sehr die Haupt- und Staatsaktionen oder
die Thaten und Gedanken einzelner dargestellt, welche liäufig keine oder nur geringe
Spuren lebendiger Wirkung im deutschen Volkstum zurückgelassen haben. Auf den
Durchschnitt der Menschen, die Beschaffenlieit der grossen Masse ist viel zu wenig
Rücksicht genommen worden. Fährt die Gesellschaft fort in dem Darbieten von mög-
lichst vielen Einzelfällen, gestattet sie dadurch in Zukunft, die auf dem Gebiete der
Geschichte der Erziehung und des Unterrichts bisher so stark vernachlässigten Massen-
beobachtungen zu machen, so wird auch die Geschichte der Pädagogik das Ziel, welches
ßanke der Geschichte überhaupt stellt, „bloss zu zeigen, wie es eigentlich gewesen", in
absehbarer Zeit erreiclien können, vorausgesetzt natürlich, dass die Historiker der Päda-
gogik, um mit Schiller zu reden, den Gegenständen erlauben, sich gegen sie „herein-
zubewegen", und nicht „mit unruhig vorgreifender Vernunft gegen sie herausstreben". —
Ebenso wie im vorigen liegen auch in diesem Jahre neue Gesamtdarstel-
lungen der Geschichte der Pädagogik nicht vor. Wohl aber sind die verdienst-
lichen Werke J. Ch. G. Schumanns 1-2) in neuen und verbesserten Auflagen erschienen:
das Lehrbuch in der neunten, der Leitfaden in der sechsten. Obwohl beide Schriften
zunächst nur den praktischen Bedürfnissen des Unterrichts in der Geschichte der Päda-
gogik an den Seminarien dienen sollen, so sind doch beide, besonders das umfangreichere
Lehrbuch mit seinen den einzelnen Abschnitten beigegebenen, geschickt ausgewählten
Litteraturnachweisen, dazu geeignet, dem Lehrer, der das im Seminarunterrichte Er-
worbene befestigen und erweitern will, ein guter Wegweiser zu sein. Der Leitfaden,
der den Lihalt des Lehrbuches kürzer zusammenfasst, soll an dessen Stelle treten, wenn
wegen beschränkter Zeit das Lehrbuch nicht völlig bewältigt werden kann. Aber auch
wenn nur der Leitfaden von den Zöglingen der Seminarien durchgearbeitet worden ist, so
sind doch an sie höhere Anforderungen in der Kenntnis der Geschichte der Erziehung
und des Unterrichts gestellt worden, als sie in den Prüfungen für das höhere Schulamt
auf diesem Gebiete von den Kandidaten verlangt werden. — Auch die „Schule der Päda-
gogik" von Dittes 3) und das„Lehrbuch der Geschichte der Pädagogik" von H. Schiller^^)
sind neu aufgelegt worden. — Seine Tabellen zur Geschichte der Pädagogik, die in
zweiter Auflage vorliegen, will E. Förster *) lediglich als ein Wiederholungsbuch an-
gesehen wissen, „dessen Inhalt sich wohl als geeignet erweisen dürfte, den Besitz der
im Unterrichte erworbenen Kenntnisse zu sichern". Wir leben leider in der Zeit
der Repetitorien, einer notwendigen Folge der vielen Examina. Viele dieser Arbeiten
würden ausser ihrem banausischen noch ein höheres Ziel erreichen, wenn sie die F.schen
Tabellen sich zum Vorbilde nähmen. — Repetitorien der Geschichte der Pädagogik für
den praktischen Gebrauch der Seminaristen und angehenden Lehrer sind von Apel 5)
und Kloepperß) verfasst. — Volkmer '') bereichert seinen Ueberblick über die Ge-
schichte der Methodik durch einen Anhang, der eine kurze Geschichte der Methodik
aller in der Volksschule betriebenen Unterrichtsfächer enthält. — Nachzutragen ist aus
dem vorigen Jahre, dass das einen Auszug aus dem Kehrein-Kayserschen Werke (1890
16:2) bildende, für Seminaristen der untersten Klasse berechnete „Handbüchlein" von
Funke 8) unter anderem Titel seine zweite Auflage erlebt hat. — Eine historische Skizze
der Bildungsideale der Deutschen im Schulwesen seit der Renaissance giebt Hern an ^a), —
Quellenschriften zur Geschichte des Unterrichts und der Erziehung bei den deutschen
Juden von den ältesten Zeiten bis auf Mendelssohn hat Güdemann^b) heraus-
gegeben. —
G. Stephans ^) Werk über die häusliche Erziehung, das ausser für die
Pädagogen besonders für die Kulturhistoriker von grossem Werte ist, dürfte berufen
I) J. eil. G. Schumann, Lehrbuch d. Pädagogik. 1. Teil. Einl. in d. Gesch. d. Padag. mit MusterstUcken aus
d.'padag. Meisterwerken d. verschied. Zeiten. 9. verb. u. vermehrte Aufl. (= Padag. Bibl. 1. Bd.) Hannover, C. Bleyer.
XIV, 508 S. M. 4,50. - 2) id., Leitfaden d. Päd. f. d. Unterr. in Lehrerbildungsanstalten. 2. Teil. Gesch. d. Päd. 6. venn.
u. verb. Anfl. (= Pädag. Bibl. 4. Bd.) ebda. VIII, 307 S. M. 3,00. - 3) F. D i tt es, Schule d. Päd. Gesamtausg. d. PsychoL
u. Logik, Erzieh.- u. Uuterr.-Lehre, Methodik d. Volksschule, Gesch. d. Erzieh.- u. d. Unterr. 4. Aufl. Leipzig-Wien, Klink-
hardt. XXVI, 1051 S. M. 7,00. |[PrLehrerZg. LBl. N. 5; JBHSW. 2, S. 42.]] — 3a) O U- Schiller,
LelirbucU d. Gesch. d. Päd. 2. Aufl. Leipzig, Keisland. V, 392 S. M. 6,60. — 4) £. Förster, Tabellen z. Gesch. d. Pild
ft*.r d. Seminar- u. Selbstunterricht bearb. 2. Aufl. Strassburg, Schmidts Univ. Buchh. YIII, 83 S. M. 1,60. j[WcgwPadLitt.
18, S.. 51; SchwoizLehrerZg. N. 3; LMorkur N. 22; AnzNeuostPadLN. N. 4; PädJB. 1892; WUrttembSchulWBl. 44, N. 2;
SchulZg. N. 85.]| — 5) 0. Apel, Kepot. d. Gesch. d. Päd. Mindon, Marowsky. III, 52 S. M. 0,70. - 6) K. Klöppor, Repct.
d. GesclL d. Päd. v. d. ältesten Zeiten bis auf d. Gegenw. 4. Aufl. Bostock, Werther. VIII, 183 S. M. 2,00. - 7) F. Volkmer,
Grundriss d. VolksscLul-Pudagogik in Ubersichtl. Darst. 1. Bd.: Gesch. d. Erzieh, u. d. Unterr. Habelschwerdt, Franko.
230 S. M.'.2,00. — 8) C. A. Funke, GrundzUge d. Gesch. d. Päd. 2. Aufl. d. HaiidbUchleins. (Nach d. Überblick d. Gösch
d. Erz. u. d. Unterr. v. Kohroin-Kay ser.) Paderborn, Scboningh. 1890. 142 S. M. 1,00. — 8a) O C F. Heman, D.
Bildungsideale d. Deutschen im Schulwesen seit d. Renaissance. E. hist. Skizze zu prakt. Zwecken. Basel, Koich. VII, 88 S.
M. 1,20. —_8b) O M. GUdemann, Quellenschriften z. Gesch. d. Unterr. u. d. Erziehung bei d. deutschon Juden. V. d. ältesten
Ziilen bis auf Mendelssohn. Benin, Uofmann & Co. XXXII, 324 S. M. 12,00. - 9) G. Stephan , D. häusliche Erz. in
lOr) K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesen«. I 6: lo-i«.
sein, eine Lücke in unserer Kenntnis des heimatlichen ErziehungswoMons auszufallen.
Der KulturhiHtorikor K. Biedermann, der es eingeleitet hat, hebt mit llecht „Um-
sicht, GrCnulliclikoit und öadikcnntnis" hervor; das boigegebene Littcraturverzcichnis
f^iel>t einen doutliclien Beleg f(ir den grossen Fleiss dos Vf. Nachdem er einleitend
im allgemeinen über die Beschaffenheit der hüuslichon Erziehung gehandelt, spricht er
nbcr die körperliche, geistige und sittliche Ausbildung und erörtert in einem Schluss-
kai)itel das Verhältnis zwischen Privat- und Schulerziehung und die Stellung des Hauses
zur Schule. — Als Ergänzung eines früheren Aufsatzes (JBL. 18(K)I 0 : 53) liefert Friedr.
Schmidt 10) Mitteilungen über Prinzenerziehung in der Kuqifälzischen, Neuburgischen
und Sixlzbachischon Linie. —
Einige Arbeiten beziehen sich auf die Methodik einzelner Fächer. Wichtig
für die Geschichte des Elementaruntenichts auch noch im 15. Jh. ist ein Aufsatz von
E. Voigt lOa) über das erste Lesebuch des Triviums, das in den Kloster- und Stift«-
schuleh des Mittelalters und auch noch in der Uebergangszeit, mit der die JBL. oin-
sotzen, gebraucht wurde. Das Droigestirn Cato, Aesop und Aviun bilden seinen Ldmlt.
Die kleinen Sprüche und Fabeln, die diese Autoren gewährten, eignen sich ganz besonders
zur Einübung von Grammatik und Sprachschatz, von Prosodie und Metrik. An ihnen
lernte man konstruieren und skandieren, besass man eine ergiebige Fundgnd>e vonUebungs-
beispielen. Aber nicht nur das: sie boten daneben „einen reichen Schatz von Regeln der
Sittenlehre und vor allem der Lebensklugheit und Weltweisheit, der auch auf die
Charakterbildung und die ganze Lebensauffassung einen weitreichenden Einfluss aus-
üben musste". V. tritt in seinen vorzüglichen Erörterungen in Hinblick auf die viel-
iachen Gestaltungen, die das Ti'iviallosebuch angenommen hatte, auch dem Vorurteil
entgegen, als ob ein Stillstand auf dem methodischen Gebiete im Mittelalter vor-
heiTschend gewesen wäre. — Zwei bisher unbekannte alte ABCbücher bespricht
H. Fe ebner 11). Das eine, mit dem Titel „Teütsche Kinder Tafel" ist im Jahre 1534 in
Nürnberg bei J. Gutknecht gedruckt; das andere „Buchstaben- und Lesebuch 1787" hat
keinen geringereu als Herder zum Verfasser. — Einen Beitrag zur Methodik des Ge-
schichtsunterrichts im 17. Jh. giebt Aron i-) durch seine Besprechung des vom Lfine-
burgor Eektor Buno (1617 — 1697) veröffentlichten Buches „Historische Bilder, Darinnen
idea liistoriae universalis". Das mit 21 Bildertafeln ausgestattete Werk sollte durch mnemo-
technische Hilfsmittel der Jugend das Erlernen der geschichtlichen Thatsachen erleichteni.
(vgl. III 5: 12/3.) — Vogelreuter 13) hat sich ein Ziel gesetzt, dessen Erreichung Dank
verdiente: er will eine Geschichte des griechischen Unterrichts schreiben, in der die Fragen
nach den verschiedenen Graden der Wertschätzung des Faches sowie der verschiedenen
Methoden und Tendenzen erörtert werden soUen. Aus dem Umstände, dass seine Dar-
stellung fast ausschliesslich auf den unzulänglichen Mitteilungen Schmidts und Raumers
beruht, wird jeder, der sich mit der Geschichte der Methodik beschäftigt hat, erkennen,
dass seine Arbeit billigen Ansprüchen nicht genügt. — Den Versuch, die Entwicklung
der Rechenkunst von den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag zur Dai-stellung zu
bringen, macht Sterner !•*). Von der prähistorischen Zeit ausgehend, giebt er eine
Schilderung des Rechnens bei den alten Kulturvölkern, denen er gleich die Araber an-
schliesst, und behandelt dann in einem zweiten Abschnitte die Reclienkun.st im christ-
lichen Abendlande. Das ganze Werk ist als der erste Teil einer prinzipiellen Darstel-
lung des Rechenunterrichts auf historischer Grundlage gedacht. — Von Kehrs Geschichte
der Methodik des deutschen Volksschulunterrichts ist der fünfte Band, „Geschichte der
Methodik des Turnunterrichts", bearbeitet von Euleri^), in zweiter Auflage erscliienen.
In der neuen Bearbeitung ist in noch weit höherem Grade als in der ersten die Ge-
schichte des Turnunterrichts aus dem Rahmen der eigentlichen Aufgabe herausgetreten,
da sie sich auf die Leibesübungen fiberhaupt nach ihrer erziehlichen Seite hin erstreckt
und nicht nur das Turnen in der Volksschule, sondern das gesamte Schulturnen um-
fasst. Von allen den Männern, welche für die Geschichte und die Entwicklung des
Turnens von Bedeutung sind, ist ein kurzes Lebensbild entworfen, in dem zugleich
auch ihrer litterarischen Tliätigkeit gedacht wii-d. Die Geschichte des Turnens iu
Preussen ist bis zur unmittelbaren Gegenwart fortgefülirt. Alle sich auf das Tumwesen
beziehenden Kiuidgebungen der Behörden sind sorgfaltig berücksichtigt, die Tum-
prüfungsordnungen werden wörtlich mitgeteilt. Auch die in neuester Zeit her\'or-
Deutschland wHlirond d. 18. Jh. Wiesbaden, Berginann. Will, 102 S. M. 3,00. — 10) Friedrieb Scknidt, Z. tieseh. d.
Erz. n. d. üntBrr. im Wittelsbacb. Regentenhaus: MGESchG. 1, S. 17—31. — lOl) E. Voigt, D. erste Lesebuch d. Tririama
in d. Klo&ter- u. Stiftsseliulen d. Mittelaitors (11. ,'5. Jh.): ib. S. 42—53. — II) H. Fechner, Zwei alt« ABCbllcher: ib. S. 92 5.
— 12) Aron, Z. Methodik d. Geschichts-Unterriebts. (= Aus päd. Kibliothcken.): ib. S. 97—102. — 13) O. VoKelreoter,
Gösch, d. griech. Unterrichts in dtsch. Schulen »eit d. Reform. Hannover, C. Meyer. 67 S. M. 1.20. — 14) M. .Sterner«
Prinzipielle Darstellung d. Rcchenuntcrr. auf bist. Grundl. 1. Gosch. d. Rechenkunst. Uflnrhen, Oldenbonrg. VIII, 533 S
M. 0,00. — 15) K. Euler, Gesch. d. Turnunterr. (= Kehr, Methodik d. dtjtch. Volkssohulunterr. 2, Aufl. Bd. 5.) Gotkm,
Thienemann. XXIII, 520 S. M. 6,00. — 16) 0. Schneider, D. gesch. Entwickl. d. pld. Ansichten Ober KOrper- n. Charskter-
I 6: 17-24. K. Kehr back, Geschichte des Unterrichtswesens. 106
getretenen Bestrebungen zur Pflege der körperlichen Erziehung durch Turn- und Jugend-
spiele finden eingehende Berücksichtigung. DasTurnen in den übrigen Staaten Deutschlands,
in der ersten Auflage nur kurz berührt, wird in Einzeldarstellungen ausführlich
geschildert. — Erwähnt seien an dieser Stelle auch die kurzen Bemerkungen
0. Schneiders 16) über die geschichtliche Entwicklung der pädagogischen Ansichten
von Körper- und Charakterbildung. —
Gross ist die Zahl einzelner Persönlichkeiten aus der Geschichte unseres
Faches, denen im Berichtsjahr specielle Beachtung zu teil geworden ist. Voran stehen
natürlich die Theoretiker. Am w^enigsten ist über Vertreter der älteren Zeit hier
anzuführen : die Berichterstattung über die Comenius betreifenden Arbeiten von
A, Richter 1'') und Nebe^^) sei für den nächsten Jahresbericht aufgespart. Dort sollen
sie im Verein mit der aus Veranlassung des Comeniusjubiläums inis bescherten Comenius-
litteratur besprochen w^erden.^^) — Gänsen 2^) gab A. H. Eranckes wichtigste pädago-
gische Schriften mit einer Einleitimg neu heraus. Es sind ausser dem „Kurzen und ein-
fältigen Unterricht, wie die Kinder zur wahren Gottseligkeit anzuführen sind", die drei
Abhandlungen „Was von den Lehrern zu beachten", „Anweisung für die Lehrer, was
sie bei der Zucht wohl zu beachten" und „Von der Erziehung der Jugend". Da, wie
G. in der Einleitung selbst voraussetzt, diese Schriften kaum zum Gegenstand einer
schulgemässen Behandlung gemacht werden dürften, also für die Fachmänner und den
weiteren Kreis der Gebildeten berechnet sind, so liegt auch gar kein Grund vor, statt
der un erlässlichen wortgetreuen Wiedergabe eine Art von „Uebersetzung" zu liefern. —
Nachdem von der Litteraturgeschichte die schriftstellerischen Verdienste Rabeners, „des
deutschen Swift", von neuem anerkannt worden, versucht Th. Vetter 2i) nun auch eine
pädagogische Würdigung des Mannes anzustreben. Manche von Rabeners Vorschlägen
für die Reform des Sprachunterrichts, des Geschichtsunterrichts, der die Geschichte des
Vaterlandes in erster Linie betonen soll, für die Hebung des Lehrerstandes, sind in der
neuesten Zeit wiederholt worden — einer von den vielen Belegen für den Mangel an
Kontinuität, der auf dem Gebiete der Geschichte des deutschen Erziohungswesens
herrscht. —
Li den Kreis der Philanthropinisten führt uns die Frage nach der Abhängig-
keit Basedows von Rousseau, die Gössgen 22) in grosser Ausführlichkeit übersichtlich
dargestellt hat. Pinloche hatte (JBL. 1890 I 6 : 15) den Versuch gemacht, an dieStelle eines
Einflusses Rousseaus auf Basedow die Abhängigkeit Basedows von Comenius, Locke
und La Chatolais nachzuweisen, G. Schmidt (ib. 16) wenigstens auf eine ältere Beein-
flussung Basedows durch Heyne und die Neuhumanisten hingedeutet. Demgegenüber
will G. die frühere Annahme, dass der Philanthropinismus Bfisedows ein Erzeiignis
Rousseauschen Geistes sei, durch neue Beweise stützen und in ihr Recht wieder ein-
setzen: „denn dass diese Annahme von der Beeinflussung Basedows durch Rousseau
nicht genügend erwiesen worden, zeigen eben jene Angriffe, und darin bestand das Recht
und der Wert derselben". Das Ergebnis der überzeugenden Auseinandersetzungen G.s
ist, dass zwar nicht alle Rousseauschen Ideen im Basedowschen Philanthropinismus zur
Verwirklichung gekommen sind, dass aber im ganzen die von Basedow praktisch aus-
geübte Pädagogik die Rousseavische gewesen ist. — Der Philanthropinismus, seine Ver-
dienste und Verirrungen werden in einer kürzeren Arbeit^^) besprochen. — Unter den
zahlreichen teils günstigen, teils ungünstigen Berichten über die grosse Prüfung am
Philanthropin (1776) ist die Schrift von Schummel am bekanntesten geworden, der sich
trotz seiner unverkennbaren Sympathien für die philanthropinistischen Bestrebungen ein
nüchternes und unbefangenes Urteil bewahrt hat. Die Schrift, die von den Philanthropen
selbst für eine zuverlässige Quelle gehalten wui-de, liegt der Darstellung in vielen päda-
gogischen Lehrbüchern zu Grunde, und schon daraus rechtfertigt es sich, dass
Alb. Richter 24) einen Neudruck veranstaltet hat. Um dem Leser eine selbständigere
Beurteilung zu ermöglichen, hat R. die „Authentischen Nachrichten" Rochows in dem-
selben Heft zum Abdruck gebracht und vielfach in den Anmerkungen die Urteile Sti'oths,
Rötgers nnd Nietzolds angeführt. —
Grössere Arbeiten gelten katholischen Pädagogen jener Zeit. Mit der
Ausgabe der pädagogischen Schriften Franz v. Fürstenbergs hat Esch25) die Verdienste
eines Mannes uns wieder nähergerückt, den man bisher besonders in den Geschichts-
bildung. JB. a. Grossh. Bealsch. Oppenheim, TraumUller. 8 S. — 17) Alb. Richter, J. A. Comenius' Muttersch nie. Mit
e. Einleitung her. (= Neudrucke päd. Schriften, her. v. A.Richter.) 8. Leipzig, R. Richter. 86 S. M. 0,80 — 18) A. Nebe,
Vives, Aisted, Comenius in ihrem Verhallnis zu einander. Progr. d. Gymn. Elberfeld, Lucas. 4«. 35 S. — 19) (III 5: 12, 13.)
— 20) A. H. Franckes wichtigste päd. Schriftoii. N'iu her. u, mit einer Eiul. ver.^. v. J. Gänsen. (— Samml. bedeut. püd.
Schriften. Ud. 8.) Paderborn, Schöningb. 147 S. M. 1,00. - 21) R. Vetter, Raboner als Padagog. Beitr. z. Päd. d. 18. Jh.:
PttdBU. 20, S. 105—10. — 22) C. GOssgen, Rousseau u. Basedow. Burg, Hopfer. 118 S. M. 2,00. - 23) O A. E., D. Phil-
anthropinismus, seine Verdienste u. Verirrungen : EvScliulBl. 35, S. 171 — 81. — 24) J. G. Schummel, Fritzens Reise nach Dossmi
n. F. E. T. Roche w, her. v. Alb. Richter. (= Neudr. pttd. Schriften, her. v. A. Richter. Bd. 6.) Leipzig, R. Richter.
107 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. I 6: 2S-29.
werken der Pädagogik entweder ganz übergangen oder zu sehr obenhin beliundelt hat.
Die Reform des gesamten Schulwesens, des höheren wie des niederen, war die Aufgabe
seines Lebens, zu deren Lösung er alle Kräfte einsetzte und bei der ihm Overberg ein
treuer Genosse war. Eine Ungerechtigkeit ist es, neben Overberg die Verdienste
Fürstenbergs, auf dessen Schultern jener stand, gering zu achton. E. giebt die Werke
vollständiger, als es von Esser geschehen ist; indessen fehlen immer noch einige un-
gedruckte Schriften Fürstenbergs, die sich im Darfolder Archiv befinden und bereit« von
Galland auszugsweise veröffentlicht worden sind. Da die Originale nicht zur Verfügung
gestellt worden sind, so hat E. einen Ersatz durch Heranziehung der Gallandschen Mit-
teilungen geboten. Die abgedruckten Urkunden erstrecken sich Über den Zeitraum von
177() — 18t)4; sie beginnen mit der Schulordniuig des Hochstifts Münster vom Jahre 177«»
und sohliessen mit einem Berichte an die Preussische Regierung über die Leliranstalten
des Münsterlandes. Wenn Fürstenberg in der Schulordnung von 177« den Lehrern ans
Herz legt, den Schülern Festigkeit im Gebrauche der Muttersprache beizubringen, sie
lieim Übersetzen aus dem Lateinischen vor Latinismen zu bewahren, sie mit den besten
Produkten des dichterischen Genies in den voi'züglichsten Arten der Dichtkunst bekannt
zu machen , Dichtungen aus dem Griechischen und Lateinischen ins Deutsche übersetzen
und hernach mit dem Gedichte vergleichen zu lassen usw., damit sie die Eigenheiten des
poetischen und prosaischen Stiles unterscheiden lernen, so sind das Forderungen, die in
jener Zeit selten aufgestellt sind. Die der Ausgabe der Texte vorausgehenden zwei
grösseren Abschnitte, deren erster, allgemeiner eine Charakteristik des Zeitalters
Fürstenbergs, des Jh. der Autklärung, des Despotismus und der pädagogischen Refonn-
versuche darbietet, deren zweiter über die innere und äussere Entwicklung Fürstenbergs
unterrichtet, beruhen auf umfangreichen Studien und fesseln den Leser diu-ch die wohl-
thuende Wäime, mit der sie geschrieben sind. — Sailers Erstlingswerk „Über die
wichtigste Pflicht der Eltern in der Erziehung ihrer Kinder" entreisst L. Kellner^«)
durch seine Ausgabe einer unverdienten Vergessenheit und erwirbt sich dadurch den
Dank aller derer, die der Meinung sind, dass pädagogische Dokumente mindestens
ebensoviel Wert haben wie Urkunden z. B. der politischen Geschichte, der Litteratur
und anderer historischer Fächer; wir sind ganz damit einverstanden, wenn K. diese
Gleichberechtigung grundsätzlich betont. Für eine neue Ausgabe dieser Schrift würde
es sich empfehlen, den kurzen Abriss von Sailers Leben, den K. in der Eiideitung giebt,
zu erweitern. Und wenn dabei S. 8 die Anmerkung über Kant und Lessing wegfällt,
so wird dadurch für viele der Wert des Werkes erhöht werden. —
Ein Bild des Lebens Isaac Iselins, Ratsschreibers in Basel (1728 — 1782), entwirft
K. Wieland27) gelegentlich der Enthüllung seines Denkmals. Iselin, ein eifriger
Kämpfer für die geistige Hebung und materielle Wohlfahrt seiner Mitbürger, hat sich
auch um die Verbesserung des heimischen Schulwesens mannigfache Verdienste er-
worben. Das Ziel seiner erzieherischen Bestrebungen war, Geist und Gemüt der Jugend
zu bilden und in allen Scliichten der Bevölkerung nützliche Kenntnisse zu verbreiten;
auf die körperliche Ausbildung legte er hohen Wert. Er war einer der ersten unter
Pestalozzis Zeitgenossen, der dessen Bedeutung für das Erziehungswesen richtig
zu würdigen verstand; thatkräftig unterstützte er ihn zu einer Zeit, da alle an ihm irre
wurden. Ebenso war er bemüht, den Ideen und Schriften Basedows in der Schweiz
Eingang zu verschaffen, dessen geistigem Wesen er sich sehr verwandt ftihlte. —
Johann Schulthess (1763—1836) von Zürich, „der begeisterte Freund Pestalozzis, der
unentwegte Vorkämpfer Peötalozzischer Schulreform im Kanton Zürich" hat in Hunziker^«)
einen begeisterten Biographen gefunden. Schulthess war in seinem Heimatsorte seit
1787 Professor des Hebräischen, 1796 der alten Sprachen, 1816 der Theologie. Seine
Thätigkeit als akademischer Lehrer und als theologischer Schriftsteller ist ohne Zweifel
über die Grenzen seines Kantons hinausgedrungen, trotzdem aber hätte sich H. im
Rahmen der ADB. bei der Besprechung seines Helden engere Grenzen ziehen sollen. —
Die schon oft dargestellte Bedeutung Herders für Unterricht und Erziehung ward von
Kötz29) von neuem und in glücklicher Anordnung geschildert. Nachdem er einleitend
Nachrichten über Herders Bildungsgang gegeben, bespricht er dessen Lehrthätigkeit in
Königsberg, Riga, Bückeburg, Weimar, und seine Bemühungen um die Hebung besonders
der weimarischen Schulen. Aus den sämtlichen Werken werden dann Herders pädago-
gische Anschaumigen in übersichtlicher Gnippierung vorgeführt. Hoch stellte Herder
die Kenntnis der Muttersprache, sie ist ihm „der Leitfaden, ohne den der Geist sich im
76 S. M. 0,80. — 25) J. Esch, Franz t. FOrstonberg. Sein Loben u. seine Schriften. (Bibl. d. kmth. Pld. 4.) Freibnrp.
Herder. XI, 316 S. M. a,00. (S. 67-316.) (Umfang u. Preis beziehen sich auf Bibl. d. kathol. Pldag. 4.. welche aneh
Sailers päd. ErsUingswerk enthalt.) — 26) L. Kellner. J. M. Sailers päd. Erstlingswerk. Neu her. u. mit e. EioL n. Anm.
bogleitet (Tgl. N. 25.) (= Bibl. d. kath. Fad. 4, [S. 1— 5«J.) - 27) K. Wieland , D. Andenken I. Iselins. Z. Feier d. Bot-
hnilung seines Denkmals am 18. Sopt 1801, t. d. Ges. z. BofOrd. d. Outen u. GemeinnOti. in Basel. Festschrift. BaMl, Schwmb».
77 S. M. 1,00. - 28) Hunziker. Joh. Schulthess: ADB. 32, S. 697—700. - 29) T. Kött, D. fld. Bedentang Barden«.
I 6: 30-37. K. Kehrbacli, Geschichte des Uiiterrichtswesens. 108
Labyrinth vieler fremder Sprachen verirrt". Die Litteratvxr hätte in grösserem Masse
herangezogen werden müssen. — Den Heidelberger Theologen F. H. Chr. Schwarz
(17GG — 1837) hat von Weech-'*') mit einer der Bedeutung des Mannes gebührenden
längeren Besprechung bedacht. Schwarz, aixs Giessen gebürtig, wurde 1790 in Dexbach,
1796 in Echzell, 1798 in Münster bei Butzbach Pfarrer, 1804 aber, obgleich Lutheraner,
Professor der Pädagogik und systematischen Theologie an der reformierten, Universität
Heidelberg. Dort hat er mit Creutzer das pädagogisch-philosophische Seminar begründet
lind sich besonders um die Einführung der Union in Baden grosses Verdienst erworben.
Von seinen Schriften kommt hier ausser mannigfachen Arbeiten zur christlichen Ethik
besonders seine erste, der „Grundriss einer Theorie der Mädchenerziehinig in Hinsicht
auf die mittleren Stände" (1792) in Betracht. — Färbers^i) Werk über Eichte gliedert
sich in zwei Teile, in deren erstem der Vf. Eichtes Leben, seine philosophischen und
pädagogischen Lehren, letztere in kritischer Beleuchtung, darstellt; im zweiten Teile
bietet er Abschnitte aus Eichtes Werken. Hier wäre nur zu wünschen gewesen, dass
er Orthographie iind Intei'punktion nicht geändert und bei seinen Aiiszügen aus den
„Reden an die deutsche Nation", wie bei den übrigen, die Ausgabe erster Hand zu
Grunde gelegt hätte. — Li einem Werk über Gi-aser hat sich Wieck^^^ die Aufgabe
gesetzt, Leben und Wirken des Mannes zu schildern, und andernteils weiteren Kreisen
dessen pädagogisches System zur Kenntnis zu bringen, indem er zunächst eine kurze,
systematische Zusammen stelhmg und kritische Beurteilung der pädagogischen Grimd-
lehren Grasers und ihrer Hauptquellen giebt und dann aus Grasers Schriften eine grosse
Zahl von Stellen vorführt. Zu bedauern ist es, dass W. sich vielfache Stilveränderungen
erlaubt: sie können durch die Absicht, den Autor auf diese Weise dem Publikum ver-
ständlicher zu machen, keineswegs entsclmldigt werden. —
Von Kehrbachs 33) Herbartausgabe ist der vierte Band, der noch ausstand,
nachgeliefert worden. Er enthält unter anderm die Lehrbücher zur Einleitung in die
Philosophie und zur Psychologie, von denen die Ausgabe des ersteren dvirch bisher
ungedruckte Zusätze bereichert ist. — Bartholomäis "4) Ausgabe von Herbarts päda-
gogischen Schriften hat Sallwürk zu Ende geführt und mit einem Namen- und Sacli-
register versehen, wodurch die Benutzung wesentlich erleichtert wird. — Eine neue
Ausgabe der pädagogischen Schriften Herbarts von J. J. Wolff^"") will nicht den
historisch-kritischen Standpunkt einnehmen. W. geht von der Voraussetzung aus, dass
dem Einfluss und der Verbreitung der Lehren Herbarts eine übertriebene Bedeutung
beigemessen wird, und betrachtet es als seine Aufgabe, auf die Schwächen der pliilo-
sophischen und pädagogischen Ansichten Herbarts, sowie auf ihren Gegensatz zum
Christentum hinzviweisen. Von diesen Grundsätzen aus hat W. seinem ersten Bande,
der die „Allgemeine Pädagogik" und den „Umriss pädagogischer Vorlesungen" enthält,
freilich ohne bei dem ersteren auf die oben erwähnten Varianten aufmerksam zu machen,
eine auf fleissigem Studium beruhende Einleitung gegeben, die sicli auf eine Charakte-
I istik der Philosophie Herbarts, seiner Ethik, Psychologie und Metaphysik erstreckt. —
Von dem Neudruck der verdienstvollen Gesamtausgabe Hartensteins 3^) ist der zehnte
Band erschienen, der die „Allgemeine Pädagogik", den „Umriss pädagogischer Vor-
lesungen" und die „Briefe über die Anwendung der Psychologie auf die Pädagogik"
enthält. Unberücksichtigt blieb leider der durch Kehrbach gegebene Hinweis, dass die
„Allgemeine Pädagogik" zwar nur in einer Auflage erschienen ist, dass sich aber zwei
Gruppen von Exemplaren dieser Auflage unterscheiden lassen, die sich hinsichtlich des
Textes auf Seite 12 und 13 unterscheiden. — Mit seiner wohlfeilen Sonderausgabe von
Herbarts „Umriss pädagogischer Vorlesungen" verbindet H. Wendt^'') die dankenswerte
Absicht, das Buch in die Hände recht vieler Erzieher zu bringen. Von diesem
praktischen Standpunkte ausgehend, hat er darauf vei'zichtet, den Wortlaut philologisch
genau wiederzugeben. Würde er übrigens die Werke Herbarts von dem Gesichtspunkte
der liistorisch-philologischen Kritik betrachtet haben, so würde er die Interpimktion
Herbarts nicht „sonderbar" genannt und nicht behauptet haben, dass Herbart fast nie
Sätze oder Wörter unterstreicht. — Von der richtigen Voraussetzung geleitet, dass eine
wissenschaftliche Untersuchung des Verhältnisses zwischen Herbart und Pestalozzi bisher
nicht zu stände gekommen ist, wenngleich man es an apodiktischen Urteilen über die
Diss. Leipzig. 96 S. M. 1,00. — 30) v. Woech, Friedr. Ilcinr. Christan Sclnvarz: ADR. 33, S. 235/6. — 31) F.
Färber, J. G. Fichte. (= Klassiker d. Päd. Bd. 12.) Langensalza, Scliulbuclihaiidlung. VI, 318 S. M. 3,30. —
32) G. Wiock, .loh. Bapt. Graser, 1. Tl.: Leben u. Lehre Grasers, Beurteilung seiner Pädagogik, Divinität. (— Klassiker d.
Päd. Bd. 13.) obda. XII, 328 S. M. 4,U0. — 33") J. F. Ilerbart, Sümtl. Werke in chronolog. Keiheniolge, her. v. K. Kohr-
bach. Bd. 4. Laiigonsnlza, Beyer & Söhne. XVII, 022 S. M. 5,00. — 34) J. F. Horbart, Päd. Schriften. Jfit Ilerbarts
Biogr., her. v. F. Bartholomaoi. 5. Aufl. neu boarb. u. mit crlt. Anin. vors. v. E. v. Sallwürk. 2 Bd. (— Bibl. päd.
Klassiker, her. v. Mann. 0. Bd.) ebda. VI, 462 S. M. 3,00. — 35) J. F. Herbart, Päd. Schriften. Mit o. Darsteil, u. Beurteil.
d. ethischen o. metaphys.-psychol. Grundlagen d. Plld. Ilerbarts vers. v. J. J. Wolff. Bd. 1. (= Sainml. bodout. päd. Sehr.
Bd. 10.) Paderborn, Schöningh. 474 S. M. 2,80. — 36) J. F. Herbart. Sämtl. Werke, her. v. Hartenstein. 2. Abdr. 10. Bd.
Schriften z, Pild. 1. Tl. Hamburg, Voss. XVI, 503 S. M. 4,50. — 37j J. F. Herbart, Umriss päd. Vorlesungen. Her. u. mit
109 K. Kohrbach, Geschichte dos Unterrichtsweflens. I 6: 3^-65.
wissenschaltlicluiii Jieziohiuigeii I)oi(l(!r niclit hat luhleti lasnen, vorsucljt \\'ig(;t ■•'') «hirch
Vergleichung beider ErzioimngHthoontMi diese Lücko auszufüllon. Nachdom er zunüchst
aus den Schriften und der Lebotisg(!scliichto Herharts dessen Beziehungen zu Pestalozzi
iiervorgehoben und ausserdem Belege dafür gebracht hat, dass Herbarts Bestrebungen
in Pestalozzischen Kreisen nicht unbekannt geblieben sind, initornimmt er mit vielem
üoschick eine durch gi'osso Klarheit sich auszeichnende Darstellung des Postalozzischen
Systems. —
Von Langenbergs^**«) Ausgabe der „Ausgcwühlten Schriften" Diesterwegs
sind der dritte inid vierte Band erschienen; damit ist das verdienstvolle Werk ab-
gescldossen. — Naclizutragen ist hier noch der JBL. IWK) übergangene Vortrag vom
/ijigg39)_ In wannen Worten schildert er die vielseitigen Verdienste Diesterwegs, den
er den „Pestalozzi der That" nennt. Den Ausspruch: „Ich wollte Postalozzisch wirken",
den er zum Ausgangspunkte seiner Rede nimmt, ändert er zum Schluss in den Zuruf
an die schweizer Lehrer: „Wir wollen Pestalozzisch wirken". — Rebhuhn^) hat sich
im Verein mit Wilke ein grosses Verdienst erworben durch die Herausgabe einer
BiL]iogra})hie der Schriften von luid über Diesterweg, die, zunächst auf dem umfang-
reichen Materialo- der Diesterwegsammlung des deutschen Schulmuscums beruhend, eine
wertvolle Ergänzung des Langenbergschon Verzeichnisses ist. Der Nachtrag, der die
Schriften aus Anlass dos lüüj. Geburtstages Diesterwegs enthält, bedarf natürlich, da er
während des Jubiläumsjahres erschienen ist, noch der Ergänzung, die der Vf. teilweise
schon in den „Neuen Bahnen" gegeben hat. Es seien hier der Vollständigkeit halber
noch aufgefüint die Arbeiten von Baiimgarten ^i), Dittes •*-'), Dörpfeld ■♦•'), Eisele**),
Fritze«"), Halben-'«), Hamm 47), Kaufte ^a-«)^ Jessen^), Krimmel&'j, Lucas »2),
Meyor-Schwalbe53), Pohlandt "■*), Rebhuhnes), Risch«'»), Sander"), F. Schäfer^),
Scheer^"), G. Schwarz *50), Staude 6i), A. Voigt"-), WiggeOS). — Zum Schiusa
sei auf den Aufsatz von liissmann '5^) hingewiesen, dessen Urteil, dass das Mittel-
massige in der Diesterwoglitteratur des Jahres 1891 vorwiege, durchaus gerecht-
fertigt ist. —
Aber nicht nur den Theoretikern, sondern auch den Schulmännern der Praxis
hat sich die Forschung zugewendet; wir versuchen sie nach den Landschaften zu scheiden,
denen ihre "Wirksamkeit hauptsächlich zu Gute kam, wobei es freilich hie und da ohne
eine gewisse Willkür nicht abgehen kann. Wir beginnen mit dem Königreich und
der Provinz Sachsen. Fabian *'^), dem wir die trefi'liche Biographie des Zwickauer
Rektors M. Petrus Plateanus (1535—1540) verdanken (vgl. ADB. 2G, S. 241), liielt einen
Vortrag über den um die Schiden Zwickaus hochverdienten M. Stephan Roth. Sein
Leben und Wirken ist bereits 1882 von Georg Müller (BSächsKG. 1) behandelt worden,
doch hat F. seither die Daten erganzen inid schärfer bestimmen können. Roth studierte,
mit einem städtischen Stipendium ausgerüstet, von 1512 ab in Leipzig, zumeist bei Petrus
Mosellanus, also neben Camerarius, Trotzendorf, Cruciger; letzterem, der auch sein
Schüler war, hat Roth seine Magisterschrift gewidmet. Er gründete später als Rektor
[in Zwicka\i mit M. Petius Drechsel (f 19. Nov. 1518) die „Fraternitas scholarium", eine
^der Kalandsbrüderschaft ähnliche Vereinigung von Männeni inid Frauen zur Unter-
f Stützung der Schiden, führte mit seinen Schülern lateinische Komödien auf, so zu Fast-
erl. Anm. vom. v. H. Wendt (= ÜB. N. 2753/4.) Leipzig, UocUm. 203 S. M. 0,40. — 38) Tli. Wiget, PesUloxxi u.
Hertart. Leii'ziger Diss. (Ancli: Jb. Wiss.-I'aod. 23, S. li»0-30.'. 1. Tl.) —38a) E. Langonberg, A. Diestoriregs Ausgaw.
Schriften. 2 durclif,"«. Aufl. 3. u. 4. l'.d. rr.iiikfurt a.,'M., Uiestorweg. IV, 39« S. M. 3,00. IV. 396 S. M. 3,00. - 39)E. Zinfg.
,¥. A. Dirtstcrweg. Vortr., geh. in d. KanlonnHconfercnz d. LelircrschaJt d. Kantons Hasol-Landsi liafL Lieiital, Lndin. 76 8
1,40. — 40) Kebliulin u. Wilke. Godenklilutt z. lüO. Geburtstage A. Diesterwegs. S.-A. aus d. DiestArweg-IIeR« d.
LNeuen Bahnen". Gotha. Bebtend. 18!tO. (l'.ildiograiihio S. 28-40.) — 41) 0. Baunigarton. Volksschule u. Kirche. Beitr. t.
kDiesterwpg-Fcior. Lci|izig, Gruuow. Oj S. M. 1,20. — 42) K. Dittcs. Godächtoisrcdo z. lOOj. (iehurtstage A. Dieatorwags
|«uf d. 8. Dtsth Lchrertage: DLehrerZg. 1890 N. 148— .5:!. — 43) Dörpfeld, Diestorwegfei.r in Bannen : EvSihuIBI. 3Ö,S. 16-20.—
i) Eisele, Dr. A. Diostorweg: Neue Blatter SUddtscb. Erziehung n. Untericht 20, S. 48—70. — 45» G. Fritz«, Streb* x.
^Ganzen! Fesispiel. Frnnklurt a./O. — 46) J. Halben, Diesterweg, unser Vorbild. Festrede. Hamburg, Niemeyor. —
47) B. Hamm. Z. Gedilclitnis Diesterwegs: D dtsch. Lohrcrkonferenzen d. J. 1890 her. v. Seidel, S. 1— li —48) G. Hauffo,
[Wclcho Borllhrunjjsiiunkto bieten llerbart-Zillor u. Ad. Diesterweg? Borna. Jahnko. 2.0 S. M. 2.:>0. — 49) id., Diesterweg
d. Lehrerbildung. Breslau. Freund. 172 S. M. 2.60. — SO) A. Ch. .lassen, Diesterwegs Rheiui^icho BUtter. Mit. e.
Sinl. Frankfurt a. M., Diesterweg. 2. Aufl. 293 S. — 51) Krimmel, Hat Dittes techt, wenn er Diesterweg
tiefreligiöso Natur nennt?: MSKathLchreriuncn 4, S. 0-14. — 52) J. Lucas, Ad. Diesterweg. Progr. 3& S. — S3) M.
|W. Meyor-Scliwalbe, Diesterwegs popul. Himmolskunde n. matbem. Geogr. 11. Aufl. Berlin, E. GoIdschmiJt. 426 S.
0,00. — 54) M Poblandt, Dio-sterwogs Verdienste um d. Lehrerbildung. E. Jub.-Gabe. an d. dlüch. Lehrerschaft
f;«. 29. Okt 1890. Leipzig, Ocsterwitz Nacbf. 1890. 99 S. M. I,fi0. — 55i A. Bebhuhn, Diesterweg als Erzieher seiner
[Kinder: lädZg. 1890 N. 20. — 56) V. Kiscb, D. Pädagogen Traum. Festspiel. Berlin, Mu.xik von P. Ziegler. 57) F.
VSander, A. Diesterweg (Diesterweg-Foior): MKIi. IS, S. 203. — 58) F. SehSfer, Im Ahnenhaase d. Lehrer. Fesl-
fdichtung, gesp. bei d. Diesterwegfeier in Wolfenbüttcl. Braunschweig, Appelhans n. Pfenningstorff. 20 8. M. 0,20. —
159) Scheer, Festrede z. Diesterweg-Feior in Nordhausen, 60) G. Schwarz. Schulideal. Beitr. x. Feier d. lOOj. Gebartstagas
A. Diesterwegs. Selbstvorlag Binau a. N. in Baden. M. 0,10. — 61) I'. Staude, D. entwickelnde InterrichUiverfiihren nach
Diesterweg: DLehrerZg. 1890 N. 84,0. — 62) A. Voigt, A. Diesterweg u die ev. Volksschule: PSdBll. 20, S. 11—34. —
63) H. VVigge, E. Blatt z. Kuhmeskranze Diest«rwegs. Gednchtnisredo. Gotha, Kehrend. If. S. M. 0,30. — 64) B. Kiss-
mann, D. Litt d. Diesterweg-Feier: SchlesSchulZg. 20, S. 73 7. — 65) E. Fabian, .Stephan Roth: MAVZwjckan 3, .><. 16 7.
I 6: 66-78. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. uo
nacht 1518 den „Eunuchus" des Terenz, und bewirkte, dass 1519 eine griechische
Schule mit M. Georg Agricola, seinem damaligen Hypodidascalus, als Rektor vom Rat
eingerichtet wiirde; sie verschmolz hinterher mit Roths Lateinschule. Dieser selbst
folgte 1521 nach Ablauf seines Kontrakts einem Rufe des mächtig aufblühenden
Joachimsthal und hat auch hier im Verein mit seinem Kantor, dem Liederdichter
Nik. Hermann, und mit M. Joh. Sylvius Egranus, dem Stadtpfarrer, viel Gutes geschaffen.
Von dort ging er 1523 nach Wittenberg, hörte Luther, Bugenhagen, Amsdorf, ver-
heiratete sich 1524, übersetzte des Erasmus „Gesprech zwayer Ehelicher weyber", hielt
Vorlesungen, fand als Prediger in der Stadtkirche Verwendung und gab eine Sammlung
der Predigten Luthers, 1527 die Sommer- und Eeldpostille, 1528 die Winterpostille, zum
Druck. Im Anfange dieses Jahres kehrte Roth nach Zwickau zurück und wurde dort
zweiter, 1530 erster Stadtschreiber, 1543 Ratsmitglied und städtischer Schulinspektor.
Seine Bibliothek von GOOO Bänden und über 1000 Briefen bildet einen wertvollen Teil
der berühmten Zwickauer Ratsbibliothek. — Erasmus Sarcerius, Schürer, (1501 — 1559)
aus Annaberg, mit dem Holstein ^6) sich beschäftigt, wurde 1536 zum Rektor nach
Siegen, 1538 zum Superattendenten der Grafschaft Nassau-Dillenburg berufen. Als
Gegner des Literim 1548 vertrieben, erhielt er 1550 das Pastorat an S. Thomas in Leipzig
und begleitete 1552 im Auftrage des Kurfürsten Moriz mit Valentin Härtung Melanchthon
auf das Ti-identiner Konzil; doch wendeten sich die Gesandten zu Nürnberg bereits
wieder heimwärts. Dann war er seit 1554 Generalsuperintendent in Mansfeld und seit
1559 Pfarrer und Senior des geistlichen Ministeriums in Magdeburg. — Es folgen
zwei Männer, denen E. Jacobs ^'^-ß^) mit lokalpatriotischer Sorgfalt und Liebe gerecht
wird: E. F. Schütze (1688 — 1758) aus Hain in der Grafschaft Stolberg, 1713 Konrektor,
1715 Rektor an der Oberschule zu Wernigerode, die sich unter ihm bedeutend hob, 1738
Rektor des neuen Gymnasiums in Altona, das er jedoch 1747 mit einer Abschiedsrede
„De martyrio scholastico" verliess, um Dompastor an der Hauptkirche zu werden; und
sein jüngerer Bruder H. K. Schütze (1700 — 1781), 1729 Konrektor und 1738 Rektor an
der Oberschule zu Wernigerode, die sich unter ihm noch mehr entfaltete. Die Gegen-
stände seiner Schriften charakterisieren ihn: „De prima mentis operatione in scholis in-
ferioribus potissimum emendanda" (1742), „De fide historica" (1744), „De remediis
suspensivis in causa contra praecoces academicos" (1751), „De pedantismo" (1765). —
Hoche69) bietet Notizen über B. E. Schmieder (1736—1813) aus Leipzig, 1765 Tertius,
1771 Konrektor am Gymnasium in Eisleben, 1780 — 1808 Direktor am städtischen Gym-
nasiiim in Halle. — Einen seiner früheren Halberstädter Lehrer bewahrt Pröhle'^o^ vor
der Vergessenheit. E. G. Schöne (1806 — 1857) aus Gadegast bei Wittenberg ward 1829
in Wittenberg, darauf in Stendal und 1838 in Halberstadt Gymnasiallehrer, 1839 in
Herfort, 1857 in Stendal Gymnasialdirektor. —
Nach Thüringen fülu't uns zunächst ein Artikel von Hoche'^i) über Wolf-
gang Seber (1573—1634), der, in Suhl geboren, 1599 Konrektor, 1601 Rektor in Schleu-
singen war; unter ihm wurde das Gymnasium von 400 Schülern besucht und er be-
gründete die dortige Bibliothek. 1610 war er dann Dekan in Wasungen, kehrte jedoch
schon 1612 als Superintendent und Ephorus Gymnasii nach Schleusingen zurück. —
Auch über J.K.Schwarz (1677 — 1747) geboren zu Koburg und am dortigen Casimirianum
1706 ausserordentUcher Professor des Lateinischen, 1713 des Griechischen und der Bered-
samkeit, 1732 der Theologie, Philologie und morgenländischen Sprachen, sowie Direktor
bis an seinen Tod, hat Ho che ''2) gehandelt. — Hierher stellen wir ferner den Artikel
von A. Schumann "^3) über Ferdinand Schulze (1774 — 1850) aus Leipzig, der 1798 Lehrer
am hallischen Pädagogium unter Niemeyer, 1800 am Coenobium in Gotha, 1840 dessen
erster Professor wurde , ein ungemein fruchtbarer Schriftsteller. — Georg Schöler
(1793 — 1865), von dem wir durch Hoche'''*) hören, geboren zu Döschnitz in Schwarz-
burg-Rudolstadt, war 1818 Professor zu Danzig unter Meinecke, wo er viel mit dem
Oberpräsidenten v. Schön verkehrte, 1833 Direktor in Lissa, 1843 — 64 in Erfurt. —
G. K. W. Schneider (1796—1836), geboren zu Weimar, 1820 dort Hülfslehrer, dann
Professor, Herausgeber einer zehnbändigen Sophokles- und einer vierbändigen Aeschylus-
Ausgabe, ist ebenfalls von Ho che '^5) mit einem Artikel bedacht worden. — Schmeisser '•6)
giebt ein Bild von dem um das Thüringer Schulwesen wohlverdienten Rektor K. F.
Schmidt in Auma. — Moritz Seebeck '''') (1805 — 1884) war in Jena geboren und ein Sohn
des Physikers und nachherigen Akademikers in Berlin, des Entdeckers der Thermo-
(Vortr. Kff.). — 66) H. Holstein, E. Sarcerius: ADB. 33, S. 727/9. — 67) E.Jacobs, Eust. Friedr. Schutze: ib. S. 138/9. —
68) id., Hoinr. Karl Schütze: ib. S. 143/5. — 69) B. Hoche, Benj. Friedr. Schmieder: ib. 32, S.28/9. — 70) H. Proehlo,
Friedr. Gottlieb Schöne: ib. S. 285. — 71) R. Hoche, Wolfg. Seber: ib. 33, S. 506/7. — 72) id., .loh. Konr. Schwarz:
ib. 8. 239. - 73) A. Schumann, Chr. Ferd. Schulze: ib. 32, S. 765/8. — 74) R. Hoche, Georg Scheeler: ih
S. 215/6. — 75) id., Gottl. Karl Wilh. Schneider: ib. S. 120/1. — 76) R. Schmeissor, K. F. Schmidt, Rektor
zu Auma. E. Uild »eines Lebens u. Wirkens. (= S.-A. aus d. LohrerZgThOring.) Jonn, Schenk. 15 S. M. O.W. —
77) E., Karl Jul. Mor. Seebeck: ADIJ. 3:J, S. 500/4, — 78) A. Schumiinn, Gco. Hoinr. Schwerdt: ib. S. 417-2ti.
lll K, Kehrbach, Geschichte des Unterrichtawesens. I 6: l9-«t.
clektriziliit. Er kam 182(5 als Lehrer an das Berhnische Graue Kloster, 1828 alg
Alumnoninspektor und lb32 als ordentlicher Lehrer an das Joachimsthal, 1KJ5 als
Direktor nacli Meiningen, leitete darauf die Erziehung des Erbprinzen, jetzigen Fürsten
Georg, ward 1845 Vicediroktor des Konsistoriums in Hildburghausen und 1857 Kurator
der Universität Jena. — Den Verfasser vieler volkstündiciien Bücher G. H. Schwerdt
(1810 — 1888) schildert A. Schumann ''**). Er ist zu Neuenkirchen im Gothaischen ge-
boren, wo seine Familie 20() Jahre lang das Pfarramt innegehabt. Seit 1842 Nachfolger
des Vaters, hat er dort eine Volksbibliolhek und eine Fortbildungs- und Handwerker-
scliule gosoliailbii. Docli liess er sich, den körperlichen Anforderungen der grossen
Parochie nicht gewachsen, 18(51 nach Grüfentonna versetzen und übernahm 1872 die
Sup«n'intendnntur in Waltershausen. Hierhin übersiedelte auch die in Grüfentonna von
ilim gegründete Bildungs- und Erziehungsanstalt für junge Mädchen. — Endlich bringt
Ho che ^ö) (le„ Lebensabriss von 0. H. E. Schneider (1815 — 1880) aus Stralsund, der
1842— lh(jJ.) Lehrer und Professor nm Ernestinum in Gotha war und mit seinen Unter-
suchungen über Kallimachos eine tüchtige Leistung schuf. —
Eine grössere Arbeit gilt einem hessischen Schulmanne. Indem K. Rein-
hardt*^") das Schreiben über den Zustand dos Gymnasiums zu Frankfurt a. M. neu
herausgiebt, das der Rektor Hirtzwig au seinen Freund und Lehrer Montzer, den Fönlerer
des Ratichius, sandte, hat er nicht nur für die Schulgeschichte Frankfurt«, sondern für
die Geschichte des Schulorganismus t\berhaupt Bausteine beigetragen. Es ist aber
leider charakteristisch, dass R.s Abdrucke nicht die von Hirtzwig selbst besorgte Aus-
gabe, sondern ein Abdruck aus dem Jahre lf554 zu Grunde liegt, da Hirtzwig bereits
neunzehn Jahre tot war, nachdem er schon siebenundzwanzig Jahre zuvor sein Frank-
furter Rektorat abgegeben hatte. Dem lateinischen Texte ist eine gute deutsche Uober-
setzung beigefügt, iiber deren Lihalt (Zweck der Schule, methodische Anweisungen,
Zeugnisse, Strafen, Aufpasser, Dekurionen usw.) durch Inhaltsangaben am Rande ein
schneller Ueberblick gewährt wird. Bei seineu Erläuterungen wird übrigens R. durch
den Plan der Monumenta Germaniae Paedagogica, dui-cl\ diese selbst und durch die
„Mitteihxngen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte" wesent-
liche Erleichterung gefunden haben. — Dechent^i) hat sich um J. J. Schudt (1664 bis
1722) bemüht. In Frankfurt a. M. geboren und am dortigen Gymnasium seit 1691
praeceptor primarius, 1(595 Konrektor, 1717 Rektor, hat er neben seinen orientalischen
Studien aucli „Monita paternä" (1719 lateinisch, 1720 deutsch) abgefasst. — Durch H. A.
Li er 82) hören wir von A. L. Ph. Schröder (1764 — 1835), einen Göttinger von Geburt.
Er versah seit 1787 die zweite reformierte Predigerstelle zu Neuwied, wurde später
Dekan und Kirchenrat in Hachenburg und hat sich als Jugendschriftsteller bekannt
gemacht. — Von Gümbel^^) gjebt Nachrichten über K. Ch. Schmieder (1778 — 1850)
aus Eisleben, 1812 Direktor und Schulinspektor zu Kassel. — Zwenger **-'*^) hat das
Andenken an einen verdienten Schulmann, Nikolaus Bacii, den Direktor des Gymnasiums
zu Fulda, durch eine Biograpliie und durch den Abdruck der formvollendeten Rede
wieder belebt, die Franz Dingelstedt dem Andenken Bachs einige Tage nach dessen
Tode gewidmet hatte, und damit zugleich einen Beitrag zur Charakteristik Dingelstedt«
dargeboten. — J. D. G. Seebode (1792 — 1868), ist, wie Hoche"^*^) berichtet, in Salz-
wedel geboren, wurde 1813 Rektor, 1823 Direktor des Andreanum in Hildesheim, 1834
Direktor in Koburg, 1837 in Gotha, 1841 — 49 Geh. Regierungsrat in Wiesbaden und
Schulrefereiit für Nassau, von 1851 — 1867 Bibliothekar der Oeftentlichen Bibliothek in
Wiesbaden. Berichtigend sei bemerkt, dass Seebode 1824/5 das „Archiv für Philologie
und Pädagogik" in Helmstedt bei Fleckeisen, 1826 — 30 das „Neue Arcliiv für Philologie
und Pädagogik" in Hannover bei Hahn herausgab, J. Ch. Jahn aber seit 1826 die
„Jahrbücher für Philologie und Pädagogik" in Leipzig bei Teubner. Beide wurden
vereinigt, und es erschienen an ihrer Stelle seit 1831 bei Teubner die noch bestehenden
„Neuen Jahrbücher für Philologie imd Pädagogik" von Seebode (bis 1842), Jalm (bi.s
1847) und Klotz (bis 1856). — Den fruchtbaren, wiewohl meist zu breiten Schulschriftsteller,
Biographen und Lokalhistoriker Karl Schwartz (1809—1885) behandelt F. Otto««).
Schwartz war ein Düsseldorfer, von 1832 — 1837 zu Warburg und Rietberg Lehrer,
darauf zu Fulda, wurde dort 1846 Stellvertreter, 1850 Nachfolger des Direktor Dronke,
1858 Direktor in Hadamar, 1862 in Wiesbaden. Von seinen zaldreichen Schriften seien
hier nur das „Handbuch für den biographischen Geschichtsunterricht" (1842), die Bio-
gi'aphien von Clausewitz (1878), Friedrich V. von Hessen, Meusebach und eine Geschichte
derer von Günderode genannt. —
— 79) R. Hocho, Otto Herrn. Sclineidfr: ib. 32, S. 142/3. — 80) K. Reinhardt. M. Henrici Hirlrwigii reetoris de Gjmm.
Aloeiio-Francofurtani ratioiie et statu ad Kalthas. Slontzerum ejiistob. Mit Einl. ii. t^IxTsotig. Profrr. Frankfurt a. M.. Ena ä
Uudolpli. 40. 45 S. i[DIiZ. 12, S. 1742; TI.I.Z. S. 404 ö.); - 81) Declient, Joh. Jak. Schudt: AÜB. 32, S. 6.51 S. - 82) H.
A. Lier.Ätn. Lud. Philipp Sdiriider: ib. S. 502/3. — 83) v. «Ilmbcl, Karl Christoph . "Schneider: ib. S. .10. — 84) F. Z wenger ,
Nik. l!ach. E. Erinuerungsblatt: Ilesseoland 5, N. 1, 2, — 85) Franz Dingelstedt, Wort« d. Erinnetung an N. Bach. B«d«
gehaltan am 4. Febr. 1841: ib. S. 39-42, 51/6. - 86) R. Hnoh<>, Jo.ieh. D. Seebode: ADB. 33, S. 668/9. — 87) F. Otto,
I 6: 88-ioia. K, Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. ii2
Wenig liegt aus den Rheingegenden, aus Württemberg und aus Bayern vor.
Wieder beginnt Ho che ^8) und zwar mit Zusammenstellungen über Ludwig 8chopen
(1799 — 1867) aus Düsseldorf: seit 1820 war er Lehrer am Gymnasium in Bonn und
Mitarbeiter am „Corpus Scriptorum Byzantinorum", 1840 wurde er ausserordentlicher,
1844 ordentlicher Professor an der Universität und 1847 zugleich Direktor des Gymna-
siums. — Holstein 89) berichtet über Hieremias Schütz (geb. 1538), einen Strassburger
Schulmeister, welcher 1572 ein bei Goedeke nicht verzeichnetes Drama „Vom Bei zu
Babel" drucken liess. — Wiederum Hoches^Oj Namen finden wir unter einem Artikel
über Ch. Th. Schuch (1803 — 1857) aus Reihen bei Sinsheim; 1832 ist er Lehrer am
Pädagogium in Tauberbischofsheim, 1838 am Gymnasium in Bruchsal, 1848 Professor
in Donaueschingen. — Durch den lOOj. Todestag des Dichters Schubart veranlasst, hat
Holder 91) eine Abhandlung über Schubarts pädagogische Thätigkeit und Bedeutung
geschrieben, die eine wertvolle Bereicherung erfahren würde, wenn die noch nicht ge-
druckten, von Nägele aber angeführten Schulbriefe und Schullieder Schubarts heraus-
gegeben würden. — Von Ho che ^2) rührt ein Artikel über Nikolaus Schwebel (1713 bis
1773) aus Nürnberg her, der 1743 Direktor des dortigen Aegidianum wurde und von
174G bis an seinen Tod das Carolinum in Ansbach leitete. — Von Heinrich Braun end-
lich, einem der gefeiertsten unter den Schulmännern Bayerns, hat Gückel^S) ein leben-
diges Bild nach sorgfältiger Durchforschung aller Materialien entworfen. Seine Reform-
thätigkeit kam allen Schulgattungen von der Elementarschule bis zur Universität zu
Gute. Aber neben dieser Thätigkeit hebt G. mit Recht noch Brauns Verdienste um die
deutsche Sprache und Litteratur hervor. Die hierauf bezüglichen Werke Brauns, die
Bayern aus seinem geistigen Schlafe weckten und die Herzen des Bayernvolkes für
Unterricht und Bildung wieder empfänglich machten, erregten die Aufmerksamkeit
Herders, der auch in persönlichem Verkehr mit Braun gestanden hat. Dankbar muss
es anerkannt werden, dass G.s Schrift die Vorwürfe entkräftet, die gegen Braun schon
zu seinen Lebzeiten erhoben worden sind. Li einem Anhange wird der interessante
Nachweis geliefert, dass weder Buchner, wie vielfach angenommen war, noch Braun,
wie Prantl neuerdings behauptet hatte, die VfP. der „Pragmatischen Geschichte der
Schulreformation in Bayern" (München 1785) sein können. —
Grösser ist die Zahl der neii beachteten schlesischen Schulmänner. Bolte^-*)
giebt, zum Teil aus archivalischen Quellen, Mitteilungen über den selbst bei Goedeke
vergessenen Georg Seidel (1550 — 1626). Alis Ohlau gebürtig imd am Breslauer Elisa-
bethaniim seit 1574 Lehrer, 1596 Professor, 1610 Prorektor, war er bemüht, das lateinische
Schiildrama dort einzubürgern, und brachte 1613 eine, von seinem Kollegen Frank zu-
gleich metrisch verdeutsclite „Nova tragicocomoedia Tychermaea seu Stamatus" zum
Druck und zur Aufführung. — P. G. Schmieder (1770 — 1838), der Sohn des oben (N. 69)
behandelten Hallenser Direktors, war, wie Hoche^s) bemerkt, von 1804 bis an sein
Ende Direktor in Brieg. — Das Andenken eines tüchtigen und erfolgreichen Schul-
manns erneiiert Markgraf^ß). K. G. Schönborn (1803 — 1869), in Meseritz geboren,
ward 1826 Professor in Guben, 1830 Direktor in Schweidnitz, 1834 Direktor von
Marien Magdalenen in Breslau. Diese beiden zuchtlosen und verwirrten Gymnasien
hat er energisch und klug in kurzer Zeit wieder ins Gleis gebracht. Marien Magdalenen
ist unter ihm damals das grösste Gj^mnasium Preussens gewesen: es hatte 33 Lehrer
und 1056 Schüler. — F. W. Schütze (1807—1888), über den GeorgMüller P7)handelt, aus
Döcklitz bei Querfurt gebürtig, war anfangs Elementarlehrer, studierte seit 1842 Theo-
logie zu Leipzig und wurde bereits 1844 Direktor des Seminars in Waldenbiirg, das
unter seiner 40j. Leitung sich zur Musteranstalt erhob. — Kötschau^s) schliesslich
bietet den Lebenslauf des Breslauers M. W. C. Schmidt (1823—85), der, 1849 Lehrer
in Öls, 1857 ausserordentlicher, 1869 ordentlicher Professor, 1874 Professor der Eloquenz
in Jena, sich namentlich in der griechischen Dialektforschung, aber auch als Übersetzer
von Pindar und Sophocles' „Oedipus" hervorgethan hat. —
Posen, Preussen, Pommern und Mecklenburg haben nur wenige Ver-
treter aufzuweisen. Das Leben und Wirken des Gymnasialdirektors Johannes Richter
in Nakel schildert Heidricliö»). — Aiich in dieser Gegend fehlt Hoche'oo) nicht:
hier schreibt er über Valentin Schreck (1527 — 1602), geboren in Altenberg bei Meissen,
1567 Professor der Poesie zu Königsberg, 1569 bis an seinen Tod Rektor des Marien-
gymnasiums in Danzig. Sein „Liber Gnomarum biblicarum" war viel verbreitet. —
Karl Scliwartz : ib. S. 212/4. — 88) R. Ho che, Ludw. Scliopen: ib. 32, S. 331/2. - 89) H. Holsteir., Hieremias Scbütz : ib. 3.1,
S. 126. — 90) R. Hocho, Christian Theoph. Schuch: ib. .12, S. 040/1. - 91) A. Holder, D Dichter Obr. Schubart als
]>ehrer: MQESchG. 1, S. 131/8. — 92) R. Hoche, Nik. Schwebel: AD1$. .33, S. 317/8. — 93) M, GUckel, Heinr. üraun w.
d. bayer. Schulen v. 1770—81. Erlangen, Diss. 109 S. M. 1,20. - 94) J. Bolte, Georg Seidel: ADB. 33, S. 618. — 95) R.
Koche, Friedr. Gotthelf Benj. Schmiedor: ib. 32, S. 29. — 96) Markgraf, Karl Gottlob Schönborn : ib. S. 281/2. -
97) Georg Müller, Friodr. Wilh. Schlitze: ib. 83, S. 140/2. — 98) P. Koetschau, Mor. Wilh. Oonst. Schmidt: ib. 32,
S. 8— 10. — fi9)Heidrich, Dr. Job. Richter, Direktor d. Kgl. Gymn. zu Nakel. Progr. Nakel, Giroud. 4«. 8 S. ~
100) R. Hoche, Val. Schreck: AD«. 32, S. 406. — 101) v. HUlow, ,loh. Jac. Soll: ib. 33, S. ()Sl/2. — lOla) A. Kolbe,
113 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. I 6: los-ios.
Von Bülow'o«) erzählt von J. J. Seil (17(54—181(5), aus 8tottin, der 1783 Professor
dor BeredHiunkcit und (toschif,ht(5, 171H) am dortigen Kgl. GymnaHium Rektor wurde. —
A. Kolbo ""»j Imt mit der Hiographio R. H. Hiocke« viel versprechend eine neue Samm-
lung erötthet. Indem er das Andenken verdienter Schulmänner der Neuzeit beloben und
die Kenntnis ihrer Grundsätze und ihrer Wirksamkeit weiteren Kreisen mitteilen will,
hofft er und gewiss mit Rocht, in dem Gewirr der pädadogischen Fragen unserer Zeit
klärend zu wirken. — Ani' einen bemerkenswerten Organisator dos Erziehungs- und
Schulwesens in Mecklenburg lenkt K. Schröder '02) unsern Blick. F. W. F. Schröder
(1HI2 — 1HH4) ans Wismar, vard 1833 Lehrer zu Parchim, 1843 Pastor in Schwerin,
1841 Sohulrat, s])ä1er Obcrsrhulrat und hat in dieser Stelhnig namentlich einer festen
Ordnung der Verhiiltnisse zwischen Kirche und Schule, einer Verbesserung des Schul-
wesens im ritterschaltlichen Landestoil und einer endlichen Regelung der Soramorschule
die Bahn erschlossen. —
Auch Berlin kommt in Betracht. Mit geschickter Hand hat P. Jonas »•*)
ein klares Bild von dem einst zugleich verketzerten uiid gefeierten Schidrat (Jtto Schulz
(17H2 — 1849) entworfen. Geboren zu Warow in Hinterpommern kam Schulz 1812 als
Kollaborator an das vereinigte Berlin-Kölnische Gymnasium und wurde 182f5 Schidrat
für die l'rovinz Brandenburg. An Scluübüchem stammen von ihm die „Handfibel", das
„Berlinische Lesebuch", das ,,Tirocinium" und ein „Biblisches Lesebuch"; an Schulzeit-
schriften hat er den „Schulfreund" sowie das „Schulblatt für die Provinz Branden-
burg" begründet. Viel Staub hat sein langer Kampf gegen Diesterweg aufgewirbelt,
welcher 1847 seines Amtes enthoben wurde. „Schulz betrieb eine möglichst enge V^er-
bindvuig der Schule mit der Kirche, Diesterweg suchte umgekehrt die Schule aus der
unmittelbaren Abhängigkeit von den Geistlichen zu befreien. Man kann ihn für den
Vater der Regidative halten wie Diesterweg für den Vater der Allgemeinen Bestim-
mungen von 1872." — Der von Hochc'"*) besprochene F. K. L. Schneider (17815 bis
1821), geboren in Berlin, war seit 1800 Lehrer am Joachimsthalschen Gymnasium; er ist
Verfasser der erst in der jüngsten Zeit überholten „Ausführlichen Lateinischen Gram-
matik". — Niemand wohl hat einen grösseren mid besseren, einen längeren und nach-
haltigeren Einfluss auf die Schulen eines Landes ausüben dürfen als Johannes Schulze
(178() — 18(59). Vollauf hat er das würdige Denkmal verdient, welches M. Hertz '<^'') ihm
gesetzt hat. Geboren zu Brüel in Mecklenburg-Schwerin ward er 1808 Profes.sor in
Weimar, 1813 Direktor des von ihm eingerichteten konfessionslosen Gymnasiums in
Hanau, 181(5 Schulrat in Koblenz, 1818 Geh. Oberregierungsrat und vortragender Rat
im Kultusministerium, 1849 Direktor der Unteirichtsabteilung, 1852 Wirklicher Geh.
Oberregierungsrat luid Referent über die Gymnasien und Universitäten. Das vierjährige
Studimn der Mediciner und ihr Tentamen, das Probejahr der Philologen, das Beilegen
von Abhandlungen zu den Gymnasialprogrammen hat er 182(5, das Abiturientenreglement
1834 eingeführt. Gross sind seine Verdienste, besonders um die Berliner Universität.
Von seinem (Jharakter sagt H.: „Stets war er von wahrem Wohlwollen für tüchtige
und strebsame Menschen erfüllt, und wo er es mit seiner Pflicht vereinen konnte,
vielen ein wohlwollender Freund, ein gütiger Gönner gewesen; in ansprechendster Weise
trat in dieser Zeit ruhigen Behagens der volle Reiz seiner wahrhaft hinreissenden, von
Geistesblitzen belebten Liebenswürdigkeit dem Begegnenden, dem Besuchenden, gast-
lich Empfangenen entgegen." —
Der um das Braun Schweiger Schulwesen hochverdiente Christoph Sclirader
(1(501—1(580) erfährt von P. Zimmermann i"«) die verdiente Würdigung. Er stammte
aus Rethmar, wurde l(i35 Professor ekxpientiae zu Helmstedt und 1(548 Generalschul-
inspektor über W^olfenbüttel, 1G55 auch über Dannenberg und Blankenburg. Sicherlich
hat er an der Abfassung der berühmten Braunschweiger Schulordnung vom 24. Febr.
1(551 bedeutenden Anteil. — Hinüber nach Westfalen tVihrt uns .L H. Ph. Seidenstücker
(17(55—1817), von dem ein guter Teil deutscher Gymnasiasten vordem ihr Franzö.sisch
gelernt hat; über ihn bringt P. Zimmermann »o') nähere Mitteilungen. Geboren in
Hainrode, Kreis W\)rbis, lehrte Seidenstücker seit 1785 am Pädagogium, seit 1791 an
der Universität in Helmstedt, verwaltete seit 179(5 unter schwierigen Verhältnissen das
Rektorat in Lippstadt, seit 1810 in Soest. Hier hat er die Gymnasialbibliothek be-
gründet vmd an Stelle des Klassen- den Fachunterricht eingeführt. Seine Schulbücher
wiu-den rasch beliebt; das „Elementarbuch der französischen Sprache" hat von 1811 bis
1830 sieben, der zweite Teil von 1814 bis 1828 vier Auflagen eriebt. — Weiter begegnen
wir einem Artikel von Reusch'»«) dber J. H. SchmüUing (1774—1851), geboren zu
Warendorf in Westfalen; seit 1800 Lehrer am Gymnasium in Münster, kam er, nachdem
Rob. Heinr. Hiecke. (= Lebensbilder v. Scbulmlnnern d. Neuieit. H. 1). Brealmn, Hirt 36 S. — MBj K. Sckrfder,
Franz Wilh. Ferd. Schröder: ADB. 32. S. bOr> t'>. — 103) F. Jonas, Job. Otto I.eop. .Scbali: ib S. 749- .M. - 104) R. Hoclie,
Friedr. Konr. Lpop. Schneider: ib. S. 110. - 105) M. Hert», Job. SchuUe: ib. 33. .S. 5— 18. - 108) P. Zimmermann . Christoph
Schrader: ib. 32, S. 422/5. — 107) id., Job. Heinr. Phil. Seidenstücker: ib. :ö, S. 630/2, — 100) Renseh, Job. Heinr. 8.
Jahresberichte fUr neuere deutsche Litteraturgeschichl« II >i>. ^
I 6: 109-118. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. 114
er sechzehn Jahre in Braunsberg gewirkt und zwar zuerst seit 1811 als Direktor des
Gymnasiums, das von ihm reorganisiert ist, dann seit 1821 als Professor der Philosophie
am Lyceum, endlich 1827 als Regens des Priesterseminars nach Münster zurück, wo er 1837
Professor der neutestamentlichen Exegese wurde und 1828 — 41 auch Schulrat bei der
Münsterischen Regierung war. —
Endlich kommen wir in die Hansestädte. Über Johannes Molanus (Joh.
van der Molen, geb. 1510 in Plaudern, f 1583 in Bremen), der den bedeutenderen
Pädagogen seiner Zeit zuzurechnen ist, findet sich in den Darstellungen der Geschichte
der Pädagogik nichts erwähnt. Diese Lücke wird durch Bunte loo) ausgefüllt, der für
seine Darstellung den in Bremen verwahrten umfangreichen Briefwechsel des Molanus
zu Grunde legen konnte. Von seinem Lebensgang interessieren besonders sein erster
Aufenthalt in Bremen, wo er Privatunterricht erteilte, zu dem ihm die Schüler von weit her
zugeschickt wurden, da sein Ruf als Lehrer sich schnell verbreitete. Nach Duisburg
siedelte er über, als die Reform des dortigen Schulwesens angestrebt wurde, und zwar
auf Anraten seines Schwiegervaters, des berühmten Geographen Mercator. Später treffen
wir ihn von neuem in Bremen, wo er das Rektorat der verfallenen, durch ihn aber
rasch gehobenen Schule übernahm. Von den von ihm entworfenen Programmen und
Lektionsplänen teilt B, einige in den Jahren 1563 — 1583 entstandene Stücke mit. Ein
besonderer Unterricht in deutscher Sprache, Geschichte und Geographie ist in diesen
Plänen nicht verzeichnet. Die deutsche Sprache kam nur bei schriftlichen und münd-
lichen Übersetzungen in Anwendung. Trotzdem hat Molanus diese Lehrfächer hoch
geachtet; er klagte nur darüber, dass es schwer sei, passende Lehrer hierfür zu ge-
winnen. Zur Förderung des geographischen Studiums liess er sich öfters von Mercator
kolorierte und unkolorierte Landkarten kommen. „Extra scholam nulla salus" war sein
Wahlspruch. — Dann ist hier wieder ein von Ho che i^*^) behandelter Schulmann zu
nennen: Johann Schultze (1647 — 1709), geboren in Gardelegen und 1674 dort Rektor,
1681 Konrektor in Lüneburg und 1683 — 1708 Rektor des Hamburger Johanneum, das
ihm sein Eortbestehen verdankt. — Wichard Langes Leben und Wirken hat Sander'")
dargestellt. — Über den im Januar 1891 verstorbenen Hamburger Schulmann Anton
Ree, dessen Thätigkeit für die allgemeine Volksschule auch Pernerstehenden nicht un-
bekannt geblieben ist, hat SchlieHS) eine Skizze geliefert. —
Es bleiben endlich noch einige Deutsche ausserhalb der deutschen Reichs-
grenzen. So der von Brummer 113) besprochene T. G. Schröer (1791 — 1850) aus Press-
burg, Professor am dortigen evangelischen Lyceum und 1850 Schulrat, der unter dem
Schriftstellernamen Oeser die beliebten „Briefe über Aesthetik" verfasst hat. — Perner der
von Teutschii^) j^ warmen Worten geschilderte J. K. Schuller (1794 — 1865) aus Her-
mannstadt in Siebenbürgen, 1821 dort Konrektor, 1831 Rektor, 1855 — 1859 Schulrat. —
H. F. Wagner n^) giebt nach einem Aufsatze von A. Hiller (im „Landboten von Vorarl-
berg 1888, N. 6 und 16) genauere Nachrichten über die Lehrerfamilie Schmid, die
namentlich durch Johann Josef Schmid mit Pestalozzi und seinem Hause in naher Ver-
bindung gestanden hatte. — Ein Artikel von Wyss' ii^) berichtet über den Schweizer
Melchior Schüler (1779 — 1859) aus dem Kanton Gl arus; der Vf. bauscht die Bemühungen,
die dieser, Zwistigkeiten halber häufig die Pfarre wechselnde, Geisthche den Land-
schulen seines Bezirks zuwandte, denn doch über Gebühr auf. — Julius v. Schröder"'')
(1808 — 1888) schliesslich, aus Lemsal bei Riga, war seit 1836 Rektor der Petri-Pauli-
Kirchenschule zu Moskau, seit 1849 Direktor in Dorpat. Er gab diesen Dienst auf,
als 1870 die Regierung für den gesamten Geschäftsverkehr die russische Sprache
verlangte. Von 1875 — 1881 war er Direktor eines Privatgymnasiums. „Seine Bedeutung
lag vornehmlich in dem machtvollen Idealismus, der sein ganzes Wesen durchdrang
und auch andere unwiderstehlich fortzureissen wusste." —
Zuletzt seien hier einige Freunde des Schulwesens angereiht. Einen „Ge-
denck-Zettel" des Nürnberger Ratsschreibers Lazarus Spengler an seinen Sohn veröffent-
licht H. von Schubert 118). Spengler war nicht nur ein eifriger Förderer des Refor-
mationswerkes in seiner Vaterstadt, sondern zeigte auch ein lebhaftes Literessc für die
auf die Erziehung der Jugend gerichteten Bestrebungen der Reformation. Er beteiligte
sich an der Gründung des Nürnberger Gymnasiums, und Luther widmete ihm 1530 seine
Schrift „Dass man die Kinder zur Schule halten solle". Spenglers Hoffnung, dass seine
Anschauungen sich an seinen Kindern verwirklichen sollten, bestätigte sich namentlich
bei seinem zweiten Sohne Lazarus nicht, für den er den erwähnten Gedenck-Zettel ver-
SchmUUing: ib. 82, S. 64/5. — 109) Bunte, Über Joh. Molanus. JbGesEmden 9, 2, S. 12—40. - 110) R. Ho che, Joh. Schultze:
ADB. 32, S. 737/8. - III) Q F. Sander, Wichard Lange: MKL. 18, 8.550. — il2)D. Schlie, Dr. Anton Ree. Z. Würdigung
seiner Bostreliungen u. Verdienste. Hamburg, KIohs. 115 S. M. 0,50. (Mit I'ortr.) — 113) F. Urtlramer, Tob. Gottfr. SclirOer:
ADB. 82, 8. 501/3. - 114) G. D. Toutsch, Joh. Karl Schuller: ib. S. 082/6. — 115) II. F. Wagner, Pestalozzi u. d. Ge-
^<-bwistor Schmid. Salzburg. Dieter. 7 S. M. 0,40. — 116) 0. v. Wygs, Molch. SchUlcr: ADB. 32. S. 077—80. - 117) L. S.,
Joh. lleinr. Frh. v. Schröder: ib. S. 521/2. - 118) H. v. Schubert, E. päd. Schriftstück a. d. Rofurmationszeit. (— 3. JB.
115 K. Kehrbach, Genchichte dea Unterrichtswesens. I 6: ii»-ics.
fasHte. — Iii einer meist nach archivaÜHchen Quellen bearbeiteten Biographie Anton
Wolfradts, des ersten Fürstbischofs von Wien, giebt Hopf"») auch eine Darstellung
der päda^ogisclien Vordieiisto, die sich Wolfradt seit KJll-J als Abt von Kremsmünster
um seine Untergohoiien erwarb. Tüchtige Lehrer für die angehenden Konventualen
wurden bestellt, die Bibliothek ward reichlich vermehrt, viele Mitglieder des Stiftes
wurden auf Universitäten und auf wissenschaftliche R<Msen gesendet, eine Reihe mittel-
loser Knaben und Jünglinge jiihrlich inientgeltlich im Stifte verpflegt und unterrichtet. —
In streng quoUcnmässiger Boarboitung schildert Hübsch'!») das Bamberger Volksschul-
wesen in der zweiten Hälfte des vorigen Jh. unter den Fürstbiscliöfen Adam Friedrich
von Seinshoini und Franz, Ludwig von Erthal; Seinsheim fand J7Ö7 eine völlige Ver-
wiihilosung des Schulwesens vor. Er setzte eine Schulkommission ein, die ihr Haupt-
iiugcnincrk auf die Vorbesserung des Ehnnentarschulwesens richten sollte, und begründete
177(> zur Kneichung einer besseren Lehrart eine Normalschule. Sein Werk wurde von
S(unoni Nachfolger sorgfältig gepflegt und weitergeführt Unter ihm entstanden geson-
derte Mädchenscluilon und Sommerschiden für das platte Land und 17tH ein Lehrer-
seminar. Die Bildung des Volkes suchte er ausserdem zu heben durch Verbreitung
von Volksbüchern und Verbesserung des von astrologischen Ungeheuerlichkeiten und
ab(Mgläubisclien Regeln strotzenden Kalenders. Dem Werke beigef\\gt sind zahlreiche
urkundliche Beilagen, darunter eine Bamberger Schulordnung vom Jahre 145)1, An-
Htollungsdeknitc, Prüfungsbüchlein, Visitationsprotokolle u. dgl. — Ein Zeitgenosse der
eben erwühnton Kirchenfürsten und von dem gleichen Eifer für Volkswold und Volks-
bildung beseelt ist der bayerische Bischof Klemens Wenzeslaus, über den Muggen-
tluileri-') gearbeitet hat, ein Sohn Friedrich Augusts von Polen und Sachsen und der
Marie Josoj)ha, der ältesten Tochter Kaiser Josephs I. Da er einsah, dass infolge der
seidechten Schulverhältnisse „auch den besten Köpfen die Gelegenheit fehle, sich zu
bilden", machte er seinen Pfarrern zur Pflicht, auf die Besserung der voriiandenen und
die Einrichtung neuer VolksschiUen zu sehen, und richtete selbst 1783 nach öster-
reichischem Mustor Normalschulen ein, wobei ihm namentlich der Dillinger Professor
Anton Schneller zur Seite stand. Die Aufhebung des Jesuitenordens bot ihm die ge-
wünschte Gelegenheit, auch auf die Universität und das Gymnasium zu Dillingen sein
Reformwerk auszudehnen. —
Für die Geschichte der Unterrichtsanstalteu ist zunächst wieder durch Ver-
öffentlichung von Urkunden gesorgt worden; wir stellen die voran, die sich auf Uni-
versitäten und Akademien beziehen. Ernst Friedländer'--) hat auf die zwei
starken Bände der Frankfurter Matrikel rasch den Registerband folgen lassen. Er bringt
ein Personen- und ein Heimatsregister und luitiert darin einfach die Namen mit ihrer
Seitenzahl: das genügt vollkommen und hat das Erscheinen des Bandes beschleunigt
Für die Familien- und Gelohrtengeschichte, die Geschichte der Wissenschaft und Kultur
im Norden Deutschlands, aber auch in ferner liegenden Ländern, wie Polen und Ungarn,
bietet die Matrikel eine reiche Fundgrube. Die märkischen Adelsgeschlechter sind zahl-
reicher, als mancher glaid)v^n würde, vertreten, die v. d. Marwitz z. B. mit <51 Mitgliedern.
Aiich unter den Biirgerfamilien giebt es nicht wenige, die Generationen hindurch an
Frankfurt hielten und ihre Söhne dortliin entsendeten; war doch Frankfurt Ober ein
Jh. lang die Hauptvertretei-in des reformierten Glaubens in Deutschland. — Hooge-
weg'--^) stellt aus der Friedländerschen Ausgabe der Matrikel von Bologna die Namen
der dort, verzeichneten Westfalen zusammen. — Auf die Wichtigkeit der „rotuli", jener
Bittschriften, durch welche die Univei'sitäten von den Päpsten Benetizien und Privi-
legien zu erlangen suchten, hatte Denifle in seiner „Geschichte der Universitäten des
Mittelalters" zuerst hingewiesen ; „diese Petitionen gewähren besser noch als die Matrikeln
eine Uebersicht über den Besitzstand der Universität zu einem bestimmten Zeitpunkte:
sie geben gewissermassen den Durchschnitt der in der Matrikel fortlaufenden Zahlen-
reihen, orientieren über Zahl der Lehrer uiul Lernenden, über ihre Herkunft und Be-
ziehungen, die Rangordnung, Verteilung auf die Fakultäten und den Studiengang"
(Thorbecke). Keussen'--*) i)erichtet über sechs Kölner Rotuli, von denen der erste,
aus den Jahren 1389 — 13iK), in einer schlechten Abschrift, der zweite im Entwürfe vor-
handen ist mid von ihm im W^ortlaute mitgeteilt wird, während die Angaben Ober die
übrigen vier Rotuli sich auf die in der Matrikel enthaltenen Annaien und Rechnungs-
notizen stützen. — Thorbecke 125) legt einen sehr wichtigen Beitrag zur Geschichte
<1. Taulinenm zu Hörn bei namburfc.) Hainlmrif, Llttcke u. Wulff. 4". 7 S. — IM) A. Hopf, Anton Wolfradt, Mr«thi8ehofT. Wi«n.
Wien, Holder. 44 S. H. 0,72. — 120) O. H Uhsch, D. Kpformeu u. Kefomibestreb. aufd. Gebieto d Vulkiwrhule im <>hem HocbsMft
HaniborK u. d. FUrstbisch. Ad. Friedr. v. Seinsheiiii u. Fr. Ludw. v. Erthal. Bamberg, Huehuer. X, i09 H. M. :l.OO. — I2I> I..
Mn ggenth aler, D. Verdienste d. bayer. Kisrhofs Clemens Wenieslans um d. Ersieh.- u. Unterr.-We«en : MttESchO. 1,S. .11—41.
— 122) Altere Universitlts-MalriVeln. 1. Cniv. Frankfurt a.'0. Personen- u. Sachregister b««rb. r. E. Friedlinder. Bd. 3.
(= l'ulilik. aus d. k. preuss. Staatsarcli. Bd. 4'.».) Leipiitr, Hin 1. 1-V, «22 S. M. 20,00. - 123) Hoo-eweg. WestnU.
Studenten auf fremden Hoclisdiulen : ZVOWestfalen 49, S. 59—74. — tH) H. Keasaen, D. Kotuli d Kölner Tnir.:
MStadtAKOln 20, S. 1/38. — 125) Thorbeeke, SUtaU«u u. Reformation.'n d. ünir. Hetdelberg rom 16-18. Jh. Bar. t. d.
8*
I 6: 126-186. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. HG
der Universität Heidelberg in den Jahren 1558 — 1743, nämlich eine Ausgabe ihrer
Statuten und Reformationen, vor. Die Reformation (=ordinatio, Ordnung; später Statut)
des Kurfürsten Otto Heinrich eröifnet die Reihe und ist in ihrem ganzen Umfange
wörtlich abgedruckt. Von den späteren Statuten sind dagegen nur die Abweichungen
von den vorhergehenden notiert. Eine Ausnahme machen allein die völlig selb-
ständigen Statuten Karl Theodors, die völlig gedruckt werden mussten. — Ein Ver-
zeichnis der Leipziger Vorlesungen vom Jahre 1519 hat Buchwald ^26) in Zwickau ge-
funden. — Die schon von Koppmann angeregte Veröffentlichung der Matrikel des aka-
demischen Gymnasiums in Hamburg (1613 — 1871) hat Sillem^^T) durchgeführt. Die
eigenartige Anstalt sollte den Uebergang bilden von der Gelehrtenschule, dem Johanneum,
zur Universität; sie sollte aber auch solchen dienen, die eine allgemeine Bildung sicli
erwerben wollten, ohne später zu studieren. Ausser der Matrikel bringt S. Nachrichten
über die Entstehung der Anstalt und ihren Besuch. Er stellt die Namen später berühmt
gewordener Schüler zusammen, spricht über die Beteiligung der Zöglinge an den Kriegen
1813, 1848 und 1870, giebt in Tabellen Uebersichten über die jährlichen Immatrikula-
tionen, nebst Angabe der Rektoren, über die Heimat der Gymnasiasten und schliesst
sein äusserst verdienstvolles Werk mit einem alphabetischen Namensverzeichnis. Hier
sei hervorgehoben, dass zu den Schülern Basedow, Brockes, Hagedorn, J. A. Ebert,
J, J. Eschenburg und Varnhagen gehörten; unter den Lehrern sei wenigstens Reimarus
genannt. —
Andere Urkunden betreffen die Geschichte der übrigen Schulen. AI b. Richter^^S)
hat aus der kursächsischen Schulordnung von 1580 und aus dem revidierten synoda-
lischen Dekret von 1673 die Teile herausgezogen, die sich auf das Volksschulwesen
beziehen. Die Instruktionen für die devitschen Schiilen Kursachsens von 1724 und die
erneuerte Schulordnung für die Volksschulen von 1773 bringt er vollständig; voraus geht
eine den Text vielfach erläuternde geschichtliche Einleitung. — Die von Joh. Matthesiiis
1551 verfasste Kirchenordnung der Bergstadt Joachimsthal in* Böhmen, die Lösche^^ö)
vorlegt, zerfällt in zwölf Abschnitte, deren vorletzter vom Schulwesen handelt. In der
Stadt bestand eine Lateinschule; ihr Rektor war acht Jahre lang Matthesius selber, der
auch in seinen Predigten sich wiederholt begeistert über die ungeheure Wichtigkeit
des Schulwesens geäussert hat. Neben der Lateinschule bestand eine deutsche oder
Rechenschule und eine Mädchenschule. In seiner Stadtchronik giebt Matthesius ein
Verzeichnis der in der Lateinschule aufgeführten Schulkomödien. — Einen wichtigen
Beitrag über das Schulwesen Münchens im Jahre 1560 verdanken wir Daisenberger^^o^^
Aus den Protokollen einer Freisinger Schulvisitation geht hervor, dass es damals in
München zwei Pfarrschullehrer, einen Poetenschulmeister und neunzehn deutsche Schul-
meister gab. Letztere hielten mit Erlaubnis des Rates Privatschulen, ohne jedoch von
der Stadt besoldet zu sein. — Die von Schraufi^i) gedruckte Ordnung Kaiser
Rudolfs II. für die deutschen Schulmeister und Schulmeisterinnen in Wien vom Jahre
1579 gehört zu jenen Verordnungen, welche dem Vordringen der Reformation in Oester-
reich ein Ziel setzen sollten. Die Förderung der katholischen Interessen tritt durchaus
in den Vordergrund. Vor sektischen und schismatischen Schriften wird gewarnt,
deutsche Psalmen und Gesänge von evangelischen Autoren werden verboten, für die
Lehrer wird eine Prüfimg der Rechtgläubigkeit angeordnet, als Grundlage des ganzen
Unterrichts aber dient der Katechismus des Canisius. — Windhaus 132-I33j veröffentlicht
aus den Akten der Grossherzoglichen Realschule und des Progymnasiums zu Friedberg
in Hessen die Schiilgesetze der Lateinschule zu Mansfeld um 1580 und einen Rechen-
schaftsbericht über die Leitung der Schule zu Schneeberg vom Jahre 1564. — Aus dem
Archive der ehemaligen schwäbischen Reichsstadt Memmingen hat Reichenhart^^*)
eine undatierte städtische Schulordnung herausgegeben, die der zweiten Hälfte des 16. Jh.
angehört. — Eine „Christliche Schulordnung und Gesetz für die deutschen Knaben-
schulmeister" derselben Stadt, die vierzehn Artikel aufweist, bietet 0. Braun i35j, —
Der Dorfschulgeschichte, einem noch wenig bebauten Gebiete, gehören die Veröffent-
lichungen von J. G. Weissiäß) und L. H. FischeriäT) an. Aus den Akten des Adels-
bad, hist. Kommission. Leipzig, Duncker & Humblot. 4". XXVI, 384 S. M. 16,00. — 126) (Buohwald), Vorlogung u.
Verzoiclinis d. Vorlosungen an d. Univ. Leipzig v.J. 1519: MAVZwicltau 3, S. \IX. — 127) T). Matrikel d. akad. Gyiun. in
Hamburg 1013—1883. Eingel. u. orl. v. C. H. W. Sillem. Her. v. d. Kellinghnscu-Stiftung. Hamburg. Gräfe & Sillem. 4".
V, XXXII, 238 S.M. 10,00. —128) Alb. Richter, Kursächsische Volksschnlordnungon 1580-1773. Mit e. Einl. (= Neu-
drucke pnd. Schriften, her. v. A. Richter. 4.) Leipzig, R. Richter. 93 S. M. 0,80. — 129) G. Loesche, D. Kirchen-,
Schnl- u. Spitalordnung v. Joachimsthal. E. Kultus- u. Kultarbild a. d. Reformationszeit ItlUimens. Dekanatsrodo in erweit.
Gestalt. Wien, Manz. 54 S. M. 0,80. |[GGA. N. 14; ThLZ. N. 18; PKZ. N. 30; DLZ. 1.3, N. 23; HZ. 70, 1; ZKG. 1893,
S. 561; DZKRIIIF. S. 414; ThJB. S. 486; Bl. N. 31/2; Polybiblion 1892, S. 180.]| - 130) Daisenberger, Z. Schulwesen
Wünchens im J. 1500: MüESchG. 1, S. 63—01. — 131) K. Schranf, E. Scliul..rdiiung Kaisers Rudolfs II. Mir d. dtsch. Schul-
meister n. Schnlmcisterinnon in Wien v. J. 1579: ib. S. 215—21. — 132) Windhau.s, Schulgesetze d. Lateinschule zu Mans-
feld um 1580: ib. S. 221-37. - 133) id., D. Schule zu Schneeberg unter d. Rektor Paul Obermeier 1555—75: ib. S. 197—215. —
134) E. Roiohenhart, E. Schnlordiiui g d. Lsiteinschulo zu Monimingen aus d. 16. Jh.: ib. S. 69—83. — 135) Br«un,
E. reichsstadtische (Memroinger) Schulordnung v. 1596: SUddSohulbote 55, S. 28/9. — 136) J. G. Weiss, Z. Gesch. d. Schule
117 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts wesens. I 6: ia7-iS3.
heinischtMi FainiheuarcliivB liat W. Schulordnungen, Bestallungen, Erlasso über Ein-
kommen \ni(l Examina, die sich auf die Schule von Wachbach in dem Zeitraum von
1585—1805 beziehen, liorauHgogeben ; auH F.s Tabelle erfahren wir nicht nur Genaueres
über den Besuch sclilesischer DorfHchulen, sondern auch über das Unttirrichtsponsum
der drei Klassen. — J. G. Weissi^) macht auch einen Plan der Reichsritterschaft des
Ritterkantons Odenwald vom Jahre 17<»2 bekannt, eine Ritterschule und ein Waisen-,
Zucht- und Arbeitshaus zu eirichten. — Eine wertvolle Ergänzung zu den Schulordnungen
bieten die Visitationsprotokolle. Erst aus diesen kann man ersehen, wie weit die in
den Sciuilordnungon enthaltenen Vorschriften zur Ausführung gelangt sind, und man
erhält daher durch sie ein richtiges Bild von den wirklichen Verhältnissen. Koldewey»»»)
hat eine solche Ergänzinig zu seinem umfassenden Werke „Die Braunschweigischen
Srhulordnungen" (JBL. 18«K) I (> : 55) gegeben. — Sehr wichtig für die Geschichte der
Äletliodik sind Stunden- und LehrpUüu!, da aus ihnen deutlicher als aus anderen Doku-
menttMi erkannt werden kaini. welche Unterrichtsfacher und in welchem Umfange sie
betrieben wurden. Auf die Beiträge, die R. Beck'<"), G. Müller •<•) und G. Stephan'**)
in dieser Richtung geliefert halben, sei hiermit hingewiesen. — Die Sammlung und
Herausgabe von Bestallungs-, Berulungsurkunden, Lehrerzeugnissen war im Plane der
Momnnenta Germaniae Paedagogica als eine notwendige Aufgabe hingestellt worden.
Auf diesem Felde sind Falk««), L. H. Fischer»^*), Kabatnik'*'*), G. Müller'*«),
Neunianni*'') ;„id Schoneckei''8) thätig gewesen. — Ebenso wichtig ist die Sammlung
von Notizen, die über die Schule berichten, ohne ihr selbst zu entstammen. Wir ver-
weisen hier auf eine kleine Arbeit von Falki-'ö), — Ueber die Anforderungen, welche
früher an die Kandidaten des höheren Lehramts gestellt wurden, unterrichtet das von
Busch mann 150) veröffentlichte Protokoll über die Prüfung eines Kandidaten Meyer
vom Jahre 17t)L In der deutschen Sprache wurde nur Kenntnis der Grannnatik von
Adelung vorausgesetzt. — G. Stephan'si) giebt nach Akten des Rödlitzer Pfarrarchivs
eine Zusammenstellung d^r Accidentien und Besoldungen, die der dortige Schulmeister
1773 bezog. Diese Notizen dürfton einen über die Geschichte der Pädagogik hinaus-
gehenden Wort besonders für den Kulturhistoriker haben. —
Zu den Urkundenpublikationen gesellen sich darstellende Werke. Den Univer-
sitäten und Akademien gelten zunächst einige Arbeiten allgemeiner Art. Zöller'*2)
spendet eine eingehende Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Universitäten
und der technischen Hochscliulen. Hinsichtlich ihrer gegenseitigen Stellung mid ihrer
Bedeutung in der Kultur sind ihm beide in ihrer Eigenart von gleich hohem Werte:
beide in ihrer Gesamtheit bilden aid" der heutigen Kulturstufe die „univei-sitas litterarum'*.
Z. kommt am Schluss seiner Untersuchungen über die künftige Ausbildung des Hoch-
schulwesens zu dem Ergebnis, dass die einzelnen Akademien für Land- und Forstwirt-
schaft, für Berg- und Hüttenbau, für Tierarzneilehre usw. eingehen und nur zweigrosse
Gruppen, Universität und technische Hochschule, bestehen bleiben sollten, die das
Gesanitgebiet der Wissenschaft umfassten. — F. Stein'^^) liefert, auf reichhaltiges
litterarisches Material gestützt, zum ersten Mal eine Darstelhuig der Geschichte der
akademischen Gerichtsbarkeit, eines Rechtsinstituts, welches „zur Blüte des deut.schen
Hochschulwesens sein vollgemessenes Teil beigetragen hat". Er geht aus von jener
nach ihrem Anfangsworte „Habita" genainiten Konstitution Barbarossas von 1158,
welche dem ortsfremden. Scholaren das Recht verleiht, falls er vor dem Ortsgerichte
verklagt werden sollte, dieses abzulehnen und an stelle dessen sich von seinem Lehrer
oder von dem Ortsbischof abui-toilen zu lassen. S. charakterisiert sodann die,«*e Gerichts-
barkeit in Bologna luul Paris und sjnicht über die Universitäten als klerikale Körper-
schaften und ihre Exemtion von der weltlichen Gerichtsbarkeit. Als die Lebons-
berechtigung der Autonomie schwand, schränkte sich auch die akademische Gerichts-
zu Wachbacli: UGESchU. 1, S. 139—46. — 137) L. H. Fischer, Frequenx -Verhaltnisse e. Dorfschule im J. 1747i8: ib.
S. 90/1. — 138) J. O. Weiss, Ritterschule. W>ison-, Zucht- u. Arbeitshaus, geplant r. d. Frtnk Kitterschafl d. Rilterkantoos
Odenwald um 17t'>2: ib. S. 107—16. — 139) F. Koldowey, Herioht d. Oonerilscliulinspektors Christoph Sclirad<>r Db«r d. im
.T. 1(>50 abgoh. Visitation d. hOh. u. mitU. Schulen d. Herzogt. Kniunsehwc^ig-WolfenliUttol: ib. S. I5:{-(>8. — 140) K. Beck.
E. Stundeni>lan fUr d. Zwickauor Gelehrtenschnio t. 167Ö: ib S. 238— 1'2. — MI) O. llUller, E. Stundenplan d. Undesschnle
zu Scbleusingen : ib. S. ä4/5. — 142) G. Stephan, Lehr- u. Lektionsplau o Leipziger Wiukeischulo tat d. Jahre 1711: ib.
S. 14r> 8. — 143) Falk, Schulgeschicbtilches aus SeelonbUcliern: ib. S. 1-J1;'2. — 144) L H. Fi sc her. Kestallungsurkundo Dir
d. z. Rektor d. gniuon Klosters in Berlin ernannten M. Wilhelm I.inden au« d. J. 1581 : ib. S. 237 X — 145) F. Kabatnik.
Zeugnis i°Ur d. Dorrschulmeister Ignatz Böhm aus d. J. 17»*7. Riiik3mmen desselben auf d. Schulstelle in Seidnrf: ib.
S. 161/2. — 146) G. MUller, E. Lehrerzougnis aus d. J. 1693: ib. S. 8)>i7. — 147) Neumann, E. Beruftangaurkunde fUr d.
Lehrer zu Haninierstadt (Oberlausitz) aus d. J. 17S0: ib. 8. 8S -90. — 148) W Schonecke. Uenricus Nigidius. Kantor am
Joh»nncura zu Lüneburg v. 1539—49: ib. S. 124—30. — 149) Falk, D. Rector .-colanim la Nenhausen bei Worms nach d.
Stittsst..tiilen 1507: ib. S. 122/4. ISO) J. Buschmann. E TrUluiig für d. h-3h. Lehrfach vor 100 Jahren: ib. S 255-64. —
151) G. Stephan, Einkommen d. Schulstclle zu Rödlitz 1773: ib. S. 143—50. — ISS) Egon Zöller, D. UniversitHton u.
Teclinisehen Hochschulen. Ihre gesch. Entwicklung u. ihre Bedeutung in d. Kultur, ihre gegenseil. Stellung u. weitere Aas-
bildung. Berlin, Ernst. VI, 212 S. M. 500. HS rassbl'ost X. 92; BLU. S. 619-20.] | — ISS) F. Stein, I). akaderoimshe
Gerichtsbarkeit in Deutschland. Leipzig, Birschfeld. XII, 161 S. M. 3,60. |[(Loeni)ng: LCBI. N. S9; O. Kaufmann: DL7.
I 6: 154-162. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. 118
barkeit ein, die Gerichte wurden zu Disciplinarbehörden für die Studenten. — Unsere
Kenntnis der Geschichte des studentischen Verbindungswesens ist selir gering. Wir
wissen weder, seit wann es diese Verbindungen gegeben hat, noch welcher Art ihre
frühesten gewesen sind. Von einer der zweiten Hälfte des vorigen Jh. angehörigeii
Form, dem Orden, hat W. Tabricius^^*) ein detailliertes Bild aus der gleichzeitigen
Litteratur zusammengestellt. Er weist nach, dass dieselben aus den Landsmannschaften
hervorgegangen sind. Diese lassen sich bis in den Anfang des vorigen Jh. zurück-
verfolgen. —
Die Reihe der Schriften über einzelne Anstalten wird durch Schwebels^^^)
Arbeit über die Universität Berlin eröffnet. Der Vf. bietet in seiner auf die weiteren
Kreise der Gebildeten berechneten Darstellung einen Abriss der Geschichte der Frank-
furter Alma mater Joachimica, der Vorläuferin der Berliner Hochschule, und betrachtet
diese selbst dann bis zum Jahre 1890. — Hörn ing !•'''') hat mit seinem Werke über
J. Pappus, das in erster Linie der Kirchengeschichte zu gute kommt, auch für die
Geschichte der Strassburger Universität und für die Charakteristik Sturms neue Beiträge
geliefert. — Der von Häckermaniii^'') besprochene Bertold Seegeberg (j- 1460) hat
seinem Freunde Rubenow bei der Gründung der Universität Greifswald wacker zur
Seite gestanden und ist erster Dekan der Artisten gewesen. Sein Sohn Arnold Seege-
berg ( — 1506), bacc. theol., doctor utriusque, war ebendaselbst Professor und Ordinarius
der Jiu-istenfakultät, auch Offizial des Bischofs von Kammin und 1479, 1481, 1483
Rektor; dami ging er an die Rostocker Hochschule, deren Rektorat er 1486, 1491, 1493
führte, dann 1500 als Ratsherr nacli Stralsund. — Die Geschichte der Universität
Leipzig ist wiederum, wie im vorigen Jahre, durch einige wichtige Beiträge bereichert
worden. R. Becker ^s^) schildert Hoffmanns Verdienste um die Gründung der Univer-
sität. Er gehörte zu den Deutschen, die 1409 Prag verliessen; bei dieser Gelegenheit
tritt B. dem Mythus von einem gemeinsamen Auszug der Deutschen aus Prag und
darauf folgendem Einzug in Leipzig mit treffenden Gründen entgegen. Sodann bespricht
er die Begründung der Universität Leipzig, die Festsetzung der ersten Statuten, behandelt
Hoffmanns Rektorat (1413), die Gründung des Kollegiums B. Mariae Virginis und er-
örtert Hoffmanns Stellung zur Kirche und zu den Hussiten sowie scJiliesslich seine
Bedeutung als Schriftsteller. Der Anhang bringt einen wörtliclien Abdruck der Auf-
zeichnungen, die Hoffmann während seines Rektorats im „Rationarius fisci" gemacht
hat. — Von Manni^*^) sind die Nachrichten zusammengestellt worden, die sich auf die
meln-fach erfolgte Verlegung der Leipziger Universität nach Meissen beziehen. Der erste
Anlass war die 1519 herrschende Pest: statt der 223 Studenten des Sommers wurden
im Winter nur 75 Studenten inskribiert. Wieviel Universitätsangehörige nach Meissen
gingen, bleibt unermittelt. Im Jahre 1546 flüchtete man vor dem zur Berenn ung
Leipzigs heranziehenden sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich. In diesem W^inter
wurden nur 61 Studiosi, davon 10 in Meissen inskribiert. Den damaligen Rektor
M. Constantin Pflüger haben nur wenig Universitätsangehörige begleitet. Camerai'ius
ging nach Merseburg und von da nach Zerbst und Dessau; sein griechisch gescliriehener
Kommentar über den Schmalkaldischen Krieg erzählt auch von Leipzigs Belagennig. —
Namhafte Historiker, wie z. B. Krones, berichten, dass am Ende des 18. .Jh. Freiburg
i. Br., ebenso wie Graz, Brunn und andere österreichische Universitäten, aufgehoben und
in ein Lycevxm verwandelt worden sei. So wenig ausgeprägt war also damals der
Charakter dieser Hochschule. Trotzdem hat sie, wie Wolf^''^) zeigt, ununterbrochen
als Universität fortbestanden, obwohl ihr obendrein durch die Aufhebung der geistlichen
Zehnten im Elsass von Seiten der französischen Nationalversammlung zwei Drittel ihrer
Einkünfte verloren gingen. Als dann 1793 der Krieg von Frankreich näher kam, erbot
sie sich, ihre Kirchenschätze zum Wohle des Staats hinzugeben. Freilich zeigen W.s
Ausführungen auch überall den engen Kreis, in welchem sich die Universität wie deren
Kuratoren in Wien bewegten. — Zwei sehr wichtige und interessante Beiträge zur
Geschichte der Kölner Universität hat Keussen^ßi-i*»-) geliefert. Da das auf die Kölner
Universität bezügliche Material überall hin verstreut und eine umfassende Ausgabe von
Universitätsurkunden und Matrikeln noch nicht bewirkt worden ist, so ist bis jetzt eine
Darstellung der Geschichte der Universität, so erwünscht sie auch sein muss, noch nicht
13, N. (i; Tlioramen: M.JÖG. 13, S. 055.]| — 154) W. Fabricius, D. Studeriteuortloii d. 18. Jh. u. ihr Verhältnis zu d.
Kleichzeitigeu Landsniannschaften. Mit 4 Tafeln. Jena, Döhoreinor 102 S. M. 3,00. | [Taute: BauhUtte 1892, S. 184; LCBl.
J8S)3, N. 3.|| — 155) 0. Schwebol, 1). Univ. Berlin. Frankfurts Aluia mater Joachiiniua u. d. Friedr-WillL-Univ. zu Berlin.
Mit zahlr. lllustr. (.= Auf dtsch. Hochschulen 3.) MUnchcn, Akad Monatshefte. 4". 90 S. M. 3,00. — 156) W. Horning,
Dr. Johann Pappus v. Lindau 1549 — 1610, Münsterprediger, Univ.-Prof. usw., aus unbonlltzton t'rk. u. Manuskripten. Strassburg,
Heitz. VIT, 323 S. M. (i,00. - 157) H äckormann , Borth. Segeberg: ADB. 33, S. 592. - 158) K. Becker, Job. Hoffmann.
d. nachnial. Biscliof Joliann IV. v. Meissen. Seine Wirksamkeit an d. Univ. Prag u. Leipzig. 1. Leipziger Diss. Urossenliain,
Baumert & Konge. 69 S. M. 1,00. — 159) M. Mann, l). Verlegung d. Leipziger Univ. nach Meissen: MVüMoisseu 3, S. 1—6.
— 160) Wolf, Z. Gesch. d. Universität Freiburg: AZgn. N. 194/Ö — 161) II. Keusson, D. Stadt Köln als Patronin ihrer
Hocbschule. 2 Teile: WZ. 9 u. 10, S. 344—404 u. «2—104. — 162) id., I). Kölner Juristenfakultllt im Mittelalter. 16 S.
119 K. Kehr 1) ach, Gewchichte des Unterrichtswesens. I 6: i(»-i«6a.
zu stände gekommen. Nur fttr einzehm speciellere Themata, zu denen auch die von K.
hearheitüton gehören, liegen die Materiahen einigermasjsen zusammen. Aus der ersten
Abhandhing geht hervor, dass der Köhier Rat es war, der unter Beihülfe des geist-
lichen Klements die Lehrer berief und das Generalstudium gründete, daher auch die
Verpflichtung hatte, für die Universität zu sorgen. Wie das geschehen ist, das schildert
K. auf Grund der ihm vorliegenden Urkunden sehr anschaulich. Wir erfahren Näheres
über Gebäude und Einrichtungen, über Besoldung der ordentlichen Professoren, über
die Beschaffung der I'fründon, über die Schutzherrschaft, die von der Stalt gegenüber
der Universität ii.- und ausserhalb der Stadt ausgeübt wurde, über die Regelung der
Kücht.sverhältnisso zwischen Stadt und Universität, über die Accisefreiheit der letzteren;
schliesslich wird einiges berichtet über die Konflikte, die zwischen Bürgerschaft und
Universität ausgebrochen waren, und über das Aufhören des Privilegiengenusses. An-
gehiingt sind der Arbeit der Vortrag zwischen Universität und Stadt vom September
1507 und eine Inhaltsangabe des Buclies der Provisoren. — Als führende, der Hoch-
schule den Glanz und den ('haraktcr gebende Fakultät erscheint in Köln die juristische.
Sie war jedenfalls von dem Rate schon bei Gründung der Universität 13HH reich be-
dacht; fast bis in die ersten Jahre lassen sich die sämtlichen damals üblichen Lehrstühle
nachweisen, die drei der Kanonisten für Decretalen, Neues Recht (Liber se.\tus und
Clomentinen), Decretum, die zwei der Legisten für Codex, Digesten, und eines jüngeren
Docenten für Institutionen. Die Lehrenden bezogen aus der Besoldung des Rats, aus
geistlichen, der Universität tibereigneten Pfründen und aus ihrer Privatpra.vis ein gutes
Kinkommen. Meist überstieg ihre Zahl die für das Collegium facultatis festgesetzte
Noiiii von 12; im Jahre 143<) hatte Köln an der Universität und in anderen Stellungen
24 Doktoren des Rechts und einige Jahre später sogar über 30. Die Fakultät war,
was man bisher kaum gewusst, viel weniger, von Stintzing abgesehen, voll gewürdigt
hat, nicht bloss die älteste, sondern auch die eifrigste und bedeutendste Pflegerin des
römischen Rechts. — R. von Molils"*^') Büchltin über Sitten und Betragen der Tübinger
Studenten im IG. Jh. ist neu gedruckt worden. Es bringt uns eine bunte Fülle von
277 Auszügen der Tübinger Universitätsakten, welche, wenn sie auch begreiflicherweise
kein vollständiges Bild bieten können, denn sie betreffen ja nur die sog. Schattenseiten,
so doch als unmittelbare Zeugnisse eine lebendige Vorstellung von jener Zeit verschaffen.
Wie damals die Bürger der Städte von ihrem „Ehrbaren und Wohlweisen*' Rate für-
sichtig bevormundet wurden, so regelten die „constitutio et ordinatio scholasticae
universitatis studiorum Tubingae" von 1518, die Statuten von 1575 und zahlreiche
Senatserlasse das Leben und Gebahren der cives academici bis in das kleinste. Die
von M. ausgezogenen Protokolle beweisen freilich, wie wenig diese Bestimmungen von
den Studenten befolgt worden sind. Es wird da geklagt über das „grausame Mordgeschrei,
Toben und Wüten uff der Gassen", zumal nächtens, über das Fenstereinwerfen, das
Lautenschlagen, Rühren von Saitenspiel und Absingen schändlicher Lieder wie das von
den sieben Nonnen, über die Fastnachtsmummereien, über die „pugnae studiosorum cum
oppidanis", wobei sie bisweilen „mit Streich tüchtig abgetöffelt worden*', über die
„Schlachthandlungen" der Studenten untei einander, über ihr lockeres Leben mit Weibs-
personen, das Fluchen wie „Stenisakrament" oder „das Feuer soll vom Himmel fallen'',
sogar über Fälle, wo sich Studenten dem Teufel versclirieben hätten. — Hartfelder "'•^-''^'i
gab auch in diesem Jahre Beiträge ziir Universitätsgeschichte und zwar zur Geschichte
der akademischen Feste und der Methodik des akademischen Unten-ichts. Die akade-
mischen Feste waren im Mittelalter, da die Universitäten kirclüiche Anstalten waren,
immer die Festtage des Kirchenjahres. Die heilige Katharina, deren Gedenktag auf den
25. November fällt, war die Patronin der Pariser Artistenfakultät gewesen, und da die
Pariser Einrichtungen auf die deutschen Universitäten übergingen, wurde auch auf
deutschen Universitäten das Katharinenfest gefeiert. Daraus erklärt sich, dass aus dem
15. und 16. Jh. eine grosse Anzahl von lateinischen und deutschen Gedichten sowie
Erzeugnissen der bildenden Kunst überliefert sind, die sich auf die Schicksale der Id.
Katharina beziehen. Eiten Teil des Aufsatzes bildet der Wiederabdruck einer latei-
nischen Rede zu Eluen der Katharina, die von Galtz (Gallus, Galliens) aus Ruffach im
Elsass um 1-480 in Heidelberg gehalten ist. Sie ist „dadurch sehr merkwürdig, dass
sie sich nach einer nicht allzulangen Einleitung zu einem Dialoge zwischen der Id.
Katharina, die selbst redend eingeführt wiu-de, und einem jungen Menschen, gewi.«<s einem
in Heidelberg studierenden Artisten, gestaltet. Wir nehmen dabei gewiss mit Recht an,
dass Galtz selbst die der Heiligen in den Mund gelegten Worte gesprochen hat. So
gewinnt die kirchlich - akademische Feier einen pädagogischen Charakter; es ist ein
— 163) R. von Mohl, Sitten u. Retragon d Tnhin-;or StiiJcnt'n wnlirend d. 1«. Jh. 2. Aufl.. nou« Aunpahp. Frei-
buis, Molir(Siobeck). 7» S. M. 1,(K). — 164» K. Uartfelder, ü Katharinenfest d. Heidolbonrer Artistenfakultät: NHJb».. 1. S. 52— 71.
— 165) id., Aus e. Vorlesung Melanchthona über Ciceros Tuäknlaueo: MGESehU. 1, S. 16d-77. - 165«) J. Reinkc.
I 6: 166-173. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. 120
charakteristischer iG'chulakt, der, entsprechend der Eigentümlichkeit der mittelalterlichen
Hochschulen, nicht im Schulraum, sondern in der Kirche stattfindet". — Die dargebotene
Vorlesung Melanchthons über Ciceros Tuskulanen ist einer alten Hs. entnommen, die
wahrscheinlich das Bruchstück eines von einem unbekannten Studenten nachgeschriebenen
Kollegienheftes ist. Wir erhalten hier ein Bild der im 16. Jh. an den Universitäten
üblichen Interpretation lateinischer Schriftsteller, die von der heutigen wesentlich ver-
schieden ist. Wie Melanchthon überhaupt liebte, zur Veranschaulichung hie und da
kleine Anekdoten aus seinem Leben einzuflechten, so hat er auch hier aus seiner Heidel-
berger Studentenzeit eine Episode und damit einen Beitrag zu seiner Biographie mit-
geteilt. — Hingewiesen sei noch auf die Rektoratsrede von Rein kei^öa), der den inneren
Organismus der preussischen Universitäten von heute erörtert. — Die JBL, 1890 be-
sprochene Geschichte der k. k. Theresianischen Akademie in Wien, die von J. Schwarz
bis in das Jahr 1865 geführt wurde, hat zwei Ergänzungen gefunden. Salamoniß^) giebt
in sechs übersichtlichen Tabellen eine Schülerstatistik der Anstalt von 1866 — 1890, die
sich über Zahl, Geburtsorte, Muttersprache, Religionsbekenntnis, Versetzung und Ma-
turitätsprüfung der Schüler erstreckt. — Theni'^'') liefert einen wertvollen Beitrag zur
Geschichte der Methodik des naturgeschichtlichen Unterrichts; möchten doch auch für
die andern auf der Theresianischen Akademie gelehrten Fächer gleiche Monographien
erscheinen. —
Unter den Arbeiten, die die Gescliichte der übrigen Schulen darstellen, be-
handeln mehrere das Schulwesen grösserer Bezirke. Von dem Werke der beiden
Lobe 1*^8) (Vater und Sohn) über die Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzog-
tums Sachsen-Altenburg sind die beiden letzten Lieferungen erschienen, die die Nach-
richten über die Ortschaften der Ephorie Kahla zusammenstellen. Das nunmehr voll-
endete Werk, dessen Gegenstand zwar bereits 1840—49 in der „Kirchengalerie", doch
sehr ungleich, behandelt war, giebt in seinem ersten Teil eine kirchliche und statistische
Uebersicht, in seinem zweiten eine Kirchengeschichte des Herzogtums Altenburg, in
seinem dritten und vierten eine detaillierte Kirchen- und Schulges^ririchte der einzelnen
Gemeinden. Die drei ersten Abschnitte (Bd. 1 u. 2) hat L. Vater, der verdienstvolle
Herausgeber des Ulfilas (1836 — 43), den vierten (Bd. 3) L. Sohn bearbeitet. Es würde
gewiss einen Fortschritt bedeuten, der nicht nur der Kirchen- und Schulgeschichte zu
gute käme, wenn auch für andere Landesgebiete so eingehende Zusammenstellungen
über Kirchen- und Schulverhältnisse veranstaltet würden. — Geyer i^^)^ bringt ebenfalls
einen Beitrag zur Altenburger Schulgeschichte in seinem Verzeichnis der Altenburger
Gymnasialabiturienten der Jahre 1808 — 1891. — Koldewey i™) hat die Ergebnisse
seiner Forschungen auf dem Gebiete der braunschweigischen Schulgeschichte, die er in
dem zweibändigen Sammelwerke der „Braunschweigischen Schulordnungen" (JBL. 1890
I 6 : 55) niedergelegt hat , zu einem kürzeren, abgerundeten Gesamtbilde zusammen-
gefasst. Die Schrift, welche in erster Linie für die Kreise der braunschweigischen
Lehrer, Prediger und sonstigen Schulfreunde bestimmt ist, wird auch über die Grenzen
des Herzogtums hinaus weite Verbreitung finden, da dieses jederzeit eine Pflegstätte
geistiger Bildung gewesen ist und den Nachbarstaaten oft bei der Einrichtung ihrer
Unten-ichtsanstalten als Muster gedient hat. Bei der Auswahl des Stoffes ist der Vf.
weder zu ausführlich noch zu knapp; von einem Nachweise der Quellen ist Abstand ge-
nommen. Das Werk umfasst die Zeit von der Mitte des 9. Jh. bis 1831. Es wäre sehr
zu wünschen, dass K. seine Absicht ausführte, die Geschichte bis auf die Gegenwart fort-
zusetzen. — Ein um die pommersche Geschichtsforschung verdienter Gelehrter, Wehr-
rnann I7i-172^^ j^a^^ wiederum einige auf die Schulgeschichte Pommei-ns, besonders Stettins
bezügliche Aufsätze veröffentlicht, Bausteine zu einer vollständigen Geschichte des Stettiner
Pädagogiums, deren Bedeutung bei der Eigenart der Anstalt weit über die Specialschulge-
schichte hinausreichen dürfte. — L. H. Fischer i''^) bringt in seinen gesammelten Auf-
sätzen zwei Beiträge zur Berliner Schulgeschichte im vorigen Jh., die er aus bisher nicht
veröffentlichten Akten des Geheimen Staatsarchivs geschöpft hat. — Ueber das Berliner
Schulwesen von 1836 giebt uns aus den Aufzeichnungen eines gleichzeitigen Chronisten
D. preiiss. Universitäten im Lichte d. Gegenw. Rede geb. bei Antritt d. Heklorats d. Univ. in Kiel am 5. März. Kiel (UiiiversitätsbiuOi-
bdlg. Töcbe). aas. — I66)L. Salnnion, ScbUlpr»tatistilc zur Gesch. d. Tberes.-Oymn. zu Wien v. 1866-90. (;^ Keitrr. z Gösch d. k k.
Tlieros. Akad. unter d. Kuratorium Schinerling.i JB. d. Gyinn. d. k. k. Theiesian. Akad. in Wien. S. 5-22. — 167) Kr. Then,
1). naturgesrh. Unterr. u. d. uaturgescli. Hilfsmittel an d. k. k. Tlieres. Akad. zu Wien: ib. S. 23 — 55. — 168) J. u. E. Lobe,
Gesch. d. Kirchen u. Schulen d. Herzogtums Saclisen-Altenburg auf Grund d. Kirchen-Galerie bearb. 36. Lief. (S. 673 — 720),
36. Lief. (S. 721-72). Vollst. 3 Bdo Altenburg, lionde. M. 36,00. HThLHl. N. 23.|| — 169) Geyer, Yen. d. Abiturienten
d. herzogl. Friedrlclisgjinn. in Altenburg v. 1808 an. ebda. 32 S. — 170) F. Koldewey, Gesch. d. Schulwesens im
Herzogt. I'raunschwoig v. d. UlteHten Zeiten bis zum Regierungsantritt Herzogs Wilhelm im J. 1831. Im Überblick dargest.
Wolfenbllttol, Zwisslor VIII. 248 S. M. 3.00 — 171) M. Wehrmann, Z. Gesch. d. Stettiner Pädagogiums: MBUGPommG. 5,
S. 71/5, 82/7, 101/6, 121/4. 152/0, 180/3 — 172) id., Zwei Erlasse d. Herzog« Job. Friedrich v. Pommern Über d. Disciplin am
nirstl. Pädagogium in Stettin (1593): MGESchG. 1, S. 116/21. - 173) H. L. Fischer, Aus Berlins Vergangenheit. Ges. Auf-
sätze. Berlin, üehmigko (Appelius). IV, 205 S. M. 2,00. (Berliner Schulhulter im 18. Jb. S. 1/19; Die Schulen u. Erziehungs-
121 K. Eehrbach, Geschichte des Unterrichtswesen». I 6: i74-i82.
Bellardi''*) bemerkenswerte Notizen. Berlin mit einer Viertelmillion Einwohner hatte
•l.uiials, auHser dein IHBO eingerichteten luid unter Diesterweg (1832—1847) stehenden
Stadtscmiimr, von welchem der Chronist rühmt: „Ihm ist zu gutem Omen das Haus einge-
räumt, in welchem die König). EnthindungKsciudo sich früher befand", B königlich«, 8 städti-
sche Gymnasien, 2 Realschulen, 3 höhere Knabenschulen, 2 höhere Töchterschulen,
2 Mittelschulen. Ausserdem gab es eine grosse Anzahl von Nachhilfe- sowie Sonntagsschulen;
an letzteren wurde von 3—5 Uhr in Ileligion, Rechnen, Lesen und Schreiben unterrichtet
Ferner bostundon, seit 1793, Erwrrbschulcn für Mä«lchen, an welchen die Schülerinnen ihr
Schu]g(3ld mit Handarbeiten bozahlton. Endlich war es Ernst Eiselen gelungen, iwei private
Turnanstalten ins Leben zu rufen. — Aus dem Nachlasse von W. Crecelius •'*),
des Vaters der Bergischen Geschichte, hat Harless eine Reihe von Aufsätzen über
Bergisch-Niederrheinische Geschichte herausgegeben, unter denen sich auch die in den
Eiberlelder Gymnasialprogrammen von 1HH(), IHH'2, IHHH bereits veröffentlichtcTi Arbeiten
über die Anfange des Schulwesens in Elberfeld befinden. C. tritt dem immer wieder
von neuem auftauclienden Irrtum entgegen, dass das Mittelalter nur Stifts-, Kloster-
und städtische oder Pfanschulen gehabt hal)e; es seien in der zweit<?n Hälfte des Mittel-
alters nachweisbar auch in Flecken und Dörfern Elementarschulen vorhanden gewesen,
in welchen kein Latein, aber Deutsch, Lesen und Schreiben gelehrt wiirde. Ja, später
habe es in dieser Hinsicht schlechter gestanden als früher: z. B. war die bayerische Re-
gierung 1575 — IGK) bemüht, ältere Dorfschulen eingehen zu lassen. Die Beiträge, die
C. zui- Biographie des einstmaligen Elberfslder Rektors Job. Leonh. Weidner giebt, ver-
dienen hier besonders hervorgehoben zu werden wegen der Bedeutung, die Weidner
nicht nur als Schulmann, sondei-n auch durch seine Verbindung mit den Kreisen von
Opitz und Zincgref für die Litteraturgeschichte erlangt hat. Hat er doch die Zincgref-
scheu „Apophthegniata oder Scharpfsinnigen Sjn-üche der Teutschen", die er herausgab,
um einen starken Band von Sprichwörtern vermehrt, die er selbst mühsam ge-
sannnelt hatte. Voll Selbstgefühl stellt er diese Sprichwörter den Apophthegmaten
Plutarchs zur Seite und hält sie für schlagende Beweise der Scharfsiiuiigkeit der Deutschen,
die viele für „Böotier, die nicht über eins zählen könnten", ansehen möchten. Eine
spätere Ausgabe wurde von Chi-istian Weise eingeleitet. — Hier sei auch auf
Bräniers !■'**) verdienstvolle Mitteihmgen zur Statistik des Bergischen Unterrichts hin-
gewiesen. — Ueber die Kirchen- und Schul Verhältnisse Mitaus in den ersten fünfzig Jahren
seines Bestehens, etwa von 1572—1630 berichtet G. Otto"') nach den Akten des alten
Notariats-Archivs im kurländischen Konsistorium. Danach wurde 15t57 in Mitau der
Bau einer Schule angeordnet, welche 1595 schon einen Rektor und einen Kantor be-
sass. — C. Schmidt 178) bespricht die Periode der Schulgeschichte Weimars, in der die
Bestrebungen des Ratichius in Kromayer einen beredten Anwalt fanden. Zum ersten
Male wird auf Grund noch nicht bekannt gemachter Akten ein Ueberblick über die
Thätigkeit der zur Schulreform einberufenen Septemberkonferenzen von 1(536 gegeben.
Kromayer, der auch eine deutsche Grammatica geschrieben hat, starb, ohne seine Hoff-
luuigen erfüllt zu sehen. — Da aber Herzog Ernst von Gotha mit Andreas Reyher in
Kromayers Fusstapfen trat, so wurde, was in Weimar nicht möglich war, in Gotha zum
grössten Teile zur Ausführung gebracht. Die Bemühungen beider Männer sind von
Ehr'''^) ausführlich dargestellt worden. Unter den zahlreichen, mit vielem Fleiss
zusammengetragenen Litteraturangaben fehlen die „Monumenta Germaniae Paedagogica"
gänzlich. — Mit einem Beitrage zur Geschichte des Dorfschulwesens der Diöcese Grimma
hat Däbritz'so) ^in Vorbild geschaifen, dem eine recht vielseitige Nachahmung zu
wünschen ist. Auf Grund der Visitatioiisakten verfolgt er schrittweise die Entwicklung
der Katecheten- und Kinderlehrerschulen, in denen in der ersten Zeit ihres Bestehens
der Dorfküster gemäss den Bestimmungen der Kirchenviaitation von 1529 die Aufgabe
hatte, der Jugend das Vaterunser, den Glauben luid die zehn Gebote beizubringen. Hier
liegen die ersten Anfange des jetzt so blühenden sächsischen Volksschulwesens. — Zur
Geschichte und Statistik des Volksschuhvesens in Gohlis hat E. Hasse i^') Beiträge bei-
gesteuert. —
Zalilreich sind die in Programmen veröffentlichten Mitteilungen zur Geschichte
einzelner Anstalten. Germann •**^) schildert die Entstehung und Entwicklung der
aiisUltoii vor 100 .lahron S. 19—61.) — 174) V. Bellardi. Aus d. Berliner Schulwesen TOr 55 Jahran: VZf». N. 17. — 178)
W. ('recelius. Z. Gesch. d. Wuppertliales. 5. D. Anfttngo d. Schulwesens v. Elherfeld u. J. t. W«idenrr, Koktor d. L»t«in-
srliiile: ZKergGV. 27, S. 211—59. — 176) K. Brinier, Milteil. Oher d. Entwicklung d. Kirchen- n. Schalwesens im ehem.
Ilerznglumn Merg: ZStatintBureau S. 04 — 80. — 177) U. Otto, (htr d. Kirchen- u. Scbalverhlltniss« Mitaos in i. i. Hilft«
d. 1(1. Jh.: SItKurlandGs. 1890, S. ,5-14. — 178) C. Sehmidt, Weimurs Sohiilrerhiltnisüe ». Zeit d. .30j. Krieg«« .«periell
wilhroiul rt. .lahro l(i:l(i — 4,». Nach Studien in d. Archiven Weimars. Loiptiger l>iss. 100 S. M. 1.00. — 179) M. Ehr, Meitrr.
7, Kiruhen- u. Schulenverfassung d. Herzogtums Gotha his z. Tode Ernsta d. Eromni«n im J. 1675. ErlaDger Diss. 1:^ S.
M. 1,20. — 180) Dllbritz, Z. Gesch. d. ehem. Katecheten- u. Kinderlehrerschulen in d. DiOc«<ie Grimma (.Bericht Ober d.
Kgl. Sem. 1. u. 2.) Cirimma, Bode. 96 S (S. 1—45 auch Leipziger Diss.) — 181) O E- Hasse, Baitrr. x. Geseh. a. Statistik
d. Volksscbulwesens v. Gohlis. Leipxig, Dunck«r u. Uumblot 4". 47 S. M. 1,00. — 182) K. G «rmann, Geaok. d. Orosahen.
I 6: 183-197. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. 122
Alzeyer Realschule und des Progymnasiums. Die Schule hatte, wie die übrigen Real-
schulen des Landes, eine mehrfaclie Aufgabe zu lösen : eine erweitertere Bildung zu geben,
als die Bürgerscliulen boten, das realistische Element zu betonen und zugleich eine Vor-
bereitungsanstalt für künftige Studierende zu sein. — Der um die Geschichte des Arn-
städter Schulwesens verdiente Schulrat Kr o sc hei ^^^) erzählt weiter (JBL. 1890
I 6 : 74) von dieser Anstalt, die trotz der dürftigen Verliältnisse, in der sie sich befand,
viel geleistet hat. In dem Roman „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen" wird
ihr grosses Lob gespendet. — Buschmann i^), der die Geschichte des Bonner Gym-
nasiums zunächst für die kurfürstliche Zeit schreibt, schildert streng quellenmässig das
Minoriten- und Jesuitengymnasium, dann die Anstalt in ihrer Verbindung mit der kur-
fürstlichen Akademie und Universität. — In der Chronik des Gymnasiums zu Braunsberg
verzeichnet Gruchot ^8ö) die wichtigsten Massregeln, die von staatlicher und kirchlicher
Seite vom 11. Nov. 1870 bis zum Jahre 1886 ergritfeu worden sind, und liefert hiermit
eine Geschichte des „Kulturkampfes", wie er sich in den Grenzen einer Schule abgespielt
hat. Das dann folgende Verzeichnis uinfasst die Abiturienten von 1860 — 1890. — Als
eine Abwelir der Angriffe, die ein Teil der Presse gegen das Casseler Lyceum Frideri-
cianum gelegentlich der Kaiserlichen Rede bei Eröffnung der Schulfragenkonferenz
richtete, erscheinen die Erinnerungen eines Schülers damaliger Zeit ^^6), der sich dankbar
und mit Wärme seiner früheren Lehrer annimmt. — Ueber die Stiftsschule von Emmerich
am Niederrhein handelt Göbel i^^). Der Stiftsprobst v. Spiegelberg (f 1483) war ihr Neu-
begi-ünder; als ihre Rektoren folgten auf einander Alexander Hegius, Petrus Homphaeus,
Herman von dem Busche, Mathias Bredenbach; als dieser 1533 das Amt antrat, fand er
1500 Schüler und ihre Zahl stieg unter ihm auf 2000: „Concreditur nobis iuventus non
unius alicuius urbis, sed orbis". Diese Zahl sank bis zum Jahre 1590 auf 50. Bessere
Zeiten kamen unter der Führung der Jesuiten. 1811 aufgehoben, wurde die Anstalt
1832 preussisches Gymnasium. — Ueber die Geschichte des aus einer fünfklassigen
höheren Bürgerschule entwickelten Realgymnasiums zu Ettenheim spricht Höhler^^*'). —
Bruiiks^*^'*) Abhandlung liegen zwei in der Bibliothek des Marienstiftsgymnasivuns in
Stettin befindliche Sammelbände zu Grunde, deren Drucksachen und Handschriften, von
dem Stettiner Prediger Steinbrück um 1673 zusammengetragen, sich auf die Kirclien-
iu)d Schulverhältnisse Falkenburgs von 1582 — 1750 erstrecken. Die älteren Mitteilungen
beziehen sich fast nur auf die Lehrer. Der älteste vorhandene Lektionsplan stammt aus
dem Jahre 1703. — Einen Beitrag zur Geschichte des Gymnasiums in Gleiwitz, die
letzten 25 Jahre umfassend, liefert Ronke i''^). — Detlefsen I9i) führt die Geschichte
des Glückstadter Gymnasiums bis zum Jahre 1802 fort (JBL. 1890 I 6 : 81) unter
fleissiger Benutzung des urkundlichen Materials. — Eine ausfülirliche Darstellung der
geschichtlichen Entwicklung der berühmten, 1549 begründeten Fürsten- und Landes-
schule Grimma liefert K. J. Rössler^^^^. Sie erstreckt sich auf Vorgeschichte, erste
Einrichtung, äussere und innere Geschichte. Im Anhange werden Urkunden, Schul-
ordnungen, Sjieiseordnungen, Lektionspläne dargeboten, unter diesen die erste Schul-
ordnung von 1550 und die Verordnungen des berühmten Rektors Adam Sieber, über
dessen Zeit Rössler i''^') noch in einem besonderen Programme Nachrichten bringt. —
Ueber einen Grimmaer Rektor aus neuerer Zeit, Eduard Wunder, und die ihm unter-
stellten Lehrer bericlitet J. Winter !'■") gelegentlicli der Ehiweihungsfeier des Neu-
baues der altehrwürdigen Anstalt. — Zu der Gescliichte des früheren Gymnasiums zu
Jülich bringt Kuhn^»^ einen ersten Beitrag. — Fassl und Salzer i'"*) haben eine Ge-
scliichte des Komotauer Gymnasiums verfasst. F. beliandelt den Zeitraum von der Er-
öffnung der von den Jesuiten gestifteten Anstalt bis 1881. S. führt die Clironik bis zur
Gegenwart fort. — Krallinger i'^'') beschäftigt sich mit der Schulgeschichte der Stadt
Landsberg am Lech, indem er die Rede herausgiebt, die der Lehrer Dominicus Zottl
Realschule u. d. Progymn. zu Alzey. 1. 1841— 66. (= Festschr. z. Feier d. 50j. Bestehens d. Grosshorz. Kealsch. u. d. Progymn.)
Alzey, Wieprocht, 40. 20 S. — 183) Kroschel, Heitrr. z. Gesch. d. Arustädtor Schulwesens u. Verz. d. Primaner v. 1765 bis
1890. Progr. d. Gyran. Arnstadt, Frotsclier. 4". S. 1—25. — 184) J. Buschmann, Z. Gesch. d. Bonner Gymn. 1. Teil.
JB. d. Gyiun. Bonn, Ooorgi. 4". S. 1—40. — 185) Gruchot, Z. Gesch. d. Uymn. während d. letzten 25 Jahre. Progr. Brauns-
berg. 4**. 24 S. — 186) D. Casseler Gymn. d. 70 er Jahre. Erinnerungen e. Schülers aus damaliger Zeit. Berlin, Walther &
Apolant. 84 S. M. 1,50. — 187) F. Göbol, 1). Emmericher Stiftssohulo: KZEU. 40. S. 427—34. — 188) W. Höhler, Gesch.
d. Kealgymn. zu Ettonhoim. E. Festschrift z. Feier d. 50j. Bestehens d. Anstalt. Ettonheiui, Leibold. 50 S. M. 3,00. —
189) A. Brunk, Beitrr. z. Gesch. d. Falkenburger Schule im 17. u. 18. Jh.: BaltSt. 41, S. 223—60. — 190) O W. Konke,
1). letzten 26 Jahre d. Gymn. zu Gleiwitz als Beitr. zu e. Gesch. d. Anstalt. Progr. 4". 41 S. — 191) D. Detlofsen, Gesch.
d. Kgl. Gymn. z. GlUckstadt. Von d. Einsetzung d. Coli. Scholast. i. J. 1747 bis z. Neuen GlUckstadt. Schulregl. 1786.
3. Von da bis z. Rektorate Gormars 1802. Progr. GlUckstadt, Augustin. 4". 24 S. — 192) K. J. Rösslor, Gesch. d. Kgl.
Sachs. Fürsten- u. Landosachule Grimma. Leipzig, Teubner. 323 S. M. 4,00. — 193) i d. , Schulnachrichten aus d. Zeit v.
Adam Sieber. (=: Einladungsschr. z Einweiliung d. neuen Goblludos d. Fürsten- u. Landesschulo Grimma. Leipzig, 0. Leiner.
4". S. 1—5.) — 194) J. Winter, Unser Rektor u. seine Kollegen. Erinnerungen e. alten Grimraensers. Leipzig, Dürr. 56 S.
M. 0,75. — 195) O Kühl, Gesch. d. früh. Gymn. zu Jülich. 1. D. Partikularschule. 1571-1664. Jülich, Fischer. 295 S.
M. 3,60. — 196) F. T. Fassl u. P. Cl. Salzer, Gesch. d. Gymn. in Komotau (1591-1881, 1881-90). (= Festschrift z. 300j.
Gedenkfeier d. Gründung d. Gymn.) Komotau, Butter. IV, 211 S. — 197) J. B. Krallinger, Über d. Gesch. d.
123 E. Eehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. I 6: los-iog.
1780 heim öchulaktiiH gohaltoii hat. — In einer DarateHnng der Gewchichte des
Gyinnasiums zu Lyck, den lan^ährigen CentruniH deutscher Bildung in dem
ehemals ganz ])olni8chen MasunMi, deren erster Teil (1887) die Schicksale von
der GrCuuluiig (loHl) his 1813) schilderte, fährt Bernecker"®] fort und giebt einen
Uehorblick tiber die Geschichte nach 1813, — Zwergs'*®) Chronik des Gym-
nasiums von Marienwerder umfasHt diesmal die Zeit von 18<)3 — 1890. —
In der Geschichte des Dümgymnasiums zu Morseburg behandelt J. Witte ^ nun die
Stiftssclude am Dom zu kursäclisischcr Zeit 1738 — 1815. Die Persoimlunion mit Kur-
sachseu nach dorn Erhischen des Hauses Sachsen-Mnrseburg (1738) hatte für Stadt und
Schule manchen Naclitfiil: das Merseburger Gymnasium trat hinter die Schulen des P]rb-
landcs zui-ück. Ansciuudich schildert der Vf. das Schulregiment, die ijehrer und ihre
kärgliche Leltenss'.ellung. Don Schluss bildet eine Besprechung der Lehrpläne und Lehr-
ziele. — Zur Geschichte des Gynniasiums von Mitterburg, das nach 54j. Bestehen I8!j0
nach Pola verlegt wurde, veröffentlicht Swida-0') einen Beitrag. — Kesseldorfer ^
giebt einen Ueberblick über die Entwicklung der beiden Schulanstalten zu Oberholla-
brunn in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens (]8<)() — 18JJ1), — Eine Fortsetzung und zu-
gleich der Abschluas der Geschichte des Gymnasium Carolinum zu Osnabrtick wird von
Iber -<*=*) nach Urkunden des Anstaltsarchivs und. des Staatsarchivs zu Osnabrück
dargeboten. Auf die Jesuiten, welche zuerst hier des Lehramtes gewaltet hatten, folgten
die Franziskaner, mit deren Pater pi-ovincialis di«; Stadt 1781 einen förmlichen Kontrakt
schloss; L teilt ihn im Wortlaute mit. Iia Anfange luiseres Jh. kam die Schule infolge
der politischen Unruhe und wirtschaftlicher Missstände sehr herunter, so dass 181») die
Schülerzahl nur noch 57 betrug. Erst 1818 hob sie sich wieder; auch wurde in dem-
selbfui Jahre das Schulgeld eingeführt, womit eine Verbesserung der Lehrergehälter
verbunden war. — Interessante Mitteilungen zur Scludgeschichte Osterodes, das schon
1287 einen i-ector scholarum aufweisen kann, hat E. Ubbelohde 204) veröffi^ntlicht. Sie
erstrecken sich auf die Zeit von der Reformation bis zum li). Jh. Wie tief das Kirchen-
und Schulwesen um die Mitte des 1(5. Jh. stand, zeigt deutlich die Kirchenordnung des
Hei-zogs Philipp, der für jede Kirche die Anschaffung einer Bibel verlangt und den
Pfarrer anweist, dafür zu sorgen, dass aus jedem Hause wenigstens Ein Sohn zur Schule
gehe. Eine Verbesserung dieser Zustände verdankt die Stadt der Thatkraft Domeyers
und vor allem Sinderams, der 1578 eine von U. im Wortlaut mitgeteilte Schulordnung
aufstellte. U.s Beiträge können als dankenswerte Ergänzung der grundlegendt.n Arbeiten
Koldeweys für Braunschweigisehe Schulgeschichte gelten. — Die Entwicklung des Gym-
nasiums zu Pforzheim in den Jahren 1880 — 1891 schildei-t H. Schneider -05), —
Einen Rückblick auf das erste Säculum des k. k. Obergymnasiums zu Pilsen (177G
bis 1891) hat Nowack -0<») verfasst. Die Lehrkräfte wurden anfangs aus dem in Pilsen
bestehenden Dominikanerorden gewählt, an deren Stelle nach Aufhebung des Klosters
(1804) die Prämonstratenser des Stiftes Tepl traten. N. macht ausfühi-liche Angaben über
Scluilgebäude, Lehrkörper, Schülerzahl, Bibliothek und Samndungen sowie über die
verschiedenen Lehrpläne seit 177G. — Als Nachtrag zu JBL. 18;X) sei auf Dünings'-^')
Arbeit hingewiesen, die aus Veranlassung der Feier des 350j. Bestehens des Que<llin-
l)urger Gymnasiums entstanden ist. B. hat die im Magdeburger Staats- und Quedlin-
burger Rathausarchiv vorhandenen Aktenbestände fleissig benutzt. Freilich reichen die
vorhandenen Quellen nicht aus, um ein ..treues Bild nicht inu' der äus.seren, sondern
auch der inneren Entwicklung der Anstalt zu geben". Die älteste Erwähnung einer
Schule in Quedlinburg fällt ins Jalu* 1303. Wie die Stadt, so war die Schule Jahr-
hunderte lang der Aebtissin unterstellt. Doch gewann schon frühzeitig der Magistrat,
wenn auch nicht ohne Kampf, Einfluss auf die Schulverwaltiuig. — Ueber die Stadt-
schule zu Relina in Mecklenburg-Schwerin bringt ein Ungenannter^*^) einen lesensweiten
Aufsatz. Die Sclmle war von Johann Albrecht I. (y 1576) begi'ündet und anfangs mit
einem Schulmeister, seit l()4(j mit zwei Lehrern, Rektor uiul Kantor, meist Theologen,
besetzt. Im Laufe der Zeit kam sie sehr herunter, es wurde fast nur noch Religions-
unterricht gegel)en, und erst 1805 hat man sie gebessert. Neben ihr gab es eine Winkel-
Schulwospns zu Landsbprg am Lech. (Kede v. Doniinicus Zöttl 1780): MOESchO. 1, S. 249— .55. — 198) E. Koruecker.
Gesch. (1. Kgl. Gyinu. zu Lyck. 2 Tle. in 1 Bd. Königsborg, Hartungsche VerUgsdrackerei. 1S»7, 1891. VII. 103 u. 112 S.
— 199) tJ. ^werg, Üborsiclitou /,. Chronik d. Kgl. (iymn. zu Marien werden 3. Forts. Progr. 4". 20 S. — 200) F.
Witte, (iesch. d. Donigymn. zu Merseburg. 111,1. D Stiftsschulo am Dom z. Morseburg xa Kur.slchs. Zeit. 1738 — 1815.
Merseburg, Stollberg. 61 S. — 201) F. Swida, Z. Gesch. d. Gymn. t. Mitterburg. (= Progr. d. K. K. Stuts-(iynn.) Pol«.
lU S. — 202) V. Kesselcforfer, UUckblick auf d. ersten 2ö Jahre d. k. k. Stsats-Gymn u. d. gcwerbl. Fortbildungs-
schule in Oberhollabrunn 1866— ',10 iFortselzung). Progr. Obcrhollabrunn. S. 37—54. — 203) H. Iber, Gesch. d. Gymn.
Carolinum zu Osnabrück. 2. Teil. Prugr. OsnabrOck, Liesecke. 4". '-'5 S. — 204) Ed. Ubbelohde, Itilder ans d. Gesch.
d. St. Agidiengemeinde zu Osterode a. H. l=r Aus 4 Jhh.) Osterode a. H., Sorge (Cunime). 1»S S. M. 2,50. — 205) H.
Schneider, Z. Gesch d. Gymn. Pforzheim in seinem ersten Jahrzelint 1880,90. (= JB. d. Gymn.) Pforiheira, WeiodeL
4". 39 S. — 206} W. Nowak, UUckblick auf d. erste SHculum d. k. k. Obergymn. in Pilsen (1776-1891). Progr. d. k. k.
dtsch. Obergymn. Pilsen, Maasch S. 1—55. — 207) A. DUning, Gesch. d. Gymn. tu Quedlinburg. Festsrbrilt. Quedlinburg,
Vogos. 1890. 4«. 48 S. — 208) Aus d. Gesch. d. Kehnaer Schule: ETSchilBL 35, S. 232-48. — 209) E. Hey den-
I 6: 2io-22ia. K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichtswesens. 124
schule, 1770 sogar deren vier. — E. Heydenreich 209-2io^ berichtet kurz über das seit
500 Jahren bestehende Gymnasium zu Schneeberg und macht Mitteilungen über die Hss.
der alten Lyceumsbibliothek. — Die ältere Geschichte der Lateinschule zu Schwelm
führt Tobien^ii) jetzt von der Zeit des 30j. Krieges bis zur Feststellung der Schul-
ordnung von 1720. — Die neueste Geschichte des Realgymnasiums zu Sprottau hat
R. Jäckel2i2) geschrieben. — Als eine Fortsetzung der vorzügliclien Zoberschen Ge-
schichte des Gymnasiums zu Stralsund (1839 — 1860) liegt ein Beitrag von Wähdel^is)
vor, der das Verzeichnis der Direktoren und Lehrer der Anstalt zu Ende führt. —
Ueber die Geschichte des Schulwesens in Ueberlingen, wo bereits in der ersten Hälfte
des 13. Jh. ein scolasticus und doctor puerorum vorkommt, hat B. Ziegler -i^) ge-
schrieben. — R. Reinhard -15)^ ^qj. bereits 1888 im Luzerner Schulblatt Nachrichten
über die Willisauer Schule dargeboten hatte, giebt jetzt, mit reichhaltigerem Material
ausgerüstet, ausführliche Nachrichten über die Schule aus der Zeit von 1696 — 1800. —
Nach den Rathausakten von Wriezen behandelt H. Böttger^iß) des Wriezener Sub-
konrektorat in den Jahren 1706 — 1793. — Ueber zwei frühere Seminare Magdeburgs
spricht Mackeprang 217). Das eine, von dem Abte Steinmetz in Kloster Berge be-
gründet, rekrutierte sich aus Handwerksburschen und Bedienten und ist 1814 nach der
Aufhebung des Klosters eingegangen, das andere des Rektors der Domschule Funk
(1772 — 1814) bildete Tertianer dieser Schule zu Lehrern aus, ist 1823 Staatsanstalt ge-
worden inid befindet sich seit 1855 in Barby. — Eine „übersichtliche Geschichte der
Lehrerbildungs- Anstalt in Salzburg" verdanken wir Anthaller 218). — Bieder 219) giebt
aus archivalischen Quellen der Stadt Frankfurt a. 0. die Geschichte der Wieder-
herstellung des von dem Oberbürgermeister Thering 1732 in Leben gerufenen und mit
industriellen Unternehmungen gestützten, aber vom Kriege fast ruinierten Waisenliauses
durch den Berliner Oberkonsistorialrat Hecker, den Begründer der deutschen Real-
schule. — Ueber die Geschichte der Mädchenanstalt zu Gnadenfrei berichtet ihr Rektor
Reichel220). Yon der werktbätigen Liebe der dortigen Brüdergemeinde begründet,
wurde sie 1791 mit 7 Mädchen und 2 Lehrerinnen eröifnet. Trotz manchen Ungemachs,
besonders 1792, gelangte die Anstalt bald zu dauernder Blüte: 2363 Schülerinnen sind
in den hundert Jahren dort unterrichtet und erzogen worden. Der durch seine geogra-
phischen Lehrbücher bekannte Ernst v. Seidlitz gehörte 1819 — 1832 als Inspektor der
Anstalt an. —
Schliesslich seien hier noch verschiedene Einzelheiten erwähnt. Die in
dem kurzgefassten Plane der Monumenta Germaniae Paedagogica in Aussicht ge-
stellte und bereits damals in Angriff genommene Edition von Schulkomödien hat
leider nicht zum Abschluss kommen können, da die Schwierigkeiten, die dem Fortgange
der Arbeiten sich in den Weg stellten, erheblicher waren, als man angenommen hatte.
Inzwischen haben die von Herrmann und Szamatölski 221) herausgegebenen „La-
teinischen Litteraturdenkmäler des 15/16. Jh.", die auch sonst für unser Gebiet überall
bedeutsam sind, hier fördernd eingegriffen. — Eine quellenmässige Gescliichte der
deutschen Schulkomödie, die sowohl für die Schulgeschichte als auch für die Litteratur-
geschichte gleich wichtig ist, kann erst dann mit Erfolg bearbeitet werden, wenn
von den in Bibliotheken und Archiven noch ruhenden Schulkomödien und Nachrichten
über die Aufführungen mehr an die Oberfläche gehoben worden ist. Flir eine Art der
Vorarbeiten hat Trautmann 221a) \n seinen Regesten zur Geschichte der städtischen
Schulkomödie in München ein Vorbild geschaffen, dem eine vit^lseitige Nachahmung
zu wünschen ist. Seine Mitteilungen sind den Stadtkammerrechnungen und den
Ratsprotokollen des Münchener Stadtarchivs entnommen und erstrecken sich auf
die Jahre 1549 — 1618. Hier sei hervorgehoben, dass neben den Komödien,
die biblische und plautinische Stoffe behandeln, auch zweimal das „Spiel vom geist-
lichen Ritter" (1567 und 1568) agiert wird. T.s Absicht, diese Beiträge durch Nach-
richten über die noch erhaltenen Schulkomödien und die Lebensschicksale ihrer Ver-
reich, Kurzer tJberblick über d. Begründung u. Entwicklung d. Kgl. Gymn. z. Sclinooberg nebst e. kurzen
Gesch. d. Schneeberger Lyceums. Festsclirift. Schneeberg, Gärtner. 4". S. 3—10. — 210) id., Mittl. a. d.
Hbs. d. alten Schneeberger Lyceumsbibl. Festschrift d. Gymn. Schneeberg, Gärtner. 4". S. 40/8. — 211) W. Tobien,
Urkundl. Slittl. aus d. Gesch. d. latein. Schule zu Schwelm vom Ende d. 30j. Krieges bis z. Feststellung d. Schweliner
Schulordnung v. 24. Sept. 1720. (JB. d. Kealgynin.) Schwelm, Scherz. 4». S. 1-11. — 212) K. Jackel, Gesch.
d. Realgyinn. zu Sprottau (1866—91). (= JH. über d. Kealgymn.) Sprottau, Wildner. 4». 8. 1-20. — 213) H.
Wahdel, Z. Gesch. d. Slralsunder Gymn. 7. Beitr. (1860-90). Progr. Stralsund, Uegier.-Buchdruckerei. 4«. 26 S. —
214) B. Ziegler, Z. Gesch. d. Schulwesens in d. ehem. freien Reichsstadt Überlingen. JB. d. höh. Bürgerschule. Über-
lingen, Feyel. 40. 23 S. - 215) R. Reinhard, Geschichtl. Über d. Schule in Willisau-Stadt bis z. J. 1800: GFr.50, 46,
S. 1-44. — 216) H. Böttger, D. Subkonrectorat d. Wriezener Schule 1706-93. (= Ber. über d. Kealprogynin.) Wriezen,
Settekorn. 4«. 10 S. — 217) P. Mackeprang, Zwei früh. Seminare Magdeburgs: SchulBlProvSachsen 30, S. 43/6. - 218) O
F. Anthaller, Übersichtl. Gesch. d. k. k. Lehrerbildnngs-Anstalt in Salzburg. Progr. 64 S. — 219) H. Bieder, J. J. Hecker
als Reorganisator d. Luth. Waisenhauses zu Frankfurt a./O.: SchnlBlProvBnindenb. 56, S. 586—98. — 220) H. ICeichol,
J). Gesch. d, Madchenanstalt zu Gnadenfrei von 1791-1891. Vortr. Breslau, Gutsmann. 22 S. - 221) S. u. II 8. — 221a) K.
125 K. Kehrbach, Geschichte des ünterrichtawesens. I 6: 222-232.
fasaer zu vervollständigen, sei baldige Erfüllung gewünscht. 222) — Einen namhaften
Pädagogen des !<!. Jli., dor seinorzoit an der Kulturontwicklung des deut«f;lien Volkes
und an der Bessorung der Schulverhältnisse redlich mitgearbeitet hat, aber jetzt fast
der VorgeHseuhoit anhoinigefallcn ist, den Grimmaor Fürstenschuldirektor Hayneccius
bringt uns 0. Hauptes:») wieder näher durch don Neudruck von dessen Komödie „Al-
mansor, dor Kinder Schuelspiegel". H. giebt das Stück in der von Hayneccius selbst
vorfassten deuisclien Uebersetzung vom Jahre 1582. Was den „Almansor" von vielen
Schulkomödien des IG. Jh. unterscheidet, ist der Umstand, dass er ausschliesslich Schul-
vorhültnisso behandelt. Hier gewinnen wir ein treffendes Bild der damaligen Zeit-
umstände, dos Unverstandes der Eltern, der Zügollosigkoit und Roheit der Jugend und
der grossen Verwahrlosung, die in den Schulen herrschte. — Einen sehr interessanten
Beitrag zur Charakteristik des Pennalismus um die Mitte des 17. Jh. bietet Bolte224)
durch die Veröffentlichung des Deutschen Zwischenspiels, dius Joh. Raue in einem bisher
unbekannten siebenaktigen Drama zwischen die lateinischen Gespräche eingeschaltet hat.
Der Ort der Handlung ist Wittenberg, wo Raue 1G20 — 1033 studiert hatte. Den jungen
Pennal, der redend eingeführt wird, lässt Raue aus dem Gymnasium in Stettin stammen,
auf dessen Disciplin freilich die Rede des jungen Studenten kein günstiges Licht wirft.
„Du weist, wie ich zu Stettin aufgetretten bin, in meinen weissen Stiffelln vnd vergülten
Sporen, vnd zu Zeit in der Eulenflucht, vnd watni man keinen redlichen Kerlss erkennen
mag, mit meinen Plümaachen vnd Degen, ja wie ich auch keinem Academico nicht vmb
ein Haar breit gewichen, viell weniger cujuniren las.sen." Und doch fällt die Aufführung
des Stückes gerade in die Blütezeit des Stettiner akademischen Gymnasiums, das damals
unter dem Rektorat des Mikraelius stand. 22&) — Einen weiteren wichtigen Beitrag zur
Schulkomödio, wenn auch nach einer anderen Richtung hin, giebt der um die Geschichts-
darstellung des deutschen Unterrichtswesens hochverdiente Specht ^26) in seinem Ver-
zeichnis der Schulkomödien, die auf der vom Fürstbischof Johann Franz Ecker in
Freising errichteten, bis zu ihrer Auflösung (1803) von Benediktinern geleiteten Studien-
anstalt 1098 — 1800 aufgeführt wurden. Der Wert einer solchen Zusammenstellung reicht
weit über die Geschichte der Pädagogik hinaus. Am meisten Nutzen dürfte die Litteratur-
geschichte und die Geschichte der Musik daraus ziehen können. Denn eine Anzahl
der angeführten Komponisten sind in der Speciallitteratur nicht verzeichnet. —
Passend reiht sich hier die Erwähnung der von Heineck und Grössler 227)
besorgten Ausgabe eines lateinischen Schulgesprächs (1090) über das Schmaräkel-
Kegelspiel an, ein Spiel, das zur Erholung der Lateinschüler Nordhausens ge-
dient hat. Ueber das „Schmaräkeln" selbst, das in der Grafschaft Mansfeld bis in un.ser
Jh. hinein gespielt worden ist, hatte Grössler 228) schon ausführhcher berichtet und
damit einen wertvollen Beitrag zu der lückenhaften Litteratur über die Spiele gegeben. —
Zu der gleich lückenhaften über Schulfeste steuert Maser 229) durch seine Notizen
über das Kinder-, Schul-, auch Königsfest in Memmingen. — Die Art der Beteiligung
der Schüler an der städtischen Fastnachtsfeier lernen wir kennen durch die von Schon-
ecke 230) herausgegebene Eingabe des Kantors Nigidius an den Rat zu Lüneburg aus
der ersten Hälfte des 10. Jh. —
Ueber die Schulmünzen, die einesteils als Auszeichnungen an Schüler ver-
teilt, anderetiteils beim Rechenunterricht benutzt wurden, bringt Hein eck 2:») einige
Nachrichten. —
Zum Schlüsse sei auf Fabians 232) Darstellung der bereits oben (N. 65) er-
wähnten „fraternitas scholarium", einer derKalandsbrüderschaf^; ähnlichen Vereinigung
von Männern und Frauen zur Unterstützung der Schulen, hingewiesen. Dem Aufsatze
sind die Satzungen der Bruderschaft, das „Regestum pro fraternitate scholarium", aus
einer einst Stephan Roth gehörigen Pergamenthandschrift der Zwickauer Ratsbibliothek
angefügt. Die Brüderschaft wurde durch die Reformation 1523 aufgehoben und ihre
Gelder flössen wie die der anderen geistlichen Brüderschaften in den „Gemeinen Kasten'*,
aus dem fortan die Schulen unterhalten wurden. —
Trantmann, Archiv. Beitrr. z. Gesch. d. Schulkomödie in München: MGESchO. 1, S. 61/8. — 222) (II 4: 11/2, 16, 29, 32,
35|G. II 8.) — 223) M. Hayneccius, Almansor, der Kinder Svhulspiegel. (S. u. II 4 : 15.) — 224^ Joh. Raoe, E. Zwischenspiel,
(1648) her. v. J. Bolto: AltprMschr. NF. 28, S. 25-37. UM. W[ehrmann]: MBlIPommOesch. 5, S. 61.]| - 22S)
(III 4: l.-J/lÜb.) - 226) F. A. Specht, Freisinger SchulkomJldien (1698—1800): MGESchO. 1, S. 243/8. - 227) Heineck
u. Grössler, E. lat. Sehulgespräch Ober d. Schmaräkol-Kegelspiel: MansfeldKIl. 5, S. 155-6.3. — 228) GrOaaler,
Schraarllkoln ii. Platzen, zw. eigenart. Kegelsp. i. d. Grfsch. Mansfeld. (M. 2 Taf.): MansfeldRII. 4, S. 1I8-.12. — 229)
S. Maser, D. Kiodorfest in Menimingen: HllSchulpraxis Heft 5 u. 6. — 230) W. Schonecke, Henricns Nigidius, Eingabe an
d. Rat betr. d. Beteiligung d Schüler d. .lohauneums an d. Fastnachtsfeier: MGESchO. 1, S. 124—30. — 231) H. Heineck,
Über Schalmllnzen : ib. S. 267—86. — 232) E. Fabian, D. Zwickaner Schulbmdertchkft: MAVZwiekan 3, S. 50—81. —
1-3. Rud. Lehmann, Litteratur in der Schule. 126
1,7
Die Litteratur in der Schule.
Rudolf Lehmann.
Allgemeines und Me tliodol ogisclies : Amtliche Veröffentlichungen N. 1. — Methodik N. 6. — Methodische
Erlituteningschriften N. 19. — Hilfsmittel fUr den Unterricht: Schulausgaben N. 25. — LesehUcher und Anthologien
N. 68. — Leitfäden für Litteraturgesehichte und Poetik N. 93. —
Allgemein es undMethodologi sehe s. Amtliche Veröffentlichungen. Das
Jahr 1891 ist das Jahr der preussischen Schulreform, und die erste Aufgabe dieses Be-
richtes wird die Feststellung ihrer Errungenschaften für den deutschen Unterricht sein.
Freilich hat der Gang der Ereignisse den Vertretern unseres Faches eine, hoifentlich
nur vorläufige, Enttäuschung gebracht. „Wir müssen als Grundlage für das Gym-
nasium das Deutsche nehmen" — diese schnell berühmt gewordenen Worte, welche der
Kaiser bei der Eröflfnvmg der sogenannten Dezomberkonferenz gesprochen hat, konnten
die Erwartung erwecken, dass eine Entwicklung, die sich seit langem vorbereitete und
langsam, doch mit innerlicher Notwendigkeit zu vollziehen schien, von kräftiger Hand
gefördert, schneller als man hoffen konnte, zu einem erwünschten Abschluss gelangen
werde. Zwar dass in der Konferenz selber, deren amtliche Protokolle im Berichtsjahr
veröffentlicht wurden i), jener Gedanke keinen wesentlichen Wiederhall fand, mag be-
greiflich erscheinen; waren es doch vorwiegend Fragen der äusseren Organisation,
welche der Versammlung von Seiten des Ministeriums vorgelegt waren und ihre Ver-
handlungen ausfüllten (S. 20/1), so dass selbst die Fragen, welche der Kaiser persönlich
in der ersten Sitzung hinzufügte (S, 92), soweit sie sich auf die innere Gestaltung des
Unterrichts bezogen, nur beiläufig Berücksichtigung fanden. — Allein auch die amtlichen
Lehrpläne, welche gegen Ende des Jahres erschienen sind 2j^ bezeichnen weder in der
äusseren Organisation noch hinsichtlich der Methode einen wesentlichen Foi'tschritt.
Die wöchentliche Stundenzahl ist für den gesamten deutschen Kursus des hvim anistischen
Gymnasiums um die kaum nennenswerte Zahl von drei vermelirt (je eine in Quarta und
in beiden Sekunden), für das Realgymnasium sogar um eine (Quinta) vermindert worden.
Da nun schon für die bisherigen, nach mehreren Richtungen hin weniger umfangreichen
Aufgaben des deutschen Unterrichts in den mittleren und oberen Klassen die Zeit
nicht ausreichte, so muss das Missverhältnis zwischen der Bedeutung des Unterrichts-
faches und dem ihm eingeräumten Platz sich in Zukunft noch drückender als früher
geltend machen. Die verlangte Beschäftigung mit den nacliklassischen Dichtern z. B.
kann, solange die Stundenzahl in Prima die alte bleibt, unmöglich über die alleräusser-
lichsten Ansätze hinausgehen, da die Zeit kaum für die klassischen Epochen ausreicht.
Im übrigen ist hinsichtlich des Lektüre-Unterrichts — etwas besser steht es um die
stilistische Ausbildung — vor allem, auffallend, wie wenig Berücksichtigung die Gesichts-
punkte gefunden haben, welche in der Litteratur des Unterrichtsfaches während der
letzten beiden Jahrzehnte, z. B. in den Arbeiten von Frick, Goldscheider u. a. (JBL. 1890),
hervorgetreten sind. Die Verteilung des Stoffes ist zwar weiter als ratsam ins einzelne
hinein vorgeschrieben, allein von leitenden Gesichtspunkten ist wenig oder nichts zu
entdecken, und die Vorschriften über die Methode der Lektüre beschränken sich auf die
bekanntesten pädagogischen Grundregeln. Ein Teil der Bestimmungen steht geradezu
im Widerspruch mit dem grössten Teile der Fachstimmen, wie z. B. das verstärkte
Ge\\dcht, das auf freie „Vorträge der Schüler nach eigenen Ausarbeitungen" gelegt
wird, andererseits die wiederholte Vorsclirift, Proben z. B. von mhd. Litteratur und von
neueren Dichtern zu geben. An Sachkenntnis, Klarheit und Gründlichkeit der Durch-
fülirung steht dieser Entwurf tief unter den österreichischen Instruktionen über den
deutschen Unterricht von 1884. Darüber hilft es nicht hinweg, wenn in den Lehr-
plänen und insbesondere in der Prüfungsordnung die Bedeutung des deutschen Unter-
richts hervorgehoben wird, und nur wenn man den jetzt geschaffenen Zustand als ein
Uebergangsstadium ansieht, wozu mancherlei Anlass vorliegt, wird man in dieser theo-
retischen Anerkennung einen Erfolg sehen, der die praktischen Folgen allmählich nach
sich ziehen muss. — Auch ein Teil der deutschen Mittelstaaten hat in den letzten
Jahren seine Lehrpläne erneuert, jedoch ohne einen bemerkenswerten Einfluss der neuen
I) Verhandlungen Über Fragen d. höh. Unterrichts. Berlin, 4.-17. De«. 1890. Berlin, W. Hertz. IV, 800 S. M. 10,00. —
2) Lohrplnne u. Leliraufgahon fllr d. höh. Schulen nebst Erläuterungen u. AusfUlirungsl)ostimitiungen. Berlin, W. Hertz 77 S.
M. 0,75. — 3) I). Schulordnung f. d. humanistischen Gymnasien im Königr. Bayern. Ansbach, Brligel & Sohn. IC. 56 S.
127 Rud. Lehmann, Litteratvir in der Schule. I 7: 4-6.
preussischen Bestimmungen; eher lässt sich eine Nachwirkung der preussischen „revi-
dierten Lohrpliine" von 1882 feststellen. Dies gilt insbesondere von den Bestimmungen
der bayerischen Schulordnung ^) über die Ziele des deutschen Unterrichts. Im einzelnen
sind sie hinsichtlich der Behandlung der Litteratur knapper, schärier und einheitlicher
als die preussischen; doch macht hIcIi mehrfach eine nicht glückliche Neigung dahin
geltend, das Formale der Poetik und Metrik allzu sehr in den Vordergrund zu drängen.
Die xniteren und mittleren Klassen sind mir in ganz allgemeinen Wendungen berück-
sichtigt. Für die Prima ist „ein historischer Ueberblick der deutschen Litteratur von
der ältesten Zeit bis in das 19. Jh." vorgeschrieben, während die preussischen Lehr-
pläne sich für die ältere Zeit mit „Ausblicken auf nordische Sagen vuid die grossen
germanischen Sagenkreise, auf die höfische Epik und die höfische Lyrik" und für die
neuere Zeit mit „Lebensbildern aus der deutschen Litteraturgeschichte" begnügen. Das
Richtige liegt in der Mitte: die preussischen Lehi-pläne verlangen entschieden zu wenig,
die bayerischen köinien, wenn sie nicht vorsichtig ausgeführt werden, wieder zu der
nuinnehr veralteten Methode zm'ückführen, welche der Litteraturgeschichte einen allzu
breiten Platz im Unterricht einräumte. — An sonstigen amtlichen Publik.ationen liegen
die Verhandhnigen zweier Direktorenversammlungen vor, die sich mit dem deutschen
Unterricht beschäftigen. Naturgemäss gelangt die Bedeutung solcher Verhandlungen
in dem gedruckten Bericht nur unvollkommen zum Ausdruck. Denn ihren Wert haben
sie in erster Linie für die Teilnehmer selbst, welchen sie eine hervorragende Gelegen-
heit bieten, sich in gegenseitiger Ausspi-ache zu klären, und sodann namentlich für die
Verfjisser der zahlreichen Gutachten, welche den Referaten zu Grunde gelegt werden.
Denn diese werden genötigt, über die nächsten ])ersönlichen Erfahrungen und Bedürf-
nisse, in denen die Praxis iiberall so gerne stecken bleibt, hinauszugehen und allgemeine
Ueberblicke zu suchen; sie werden veranlasst, von der Litteratur ihres Lehrfaches Kennt-
nis zu nehmen; und so stellen jene Berichte oft eine erspriessliche Vermittelung zwischen
Theorien inid Praxis dar. Dagegen haftet den Gesamtreferaten und Gegenberichten,
die in den Versammlungen selbst zum Vortrag und nachher zum Dnick gelangen, un-
vermeidlich etwas Subjektives an: die Persönlichkeit des Berichterstatters tritt natur-
gemäss in der Beurteilinig der vorliegenden Fragen inid Berichte so stark hervor, dass
nur in den Ausnahmefällen, wo eine Fachautorität spricht, dem Referat ein objektiver
Wert ziikommen kann, und die kurzen Protokolle über die Debatten geben nur eine ini-
voUkommene Ergänzung. So bleiben als objektiv wertvolles Material in den meisten Fällen
nur die angenommenen Thesen übrig, welche als Meinungsausdruck einer grossen An-
zahl von Fachmännern ins Gewicht fallen; und hier gelangt denn in der That der ge-
sunde Menschenverstand der Praxis oft in erfreulicher W^eise zu Wort. In den vor-
liegenden beiden Bänden gilt das namentlich von den Beschlüssen der Pommerschen
Direktorenkonferenz *) zum „Unterricht der oberen Klassen im deutschen Stil", die freilich
in einigen Punkten einen auflFallenden Widerspruch zu dem aufweisen, was dieselbe
Konferenz über den Unterricht der mittleren Klassen festgesetzt hat. So wird z. B.
für die oberen Klassen bestimmt (S. 293): „Die A\ifsatzthemen sind in erster Linie der
deutschen Litteratur, demnächst auch den fremden, besonders insofern sie auf die
deutsche eingewirkt haben oder fruchtbare Vergleiche ergeben, zu entnehmen. Auf-
gaben, welche sich auf einen ausserhalb des Schulunterrichts liegenden Stoff beziehen,
vermögen zwar die Ausdrucksfähigkeit der Schüler zu fördern, treten aber fremdartig
und störend in den Gang des Unterrichts. Allgemeine Themata ohne jede Anlehnung
an einen Lehr- oder Lesestoff gehen über die Kraft, und Reife der Schüler hinaus;
wenigstens erfordern sie eine sehr eingehende Vorbereitung." Mit diesen richtigen
Sätzen ist es denn doch nicht gut in Uebereinstimnnnig zu bringen, wenn es S. 277
heisst: „Die Stoffe für die Aufsätze bietet der gesamte Untemcht und das Leben. In
den mittleren Klassen werden Erzählung, Beschreibung, Schilderung und Betrachtung
von Fragen geübt, deren Beantwortung aus der Schullektüre und aus der Beobachtung
des Lebens zu schöpfen ist." — Von den „Leitsätzen" der Posener Direktoren-
versammhmg ^) kommen der vorhandenen Schullitteratur gegenüber besonders N. 5 und 7
in Betracht; sie lauten: „Während ein litterarhistorisches Lesebuch für die oberen Klassen
kein dringendes Bedürfnis ist, kann ein rhetorisch-stilistisches kaum entbehrt werden."
„Die Frage nach der Einrichtung des Lesebuches ist bei der Verschiedenheit der An-
schauungen und wegen der dazu nötigen Vorarbeiten gegenwärtig nocht nicht zu lösen." —
An der Spitze der Schriften über Methodik des deutschen Unterrichts nennen
wir ein Artikel von R. Hildebrand «), der warm und kraftvoll für die centrale Stellung
M. 0,40. — 4) Verhandlungen d. Direktoren-Versanimlungon in d. Provinzen d. Kfinigr. Preussen Foit d. J. 1879. 30 Rd.
9te Direktoren-Vers, in d. Provinz Posen. I. D. deutsclio nuterrielit in d. Sekunda u. Prima. S. 1—74 u. 187—203. l'.erlin,
Weidmann. VII, 237 S. M. 5,00. — 5) Verhandlungen d. Direktoren-Versammlungen in d. Provinien d. KOuigr. Preussen seit
d. J. 1879. 37 Bd. Ute Direktoren -Vors. in d. Provinz Pommern. I. D. Unterricht auf d. höh. Lehrmnst im deutschen
StiL S. 1—116, 266—94. ebda. X, 322 S. H. 7,00. — 6) Kud. Hildebrand, D. Deutsche in d. Schale d. Zo-
I 7: 7-8. Rud. Lehmann, Litteratur in der Schale. 128
des Deutschen „in der Scliule der Zukunft" eintritt. „Es handelt sich um eine grosse
Bewegung, die den einzelnen nicht fragt, was er will oder nicht will, was er möchte
oder nicht möchte, sondern mit einer Art elemenfarer Gewalt ihren Weg nimmt."
„Wenn das Deutsche, das Vaterländische und Heimische und Eigene in den innersten
Kreis unseres Erziehungswesens und damit unserer Bildung einrückt, — so bedeutet
das an und für sich gar nicht eine Aenderung im Bestände und Inhalt unserer Bildungs-
welt, sondern nur in ihren inneren Verhältnissen, in denen eine Verschiebung nötig ist,
welche die Natur verlangt und lange schon still von selber durchsetzt." Je richtiger aber
und treffender dies ist, um so befremdlicher, ja in solchem Munde bedauerlicher erscheint
die Schlusswendung des Artikels: „Es gebührt der Schule die Füln-ung zu übernehmen,
wie sie im 16. Jh. that, als es galt, die griechisch-römische Welt dem Geiste als Bildungs-
stoff zuzuführen. Die damals begonnene Periode, die man gewöhnlich als die der
Renaissance bezeichnet, läuft nun ab, wir erleben den Beginn der deutschen Periode,
die eigentlich schon lange unter der Hand begonnen hat . . . Wir kommen, das ist kein
Zweifel mehr, endlich, endlich zu uns selbst, wie im politischen und nationalen Leben,
so im Geistesleben, das ja vom nationalen schon mit eingeschlossen ist, und damit be-
ginnt, das ist auch kein Zweifel mehr, ein neuer grosser Hauptabschnitt unseres Lebens."
Worauf der berühmte Vf. diese Gewissheit einer neuen Epoche nationalen Geisteslebens
in der Gegenwart eigentlich stützt, wird wohl vielen nicht so zweifellos erscheinen als
ihm selber; allein es ist hier nicht der Ort, darüber zu rechten. Aber gerade im Liter-
esse unserer Sache muss entschiedener Protest erhoben werden wider den Gegensatz,
in welchen die Worte H.s den deutschen Unterricht und seinen Inhalt zur Renaissance-
bildung stellen. Wenn man von einem vorurteilslosen Standpunkt aus für die centrale
Stellung des deutschen Unterrichts eintreten darf, so geschieht das gerade, weil die
Renaissance, auf welcher alle moderne Geisteskultur beruht, im deutschen Klassizismus
einen vollendeten, vielleicht ihren vollendetsten Ausdruck gefunden hat, einen Ausdruck,
der zugleich dem besten und innersten Zuge xuiserer Nationalität entspricht und doch
auch eben darum über alle nationalen Schranken hinausragt. Weil dem so ist, hat es
keine Berechtigung mehr, unsere Jugendbildung noch immer in erster Linie auf das
Altertum zu gründen und die deutsche Litteratur nur zur Ergänzung herbeizuziehen,
das Verhältnis kehrt sich naturgemäss um: jene „Verschiebung", von der H. spricht,
vollzieht sich mit innerer Notwendigkeit. Mag es immerhin richtig sein, dass das
moderne Geistesleben neue Bahnen der Entwicklung zu beschreiten beginnt, gerade die
Aufgabe der höheren Sch\ile wird und muss es noch auf lange hin sein, den Zusammen-
hang mit der geschichtlichen Grundlage der modernen Kultur festzuhalten. Sollte aber
„nationale Bildung" soviel heissen wie Losreissung von dieser Grundlage, dann ist es
besser, wir halten uns nach wie vor an Homer und Vergil, an Demosthenes und Cicero.
Denn hier finden wir wenigstens einen an sich unvergänglichen Kulturinhalt, der dem
deutschen Wesen von dem Augenblicke an fehlen würde, da es sich in einen unbe-
rechtigten Gegensatz zu seiner eigenen Vergangenheit hineindrängen Hesse. — Auch der
Artikel von 0. Lyon '') gehört hierher, der mit begeisterten Worten „die gewaltige
Kaiserrede" begrüsst, mit der die Beratung über die Schulfrage in Preussen eröffnet
wurde. Die Hoffnung, die L. an sie knüpft, dass die Konferenz „unserer Schule die
ersehnte Gestalt" geben würde, hat ja allerdings der Portgang der Ereignisse nur in
sehr geringem Maasse bestätigt. — Wenigstens mittelbar aus der amtlichen Thätigkeit
hervorgegangen sind die beiden ausgeführten „Lehrpläne" von Klee in Bautzen und
von Schnippel in Osterode. Schnippel^) stellt eine bis ins einzelnste gehende Ein-
teilung des litterarischen wie des grammatisch-stilistischen Lehrstoffs für die Klassen
Untertertia bis Prima auf, indem er überall zugleich die Methode der Behandlung kurz
vorzeichnet und reichliche Litteraturn achweise anfügt. Je mehr nun freilich solche
Vorschläge ins einzelne gehen, desto unvermeidlicher ist es, dass lokale Bedürfnisse und
Eigentümlichkeiten, wechselnde Zeitverhältnisse und individuelle Neigungen des Vf.
darin zur Geltung kommen. Schon der Umstand, „dass sämtliche Aufstellungen durch-
weg den sogenannten Neuen Lehrplänen vom 31. März 1882 angepasst wurden", weist
darauf hin ; die Abänderung der amtlichen Lehrpläne würde an manchen Stellen des
Buches entsprechende Aenderungen erfordern. Aber auch abgesehen hiervon kann eine
so eingehende Auswahl und Verteilung des Lehrstoffies, wie sie z. B. auf S. 70 — 77 für
die Prima entworfen ist, doch nur so weit eine allgemeine Geltung beanspruchen, als sie
sich auf allgemein anerkannte oder in der Arbeit selbst begründete Prinzipien stützt.
Allein auf eine theoretische Begründung hat S. Verzicht geleistet, luid von der minutiösen
Genauigkeit, mit welcher Stoff und Reihenfolge der Lektüre bestimmt sind, sticht die
Unbestimmtheit und Kürze auffallend ab, mit welcher z. B. S. 77/8 die Gesichts-
knnft: ZDU. 5, 8. 1/6. — 7) 0. Lyon, D. Kaiser Über d. dtsch. Unterricht : ib. S. 81/7. — 8) K. Schnippel, Ausgeführter
Lehrplan im Deutschen fUr d. mittl. u. ob. Klassen hOh. Lehranst. E. Entwurf. Berlin, B. Qaertner. XVI, 9ö S. M. 1,80. —
129 Rud. Lehmann, Litteratur in der Schule. I 7: »-is
punkte für den Prinianerunterricht entworfen werden. Gruppierung des Stoffes und
innere Eiiiheits[)Utikte fordort S. zwar; allein es würde nicht möglich sein, sich nach
der hier gegebenen Aufzälilung ein klares Bild von der Eigenart eines entsprechenden
Unterrichts zu machen. Es sollen nämlich als Concentrationspunkte neben dem
„litterarischen Cluiraktorbild des jedesmal behandelten Schriftstellers" in Betracht
kommen „die Bogriffe der Humanität, der Freiheit, der Bestimmung des Menschen, der
Aufgabe von Kunst und Wissenschaft innerhalb der Gesamtkultur, insbesondere der
Diclitkunst, der Unterschiede des Antiken und Modernen, aber auch solche wie Bildung,
Idealismus, Ehre, Vaterland". Wie viel klarere und bestimmtere Grundzüge hat Gold-
schcider in der JBL. JHiM.) besprochenen Schrift dem litterarischen Unterricht der Prima
vorgczeicluiet, und doch sind es nur allgemeine Gesichtspunkte, die er behandelt, und
er linlt sich von Einzelheiten der Praxis fast durchgängig fern. Angesichts dessen wird
man S. nicht beistimmen kcnnien, wenn ihm „der Versuch, einen solchen Leluplan zu
sohatfen, noch ungleich wichtiger als eine Tlieorie des Lehrplans" erscheint (S. 10.).
Der Wert einer derartigen Arbeit wird vielmehr vorwiegend darin bestehen, dass sie
„zum Austausch mannigfaltigster Erfahrungen" beiträgt, dass sie „eine brauchbare
Unterlage weiterer Eröi'terungon" abgiebt und somit Material für eine Theorie des Lehr^
plans liefert. Unter dieser Beschränkung, die auch S. selbst S. IX und X des Vorworts
anzuerkennen scheint, darf man seiner Arbeit einen beachtenswerten Platz zuweisen.
Es ist eine verständige und überaus fleissige Zusammenstellung, die sich nament-
lich auch durch aussergewöhnlich sorgfaltige Litteraturbenutzung auszeichnet. —
Eine weitergehende Bedeutung kommt der Arbeit von Klee '•) zu, welche in der
Zeitschrift für den deutschen Unten-icht vor dem Schnippeischen Werkchen, in Buchform
erst nach ihm erschienen ist. Zwar können auch hier Anordnung und Auswahl des
Lehrstoffes eine aiitoritative Geltung nicht beanspruchen ; sie schliessen sich vielfach an
das Herk (humliche an \ind sind in den Einzelheiten oft anfechtbar; gerade der Ref.
sieht sich mannigfach zum Widerspruch genötigt. Was dem Buche aber einen all-
gemeinen Wert verleiht, ist das Gewicht, das auf die Behandlung des Lelu-stoffes gelegt ist*
Mit liebevollster Sorgfalt und eingehendstem Verständnis ist die Methode für die ver-
schiedenen Zweige des deutschen Unterrichts der mittleren und zumal der unteren
Klassen entworfen. K. bezeichnet es als sein nächstes Ziel, ,jüngeren Lehrern, die noch
wenig Erfahrung im deutschen Unterricht besitzen, zu zeigen, was sie in den von ihnen
oft gefürchteten Stunden zu treiben, und zugleich, wie sie es etwa anzufassen haben".
Dies Ziel ist vollkommen erreicht: man kann jedem in die Praxis eintretenden Lelirer
des Deutschen K.s Büchlein empfehlen, und auch erfahrene Pädagogen werden sich der um-
sichtigen und tüchtigen Arbeit freuen. — Was die Methodik im engeren Sinne betrifft, so
finden wir hier keine Schrift von Belang, die sich mit dem gesamten Gymnasialkursus
beschäftigt. Das Programm von L. Weber lO)^ das die poetische Lektüre aus den ver-
scliiedenen Sprachen behandelt, fordert, „dass die höheren Schulen vor allem die Schüler
in der nationalen Poesie heimisch machen. Das muss die Welt sein, in der er vollkommen
lebt und woraus er Nahrung zieht für sein ideales Leben." Doch wird zur Begründung
oder Aiisführung dieser gewiss berechtigten Forderung nichts Neues beigebracht. — Die
Unter- und Mittelstufe des Gymnasiums berücksichtigt eine Arbeit von M. Miller'^).
Auffallend oft stösst man in der pädagogischen Litteratur der letzten Jahre,
soweit sie den deutschen Unterricht betrifft, auf das naive Bekenntnis, dass der Vf.
eigentlich nichts zu sagen habe, was andere nicht schon gesagt hätten. Haupt-
sächlich findet man es freilich in Programmen, die ja oft der Not gehorchend,
nicht dem eigenen Trieb des Autors ins Leben treten; auch M. beginnt sein
Vorwort mit einem solchen Geständnis, das denn der Lihalt des Büchleins, der
einige leidlich brauchbare Winke für die Praxis bringt, zu bestätigen scheint Ob
die Fragen des deutschen Unterrichts wirklich schon so „allseitig", wie M. meint., er-
ledigt sind, dass hier der Theorie nichts mehr zu tliun bleibt? oder ob die Herren, die
in diesem Fache thätig sind, nur mehr Selbsterkenntnis besitzen als die Autoren auf
anderen Gebieten? In jedem Falle sollten sie doch die Konsequenzen ihrer Erkenntnis
ziehen. — Das anspruchslose Programm von Corsenn '2) enthält eine vielfach be-
rechtigte negative Kritik der ersten drei Jahrgänge des Lesebuchs von Hopf und
Paulsiek, natürlich in seiner früheren Gestalt. Das daran geknüpfte Urleil über einige
andere gebräuchliche Lesebücher ist zu kurz und skizzenhaft, um ins Gewicht zu
fallen. — Von allgemeinem Interesse ist, trotz des speciellen Gegenstandes, die Polemik
von Kniescheck 13) gegen einen Abschnitt der österreicliischen „Instruktionen für den
9) O. Klee, AasgefUirter Lehrplan f. d. dtsch. Unterricht an d. Unter- n. Mittelklassen e. sSchsischen Oymn. Leipzig,
Teubner. VIII, 106 8. M. 1,60. — 10) L. Weber, D. poetische Lektflre auf. d. Gymn. (I.Teil.) Progr. d. kgl. Lnisen-Gymn.
Berlin. 40. 24 S. — II) M. Miller, Z. Methodik d. dtsch. Unterrichtes auf d. Unter- u. Mittolstufo d. Gynin. Mönchen.
Pohl. VII, 71 S. M. 1,20. — 12) A. Corsenn, Beitrr. z. dtsch. Unterrichte. Progr. d. höh. Bürgerschule u. d. Real-
progymn. GeestemUnde. 56 S. — 13) J. Kuicschek, Ueber d. dtsch. Unterricht in d. Quinta. Progr. Reichenberg. 14 S. —
Jahresberichte fUr neuere deutsche Littentorgeschiohle LI ni. 9
I 7: 14. Rud. Lehmann, Litteratur in der Schule. 130
Unterricht", welcher für die fünfte Gymnasialklasse, die unserer Obertertia bis Unter-
sekunda entspricht, eine systematische Poetik fordert. K. wendet sich teils gegen den
verfrühten Platz im Unterricht, da es hier noch rieht möglich sei, die Einsif ht in die Unter-
schiede der Kunstformen aus dem Boden der Erfahrung hervorwachsen zu lassen, teils
gegen eine mehr als gelegentliche Berücksichtigung der Poetik überhaupt. K. schiesst zu-
weilen über das Ziel hinaus, so wenn er behauptet, dass alle Klassifizierungen und Stilunter-
scheidungen zwischen den verschiedenen poetischen Gattungen auf reiner Willkür beruhen.
Aber mit Recht erscheinen ihm die BegritFe, welche die Poetik mit den einzelnen Namen
und Gattungen verbindet, vielfach so beweglich und unsicher, dass man unmöglich den
Schülern einen festumgrenzten Inhalt für dieselben übermitteln kann, und er beweist
dies drastisch, indem er aus sieben bekannten ästhetischen Werken und Schulpoetiken
sieben ganz verschiedene Definitionen der Romanze anführt. Mit gleichem Recht sieht K.
in der Beschäftigung mit der klassifizierenden Poetik nicht ein Mittel zur Bildung des
Geschmackes, sondern „eine rein logische Uebung". Dieser beachtensw^erte Satz trifft
nicht nur die systematische Poetik, die in unseren Gymnasien wenig betrieben wii^d,
sondern überhaupt jede Art von Formalismus in der Behandlung der deutschen Lektüre.
Dem Anschein nach befreit sich aber der deutsche Unterricht nur schwer und allmählich
von diesem Formalismus, der sich in wechselnden Gestalten immer wieder zu un-
erwünschter Vorherrschaft drängt. Kaum dürfen wir die Methode der philologischen
Einzelinterpretation als abgethan betrachten, so tritt eine dramaturgisch-technische Be-
handlung der klassischen Poesie hervor, die durch ihre Einseitigkeit die letzten
Ziele des deutschen Unterrichts nicht minder gefälu-den muss. — Als eines der wesent-
lichsten Fermente dieser Bewegung ist das Buch von Unbescheid ^4) zu betrachten.
Das Buch hat einen gewissen Einfluss, wenn auch vorläufig wolil weniger auf die Praxis
selbst, als auf die Litteratur des deutschen Unterrichts erlangt. U. will dem Lehrer des
Deutschen „eine Anregung geben, auf welche Weise die Lektüre klassischer Dramen
durch Berücksichtigung der Technik des Dramas nutzbringend gestaltet werden kann".
Dem Schüler soll ein „Einblick in den Bau des Dramas und in die Eigentümlichkeit
des dichterischen Genies werden". „Die ästhetische Behandlung hat hauptsächlich den
Bau des Dramas zu berücksichtigen, d. h. denjenigen Teil der Technik, der gleichsam
die Naturgesetze der dramatischen Kunst enthält, nach welchen jedes dramatische
Kunstwerk alter und neuer Zeit gebildet ist" (S. 148). Diese Naturgesetze des Dramas
will U. an den Schillerschen Dramen veranschaulichen; ihre Formulierung entnimmt er
Freytags „Technik des Dramas". Hat schon Freytag den „pyramidalen Bau", den die
dramatische Handlung haben muss, durch ein einfaches Schema versinnlicht, so giebt U.
für jedes einzelne Schillersche Drama ein besonderes Schema in Gestalt einer Art von
Koordinatensystem, nur dass es, übrigens kaum gerechtfertigterweise, keine Kurven, sondern
gerade Linien sind, deren Auf- und Absteigen verdeutlicht und gemessen werden soll.
Eine im Anhang beigefügte „Lehrprobe" veranschaulicht das Verfahren, das U. vorschreibt,
am „Prinzen von Homburg". Eine Erörterung über das Wesen der Tragödie ist S. 80 — 93
der Erörterung der „tragischen Momente" vorangeschickt. Das Buch ist das dankenswerte
Ergebnis gründlicher Arbeit und trotz einzelner zweifelhafter sachlichen Aufstellungen für
jeden belehrend, der sich über Schillers dramatische Technik orientieren will. Und da die
Komposition der klassischen Dramen einen Gesichtspunkt des Lektüreunterrichts dar-
stellt, so wird auch der deutsche Lelirer manches daraus lernen, manches sogar ganz
unmittelbar für den Unterricht verwerten können. Dennocli ist der pädagogische Wert
der Arbeit nur beschränkt. Zunächst ist die ganze Art der ästhetischen Betrachtung einseitig
und U. selbst giebt von vorn herein zu, dass die Charakteristik als ein zweiter, nicht
minder wesentlicher Gesichtspunkt zu dem des technischen Aufbaues hinzukommen muss,
wenn das Drama wirldich verstanden werden soll (vgl. S. 7 und 15). Warum U. sich
gleichwohl, wie er an der letzteren Stehe hinzufügt, auf die Handlung beschränken
musste, ist nicht recht einzusehen; ebensowenig warum es gegenüber der Charakteristik
die angelegentlichere Aufgabe des Lehrers bleiben soll, den Schüler die Gliederung der
Handlung erkennen zu lassen. Schon in der erwälinten Lelirprobe aus dem „Prinzen
von Homburg" tritt die Charakteristik viel deutlicher, als man erwarten sollte, als ein
wesentlicher und entscheidender Bestandteil der Erklärung hervor. Beruht nun gerade
hierin der Wert dieser Probe, so sieht man nicht ein, warum die Charakteristik den
Gesichtspunkten des teclmischen Aufbaues imtergeordnet werden und das Ganze wieder
in eine graphische Darstellung dieser letzten auslaufen muss. U. warnt in einem
Schlusswort davor, die Analyse im praktischen Unterricht so eingehend vorzunehmen,
wie sie sein Buch darstelle, die Methode selbst aber erklärt er für wertvoller zur Aus-
bildung des Urteils und der Phantasie als jede andere. Gerade umgekehrt darf man
behaupten, es könnte vielleicht ganz nützlich sein, an einem oder zwei Beispielen den
14) li. Uiibesclieid, Beitr. z. Behandl. d. dramat. Lektüre. Mit 1 Taf. zu Scliillers Dramen. 2. Aufl. Berlin, Weidmann.
131 Rud. Lehmann, Litteratur in der Schule. I 7: 15.1«.
Sohül(!rn die Momente der Komposition auch im einzehicn aufzuweisen; aber es wäre
ein |)äda|!j(){jis(l»er Missgriff', wenn innn der Betrachtung aller oder auch nur eines grösseren
Teiles der klassisclien Dramen das hier entworfene Schema selbst bloss in seinen allgemeinen
Zügen zu Giunde logen wollte. Der Unterricht der Lektüre soll methodisch, aber er darf
nicht schomatiscli sein. Man wird bei jedem Drama die Komposition in den Hauptzügen
kennzeichnen; aber nur bei einigen wird man sie zum Mittelpunkte der ganzen Betrachtung
macluMv dürfen. Was die Schüler an verschiedenen klassischen Dramen lernen können, ist
verscliiedenerlei, und ganz andere Gesichtspunkt« müssen z. B. die Literpretation
der „Braut von Messina" behen-schen wie die des „Don Carlos" oder des „Egmont-'.
Neben dieser Ausstellung gegen die äussere Anlage des Buches muss auch
ehi Bedenken gegen die Methode des "Vf. selbst und seine Darstellung
im einzelnen erörtert werden : seine Neigung zum abstrakten und schematischen Formu-
lieren kann das ästhetische Verständnis, das doch nur auf dem Boden der künstlerischen
Anschauung und Empfindung erwächst, unmöglich fördern. So soll z. B. den Anfang der
Besprechung die Feststelhmg der Idee der Handlung in einer möglichst knappen
„Formel" bilden. Allein kann man sclion an dem sachlichen Wert solcher Formeln
zweifeln, so sind sie für den Schüler ganz gewiss höchstens als Abschluss der Erklä-
rung und als kiu'ze Zusammenfassung des Ergebnisses brauchbar. Wie die Freytag-
schen Formulierungen zum Teil nur ganz äusserlich die Momente der Handlung
zusammenfassen, so sind auch U.s teilweise in der zweiten Auflage liinzugekommene
Formeln — abgesehen davon, dass sie zum Teil sachlich schief sind, wie bei „Tasso"
und Grillparzers „Sappho", — wenig geeignet, in den wirklichen Lihalt der Dichtungen ein-
zuführen. Noch abschreckender tritt diese Neigung zum abstrakten Schematisieren in
den graphischen Darstelhnigen hervor, von denen das Schema für den „Teil" sogar eine
ziemlich komplizierte Figur bildet, die die Anschauung gar nicht fördert. Mit Recht
warnt IL davor, die Schüler durch ästhetisches Theoretisieren zu dem L-rtum zu veranlassen,
„dass der Dichter sich in ein gewisses Regelwerk gleichsam einzuspinnen habe" (S. 148).
Wie ist das aber zu vermeiden, wenn man mit einer Formel anfangt und mit
einem Schema schliesst? Im übrigen hat U. in der zweiten Auflage auffallender und
unberechtigter Weise die inzwischen ersclxienene Scliillerlitteratur, so z. B. Bellermaims
Buch nicht berücksichtigt. Noch jetzt erldärt U., dass der „Don Carlos" „bekanntlich"
der Einheit entbehre (S. 12). Noch jetzt behält er die „kritischen" Bemerkungen
Düntzers unter dem Text bei, obgleich sie grösstenteils ganz liinfällig sind und über-
dies oft recht sonderbar mit dem begeisterten Lobe kontrastieren, das dem Dichter über
dem Strich gespendet wird. — Im Gegensatz zu der formalistischen Einseitigkeit, die
bei Unbescheid hervortritt, ist es ein Verdienst der „Methodik" von M. Jahn^^), dass
sie die pädagogische Bedeutung der epischen und dramatischen Lektüre nach ihren
verschiedenen Seiten gleichmässig zu erfassen und in ilu-em ganzen Umfange darzustellen
strebt. Im Anschluss an Schillers Ideen über die ästhetische Erziehung stellt J. im
ersten allgemeinen Teile die Ziele der Dichterlektüre für die oberen Klassen fest, um
sodann daraus die Einzelheiten des methodischen Verfahrens abzuleiten. Auch Her-
bartsche Anschauungen sind verwertet, ohne jedoch für die Gestaltung des Buches
massgebend zu sein. „Im ästhetischen Zustande", so führt J. im Anschluss an
Schiller aus (S. 30), „wird es dem Zöglinge leicht, im Gebrauch seiner gesamten
geistigen Kräfte weiter fortzuschreiten, alle diejenigen Zwecke des Unterrichts zu er-
reichen, welche mit der Behandlung der klassischen Lektüre verbunden werden können.
Die ästhetische Stimminig ist demnach niu- die notwendige Vorstufe einer gedeihlichen
Schularbeit auf diesem Gebiet .... Die begriff'liche Ausbildung, welche sich an das
Vorstellungsleben wendet, muss die Geflihle, um ruhige Klarheit zu schaffen, oft zurück-
drängen; dadui-ch aber birgt sie die Gefahr in sich, dass totes Wissen, trockene Gelehr-
samkeit erzeugt wird. Dem Untemcht in der klassischen Lektüre wohnt, wenn nur
einigermassen richtig verfahren wird, diese Gefahr nicht inne. Er soll mit der Erzeugung
der ästhetischen Stimmung beginnen, dann durch Weckung intellektueller, ethischer und
ästhetischer Gefühle fortfahren und zur Urteils-, Begriffs- und Ideenbildung übergehen.
Der Unterricht muss nur darauf achten und kann dies hier auch leicht, dass die hinzu-
kommenden Vorstellungen, Gedanken inid Begriffe immer in enger Verbindung bleiben
mit den entsprechenden Gefühlen" (S. 37). J. ist nun zwar in der Ausführung dieser
Sätze nicht zu wesentlich neuen Ergebnissen gelangt ; dennoch ei-freut vielfach der klare
Verstand, mit dem das praktisch Richtige ergriffen und mit den allgemeinen Prinzi[»ien
in Zusammenhang gesetzt ist. So polemisiert J. ganz mit Recht gegen die methodische
„Erregung einer fruchtbaren Erwartung", die als notwendige „Stufe der Vorbereitung"
in der methodischen Erläuterungslitteratur der letzten Jahre einen ebenso ausgedehnten
wie überfllissigen Platz einnimmt. „Ein Kunstwerk muss zunächst als solches wirken,
173 S. M. 3,00. — 15) M. Jahn, Uethodik d. ep. u. dramat Lektüre. LeipzifTi Dttir. IV, 150 S. M. 2,26. — 16) S. Feist,
I 7: 17-19. Rud. Lehmann, Litteratur in der SchtJe. 132
das ist die Absicht des Dichters, und er hat die Mittel selbst bereit gelegt, um ,Hin-
neigung' und ,innere Beziehung' zur Dichtung zu erwecken" (S. 50). Auch die scharfe
Kritik der landesüblichen Schulausgaben mit überflüssigen und störenden Anmerkungen
(S. 54 f.) kann man nur unterschreiben. Ueber die Einzelheiten hinaus aber ist es ein
Vorzug des Buches, dass J. den pädagogischen Wert des deutschen Lektüreunterrichts
nach den verschiedensten Richtungen der Geistesbildung hin im Zusammenhang einer
allgemeinen pädagogischen Anschauung darlegt und den Anspruch dieses Unterrichts
auf eine centrale Stellung für den, der sehen will, klar begründet. Das Buch würde
vielleicht geeignet sein, auch auf weitere Kreise zu wirken, wenn es nur eine ge-
schicktere Darstellung oder wenigstens einen korrekteren Stil böte. Zudem fallen auch
einige Einseitigkeiten der Anlage und des Urteils auf, sc der Ausschluss lyrischer Lek-
türe. Auffallend ist sodann, dass J. der gescliichtlichen Betrachtung entschieden nur
eine gelegentlich ergänzende Rolle im Unterricht zuweist. Aus seinen pädagogischen
Zielbestimmungen folgt diese Beschränkung keineswegs notwendig, wie sie denn auch
z. B. Erick, dessen Anschauungen J. sonst ziemlich nahestehen, nicht mit ihm teilt. Doch
der Grund seiner ablehnenden Haltung erklärt sich aus seiner äusserlichen und ein-
seitigen Definition des historischen Moments (z. B. S. 115 f., 117). Bei ihm strebt der
Unterricht einer systematischen Poetik zu, die der Schüler sich allmählich und induktiv
aneignen soll, während ihn doch seine eigenen Klagen über das Schwankende und Un-
sichere der ästhetischen Eormulierungen gerade auf den Vorzug weisen sollten, den eine Con-
centration des Stoffes nach festen geschichtlichen Gesichtspunkten hat. So kommt man J.s
Buche gegenüber aus einem Zwiespalt des Eindrucks nicht recht heraus. — Die Pflege des
dramatischen Vortrags empfiehlt Feist i^) unter der Voraussetzung, dass die Gymnasien
in den mittleren und höheren Klassen mehr Zeit für das Deutsche bekämen; gewiss
mit Recht. Das von E. vorgeschlagene Mittel aber, nämlich in den unteren und mitt-
leren Klassen die Dialoge prosaischer Lesestücke „mit verteilten Rollen" lesen zu lassen,
ist kaum mehr als eine Spielerei, die vielleicht gelegentlich den Unterricht beleben, aber
schwerlich zu dauernden Ergebnissen führen kann. — G. Spengler i'') giebt zum Ge-
brauch und der Einrichtung des Lesebuches im Untergymnasium einige, wenn auch nicht
neue, so doch praktische Winke. Er befürwortet einen engeren ,,Anschluss der Lektüre
an die Jahreszeiten und den gesamten Unterrichtsgang der Klasse". Dass hierzu jedoch
ein für jede Stunde des Schuljahrs spezifizierter Lehrplan am Beginn des ersten Semesters
ausgearbeitet werden müsste, wird man S. kaum glauben. Durchaus zu billigen dagegen
ist die Warnung vor einem allzu absichtsvollen Betonen ethischer Motive. ^^) —
In der Tendenz verwandt ist der Jahnschen Methodik das Buch eines Schweizer
Pädagogen, Florin 19), das in der Behandlung von Schillers Teil als methodische
Erläuterungsschrift zugleich ein Vorbild für die dramatische Lektüre überhaupt vor-
zuzeichnen unternimmt. Der massvollen und verständigen allgemeinen Einleitung F.s
kann man trotz einzelner Abweichungen beistimmen. Auch er strebt eine möglichst all-
seitige Durchdringung des Lesestoffes an und unterscheidet dabei ganz treffend zwei
Stufen der Behandlung. ,,Auf den unteren Stufen tritt die Erfahrung des Inhaltes in den
Vordergrund und erst allmählich werden die Schüler zur Reflexion über die Handlung,
die Motivierung usw. hingeführt. Die erschöpfende Behandlung des Dramas auf der
obersten Stufe bringt den Bau desselben zum Verständnis und erschliesst einen vollen
Einblick in die sittlichen Ideale, welche der Dichter in sein Kunstwerk gelegt hat."
(S. 5.) ,, Namentlich grosses Interesse und reichen Gewinn für die Schüler bietet der
Einblick in die Werkstätte des Dichters. . . . Der Einblick in die Arbeit, welche zur
Schöpfung eines Kunstwerkes von ewigem W^erte auch dem Genie noch niemals erspart
worden ist, muss von grosser Wirkung auf den Charakter der Jugend sein." Die Me-
thode Unbescheids stellt F., obgleich er ihre Einseitigkeit hervorhebt, sehr hoch. Zu
welch wunderbaren Verirrungen aber dies graphische Verfalu"en verleiten kann, ersieht
man aus den Stimmungsskalen S. 51 und 64, wo die Stimmungen Stauffachers und
Melchthals genau nach der Methode verdeutlicht ist, nach welcher die modern graphischen
Barometer ihre Wetterkurven selbst zeichnen. Nimmt man noch die ebenso drastische
wie überflüssige Verdeutlichung hinzu, die ein ganz einfacher Satz; „Wir wagten es, ein
schwaches Volk der Hirten, In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt" (S. 79)
findet, so kommt man wirklich in Versuchung, den ganzen Inhalt des „Teil" einmal von den
Schülern mit Kreide an der Wandtafel in lauter Kurven und geraden Linien wieder-
geben zu lassen, wodurch dann vielleicht ein Mittel gefunden wäre, deutsche Dichter-
lektüre und analytische Geometrie zugleich zu üben und so die vielerstrebte „Con-
E. Art dramat. Lektüre im dtsch. Unterr. d. nnt. Klassen. E. Versuoli: ZDU. 5, S. 477—80. — 17) G. Spengler, Ueber d.
Einrichtung u. d. Gebranch d. dtsch. Lesebuches auf d. Unterstufe d. Österreich. Gymn.: ZOG. 42, S. 168-7Ö. — 18)
X Bohringe r, D. dtsch. Unterricht in d. obersten Kurse d. Gymn.: BUG. 27, S. 1-lC. (Enthält ahnlich wie der JBL. 1890
besprochene Vorlr. B.s e. Darstellung s. Organisation d. dtsch. Unterrichts besonders in Bezug auf Voiträge u. Aufsatze.) —
19) A. Florin, D. unterrlchtl. Behandl. t. Schillers Wilh. Teil. E. Boitr. z. Methodik d. dramat. Lektüre. Daves, Richter. 156 S.
133 Rud. Lehmann, Litteratur in der Schule. I 7: 20-27.
centrat ion" (Ich Unterrichts zu fthdnrn. Anziehender ist es zu sehen, wie hohen Wert
die Scliwoizer Sclnilc dorn ÖchiUcrschcn Toll beiminst: „Der Teil hat für die schweizerischo
Mittelschule eine so hoho nationale Bedeutung, dass er eine gründlichere Durcharl)eitung
verdient als jedes andere klassische Stück, und wäre ihm dasselbe an künstlerischer
Vollendun«^ weit überlegen." Mit dieser Anschauung, die F. auch für die Lehrer-
seminarien und die Volksschido seines Vaterlandes gilt, hängt nun freilich ein Fehler
des Buches zusammen. F. will die Behandlung des Stoffes „möglichst allseitig" gestalten,
so dass „neben den Fingerzeigen mehr elementarer Durcharbeitung" auch die höheren
Stufen berücksichtigt werden sollen. Die Folge dieser Tendenz ist, dass das Elemen-
tare, das naturgemäss einen breiten Raum erfordert — z. B. die Anfangsgründe der
Metrik, über die der Schüler bei der Teillektüre doch wohl hinaus ist — , sich stärker
in den Vordergrund drängt, als es für die Gesamtanlage des Buches gut ist. Mancherlei
ethnologische luid sprachliclie Bemerkungen jedoch wird der deutsche Ausleger des „Teil"
von dem sach- und sprachkundigen Schweizer Kollegen dankbar entgegennehmen. —
Z(!rgieber^o) giebt im Anschluss an einige methodische Bemerkungen in Deinhardts
Dispositionslehre und Rud. Lehmainis „Deutschem Unterricht" eine Lehx7)robe in der
Behandlung des „Blinden Köin'gs", die man, falls das leicht verständliche Gedicht wirk-
lich erst in der Tertia gelosen wird, im ganzen billigen kann. Doch ist die auch
hier beliebte graphische Verdeutlichung des Gedankenganges überflüssig und die Ueber-
schrift, die Z. dem Gedichte geben will: ,,'Was Gott schickt, das ist wohlgemeint,
Obgleich es uns oft anders scheint", zum mindesten sonderbar gewählt. —
Unter den sonstigen für den Lehrer berechneten Erläuterungsschriften 21-22^ nimmt die
Arbeit von Zürn 23) über Lessings .,Dramatiirgie" eine beachtenswerte Stelle ein. Die
Lektüre dieses Werkes gehört augenblicklich* zu den umstrittenen Punkten im Primaner-
Unterricht. Mit Recht geht Z. davon aus, dass die höchst spärliche und mangelhafte
Kenntnis dramatischer Dichtungen, mit welcher der Schüler an diese Lektüre herantritt,
der einzige triftige Einwand sei, der gegen dieselbe erhoben werden könne. Er macht
demgemäss zunächst in einem allgemeinen Teil Vorschläge, um diesem Mangel ab-
zuhelfen und in Verbindung damit zeichnet er kurz die Auswahl und eingehender die
Methode vor, nach welcher die Lessiiigschen Kritiken gelesen werden sollen. Es folgt
sodann eine ausführliche Erörterung der Kritik von ,,01int und Soplironia" und im An-
schluss an die Kritik der „Semii-amis", die ebenfalls eingehend behandelt ist, eine Dar-
stellung des Vei-hältnisses Lessings zu Voltaire. — Die Fortsetzung dieser Arbeiten 2*)
behandelt die Kritik der „Zaire" und fügt einen abschliessenden Rückblick auf die beiden
letztgenannten Recensioneu (St. 10/2, 15/0) hinzu. Was das Material betrifft, das Lehrer
und Schüler verarbeiten sollen, so giebt und verlangt Z. im einzelnen unzweifelhaft
zu viel. Weder hat der Lehrer Zeit, „Olint und Sophronia" oder Weisses „Richard III.",
wenn auch mit noch so bedeutenden Kürzungen, in der Klasse vorzulesen (I, S. 7),
noch ist es überhaupt möglich, die S. 4, 5 aufgezählten Abschnitte auch nur zu einem
grösseren Teile mit der geforderten Ausführlichkeit zu behandeln, um so weniger als
Z. mit Recht der gesamten Lektüre nicht mein* als einen Zeitx-aum von sechs Wochen
zumisst (I, S. 5). Alles z. B., was das zweite Programm enthält, die Kritik der Dar-
stellung sowie die des Prologs und Epilogs wird der Unten-icht einfach übergehen
müssen. Auf die Katharsisfrage, deren Erörterung auch Z. oinsclu-änken ■will, lässt man
sich am besten gar nicht ein. Abgesehen aber von diesem Zuviel an Material hat Z.
methodisch fast überall das Richtige getroffen, und namentlich hat er den Wert der
Dramatxu'gie für die ästhetische Bildung des Schülers nachzuweisen verstanden, ohne
dass er doch die sachliche Bedeutung der Lessingschen Kritik einseitig über-
triebe oder dass er mit Laas in den Fehler verfiele, den Primaner zu kritischen Wert-
iirteilen nach Lessing-Aristotelischem Massstabe anleiten zu wollen. Eine selbständige
Herausgabe der Z. sehen Arbeiten würde dem deutschen Unterrichte zu gute kommen;
mir müsste auch Z. seinen Stil einer Revision unterziehen und namentlich an dem über-
aus schwülstigen Periodenbau bessern. —
Wenden wir uns nxnnnchr zu einem kurzen Ueberblick tiber die Hilfsmittel
für den Unterricht und fassen wir zunächst die Schulausgaben ins Auge. Ihre
Zahl hat seit dem vorigen Jahre nicht abgenommen: die sämtlichen dort genannten
Sammlungen haben sich durch neue Erscheinungen oder Auflagen vermelirt. Eine neue
Sammlung für Mädchenschulen ist hinzugekommen 26-34) q^ ^[q bisher vorhandenen
M. 1,60. - 20) E. H. Zergiebel, D. üeliHiidl. v. ühlands (Jedxht ,D. blindo KOnig": ZDU. 5, S. 749-55. - 21-22) X
A. Rausch, Scliillers Gösch, d. 30j. Kriegs im dtsch. Unterricht d. Oborteitia. JB. Ober d Oymn. Carolo-Alexandrinum.
S. 24j7. Jena. 4''. (AIr Anhang e. Schema d. Komposition.) — 23) L. ZOrn, D. Lektüre d. Hamburg. Dramaturgie Lessings
in d. Obtrprima. Teil 1-111. l'rogr. Rastatt, Vo^cl. 1884, 85, Ol. 4". 26, 21, 10 S. — 24) id., ü. Lektüre d.
Hamburg. Üraniaturgio Lessings in d. Oberprima. 15 u. 16 St.: Voltaires Zaire: ZDU. 5, S. 617—34. — 25) X .Schillers
Maria Stuart, her. v. Q. Ftaumann. (— Toubners Saminl dontsrh^r Dicht- u. Schriftwerke f. höhere Töchterschulen, lier. t.
G. Born hak; ebenso N. 26—34; je M. 0,80.) Leipiig, Teubuer XXI, 136 S. — 26) X Jungfrau v. Orleans t .•Schiller,
her. V. G.lJaumannn. ebda. XXXI, 123 S. — 27) X Lessings Minm v. Barnhelm, her. t. A. Hamann, ebda. XIX, 101 S. —
I 7: 28-67. Rud. Lehmann, Litteratur in der Schule. 134
wirklich, wie der Prospekt angiebt, den Zwecken der höheren Mädchenschule nicht ge-
nügen, vermag icli nicht zu beurteilen. Da aber die vorliegenden Bändchen hervor
ragend gut ausgestattet und nicht mit Anmerkungen, sondern nur mit unschädlichen
Einleitungen versehen sind, so werden die Schulen, die sie einführen, jedenfalls gut
damit fahren. Nur ist nicht recht einzusehen, warum sich auf fast sämtlichen Titeln
der Vermerk ,, bearbeitet von" usw. findet, da doch ein grosser Teil der Werke einfach
abgedruckt ist und ausser der Einleitung kein Zeichen einer Arbeit des Herausgebers
trägt. — Von den älteren Sammlungen hat die Wychgr am sehe 35-41) ihre Klassiker-
biographien durch Abrisse von Herders und Lessings Leben von R. Eranz imd Lösch-
horn 3^) vermehrt, die in einem Bändchen vereinigt sind. — Hinzugeliefeii; ist vonWych-
gram^ß) ferner ein Bändchen „Deutsche Prosa, I. Teil. Rednerische Prosa", das aber be-
trächtlich einseitiger ist, als es dieser Titel vermuten lässt; denn er enthält fast nur
Reden und Predigten offiziellen Charakters, die sich auf die Vorgänge von 1870/71 und
die später folgenden Ereignisse beziehen. Das Bändchen ist vielleicht für den vater-
ländischen Geschiclitsunterricht, nicht aber für den deutschen Unterricht brauchbar. —
In der Bötticher-Kinzelschen Sammlung hat Neubauer ^2) seine Luther- Auswahl durch
ein zweites Bändchen vervollständigt, dem dieselben Vorzüge nachzurühmen sind wie
dem ersten. — Eine Einzelausgabe, die sich durch Eeinsinnigkeit der Auswahl und Prä-
cision der sachlichen Erläuterungen auszeichnet, ist Imelmanns ■*3) Klopstock. — Ln
übrigen hat der Ref. im vorjährigen Bericht seinem prinzipiellen Standpunkt Ausdruck
gegeben, und es kann nicht seine Sache sein, bei jeder einzelnen der zaldreichen neu
ei'scheinenden oder neu aufgelegten Schulausgaben oder Klassiker-Präparationen aufs
neue festzustellen, wie weit sie von der dort aufgestellten Norm abweicht oder ihr ent-
spricht; ebensowenig wie es einen Zweck hätte, jedes dieser Heftchen iind Bändchen
mit der Censur ,, sorgfältig" oder ,, minder sorgfältig" in die Welt zu begleiten. Wir
müssen uns daher gegenüber der Meln-zahl der Erscheinungen 44-67) \^{qy mit der blossen
Nennung begnügen. —
Ebenso kurz muss sich der diesjährige Bericht hinsichtlich der Lesebücher
28) X Nathan d. Weise v. G. E. Lessing, her. v. A. Hamann, ehda. XXVI, 144 S. — 29) X D. Cid Nach span. Romanzen
besungen durch J. G. v. Herder, her. v. A. Hamann, ehda. XV, 136 S. — 30) X Hermann u. Dorothea v. Goethe, her. v
G. Hofmeister, ebda. XIV, 68 S. — 31) X Luthers Schriften u. Dichtungen in Auswahl, lier. u. bearb. v. K. Staedler. ebda.
IX, 100 S. — 32) X Hans Sachs' Lieder u. Gedichte in Ausw., her. v. K. Staodler. ebda. 114 S. — 33) X Homers Ilias.
Im Auszuge nach d. Uebers. v. Voss, her. v. E. Wetzel. ebda. XII, 127 S. — 34) X Homers Odyssee. Im Auszüge nach
d. Uebers. v. Voss, her. v. E. Wetzel. ebda. VI, 133 S. — 35) R. Franz u. H. L8>chhorn, Herders Loben u. Werke,
Lessings Leben u. Werke. Bielefeld, Velhagen & Kla^ing. 166 S. M. 0,75. — 36) J. Wychgram, Dtsch. Prosa. 1. TL:
Kcdnerische I'rosa. ebda. VI, 156 S. M. 0,75. — 37) X ^ Oberhof v. C. Immerraann, her. v. G. Carol. • ebda. 138 S.
51. 0,60. — 38) X D- abenteuerliche Simplicissimus v. Grimmeishausen, her. v. G. Klee ebda 132 S. M. 0,60. — 39) X
Emilia Galotti v. Les.sing, her. v. A. Thorbecke. ebda. VI, 88 S. M. 0,50. — 40) X Minna v. Barnliolm v. Lessing Mt
Anra. 10. Aufl., her. v. Tomas check. Stuttgart, Göschen. IV, 131 S. M. 0,80. — 41) X D. Hennannsschlacht v.
H. V. Kleist, her. v. H. Windel. Bielefeld, Velhagen & Klasing. XII, 135 S. M. 0,60. — 42> Martin Luthers vermischte
Schriften weltlichen Inhalts, Fabeln, Dichtungen usw., her. v. R. Neubauer. i= Denkmäler d. alleren dtsch. Litt., her v.
Kötticher u. Kinzel. III, 3) Halle, Waisenhaus. VI, 252 S. M 1,50. — 43) Klopstocks Oden, ausgew. u. erkl. flir d.
oberen Klassen höh. Schulen v. J. Imelmann. Berlin, Nicolai. 144 S. M. 1,20. — 44) X Klopstucks Oden in Ausw. Mit
erkl. Anm., her. v. A. L. Back. 3. Aufl. Stuttgart. Göschen. X, 98 S. M. 0,80. — 45) X Geibels Gedichte. Ausw.
fllr d. Schule, her. v. M. Nietzki. Stuttgart, Cotta. 1890. XXI, 234 S. M. 1,00. — 46) X Kabale u. Liebe v. Schiller,
her. V. K. A. Schmidt. (= Gräsers Schulausg. klass. Werke, her. v. J. Neubauer. Ebenso N. 47/8, je Fl. 0,50.) Wien,
Gräser. XII, 83 S. — 47) X Julius v. Tarent v. Leisewitz, her. v. Lichtenhold. ehda. XVI, 48 S. — 48) X Lemais Gedichte in
Au^w., her. v. Frosch, ebda. XIII, 103 S. — 49) X D Hermannsschlacht. E. Drama v. Kleist, her. v. E. Kamprath.
{— Hölders Klassiker-Ausg. fllr d. Schulgebr. Heft 24. Wien, Holder.) 1890. XIV, 97 .«. m. 1 Kart^. M. 0,50. —
50) X D- Räuber v. Schiller, her. v. F. Spengler, ebda. 1890. V, 128 S. M. 0,50. — 5i) X Coriolanus, Tr. v. Shakespeare.
Nach e. Uebers. L. Tiecks u. anderen Uobertrr. Mit Einl. u. Anm. her. v. L. Wyplel. ebda. 1890. XII, 115 S. M. 0,50. —
52) X Lessings Laokoon f. d. Schulgebr. bearb. u. mit Erl. versehen v. J. Buschmann. 4. Aufl. Mit 2 Holzschn.
(— Schöninghs Ausg. deutsch. Klassiker m. Komm. I Ebenso N. 53/6) Paderborn, Schöningh. 160 S M 1.20. — 53) X
Wallenstein. E. diani. Ged. v. Schiller. 3lit ausfilhrl. Erlnut f. d Schulgebr. u. d. Privatstud. 2. Aufl. Her. v. A. Funke,
ebda. 335 S. M. l.&O. —54) X Wilh Teil. Schauspiel v. Schiller. Mit auslUhrl. Erl. f. d. Schulgebr. u. d. Privatstud., her.
V. A. Funke. 5. Aufl. m. 1 Karte, ebda. 176 S. M. 1,20. — 55) X Goethes Hermann u. Dorothea. Mit ausfilhrl. Erl. f. d.
Schulgebr. u. d. Privatstud., her. v A. Funke. 6. Aufl. ebda 147 S. M. 1,00. — 56) X Goethes lyrische Gedichte ausgew.,
geordn. u. eikl. f d. Schulgebr. u. d. Privatstud. v. J Heuwes. obda 172 S. M. 1,20. — 57) X ß- <-''d. Nach sp n. Ko-
manzen bes. v. Herder m, 1 Titelbild, her. v. K. Holdermann. (=; Meisterwerke d. dtsch. Litt, in neuer Ausw. u. Bearb. f.
höh. Lehranst., her. v. K. Holdormann, L. Sevin, V. U ellner. Ebenso N. 58—60.) Tcrlin, Eeuther. 116 S. M. 0,50.
— 58) X Goethe, Hermann u. Dorothea. Bearb. v. L. Sevin. 2. Aufl. ebda. 64 S. M. 0,30. — 59) X Nathan d. Weise
v. Lessing, her. v. V. Uellner. 1 Titelbild, ebda. 176 S. M. O.CO. — 60) X Goetz v. Berlichingen v. Goethe. Schulausg.,
her. V. V. Uellner. ebda. 140 S. m. 1 Bildn. M. 0,50. — 61) (IV 7 : 51.) — 62) X Schillers Gedichte in Ausw. Gemein-
fassl. erl. für Schule u. Haus, her. v. F. K. Hartert. 3. Aufl. Durchges. v. A. Dieter ich. Kassel, Wiegand. 345 S.
M. 3,00. — 63) X W. Böhme, Erl. zu d. Meisterwerken d. dtsch. Dichtkunst fllr d. hllusl. Vorbereitung d Schiller 4 Bdchn.
Schillers Willi. Teil. Berlin, Weidmann. 44 S. M. 0,50. — 64) X C. Gude, Eil. dtsch. Dichtungen. Nebst Themen zu schriftl.
Aufsntzen, in T^rori^Ken u Ausfllhrgn. 5. Reihe. Dichtungen aus d. M.-A. Unter Mitwirk. v. L. Voigt. 4. Aufl. Leipzig,
Brandstettor. VIII, 391 S. M. 3,00. — 65) X E. Kuenen u. M. Evers, D. dtsch. Klassiker erl. u. gewUrdigt f. höh.
Lehronst.. sowie z. Selbstud 3. Bdchn. 2 Aufl. Leipzig, Bredt. 94 S. M. 1,00. — 66) X ^- i'- Leimbach, Ausgew.
dtsch. Dichtungen, f. Lehrer u. Freunde d Litt. erl. 8. Bd. 3. Ll'g. (=. D. dtsch Dichter d. Neuzeit u. Gegenw. Biographien,
Charakteri-tlkeu u. Au-w. ihrer Dichtung. 4. Bd. 3. Lfg.). Kassel, Kay. Vll, 321—505 S. M. 1,50. Bd. 1-8, 3: 31,50 M. —
67) X I*- Uellner (Tochnikor), I). Lied v. d Glocke tochnich erl. iieb>t e. Beschreibung d. Glockengusses u. e. lithograph.
Tafel iu Farbeudr. als Lehrmittel für Scliulen entworfen u. erkl. Düsseldorf, Michels. 13 S. M. 1,80. (E. eigenartiges, recht
135 Rud. Lehmann, Litteratur in der Schule. I 7:68-ioo.
und Am tliolof^icn *"'■■'-) fassen. Durch die neuen Lehrpläne ist ein grosser Teil der
im BoriclitHJalir gedruckten und neugedruckteu öchullesebüclier schon gleich beim Er-
scheinen veraltet, und durch die gegenwärtig schwebende Enquete tritt die Angelegen-
heit voraussichtlich wieder in ein neues Stadium. Es erscheint daher geraten, diese
Wandelung zunächst abzuwarten und in einem der nächsten Jahrgänge der JBL. die
Losobuchlitteratur einmal zusammenfassend und von einem prinzipiellen Standpunkte aus
zu behandeln, für dieses Jahr aber selbst hervorragendere Erscheinungen, wie Wendts^)
Deutsches Lesebuch, II. TeU, imd R. Jonas''''') Musterstücke deutscher Prosa, die beide in
zweiter Auflage erschienen sind, nur dem Titel nach anzuführen. Ohnedies wäre der
Berichterstatter gegenüber den meisten Büchern dieser Gattung, die ja vielfach Altes in
nicht, immer neuer Kombination zu Markte bringen, in Verlegenheit, wenn er sagen
sollte, worin sich denn im einzelnen ein Fortschritt kundgiebt. —
Dasselbe gilt auch für die Mohrzahl der „Leitfaden" und „Abrisse" der
Litteraturgeschichto \ind Poetik "-^-''^O). Unter den neu erschienenen oder neu auf-
gelegton Hilfsmitteln dieser Art tritt das von Prosch ^7) durch gediegene Sachlichkeit
vorteilhaft hervor. Wenn P. seine Arbeit als „Hilfsbuch" bezeichnet und im Gegensatz
zu „gewöhnlichen Lehrbüchern" stellt, so mag das den Umfang des Buches rechtfertigen,
das sich als eine zusammenhängende Litteraturgeschichte darstellt und in den Händen
des Primaners als Lektüre gute Dienste thun wird. Wie freilich dem Unterricht selbst
ein Leitfaden von dieser Ausdehnung zu Grunde gelegt werden könnte, ist mir nicht
klar. — Zum Schlüsse sei bemerkt, dass der zweite Teil des „Handbuches der Deutschen
Sprache" von 0. Lyon ^^^) in zweiter Auflage erschienen ist. Von den drei Teilen, die
es enthält — Stilistik, Poetik, Litteraturgescliichte — hat namentlich der letzte Ei-weite-
rungen und Umarbeitungen erfahren. —
brauchbares Hilfsmittel z. Yeransdiaulichung d. technischen Beziehunj^en d. Gedichtes.) — 68) X L Bellerniann, J. Imel-
maun, P. Jonas, 15. Suphau, Dtsch. Leseb. f. höh. Lehranst. Vorschule, Unterstufe u. Oberstufo. 2. Aufl. Berlin, Weid-
mann. Vni, 224, V1I1,295S. M. 3,40 — 69-70) X K. Brandt, Dtsch. Loseb. Ausg. in 2 Tln. Hamburg, Meissner. 1. XVI, 280 S.
2. XVI, 480 S. M. 3,00. je M. 1,80. — 71) X B. u. W. Diotloln, G. Schumann, Dtsch. Leseb. filr sechs- u. mehrkl. Schulen.
Au.sg. B. in 7 Tln. 7. Teil. Gera, Hofmanu. 520 K. M. 1.00. — 72) X H- v. Dadelsen, Dtsch. Leseb. f. höh. Schulen.
1. Tl. Fllr vSextiv. Strassburg, C. F. Schmidt. XII, 244 S. M. 2,00. — 73) X A. Engelien u. H. Fechner, Bilder aus
d. Loben D. M. Luthers, d. dtsch. reforuiators. (=^ Ergänzung (I) zu d. dtsch. Leseb. ders. Autoron). Berlin, W. Schultze.
3',) S. M. 0,25 — 74) X H. Erkelenz, Dtsch. Leseb. f. höh. Madchenschulen. 1. Tl. (früher Vorstufe). FUr d. vorbereit.
Elementarklasseu (2. u 3. Schulj.) 2. Ausg. Köln, M. du Mont-Schauberg. VIII, 260 S. M. 2,00. — 75) X id., Dtsch. Leseb.
f. höh. Mndchenschulen. 3. Tl. (früher 2. Tl.) Für d. oberen Klassen IV, III, II u. I m. Rücksicht »uf d. Unterricht in d.
Litt.-Ge,seh. 3. Aufl. ebda. XXIV, 52S S. M. 4,80. — 76) X K. Hol dermann, Dtsch. Leseb. f. höh. Madchenschulen.
6. Schulj. Nach d. Vorhandlng. d. bad. u. elsa-s-lothring Zweigvereins f. d. höh. Madchenschulwesen her. Mit 16 Abbildgn.
Leipzig, Froytug. VIII, 183 S. M. 1.20. — 77) X B- Jonas, MusterstUcko dtsch. Prosa. E. Lesebuch, f. d. oberen Klasseu
höh. Lehranst. 2. Aufl. Berlin, Gaertner. VIII, 285 S M. 2,60. — 78) X J- Kehrein, Dtsch. Leseb. f. Gymn., Semiu.,
Realschulen, neu bearb. v. V. Kehrein. Unt. Lehrstufe. 9. Aufl. Leipzig, Wigand XJII, 453 u. 106 8. M. 3,00. —
79) X F. Linnig, Dtsch. Leseb. 1. Tl. 9. Aufl. Paderborn, Schöningh. XI, 502 S. M. 2,60. — 80) X H. J. LUning-
Sartori, Dtsch. Leseb. f. d. unt. u. mittl. Klassen höh. Schulen. 1. Tl. 3. Aufl. v. K. Schnorf. Zürich, Schulthess.
XIII. 314 S. — 81) X F. C. Paldamus, Dtsch. Leseb. Ausg. B. Für höh. Mädchenschulen bearb. v. K. Rohorn.
6 Tle. Frankfurt a. M., Diesterwog. M. 14,50. — 82) X «• Schulz, Dtsch. Leseb. t höh. Lehranst. 1. TL Für d.
unt. u. mittl. Klassen. 9. Aufl. Paderborn. Schöningh. XV, 566 S. M. 2,65. — 83) X L- Voigt, Dtsch. Lesob. für
Handelsschulen. Dresden, Hulile. 320 S. M. 2,00. — 84-) X 6. Wendt, Dtsch. Leseb. 2 TL für d. 4. u. 3. Klasse d. Gymn.
u. Kealschulrn. 2. Aufl. Lahr, Schauenbnrg. VI, 225 S. M. 2,60 — 85) X L<hrer d. dtsch. Sprache an d. kgl. Reil-
gynin. zu Döbeln. Dtsch. Leseb. für h(ih. Lehranst. 3. Tl : Quarta. 2. Aufl. Leipzig, Teubner. X, 350 S. M. 2,00. —
86) X A. Damman, Dtsch. Lernstoff. E. Au.sw. v. Musterstlicken in gebund. u. ungebund. Form. 3. Aufl. Berlin, Oehmigke.
163 S. M. 0,80. — 87) X E. Eckhardt, 150 ausgew. dtsch. Gedichte, schulgemäss u. eingehend erl., verbunden m e. elemen-
taren Litt.-Gesch. u. Poetik. 4. Lfg. Würzen, Kiesler. 193—256 S. M. 0.50. — 88) X 0. Köhler, Nene u. neueste dtsch.
Kaiserlieder. E. Samml. v. Gedichten, z. Feier v. Kaisers Geburtstag u. anderen Gedenkt, f. Schulzwecke voranst. Halle,
MUhlmann. VI, 162 S. M. 1,60. — 89) X J- Nieden, Dtsih. Gedichte, nebst e. Anh. v. Sprüchen, Sprüchwörtein u. Rätseln
z. Auswendiglernen zusaramcngest. u. her. Slrassburg, Lindner. VI, 182 u. 4 S. M. 1,00. — 90/1) X F- Otto. Äusw.
dtsch. Gedichte f. d unt. u. nvittl. Klassen höh. Knabenschulen. Berlin, Herbig. VI. 94 S. M. 0,90. — 92) X
Lehrerkollegium d. Kgl. Elisabethscliulo zu Berlin, Dtsch. Gedichte f. d. Mittel- u. Oberstufe. Berlin, Hayn. VII, 159 S.
— 93) X H. Damm. Leitfaden z. dtsch Litt.- Ge.-.ch f. d. Schulgebr. 19. Tausend. Verm. Aufl. Berlin, G. W. F.
Müller. 64 S. (Für d. Oborklasse e. Mittel- oder mehrstufigen Bürgerschule.) — 94) X A. Frauzem, Damms Leitfaden z.
dtsch. Litt.-Gesch. FUr kathol. Schulen beurb. Beilin, G. W. F. Müller. 64 S. (11:43). — 95) X J- Kippenberg, Abriss d.
dtsch. Litt. D. dt.-ch. Dichtg. uach ihrer gesch. Eutwickl. in e. Ausw. ihrer TorzUglichsten Erzeugnisse v. Anfang bis auf d.
Gegonw. Hannover, Nordd. Verlag.sanst. 1890. VIII, 328 S. M. 2,00. — 96) X ß- Koenig, Abris . d dtseh. Litt.-Gesch.
E. Hilfslnich fUr Schule u. Haus. Mit 10 Beil. u. 50 Abbild. 2 Aufl. Bielefeld, Velhagen & Klasing. IX, 202 S. (I 1 : 42). —
97) F. Prosch, Leitfaden für d. litt.-hist. Unterricht an österr. Lehranst. u. f. d. Selbststudium. 2. Heft. Wien, Graeser.
Vlir, 320 S. M. 2,40; 1. u. 2.: 3,60 M. — 98) X F. Schultz, Merktafel zu d. Gesch. d. dtsch. Litt. Dessau, Baumann, 14 S.
(II :44). — 99) X H. Stöhn, Lehrbuch d. dtsch. Litt, für höh. Mädchenschulen u. Lehrerinnen-Bildungsanst, 4. Aufl Leipzig,
Teubner. VIII, 216 S. M. 2,80. — 100) X 0. Lyon, Handbuch d. dtsch. Sprache für höh. Schulen. 2 Tle. Leip«ig,
Teubner. 1890. 1. VIII, 272 S. 2. IX, 292 S. M. 2,40. —
k
I 8: 1-2. H-. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. 136
1,8
Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
Hermann Wunderlich.
Einleitung N. 1. — Konstitutive Faktoren : Kanzlei und Buchdruck N. 2; Mundarten N. 6; indi-
viduelle Einflllsse: tlicorotische (Sehottel, Schupp, Spraehgesellscliaften u. a.) N. 16, praktische (Hütten, Haller, Herder, Goethe,
Hebel, Heine) N. 24. - E rsch einungsf orrfl: Historisches: Allgemeines N. 29, Laut- und Formenlehre N. 30, Syntax N. 34,
Stil N. 38, Wortschatz (Wörterbücher u.a.) N. 48; Polemisches: Allgemeines („Papierner Stil", „Sprachdummheiten") N. 56,
Fremdwörter N. CO. —
Eine Einleitung in die Kenntnis der bisherigen Ergebnisse neuhochdeutscher
Sprachforschung und ihrer Ziele bildet ein akademischer Vortrag von Bahders ^). Wie
stets innerhalb der germanischen Philologie steht auch hier Jacob Grimm im Vordergrunde,
naturgemäss aber in anderer Beleuchtung als sonst; denn die neuen Wege, die er als
Pfadfinder unserer Wissenschaft gewiesen, sind für dieses Sondergebiet Beeinträchti-
gungen gewesen. Das Interesse, welches das Mittelalter in jeuer romantisch gestimmten
Zeit auf sich lenkte, wurde dem neueren Sprachleben entzogen, und die Wegzeiger, mit
denen Jacob Grimm in die Entwicklungsgänge unserer Sprache zurückwies, mussten
für das neuere Sprachleben wie Wariumgstafeln wirken. B. legt diese Seite der Thätig-
keit Jacob Grimms an seinen einzelnen Werken eingehender dar und sichert damit dem
zweiten Teil, wo er die reichliche Neubelebiuig des lang verwaisten Gebietes schildert,
die Empfänglichkeit und das Verständnis der Leser. Allerdings die Mundartenforschung,
die heute üppiger blüht denn je, hat mit ihrer fast ausnahmslosen Beschränkung auf
Laut- und Eormenlehre bislang nur wenige Arbeiten zu Tage gefördert, die das Wechsel-
verhältnis zwischen Mundart und Schriftsprache ernstlicher ins Auge fassen; um so mehr
hat die Litteratur an einem anderen Punkte angesetzt, an dem Jacob Grimm mit Be-
wusstsein seiner Eorschung Halt gebot, der Spraclirichtigkeit. Die lebendige Grammatik,
die Jacob Grimm in jedem Deutschen verehrte, lässt ja offenkundig in der Piaxis im
Stich; aber auch B. gelangt hier nicht dazu, die treibenden Kräfte bloss zu legen, die
gerade Grimms Selbstbeschränkung gegenüber in Thätigkeit traten. Nicht nur „die
Schriftsprache, die der Erlernung bedarf", sondern gerade „die Sprache, die wir von
Jugend auf sprechen", fordert zu Entscheidungen über die Sprachrichtigkeit heraus, w^enn
sie die Gewohnheiten eines Anderen durchkreuzt. Nicht bloss die Schiüe, sondern viel
mehr noch das Leben mit seinem gesteigerten Verkehr, der die ehemals geschlossenen
Sprachkreise durcheinander rüttelt, hat seinen Anteil an der anschwellenden Litteratur
über diese Dinge. War Grimm hier ablehnend oder passiv gewesen, so hatte er um-
gekehrt auf dem Gebiete der Orthographie- alte Gewöhnung über den Haufen geworfen
und damit den Anstoss zu einer Verwirrung gegeben, die wir noch heute nicht überwunden
haben. B. möchte auf den Versuch, hier Ordnung zu scliatfen, die verschiedenen Ai-beiten zu-
rückführen, die allmählich dem Entwicklungsprozess unserer Schriftsprache überliaupt
zusteuerten. Der Einfluss der Kanzleisprache, die Stellung Luthers in unserer Sprache,
beide Prägen sind wiederholt neuer Betrachtung unterzogen worden luid haben natur-
gemäss neue Prägen angeregt. Mit Recht fordert B. auch hier eine lebhaftere Empfting-
lichkeit für den Anteil, den die Mundarten in wechselseitigem Vordrängen einzelner
Worte, einzelner Pügungen an unserer heutigen Sprache haben. Die Wortforschung
selbst hat die Bahnen, die ihr die beiden Grimm im Wörterbuche gewiesen, unter den
Nachfolgern entschieden weiter gezogen. In erster Linie ist das neuere Sprachgut ganz
anders in die Beachtungssphäre eingerückt, sodann wird dem ersten Vorkommen eines
Wortes seit Weigand genauer nachgespürt und Hildebrands wertvolle Bausteine zu einer
neuhochdeutschen Grammatik ragen kräftig aus dem Gerüst des Wörterbuches hervor.
B. liat, in dem er diesen Neuerungen vollauf gerecht wurde, die etymologisclien, kultur-
geschiclitlichen und sprachreinigenden Bestrebungen, die dem lexikalischen Gebiet in
unserem Berichte einen breiteren Raum sichern, zu wenig zum Worte kommen lassen. —
Die Untersuchungen nun, über die wir zu berichten haben, grenzen sich in einem
Punkte scharf gegeneinander ab: die einen fassen die konstitutiven Faktoren, in deren
wecliselseitigem Zusammenwirken die neuhochdeutsche Spraclie erstand, ins Auge, die
anderen greifen die Ersciieinungsformen dieser Sprache selbst heraus und suchen Pro-
bleme der Laut- und Formenlehre, der Syntax, der Wortbildung zu lösen. Als kon-
stitutive Faktoren treten immer deutlicher die Kanzleisprache gegen die Buchdrucker-
kunst, die Dialektgruppe gegen das Individuum, die praktische Thätigkeit des Schrift-
I) K. V. Bahder, D nhd. SpracMorschung;, ihre Ergebnisse u. Ziele: ZDU. 5, S. 6-23. — 2) R. Nebert, Z.
137 fl. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 8: 3-7
stellors gogoii thoorctisclio FostHetzunßeu in den Vorderginind. So knüpfen denn ver-
schiedene Arbeiten an die Knnzloispraclie an. Nebert*), der die Kanzleisprache
von Speier mit der heutigen Mundart dieser Gegend vergleicht, greift bis in die bischöf-
liche Kanzlei der Staufor zurück, und so streift seine Aufdeckung schwäbischer Formen
in erster Linie das Problem einer mittelhochdeutschen Schriftsprache, Aber die Linien,
die er zieht, gelten doch wenigstens als Parallelen auch für unsere Zeit. Methodologisch
interessiert vor allem der breite liistorische Hintergi-und, die lebendige Anschaulichkeit,
mit der hier Sprachgescliichte und hohe Politik in Verbindung gesetzt werden, eine
Aufgabe, die sich auch Steh lieh 3) gesetzt hat. Ausserdem leitet das Aufblühen
der städtischen Kanzlei mit ihrem Rückschlage des heimischen Elementes gegen die
höfische Orthographie des Adels auch chronologisch in unser Gebiet über. — Lulves ♦)
hat dem gegenüber sich ganz auf den politischen und diplomatischen Teil seiner Auf-
gabe eingeschränkt und die Kanzlei Karls IV uns sprachlich nicht näher gerückt. — Da-
gegen erhalten wir ein erscliöpfendes Bild der Luzerner Kanzleisprache vor dem Ein-
dringen des Nouhoclideutschen durch ßrandstetter ■"'), der durch die dankenswerte Be-
schränkung auf ein kleineres vertrautes Gebiet um so allgemeiner gültige Ergebnisse
gewonnen hat. -- Die Macht, die dieser Kanzleisprache ein Ende bereitete, ist der Buch-
druck, der auch an allen anderen Orten die Kanzleisprache ablöst. Früh schon
wendet sich hier die Forschung den einzelnen Faktoren zu, mittels deren gerade der Buch-
druck die Mundarten durcheinander rüttelte, bis jede von ihnen einige Formen in unserer
Schriftspraclie abgesetzt hat. —
Unter den Forschungen über die Mundarten ist namentlich eine leider
nicht mehr in unser Berichtsjahr fallende Arbeit von Friedr. Kauffmann 6) zu nennen,
die an die Beschreibung des schwäbischen Lautstandes im Anhang eine Ge-
schichte der Schriftsprache in Schwaben knüpft und hier, so ergänzungsbedttrftig
auch gerade die Einzelheiten sind, doch im Grossen die Linien klar und sicher
zieht. — Noch bestimmter treten diese in einer Recension Kauffmanns '') hervor,
in der er im Anschluss an H. Paul darlegt, wie die Sprache des Mittelalters nur
durch Individuen vermittelt worden sei, während der Buchdruck die Sprache vom In-
dividuum isoliere, sie objektiviere. Freilich geht K. zu weit, wenn er erst hierin die
Möglichkeit erblickt, die Sprache zum „Gegenstand des Nachdenkens, der wissenschaft-
lichen Betrachtung oder was dasselbe heissen soll, vernunftgemässer Regelung" zu
machen. Denn diesem Ziele sind die Sprachen schon nahe gekommen, auch ehe der Buch-
druck neue Mittel dafür entwickelte. Der prinzipielle Unterschied liegt vor allem in
der Tliatsache, dass mit dem Buchdruck eine eimnalige Fassung für eine grosse Zahl
von Exemplaren Geltung erhielt; diese Thatsache nötigte vor der endgültigen Nieder-
schrift zum Nachdenken, sie entwickelte in der Druckerei sowolil als — was K. zu
wenig berücksiclitigt — beim Autor orthogi-apliische Begtrebungen ; sie nötigte zu Aus-
gleichungen aller Art, zur Unterdrückung des heinuschen Idioms, wo eine weitere Ver-
breitung des Buclies in Aussicht genommen war. Der ausgleichenden Thätigkeit der
Setzer, die aus verschiedensten Gegenden an einem Druckorte zusammenströmten, wird
K. gerecht, weniger jedoch der Thatsache, dass die neue Kunst mit ihrem umständ-
licheren Betriebe auch eine centralisierende Wirkung ausübt. Nur wenige Städte sind
anfänglich Sitze einer Druckerei, sie sichern dadurch ihrem heimischen Dialekte auch
Einfluss auf die Werke eines weiter abliegenden Schriftstellers. Neben der Bedeutung
der Buchdruckerkunst für tinsere Spraclie ist es auch das Verhältnis zwischen Mund-
artenforschung und neuhochdeutscher Sprachgeschichte, das in K.s Anzeige treffenden
Ausdruck findet in den Worten: „Ich wiederhole, dass wir nicht vorwärts kommen, so
lange die Orthogra])hie nicht von den einzelnen Mundarten aus entwicklungs-
geschiclitlich beleuchtet wird. Es muss erst die Bedeutung der orthographischen Zeichen
in den verschiedenen Centren festgestellt werden, ehe wir mit der neuhochdeutschen
Sprachforschung in das Gebiet der Lautgeschichte gelangen." — Dies soll auch der
Standpunkt sein, von dem aus unser Bericht sich zu den Einzelgebieten der Phonetik
und Orthographie einerseits und der Mundartenforschung andererseits stellt. Denn die
weitverzweigte Ausdehnung gerade unseres Berichtsgebietes nötigt zur Einschränkung
und Aussonderung, und da überdies die ei-wähnten Disciplinen ihre besonderen Organe
gefunden haben, in denen über die Einzelleistungen Buch gefülu-t wird, so können wir
hier umsomehr den Blick auf diejenigen Untersuchungen eingrenzen, die x^örklich in
die Geschichte unserer neuhochdeutschen Schriftsprache einmünden. — Anscheinend hat
k
Gesch. d. Speyrer Kanzleisprache. Hallenser Diss. Halle, Kaemmerer. 66 S. — 3) F. Stahl ich, D. Sprache in ihrem VerhiUnis
z. Gesch. Leipzig, Keiiger. 78 S. M. 1,00. — 4) ,1. Lulvös, D. Stinima Canci^llariae d. Johann v. Neuraarkt. berliner Piss.
I.erliii, Mayer & MUIl«r. 26 S. — 5) B. B randste tter, D. Kecoption d. nhd. Schritts irache. Einsiedeln, fenziger.
i'O S. M. 2.00. |[K. Weinhold: ASNS. 86, S. 309.]i - 6) F. Kauffniiinn, Gesch. d. schwSl. Mundart. Strass-
Inirg. Trllhner. 1890. 355 S. M. 8,00. |[H. Fischer: Germania 37, S. -iOG; K. Weinhold: ASNS. 85, S. 62; A. Hensler:
DLZ. N. 9; Bohnenberger: ZDPh. 26, S. 116; Franck: ADA. 17, S. 98; LCBl. 1890, N. 4.]j - 7j id., K. t. Bahder,
I 8: 8-19. H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache, 138
Miehlke ^) beabsichtigt, eine Geschichte unserer Sprachlaute zu geben, aber der ge-
schichtliche Teil dieser Arbeit ist veraltet und schief, der Hauptwert beruht auf der
sorgfältigen Aufzählung der Inkonsequenzen unserer Orthographie, die über unseren
Rahmen hinausgreift. — Auch die Mundartenforschung scheint ihren Schwerpunkt ganz
auf ein Gebiet verlegt zu haben, das wir eben für unsere Betrachtung ausschliessen
mussten, auf die statistische Beschreibung der Lautverhältnisse. Abgesehen von einigen
Arbeiten, die wir weiter unten bei der Syntax zu begrüssen haben, sind im Berichtsjalir
wenig Versuche gemacht worden, Mundart und Schriftsprache in Beziehung zu setzen,
obwohl die Vorjahre gerade hier so eingreifende Arbeiten zu verzeichnen hatten. Die
Bedeutung der Mundartenforschung allerdings wird in mehreren Aufsätzen nach den ver-
schiedensten Seiten hin ins Licht gesetzt. Brenner ^) weist im besonderen auf das
betrübende Darniederliegen entsprechender Studien in Bayern hin und erklärt dieses mit
Recht aus der ganz besonders mangelhaften Prüfungsordnung, die bei den künftigen
Gymnasiallehrern Bayerns jede Regung für die Muttersprache mit Gewalt nieder-
zwingt. — C. Franke ^0^ fasst in dem neuen Sammelorgan, das Brenner für die Mund-
artenforschung des südlichen und mittleren Deutschlands begründet hat, noch einmal
kurz die mannigfaltige Bereicherung unseres Anscliauungs- und Sprachvermögens zu-
sammen, die er schon in einer früheren eingehenderen Darstellung ii) von der Mund-
artenkunde erhofft hatte. Schon dort war allerdings der Reichtum nur theoretisch zur
Entfaltung gekommen, praktisch hatte sich P. ganz auf den Wortschatz beschränkt. —
Deshalb sah sich Wunderlich ^'-) veranlasst, andere Seiten der Mundart, vor allem
die eigenartigen Satzfügungen hervorzuheben, mit denen sich die auf lautlichem Gebiete
am meisten von einander abstehenden Mundarten zu einer Einheit gegenüber der Schrift-
sprache zusammenschliessen. Diese nahe Verwandtschaft der Mundarten muss gerade
die syntaktische Erforschung der Dialekte zum Bewusstsein bringen, indess die Dar-
stellung des Lautstandes vielmehr die trennenden Punkte hervorhebt. Und mit der syn-
taktischen Seite nehmen die Dialekte auch an der Schriftsprache einen ganz anderen
Anteil. — Das Berichtsjahr hat hier gegenüber der auffallenden Dürftigkeit der früheren
Jahre einige sehr erfreuliche Arbeiten hervorgebracht. Neben einigen hübschen Beob-
achtungen von P. Kuntze^^) über sprachliche Neubildungen im Südwesten ist hier in
erster Linie eine Untersuchung von Reis i*) über den Mainzer Dialekt zu nennen, die
aus der Schule Behaghels hervorgegangen eine verwandte frühere Arbeit von Binz über
die Baseler Mundart insofern ergänzt, als sie den für Basel behandelten Wortklassen
hier aus Mainz die Wortformen in ihrer syntaktisclien Abgrenzung gegenüberstellt. —
Aus dem äussersten Osten, und daher dem Einfluss des Czechischen auf die öster-
reichische Umgangssprache sich zuwendend, liegt eine Untersuchung von Tomanek^^)
vor, die uns im Gegensatze zu Reis weniger dvirch ihre Methode als durch ihre Er-
gebnisse interessiert, die hauptsächlich auf dem Gebiete der Syntax liegen. Andere
hier eingreifende Arbeiten findön weiter unten Erwähnung, da sie entweder an die
Persönlichkeit eines Schriftstellers (vgl. N. 28) anknüpfen oder ihre Beobachtung zum
Ausgangspunkt von Reformvorschlägen machen (vgl. N. 57). —
Das Individuum als konstitutiver Paktor in der Geschichte unserer
Sprache ist uns gegenüber der dürftigen Berück sichtigimg des entsprechenden Einflusses
der Mundarten in zalilreichen Beiträgen näher gerückt worden. Vor allem die theore-
tische Seite dieses Einflusses, die grammatischen Bestrebungen früherer Zeit kommen
wieder mehr in Geltung. Nicht nur dass die für 1891 fälligen Bände der ,, Allgemeinen
Devitschen Biographie" Gelegenheit gaben, einen Namen wie Schottelius zu wüi'digen,
dessen „Ausführliche Arbeit von der deutschen Haubtsprache" freilich neben der knappen
und im Ganzen treffenden Charakteristik von Waldbergs i^) längst eine eingehende
gi-ammatische Würdigung verdiente. — Auch bescheidenen Erscheinungen ist ebendort
kurze Besprechung zu teil geworden: so dem Vf. eines frühneuhochdeutschen Wörter-
buches des Clevener Dialektes, Schuren durch Harless^'') und Schwartzenbach, dem Vf.
einer Nürnberger Synonymik aus der Mitte des 16. Jh., durch Bolte^^), wobei deren
Verhältnis zu ihren Vorgängern noch zu untersuchen wäre. — Bei Schupp hätte
Bertheau^^) einen kräftigen Hinweis auf dessen Bedeutung gerade nach der sprach-
Grundlagen d. nhd. Lautsystems. Strassburg 1890: LBlGEPh. 12, S. 290/3. — 8) A. Miehlke, D. Gesch. unserer Sprachlaute
u. Orthographie. Prog. d. höh. Bürgerschule. Graudenz, Röthe. 40. 39 S. — 9) 0. Brenner, D. dtsch. Mundartenforschung
u. d. Studienverhllltnisse in Bayern: MUncUNN. 44, N. 61. — 10) C. Franke, Uebor d. wissenschaftlichen u. praktischen Wert
d. Dialektforschungen: Bayerns Mundarten 1, S. 13/9. — II) id., Reinheit n. Reichtum d. dtsch. Schriftsprache, gefördert durch
d. Mundarten. Leipzig, Teubner. 1890. 142 S. |[0. Behaghel: LBlGEPh. N. 8; E. Naumann: ZGymn. NF. 25, S. 145/7;
E. Harich: ZDU. 5, S. 362/4.]| — 12) H. Wunderlich, D. dtsch. Syntaxforschung u. d. Schule. (Zuerst in d. AZgB.
N. 139): Verhandl. d. 41. Vers, dtsch. Philologen. Leipzig, Teubner. 1892. S. 268—77. — 13) F. Kuntze, Sprachliche Neu-
bildungen im Südwesten : ZDU. 5, S. 36-43. (Vgl. C. Menge: ib. S. 289; Kuntze selbst: ib. 8. 289— 90.) — 14) H. Reis, Beitr. z.
Syntax d. Mainzer Mundart. Giesscn, Ricker. 46 S. M. 1,00. | [ Wu nderlich: Germania 37, 11. 4.]| — 15) E. Tomanek,
Uebor d. Eiuüuss d. Czechischen auf d dtsch. Umgangssprache in Oostorreichisch-Schlesion. JB d. Gymn. Troppau, Drechsler.
39 S. — 16) (I 3:3).- 17) Harless, Schuren: ADB. 33, S. 81. — 18) J. Bolte, Schwartzenbach: ib. S. 216. — 19) (III
139 H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 8: ni-->s.
lirlien Soito liiii golxüi Holltni. — Wie lebhaft diese Bedeutung sonst wohl
eiripfuiHlen wird, sollen wir /,. B, daran, dass Bechstein ilim in einer Anzeige des von
Riogel-ö) besorgten Neudruckes sogar den „Teutschen Sprachvorderber" zuweisen möchte.
B. weist darauf hin, dass der von ihm 1H()2 besorgte Neudruck und R.s Ausgabe auf
zwei vorschicdone Ausgaben dos Jahres iCAii zurückgehen, dass der „Sj)rarhverderber"
also Hchon im Jahre seines Erscheinens eine Nouaufloge oder einen Nachdruck erfuhr.
Dio Voi-fasserfrago hat der neueste Herausgeber nicht berücksichtigt. — Die Sprach -
goscllschaften, für die vor allem, was das 1 7. Jh. betrifft, eingehende Untersuchungen
vorliegen, werden heutzutage namentlich als Schild für verwandte Bestrebungen hervor-
gezogen, so von Pallmann''^i), der auf R. Schultz fusst. — In anderem Zusammenhange
streift sie auch Berger 22) wieder in einem rasch und gefällig orientierenden Aufsatze.
Wo B. dagegen versucht, die Leistungen dieser Spracliforscher in bestimmten Einzel-
heiton festzuhalten, geht er leicht in die Irre. Wenn B. eine deutsche Akademie auch
für dio Zukunft aus Furcht vor etwaigen Eingiiffen in den lebendigen Sprachgebraucli
schlankweg vorwirft, so geht er doch gar zu behutsam der Frage aus dem Wege,
warum deshalb nun auch die Geschichte der deutschen Schriftsprache für immer ein
Stiefkind der deutschen Akademien bleiben solle. Eine deutsche Sprachakademie würde
jedenfalls der Person Luthers gegenüber die langjährige Dankespflicht einzulösen suchen;
sie w ürdo in die Lutherausgabe ein schnelleres Tempo bringen und für die Spraclie des
Reformators Untersuchungen vox'bereiten und initerstützen. — Wie leicht sich die Kraft
des Einzelnen gerade hier erschöpft, wenn der allgemeine Mittelpunkt fehlt, war aus dem
Versuche von C. Franke zu sehen, der auch neuerdings von 0. Erdmann23) aus ähn-
lichen Gesichtspunkten beurteilt wird. —
Sonst gewinnt gerade der praktische Anteil, den die Schriftsteller durch ihre
Werke auf die Gestaltung unserer Sprache gewonnen haben, immer mein* Interesse.
Schon in Szamat61skis2-i) Hütten wird die Sprache straffer, als wir es gewohnt
sind, in den Dienst der Untersuchung gespannt, und wenn uns auch Stichworte wie
J.Kanzleisprache", „Ritterspraclie", „Hofsprache" fast wie OflQziere ohne Truppen anmuten
(vgl. u. II, 8), so ist doch der Gedanke, der hier Ausdruck findet, ein glücklicher. Ebenso fallen
gute Bemerkungen zur Fremdwörterfrage ab, die Kanzleisprache führt auf die Formularien,
die neuerdings immer mehr Beachtung gewinnen, und der Kanzlei stellt sich
wirkungsvoll die Kanzel gegenüber. — Die übrigen Untersuchungen wenden sich dem
18. Jh. zu. Hall er s Sprache wird von Horak^ö) dargestellt, wie sie sich dui-ch elf
Auflagen hindurch entwickelt, um in der letzten neben interessanten Verstössen gegen
unseren Sprachgebrauch, deren Ursache vielfach in der poetischen Tecluiik liegt, auch
Freiheiton sich zu erlauben, die wir der poetischen Sprache noch heute zugestehen. H.
hat Lautlehre, Fonnenlehre, Wortschatz und Syntax in gleicher Weise von Auflage
zu Auflage berücksichtigt, so dass der Loser die Züge sich erst selbst zu einem Bilde
zusammenfassen muss; interessant sind die GalUcismen, die H. nachzuweisen glaubt: sie
bestehen jedoch teilweise in originell entwickelten Fügungen der heimischen Umgangs-
sprache, so z. B. der Verdrängung des Genetivs durch präpositionale Verbindungen. — Im
Gegensatz zu Horäk beschränkt sich Längin^o) bei Herder auf die Laut- und Formen-
lehre und den Wortschatz, giebt aber, namentlich für die ersteren, ein abgerundetes
Bild des Verhältnisses, in das sich Herder zu unserer Scluäftsprache stellt. —
Weiui Längin bei Herder den Satzbau und die stilistische Seite ganz ausgeschlossen
hat, so sind es gerade Partion dieser beiden, die 01bricli27) bei Goethe als unter dem
Einfluss der Antike stehend nachweist. Die Wortstellung und einiges aus dem Wort-
gebrauch haben unter dem erweiterten Gesichtspunkt zu einigen hübschen und sicheren
Ergebnissen gofiihrt, während eine Untersuchung der dichterischen Sprache Heines
durch M. Soelig27a) daran leidet, dass sie mit dem Begriffe des Volkstümliclien auch
da wirtschaftet, wo archaistische und in der Sprache der Poesie aufgespeicherte Formen
vorliegen. — Eigenartig steht daneben der Versuch Willomitzers^s)^ die
Sprache Hebels in ihrem hochdeutschen Gewände zu erforschen. Wir spüren
gleich im Beginne, dass w^r es mit einem gereiften Manne zu thun haben, der sich
in seine Aufgabe liebevoll versenkt. Nicht nur die herkömmlichen Kategorien der
Grammatik sind durchgemustert, sondern jede einzelne, in erster Linie die Syntax, hat
5 : 14.) — 20) H. Siegel, D. Unartig Teutscher Sprachrerderber: ZADSprVB. I. Brannschweig, AUg. deotseh. Sprachrerein.
[0. Lyon: ZDÜ. 5, S. 219; B. Bechstein: ib. S. 316-21.]| — 21) H. Pallmann, D. Kampf um d. Beinheit
d. dtsch. Schriftsprach'e : Didaskalia N. 57/8, 60/1. — 22) A. Berger, D. Gcduoke e. dtsch. Spracbakademie in d. Gesch. a.
in d. Gegenw.: Grenzb. II, S. 301—21. |[Fgl. Grenzb.^II, S. 486 9.] | — 23) 0. Erdmanu, C. Franke, GrundzUge d. Schrift-
spiacho LuUuTs. Göililz 1888: ZDPh. 24, S. 67-84. - 24) S. S/.ainatölski. Ulrichs t. Hütten Deutsche Schriften:
Ql". 67. Strassburg, TrUbner. IX, 180 S. M. 4.00. (Hier kommen in Itetraiht S. 1—46; vgl. auch II 8.) — 25) W. Horäk.
I) Entwicklung d. Sprache Hallers. Progr. d. k. k. Oberreal.schuln Bielilz. 45 8. - 26) (IV 8:7). — 27) C. Ülbrich, Goethes Sprache
II. d. Antike. Leipzig, Biedermann. 116 S. M. 2,00. — 27a) M. Seelig, D. dichter. Sprache in Heines Buch d. Lieder.
Hallenser Diss. 110 S. — 28) F. Willomitzer, D. Sprache u. d. Technik d. Dwstellnng in J. P. Bebeis
k
I 8: 29-40. H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Scliriftsprache. 140
sich hier an einem glücklich gewählten Stoife ausgeweitet. Die Grundbedingungen
volkstümlicher Redeweise, über die sonst so gerne ganz im allgemeinen gesprochen
wird, sind liier erfasst und durch die ganze Litteraturgeschichte hindurch an einzelnen
Stilmustern nachgewiesen worden. W.s Darstellung, wenn sie sich auch nicht ohne
weiteres in den Ralimen verwandter Arbeiten einfügen lässt, und wenn sie auch in der
Beurteilung mancher Erscheinungen, z. B. der Auslassung des bestimmten Artikels, zu
wenig auf die neuere Forschung Rücksicht nimmt, sollte nicht unbeachtet bleiben, vor
allem von denen, die Stiluntersuchungen treiben. Namentlich kann sie denjenigen
Litterarhistorikern, die sich gelegentlich mit einigen Schlagern auf dieses Gebiet ver-
irren, zu eifrigem Studium nicht warm genug empfohlen werden. —
Auch die Arbeiten, die den Erscheinungsformen unserer Sprache nach-
spüren, lassen sich in zwei Gruppen scheiden, in solche, die die historische Entwicklung
zu begreifen, und solche, die in die Entwicklung einzugreifen suchen. Zu den ersteren
gehört als allgemeine Darstellung eine völlig dilettantische Arbeit von Hegewald^'J).
Sonst unterscheiden sich gerade die rein historischen Arbeiten von den polemischen
dadurch, dass sie nur auf einem Einzelgebiete den Euss ansetzen, zumal auf demjenigen,
auf dem die Vff. wirklich bewandert sind. —
Die Lautlehre wird meist in Untersuchungen behandelt, die unser Gebiet
nicht einmal streifen, auch ein Problem wie das der neuhochdeutschen Dehnung hält
sich bei Burghauser^o) rein auf phonetischer Grundlage. — Die Formenlehre ist
durch eine sehr erfreuliche Dissertation von Boiunga^i) vertreten, in der vor allem
die Frage erhoben wird, weshalb die Ausgleichserscheinungen in der Weise sich voll-
zogen haben, die unser heutiger Sprachgebrauch zeigt. — In einer ansprechenden
kleinen Studie, die sich in der Mitte zwischen Formen- und Wortbildungslehre hält, zeigt
R. Hildebrand32)^ wie fest im Worte Deutschland die Verschmelzung der beiden Be-
standteile geworden ist, sodass wir dem substantivischen Träger der Komposition durch
flexivische Mittel gar nicht mehr zu seinem Recht verhelfen köinien. — Zwischen
Formenlehre und Syntax lässt sich die Untersucliung Blumers"^'^) über den Geschlechts-
wandel der Lehrwörter setzen, die namentlich durclr sorgfältige Zusammenstellungen die
Einflüsse klar legt, die die äussere Form einerseits, die Zusammengehörigkeit zu einer
Bedeutungsgruppe andererseits ausübten. —
Die Syntax hat wiederum eine prinzipielle Erörterung über das Wesen des Satzes
zu verzeichnen. Burghauser 3^) wendet sich gegen Kern und sieht mit Recht, in An-
lehnung an H. Paul, die wesentliche Eigenschaft des Satzes in der Verbindung zweier
Vorstellungsmassen. — Von Einzelbeiträgen gehört hierher ein Beweis Brankys^^), dass
der von den Grammatikern getadelte Dativ bei der Pi'äparation „entlaug" bei guten
neueren Sclu-iftstellern zahlreich vorkommt. — Ferner kommt die vielbesprochene In-
version mit „und" wieder einmal in die Diskussion. Poeschel^*^) widmet ihr eine ein-
gehende historische Untersuchung, die leider in der Mitte abbricht. — Daran knüpft
R. Hildebrand 3'^) einen Aufsatz, der vor allem die Altertümlichkeit dieser Wortstellung
deutlicher hervorhebt und mit Recht die Voranstellung des Verbums in der Asyndesis
als Erklärungsgrund heranzieht (vgl. schon Hildebrandslied Z. 18). —
Stiluntersuchungen haben, abgesehen von den oben (N. 24 ff.) besprocheneu
Arbeiten über einzelne Persönlichkeiten, im allgemeinen nichts Gedeihliches zu Tage ge-
fördert, vor allem fehlt immer noch das Verständnis für die syntaktische Grundlage der
verschiedenen Stilformen, die Wunderlich 3'^) in dem oben erwähnten Vorti'age niit
Nachdruck hervorgehoben hatte. — Ein Aufsatz von Schaff er ='8») kommt nicht über
das allgemeinste Raisonnement hinaus, wie sich schon an dem ängstlichen Vermeiden
jegHchen Beleges zeigt. Ausserdem leidet er an Ueberschätzung des antiken Stils und
an völliger Verkennung deutsclier Eigenart. — Auf den Briefstil wird uns die nun ab-
geschlossene Geschichte des deutschen Briefes von G. St ein hausen 3^) in einer späteren
Besprechung führen. —
Ganz besonders reich ist der Wortschatz bedacht worden. Schon die Ety-
mologie hat durch Kluges Wörterbuch einen Mittelpunkt gewoinien, inn den sich na-
mentlich amerikanische Arbeiten gruppieren. Hierher gehört vor allem eine Ueber-
setzung der vierten Auflage durch Davis •*"), sodann Besprechungen, wie die des neuen
Rheinland. Hausfreund. 20. JB. d. k. k. Oberrcalschule Wien II. 3B S. — 29j Hegewald, D. VorzUgo d. dtsch. Sprache.
München, Litt. Institut. iO. 34 S. M. 1,00. — 30) G. Burghauser, D. nhd. Dehnung d. nhd. kurzen Stammvokals in
offener Silbe. Trogr. d. dtsch. Staatsrealschule in Karolineutlial. 26 S. — 31) K. Boiunga, D. Entwicklung d. nhd.
Substantivflexion. Leipziger Diss. 163 S. |[0. Behaghel: LBlGRPh. S. 203.]]— 32) K. Hildohrand, Deutschland gramma-
tisch, z. Gesch. s. Form: ZDU. 5, S 512—20. — 33) J. Blumer, &.' (Joschlechtswandol d. Lohn- u Fremdwörter im
Hochdeutschen. Progr. d. Oberrealscliule Leituieritz. 60 S —34) G. Burghauser, Z. Lelire v „zusaramengezogenen*
Satze: ZDU. 5, S. 310/9. — 35) F. Braiiky, D. Präposition „entlang" mit d. Dativ: ib. S. 755/8. — 36) J. Toesehol,
D. sog. Inversion nach „und". Einladungsschrift d. Fllrstenschule. S. 71—83. Grimma, Go:iscl. — 37) K. Ili Idobrand, Zu
d sog. Inversion nach „und": ZDU. 5, S. 792/0. — 38) (S. o. N. 12.) — 38a)Th Schaff er, Stil u. Stilllbungon: ZDU. 5, S. 403-14.
- 39) XX G. Steinhau 8 en, Gesch. d dtsch. Briefes. Berlin, Gaertner. 1889— 91. VII, 190, 111,420 S. M. 13,50. -40) XF- Kluge,
141 H. Wunderlich, Gescliichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. 18: 41-67».
Index von Janssen durch Hempl**) und endlich ein Versuch von Muss-Arnolt*^)^ Er-
gänzungen zu Kluge vor allem aus den semitischen Sprachen zu geben. Wo M. nicht
auf den Schultern Lagardes steht, bringt er nach dem Urteil der zuständigen Fachmänner
wenig von Belang. — Dagegen hat die fünfte Auflage von Kluges Buch, die im Er-
scheinen begriffen eine Neubearbeitung in Aussicht stellt, ebendort*^) eine sachkundige
Besprechung hervorgerufen. — Als Kuriosum mag auch das Etymologische Wörterbuch
von Faulmann •'■') erwähnt werden, der es als „eine grossartige Entdeckung auf dem Ge-
biete der Sprachwissenschaft" ausposaunt, wenn die bisherigen Ergebnisse der Wissen-
schaft zur Abwechslung wieder einmal auf den Kopf gestellt werden. — Neben solchen
Auswüchsen, die dazu mit grossem Lärm in die Oenentlichkeit gezerrt werden, berührt
wohlthuend das in aller Stille fodschreilende Wachstum des Grimmschen Wörterbuches.
Die Gelehrten, die seit Grimm Mitarbeiter an dem grossen Werke geworden sind, haben
eine kurze aber warme Würdigung erfaln-cn ''•''). Aus dem IV. Bd. 1. Abth. 2. Hälfte
(Hildebrand und K. Kant) verzeichnen wir die 8. Lieferung (genug-geriesel), aus dem
VIll. Bd. (Heyne) die G. 7. 8. Lieferung (rind-ruschbusch); aus dem XI. Bd. (Lexer) die
3. Lieferung (tiennilch-todestag), und aus dem XII. Bd. (Wülcker) die 4. Lieferung (ver-
luihnen-verleihen)^''*). — Einer der ältesten Mitarbeiter des „Wörterbuches", Heyne^'),
ist inzwischen mit einem eigenen Wörterbuch auf den Plan getreten, das in gedrängter
Kürze doch auch zugleich eine Ergänzung des Grimmschen bilden soll und jedenfalls
sehr lange vor diesem fertig wird. Erdmann rühmt vor allem die umsichtig getroffene
Auswahl der Composita, die die Hauptzüge der Wortbildung und der Bedeutungs-
entwicklung klar lege, und hebt hervor, dass das Werk weit in unsere Gegenwart hinein-
greife. — War uns hier in der Komposition ein Mittel entgegengetreten, mit dem die
Sprache vor allem neue Wörter bildet, so liegt ein anderes, mehr in der früheren Zeit
zxn- Geltung gekommenes, in den Wortspaltungen, die Andresen*^) im Zusammenhange
betrachtet. Er sondert hier zunächst die auf rein orthographischem Wege entstandenen
Doppelformen (vgl. gar und galir) von denjenigen, in denen dieDoppelform auf phonetischer
Grundlage fusst (fahl und falb, fast und fest usw.), und stellt diesen endlich die Wörter
entgegen, die aus den einzelnen Dialekten in verschiedener Gestalt in die Sprache ge-
kommeji sind (Staffel und Stapel). — Es ist wohl ein Ausfluss solcher rastlosen Thätig-
keit an deutschen Wörterbüchern, dass auch im grossen Publikum eine leise Ahnung
von dem reichen Schatze aufdämmert, der in unserem Wortvori'ate verborgen liegt,
lieber den Bedeutungswandel handelt Wasserzieher*^), andere populäre Aufsätze fassen
das Zeitungsdeutsch ^^), das Schulbücherdeutsch ^i), das Juristendeutsch ^2) vornehmlich
nach seiner lexikalischen Seite ins Auge. Ja die Seemannssprache ^^) wird sogar recht
eingehend erforscht; eine wirklich wissenschaftliche Darstellung solch einer Berufs-
sprache werden wir aber doch erst im nächsten Berichtsjahr zu besprechen haben. —
Die kulturgeschichtliche Seite unseres Wortschatzes wird uns von dem unermüfUichen
R. Hildebrand ^) in feinsinniger Weise vor Augen geführt, wälirend Göpfert^^) den
nicht ganz gelungenen Versuch macht, Haus und Heim vor uns im Lichte der
Sprachgeschichte aufzubauen. —
Den Löwenanteil am Wortschatz nehmen jedoch die Fremdwörterverdeutschungen
in Beschlag, und diese führen nun hinüber zu den polemischen Arbeiten und zu den
Bestrebungen des deutschen Sprachvereins. Beide stehen in engster Berührung mit
einander, und es gehören nur wenige Leistungen liierher, die abseits vom Sprachverein
stehen. Gleich M. Trautmann ^6), der das Kompositions -„s" als Unfug brandmarkt,
thut dies in den wissenschaftlichen Beiheften des Sprachvereins; seine leidenschaftlichen
Anklagen werden von der einen Seite noch überboten, von der anderen auf das ruhigere
Mass der Erwägung zurückgefülu-t. — Dagegen steht Sanders ^^) in seiner Zeitschrift
für deutsche Sprache in der Mitte zwischen dem Sprachverein und seinen Gegnern.
Der 5. Band erschwert die Ausnutzung des Inhaltes gerade so wie seine Vorgänger
An etymological dictionary of the Oerman langnag^e; tranal. from the 4th. ed. by J. F. Daris. New-Tork, MaemfllaD. 4«. XTI,
446 S. M. 12,00. ^Nation^T. 52, S. 460; Atb. S. 506; NYCritic. 16, S. 49—60; G. üempl: Chicago Dial. 12, 8. 47/8. —
41) X 6- Hempl, Janssens Index to Kluges Dictionary: MLN. S. 105/6. — 42) X W. Muss-Arnolt, Semitic and other
Glossos to Kluge's Etymologisches Wörterbuch. U.: ib. S. 9-17. |[LCB1.S. 721/3; Härder: WSKPh. S. 689.|] — 43) X F. Kluge,
Etymologisches Wörterbuch d. dtsch. Sprache. 5. Aufl., 1. Lief. ([Nation''^'. 53, S. 2»6.]j — 44) K. Faulmann, Etymolo-
gisches Wörterbuch d. dtsch. Sprache nach eigenen neuen Forschungen. 1. Liet Halle a./S., Karras. 40 S. M. 1,20. —
45) Grenzb. II, S. 388-90. - 45a) D. W. B. Leipzig, S. Hinel Bd. IV. 1. Abt. 11 U. 8. Heft S. 3497-3688; VllI 6-8 8. 961
bis 1536; XI 3 S. 385—576; XII 4 S. 577-768. — 46) X J- Köatlin, Beitrr. ans Luther« Schriften *. dUch. Wörterbuch:
ZDPh. 24, S. 87-42. — 47) M. Heyne, Dtsch. Wörterbuch. 3 Halbbd, Leipzig, HirieU 4«. 639 8. M. 5,00. |[0. Erd-
mann, ZDI li. 23, S. 362/5.]| — 48) G. K. Andresen, Wortspaltungen auf d. Gebiet d. nhd. Schrift- u. Verkehrsaprache:
ZDPh. 23, S. 265/" — 49) Wasserzieher, Ueber Bedeutungswandel. E Sprachwissenschaft!. Plauderei: HambCorr. N. 696.
— 50) Zeitungdeutsch: Gegenw. 40, S. 389/91. — 51) Sehulbücherdeutsch: Orenzb. II, 8. 54. — 52) Juristendeutsch n. deut-
sches Deutsch: ib. S. 389—90. — 53) L. Heiuhold, D. Seemaniissprache: DidaskaliaN.203. — 54)B. lHldebrand,Wied.Spracho
altes Leben fortfuhrt III-VII: ZDI'. 5. S. 23/6, 1203, 199—207, 260/7, 307-16. - 65) E. GOpfert, unser Haus u. Heim
im Lichte d. Sprachen. Kulturgesch.: ib. S. 386—402. - 56) M. Trautmann, Der .s.'-Unfug. (= ZADSprV». I.) iLHambCorrS.
N. 17; Gegenw. S. 187— 178.]| — 57) ZDSpr. 5. Paderborn, Schöningh ihier kommen in Betracht S. 34/15; 366/7; 432/4). — 57a)
£. Beckmann, Bemerkungen %. Förderung d. guten Geschmacks d. dtsch. Sprache t. Altona. Progr. d. Bealschule sa
18: 68-63. H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. 142
durch das Aphoristische der Darstellung. Eine Art von Zusammenhang bieten uns
nur die in 37 Nummern abgeteilte Blüthenlese und die Beobachtungen über Austriacismen. —
Ganz unabhängig vom Sprachverein ist E. Beckmann 5'^), wenn er ausführlich die Fügungen
zusammenstellt, mit denen das niederdeutsche Idiom einerseits, die in Altona zusammen-
strömenden Verkehrsfaktoren andererseits die Schriftsprache bedrängen. Seine Arbeit hat,
obwohl zur Förderung des guten Gebrauches der Sprache unternommen, doch entschieden
grösseren Wert durch die Sammlung von Belegen, die sie für die Dialektforschung dar-
bietet. — Genau das Gegenstück zu Beckmann ist Otto Schroeder ^8)^ dessen Buch über
den papiernen Stil auch in der neuen Auflage mehr die Züge, die es in der ersten ge-
wiesen hatte, vertieft, als sie verschiebt. War Beckmann behutsam darauf bedacht, in der
Sprache des Gebildeten die Farben so abzutönen, dass sie auch das empfindlichste Organ
nicht reizten, so dürstet S. förmlich nach lebendiger Frische und urwüchsiger Kraft.
Was ihm hier hemmend entgegentritt, wirft er mit staunenswerter Beharrlichkeit in den
grossen Topf, den er die Papiersprache nennt, unbekümmert darum, ob er alteingewurzelte
Formen der Volksdialekte trifft oder ob er andere Fügungen aus Schlupfwinkeln reisst,
in denen sie gerade so viel Heimatsrecht haben wie die lebendige Sprache im Munde
des Volkes. Die Frische und Kraft der Empfindung, die aus S.s Darstellung strömt,
überträgt andererseits auch stillschweigend auf die Belege, mit denen er vorgeht, eine
Beweiskraft, die diesen von Natur nicht innewohnt. Trotz allem aber und in leb-
haftestem Widerspruch wird doch gerade der Fachmann das Buch mit urkräftigem Be-
hagen lesen. — Ganz anders dagegen muss das Urteil über Wustmanns^^) ,, Sprach-
dummheiten" ausfallen. W. hatte auf Grund langjähriger Beobachtungen eine grosse
Sammlung von Formen und Fügungen vorbereitet, die sein Sprachgefühl beleidigt hatten,
Provinzialismen, Nachlässigkeitsfehler, Neubildungen. Die tiefere fach wissenschaft-
liche Bildung jedoch mangelte ihm, um diese Wildlinge zu ordnen und in richtiges
Verhältnis zur Sprachentwicklung zu setzen, und statt sie nun einfach ohne Beiwerk
darzubieten, Hess er sich durch die Lektüre einiger neuerer Schriftsteller verlocken, seine
Lesefrüchte vornehmlich auf den Gebieten anzuhäufen, auf denen diese vorgearbeitet hatten.
Dadiu-ch mussten notwendig die prinzipiellen Widersprüche, mit denen die erwähnten
Schriftsteller von einander sich abhoben, nun vereint in W.s Darstellung Eingang finden,
und diese Schwankungen vermochte auch die gesteigerte Urwüchsigkeit des Tones nicht
zu verdecken. Immerhin wären alle diese Schattenseiten in den vereinzelten Grenzboten-
artikeln nicht so grell hervorgetreten; erst die Vereinigung in einem Buche rückte sie
so überraschend ans Licht. Trotzdem hat W.s Buch warme Freunde und Verteidiger
gefunden und in erster Linie bei der so schlimm von ihm mitgenommenen Presse,
während er bei den Vertretern der Sprachwissenschaft im allgemeinen scharfe Ablehnung
erfahren musste. Dass er jedoch zu einem solchen Mittelpunkt in der Sprachbewegung
geworden ist, wie ihn namentlich das nächste Berichtsjahr zeigen wird, das ist in jedem
Falle ein Erfolg, und es wäre auch verkehrt, ihm das Verdienst absprechen zu woUen,
dass er mächtig an dem Sprachgewissen der Nation gerüttelt hat. Die verschiedenen
Irrtümer, die der Einzelne nun hierbei mit in den Kauf bekam, waren auch wohl
weniger die Ursache, die unsere Gelehrtenwelt so sehr in den Harnisch brachte. Bei
den meisten war es vielmehr die Befürchtung, dass dieser neue „Sprachgewaltige" aus
Leipzig, ohne es zu ahnen, Fesseln zu schmieden beginne, in denen unsere Sprache
verkommen müsste — und das eben im Augenblick, da ihre freiere Bewegung in dem
gesteigerten Verkehr des neuen Reichs und in den planmässigen Forschungen einer ver-
jüngten Wissenschaft Flügel zu gewinnen schien. —
Das Hauptinteresse des Sprachvereins konzentriert sich noch immer um den
Fremdwörterstreit. Das heftige Aufeinanderplatzen der Meinungen hat wenigstens
Betrachtungen angeregt, die sich über den Streit hinaus zu erheben verstehen. Dass
das Wort nicht etwas für sich Bestehendes sei, nicht einen Wert auspräge, den man be-
liebig von einer Sprache in die andere rollen kann, wie wir heutzutage im Zeitalter
der Wörterbücher so gerne glauben, das kommt allmählich immer mehr zum Bewusst-
sein. Man lernt erkennen, dass das Wort nur als Bestandteil des Satzes auftritt, dass
es vom Satzzusammenhang die Färbung seiner Bedeutung erhält, dass Gewohiüieit und
Ueberlieferung die Faktoren sind, die in bestimmten Verkelirkreisen bestimmte Wert-
gehalte mit dem Worte verknüpfen. Solche Erkenntnisse werden wohl die wichtigsten
Ergebnisse der ganzen Polemik gegen den Sprachverein sein und sie spiegeln sich auch
in Aufsätzen wie denen von Rhenius^o) und Eckstein*"'^). — Dagegen treten bei
anderen Gegnern mehr untergeordnete Gesichtspunkte in den Vordergi'und. Hanslick^^^
Altona. 27 S. — 58) Otto Schröder, V. papiernen Stil. 2 Aufl. Berlin, Walther * Apolant. VI, 102 S. M. 2,00 —
59) G. Wustraann, Allerhand Spraclidummheiten. Leipzig, Grunow. 320 S. M. 2,00. | [Behaghel: Grenzb. II, S. 585/7;
KZg. N. 962, 983, 1006, 1028, 1051; 0. Erdmann: ZDPh. 24, S. 660/2; D. Sanders: ZDSpr. 5, S. 461/3, R. Bechstein:
ZDU. 6, S. 64— 72.]| — 60) Rhenius, Z. Sprachreinigung: Zeitgeist N. 20. — 61) E. Eckstein, Gedanke u. Wort: DDichter-
heim 12, S. 214/6. — 62) E. Hanslick, Modernes im Zeitungs- u. Theaterwesen : NFI'r. N. 9687. — 63) E. Schiff, D. Kultur-
143 H. Wunderlich, Gesch. d. neuhochdeutsch. Schriftspr. 18: «3-07. 19: 1-4.
greift zur Verteidigung der Fremdwörter ein Gebiet heraus, aus dem die Bewegung von
selbst wieder zurücktritt, sobald die Hocliflut abgelaufen ist. — E. Schiff'«*) glaubt
die Kulturbodeutinig der Fremdwörter hervorzuhenen, wenn er Schmarotzerjjflanzen vor-
führt, die schon die vei-wiilschte Epik unserer mittelhochdeutschen Zeit verunziert
haben. — Fels**) endlich rückt ein gutes Recht des Schriftstellers, seine Sprache von
eigenen künstlerischen Gesichtspunkten auszugestalten, in ein völlig schiefes Licht, indem
er dem 8j)rachverein im besonderen verwehren will, an solchem Kunstwerk hinterdrein
Kritik zu üben. — Demgegenüber steht der Sprachverein mit doppelter Wehr da. In
einem historischen Ueberblick über die Thätigkeit früherer Sprachgesellschaften zeigt
der sclion oben genannte Pallmann^»), was diese Gesellschaften trotz aller Ungunst
der Zeiten für unsere Sprache geleistet haben, und er zieht mit Recht ganz im Gegen-
satz zu manchen anderen verwandten Darstellungen daraus den Schluss, dass unter so
günstig veränderten Verhältnissen auch die Thätigkeit des Sprachvereins Erfolg haben
müsse. — Aohnlich kommt W. Cremer^'"»! in einem gut orientierenden geschichtlichen
Ueberblick über die Freunde und Gegner der Sprachbewegung zu der Forderung: „Kein
Fremdwort für das, was deutsch gut ausgedrückt werden kann". — Die Verdeutschungs-
bücher des allgemeinen deutschen Sprachvereins ß") haben auch mit Geschick diejenigen
Gebiete herausgefunden, auf denen vorwiegend gute alte deutsche Bezeichnungen mit
fremden Eindringlingen im Kampfe liegen, so das häusliche und gesellschaftliche Leben,
die Speisekarte, den Handel und seine Fachausdrücke, und sie kommen damit nur einem
Bedürfnis entgegen, das sich schon anderweitig Bahn gebrochen hat. — Wie notwendig
es ist, aus unserer Sprache wenigstens diejenigen Ausdrücke zu entfernen, die den guten
alten deiitschen Besitzstand verdrängt haben, das zeigen uns vor allem die Fremdwörter-
bücher, die allmählich zu einer unheimlichen Fülle des WortvoiTates anschwellen, wie
z. B. die zweite Auflage von Sanders"'') zeigt. Auch die vielen Auflagen, die ähn-
liche Werke erreichen, zeigen uns das betrübende Bild, dass bis in die weitesten Kreise
hinunter die deutsche Sprache auf Krücken geht. —
1,9
Metrik.
Andreas Heusler.
Gesamtdarstellangen der neudeutschen Verskunst N. 1. — Allgcmciiies Über Versbau N. 5. — Reim N. 10. —
Uhythmus N. 13. — Einzelne Versarten N. 17. —
In den Gesamtdarstellungen der neudeutschen Verskunst finden
wir den Uebergang zur liistorisch-rhythmischen Behandlung noch nicht vollzogen,
während doch schon der antikisierende Dogmatismus Minckwitzischen Stiles ins Wanken
geraten ist. Schmeckebiers älterer Versuch, die deutsche Verslehre der klassischen
Schemata zu entkleiden, findet nur bedingte Zustimmung von Nicklas'). — Wesent-
lich auf antikisierendem Standpunkt steht S. Mehring ''^): er betrachtet Opitzens Reform
als erlösend; die gi-iechischen Taktnamen, auch der Spondeus, Amphimacer usw. werden
beibehahen, der Begriff Auftakt wird abgelehnt, der altdeutschen Verskunst wird ein
von Grund aus verscliiedenes Prinzip zugeschrieben: „sie misst nur nach Hebungen".
Li Schillers Balladen wird das eiste Neuaufleben der freieren Regung gefunden, daneben
Heine, nicht Goethe, gewürdigt; die Nibelungensti'ophe wird gelobt. Unter „Knüttel-
versen" versteht M. alle schlechten Verse. — Die Skizze von Tumlirz 3) geht noch
weiter im antiken Schematismus und steht dem Verständnis des altdeutschen Versbaues
noch femer. — Sanders *) bringt hauptsäclüich ausführliche Zusammenstellungen über
bedeutnng d Fremdwörter: Zeitgeist N. 23. — 64) F. Fels, Wider d. Sprachreinigunggteufel : ib. N. 16. — Ma) (S. o. N. 21.) —
65) W. Crem er, D. gegenw. Stand d. Kampfes ftlr d Beinheit d. dtsch. Sprache. Haiinover-Linden, Mani & lASge. M S.
— 66) Verdeutschung8w«rterbUrhor d allg. dtsch. Sprachvereins. 1 u. 2. Hfl. (1. Die Speioelmrte. 2. Aufl. .M S.
M. 0,30. — 2. Der Handel. 2. Aufl. 132 S. M. 0,60.) Leipzig, Hirt & Sohn. 12o. — 67) D. Sanders, Fremdwörterbuch.
2. Aufl. 7.— 10. (8chluss-)Lfg. (2 «d. S. 66-616.) Leipzig, Wigand. je M. 1.20. —
I) J. Nicklas, 0. Schmeckebier, Dtach. Verslehre: BBG. 27, S. 129-30. — 2) S. Mehring, Dtech. Verslehre.
(= ÜB. 2861;.}.) Leipzig, Reclam. 16«. 308 S. M. 0,60. — 3) K. Tumliri, GrundzUgo d. dtsch. Metrik. (= Anhang za
K. Tumlirz' Dtsch. Grammatik fttr Gymnasien.) Prag, Dominicus. 1890. 16 S. 10 Kr — 4) D. Sanders, Abriss d. dtsch.
I 9: 5-18. A. Heusler, Metrik. 144
prosaische Wortbetonung und metrische Betonungslicenzen; über reimlose, allitterierende
und endreimende Formeln. Er stellt (S. 119) drei Eichtungen des Versbaues fest: die
altdeutsclie , „die namentlich von Opitz auf Grundlage der romanischen Sprachen einge-
führte "Weise" und „die namentlich von Klopstock und J. H. Voss auf Grundlage der
lateinischen und griechischen Quantität eingeführte Silbenmessung". —
Allgemeines über Versbau. Ueber den Ursprung des poetischen Rhythmus
und das Verhältnis von Dauer zu Stärke verbreitet sich Wartenberg 5); er glaubt,
man könne bei der griechischen Takteinteilung stehen bleiben, und giebt (S. 13) eine
eigenartige Definition des Verses, wonach sich Wortfüsse und Versfüsse schneiden
müssen. — Auf Grund einer Betrachtung der Wortfüsse gelangt H. Böhm 6) zu der
Ansicht, dass der Ti-ochäus und der Amphibrachys die Hauptfüsse des deutschen Verses
seien; alle jambischen Verse Hessen sich auch trochäisch abteilen. — Obwohl L. Frey-
tag '') in der quantitierenden und der accentuierenden Metrik „unbedingte Gegensätze"
erblickt, hält er doch, da sich „das poetische und prosodische Verständnis" der Nation
seit der altdeutschen Zeit geändert habe, die bedingte „Annahme altklassischer Metra"
für zulässig, beklagt aber den Schaden, den die Muttersprache durch die Einführung
der Daktylen und Anapäste erlitten habe. Er rügt scharf die Gleichsetzung von Trochäus
und Spondeus, weshalb Goethes und Schillers Hexameter den Platenschen nachgestellt
werden; doch baut er selber in dem beigegebenen Probestück nicht allzuviele Verse
wie : Kühn nacheifernd den Thaten der erdegeborenen Biesen. Doch in den sternigen
Himmel berief Zeus sämtliche Götter. — W. Jordan 8) dagegen erklärt sich wider den
Spondeus im Hexameter; er verteidigt die Verwendung nebentoniger Kompositions-
und Ableitungssilben als leichter Senkungsteile. — Das Erscheinen einer „poetischen
Schöpferkraft, welche uns für die altüberlieferten Formen, wenn sich denn einmal
alles überleben soll, neue Gebilde von urwüchsigem Wesen schenkte", wünscht
Kastner 9). —
Förderlicher sind einige monographische Untersuchungen. Den Reim, der von
S. Mehringio) in der angeführten Schrift und in einem selbständigen Büchlein breit
behandelt wird, untersucht bei den namhaftesten Dichtern von Wieland bis Heine
Gottl. Schneiderei), indem er die Reinheit der Reime mehr nach der Schreibung als
nach der Aussprache bestimmt. ■ — R. Hildebrand ^2) vertritt die Ansicht: wie im
Endreim vor dem reimenden Vokal verschiedene Konsonanten gewünscht werden, so im Stab-
reim hinter dem stabenden Konsonanteii verschiedene Vokale ; der Stabreim ist also nicht
indifferent den Vokalen gegenüber und die Stabreimtechnik nicht taub für das Melodische. —
Unter „umgelegtem Rhythmus" versteht R. Hildebrand^-'^-i*) die Accentfolge
' '' ' sowie ' ' '^ und ' ' ^ " im Gegensatz zu dem „geraden Rhythmus" '' '\ —
P. Hoffmannniö) hebt aus Schillers drei Prosadramen Stücke heraus, die sich jambisch,
trochäisch, daktylisch lesen lassen, und erkennt eine verhältnismässige Häufigkeit der
Daktylen. — Viel schwebende Betonung in der „Jungfrau von Orleans" findet
Draheimiß). —
Einzelne Versarten. Brocks^'') behandelt die deutschen Nachbildungen
der sapphischen Strophe von Johann von Salzburg bis auf Geliert und Gramer, gi'ossen-
teils sich berührend mit Höpfners bekannter Arbeit und ohne den ganz verschiedenen
rhythmischen Typen der Nachbildungen Rechnung zu tragen; es folgen die klassizistischen
Nachahmungen in Klopstocks und Vossens Richtung. — In der Dissertation von
Goldbeck-Loewe 1^) ist eine geschichtliche und methodische Untersuchung, wie sie
der deutschen Verslehre not thut, dankbar zu begrttssen. Die Verse, die des Reimes
sowie der geregelten Taktzahl und Taktfüllung entbehren, werden in ihrer Anwendung
bei Klopstock, Ramler, Willamow, Goethe behandelt. Die Stellung dieser Versart zu
den frühern metrischen Grundsätzen und zu den zeitgenössischen Verstheorien wird im
ersten Kapitel beleuchtet. —
Silbenmessung u. Verskunst. Berlin, Langenschoidt. 133 u. XIII S. Geb. M. 3,00. — 5) W. Wartenberg, Bemerkungen z.
Khythinik u. Metrik mit besond. EUcksicht auf d. Schulunterriclit. Progr. Eupen, Mayer. 4. 18 S. — 6) H. Böhm,
Z. dtsch. Metrik. Progr. Berlin, Gaertner. 18S0. 4. 30 S. — 7) L. Frey tag. Einige Worte über d. Nachbildung antiker
Metra im Deutschen. Nebst o. Uebortrag. d. Batrachomyomachie: ZDU. 5, S. 242— CO. — 8) W. Jordan, Ueber dtsch. Vers-
bau. (= Episteln u. Vorträge [I 3:24], S. 244—78.) — 9) W. A. Kastner, Metrische Reformen: LMerkur. 11, S. 105/6,
u. 113/4. — 10) S. Mehring, D. Keim in seiner Entwicklung u. Fortbildung. 2. (Titel-)Aufl. Berlin, Rosenbaum & Hart. 111, 143 S.
M. 3,00. — II) Gottlob Schneider, D. Reimchaos in d. klassischen dtsch. Dichtung: FrankKurier. N. 112 u. 114. (Unter
d. Titel „D. Keim in d. klass. dtsch. Dichtung": Didaskalia N. 121/3.) — 12) R. Hildebrand, Z. Wesen d. Reims, auch d.
Stabreims, dabei e. Berichtigung W. Scherers: ZDU. 5, S. 577—85. — 13/4) id. V. uBgelogton Rhythmus: ib. 5, S. 730—41. —
15) Paul Hoffmann, Metrische Studien zu Schillers Jugenddramon: ib. S. 460/9. — 16) H. Draheim, Schwebende
Betonung bei Schiller: ib. S. 661/6. — 17) E. Br o ck h , D. sapphischo Strophe u. ihr Fortloben im latein. Kirchenliede d.
Mittelalter» u. in d. neueren dtsch. Dichtung. Progr. Marienwerder, Kantersclio Hofbuchdruckerei. ISiK). 4. 37 S. [Diez:
LMerkur 10, S. 90.J 18) A. G oldbeck-Loewe, Z. Gesch. d. freien Verse in d. dtsch. Dichtung. V. Klopstock bis Goethe.
Diss. Kiel, Fiencko. 82 S. [[Köster: ADA. 17, S. 311/4; Heusler: LBQRPh. 12, S. 399— 401.]| —
JAHRESBERICHTE
FÜR
NEüKRE
DEUTSCHE LITTEKAT URGESCHICHTE
(JAHK 1891.)
ZWEITER 11 ALBBAND.
II. Von der Mitte des 15. bis zum Anfang
des 17. Jahrhunderts.
11,1
Allgemeines.
Siegfried Szamatölski und Max Herrmann.
Litteratur N. 1. — Geschichte: Allgemeines N 4; katholische Polemik N. 13. — Kunst N. 16. — Wissenschaft N.20. —
All die zahlreichen und wertvollen Studien zur deutschen Litteratur-
geschichte des 15./1G. Jh. haben noch immer kein einheitliches Gesamtwerk gezeitigt.
Von einem lokalen Gesichtspunkt lässt sich auch diesmal wieder Wölk an ') leiten,
indem er seiner böhmischen Bibliographie (JBL. 1890 II 1 : 13) ausgewählte Texte
aus der deutschen Litteratur Böhmens im IG. Jh. hinterherschickt. Es sind 17 Num-
mern : abgesehen von dem durch Wackernagel wenigstens teilweise abgedruckten Gesang-
buch des Ch. Hecyrus, dem ersten deutschen Gesangbuch der böhmischen Katholiken,
lauter bishernicht wieder veröffentlichte Stücke und zugleich solche, in denen der Herausgeber
etwas Charakteristisches erblickt. Geistliche Lieder druckt er ausserdem von Ch. Hos-
mann, ein geistliches „Haussliedlein" von M. Berthold und ein „Gebet und Gesang wider
den Türeken" von G. Spindler. Zwei schöne neue Lieder episch-didaktischer Art, von
G. Brentel in Frauenlobs Spätem Ton verfasst, leiten über zu der Tageslitteratur: zwei
liedmässig behandelten Wundergeschichten, die sich zu Komotau 1574 und im Dorfe
Auhrzitz 158G zugeti'agen haben sollen, einer „Wahrhaftigen und gewissen Zeitung", die
von dem 1596 zwischen Polen und Siebenbürgen tobenden Kriege erzählt und dem
Leser noch ein neues Lied wider das leichtsinnige Heiraten in den Kauf giebt, vor
allem aber zwei in Reimpaaren geschriebenen, auch kulturhistorisch bedeutsamen Scliil-
derungen der Bergstadt Joachimsthal aus den zwanziger Jahren; die eine ist von dem
Augsburger Hans Lutz verfasst. Nach Joachimsthal führen auch die von W. gedruckten
Prosastücke: ein „Mandat Jesu Christi" von Nik. Hermann (1524), in dem ein „Christ-
licher krieg wider den teüffel vnnd sein hoffgesind mit Christlichen waifen" abgemalt
wird, und eine Leichenpredigt des Joh. Mathesius (1559 zuerst gedruckt). Aus der
poetischen Didaktik bietet W. Pleissners „Ritterorden des Podagrischen Fluss" (1594),
interessant besonders als Quelle Jakob Ayrers. Endlich erhalten wir auch Proben des
böhmischen Dramas. Den Ehrenplatz nimmt mit Recht Clemens Stephani ein, von dem
nicht allein die nur hs. erhaltene Uebersetzung der terenzischen ,,Andria" (1554), sondern
auch ,,Ein kurtze vnd fast lustige Satyra oder Bawrenspil" v. J. 1568 abgedbruckt ist,
das die auch durch Cervantes dramatisierte Geschichte vom Studenten als Schwarzkünstler
in fünf Akten behandelt. Ausserdem finden wir M. Meissners 1579 verfasste, auch ins
Czechische übersetzte „Historica Tragoedia", deren Inhalt der Untergang Sodoms und
Isaaks Opferung bildet; endlich eine stofflich interessante „Tragedia", die einen miss-
lungenen Anschlag der Böhmen und Ungarn gegen das Leben des Kaisers auf die Bühne
bringt. Im Vorwort teilt W. die Varianten einer in Ulm bewahrten Ausgabe mit; text-
kritisch kommt wohl auch ein W. entgangener Berliner Druck (Yq 1521, s. 1. 1594) in Be-
tracht, der ebenfalls beachtenswerte Abweichungen bietet. So stellt sich das Ganze als eine
I) R. Wolkan, Ausgew. Texte aus d. dtsch. Litt. Böhmens im 16. Jh. (= Böhmens Anteil an d. dtsch. Litt.
Jahresberichte fttr neuere deatsohe Litteratargesohiohte II (i). 10
II 1: 2-4. Szamatölski und Herrmann, Allgemeines des 15./16. Jahrh. 146
nützliche Vorbereitung auf den noch ausstehenden Hauptteil des W.schen Werkes dar;
der Abdruck der Texte ist, wie einige Stichproben ergaben, recht sorgfältig. — In ein
anderes Grenzgebiet deutscher Kultur, nach Livland, gelangen wir durch eine Studie
von Riekhoff s 2), die, im ganzen nicht gerade für Fachmänner geschrieben, doch auch
diesen durch die Heranziehung entlegener Lokallitteratur nützlich wird. Die kirclilichen
und litterarischen Missstände waren am Ausgange des Mittelalters im deutschen Liv-
land nicht andere als im Mutterlande (1504 trieb Tetzel dort sein Wesen), und so ver-
liefen auch die neuen Bewegungen, Reformation und Humanismus, hier in derselben
Art. Unter den Neulateinern hebt R., abgesehen von Joh. Lorichius, der nur kurze
Zeit in Riga sich aufhielt, Daniel Hermann, ferner Basilius Plinius, den Vf. eines Ge-
dichtes auf die Stadt Riga, Rutgerus Pistoi-ius, der z. B. eine Elegie gegen den Adel
gedichtet hat, und Andreas Knöpgen hervor, der sonst mehr in der Geschichte der Re-
formation bekannt ist. Letztere brachte hier in litl erarischer Hinsicht neben geistlicher
Lyrik und polemischen Versen bekannthch vor allem ein wichtiges Drama hervor:
Waldis' Spiel vom verlorenen Sohn, das R. eingehend behandelt, indem er betont, wie
wichtig für die Entstehung des Stückes neben den eigenen Schicksalen des Dichters
auch das Geschick des Andreas Bomhover war, der in jenen kirchlichen Kämpfen eine
bedeutsame Rolle spielte. In der späteren Theatergeschichte dieser Gegenden treten
dann besonders die sog. Schwarzenhäupter in Reval und Riga hervor; zwei Geistliche,
Teuthorn und G. Marsas, haben sich besonders um die AufFühningen verdient gemacht
und sind vielleicht sogar selbst dramatische Dichter gewesen. Besonders interessant
für die Geschichte der nhd. Schriftsprache ist endlich ein an sich belangloses „Christ-
liches Gespräch von der grausamen Zerstörung in Livland durch den Moskoviter" aus
dem Jahre 1579: hier entschuldigt sich der V£, Tilemann Brakel, ausdrücldich, dass er
sich der hochdeutschen Sprache bediene. — Oswalds ^) Aufsatz über den Einfluss
Deutschlands auf England im 16. Jh. ist im Grunde nichts als ein Auszug aus Herfords
von 0. mit Recht gerühmtem Werk; zur Ergänzung empfiehlt 0. Schaibles „Geschichte
der Deutschen in England" und charakterisiert die beiden Autoren gegen einander
durch den Satz: Herford hat immer die Bücher im Auge, Schaible die Menschen. —
Wie die allgemeine Geschichte des 16. Jh. in manchen politischen und
religiösen Strömungen der Geschichte unserer Zeit parallel läuft — konnte doch Hütten
erst in den Tagen der Einheitsbestrebungen und des Kulturkampfes eine Gestalt von
volkspädagogischem Wert sein — , so bieten auch die socialen Bewegungen und Theorien
im Zeitalter der Reformation Parallelen zur Gegenwart, die zur gegenseitigen Erhellung
ebenso in wissenschaftlicher Forschung wie im praktischen Leben dienen können. Die
sociale Aera der inneren Politik hat schon längst in die Geschichtsschreibung hinüber-
gewirkt, so dass die Beachtung socialer Faktoren mehr und mehr wächst. Gestützt
auf derartige Arbeiten der letzten Zeit stellt G. Winter *) Reformationszeit und Ge-
genwart nebeneinander, um zunächst in einem abgeschlossenen Teil ihre socialen Be-
wegungen zu vergleichen. Nachdem W. aus einem schnellen Ueberblick über die Ent-
wicklung des modernen Socialismus den Satz gewonnen hat, dass eine der gewaltigen
Veränderung der Produktionsmittel entsprechende Veränderung der Bedingungen der
Produktion und Verteilung der Güter herbeizuführen sei, ohne dabei unsere gesamte
historisch gewordene politische und geistige Kultur in Frage zu stellen, zeigt er in
einem Rückblick auf die politische Geschichte des vorigen Jahrhunderts, dass eben im
Kampf und Ausgleich der erhaltenden und der vorwärts strebenden Kräfte sich jede
historische Entwicklung vollzieht, und geht dann dazu über, dies auch an der wirt-
schaftlich-socialen Entwicklung früherer Zeiten zu erläutern. Die sociale Frage, die
freilich stets und überall lebendig war, hat in unserer eigenen nationalen Vergangenlieit
ihren schärfsten Ausdruck in den grossen Bauernkriegen von 1524/5 gefunden. Ihre
Entstehung verfolgt nun W., um durchgehends mit einem Vergleich an der Gegenwart
beide Bewegungen zu beleuchten. Ist der Träger der heutigen Socialdemokratie das
städtische Proletariat, so geht die Erhebung des 15. /16. Jh. vom kleinen Bauernstand
aus; trat die lieutige wirtschaftliche Krisis mit ungealuiter Plötzliclikeit auf, so ist die
des 16. Jh. das Ergebnis einer Jahrhunderte langeii Entwicklung, die W. in allen
Einzelheiten der Kolonisationsfragen, der Lebensmittelpreise, des privaten und öffentlichen
Rechts, der Zinsverhältnisse, der Grundhörigkeit, des Robots und des Gemeindelandes
erörtert oder doch streift. Als Verkörperung der bäuerlich socialen, zumal der im Ge-
gensatz zum heutigen Socialismus stark religiös gefärbten Bewegung zeichnet W.
schliesslich die Gestalt und das Schicksal des Paukers von Niklasliausen, jenes cliristlich-
socialen Agitators des 15. Jh., den er selbst früher eingehend (Nord und Süd Bd. 50,
d. 16. Jh. 2. TL Ausgew. Texte.) Prag, Haase. IX, 205 u. 3 S. M. 5,20. — 2) Th. v. Riekhoff, Studien z. Litt. Alt-
LivUnds: BaltMsclir. 38, S. 47—70. - 3) E. Oswald, Dtsch. Einfluss auf England im 16. Jh.: AZgn. N. 289—90. — 4) O.
Winter, Sociale Bewegungen u. Theorien im Zeitalter d. Reformation u. in d. Gegenwart: VVPK. 112, S. 1—24, 145-64. —
147 Szamat61ski und Herrmann, Allgemeines des 15./16. Jahrh. n 1: i-&
S. 402 — 14) behandelt hat, und zielxt daraus die Sclilussmoral, dass man, wie schon
Luther erkannte, durch rechtzeitige Nachgiebigkeit der bevorrechteten Klassen gegen
die arbeitende Bevölkerung den gewaltsamen Ausbruch hätte verhindern können. Weit
inhaltreicher ist an sich der zweite Teil der Arbeit mit seiner Vergleichung der socialen
Theorien beider Zeitalter: die Systeme des Monis, den er als Vorläufer der Bauern-
kriege den Encyclopädisten in ihrer Stellung zur grossen Revolution vergleicht, und
der Bellamy und Hertzka, in denen er die Vorbereiter des grossen friedlichen socialen
Ausgleichs sieht, werden wirtschaftlich analysiert und in scharfen Kontrast gerückt.
Aber abgesehen von manchen Einzelheiten mehr politisch-aktueller Natxir beruht ge-
rade dieser zweite Teil fast durchweg unmittelbar auf einer, an andere Stelle (II, 8)
gehörigen, Arbeit Kleinwächters über die Staatsromane, die überhaupt die eigentliche
Anregung zu W.s klar und gewandt geschriebenem Essay gegeben zu haben scheint. —
Der Anonymus der Grenzboten spinnt seine geschichtsphilosophischen Gedanken im
Berichtsjahr auch an die Frage „Reformation und Freiheit", wobei er die Fäden freilich
überall auch weiter zieht und allerlei historische Fragen in einem ziemlich regellosen
Hinundher miteinschliesst. Der Wert der Betrachtungen liegt in der Freiheit und
Nüchternheit, mit der der Vf., ohne konfessionelle Brille, das Reformationszeitalter,
seine Vorbedingungen und Folgen anschaut. Nicht in allen seinen Gängen ihm folgen,
sondern nur Hauptpunkte seiner Wanderung hervorheben können wir hier. Für die
Sittenverderbnis der mittelalterlichen Geistlichkeit macht er ebenso wie sie selbst auch
das Volk verantwortlich, aus dessen Schoss sie sich stets neu ergänzt. In den kirch-
lichen Zuständen des ausgehenden Mittelalters sieht er einen tragischen Konflikt
zwischen Ideal und Wirklichkeit, der durch den sich unablässig aufdrängenden Gegen-
satz zwischen der Ueberfülle äusserer gottesdienstlicher Formen und den allgemeinen
inneren Sittenzuständen schneidend fühlbar wurde; und die Deutschen, empfind-
licher hierfür als die Romanen, suchten einen Ausweg aus dem Konflikt, aber nicht
durch eine Erneuerung des Urchristentums, sondern durch eine gründliche Verwelt-
lichung des Lebens, wie sie in dem eben wiedererstandenen klassischen Heidentum
winkte: Renaissance und Humanismus ohne Mönchskutten ist dem Vf. das Ideal
Huttens. und, in einiger Vergröberung, auch der Massen. Offen schreitet der Vf. zum
Angriff gegen die protestantische Auffassung der Reformation als dem grössten und
wohlthätigsten Ereignis seit der Erlösung und als der Quelle aller materiellen, geistigen
und sittlichen Güter und vor allem der Freiheit. Mit Anlehnung an Buckle erklärt er,
dass die Reformation gleich jedem anderen Ereignis Ursache und Wirkung ist, daher
nur bei geistig hoch entwickelten Völkern eintreten, aber auch nicht ohne wohlthätige
Rückwirkung auf die weitere Erhebung der Geister bleiben konnte; in der Freiheit jedoch
sieht er weit weniger eine Folge als vielmehr eine unerlässliche Vorbedingung der
grossen Umwälzung. Als schlagende Beispiele behandelt er, mit gewandter Dialektik
gegen mögliche Einwände, Luthers Leichenrede auf den Kurfürsten Johann und seinen
Strauss mit Albrecht von Mainz und, hier wie dort in stetem Vergleich mit der Gegen-
wart, die allgemeine Unwirksamkeit von Reichs- und Privatrecht gegenüber der Be-
wegung. Aber auch in wissenschaftlicher und litterarischer Beziehung war der Anfang
des 16. Jh. freier und vorurteilsloser als der Schluss: er erinnert an Huttens be-
rühmten Jubelruf und vergleicht das Scliicksal des Kopernikus mit dem Keplers.
Auch die Glaubensfreiheit war im Anfang des Jh. unbeschränkt, so lange man nur den
materiellen Bestand der Monarchie nicht bedrohte, während am Ende katholische In-
quisition und protestantische Orthodoxie wüten. In diese Betrachtung verflicht der Vf.
eine kluge und klare Kritik an Treitschkes Bild vom herrlich aufblühenden und schmäh-
lich verfallenden Protestantismus, das zwar von packender Tragik ist, aber den ge-
schichtlichen Thatsachen fernsteht. Weiter erscheinen dem Vf die flammenden ersten
Streitschriften Luthers als die höchsten Blüten des freien Geistes der Renaissance
wegen ihrer freien und rücksichtslos kühnen Kritik; das Grosse an Luther ist ihm,
dass er, der das alte Gebäude niederlegte, mit eigener Hand den Neubau aufführte, ein
Begründer des modernen Polizeistaats zum Schutz gegen die Wiederkehr des früheren
gemütlichen Anarchismus. Befreiend aber habe die Reformation dadurch gewirkt, dass
sie einen Teil der Christenheit von Ceremonien und Leistungen befreite, die dem männ-
lichen Geist widerstreben, und vorzüglich durch die Spaltung in mehrere Konfessionen:
die heutige Glaubensfreiheit steht und fällt, "wae jede Freiheit, mit der Vielheit der sie
bedrohenden, aber einander gegenseitig in Schach haltenden Mächte. Ein letzter
grosser Abschnitt behandelt die Frage des Einflusses der Reformation auf die politische
Freiheit der Völker. Nach der gemeinen Meinung soUe Luther, dessen ganzes Wesen
heitere Freiheit atme, die politische Knechtschaft^ und der finstere despotische Calvin
S) GeschichUpbilosophischo Gedanken: 11. Reformation u. Freiheit: Grenib. 50, S. 400/5,447—56,495—506. — 6) ßriefweehael
Landgraf Philipps d. GrossmUtigen v. Hessen mit Buoer. Her. n. erl. t. Max Lent. 3. Teil. (= Publikationen ans d. KgL
10*
111:7. Szamatölski und Herrmann, Allgemeines des 15f/16. Jahrh. 143
die politische Freiheit gebracht haben. Des Rätsels Lösung giebt der Vf. dadurch
dass er, fast überall im Gegensatz zu Treitschkes rhetorisch bestechendem Essay über
die ßepubhk der Niederlande und in Anlehnung an Wenzelburgers Werk, deutlich dar-
legt, wie in beiden Fällen die Wirkung weniger aus der Glaubenslehre, als aus den
Verhältnissen der Länder und Völker hervorging, in denen sie zur Herrschaft gelangte.
Die Einzelheiten dieses Abschnitts, der sich ausschliesslich mit dem Calvinismus in den
Niederlanden beschäftigt, gehören nicht in den Kreis unserer Betrachtung. — Auch
die historische Einzelforschung gewährt uns einige Ausbeute. Viel weniger freilich als
seine beiden Vorgänger kommt der dritte Band des grossen Quellenwerkes von Max
Lenz 6) für die allgemeine Geschichte der Reformationszeit in Betracht, er ist vielmehr
in erster Reihe für die eigentlich politische Geschichte von hervorragender Bedeutung.
Die Gestalt Bucers, die den ersten Bänden ein allgemeines Interesse sicherte, ist dies-
mal trotz des auch hier beibehaltenen Gesamttitels ganz vom Schauplatz abgetreten;
er erscheint beinahe nur in den auf das ganze Werk bezüglichen Beigaben: einem
Aktenverzeichnis, das den gesamten Briefwechsel des Landgrafen Philipp mit Bucer
chronologisch registriert und sowohl die gefundenen wie die nicht gefundenen Stücke
berücksichtigt, und in dem höchst inhaltreichen, von H. Wen dt ausgearbeiteten
Namen- und Sachregister. L. bietet diesmal als Ergänzung zum zweiten Bande haupt-
sächlich politische Aktenstücke, die durch einleitende und erläuternde Darstellung ver-
bunden werden : es sind neben wenigen offiziellen Urkunden meist Korrespondenzen der
landgräjEichen Agenten über die Ereignisse auf dem Regensburger Reichstag und dem
Naumburger Eürstentag von 1541, über die Entwicklung der Braunschweiger Fehde,
über die Verhandlungen mit Bayern und endlich speciell Augsburger Nachrichten be-
sonders aus den Jahren 1541 — 47. Natürlich tauchen auch in diesen politischen Mit-
teilungen gelegentlich Namen auf, die mit der Litteraturgeschichte mehr oder minder
fest verknüpft sind; wir gewinnen Notizen über Luther, Melanchthon und Nik, Amsdorff,
über Joh. Eck, Albrecht von Mainz und Heinrich von Braunschweig, den „Hans Worst",
über Ambrosius Blaurer, Joh. Brenz und Heinrich Bullinger, über Jakob Sturm,
Sebastian Schärtlin und Julius Pflug, endlich über Veit Dietrich und Joh. Zwick; in
der eigentlichen Hauptrolle erscheint die feine Gestalt des bayerischen Kanzlers Leon-
hard von Eck. Speciell litterargeschichtlicher Art ist freilich von diesen Notizen keine
einzige. Ganz leer geht aber auch die Litteraturgeschichte im engsten Sinne nicht aus.
Einmal wird an der beinahe einzigen Stelle, wo Bucer im Text auftritt, auf eine hs.
deutsche Uebersetzung des Entwurfs zum „Regensburger Buche" (1541) aufmerksam
gemacht, in der L. mit Bestimmtheit eine von Bucer für den Landgrafen gefertigte
Arbeit erkennt; L. belltet als Historiker den Fund natürlich nur für die Textkritik des
lateinischen Wortlauts aus. Ferner gehört zu Philipps fleissigsten Korrespondenten
Georg Frölich (Laetus), der alle die oben erwähnten Augsburger Nachrichten geliefert
hat. Es ist derselbe Frölich, den Goedeke als ersten Uebersetzer des Stobaeus nam-
haft macht, der aber auch den Psalter verdeutscht, eine Uebertragung des Isokrates in
Angriff genommen und eine von L. S. 529 f. behandelte Schrift „Vom preis, lob vnnd
nutzbarkeit der lieblichen Kunst Musica" verfasst hat. Was L. nun für unsere Kenntnis
dieses Mannes Neues beibringt, ist zwar zunächst wenig litterarhistorischer Art,
und auch Frölichs äussere Geschichte wird nur durch die Aufdeckung seiner Beziehungen
zu Hessen (1549 — 1554) und durch den Nachweis vermehrt, dass sein Aufenthalt am
Lauinger Hofe des Pfalzgrafen Ottheinrich vor seine endgiltige Rückkehr nach Augs-
burg (1554) fällt. Aber alle seine hier bekannt gemachten Briefe zeigen im Gegensatz
zu den bisher zugänglichen trockenen Notizen Am Endes und Veiths, wozu L. noch
den Hinweis auf die Herbergersche Publikation der Schärtlinkorrespondenz fügt, eine
lebensvolle, prächtige Persönlichkeit, dessen grossdeutsche Gesinnung im Huttenschen
Ton überall den trockenen Nachrichtenton durchbricht: „Wurd sich teutsche nacion nit
selb retten und erhalten, so werden's die frembden nit thun." .... „waruf warten
dann die Teutschen, das sie nit . . . sich in rechte bruderschaft, dahere sie Germani ge-
nennt werden, begeben ...?"... „Wollt dann nichts volgen, das alsdann ain frumer
Arminius verbanden were und stumpf und stile zu rettung der freihält ankeret;
dem wurd Gott gluckh geben, fried ze machen." Ausserdem aber oifenbart sich ein
hervorragender Stilist, der in schlagenden Bildern, in glücklich gewählten Sprichwörtern
und biblischen Anspielungen und in der Leichtigkeit des Satzbaues die übrigen Korre-
spondenten weit überragt; ein Vergleich dieser Schreibweise mit dem Stil der Ueber-
setzungen wäre eine dankbare Aufgabe. In einem Exkurs schreibt L, dem Frölich
gegen Georg Voigt und Druffel auch die Autorschaft der Schrift vom Schmalkaldischen
Kriege hauptsächlich aus inneren Gründen zu; eine sorgsame Stilprüfung könnte viel-
leicht die Entscheidung bringen. Endlich teilt L. „carmina" mit, die Frölich im April
PreuM. SUatsaroUven. Bd. 47.) Leipzig, Hirzel. 638 S. M. 18,00. — 7) G. Mayer, J.Komander: Wetier u. Weite, Kirchen-
149 Szamatölski und Herrmann, Allgemeines des 15./16. Jahrh. Ulrs-iz.
1541 dem Lamlgrafeii als poHtisrliea Agitatioiisinittol angefertigt, hat: 12 Distichen, in
denen die vier Elemente ihren Zorn gegen Heinz von Braunschweig zum Ausdruck
hringen. Mit einer unter gleichem Gesichtspunkt entstandenen, aber viel interessanteren
Dichtung tritt nun auch der thätigste unter den landgräilichen Korrespondent^en, der
Augsburger Stadtarzt Gereon Salier in die Litteraturgeschichte ein. Das in Liliencrons
Sammlung IV, S. 2G9 ff. gedruckte umfangreiche „historische Volkslied": „Wie der
Herzog von Braunschweig . . . niedergelegen und gefangen worden", war bisher wie die
meisten dieser Nummern autorlos. Am 4. Nov. 1545 aber bekennt sich Sailer in einem
Brief an den Landgrafen als Autor des Gedichtes, und wir gewinnen die überraschende
und lehrreiche Erkenntnis, dass dieses „historische Volkslied" durchaus weit vom
Schuss entstanden ist; sie wird durch Sailers nächsten Brief (15. Nov.) noch schärfer
hervorgehoben. Dem Schreiben liegt eine autorisierte Abschrift des Liedes bei, die
gegenüber den Drucken eine ganz abweichende Strophe (39) und auch eine für die
Entstehungsart bedeutsame Bemerkung enthält; L. teilt auch die gleichfalls beigefügte
Melodie, eine Variante des „Pavialiedes" in modemer Umschrift mit. Für Charakteristik
und Biographie des neugewonnenen Dichters enthalten alle drei Bände eine Fülle des
Materials. — G. Mayers ') kurzer Artikel über den „sog." Reformator Graubündens,
Zwingiis Freund Joh. Komander, stellt, was bei Wagenmann (ADB. 16, S. 497 f.) und
bei Riggenbach (Herzog und Plitt 8, S. 130/3) nicht zu finden ist, auf Grund einer
jenen entgangenen Arbeit Th. v. Liebenaus fest, dass Komander aus dem Luzerner
Gebiet stammt und in Escholzmatt und Ragaz Priester war, ehe er nach Chur kam.
Sonst bietet der Artikel nur zwei neue, aber durch die angeführten Quellen nicht ge-
rechtfertigte Behauptungen über den Verlauf der Disputation zu Jlanz und Komanders
Beziehungen zu der Hinrichtung des Abtes Th. Schlegel; über Komanders eigentliche
Wirksamkeit und über die wichtigste Litteratur wird man sich immer noch in den
beiden angeführten Arbeiten unterrichten müssen, von denen M. wenigstens die
erste bestimmt benutzt, von denen er aber keine citiert hat. — Nicht un-
interessant als ein, freilich zunächst wohl nur für Trivialschulzwecke be-
rechneter Versuch, den Specialstudien gegenüber den Verlauf der weltgeschichtlichen
Hauptereignisse ins Auge zu fassen, ist eine Geschichtstafel ^V die das 16. Jh. be-
handelt. Auch sie vermag freilich nicht, was der anonyme Vf. zu kühn verspricht,
„dem Beschauer auf Einen Blick ein klares Bild des Jh. zu geben"; aber indem sie
sich allzu komplizierter und doch nicht zum Ziele führender Versuche anderer karto-
graphischer Geschichtsdarstellungen enthält, gelingt ihr recht hübsch die Vergegen-
wärtigung der Gleichzeitigkeit ; durch eine geschickte Einrichtung kann man sofort für
bestimmte Persönlichkeiten ersehen, welches ihre wichtigsten Zeitgenossen waren und
welche bedeutsameren Ereignisse sie erlebt haben. Als Anhänger der vorwiegend poli-
tischen Geschichte rückt der Autor in die Mitte seiner Tafel als die massgebenden Ge-
stalten fast lauter Regenten; zu ihnen gesellen sich nur drei „Persönlichkeiten, welche
auf die Entwicklung der geschichtlichen Ereignisse einen wesentlichen Einfluss ausge-
übt haben". Auf diesen Nebensatz hin erwartet man natürlich den mit Recht einge-
ordneten Luther, aber wohl kaum Melanchthon und noch weniger Shakespeare zu
finden. Unter den links nebengeordneten „kulturhistorischen" Persönlichkeiten kommen
für Deutschland in Betracht Brant, Reuchlin, Sickingen ^), der aber nicht „zu Baden"
geboren ist, Hütten, Dtirer, Zwingli, Erasmus, Holbein, Cranach, Götz von Berlichingen
und Hans Sachs. Für stille Mitarbeiter hat der Vf. viel Papier frei gelassen. — Von
Janssens lo-n) Geschichte des deutschen Volkes sind im Berichtsjahr wieder zw^
Bände in neuen Auflagen herausgekommen. Während der zweite Band sich selbst nxur
als einen unveränderten Abdruck der fünfzehnten, verbesserten Auflage bezeichnet,
fordert der dritte Band als fünfzehnte, vermehrte Axiflage einen Vergleich mit der vor-
hergehenden Ausgabe, auf den wir leider verzichten müssen, da uns letztere vorläufig
nicht zugänglich ist: das ist um so bedauerlicher, als hier wohl eine Ausgabe letzter
Hand vorliegt. —
Nur um eine neue Auflage scheint es sich dagegen bei dem 17 — 19. Tausend
derjenigen Schrift zu handeln, che Janssen 12) gegen den Ansturm protestantischer
Kritik erliess und die man wohl als Hauptstück der neueren historischen katholischen
Polemik ansehen darf; die unmittelbar vorangehende Ausgabe steht uns leider auch
hier nicht zur Verfügung. — Weit entfernt von dem gewöhnlichen Standpunkt der
lexikon 7, S. 941/2. — 8) GescMchtsUfel d. 16. Jh. Frankfurt a. M., Jögel. M. 0,60. — 9) O Th. Ton Lieben««.
F. T. Sickingen u. d. Eidgenossen: ASohweizQ. 22, 8. 152/4. — 10) J. Janssen, Gesch. d. dtsch. Volkes seit d. Ausgang d.
HA. 2. Bd.: V. Beginn d. politisch-kirchlichen BeTolution bis z. Ausgang d. socialen ReTolntion t. 1525. 16. Anfl. Unrertnd.
Abdr. d. 15., yerb. Aufl. Freibnrg, Herder. XXXII, 613 S. — II) id., Gesch. d. dtsch. Volkes seit d. Ausgang d. MA.
3. Bd.: D. polit.-kirchliche Revolution d. FUr8t«n u. d. Stftdte u. ihre Folgen fUr Volk n. Reich bis z. sogen. Angsborger
Relipionsfrieden v. 1555. 15. rerm. Aufl. ebda. XLIV, 792 S. M. 7.00. — 12) id., An meine Kritiker. Nebst Erg&niung«n
o. Erltaterungen an d. ersten 3 Bünden meiner Gesch. d. dtsch. Volkes. Neue Aufl. (17—10. Tausend), ebda. 227 S. M. 2,20.
n 1: 13-15. Özamatölski und Herrmann, Allgemeines des 15./16. Jahrh. 150
protestantischen Kritik, doch nahe der im vorigen Bande (1890 11 1 : 8) erwähnten
Meinung Ottokar Lorenz' steht das Urteil über Janssens Werk, das der ßembrandt-
deutsche seinem Buche neuerdings eingefügt hat und das schon dadurch bedeutsam
wird, dass die Historisch-politischen Blätter ^3) es abdrucken und scheinbar still-
schweigend anerkennen. Dem Rembrandtdeutschen erscheint es bezeichnend für die
jetzige deutsche Wissenschaftlichkeit, dass man einen Forscher wie Janssen, den gründ-
licher Eleiss, Wahrheitsliebe und eine durch seinen besonderen Standpunkt bedingte
subjektive Geschichtsauffassung, die — hier liegt eine über das besondere Urteil hin-
ausgehende intime Berührung mit Lorenz — dem Historiker so notwendig ist wie die
Objektivität, kennzeichnet, in ehrenrühriger Weise angreift, ohne Subjektivität von
mala fides zu unterscheiden. „Der Unparteiische wird es als ein Verdienst Johannes
Janssens ansehen, dass er auch einmal die Kehrseite des Reformationszeitalters auf-
gezeigt hat; der Vernünftige wird seine wie der protestantischen Geschichtsschreiber
Darstellung gegen einander abwägen und sich selbst ein Urteil bilden; nur der Träge
und Voreingenommene wird bei ihm zu kurz kommen." — Ein ebenfalls von den
Historisch-politischen Blättern i^) ergangenes Urteil über den Streit zwischen katho-
lischer und protestantischer Geschichtsschreibung verdient Beachtung weniger um der
Specialdebatte willen, in der G. Lösche und 0. Kohlschmidt auf Grund ihrer Beiträge
zu dem von protestantischer Seite gelieferten „Theologischen Jahresbericht" („Kirchen-
geschichte" bez. „Interkonfessionelles") parteiischer und unkritischer Berichterstattung
angeklagt worden, als wegen der prinzipiellen Erklärung über die Aufgabe der Wissen-
schaften im allgemeinen und der Jahresberichte im besonderen. Nicht nur dass die
schweren Anforderungen des „suum cuique" und des ^^nXrjS^fvtw iv icyänri'-'- ^ die Lösche
bei E. V. Bezold bewundert, aber selbst nicht erfüllt habe, aufgenommen werden, heisst
es in einem Abschnitt, den die JBL. gern verzeichnen und auch unterzeichnen: ^^hn
einem Lande wie Deutschland, das nur äusserlich geeinigt, in dem das Misstrauen der
einzelnen Stämme und der verschiedenen Religionsgesellschaften unter einander fort-
dauert, hat die Wissenschaft eine hohe Aufgabe zu erfüllen. Sie ist an und für sich
geeignet, das einigende Band zu sein und nicht bloss die verschiedenen Stämme eines
Reichs, sondern auch verschiedene Rassen, verschiedene Religionsgesellschaften einander
näher zu bringen. Zu dem Zwecke ist es nötig, Mässigung und Milde im Urteil
walten zu lassen, alles was dem Gegner, den man gewinnen will, Anstoss geben könnte,
zu vermeiden. Unter allen wissenschaftlichen Unternehmungen können Jahresberichte
über Geschichtswissenschaft, Theologie, Philosophie die Eintracht unter den Kon-
fessionen befördern; auf der anderen Seite sind Jahresberichte, in denen Schroff lieit
und Fanatismus geduldet wird, ganz dazu angethan, das schon begonnene Friedenswerk
zu zerstören." Mögen diese Sätze auf allen Seiten recht verstanden und auch zu Thaten
werden. —
Um eine der bevorzugten Streitfragen katholischer Polemik, um den Wert der
Kunst der Renaissance, dreht sich ein anonymes Heft^^), freilich weniger, um diese
Frage sachlich zu erörtern, als um — wie schon der altertümlich breite Titel verrät —
persönlich einen Kunsthistoriker zur Strecke zu bringen, der zwei Capacitäten katho-
lischer Kunstgeschichtsauffassung mit dem Feuer eines Konvertiten angegriifen hatte.
Lübke war bereits vor einer langen Reihe von Jahren einmal gegen Reichensp erger los-
gegangen, von diesem jedoch durch Androhung unangenehmer Veröffentlichungen über
katholische Velleitäten seiner Frühzeit zur Ruhe gezwungen worden. Als Lübke den
Frieden neuerdings brach, brannte Reichensperger los , und nun nimmt ihn noch die
anonyme Broschüre in ein lustiges Kreuzfeuer, zu dem ausser Reichensperger und
Janssen Ludwig Pfau, Hermann Riegel, F. X. Kraus, mittelbar auch Dohme und Bode
u. a. die Munition liefern mussten. Der Ruhmestempel Lübkescher Kunstweisheit, für
deren Giebel das Motto des Anonymus „Ego sum Phaetori" — so hatte der Viel-
gewandte einmal die Umschrift eines Christusbildes „EGO SU AL PHA ET 0" auf-
gelöst — ganz trefflich passte, liegt nun vor allem Volk in Trümmern. Die Einzel-
heiten der vernichtenden Anklagen hier aufzuführen, ist nicht die Aufgabe der JBL.,
da für wissenschaftliche Kreise all die Blossen Lübkes, auf die hier von neuem mit
Fingern gedeutet wird, ja längst aufgedeckt sind. Selbständiger, wenn aucli zum
grösseren Teil auf Janssen fussend, ist erst die zweite Hälfte der Sclu-ift, wo im Gegen-
satz zu Lübke ausgefülirt wird, zunächst dass die Bibel selbst schon die Renaissance
als Kunst der idealen Nacktheit verurteile, ferner im Anschluss an W. Lecky u. a., dass
die religiösen und damit verwandten Darstellungen, auf die sich Lübke gegen Janssen
beruft, nur zum Vorwand für die Darstellung einer bloss weltlichen Schönheit dienten,
— 13) Bembrandt als Erzieher. Z. 37. Aufl. noch einmal: HPBll. 108, S. 900-10. (VgL hier S. 906/7.) — 14) D. „Theologisehe
Jahresbericht" von 1890 : ib. S. 620/9. — 15) Eoichcnspergor-Janssen n. d. KunstliistoriVer Prof. Dr. Wilhelm Lübke. Z. Konn-
zeichnung neuester Kunstschriftstollerüi, namentlich in Sachen der im 16. Jh. in Deutschland eingeführten „antikisch-wUlschen
151 Szamatölski und Herrman II, Allgemeines des 15./16- Jahrh. III: i«-20.
endlich mit zahlreichen nnd verschiedenartigen zeitgenössischen Belegen, dass auch jene
Zeit schon von der „bedenklichen Prüderie wie von einem bösen Aussatz angesteckt"
war gegenüber denjenigen Kunsterzeugnissen der Renaissance, von denen uns der
Anonymus eine sorgfältig für seine Zwecke ausgewälilto Galerie zugänglich macht. Im
Verlauf dieser Betrachtungen versteht er einen Satz aus dem „Laokoon" als Sprungbrett
zu benutzen, um sich an die Seite des „Berliner Männerbundes zur Bekämpfung der
Unsittlichkeit" zu bringen. So wenig man gegen die vielfach treffenden Ausführungen
des Anonymus das haltlose Gerede Lübkes vertreten kann, so wenig wird man sich in
Sachen der Kunst und ihrer Geschichte auf die enge moralistisch-konfessionelle Grund-
lage stellen können: der Hinweis der Broschüre auf Janssens Urteil über die vor-
bildliche Kunst des griechischen Klassicismus, wenn es auch in dieser Fonn kaum an-
nehmbar ist, eröffnet selbst schon den Ausblick auf einen freieren Standpunkt. — Vom
Herausgeber einer grossen englischen Zeitschrift aufgefordert, gab Direktor W. Bo de '*)
einen interessanten Bericht über den erstaunlichen Fortschritt des Berliner Renaissance-
Museums seit 1870. Obgleich unsere Geldmittel mit den englischen noch immer nicht
zu vergleichen sind, so konnten wir doch durch Scharfblick der Leitung und dank der
Unterstützung des späteren Kaisers Friedrich über diese mächtige Konkurrenz zuweilen
siegen. Aus B.s Erörterung der veränderten Beziehungen unseres Museums zum
Publikum und zur Presse, besonders aber zu den Künstlern und Kunsttheoretikem, auf
welch letztere beide ein Schlaglicht durch einen Vergleich mit England fällt, ist die
runde Abfertigung des romanisierten schweizerischen Kunstkritikers mit dem russischen
Pseudonym herauszuheben. Auch für die wichtigen Katalogarbeiten hat B. England
als mustergiltiges Vorbild anerkannt, das von Deutschland nur durch die technischen
Vorzüge der photographischen Beigaben übertroffen werde. In aller Bescheidenheit
rühmt sich B. der durch mühsame Reisen erschwerten Ankäufe und Entdeckungen,
besonders für die Abteilung italienischer Skulpturen, die sich jetzt mit den bedeu-
tendsten Sammlungen selbst Italiens messen kann. In B.s Ausführungen über den Plan
der Einrichtung des Museums verdient die Absicht, die er in einem Musterstück für
das zukünftige selbständige Renaissancemuseum schon im alten Hause jüngst versucht
hat, den Beifall und Dank aller derer, die für die Leiden der Museumskrankheit
empfänglich sind: B. will unter allen Kunstwerken nur wenige von den besten Bildern
wie Statuen jeder Schule und Epoche auswählen und sie in einem Räume aufstellen,
der in jeder Hinsicht, in Architektur, Möbeln, Teppichen usw. den Stil der besonderen
Zeit und Schule repräsentieren soll; z. B. die Werke des 18. Jh. in einer Roccoco-
gallerie, Rubens und Van Dyk in einem Barockzimmer, Botticelli und Donatello in
einem Florentiner Saal usw. Es sind die Ideen des Kaisers und der Kaiserin Friedrich,
die auch Kaiser Wilhelm II. für das hoffentlich bald erstehende Renaissance-Museum
annahm. Den Aufsatz beschliesst ein stattlicher namentlicher Ueberblick der Schätze
des Museums, das wie in der Malerei so in der Skulptur seine Stärke im 15. Jh. hat.
— Auch einige Einzelheiten seien hier angeführt. Eine von dem Leipziger Antiquar
Hiersemann ausgebotene Bilderhandschrift "), die ein Nürnberger Künstler um 1565 ge-
zeichnet \uid gemalt und die Siegmund Heldt mit erläuterndem Text ausgestattet hat,
bietet anscheinend eine Fülle des Materials für die Nürnberger Kulturgeschichte im
speciellen, für die Geschichte des Kostüms und der Trachten, der ritterlichen Spiele,
der Volksbelustigungen und des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland während des
16. Jh. im allgemeinen; litterarhistorisch interessant scheinen besonders Bl. 97 — 107 zu
sein, wo Nürnberger Fastnachtspiele abgebildet sein sollen. — Für seine Biographie
Sebald Schreyers, des Mäcens nürnbergischer Kunst und Litteratur, hält sich
Mummen hoff 18) doch gar zu ängstlich an die Darstellung B. Hartmanns (Celtis in
Nürnberg, 1889, S. 21 ff.); ergänzt und berichtigt werden nur einige Nebendinge. '9) —
Die Bedeutung einer der Kultur dieses Zeitalters, insbesondere der Renaissance
scheinbar recht »fern stehende Wissenschaft, der Mathematik, für die kulturelle und
künstlerische Entwicklung erörtert Rudio20) mit fachmännischer Kenntnis in einem
pojiulären Vortrag. Er zeigt, wie durch die zu Beginn des Zeitraumes aufkommende
Buchdruckerkunst die durch die Araber vermittelte indische Positionsarithmetik, deren
Wert in der Benutzung einfacher Zahlzeichen und der Darstellung beliebiger Zahlen
durch Nebeneinandersetzen der zehn Zeichen besteht, und die auf Grund des ptole-
mäischen Systems erwachsene Astronomie, nachdem beide Wissenschaften schon seit
Anfang des 13. Jh. im Besitz des Abendlandes gewesen waren, nun erst einen mäch-
tigen Aufschwung nahmen. R. weist femer darauf hin, wie die grossen Meister der
Kunstmanier", genannt „deutsche Benaissance«. Prankfurt a. M., Foesser. 36 S. M. 0,60. — |6) W. Bode, The Berlin
Renaissance Museum: FortnightlyReT. 50, S. 506— 15. - 17) E. Nürnberger Bilderh». d. 16. Jh.: FrSnkKur. N. 517. -
18) Mummenhoff, Seb. Schreyer: ADB. 82, S. 492/4. - 19) X 6. Wolfram, Nene Untersuchungen Ober d. Alter d. Eeiter-
statuette Karls d. Grossen: JbQesLothrG. 3, S. 321-44. (S. 340 f. Über DOrersche Omatstudien z. Bilde Karls d. Gr. nach e
ihm als echt geltenden Nürnberger Schaustück.) - 20) P. Eudio, Ueber d. Anteil d. mathematischen Wissenschaften an d.
111:21-22.112:1-3. Szamatölski und Herrmann, Allgemeines d. 15./16. Jahrh. 152
Renaissance, Lionardo, Rafael, Dürer, die Verwandtschaft ihrer Kunst mit der matlie-
matischen Erkenntnis fühlten, wie zumal Lionardo ein genialer Mathematiker und Phy-
siker war und wie nur aus dem Zusammenwirken mathematischer und künstlerisclier Fak-
toren die Ausbildung der Lehre von der Perspektive durch Lionardo und Dürer sich
erklären lässt. Im selben Jahr, in dem Dürers Werk über die Messung mit Zirkel und
Richtscheit erschien, wurde auch von Melanchthon am Nürnberger Gymnasium die erste
Lehrstelle für Mathematik gestiftet. Auch die Wirksamkeit des in Nürnberg schaf-
fenden Eegiomontan und seine „Ephemeriden", eine Art Himmelschronik, werden hi
ihrer Bedeutung für die Entdeckungen der Diaz, Vasco de Gama und Columbus be-
trachtet und so diese Thaten als Früchte einer zielbewussten Gedankenarbeit erwiesen,
die ihren Ursprung in den exakten Wissenschaften der Renaissance hatte. Nachdem R.
auch der Astrologie und ihrer Bekämpfung durch die Renaissance gedacht hat, schliesst
er mit einem Hinweis auf das heliocentrische System des Kopernicus, womit das Zeit-
alter der Renaissance endet und eine neue Weltauffassung sich eröffnet. 21-22) —
11,2
Lyrik.
Georg Ellinger.
Geistliche Lyrik: Gesaintcliarakteristik N. 1. — Lokale Gesiclitspunkto N. 3. — Neue Mitteilungen N. 6. —
Biographien: Katholiken N. 7; Protestanten N. 9; Soktirer N. 16. — Verfasserfragen N. 19. — Meistergesang N. 22. —
VolkBgesang N. 26. — Musik N. 39. —
Von zusammenfassenden Arbeiten über die Geschichte der geistlichen Lyrik
und zumal des Kirchenliedes ^) ist in dem Berichtsjahre nur eine namhaft zu machen,
die kurze Gesamtcharakteristik, welche Bäumker 2) der Entwicklung des katholischen
und protestantischen Kirchenliedes widmet. Die beiden Teile seiner Arbeit sind nicht
ganz von gleichem Werte; die Skizze über das katholische Kirchenlied giebt einen gut
orientierenden Ueberblick, wenngleich es der Vf. etwas zu überschätzen scheint und
Kirchenlied und geistliches Lied nicht immer sorgfältig genug auseinanderhält. Seine
Darstellung der Geschichte des protestantischen Kirchenliedes dagegen beruht nicht in
demselben Masse auf umfassender Herrschaft über das gesamte Material; deshalb
begnügt sich B. auch, die Thatsachen in der herkömmlichen Reihenfolge und Beleuchtung
zu geben, und so kommt es, dass man über wichtige Punkte, z. B. über die Anregungen,
die am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jh. auch dem Kirchenliede der Orthodoxie
aus dem Pietismus zuflössen, gar keine oder doch unzureichende Auskunft erhält. —
Von Arbeiten, die das Kirchenlied untel* lokalen Gesichtspunkten behandeln,
ist zunächst eine wertvolle Darstellung Wolkans •'^) zu nennen. Der Vf. betrachtet
nacheinander die Gesangbücher der böhmischen Brüder, zunächst die von Michael
Weisse 1531 herausgegebene Sammlung. Die hier vereinigten 157 Lieder unterzieht
W. einer eingehenden Untersuchung, er weist nach, wie Weisse sich in ihnen teils an
ältere lateinische Hymnen, teils an Luthers Lieder und gelegentlich auch an andere
protestantische Dichter, Adam Reusner, anlehnt; er versteht die poetiscli^ Individualität
Weisses in ihren Vorzügen und Mängeln fein zu charakterisieren. Eine neue Ausgabe
(Ulm 1538) ist, wie W. im Gegensatze zu Wackernagel darlegt, um ein Lied vermehrt
worden. Einsclmeidende Aenderungen erlitt Weisses Werk durch die Umarbeitung, die
1544 Joh. Hörn vornahm. Die Veranlassung zu dieser Umgestaltung gab die veränderte
Stellung der Brüder zu Lutlier, dessen Abendmahlsbegriff sie sich angenähert hatten. Die
Folge davon war, dass alle Stellen, in denen Weisse seine im wesentlichen mit Zwingiis
Auffassung sich deckende Anschauung vom Abendmahl zum Ausdruck gebracht hatte,
entweder nach der Lutherschen Lehre umgebildet oder überhaupt weggelassen wurden.
KnltuT d. Renaissance. Bathausvortrag. (Bef. v. E.): NZOrchZg. t. 26. März. — 21) X Domanorszski, Gesch. d. Philosophie
d. Benaissanse. Budapest (Franklingesellschaft) 1891. 489 S. Fl. 4,00. (In ungarischer Sprache): ThLBL. 12, S. 276. —
22) XX (I 5 : 22.) -
I) X G. Backhaus, Etwas t. kath. Kirchenliede: KZEU. 40, S. 333—40. (Populärer Auszug ans N. 2 mit prakt.
Absichten.) — 2) W. Bttumker, Kirchenlied: Wetzer u. Weite, Kirchenlexikon 7, S. 600-23. — 3) B. Wolkan, D. Kirchen-
153 G. Ellinger, Lyrik des 15./1G. Jahrhundert«. II 2: 4-».
Auch zwei vollständige Lieder sind aus dieBem Grunde auHgeschieden worden, während
in der Auslassung zweier anderer eine bestimmte dogmatische Absicht nicht zu erkennen
ist. Neu uufgonommen sind im ganz(Mi :i2 Lieder, als deren Vf. bis jetzt Job. Hörn
angesehen wunhi. W. versucht nun den Nachweis, dass aucli diese Täeder von Weisse
herrühren, an dessen ganze Art sie allerdings in Inhalt und Form gemahnen; die für
diese Hypothese beigebrachten Belege können indessen nicht als ganz einleuchtend und
zwingend bezeichnet werden. Auf Horns Sammlung folgt im Jahre 1500 das Kirchen-
gesangbuch der böhmischen Brüder, die „Kirchengesänge"; es ent-hült überhaupt
450 Lieder, von denen 108 im Anhang abgedruckt sind. Diese stammen meist von
protestantischen Liederdichtern Deutschlands, u. a. von Erasmus Albeiois, Ambr. und
Thom. Bleurer, Justus Jonas, Schneesing, Hans Sachs, Spengler, Speratus, Burkard
Wuldis und Zwick. Li dem Hauptteil des Buches, der 348 Lieder umlasst, finden wir
142 Lieder aus dem Gesangbuch Weisses (15 sind also nicht aufgenommen) und 26 aus
der Hornschen Ausgabe von 1544, aus der nur zwei fehlen. 18Ö Lic(?er, über deren
poetischen Gesamtwert W. kein günstiges Urteil abgiebt, sind neu Idnzugekommen.
Von den Dichtern dieser Lieder werden die bedeutenderen, Joh. Geletzky, Michael
Tham und der ihnen freilich keineswegs gleichzustellende Petrus Herbert sorgfältig und
treffend, die weniger hervorragenden Mitarbeiter (Joh. Girck, Paulus Klantendorifer,
Joh. Korytanski, Centurio Sirutschko, Valentin Schultz, Martin Cornelius, Lucas Libanus
und Georg Vetter) kurz charakterisiert. Mit einer für die Gescliichte des böhmischen
Kirchenliedes ganz besonders wichtigen Untersuchung schliesst V/. den darstellenden
Teil seines Buches ab. Bis jetzt herrschte, namentlich auf Grund einer Notiz in dem
Gesangbuch der böhmischen Brüder von 1039, allgemein die Ansicht, dass die meisten
Lieder Weisses aus dem Czechischen übersetzt seien; W. weist nach, dass Weisse nur
in 16 Stücken czechische Lieder und auch diese sehr frei nachgedichtet hat; in den neuen
Nummern des Hornschen Gesangbuches lehnen sich vier sehr eng an czechische Lieder
an, während fünf andere nur im allgemeinen czechischen Vorlagen folgen. Grösser
ist die Zahl der entlehnten Lieder in den „Kirchengesängen" von 1566; es sind 77
unter 348, von denen auf Herbert 30, auf Geletzky 9,. auf Girck 3, auf Cornelius, Vett«r
und Sirutschko je 2, auf Klantendorffer und Kortyanski je 1 kommen, während für
21 Umdichtungttii die VfF. unbekannt sind. Das Gesamtergebnis ist, dass die weitaus
überwiegende Mehrzahl der Lieder der böhmischen Brüder unzweifelhaft echte deutsche
Kirchenlieder sind. Der Darstellung lässt W. endlich noch ein vortrefflich gearbeitetes
Verzeichnis folgen, aus dem hervorgeht, dass im Laufe des 16. Jh. die Lieder der
böhmischen Brüder in die meisten protestantischen Gesangbücher Deutschlands ein-
drangen. Zu W.s Ausführungen steuert G. Kawerau einige nützliche Bemerkungen
bei; er bestreitet Einzelheiten, berichtigt einen kleinen Iri'tum und giebt wertvolle An-
rogimgen, deren Ausführung sicherlich eine fördernde Arbeit liefern würde: er wirft die
Frage auf, wie es zu erklären sei, dass diese Lieder besonders zalil reich in Nieder-
deutschland eingedrungen sind. Die Vermutung liegt nahe, dass es in Niederdeutsch-
land noch an Ausgange des 10. Jh. hussitische bezw. täuferische Traditionen gab, denen
durch die Uebernahme dieser Lieder Rechnung getragen wurde. Für die Sektengeschichte
wäre eine Untersuchung der Frage gewiss von Bedeutung; aber auch dieLitteraturgeschichte
würde dabei nicht leer ausgelien, denn über die eigentümlichen Wanderungen litterari-
schen Gutes könnte dadurch neues Licht verbreitet werden. — Eine zweite frühere Dar-
stellung des Kirchenliedes einer bestimmten Landschaft, Odingas „Kirchenlied in der
Schweiz" erscheint in einer Besprechung K. Meyers *) nicht in allzu günstigem Lichte;
M. hebt hervor, dass Odinga über seine Vorgänger im wesentlichen nicht hinausge-
gekommen sei, auch die meisten Irrtümer von ihnen mit übernommen habe. Anerkannt
werden gelegentliche kleine Hinweise und Charakterisierungsversuche sowie der Anhang
von fünfzehn bisher unbekannten Liedern. — 0. Ackermann 5) erwähnt zwei in der
Pfarrmatrikel der Stadt- und Frauenkirche zu Meissen vorhandene Verzeichnisse der
Gesangbücher, die der Rat von Meissen für Kirche und Schide verordnet hatte. Mit
einem darin genannten Buche ist wahrscheinlich ein jetzt in Dresden befindliches, ge-
schriebenes und mit Noten versehenes „Antiphonale" (1546) identisch, das eine Reihe
lateinischer Hymnen und deutscher Lieder, darunter nur neun von Lutlier enthält.
Eine Bereicherung unserer Kenntnis erhalten wir jedoch allein durch das Lied: „Gott
dem Vater sey Lob und dem Sohn", das in starken Farben Christi Leiden ausmalt und
zum Schluss an mehreren alttestamentlichen Beispielen darthut, dass Christus al'e
diese Leiden aus Liebe zur Menschheit auf sich genommen habe; der Vf. des zwanzig-
strophigen liiedes war M. Alexius Prätorius (f 39 Jahre alt am 14. Okt 1563 als
Superintendent in Meissen). Das Fehlen vieler Lieder, z. B. „Ein feste Burg", von
lied d. böhm. BrUder im 16. Jb. Prag, Haase. 178 S. M. 3,00. \[G. Kawerau: ThLBL 12, S. 469—71.]! — 4) K. Meyet,
Odinga, l). deutsche Kirchenlied in d. Schweis: ADA. 17, S. 309—11. —5) 0. Ackermann, Z. Gesch. d. ev. Kirchengesangea
II 2: 6-10. G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts. 154
dem sich jedoch in dem Antiphonale die bekannte Zusatzstrophe findet, erklärt A.
daraus, dass der Sammler bei den zahlreichen in Meissen verbreiteten Gesangbüchern
bekanntere Lieder nicht aufgenommen habe. —
Von ungleichem Werte sind die neuen Mitteilungen, die Englert^) aus dem
Material der Zweibrückener Gymnasialbibliothek macht. Die grösste Bedeutung darf
der erste Teil beanspruchen, in dem ein hs. Gebet- und Liederbuch, „Bethgesang-
büchle", unter Abdruck wichtiger Teile beschrieben wird. Die Papierhs. stammt aus
der zweiten Hälfte des 16. Jh. und enthält neben Gebeten, Stellen aus der Bibel und
den Kirchenvätern ungefähr sechzig Lieder, meist in vierzeiligen Strophen abgefasst
und paarweise gereimt. Doch ist der Reim mit grosser Freiheit behandelt, zuweilen
fehlt er ganz. Die mitgeteilten Stücke, die wie die übrigen Lieder offenbar von dem
Sammler verfasst worden sind, legen von der Begabung des Dichters kein ungünstiges
Zeugnis ab. Der Ausdruck zeichnet sich durch eine gewisse Schlichtheit vorteilhaft
aus; in Aufzählungen, in zwei Naturbildern und in naiven Einkleidungen, so namentlich
in dem Liede, worin die Seele von dem Leibe Abschied nimmt, tritt eine unver-
kennbare volkstümliche Kraft zu Tage. Die übrigen Teile der Arbeit kommen diesem
ersten an Wert nicht gleich ; der zweite Abschnitt bringt Nachrichten über ein ge-
schriebenes Gebetbuch aus den zwanziger Jahren des 17. Jh., das ausser einer Reihe
von gereimten Gebeten und Sprüchen zahlreiche fast durchweg bekannte und sehr flüchtig
abgeschriebene Lieder enthält. Den beigegebenen Varianten kommt für die Besserung
der Texte nirgends Wert zu; unter den bisher unbekannten Liedern ist das von einer
Dichterin verfasste „Ach Gott vom Himmelreich" um seines volkstümlichen Schlusses
und ein recht ungelenkes Lied auf den Tod Herzog Ludwigs von Württemberg um seines
Stoffes willen bemerkenswert. Auch die Angaben über das von Wackernagel nicht be-
nutzte Coburger Gesangbüchlein von 1621 tragen nicht sonderlich zur Vermehrung
unserer Kenntnis des Kirchenliedes bei, da die abgedruckten Lieder bis auf zwei akro-
stichische, Fürstinnen gewidmete Stücke in gleicher oder ähnlicher Fassung bereits bekannt
sind. Von den kleineren Beiträgen, die die Schrift giebt, sei noch der Hinweis auf die
Wackernagel entgangene erste Ausgabe der „Chronica der alten römischen
Kaiser" von Adolarius Roth (1582) und die Mitteilung eines akrostichischen Kirchen-
liedes von W. Böhme (f wahrscheinlich 1621 oder 1622) hingewiesen; auch die Ver-
'mutungen über den Vf. des Liedes: „Ich hoff allein zu Gott", seien den Hymnologen
zur Beachtung empfohlen. —
Eine Reihe kurzer biographischer Darstellungen hat die Allgemeine Deutsche
Biographie verschiedenen Liederdichtern gewidmet. lieber diese Arbeiten lässt sich im
allgemeinen sagen, dass in ihnen das Biographische nach den gangbaren Quellen und
Hilfsmitteln zwar richtig angeführt wird, dass aber fast nirgends der Versuch gemacht
worden ist, die poetische Thätigkeit der behandelten Dichter zu charakterisieren. So
behandelt Bäumker'') den katholischen Liederdichter Christoph Schweher (Cliristo-
phorus Hecyrus). Er stellt die dürftigen Notizen zusammen, die über sein Leben sich
gewinnen lassen; danach kann man ungefähr berechnen, dass er zwischen 1520 und 30
geboren ist; 1581 lebte er als Pfarrer zu Caden in Böhmen; 1594 erschien noch eine
lateinische Schrift von ihm. Ueber sein Werk bringt B. nur bibliographische Angaben,
trotzdem gerade dieser Dichter, der mit einer selbst für das sechzehnte Jh. auffallenden
Ungelenkigkeit in der Form seine Lieder zurechtzimmerte, zu stilistischen Beobachtungen
reichlich Veranlassung bietet; der Hauptzug seines Charakters scheint eine schlechte
und rechte Frömmigkeit gewesen zu sein. Von seinen Liedern wird man sich am
meisten durch das „Klagelied eines büssenden Sünders" angesprochen fühlen, in dem
auch eine gewisse Individualität sich geltend macht. — Eine kurze Notiz über einen
älteren geistlichen Dichter giebt P. Beck 8); sie betrifft den 1483 zum Abt des Prämon-
stratenserstiftes Weissenau gewählten Plebanus Gässler und erwähnt dessen aus Ravens-
burg stammende FamUie. —
Von protestantischen Kirchenliederdichtern hat A. Schumann ^) Joh.
Schneesing behandelt, der, am Ende des 15. Jh. geboren, 1567 als Pfarrer zu Friemar
in Thüringen starb. Der Vf. bejaht ganz mit Recht die Frage, ob Schneesing der
Dichter des schönen Liedes „Allein zu Dir Herr Jesu Christi" ist. — Bertheau^o)
widmet dem wenig bekannten Schütz eine Notiz und erwähnt das einzige Lied, durch
das er uns bekannt ist, das in einem Augsburger Einzeldruck von 1524 vorliegende
Stück: „Christenheit hat den höchsten Preis". Für die Persönlichkeit des Vf. lässt sich
indessen aus diesem Liede doch mehr folgern, als B. thut. Er war ein Süddeutscher
und wahrscheinlich in einer grossen Stadt, vielleicht in Augsburg selbst, zu Hause. Er
in Meissen: JIVGMeisson 2, S. 207—316. — 6) A. Englert, Beitrr. z. Litt. d. goistl. Liedes. Progr. d. k. Kreisrealschule.
München, KrSmer. 46 S. - 7) W. Bäumker, Christoph Schweher: ADB. 33, S. 329. - 8) P, Beck, E. alt. geistl.
Liederdichter: DiöcesanASohwabenS, S. 64. — 9) A. Schumann, Joh. Schneesing: ADB. 33, S. 99—101. — 10; Bertheau,
155 0. Ellinger, Lyrik des 15./1^>. Jahrhunderts. If 2: u-io.
nimmt entschieden Stellung gogen den Papst; sein 25strophiges Gedicht bekämpft in
kräftiger und volkstümlicher Sprache die Missbräuche der katholischen Kirche mid weist auf
JeFus als das alleinige Heil hin. — Ein Artikel über Johann Schönbrunn"] (gest. Nov. 1566
als Diakonus in (Chemnitz) giebt nur biographische Notizen, ohne aul die durch ihren
kräftigen Ton sich auszeichnenden Lieder, die sich auch in künstlichen Strophenformen
nicht ohne Gewandtheit bewegen iind in ihren Stoffen eine gewisse Mannigfaltigkeit ver-
raten, näher einzugehen. — Petrus Schumann, auch Schuhmann (Hypodemander) hat in
Bertheaui2) einen Biographen gefunden, der die Lebensdaten, so weit es möglich ist,
feststellt; er ist in einem der vielen Eisenberg geboren (vielleicht Hesse sich durch die
Sprache des Dichters über seine Heimat etwas Näheres ermitteln) ; wahrscheinlich 1555
in Wittenberg immatrikuliert, 15G2 Präceptor in "Ulm, das er wegen eines Streites mit
Martinus Balticus verlässt, 1565 Pfarrer zu Küchen, 1576 Hospitalpfarrer in Ulm;
hier stirbt er 1589. Seine Lieder, meist Überarbeitungen von Psalmen, werden kurz
erwähnt. — Herverzuheben ist der biographische Teil der von A. Schumann 13) verfassten
Darstellung des Lebenslaufes von Cyriacus Schneegass (geb. 5. Okt. 1546, gest. 23. Okt.
1597); die Lebensgeschichte des wackeren Mannes, der als Pfarrer in Friedrichsroda
eine segensreiche Thätigkeit entfaltete, wird anmutend erzählt, die von ihm heraus-
gegebenen Schriften, zum Teil musikwissenschaftlichen Lihaltes, wie er denn auch als
Komponist thätig war, werden genannt, auch die vier Sammlungen seiner geistlichen
(zwei 1595, zwei 1597) nach ihren Bestandteilen beschrieben. Die Lieder Schneegass' nehmen
in Inhalt, Ton und Form eine durchaus bedeutende Stellung innerhalb der geistlichen
Poesie des 16. Jh. ein. Formell sind sie sorgfältig und sauber gearbeitet; im Ton zeigt sich
eine überaus wohlthuende herzliche Einfalt und rührende Kindlichkeit, Eigenschaften,
die namentlich in seinen Weihnachts- und Dankliedern, aber auch in anderen Gedichten her-
vortreten. Den Einfluss des Volksliedes glaubt man in dem lebhaften Eingange des
Liedes „Ein Dancklied für des Herrn Christi Wohlthat" zu spüren. Sehr viele Lieder sind
Psalmen nachgedichtet, andere knüpfen an die Feste an. Doch auch Zeitfragen kommen
zu Wort: die Ttirkengefahr giebt mehrfach zu Liedern Veranlassung, und wie öfter im
16. Jh. begegnet uns die eindringliche Mahnung an die Obrigkeit, gerecht zu richten.
Auch die Hymnendichtung, Prudentius, und die gleichzeitige neulateinische Dichtung
liefern Schneegass für seine Dichtung Stoff. — Vincentius Schmuck (geb. 17. Okt. 1565 in
Schmalkalden ; gest. als Professor der Theologie und Superintendent in Leipzig 2. Febr. 1628;
seine Lieder erheben sich selten über trockene Reimereien) ist von Froelich l*), Georg
Christoph Schwämlein (1632 — 1705) von Brummer ^S) kurz behandelt worden. —
Von den täuferischen und sektirerischen Liederdichtern hat Hans Schweintzer
(Schweinitzer, Schwintzer) Behandlung durch F. Otto i^) gefunden. Er ist wahr-
scheinlich zu Schweidnitz in Schlesien geboren, Anhänger Schwenkfelds, nachher Drucker
in Strassburg, und lebte noch 1556. Neben einigen andern Schriften und Uebersetzungen
hat er vier Lieder verfasst; drei, in dem Strassburger Gesangbuch von 1537 erhalten,
sind nicht ohne Formgewandtheit und zeugen von einer schlichten religiösen Empfin-
dungsweise; die mystischen Neigungen des Vf. zeigen sich in einen gewissen innigen
Tone, wie er sonst im 16. Jh. nicht häufig ist. Grössere Ansprüche stellt das in der
Sudermannschen Liederhs. von 1596 erhaltene Lied „0 Jhesu Christ, mein Gott und
Herr"; es ist länger als die übrigen und weist auch durch die Herbeiziehung bib-
lischen und kirchengeschichtlichen Materiales einen anderen Charakter auf, wenngleich
an der Autorschaft Schweintzers nicht zu zweifeln ist. — Eisenhart i'') giebt eine
kurze Notiz über Valentin Schulz, geb. in Posen, wie man aus dem ersten Druck der
Lieder erschliessen kann, etwa um 1549, gest. 1574 als Studiosus in Eibenschütz; aus
dem Ausdruck „exstinctus" braucht man aber durchaus nicht mit dem Verfasser zu
schliessen, dass Schulz den Märtyrertod erlitten hat; ,, exstinctus" bedeutet nur „ge-
storben". Schulzens Lieder erheben sich weder im Inhalt noch im Ausdruck über das
Mittelmass. — lieber Jörg Blaurock vom Hause Jacob, den Vf. des kraftvollen Liedes
„Herr Gott, dich wil ich loben", liefert Jecklin^^) sehr anziehende Mitteilungen; er
schildert auf Grund urkundlichen Materiales eingehend das Auftreten Jörg Blaurocks
als Täufer in Zürich, seinen Konflikt mit Zwingli, seine mehrfache Gefangenschaft und
endliche Vertreibung sowie seine Verurteilung und Hinrichtung in Tirol (1529). —
Mit einer der interessantesten Verfasserfragen der protestantischen Hymno-
logie beschäftigt sich ein Aufsatz von Biltz^^), der die Gründe fiir die sehr häufig
vorkommende Thatsache darlegt, dass Fürsten als Verfasser von Kirchenliedern genannt
werden, die thatsächlich von ihnen nicht gedichtet sein können. Als Beispiele führt er
Schutz: ib. S. 115. — II) R., SchCnbrunn: ib. 32, S. 283. — B) Bertheau, Petrus Schumann: ib. 33, S. 43/4. — 13)
A. Schumann, Cyr. Schneegass: ib. 82, S. 92/6. — |4) H. Froelich, Vincentius Schmuck: ib. S. 62/3. — 15) F. BrOmmor,
Georg Christoph Schwämlein: ib. 33, S. 176. - 16) F. Otto, Schweintzer: ib. S. 264/5. — 17) Eisenhart, V.Schulz: ib. 32,
S. 751/2. — 18) F. Jecklin, Jörg Blaurock v. Hause Jacob. E. Märtyrer d. Wiedertäufer. Kirchengesch. Skizze: JBHGQran-
bttnden 21, S. 1—20. - 19) K. Biltz, Üeber d. fUrstl. Vflf. t. Kirchenliedern. =; Neue Beitrr. usw. (s. o. I 3:130.) S. 39-63.
II 2: 20-28. G. Ellin g er, Ljnrik des 15./ 16. Jahrhunderts. 156
hauptsächlich den Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, die Gemahlin des
grossen Kurfürsten, Luise Henriette, und die Königin Maria von Ungarn an; dass die
unter dem Namen dieser fürstlichen Personen gehenden Lieder von ihnen unmittelbar
nicht herrühren können, wird durch eine Eeihe von Beweisen dargethan. J^eues Material
bringt B. im wesentlichen nicht bei, sondern er wiederholt die bekaiiaten und
längst allgemein angenommenen Argumente gegen die Autorschaft der fürstlichen Per-
sonen. Dagegen zeigt er sehr richtig darauf hin, auf welche Weise die Uebertragung
derartiger Lieder auf jene Namen zu stände gekommen ist. Zweifellos sind bestimmte
Lieblingslieder einzelner Pursten und Fürstinnen nicht selten als deren „eigene" Lieder
bezeichnet und mit dem Zusätze des Namens versehen worden; der eigentliche Sinn
war wohl der, dass gerade dieses Lied die Glaubenssätze der Fürstin oder des Fürsten
am entsprechendsten wiedergäbe. Einige recht charakteristische Beispiele aus dem grossen
Lüneburger Gesangbuch von 1625 führt B. an. —Anders, wenn auch ähnlich liegen die
Verhältnisse bei den unter dem Namen der Königin Maria von Ungarn gehenden Liedern,
für die Bolte^O) unter Beibringung neuen Materials eine ähnliche Erklärung ihrer
Entstehung giebt. B. fügt zu den bekannten unter dem Namen Marias verbreiteten
Liedern „Mag ich Unglück nit widerstan" und „Ach Gott, was soll ich singen" noch
ein drittes hinzu. Dass an eine Autorschaft der Königin selbst nicht zu denken ist,
zeigt B. daran, dass Marias Kenntnis des Deutschen wohl sehr gering war, da ihre
Briefe nur französisch abgefasst sind und auch unter den nachweislich von ihr ge-
lesenen Büchern sich keine deutschen befinden. Wie Biltz nimmt B. an , dass nach der
Schlacht bei Mohacz, als sich in Deutschland die allgemeine Teilnahme für Maria regte,
ein mitfühlender Zeitgenosse aus dem Geiste der Königin heraus das Trauerlied um
ihren Gatten und ein anderer das Trostlied für sie dichtete. Das von B. neu mitge-
teilte Gedicht stammt aus einem musikalischen Quartheft der Kgl. Bibliothek zu Brüssel,
das früher im Besitze der Königin war; es ist ein Liebeslied ohne sonderliche indivi-
duelle Färbung, das die Strophenform des Liedes: .,Mag ich Unglück nicht widerstan"
mit kleinen Aenderungen kopiert und ebenso wie dieses arkrostichisch den Namen Maria
wiedergiebt. — Ueber Nik. Hermans in vieler Hinsicht bemerkenswertes Lied:
„Wenn mein Stündlein vorhanden ist" giebt Biltz 21) neue Aufschlüsse. Erführt
einen älteren Druck an, dessen beide ersten Strophen sich im wesentlichen mit den
gleichen Strophen in Hermans Lied decken, wenn auch starke Abweichungen vorhanden
sind; die letzte Strophe hat mit den beiden letzten in Hermans Lied nichts gemein,
sondern stellt sich als eine Form der sog. Doxologie dar. Man wird B. zustimmen
können, wenn er den Druck etwa zwischen 1625 und 1635 setzt, obgleich die ange-
führten Gründe nicht durchweg stichhaltig sind. Chronologisch wäre es nun nicht aus-
geschlossen, dass auch diese frühere Fassung des Liedes von Herman selbst herrührte,
indessen nimmt B. wohl mit Recht au, dass das ältere Lied von einem unbekannten
Dichter verfasst, von Herman bloss umgearbeitet und hierauf in seiner „Historien von
der Sindfludt" (1562) in der neuen Form mitgeteilt worden ist. —
Dem Meistergesang hat Weddigen 22) eine gut gemeinte, aber gänzlich wert-
lose Abhandlung gewidmet, ein grosser Teil der wichtigsten Quellen ist nicht benutzt,
ein anderer vielfach missverstanden worden. — Einzelne Meistersänger hatRoethe23-25) k^irz
behandelt. Onophrius Schwarzenbach, Meistersängerin Augsburg, ein Lehrer Buschmanns,
dichtete in den fünfziger und sechziger Jahren des 16. Jh. ; seine Texte, die meist geist-
liche Stoffe behandeln, sind fast immer wertlos, dagegen gewinnt er musikalisch
eine gewisse Bedeutung wegen seiner zahlreichen Töne, die von R. aufgezählt werden.
Balthasar (Balzer) Schreyer aus Elbing dichtete 1596 mehrere geistliche und weltliche
Meisterlieder; von Jonas Schreiber ist nur ein 1603 verfasstes Morgenlied bekannt. —
Eine umfänglichere Darstellung hat Roethe^ß) Martin Schrot zu teil werden
lassen, der eine Art Mittelglied zwischen Meister- und Volksgesang bildet. Er war
wahrscheinlich Goldschmied in Augsburg und starb kurz vor 1576. Seine Meister-
gesänge, namentlich aber seine Volkslieder, mit denen Schrot in und nach dem schmal-
kaldischen Kriege für den Protestantismus und gegen Karl V. Stellung nimmt, werden
vortrefflich charakterisiert, kürzer die prosaischen Werke, die meist die gleiche Tendenz
wie die poetischen vertreten. Der Annahme, dass die Türkenschrift, die unter Schrots
Namen lange nach dessen Tode erschien (1595): „Kurze Beschreibung, wie mächtig, weit
und breit sich das H. röm. Reich erstreckt hat", uns nur in U eberarbeitung vorliegt,
ist durchaus zuzustimmen. — Unsere Kenntnis des Volksgesanges hat durch A. Hart-
m'anns 27-28) Ausgabe der Lieder Hans Hessellohers eine dankenswerte Bereicherung er-
fahren. . ^Zwar von den Liedern selbst waren die drei ersten schon durch Boltes
— 20) J. Bolte, Eanigin Maria v. Ungarn u. d. ihr zugeeigneten Lieder: ZDA. 35, S. 435/9. - 21) K. Biltz, Z. Gesch. des
Liedes „Wenn mein StUndlein vorhanden ist." Nouo Beitrr. (s. o.N. 19. S. 64-71.) — 22) 0. Weddigen, Z. Gesch. d. dtsch. Meister-
gesanges. Progr. Leipzig, Fock. 1890. 4". 18 S. — 23) G. Roetho, Schwarzenbach: ADB. 33, S. 259. — 24) id., Balth.
Schreyer: ib. 32, S. 492. — 25) id., Jonas Schreiber: ib. S. 476. — 26) id., Martin Schrot: ib. S. 666/8. - 27-28) A. Hart-
If)? G. Ein n gor, Lyrik des 15./in. Jahrhunderts. II 2: »-si.
„Bauer im deutschen Liede", das letztere, auch sonst mehrfach bekannt, allein H. be-
gleitet seinen Abdruck der Stücke mit einer Reihe von recht wertvollen Mitteilungen.
Zunächst weist er Hesselloher als Pfleger zu Päl und Landrichter zu Weilheim nach
(Hessellüher scheint beide Aemter zugleich bekleidet zu haben, da die beiden Orte nur
eine kurze Strecke auseinander liegen; übrigens wird auch sein Bruder Andreas als
Pfleger zu Päl genannt) und bringt urkundliche Belege für sein Leben von 1460 — 83;
zwischen 1483 und 1486 muss Hesselloher gestorben sein. Die Frage, ob es sich bei
diesen Notizen etwa um zwei verschiedene Hans Hesselloher handele, da eine aus
dem IG. Jh. stammende Notiz 1470 als Todesjahr angiebt, ist gewiss zu verneinen;
elier kann man annehmen, dass der Chronist des 16. Jh. sich geirrt hat. Femer macht
der Herausgeber darauf aufmerksam, dass das von ihm unter Nr. 3 mitgeteilte Lied im
„Neithart Fuchs" wörtlich benutzt ist, bringt auch sonst noch manche neuen Belege
zur Quellenkunde des „Neithart Fuchs" bei und teilt schliesslich ein bereits früher ge-
drucktes Lied mit, das in Inhalt, Metrum und Sprache den Liedern Hessellohers auf-
fallend ähnelt, aber doch wohl nicht von Hesselloher selbst, sondern von einem Nach-
ahmer herrührt. Weiter setzt sich H. mit den Litterarhistorikem auseinander, die bis-
her über Hesselloher kürzer oder eingehender gehandelt haben und bringt auch hier
noch manchen nützlichen Nachweis. Eine Besprechung von Zwierzina hebt mehrere
Unterschiede zwischen Boltes und Hartmanns Text hervor, kntipft daran einige Besse-
rungsvorschläge und tadelt, dass die Ueberarbeitung des dritten Liedes im „Neit-
hart Fuchs" nicht zur Textbesserung benutzt und dass das vierte Lied nur nach der
Wiener Hs. mitgeteilt worden ist, da doch mit Hilfe der vorhandenen alten Drucke
des Liedes eine kiitische Ausgabe herzustellen wäre; er sucht das von Hartmann Ver-
säumte nachzuholen und macht einige recht beachtenswerte Vorschläge. In der von
H. angeführten Stelle aus Ulrich Füetrers Epilog zu „Abenteuer von Herrn Loher-
grim", in der ein Hesselloher erwähnt wird, hatte H. eine Konjektur Docens über-
nommen (,.der andre Hesselloher" für „vnnd Andre Hesenlocher"); die Richtigkeit dieser
Aenderung wird von Z. bezweifelt; ebenso bestreitet er die Echtheit der S. 63 von H.
ihitgeteilten Strophe: „Es taget von dem Holenstain", die sich allerdings durchaus als
ein modernes Machwerk herausstellt. — Auf die Zähigkeit, mit der sich Motive aus der
Bauerndichtung des 14. und 15. Jh. in den folgenden Jhh. erhalten haben, weist
Heinzel29) in einer Recension von Boltes „Bauer im deutschen Liede" (JBL. 1890
n 2 : 23 ; III 2 : 22) hin; auch bringt er manche bemerkenswerten Winke zur Besserung
der von Bolte gedruckten Texte. — Für das schweizerische Volkslied des 16. Jh. kommt
Odingas 3") Sammlung der Lieder des Berner Volksdichters Benedikt Gletting in Be-
tracht. 0. hat den 25 Liedern eine kurze Einleitung vorangeschickt. Der Vf. lebte
um die Mitte des 16. Jh., er war nicht in Bern zu Hause, sondern wahrscheinlich in
einem der katholischen Kantone, aus dem er wohl um seines evangelischen Glaubens
willen nach Bern auswanderte. Seine Lieder beschäftigen sich teils mit Schweizer
Verhältnissen oder Tagesereignissen, z. B. der Auffindung eines Salzbrunnens, teils
polemisieren sie gegen Unsitten der Zeit, wie den Aberglauben, teils ergehen sie sich
in schlichter Betrachtung. Vor allem aber zieht den Dichter der religiöse Stoff an, wie
denn die meisten seiner Gedichte in irgend einer Weise religiöse Färbung tragen. Glet-
ting führte, wie aus verschiedenen Stellen hervorgeht, das Leben eines wandernden
Spielmanns. Eine gewisse volkstümliche Kraft ist denn auch in seinen Liedern nicht
zu verkennen, sie äussert sich meist in derb originellen Bildern: so wenn er Gott mit
einem Maurer oder Tischler, die Engel mit Spielleuten vergleicht, die sich ein Fürst zu
seinem Vergnügen hält; auch in gelegentlichen schönen volkstümlichen Wendungen tritt
diese Kraft hervor. Dagegen leiden viele seiner Lieder unter einer gewissen Unklarheit;
sie verlaufen ohne jede Disposition, was wohl zum Teil aus dem Mangel an Bildung,
zum Teil aus dem schlechten Gedächtnis zu erklären sein wird, über das der Dichter
selbst klagt. Auch seine erzählenden Gedichte werden oft durch religiös-didaktische Aus-
führungen oder polemische Ergüsse gegen das Papsttum unterbrochen. — Von sonstigen
Beiträgen zur Geschichte des Volksliedes seien Boltes "'i) Mitteilungen über ein Amster-
damer Liederbuch hervorgehoben, die recht interessante Analogien zwaschen dem Zu-
stande der niederländischen und deutschen Volkspoesie ergeben. Die auf der Danziger
Stadtbibliothek befindliche Sammlung aus dem Jahre 1589 enthält 136 Lieder, von denen
indessen 14 mit einem ausgefallenen Bogen verloren gegangen sind; 33 Nummern sind
sind schon aus dem Antwerpener Liederbuch von 1544 bekannt. Die Sammlung trägt
denselben Charakter wie die gleichzeitigen deutschen Liederbücher. Neben älteren
Volksliedern steht eine Mehrzahl anderer Stücke, die dxirch künstlichen Strophenbau,
mann, Hans HesseUoliers Lieder. Erlangen, Junge. 1890. 70 S. M. 1,80. |[K. Zwierxina: ADA. 17, S. 213-20.]| — 29)
R. Heinzel, Bolte, d. Kauer im dtsch. Liedo: ADA. 17, S. 4-5. — 30) Th. Odinga, Benedikt Oletting. E. Bemer Volka-
dichter d. 16. Jh. Bern, Wyss. 115 ö. M. 1,80. — 31) J. Bolte, E. uubet Amsterdamer Liederbuch t. 1689: TNTLK. 10, S.
II 2: 32-44. 113:1-2. G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts. 158
Fremdwörter, zuweilen auch durch Melodienangabe kunstmässig geschulte, zum Teil
unter fremden Einfluss stehende Verfasser verraten. — Einzelbeiträge 32-34-) bringt
Puls 35)^ der nach einem Druck von 1520 eine niederdeutsche Fassung des Tannhäuser-
liedes, die älter ist als die beiden bisher bekannten, und eine weite niederdeutsche
Fassung des Liedes „Maria zart, von edler Art" veröffentlicht; beide sind unvoll-
ständig erhalten. — Edw. Schröder 36) bringt einen neuen Text des bänkelsängerischen
Liedes Jakobs von Ratingen auf das Breslauer Hostienmirakel von 1453. — Hänsel-
mann 37) teilt eine Reihe von unbekannten Stücken aus Hss. des 14. und 15. Jh. mit;
es sind teils geistliche Lieder, unter denen ein Sankt Annen-Preis historisch be-
so nders wichtig ist, teils kleinere weltliche Stücke ; nicht ohne Wert ist auch eine von
den bekannten Texten abweichende niederdeutsche Fassung des Liedes „Wo soll ich mich
hinkehren". — Üeber einzelne Liedgattungen 38) ist keine fördernde Arbeit zu verzeichnen. —
Die musikalische Seite des deutschen Volksgesanges findet jetzt melir und
mehr die gebührende Beachtung; in einer vortrefflichen Arbeit hat E. Radecke 3^) über
die Übertragungen deutscher, weltlicher Lieder des 16. Jh. für die Laute gehandelt und
namentlich die Bedeutung der dreistimmigen Bearbeitungen für die Weiterentwicklung
der Musik, den Uebergang vom kontrapunktischen zum harmonischen Stil dargelegt.
Für die Litteraturgeschichte liegt der Hauptwert der Arbeit in dem Nachweis, einer
wie grossen Beliebtheit sich die Melodien der Lieder erfreuten ; ein nutzbringendes Ver-
zeichnis, das die Lieder, die für die Laute bearbeitet worden sind, nach Fundort und
Komponisten aufzählt, schliesst die Arbeit ab. — Eine Reihe von Komponisten des
16. Jh. hat Eitner 40-45) kurz behandelt; es sind Jörg oder Georg Schönfelder, der
im Anfang des 16. Jh. lebte und einfache, aber zu Herzen gehende mehrstimmige Lieder
verfasst hat; Valentin, in manchen Drucken auch Veit oder N., Schnellinger, eiji eben-
falls in der ersten Hälfte des 16. Jh. lebender, seinen Lebensumständen nach unbe-
kannter Komponist, dessen Quodlibets manche verschollene Melodien aufbewahren und
von dem eine eigentümliche, an den Nachtwächterruf anknüpfende Komposition: „Das
ander Feuerrufen", herrührt; die beiden Schwartz (um 1550), über die wir von E. nicht
viel Näheres erfahren; L. Schröter, der, geboren in Torgau in der zweiten Hälfte des
16. Jh., an der altstädtischen Schule in Magdeburg angestellt, noch vor 1600 gestorben
ist und in Weihnachtsliedern, Motetten, Hymnen, einer Passion und einem
Tedeum eine ungewöhnliche Kraft entfaltete; schliesslich Melchior Schramm, geboren
in Münsterberg, seit 1574 im Dienste des Grafen Karl von Hohenzollern, 1595 in Offen-
burg, dessen bekannt gewordene Werke, zwei Motettensammlungen von 1576 und 1606,
eine Sammlung deutscher Lieder von 1579 und aus demselben Jahre, hs. in Wien, ein
„Officium nuptiale Octavio II. Fuggero", E. aufzählt, ohne indessen den Versuch zu
machen, der Individualität des Komponisten irgendwie näher zu treten. —
11,3
Epos.
Philipp Strauch.
Erzithlung: Hans Sclineeperger N. 1; Wittenweiler N. 2. — Ältere Volk .sbUe hör: Eulenspiogol N. 4. —
Tierepos: Beinke de Vos N. 7. — SchwankbUcher: V. Schumann, Kirchhof N. 17; Niederländisches Schwankbuch
N. 20. — Fischart N. 21. — Jüngere Volksbücher: SchildbUrger N. 24; Faust N. 31; Ewiger Jude N. 39. — Legende:
hl. Meinrad N. 40. — Prosaroman: Morgant der Riese N. 41. — Historische Litteratur: J. Oldecop N. 43; Hans
V. Schweiniehen N. 44. —
Erzählung. Dem Dichter Hans Schneeperger hat Roethe ^) einen kleinen
Artikel gewidmet. Unter diesem Namen ist uns aus dem 15. Jh. ein Gedicht über-
liefert (Keller, Erzählungen aus altd. Hss. S. 242 ff.), das einen auch sonst beliebten
Schwankstoff in reizloser Breite behandelt und mit didaktischem Pro- und Epilog ver-
' 175—202. — 32) X J- Bolte, Du bist min: ADA. 17, S. 343. (Nachträge zu B.s alterer Arbeit [JBL. 1890 II 2:38; III
2:21.]) - 33) OX Edw. Schröder, Mitt. über hess. Volkslieder d. 15. Jh.: MHanauerV. S. XXXII. — 34) O X X
J. J. Ammann, D. ursprtingl. Druck d. Jorig Pleyerschen Liedes auf d. Tod Kaiser Maximilians I.: ZOG. 42, S. 8G5— 81. —
35) A. Puls, Tannhauserlied u. Maria Tzart: JbVNiederdSpr. 16, S. 65/8. — 36) Edw. Schröder, Jacobs v. KatIngen Lied
auf d. Breslanor Hostienmirakol v. 1453: ib. S. 41/4. — 37) L. Ilänselmann, Braunschweiger Findlinge: ib. S. 69—80. —
38) X A. Biese, D. politische Lied in alter u. neuer Zeit: IlambCorr«. 1890, N. 17/9. (Populäre Übersicht.) — 39) E. Ka-
decke, D. dtsoh. weltl. Lied in d. Lautenmusik d. 16. Jh. Berliner Diss. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 52 S. — 40) K. Eitner,
Sohönfelder: ADB. 32, S. 303. — 41) id., Schnellinger: ib. S. 167/8. — 42) id., A. Schwartz: ib. 33, S. 205. — 43) id., A.
Schwartz: ib. S. 204/5. — 44) id., L. Schröter: ib. 32, S. 572. — 45) id., Melchior Schramm: ib. S. 446. —
I) G. Koethe, Hans Schneeperger: ADB. 32, S. 99. — 2) E. Bleisch, Z. Ring Heinrich Wittenweilers. Diss.
159 Ph. Strauch, Epos des 15./10. Jahrhunderts. IT 3: 3-4.
sieht. Des Dichters Quelle war Boccaccios Decamerone 113,3, doch hat er nicht die
Uebersetzung des Arigo benutzt. Der Vf. könnte aus einem der zahlreichen fränkischen
oder mitteldeutschen Schneeberg stammen, falls sich nicht unter dem Hans Schneeperger
der Hs. der bekannte Dichtername Hans Schnepperer (Rosenplüt) versteckt, womit frei-
lich noch durchaus nicht erwiesen wäre, dass das Gedicht wirklich von Rosenplüt her-
rührt. „Schnepperer war eine namentlich in Nürnberger Hss. mit Anonymität nahezu
gleichbedeutende Unterschrift." Vielleicht hat das Gedicht denselben Vf. wie der Spruch
„Wie ein Muoter ir Dochter lernet puolen" im Liederbuch der Hätzlerin S. 305. —
Dem „ältesten deutschen komischen Epos", Wittenweilers „Ring", ist durch
Bleis eil 2) eine Betrachtung zu teil geworden, die im wesentlichen die kulturhistorische
Seite, des Gedichts ins Auge fasst, ohne dass der Vf. den Versuch gemacht hätte, seine
Materialsannnlungeu (Sprichwörter und volkstümliche Sentenzen, Kulturgeschichtliches,
Personennamen) durch Vergleichen zu beleben, aus ihnen weitere Schlüsse zu ziehen.
Er kommt fast nirgends über ein Registrieren hinaus. Es hätte sich doch wohl ver-
lohnt, den Beziehungen zwischen dem ritterlichen Neidhart, der als Gumpelpfaffe die
Beichte abnimmt (vgl. Neidhart Tuchs in Bobertags Narrenbuch S. 174), und seinem
älteren Namensvetter 3) nachzuspüren, das schon hier so eingehend behandelte und dann
später mit besonderer Vorliebe erörterte Thema, ob es einem Manne gezieme, ein ehelich
Weib zu nehmen, auf seine Tradition hin näher zu untersuchen, sowie der Quelle für
die im Ring (S. 113fi'.) vorgetragene Gesundlieitslehre (vgl. die pseudo-aristotehschen Secreta
Secretorum) nachzugehen. Dem Abschnitt (S. 203 ff.), in dem Witten weiler mit Länder-
kunde prunkt, liegt sicher eiive direkte Vorlage zu Grunde. Im Eingang seiner Disser-
tation befasst sich B. im Anschluss an Baechtolds Ausführungen mit der Person des
Dichters utkI seiner Heimat, die, wie auch der Schauplatz des Gedichtes, im Thurgau
zu suchen ist; er stellt den alemannischen Grundcharakter in Wittenweilers Sprache
fest und sucht als Abfassungszeit des Gedichtes das erste Viertel des 15. Jh. zu erweisen;
doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass das Gedicht sogar noch am Ende
des 14. Jh. entstand. Gegen die Annahme, der Dichter sei mit dem um 134(3 geborenen,
zum Jahre 1426 urkundlich nachgewiesenen Heinrich von Wittenwile genannt Müller,
Bürger zu Liechtensteig, identisch, habe ich nur das eine Bedenken, dass trotz den
zahlreichen Unflätigkeiten und Grobianismen, die im „Ring" begegnen, der Vf. doch an
manchen Stellen entschieden geistliche Bildung zeigt. Es Hesse dieser Umstand viel-
leicht doch auf einen, wenngleich durch und durch verdorbenen Kleriker schliessen, wo-
für auch die Hs. einen Anhaltspunkt bietet, in der eingangs neben dem Wittenweiler
Wappen das Brustbild eines Klerikers dargestellt ist. Die gelegentlich wörtliche Be-
nutzung des Gedichtes von Metzen Hochzeit in Wittenweilers Ring hat B. in einem
besonderen Abschnitt übersichtlich veranschaulicht. Er hätte bei Erwähnung des älteren
Gedichtes an den leider verlorenen Druck „Von Mayr Betzen" (Germania 13, S. 505,
Briefwechsel der Grimms mit Meusebach S. 341) erinnern dürfen. Der Abschnitt
„Parodistische Behandlung" erschöpft das Thema bei weitem nicht: die Travestierung
geistlich -kirchlicher Gebräuche und Satzungen, der höfisch -ritterlichen Ideale und
Institutionen (weibliches Schönheitsideal, Tischzucht, Wappen- und Tumierwesen)
wäre hier im einzelnen darzulegen gewesen. Auch der Abschnitt „Allegorisches" leidet
an unvollständiger Materialausnutzung. Anhangsweise hat B. eine Reihe von übrigens
nicht immer überzeugenden Textänderungen beigesteuert. Eine Kollation des in jeder
Bezieluing unzulänglichen Abdrucks mit der Hs. wäre die erste Vorbedingung für eine
erspriessliche textkritische Behandlung des bei aller Roheit interessanten und wichtigen
Gedichtes. Beiläufig sei hier auf eine Bemerkung von Sohns (Die Parias unserer Sprache,
1888, S. 5) hingewiesen, der in dem um Dresden beliebten Volksausdruck (es geht zu)
„wie auf Matzens Hochz't" (d. h. es geht hoch her) eine letzte Erinnerung an Witten-
weilers Ring (oder an Metzen Hochzeit?) vermuten möchte. So wenig glaublich es nun
auch von vornherein ist, dass von dem in der Schweiz entstandenen Gedichte des 15. Jh.,
das zudem nur in einer Hs. auf uns gekommen ist, sich in Norddeutschland eine
Tradition bis in unsere Tage erhalten haben sollte, so ist andererseits zuzugeben, dass
eine Deutung auf Matthäus in diesem Falle ausgesclüossen scheint. Der Matz von
Dresden, über den man das Deutsche Wörterbuch G, S. 17G8, und Wackernagel, Kleinere
Schriften 3, S. 169, nachschlagen mag, sowie der Ausdruck „Matthes Hochzeit", unter
dem gerade im Gegensatz zu der von Sölins belegten Redensart ein Fest verstanden
werden muss , auf dem Schmalhans Küchenmeister ist (vgl. ZDPh. 26, S. 41 f.), stehen
ausser Vergleich. —
Altere Volksbücher. Zur Kompositionsfrage des „Eulenspiegel" haben
Edw. Schröder und C. Walther einen Beitrag *) geliefert. S. meint, die 13. Historie
Ualle, HofbucMruokerei Kaeminerer & Co. CO S. — 3) X E. Sievera, Zu Neidhart: BGDS. 15, S. 567/8. — ♦) Bericht Über die
16. Jahrearorsammlung [d. niederd. Sprachvereias] zu LUbeck: KBlVNiederdSpr. 15, S. 33—42. (Darin S. 37 f. Edw. Schröder
II 3: 5-13. Ph., Strauch, Epos des 15./16. Jahrhunderts. 160
dürfe nicht wohl als Beleg für die Auifülirung von Osterspielen in norddeutschen
Dörfern herangezogen werden; sie sei entschieden eine aus Strassburg stammende süd-
deutscl.a Einfügung in den ursprünglichen Text: in den beiden vorhergehenden Ge-
schichten werde der Pfarrer stets „Pfaff" genannt, in dieser aber „Pfarrer"; „Pfaffe"
sei gegen Ausgang des Mittelalters im Hochdeutschen schon ein Wort mit üblem Sinne
gewesen, dagegen habe „Pape" im Niederdeutschen damals noch die gute, alte Bedeutung
gehabt. Sodann finde sich bereits um 1500 im Quodlibet ,,De fide concubinarum in sacer-
dotes" (ed. Zamcke, S. 96, 20), einem in Süddeutschland erschienenen Buche, eine An-
spielung auf diese 13. Historie. Sie müsse also in die Strassburger Uebersetzung des
Eulenspiegels erst eingeschoben sein. Gegenüber diesen Bemerkungen, die sich auf
eingehende, noch unveröffentlichte (doch s. DLZ. 1889, S. 721 f.) Studien über das Volks-
buch von Eulenspiegel stützen, behauptet W., und man wird ihm einstweilen zustimmen
dürfen, den niederdeutschen Ursprung der Historie und die Benutzung Eulenspiegels
durch den Vf. des Quodlibets, indem er in dem dortigen Citat „wen suchen ir hie, ir
beschlepten frowen" ein niederdeutsches „beschlipt" erkennt und auf den von der
Trauertracht der Ditmarscherinnen gebrauchten Ausdruck „den hoiken umme dat hövet
slippen" bei Neocorus sowie auf die noch im vorigen Jh. in Ditmarschen gebräuchliche
Bezeichnung ,,slippte Eruens" für die der Leiche nachfolgenden Erauen verweist. —
Aus den auf der Marburger Bibliothek hs. befindlichen Ephemerides des Mediziners
Joh. Lithodius (geb. 1510) teilt Edw. Schröder ß) eine Notiz über Eulenspiegels
Grabstein mit, die vermutlich aus dem Jahrzehnt 1554 — 64 stammt. Die Nachricht Hegt
der bisher ersten authentischen Beschreibung des Grabmals bei M. Heberer von Bretten
(1592) etwa ein Menschenalter voraus und ist nächst dem Volksbuch die einzige, die
uns eine Beschreibung des alten Denkmals vor seiner in der zweiten Hälfte des 16. Jh.
vorgenommenen Erneuerung giebt. Danach musste der Grabstein durch ein Staket
geschützt werden, da so mancher Besucher sich von ihm ein Stück zum Andenken mit-
zunehmen pflegte. Das Relief bild war nicht mehr erkennbar. Statt der späteren, sechs-
zeiligen Inschrift stand ursprünglich eine zweizeilige, wie sie auch der Schluss des
Volksbuchs, von dem Lithodius jedoch unabhängig ist, kennt: „Anno 1350 ys dyssen
steen opgehauen vnd Tile Vlenspeigel vnder begrauen". — Ohne irgend ein erläuterndes
Wort veröffentlicht De Mont^) einige Eulenspiegeleien in niederländischer Sprache,
die er vermutlich aus dem Volksmund gesammelt hat. Die fortlaufende Erzählung ver-
wertet vier auch sonst bekannte Schwankmotive, für die ich dank der Hilfe J. Boltes
folgende Parallelen zur Orientierung anführen kann: zu 1 vgl. Haltrich, Deutsche Volks-
märchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen 1877 N. 66; zu 2 vgl. Schildbürger
Kap. 32, Kuhn- Seh wartz. Norddeutsche Sagen S. 152, Simrock, Deutsche Märchen N. 1
(nach Ereys Gartengesellschaft N. 20); zu 3 und 4 vgl. Cosquin, Contes populaires de
Lorraine N. 10 und 20 mit den Anm. Weiteres hierzu wird Bolte in seinem demnächst
erscheinenden Neudruck von V. Schumanns Nachtbüchlein zu N. 6 bringen. —
Das Ti er ep OS behandelt eine populäre Skizze von Nover ''), die durch eine in-
zwischen erschienene neuere Arbeit desselben Vf. veraltet ist. — Ein Aufsatz von
H. Brandes ^) über Hermen Botes „Boek van veleme rade" verdient auch an dieser
Stelle Erwähnung, da er sich mit dem Drucker des „Reinke Vos" von 1498, dem sog.
Mohnkopfdrucker, Matthäus Brandis, der auch die Illustrationen zu dem mit Typen des
Steffan Amdes gedruckten „Boek van veleme rade" geliefert hat, beschäftigt. — Mit der
Textkritik des „Reinke Vos" (zu V. 6030 ff.) und der älteren Glosse (zu III, 14) befassen
sich zwei kleinere Aufsätze Sprengers ^-lo). — 2ur Geschichte der Tiernamen hat
Glöde 11) einen Beitrag geliefert, in dem er sich auch über einige zuerst im „Reinke
Vos" begegnende Namen auslässt, über Lutke, Bartold, Marquart, Alheit, Metke, die Vor-
namen für den Kranich, Storch und Häher, für die Gans und Ziege, und für sie den
inneren Zusammenhang, der zwischen dem Vornamen und dem Tiernamen besteht, auf-
zudecken sucht. — Dem Hasennamen Lampe, der gleichfalls kein Appellativum, sondern
Eigenname, die nd. Verkürzung von Lamprecht ist, hatte Glöde ^2) schon vorher einen
kleinen, wenig Neues bringenden Artikel gewidmet, für den er E. Voigts Anmerkung zum
Ysengrimus IV 911 f. nicht hätte übersehen sollen. Eranz. lapin, das nichts mit Lampe
zu thun hat, hält er für eine Zusammenziehung von franz. galopins. — Damköhler i3)
giebt der nicht einwandsfreien Vermutung Raum, der Uebersetzer des „Reinke Vos" habe
für seinen Helden die um 1500 allgemein gekannte md. Eorm Reinke statt nd. Renke
gewählt. — Nachdem die sog. katholische Glosse der ersten und zweiten Ausgabe des
und C. Walther zu Eulenspiogel Hist. 13.) — 5)Edw. Scliröde r, Euloiispiogels Grabstein: JbVNiederdSpr. l«, S. 110/1. —
6) P. D[e] M[ont], Een domme Uilenspiegel: Volkskunde, TNederlFolklore., S. 44/7. — 7) J. Nover, D. Tiersago: UhBIlEU.
65, 8. 662-70. — 8) H. Brandes, Hennen Lotes Boek van velemo rade: JbVNiederdSpr. 16, S. 1—41. (Hier vgl. S. 5—7.) —
9) K. Sprenger, Zu Reinke de Vos: KBlVNiederdSpr. 15, S. 52. - 10) id., Zu Reinke Vos: Germania 30, S. 193/5. — II) 0.
Glöde, lieber Tiernamen im Volksmund u. in d. Dichtung: ZDU. 5, S. 741/9. — 12) id., Z. Erklärung d. Hasennameus Lampe:
ib. S. 5b5/8. — (Vgl. auch U. Glöde, V. Osterhasen: ib. S. 702/3.) — 13) E. Damköhler, Regeusteiu, Roinstoin, Reinke:
161 Ph. Strauch, Epos des 16./16. Jahrhunderts. II 3: u.
„Reinke Vos" (1498, 1517) bereits durch Lttbben und Prien weiteren Kreisen wieder zu-
gänglich gemacht worden war, erhalten wir nun auch den so erwHnschten Neudruck
der seit der dritten Auflage, Rostock 1539, dein „Reinke" beigegebenen sog. protestan-
tischen Glosse, die dem Werke eigentlich erst zu seiner Popularität verholfen und doch
bisher verhältnismässig nur wenig Beachtung gefunden iiat. Die Ausgabe von
H. Brandes''') darf in jeder Beziehung eine mustergiltigo genannt werden. Er legt
\ms nicht nur einen sorgfältig revidierten Text vor, sondern hat ihm auch einen mit
grösstem Fleisse zusanunengetragenen, fortlaufenden Kommentar hinzugefügt, sowie in
einer umfangreiclten Einleitung die zahlreichen Fragen und Probleme, die sich an diese
jüngere Glosse anknüpfen, zu beantworten gesucht. Im ersten Kapitel führt B. zunächst
den Nachweis, dass der Gegensatz beider Glossatoren kein rein konfessioneller ist, dass
er sich vielmehr aus der verschiedenen Stellung erklärt, die sie der Dichtung gegenüber
einnehmen. Während die ältere Glosse stets in engstem Zusammenhang mit ihrem
Texte bleibt und diesen nicht überwuchert, stützt sich unser Glossator auf die ältere
Erklärung und berücksichtigt seinen Text nur in soweit, als sie ihm zur Verwirklichung
seines eigentlichen Zweckes dient; dieser aber ist ein zweifacher; er will einmal nach
dem Vorbild eines A. von Pfore, Brant und J. von Morsheim allen Ständen, insbesondere
den Fürsten einen Spiegel vorhalten, dann aber auch der sich steigernden Vorliebe
seiner Zeitgenossen für Sprichwörter- und Reimspruchsammlungen Rechnung tragen.
Mit einem evangelischen „Reinke", falls der Wunsch nach einer solchen Bearbeitung der
allein massgebende gewesen wäre, würde man zudem schwerlich bis 1539 gewartet
haben. So richtig nun diese Erwägungen, um derenwillen B. die Bezeichnung „pro-
testantische" Glosse durch , jüngere" Glosse ersetzt sehen möchte, auch sind: die alte
Bezeichnung kann trotzdem, wie auch bereits mehrere Recensenten von B.s Buch be-
tonten, fortbestehen, da thatsächlich die ältere Glosse der Zeit vor, die jüngere der Zeit
nach der Reformation angehört und von einem nicht-katholischen Vf. herrührt. Im
folgenden behandelt B. dann die Verfasserfrage auf Grund von RoUenhagens bekannten
Angaben, für die, wie B. wahrscheinlich macht, Peter Lindeberg der Gewährsmann
gewesen sein dürfte. Indem er die Irrtümer, an denen Rollenliagens Bericht über Ni-
kolaus .Baumann als vermeintlichen Vf. der Dichtung leidet, auf ihren Ursprung hin
prüft und die aus trüben Quellen abgeleiteten Folgerungen gleichsam chronologisch vor
uns entwickelt, zeigt er, dass RoUenhagens Mitteilung immerhin grösseres Vertrauen
verdient, als Zarncke annalini, und dass man wegen seiner irrtümlichen Auslassungen
über den Dichter noch nicht ohne weiteres berechtigt ist, auch die Behauptung, L. Dietz,
„welcher ein Oberländer von Speyer und ein guter Reimer war", sei der Urheber der
jüngeren Glosse, zu verdächtigen. Vielmehr „liegt die Glosse durchaus in den Grenzen
der Befähigung dieses Mainies", an den deshalb schon Wiechmann, Meklenburgs alt-
nieders. Litteratur I, S. 176, gedacht hatte. Für den Oberdeutschen Dietz als Kom-
mentator spricht auch, wie C. W^alther hervorhebt, dass die Quellen seines Kom-
mentars fast sämtlich hochdeutschen, insbesondere oberdeutschen Ursprungs sind.
Einen weiteren, freilich nicht näher begründeten Beweis möchte W. daraus ableiten,
dass die Sprache der Glosse nicht selten, auch wo nicht der Reim die Veranlassung
war, also im prosaischen Teil, einen aus Oberdeutschland gebürtigen Vf. erkennen lässt.
Dem gegenüber hat K. E. H. Krause in seiner gehaltvollen Anzeige, „so plausibel
auch ihm B.s Annahme im ersten Augenblick schien", nicht mit gewichtigen Bedenken
gegen Dietz als Vf. zurückhalten können, und es ist zuzugeben, dass die Nachweise von
Erzeugnissen der Dietzschen Presse, die Dietz selbst verfasst hätte, so sein* Wiechmann
zu dieser Annahme neigte, durchaus nicht als gesichert gelten dürfen. Ebenso versagen
einstweilen auch alle anderen Versuche, den Vf. der Glosse mit Sicherheit zu ermitteln
— K. hat verschiedene Möglichkeiten erwogen, doch eingestandenermassen ohne Erfolg
— und es bleibt somit nichts tibrig als zu warten, bis einmal ein glücklicher Fund von
dem am Schluss der Glosse versprochenen, bisher unbekannten „Bock Plutarchi van
dem Gemeinen besten in Sassyscher sprake" uns den Vf. verräth. Das zweite Kapitel,
das sich mit den Quellen der Glosse befasst, ist der bedeutendste Abschnitt des Werkes.
Hatte man bisher in der Glosse eine wohl citatenreiche, in der Hauptsache aber originale
Leistung gesehen, so legt B. nun die grosse Unselbständigkeit des Vf. dar, indem er
nachweist, dass „der Glossator vom Titel bis zum Schlusswort nach zum grössten Teil
vorhandenen und nachweisbaren Vorlagen gearbeitet hat", die er, bald sklavisch treu,
bald in freier Wiedergabe, planmässig und gescliickt in einander zu verweben gewusst
hat. Unter den Quellen steht in erster Reihe die ältere Glosse, sie gab die „Ecksteine"
für den umfangreichen Neubau her; was aus religiösen Bedenken, aus Walirheitsliebe,
JbVNiederdSpr. 17, S. 136-4(). - 14) H. Brandes, D. jüngere (>los.<e x. R«inke de Yos. Halle, Niemeyer. LXI, 314 S.
M. 10,00. i[LCBl. 1892, S. 37112; K. E. U. Krause: LBlGBPh. 1892, S. 75/9; A. Hofmeister: DLZ. 13, S. 435/7;
E.SehrtJder: HZ. 68, S. 331/2; F.Prion: ADA. 18, S. 261 6; J. Bol te: ASMS. 87, S. 280/1 ; 0. Walt her: GGA. N. 15. S. 558|67;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte II d). 11
II 3: 15. Ph. Strauch, Epos des 15./16. Jahrhunderts. 162
die ein Verschleiern des Thatbestandes verschmähte, oder um Wiederholungen zu ver-
meiden unterdrückt wurde, ist nicht gar viel (S. XXI f.) Nächst der Glosse sind noch
zwei andere Verlagswerke des Lübecker Anonymus vom Glossator benützt worden: das
Fastnachtspiel ,,Henselin" und die niederdeutsche Bearbeitung des Brantschen Narren-
schiifs, letztere in der zweiten von L. Dietz gedruckten Ausgabe von 1519, ersteres,
nach B., in einem jüngeren, nach dem hochdeutschen Original interpolierten Druck
(S. XXin £) während Walther in einem ausführlichen Excurs seiner Eecension in einer
für mich überzeugenderen Weise wahrscheinlich macht, dass jene in der Glosse I 21, 35 ff.
mit „Henselin sprecht" eingeleiteten Verse, die sich in der uns bekannten Henselin-
fassung nicht finden, dieses Citat irrtümlich tragen und vielmehr aus dem unmittelbar
vorher angezogenen Gedichte des Schweizers „Von der Welt Untreue" stammen. Ausser
diesen drei nd. Vorlagen hat der Glossator nun aber noch eine grosse Reihe anderer,
hochdeutscher Werke excerpiert: B. hat sich nicht mit den einfachen Nachweisen dieser
Werke begnügt, sondern ist auch bemüht gewesen, in jedem einzelnen Falle womöglich
diejenige Ausgabe zu ermitteln, die dem Glossator vorlag. Es sind folgende Werke:
die Fabelsammlung des Joh. Adelphus, Agricolas Sprichwörter (1534), des Erasmus
Alberus Esop (1534), die von Joh. Brenz verfasste Erklärung des Prediger Salomo,
Brants Ausgaben des Clagspiegels und des Freidank, Cyrills Spiegel der Weisheit,
S. Francks Geschichtbibel , Weltbuch und Bearbeitungen von Schriften des Erasmus
und Cornelius Agrippa, Huttens Römische Dreifaltigkeit, Joh. v. Morsheims Spiegel des
Regiments (1534), Frau Untreuen Dienst von einem Unbekannten, des Schweizers Gediclit
Von der Untreue der Welt — über die beiden letztgenannten Dichtungen stellt B.
5. XXX &. eine eigene Untersuchung an — Antonius von Pfores Buch der Beispiele (1536),
Joh. von Schwarzenbergs Teutsch Cicero (besonders stark benutzt ist das Memorial
der Tugend, s. S. XXXVII if.) und seine Bearbeitung der Officia, Ulrich Tenglers Laien-
spiegel mit den Vorreden Brants und Gregorius Wickrams Uebertragung der Ars bibendi
des Vincentius Obsopoeus, In den Anmerkungen zum Text hat B. die Belege für die
Resultate seiner Quellenuntersuchung gegeben. Nur an wenigen Stellen blieb es dem
Spürsinn des Herausgebers versagt, die Vorlage zu ermitteln; so bei I 26, 5 — 26 und
in 12, 201 — 247, die ich als Excerpte aus des Eberlin von Günzbiirg Schrift „Mich
wundert dass kein gelt im lant ist" (1524 Bl. A 2 b, 3 a, B 3 a — 4a, vgl. Schade, Satiren
und Pasquille 2, S. 291 f.) feststellen konnte. Für die Vorlage der zweiten Vorrede des
zweiten Buches V. 42 — 191 fand seitdem Roethe (ADA. 18, S. 265 f.) das lateinische
Original in des Erasmus von Rotterdam Schrift De ratione conscribendi epistolas. Für
III 12, 11 — 47 sei auf des Rodericus Zamorensis Speculum humanae vitae I 32
verwiesen, dessen Inlialt in der Glosse zwar nur auszugsweise, aber getreuer als von
Steinhöwel in seiner öfter gedruckten Verdeutschung wiedergegeben ist. In ähnlicher
Weise steht III 3, 48 — 98 der Originalfassung des Theophrasti de nuptiis liber aureohis
(Patrologiae cursus lat. ed. Migne 23, 276 ff., Gualteri Burlaei Liber de vita et moribus
philosophorum ed. Knust S. 286 ff.) — danach heisst, beiläufig bemerkt, Theophrastus
in Ingolds Goldenem Spiel 16, 21 „Aureolus der mayster", wodurch sich Edw. Schröders
Anmerkung berichtigt — näher als der Uebersetzung in der Grisardis des Erhart Gross,
die in ihrer ersten, in der Breslauer Hs. vorliegenden Redaktion (ZDA. 29, S. 386, 8 — 387,
6, vgl. ebenda 36, S. 250) eine Parallele zum ganzen Stück des Glossators bietet. Vgl. auch
A. V. Eybs Ehebüchlein, Neudruck S. 6, 19 ff., 16, 17 ff., 49, 20 ff., H. Sachs, Werke 20,
S. 526 ff. Auf Grund solcher Fälle, die sich wohl noch vermehren Hessen, darf vielleicht
die Frage aufgeworfen werden, ob nicht der Glossator gelegentlich lateinische Quellen
direkt zu Rate gezogen, sie excerpiert und übersetzt hat. Freilich nur für Excerpte
grösseren Umfanges scheint mir diese Vermutung berechtigt; betreffs der kürzeren Citate
pflichte ich durchaus B.s Ausfühmngen auf S. XLIV f. bei. Das dritte Kapitel be-
handelt den Einfluss, den die Glosse auf die spätere Litteratur ausgeübt hat. Es wird
zuerst bis ins einzelne gezeigt, wie das von W. Seelmann edierte niederdeutsclie
Reimbüchlein, aus dem die „Schönen Künstliken Werldtspröke" zumeist eine Auswahl
sind, im wesentlichen planlos aus der jüngeren Glosse und dem niederdeutschen Narren-
schiff von 1519 kompiliert ist, dass nur ca. 1000 Verse unabhängig von diesen beiden
Werken sind, sodann die Benutzung der Glosse im Kurtzweilig Reysebüchlein (Dresden
1584), in einer poetischen Bittschrift eines Stoibergers aus der Zeit um 1580 und in
Rollenhagens Froschmeuseler (s. JbVNiederdSpr. 14, S. 1 ff.) nachgewiesen. Im letzten
Kapitel seiner Einleitung berichtet B. über das von ihm bei seinem Neudruck befolgte
Verfahren. Selbstverständlich wai-d der Dietzsche Druck von 1539 zu Grunde gelegt,
von den Lesarten der elf übrigen Ausgaben sind nur die wichtigeren verzeichnet.
Berichtigte Druckfehler wurden angemerkt, einige sonstige Abweichungen vom Original
gerechtfertigt. Die Randbemerkungen zur Dichtung wie zur Kapitelglosse haben ihren
H. E. Moltzer: TNTLK. 10, S. 241/9.]| - 15) C. Walt her, D. Inschriften an d. ThUr d. Audienzsaales im Eathause: MVLUbeckG.
168 Ph. Strauch, Epos des 15./1G. Jalxrhunderts. II 8: i«-2i.
Platz unter dem Texte erhalten. Die auf den Text (S. 1 — 235) folgenden Anmerkungen
(Ö. 239 — 300) geben nicht nur die Quellenbelege zur Glosse, sondern verfolgen auch im
einzelnen die Benutzung des Kommentars in späteren Sammlungen und bilden somit
eine Ergänzung zum dritten Kapitel. Es fehlt aber auch nicht an Wort- und Sach-
erklärungen, wo sie dos Verständnis des Textes erleichtern, sowie an litterarhistorischen
Aufsclilüsson: auf den für die Entstehungsgeschichte des Reinke Vos wichtigen Nach-
weis (zu IV U,3 — 12), dass der ältere Glossator seine Bearbeitung des Narrenschiifes
nicht inu- auf die Dichtung, sondern auch auf die Glosse hat einwirken lassen, hat
bereit.s Prien nachdrücklicli aufmerksam gemacht. Ein alphabetisches Verzeichnis der
in der jüngeren Glosse auftretenden Reim8])rüche und gereimten Citate beschliesst das
auch äussorlich vortrefflich ausgestattete Werk. — In den von Brandes gegebenen
zahlreichen Belegen für die erst durch die Glosse erzielte Popularität des Reinke Vos
hat C. Walther 15) in seiner Anzeige noch zwei nicht litterarische Verwendungen bei-
gebracht, der einen davon auch einen besonderen Aufsatz gewidmet. Von den sieben
Inschriften der 1573 von Tönnies Evers dem Aelteren , kunstvoll geschnitzten Einganga-
thüre zum Audieiizsaale des Lübecker Rathauses stammen sechs aus der jüngeren
Glosse, „welche sie woiil alle selbst schon entlehnt hat, möglicherweise einige aus der
Bibel". Sodann haben die Verse I 1,29 ff. dem Maler Daniel Frese im Jahre 1576
das Motiv zu dem allegorischen Bilde in der grossen Ratsstube des Lüneburger Rat-
hauses geliefert, s. Albers, Beschreibung der Merkwürdigkeiten des Rathauses zu Lüne-
burg S. 35. — Nagls anmutige Umdichtung der Reinekesage in niederösterreichischer
Mundart hat durch Brenner i**) eine anziehende Besprechung erfahren. —
Schwankbücher. Wustmanns '^) Artikel über den Leipziger Buchdrucker
und Buchhändler Valentin Schumann mag auch hier um des gleichnamigen Sohnes,
des bekannten Schwankbuchverfassers, willen verzeichnet werden. — Ueber H. W.
Kirchhof teilte Könnecke i''^) in einem Vortrage neues Material mit, das A. Wyss i')
in einer inzwischen erschienenen grösseren Abhandlung verwertet hat. —
Von niederländischen Schwankbüchern des IG. Jh. war bisher nur eins
und auch dies nur dem Titel nach aus dem Antwerpener Index von 1570 (Reusch,
Die Indices librorum prohibitorum des IG. Jh. S. 311) bekannt: es enthielt Ueber-
setzungen aus Paulis „Schimpf und Ernst" und aus Bebeis Facetien. Bolte^o) fand
nun jüngst in einem Danziger Sammelbande ein weiteres Schwankbuch, das 157G bei
Heyndrick Heyndricsen zu Antwerpen erscliienen ist und, obwolil es von dem
älteren Werke schon dadurch abweicht, dass der Titel jeder Angabe über die
benutzten Quellen entbehrt, dennoch bei genauerer Prüfung des Inhalts einen
Zusammenhang mit der älteren Sammlung eikennen lässt. Wie B. Jiämlich nach-
weist, treffen wir unter den 157 erhaltenen Erzählungen die grössere Hälfte, 80 an
der Zahl, übereinstimmend in Paulis „Schimpf und Ernst" wieder, einige Stücke
stammen direkt oder indirekt aus Bebeis Facetien. Ausserdem hat der Kompilator
auch französische Schwankbücher benutzt; so z. B. für 14 Nummern des Bonaventure
Des Periers' ,,Nouvelles recreations et joyeux devis" (1558). Es hat also wohl der
Herausgeber der jüngeren Sammlung die ältere, verbotene zu Grunde gelegt, „indem
er alle der Censur anstössig erscheinenden Geschichten von Mönchen und Nonnen fort-
liess und ferner Zusätze aus anderen, namentlich französischen Anekdotensammlungen
machte". Doch fehlt es auch nicht an Schwänken, die schon durch das Lokal der Hand-
lung ihren niederländischen Ursprung verraten ; bei vieren der fünf ausgewählten Stücke
ist dies der Fall. Dass der Buchhändler Heyndricsen die benutzten Quellen verschwieg,
erklärt der Umstand, dass Paulis ,, Schimpf und Ernst", seine Hauptfundgrube, 1570 auf
den Index gesetzt worden war (Reusch a. a. 0. S. 315). Fünfzehn Schwanke sind mit
ziemlich guten, wohl Originalholzschnitten geschmückt. In das Verzeichnis der Ueber-
schriften der einzelnen Erzählungen hat B. den Quellennachweis vuid einige Bemerkungen
eingetragen, die den Inhalt genauer andeuten sollen. Erwähnung verdient noch die Be-
richtigung eines Irrtums in Lappenbergs Ulenspiegel S. 378: Jan de Brunes Apophthegmen-
sammlung ,,Jok en Ernst" ist keine Uebersetzung nach Pauli; beiden Werken ist auch
nicht eine Erzählung gemeinsam. —
Für Fis Charts Beinamen Mentzer und etwaige Beziehungen der Fischarts zu Mainz
haben auch die neuerdings (vgl. JBL. 1890 II 3 : 20/1) aufgefundenen urkundlichen Belege
über Fischart und seine Familie keine Aufklärung zu bringen vermocht. Um so will-
kommener ist daher ein kleiner Beitrag G. Schenks zu Schweinsberg 2i). Er weist
zu den Jahren 1618 luid 1G21 urkundlich einen Maurer Veit Visscardt (Wiesskart),
Bürger zu Mainz, nach, der dorthin von Wälschland eingewandert war, während wir
3, S. 33/5. — 16) 0. Brenner, A. W. Nagl, D. Fuchs Roauer. A lelirreichs und karzweiligs Oleiehnnsi ans derselbigen Zeit,
wo d'Viecher noch hab'n red'n kUnna. Wien, 1888: AZg". N. 171. — 17) (I 4 : 23 ) — «) G. KOnnecke, Mitteil, aber H. W.
Kirchhof. (Ref.): MVHessG. S. XXXII. — 19) XX A. Wyss, H. W. Kirchhof: CBlBibl. 9, S. 57—87.) Mit Nachtr. v. C. Scherer ib.
S.265/6.) — 20) J. Bolte, E. Antwerpener Cluchtboeok v. 1576: TNTLK. 10, S. 127— 43. - 21) G. Schenk tu Seh weiusberg,
11*
II 3: 22-24. Ph. Strauch, Epos des 15./16. Jahrhunderts. 164
seine Greschwister im Misoccothal im Kanton Graubünden wohnhaft finden. Sehr wohl
möglich wäre es, dass auch unseres Fischarts Vater als wälscher Würzkrämer zu Mainz
thätig war und später nach Strassburg übersiedelte. Der Name (Wisigard) könnte auf
germanische Abstammung der Familie liindeuten, näher liegt aber, wie* S. mit Recht
betont, der normannische Beiname Guiscard, den Fischart selbst mit Vischart, Gwischard,
Fischart wiedergiebt (Gargantua, Neudruck S. 293, 353, Bienenkorb, Vilmars 11. Ausg.
Bl. 138 ^ und im Index), wie er sich andererseits selbst Wischhart, Wickartus und
Gwischart, Guicciard nennt (Wackernagel, Joh. Fischart S. 8, 84 Anm. 184). „Eine Hin-
deutung auf wälsche Herkunft könnte das Pseudonym von 1588, M. Adamus Nachen-
moser von Brandenwalden aus Chirrland enthalten, da das Thal Misocco zum Bistum
Chur gehörte (anders deutet Meusebach, Fischartstudien ed. Wendeler S, 101, 271).
Auch sonst kommen die Churwalen bei Fischart vor" (Gargantua S. 31, 38, 165). Auf
welche Ausgabe beziehen sich S.s Gargantuacitate ? Ich habe des leichteren Auffindens
wegen nach dem von AI sieben 22) besorgten Neudruck citiert, der nun abgeschlossen
vorliegt, nachdem die erste Hälfte (S. 1—242) bereits 1887 erschienen war. A. giebt
einen synoptischen Abdruck der bei Fischarts Lebzeiten erschienenen Gargantua-Bear-
beitungen von 1575, 1582 und 1590. Zu Grunde gelegt ist, wie auch Meusebach
(Fischartstudien S. 19) es plante, der Text von 1590 als Ausgabe letzter Hand; das
schwarz und rot ausgeführte Titelblatt ist im Faksimile beigegeben. Um aber zugleich
die Arbeitsweise Fischarts an seinem W^erke, die Textgeschichte desselben zu veran-
schaulichen, wurde auf Grund einer genauen Vergleichung des Textes von 1590 mit
den Fassungen von 1575 und 1582 alles das, was schon in der ersten Ausgabe von
1575 (a) stand, mit grösserer Schrift gedruckt, während die Zusätze der zweiten Aus-
gabe von 1582 (b) in Petitschrift und die der dritten Ausgabe von 1590 (c) in gesperrter
Petitschrift gesetzt sind. Alle nicht bloss orthographischen Abweichungen der Ausgaben
„ab" sind als Varianten unter den Text gesetzt. Da die Ausgabe von 1594 (d) im
wesentlichen nichts Anderes ist als ein neuer Satz des Druckes von 1590, so wurde sie
gleichfalls mit zur Vergleichung herangezogen. Wird man nun auch gerne zugeben,
dass bei solcher Anordnung jedem die Möglichkeit geboten ist, sich einen Ueberblick
über das eigenartige, sich zumeist in weiter ausmalenden Zusätzen gefallende Verfahren
Fischarts zu verschaffen und dass für den aus drei Ausgaben kombinierten Text ein
verhältnismässig nur knapper Raum in Anspruch genommen worden ist, so bringt die
buntscheckige Textgestalt, deren Herstellung gewiss keine mühelose war, andererseits
doch den Nachteil mit sich, dass sie bei zusammenhängender Lektüre verwirrend wirkt.
Schärfer noch würde meines Erachtens das Bild der Textgeschichte hervortreten, wenn
man vom Drucke des Jahres 1575 ausginge, der, wie Camillus Wendeler mir vor Jahren
schrieb, wohl der einzige ist, den Fischart selbst korrigierte. Störend empfindet man
sodann die allzu getreue Reproduktion von „c", auch da nämlich, wo dieser Druck
thatsächlich Fehlerhaftes bietet, wähi'end die richtige Lesart von „a" sich unter dem
Text im Variantenapparat findet. Wohl hat' A. S. XVIII — XXI eine grössere Reihe
von sofort in die Augen fallenden Druckfehlern in „c" verzeichnet und sie auf Grund
der anderen Drucke verbessert: allein noch an manchen Stellen sonst zeigt der Text
eine fehlerhafte Lesart, die man sich nun selbst aus dem Apparat berichtigen muss; so
z. B. um nur einiges anzudeuten, S. 11^, 37*, 432, 80*, 81*, 113^, 129i.^ 134^, 150i, 162",
225*, 247^^. S. 5^, 248* zeigen die Varianten keine Abweichung vom Text. In der
Einleitung hat A. die von ihm benutzten Drucke einer sehr genauen Beschreibung
unterzogen, dabei auch in dankenswerter Weise die Holzschnitte berücksichtigt. Auf
die Abweichungen der späteren Ausgaben von 1600, 1605, 1617, 1631 ist er nicht näher
eingegangen. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit unter Hinweis auf Meusebachs
Fischartstudien S. 220, 318 f., dass die Tübinger Universitätsbibliothek aus Uhlands
Nachlass eine Ausgabe des Fischartschen Gargantua besitzt, die obwohl sie die Jahreszahl
1651 so deutlich zeigt, dass jeder Zweifel ausgeschlossen ist, trotzdem mit der Ausgabe
von 1631 identisch ist; man muss also schon annehmen, dass einzelne Exemplare wirklich
mit dem fehlerhaften Titelblatt in den Handel gekommen sind. Uebrigens steht auch
im Druck von 1631 „Nullate^nenten" (nicht „Rullate=nenten", wie A. S. XXI angiebt) auf
dem Titel. — Die Redensart „auf eignen Zaum" belegt Pulses) aus dem Gargantua
(Neudruck, S. 435) und deutet sie als: „nach meinem eigenen Kopf, auf meine eigene
Hand." —
JüngereVolksbücher. Eine gelegentlicli ausgesprochene Ansicht 0. M ü 1 1 e r s 2*),
dass das Wort Schildbürger seit jeher mit Spiess- und Pfahlbürger identisch, stets
nur ein Gattungsname gewesen sei, nie aber die Bewohner des sächsischen Schiida
D. Herkunft Fischarts: ZDA. 35, S. 255/6. — 22) Joh. Fischarts Qeschichtklitterung (Gargantua). Synopt. Abdr. d. Bearbeit v. 1575,
1582 u. 1590. Her. v. A. Alslebeu. (= Neudrucke dtsch. Litteraturwerko d. 16. u. 17. Jh. N. 65—71.) Eallo, Niomeyer. XXVIII, 460 S.
M.4,20 — 23) A. Puls, Auf eignen Zaum: ZDU. 5, S. 703/5. — 24) C. Müller, D. Verwertung d. Redensarten im Unterricht:
165 Ph. Strauch, Epos des 16./16. Jahrhundert«. II 8: »-84.
bezeichnet habe, widerlegt Jeep 25) mit den bereits in seiner Monographie entwickelten
Gründen (JBL. 1890 II 3 : 25). — Uober Abderiten von heute (zu Halbun
bei Damascus, in Handschulisheim, Fockbeck bei Rendsburg, Büsum) handeln vier
kleinere Aufsätze 2ö-30), —
Das Faustbuch von 1587 erzählt, dass Faust als Sohn eines Rodaer Bauern
gebüi'en sei. Daran anknüpfend meldet eine Zeitungsnotiz^*): „In Boda, einem Städtchen
des Altenburger Kreises, stellt ein altes, auf einem Felsblock erbautes Haus, welches
als.Gieburtsstätte des berühmten Schwarzkünstlers Dr. Faust bezeichnet wird. Nun ist
dieses altertümliche Bauwerk von der dortigen Gemeindebehörde behufs Strasseu-
erweitorung angekauft worden." — Die deutschen Faustbücher hat Dumcke^^) einer
Betrachtung unterzogen, die als Zusammenstellung des in ihnen niedergelegten Geschichten-
materiales gelten mag, sonst aber wenig in die Tiefe dringt. Die Berichterstattung hat
an dieser Stelle sich niu- mit dem Volksbuch und Widmans Bearbeitung zu befassen.
Hinsichtlich des ersteren wird unsere Erkenntnis durch D. nicht gefördert. Für Wid-
man sucht D. das Volksbuch in den Fassungen A und C als Quelle nachzuweisen, doch
vermag kaum das geringe Variantenmaterial die Frage endgtUtig zu entscheiden, denkbar
wäre auch, dass nur C die Vorlage war. D. gewährt zunächst eine schematische Dar-
stellung des Verhältnisses zum Volksbuch, dann Inhaltsangaben der von Widman fortge-
lassenen und hinzugefügten Kapitel, endlich eine Analyse jener Partien, in denen Wid-
man sich den StoiFdes Volksbuches angeeignet hat. lieber eine äusserliche Vergleichung,
deren Resultate S. G3 kurz zusammengefasst sind, ist D. aber nicht hinausgekommen;
Faligan33) hat in seinem Faustbuch, das neuerdings Minor verwarf, Szamatölski in
seinen Vorzügen anerkannte, um vieles schärfer zu charakterisieren verstanden. Anhangs-
weise ergänzt D. den Neudruck von Widmans Bearbeitung in Scheibles Kloster, indem
er das Widmungsschreiben an den Grafen Hohenlohe, die im Kloster fortgelassenen
Verse und Randglossen — von letzteren nur jene, die etwas Neues sagen und nicht nur
einfache Textverweisungen sind — zum Abdruck bringt. — Zu dem in letzter Zeit
mehrfach behandelten Kapitel der Entlehnungen im ältesten Faustbuch sind einige
weitere Beiträge zu verzeichnen. L. Fränkel^*) hat das Sprichwörter-Kapitel (65) in
eindringender Weise auf seine Quellen hin xmtersucht auf Grund einer schon von
Szamatölski (VLG. 1, S. 182 Anm.) ausgesprochenen Vennutung, wonach jener Abschnitt
wohl aus der sog. Egenolifschen Sprichwörtersammlung entlehnt sei. F. führt zunächst
den bei Agricola, S. Franck uiid in der Egenolifschen Sammlung nachweisbaren Apparat
des Faustbuch-Kapitels gliederweise neben seinen Mustern auf und lässt dann An-
merkungen zu einzelnen Sprüchen folgen. Das Ergebnis der Vergleichung ist folgendes:
da eine einzige Quelle für den vom Anonymus des Faustbuches verwerteten Sprich-
wörterschatz nicht ausfindig zu machen ist, so bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder
hat der Kompilator aus verschiedenen Sammelwerken gleichzeitig geschöpft — und dies
würde ganz zu dem auch sonst von ihm befolgten schriftstellerischen Verfahren stimmen
— oder die von ihm beinitzte einzige Vorlage muss als verloren oder noch unbekannt
gelten, was bei dem reich vorliegenden Material von Sprichwörtersammlungen nicht
gerade wahrscheinlich ist, wiewohl F. selbst während seiner Arbeit ein ähnlich kompen-
diarisches Werk des Jahres 1587 gefunden hat, das allen Bibliographen bisher entgangen
war. Die erstere Annahme, das 65. Kap. sei stückweise [aus Rohstoffen verschiedener
Herkunft zusammengeschweisst, weiss F. mit guten Gründen zu stützen, indem er betont,
„wie der Anonymus zur Beschaffung allerhand untergeordneter Requisiten seiner Er-
zählung auch noch anderswo Umschau gehalten hat", und die Aufmerksamkeit auf bis-
her nicht ausgenutzte jüngere, doch mit den Sammlern des 16 Jh. vertraute Sprich-
wörterkompendien lenkt, insbesondere auf die verbreitetste und am häufigsten neu (zuerst
1654) aufgelegte Sammlung des J. G. Seybold (ADB. 34, S. 80), die gleichfalls Parallelen
zu dem in Rede stehenden Faustbuchkapitel bietet; so können z. B. auch aus dieser
Sammlung und den älteren Apophthegmata Zincgrefs die bereits früher von anderen aus
Luther nachgewiesenen, von Zincgref irrtümlich dem Geiler von Keisersberg zuge-
sclmebenen acht Verszeilen im Eingang des 65. Kapitels belegt werden. — A. Bauer**),
der auch an den eben erörterten Untei'suchungen beteiligt ist, zeigt, dass für Kap. 7
des Faustbuches die Ueberschriften, je drei Verse, von drei Kapiteln des Brantschen
NaiTenscliiffes (Kap. 3, 43, 45; bei letzterem hatte schon Zarncke die Uebereinstimmung
erkannt) herangezogen und verarbeitet worden sind. Derselbe Forscher hatte bereits
VLG. 1, S. 192 ff', auf Benutzung des Petrus Dasypodius durch den Anonymus des Faust-
ib. 8. 88—123. (Darin S. 114 Lnicht 116] über d. Wort „SchiltbBrger".) — 25) E. Jeep, SohildbUrger: ib. S. 355/7. — 26-27)
R. Andrea, Abdoriten t. heute: ür-Quell 2, S. 117/9. — 28) F. Höft, Abderiten t. heute: ib. S. 154/5. — 29) H. Volks m »an,
Abderiten V. heute: ib. S. 169—70. —30) R. Ofterding, Abderiten v. heute: ib. S. 19i;2. — 31) Faastj Geburtshaus: FZg.X.31.
— *32) J. Dumckc, D dtsch. FaustbUcher. Nebst e. Anhange t. Widmanschon Faustbucho. Diss. Leipzig-Reudniti, Draek
T. 0. Schmidt. 101 S. M. 1.50. — 33) E. Faligan, Histoire de la legende de Faust Paris 18S7: Minor: GGA. 1890.
N. 26, S. 1012/5; S. Szamatdlski: ASNS. 86, S. 412/5. — 34) L. Fränkel u. aT Bauer, Entlehnungen im ältesten Faust-
II 3: 35-41. Ph. Strauch, Epos des 15./16- Jahrhunderts. 166
buches hingedeutet. Er weist ein gleiches jetzt auch für das 16. Kapitel „Von der
Hell Gehenna genandt" nach und, doch nicht in gleichem Masse überzeugend, für eine
Stelle im 27. Kapitel „Vom Paradeiss." VLGr. 1, S. 183f. hatte H. Hartmann bemerkt,
dass die Aufzählung der Länder bei der ersten Reise Eausts im 26. Kapitel (S. 57) im
wesentlichen übereinstimme mit der Aufzählung der Länder in den Kapitelüberschriften
von S. Münsters „Mappa Europae". Dem gegenüber konstatiert B. nun dieselbe
Uebereinstimmung zwischen dem Faustbuche und dem auch sonst vom Anonymus aus-
geschriebenen Elucidarius (Ausgabe zwischen 1572 und 1589; vgl. Szamatölski a. a. 0.),
welches Werk an dieser Stelle offenbar aus Münster geschöpft hat^^-^s), —
Mit der Sage vom ewigen Juden beschäftigt sich Morpurgo^^) an einer mir
leider noch nicht zugänglichen Stelle. —
Von einer der ältesten Ausgaben der Legende des heiligen Meinrad*o)^
die im 16. Jh. ja auch dramatisch behandelt worden ist, wurde ein trefflich gelungener
Faksimiledruck veranstaltet: es ist die äusserst seltene, mit 38 Holzschnitten und einem
Buchdruckerzeichen geschmückte Ausgabe, welche Michel Furter zu Basel gedruckt hat,
vgl. Serapeum 20, S. 76 f N. 4, Stargardt, Verzeichnis einer Schlossbibliothek (Kat. 189)
N. 489. Eine Jahresangabe fehlt diesem wie einem anderen Drucke (Serapeum a. a. 0.
N. 3) derselben Offizin. Wenn im Neudruck 1496 auf den Schmutztitel gesetzt ist, so
ist dieses Jahr für die deutsche Ausgabe etwas voreilig aus der in jenem Jahre eben-
falls bei Furter gedruckten lateinischen „Passio s. Meynrhadi", die Seb. Brant besorgte,
gefolgert worden, vgl. über letztere Serapeum a. a. 0. N. 2 und Gall Morel im Geschichts-
freund (Einsiedeln 1857) 13, S. 165. Die wenigen Druckfehler hätten vielleicht anhangs-
weise berichtigt werden können. —
Das Gebiet des deutschen Prosaromans hat durch A. Bachmann ^i)
eine Bereicherung erfahren. Dank seiner sorgfältigen, vom Stuttgarter Litterarischen
Verein herausgegebenen Publikation reiht sich jetzt einem Thüring von Ringoltingen,
Wilhelm Ziely und Joh. Wetzel ein vierter Schweizer als Uebersetzer ausländischer
Litteratur an, dessen Name freilich einstweilen unbekannt bleibt. Dieser hat im Jahre
1530 Luigi Pul eis „Mor gante" nach französischer Vorlage in die deutsche Sprache über-
tragen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass uns in der Aarauer Hs., die noch eine zweite
Uebersetzung vom gleichen Autor enthält, eine eigentümliche Darstellung der Geschichte
von den Haimonskindern, ebenfalls nach französischer Quelle, das Autogramm des
Uebersetzers vorliegt. Eine zweite Hs. in Zürich aus dem Jahre 1551 (s. Deutsche
Volksbücher her. von Bachmann und Singer, 185. Publ. des Litterarischen Vereins S. XII)
ist lediglich Abschrift des Aarauer Textes. Pulcis ,,Morgante" wurde schon früh ins
Französische übersetzt und in dieser Gestalt durch zahlreiche Drucke verbreitet. B. war
nur eine Ausgabe von 1596 zugänglich, doch ergaben Stichproben, dass diese mit zwei
in Paris befindlichen Drucken aus dem Jahre 1517 im ganzen genau übereinstimmt.
B. hat in der Einleitung dem Verhältnis des deutschen Textes zu seiner Vorlage eine
erschöpfende Untersuchung zu teil werden lassen. Obwohl eine nahe Verwandtschaft
zwischen dem französischen Druck von 1517 (F) und der deutschen Uebersetzung (D)
herrscht, die zum grossen Teil bis zu wörtlicher Uebereinstimmung geht, kann F doch
nicht die direkte Quelle von D gewesen sein, denn oft stimmt D gegenüber F näher
mit Pulci (P) überein. Noch zahlreicher sind die Fälle, wo F gegen D mit P stimmt.
Nach B. muss F Umarbeitung einer älteren französischen Fassung (A) sein; aber auch
aus A kann D nicht geflossen sein, vielmehr ist eine weitere französische Bearbeitung
(V), die mit F auf A zurückgeht, vorauszusetzen. Ich glaube nun mit dem Eecensenten
S. Singer, dass B. unnötige Mühe aufgewandt hat, um zu scheiden, was als Aende-
rung von D selbst zu betrachten sei; es benötigt kaum eines hypothetischen V, viel-
mehr dürfte D im wesentlichen aus A geschöpft, an jenen Stellen aber, wo D von P
sowie von F abweicht, selbständig geändert haben. Auf Rechnung von D kommen,
wie übrigens auch B. annimmt, Aenderungen und Auslassungen aus antikatholischer
Tendenz, sodann das ganze zweite Kapitel, das auf Einhart und Pseudoturpin (4, 5 — 10
stammt nach Singer aus Sueton, Titus 8) beruht, sowie wohl auch der Einschub S. 336 f.,
der, wie gleichfalls S. bemerkt, der Fassung im ,, Karlmeinet" am nächsten steht. Wo
der deutsche Uebersetzer absichtlich von seiner Vorlage abweicht, „thut er es zumeist im
Interesse einer gedrängteren Darstellung, dann auch, weil er als Protestant alles Katho-
lische auszumerzen oder als nüchterner Mensch allzu sentimentale und wunderbare
buch. 1. D. Sprichwörter-Kapit«l. 2. Brant u. noch einmal Dasypodius: VLG. 4, S. 361—83, ygl. 635. —35-86) X Bhrhart,
Marlowe u. sein Faust. (Eef.): KBlGRSWUrtt. 88, S. 188/9. — 37) X P- Machule, Bemerkungen zu Marlowes Faustus:
ASNS. 86, S. 227-58. - 38) X L. Frankel, Zu Doktor Fausts Fortleben in England: GoetheJb. 1>, S. 256/8. - 39) X X
S. Morpurgo, Un nuovo documento suU' Ebreo Errante: RiCrLI. 7. — 40) Von sant Menrat ein hUpsch lieplich lesen was
eilend vn anuut er erlitten hat. GetrUckt zu Basel by Michel furter 1496. Faksui.-Neudr. Berlin, Stargardt. 1890. 48 S.
mit Abbild. M. 10,00. — 41) Morgant d. Riese in dtsch. tj'bersetzung d. 16. Jh. her. v. A. Bachmann. (= Bibliothek d. Litt.
Vereins in Stuttgart CLX XX IX.) Tübingen. 1890. LXXV, 424 S. | [AZg". 1892, N. 63; S.Singer: ADA. 18, S. 295/6.] | -
167 PH. Strauch, Epos des 16./16. Jahrhunderts. 11 8: 42-48,
Stellen zu beseitigen sucht. Aber immer geschieht dies in ganz äusserlicher Weise;
eigene Zuthaten von Bedeutung, tiefer greifende Aendeningen m Hinsicht auf den Ver-
lauf oder die Motivierung der Begebenheiten lassen sich kaum irgendwo nachweisen.
Auch in der Form zeigt er sich fast durchweg abhängig von seinem Original, und An-
sätze zu freier, selbständiger Wiedergabe desselben sind im allgemeinen nicht häufig."
Die Persönlichkeit des Uebersetzers tritt uns nirgends greifbar entgegen. Anlass und
Zweck seiner Aibeit bleiben uns verborgen. Abgesehen davon, dass sein Dialekt ihn
als schweizerischer Herkimft erkennen lässt, sind wir auf blosse Vermutungen ange-
wiesen. Ein hohes Ziel hat er sich kaum gesteckt. „Man darf vermuten, dass er, ein
wohlhabender und gebildeter Bürger, bloss zum eigenen Vergnügen die Arbeit unter-
nahm, und man muss gestehen, dass er sie mit grosser Ausdauer und Gewissenhaftigkeit
durchführte", so wenig hervorragend seine Leistung ftuch ist. „Immerhin verdient sie
unsere Beachtung als neues, bisher fast unbekannt gebliebenes Zeugnis für eine litte-
rarische Richtung, die im 15. und 16. Jh. auch in der Schweiz eifrig gepflegt wurde,
selbst dann noch, als der Kampf um Sieg oder Untergang der kirchlichen Reform das
ganze Interesse der Mitlebenden auf sich zog." Dem sehr korrekten Textabdruck (5,38
wird „houchen", 177,25 „touber" zu lesen sein; 13,22 lies „an den"; 97, 6 „erstunnet" ;
210,8. 241,30 „zegwünnen" = „zegwinnen", vgl. 243,32; einigemal scheint „r" und „n"
verlesen, vgl. 21, 3. fiO, 12. 7ß, 14. 187, 34) folgen besonders den Wortlaut der
Vorlage berücksichtigende Anmerkungen sowie ein treffliches Glossar, das dem Schweizer
Idioticon ein wohl gesichtetes Material zur Verfügung stellt. —
Obwohl die eigentlich historische Litteratur ^2) ausserhalb des Bereichs
dieser Berichte liegt, mag doch Eulings *^) Edition der bisher nur in Auszügen be-
kannten Chronik des Hildesheimer Bürgers und Dekans Job. Oldecop (1493 — 1574)
mit einem kurzen Worte auch hier berührt werden. Der Vf., der als Wittenberger
Student bei Luther hörte und bei ihm zur Beichte ging, ist trotzdem dem alten Glauben
treu geblieben und benutzt in seinen Aufzeichnungen jede Gelegenheit, um darzulegen,
dass mit Luthers Auftreten alles Unheil in die Welt gekommen sei, ja sogar für den
Hosenteufel macht er ihn verantwortlich (385, 29 ff.). Erensdorff hat in einer ein-
gehenden Besprechung die Denkwürdigkeiten, die die Jahre 1501 — 73 umfassen, auf
ihren historischen Wert untersucht und gezeigt, dass wenn Oldecops Werk auch nicht
als eine zuverlässige Geschichtsquelle zu gebrauchen ist, es doch einen hohen Wert
als Beitrag zur Kenntnis der Stimmungen und Urteile, wie sie in den katholisch ge-
bliebenen Kreisen Norddeutschlands herrschten, beanspruchen darf. F. hat gleichzeitig
auch einer litterarhistorischen Würdigung der Aufzeichnungen vorgearbeitet, fast mehr
noch als der Herausgeber, der sich des Raumes wegen tiberwiegend auf Hervorheben
ihrer sprachlichen Eigentümlichkeiten beschränken musste. Oldecop weiss gewandt und
anziehend zu erzählen, seine Rede durch sprichwörtliche Wendxingen und volkstümliche
Ausdrücke anschaulich zu machen, sie gelegentlich durch trockenen Humor zu würzen.
Einzelne Abschnitte (Euling S. VÜ f., GGA. S. 983 f.) lesen sich wie kleine in sich ab-
gerundete Novellen und gehören zu den besten Proben mittelniederdeutscher Prosa.
Oldecop ist ein Mann von gelehrten Neigungen, hat Ereude an treffenden Sinnsprüchen,
die er auf seinen Reisen an Gebäuden, an Wappen findet (110, 27 ff., 503, 28 f.), be-
schreibt neue Bücher „Epistolae obscurorum virorum" 50, 15, C. Spangenbergs „Die bösen
Sieben ins Teufels Kamöffelspiel'^ 192, 2. 490, 21 ff. 495, 32 A. 531, 5 ff., Musculus'
,, Hosenteufel" 385, 29), „Elugblätter nach ihrer Ausstattung, insbesondere den Holz-
schnitten, womit die Drucker die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen suchen".
Namentlich häufig begegnen Citate historischer Volkslieder (13, 27. 57, 19 f. 69, 10.
71, 19 ff. 271, 13 ff. 305, 1 f. 335, 11 ff. vgl. 29,1. 91,2). Auch den dramatischen
Aufführungen in Hildesheim bringt der Vf. Interesse entgegen, wenn er zum Jahre 1517
verzeichnet „in dussem jare ward passio Johannis, dat lident Christi, to Hildensem up
dem markede gespelet" und eine eingehende Schildennig folgen lässt (52, 11 ff.). Um
so auffallender ist es, wie F. hervorhebt, dass der Chronist nicht auch jenes Fastnachts-
spieles gedacht hat, das der Hildesheimer Bischof Johann zur Verhöhnung des Stiffe-
adels 1520 auf dem Bischofshofe aufführen Hess. Oldecops Abwesenheit von Hildes-
heim wälirend dieser Zeit, \'ielleicht auch seine Parteinahme für den Bischof mögen die
Erwähnung des „Scheveklot oder De Brilmaker" (Goedeke* 2, S. 335: Seelmann, Mittel-
niederd. Fastnachtsspiele S. XXXV ff. 49 ff. ; KBlVNiederdSpr. 13, S. 4), der viel böses
Blut unter dem Adel erregte, verhindert haben. Uebrigens findet sich die dem ersten
42) X A- Sohultx, D. Weissknnig. Nach d. Diktaten u. eigenhlnd. Anfkeichnnngen KaiMr Muimilians I. (usamineDKeaL t.
M. Treitisauerwein v. Ehrentreitz. Mit 238 Holischnitten nach Zeichnungen t. H. Bnrgkmair, L. Beck, H. Springinklee u.
Schaufelein, abgedr. unmittelbar nach d. Original-HoUtafeln v. J. 1516, u. 19 linkograph. Tafeln. [Aus: JKSAK.] Wien,
Tempgky in Eomm. Iinp. 4». XXVIII, 558 S. M. 60,00. (Ist nur e. neue Titelaasgabe d. 1888 erschieuenen Werke« mit her-
abgesetztem Preise.) — 43) K. Ettling, Chronik d. Johan Oldecop. (= Bibliothek d. Litt Vereins in Stuttgart CXC.) Tübingen.
VIII, 720 S. i[AZg». 1892, N. 63; F. Frensdorff: GGA. 1892, S. 969-87 ]i (Vgl. aooh K. Euling, Hüdesheimer Land n.
II 3: 44. II 4: 1-5. Ph, Strauch, Epos des 15./16. Jahrhunderts. 168
Titel zu Grunde liegende Redensart auch bei Oldecop 372, 10 vgl, 435, 31, und F. be-
merkt dazu, dass von philologischer Seite (vgl. KBlVNiederdSpr. 14, S. 67) bisher nicht
des rechtshistorischen Interesses gedacht wurde, das sich mit dem Worte verbindet
(s. Homeyer in seiner Ausgabe des Richtstei^ Landrechts 1857, S. 42 ff.). Schliesslich
sei noch die kultiu-historische Bedeutung dieser Publikation erwähnt. In E.s Einleitung
finden sich gelegentlich falsche Citate, die sich daraus erklären, dass er die Seiten- und
Zeilenzahl des Originals nicht nachträglich auf Grund seiner Ausgabe abänderte. Da
E. übrigens die Seiten des Originals im Texte verzeichnet, so kann auch so jeder leicht
die betreffende Stelle auffinden. —
Aus dem Gebiet der geschichtlichen Prosa ist noch anzuführen, dass Wutke**)
dem Leben und der litterarischen Thätigkeit des Hans von Schweinichen (f 23,
[nicht 13.] Aug. 1616) einen Artikel gewidmet hat. —
11,4
Drama.
Johannes Bolte.
(ieistliche Schauspiele des Mittelalters N. 1. — Fastnachtspiele N. 9. — Schulkomödien N. 11. — Einzelne Dra-
matiker des 16. Jh.: Schweiz N. 13; Sachsen N. 15; Hessen N. 20; Franken (Hans Sachs) N. 21; Bayern N. 31; Württemberg
N. 32; Elsass N. 33; Oesterreich, Böhmen, Schlesien N. 37; Niederdeutschland N. 40. —
Neue Gesamtdarstellungen der dramatischen Litteratur des 16. Jh. haben wir
für das Berichtsjahr nicht zu verzeichnen; dagegen zeigt sich das fortdauernde Interesse
an der Erforschung dieses Gebietes in einer Reihe von Einzelarbeiten, denen sich plan-
mässig ausgewählte Erneuerungen einzelner Stücke oder ganzer Gruppen in willkommener
Weise anschliessen. Dem geistlichen Schauspiele des Mittelalters, dessen Ent-
wicklung sich bis tief ins 16. Jh. fortsetzt, gelten mehrere beachtenswerte Arbeiten.
Schon vor zwei Jahren hat sich L. Wirth, wie Bechstein i) und Holstein 2) in
ausführlichen Referaten darlegen, bestrebt, die von Milchsack und Lange be-
gonnenen Untersuchungen über die Entstehung und Entwicklung der Oster- und Passions-
spiele weiterzuführen und durch sorgfältige Vergleichungen der gemeinsamen Verse das
Abhängigkeitsverhältnis der einzelnen Spiele aufzuhellen. Wenn auch die als Resultat
dieser Arbeit ermittelten Stammbäume sich schwerlich als untrüglich herausstellen
werden, können doch die beigegebenen tabellarischen Nachweise und die^ Analyse der
Stilemente und Motive als willkommene Grundlage für fernere Eorschungen dienen. —
Eine umfangreiche Sammlung, die neben bekanntem giuch neues Material zu allgemeiner
Kenntnis bringt, Eronings^) Drama des Mittelalters, kann ich an dieser Stelle nur
erwähnen, um mir eine Besprechung für das nächste Jahr vorzubehalten. — Das dich-
terisch wertvollste unter den Osterspielen, das 1464 zu Redentin, einem dem Cister-
cienserkloster Doberan gehörigen Hofe bei Wismar, in niederdeutscher Mundart auf-
geschrieben wurde, hat C. Schröder 4) zum Gegenstande eines in Lübeck gehaltenen
Festvortrages gemacht, in dem er die Ergebnisse seiner früheren Forschungen wieder-
holt und erweitert. Als den Dichter oder Redaktor betrachtet er den 1465 als Magister
curiae zu Redentin erscheinenden Cistercienser Peter Kalf und möchte die einzelnen der
mecklenbiu'gischen Mundart, fremden Formen des Textes aus der niedersächsischen
Heimat des vermutlichen Vf. erklären; die erste Aixfführung fand wohl nicht in dem
kleinen Redentin, sondern in der angesehenen Hausestadt Wismar statt. — Zu dem-
selben Denkmale giebt C. Walther 5) eine Reihe scharfsinniger und durch reiche Ge-
lehrsamkeit gestützter Besserungsvorschläge; abweichend von Schröder nimmt er für
einige Stellen Entlehnung aus mitteldeutschen, wahrscheinlich mittelrheinisclien Quellen
an. — Zwei anderen niederdeutschen Dramen, dem „Sündenfalle" Arnold Immessens und
Leute d. 16. Jh. in d. Chronik d. Dcchanten Johan Oldecop. liildosheim, ßorgmeyer. 1892. 100 S. M. 1,00.) — 44)
0. Wutke, Hans t. Schweinichen: ADB. 33, S. 360/1. —
I) R. Bechstein, L. Witth, Oster- u. Passionsspiele: Germania 86, S. 96—100. — 2) H. Holstein, L. Wirth, Oster-
u. Passionsspiele: ZÜPh. 22, S. 378—81. - 3) R/ Froning, D. Drama d. Mittelalters: DNL. 14, 1—3. Stuttgart, Union, o. J.
VIII, 1008 S. M. 7,50. (In 3 Bdn.) — 4) C. Schröder, D. Bedentiner Osterspiel: KorrBlVNiederdS. 15, S. 33/8. — 5) C.
169 J. Bolte, Drama des 1B,/16. Jahrhunderts. II 4: «-13.
dem Theophilus, widmet Sprenger"-'') textkritische Bemerkungen, zu denen auch
Walthor einiges beigesteuert hat. Er verheisst eine genauere Untersuchung der Mundart
des ersteren Denkmals, dem man bald Eirabeck, bald andere Orte als Heimat zugewiesen
hat. Den Theophilus besitzen wir bekanntlich in drei ver.schiedenen Fassungen, unter
denen Sass 1879 die Helmstädter für die älteste und beste erklärte, während die Stock-
holmer und Trierer Hs. näher mit einander verwandt seien. S. widerlegt diese Grup-
pieiung der Hss. und zeigt, dass jede derselben der Vorlage gegenüber selbständig ver-
fahre. — Eine erwünschte Klärung hat die Frage nach der litterarhistori sehen Stellung
von Scherubergs Spiel von Frau Jutten durch Haage 8), einen Schüler Edward Schrö-
ders, erfahren. Er weist t\berzeugend nach, dass der während der Jahre 1483 -1502 im
thüringischen Mühlhausen thätige Priester und Notar die ihm durch Johannes Rotiies
thüringische Chronik vermittelte Sage von der Päpstin Johanna oder Jutta ohne jede
satirisch» Tendenz zur Verherrlichung der gnadenvollen Gottesmutter dramatisch ge-
staltete und dabei nicht nur die meisten Motive der älteren profanen und geistlichen
Spiele mit vielseitiger Belesenheit vereinigte, sondern auch viele Stellen wörtlich aus
dem Theophilus, dem Künzelsauer Fronleichnamspiele, der Vorlage des Alsfelder Passions-
spieles u. a. entlehnte. Dieser geschickten Zusammenschweissung des traditionellen
Materiales steht eine auffällige Ungeschickhchkeit im eigenen dichterischen Ausdrucke
gegenüber, die H. durch eine Zusammenstellung der hierbei verwandten Flickwörter und
Formeln treffend illustriert. Gut ist auch der verhältnismässig decente, nicht ausgelassen
possenhafte Charakter der Teufelsscenen dargelegt; gegen einzelnes, z. B. gegen die
Behauptung, dass Schernberg in bewusstem Gegensatze zum Drama von de»i zehn Jung-
frauen die Milde und das Erbarmen Gottes mit den sündigen Menschen betonen wollte,
wird man Bedenken erheben können. Dass der protestantische Herausgeber vom Jahre
15G5, Hieronymus Tilesius, nicht, wie Goedeke meinte, das Sttick ungehörig interpolierte,
will H. auch in einer kritischen Ausgabe des Dramas darthun. —
Den von A.Keller gesammelten Fastnachtspielen des 1.5. Jh. gilt ein^kurzer
Aufsatz Holsteins 9), der auf die verstreuten Ortsnamen aufmerksam macht, um 'daraus
Schlüsse auf den Entstehungsort der einzelnen Stücke zu ziehen. Wenn er die zald-
reichen Erwähnungen von Strassen und Wirtshäusern Nürnbergs und von nahe gelegenen
Dörfern als Beweis für den nürnbergischen Ursprung anführt, so sagt er uns freilich
nichts Neues; anderes scheint nach Bayern zu weisen; wichtig ist jedenfalls die für das
Spiel vom Meister Aristoteles (Keller N. 128) aus den um Erfurt heimischen Dorfnamen
gezogene Folgerung eines thüringischen Ursprunges, zumal da sie durch die Mundart
des Stückes bestätigt wird. — Ein Artikel von Sach^o) scheint auf das Fastnachtspiel
vom Herzog von Burgund (Keller N. 20) Bezug zu nehmen. —
Wir kommen zu dem unter dem Einflüsse der Reformation in rascher Fülle
emporgeblühten protestantischen Drama des 16. Jh., dem sich seit Goedekes und Scherers
Vorgange die Forschung immer eifriger zugewendet hat. Leider nicht stets mit Glück. So
reiht eine zusammenfassende Arbeit über die deutsche Schulkomödie von Rache *i-'2)
auf 30 Seiten nur Citate aus bekainiten neueren Werken an einander, ohne den Gegen-
stand irgendwie zu erschöpfen oder von einem neuen Gesichtspunkte aus darzustellen.
Ebensowenig kann die angehängte Besprechung der Schauspiele aus dem Schulleben als
eine Förderung der Wissenschaft gelten: R. giebt nichts als trockene Analysen von
teils leicht zugänglichen, teils durch andere Forscher schon besser charakterisierten
Dramen von Wickram, Pondo, Ayrer, Murer, Hayneccius, Mauricius und Lese-
berg. 12a) —
Die einzelnen Dramatikern des 16. Jh. gewidmeten Arbeiten wollen wir
wiederum nach der durch Goedeke eingeführten landschaftlichen Gruppierung durch-
gehen. Aus den schweizerischen Schauspielen unseres Zeitraumes hat Baechtold '3)
eine Reihe der bedeutendsten ausgewälilt und durch seine Schüler zum Abdrucke be-
arbeiten lassen. Dem ersten Bande dieser dankenswerten Sammlung (vgl. JBL, 1890
II 4 : 11) ist schnell ein zweiter gefolgt, in dem uns Gessler zwei in Basel von Nicht-
schweizern verfasste Dramen darbietet: die 1532 gedichtete „Susanna" des Augsburgers
Sixt Birck und den 1550 erschienenen „Weltspiegel" des Elsässers Valentin Boltz. Die
„Susanna" wirkt, wie schon Pilger hervorhob, in der sprachlich und metrisch un-
beholfenen Form weit weniger günstig als die, inzwischen vom Ref. in den von Herr-
mann und Szamatolski herausgegebenen „Lateinischen Litteraturdenkmälern des
15./16. Jh." erneuerte, weitverbreitete lateinische Bearbeitung, die Birck später von dem-
Walther, Z. Redentiner Spiel: JbVNiederdS. 16, S. 44—53. — 6) R. Sprenf^er, Bemerkongen u. Besserungen x. SOndeD-
fall: ib. S. 116-28. — 7) id., Z. Kritik u. Erklärung d. Theophilu»: ib. S. 128—39. — 8) R. Haage. Dietr. Schemberg u. «.
an Spiol V. Frau Jutten. Dias. Marburg. Pfeil. III, 108 S. — 9) H. Holstein, Z. Topographie d. FastnachUspiele :
ZDPh. 23, S. 104/8. - 10) O A- Saoh, Sibylla u. Kaiser Äugustus in d. kirchl. Sage: HambNachr». N. 11. - II) F. B. Bach*.
D. dtsch. Schulkomtidie u. d. Dramen t. Schul- u. KnabenspiegeL Diss. Leipaig, Baldamus. 79 S. |[F. Spengler:
ADA. 17, 8. 338.]| - 12) id., D. dtsch. Schnlkomödie: LZg». S. 441,3. (Auszug aus N. 12.) — 12a) (I 6 : 221.) -
13) Schweizerische Schauspiele d. 16. Jh. Bearb. durch d. dtsch. Seminar d. ZOricher Hochschule unter Leitg. t. J. Bichtold
II 4: 14-20. J. Bolte, Drama des 15. /16. Jahrhunderts. 170
selben Stoife lieferte; doch existiert auch ehie später von einem unbekannten Zürcher
Dichter abgefasste Umgestaltung des deutschen Textes, die den Ausdruck bessert und
durch Einschiebsel den Umfang um die Hälfte vermehrt. G. hat diese Varianten sorg-
fältig unter dem Texte verzeichnet und in der knappen Einleitung einige biographischen
Thatsachen, wie das Geburtsdatum (24. statt 21. Februar), richtig gestellt. Der „Welt-
spiegel", bei dessen Abdruck die zweite Ausgabe von 1551 zu Grunde gelegt wurde, ist
eine dramatische Busspredigt für alle Stände, formlos, aber lebendig. Unter den 158
Personen treten auch biblische und allegorische Gestalten warnend, lockend und strafend
auf; Bruder Klaus mahnt die Schweizer an die ruhmreichen Thaten ihrer Vorfahren.
Die sechs Akte, deren Auiführung auf zwei Tage berechnet war, werden durch Chor-
lieder abgeschlossen, deren Melodien beigedruckt sind. — Für die beste Komödie des
16. Jh. erklärte vor kurzem Bächtold ein hs. in SchafFhausen aufbewahrtes Lustspiel
des Malers und Fischart-Illustrators Tobias Stimmer „Von zwei jungen Eheleuten".
Jetzt liegt uns dasselbe in einem von Oerii*) besorgten zierlichen Liebhaberdrucke mit
den Federzeichnungen Stimmers und einer biographischen Einleitung zur Prüfung vor.
Und in der That rechtfertigt der frische Ton, die auch im Vergleich mit Hans Sachs vortreiF-
lich zu nennende Komposition und die trotz des verfänglichen Ehebruchsthemas gesunde
Lebensanschauung wohl ein so hohes Lob. Eine lüsterne junge Bürgersfrau und ein
buhlerischer PfafF, der sich mit Hilfe der kuppelnden Magd in Abwesenheit des Ehe-
manns als Bauer verkappt einschleichen will, stehen dem Hausherrn und einem ehr-
baren wirklichen Bauersmann gegenüber, den die Magd mit dem Pfaifen verwechselt.
Der böse Anschlag misslingt, da der Mann den Pfaffen, ohne ihn zu erkennen und seine
Absicht zu ahnen, fortprügelt und daim vom Bauern Aufklärung erhält. Ueber die
Quelle dieser Verw^echslungskomödie hat der Herausgeber nichts ermitteln können; ich
glaube sie, wie ich nächstens darlegen werde, im ,,Esop" des Burkard Waldis gefunden
zu haben, während die Figur des geprellten Pfaffen möglicherweise aus einer italienischen
Komödie von Giancarlo herstammt. —
Aus Sachsen haben wdr gleichfalls einen Neudruck zu verzeichnen. 0. Haupt^^)
hat den „Almansor" des Grimmaer Rektors Martin Hayneccius, der 1578 lateinisch und
1582 deutsch erschien, nach der ersten deutschen Ausgabe wortgetreu wiederholt. Das
Stück ist eine Verherrlichung des Schulmeisters und befolgt in der metrischen Form
Rebhuns Vorschriften. Almansor ist ein Quacksalber, der dem einfältigen Bauer, dessen
Sohn der Lehrer innerhalb einer Stunde zum Gelehrten hatte machen sollen, einen
Nürnberger Trichter verkauft. H. hebt weder die Vorbilder noch die Nachwirkungen
des Stückes hervor, weiss auch nichts von den Aufführungen (z. B. Wittenberg 1580,
Bautzen 1610) zu berichten; sein Aufsatz über Hayneccius im „Praktischen Schulmann"
1891 ist mir nicht zugänglich. — Die Schulauflführungen in Chemnitz, wo Hayneccius
eine Zeit lang thätig war, behandelt Uhle^^) in etwas flüchtiger Weise ; für das 16. Jh.
fusst er auf Straumers Programm von 1888, für das 18. Jh. giebt er manche beachtens-
werte Notizen. — Einen national-sächsischen Stoflf, die Geschichte des Altenburger
Prinzenraubes, haben zwei Dramatiker unsres Zeitraumes zum Vorwurf genommen, 1589
Nikolaus Roth in Weimar und 1593 Daniel Cramer in Wittenberg. Beide benutzten, wie
P. Franz 1'') in seiner umsichtigen Doktorschrift nachweist, die meissnische Chronik des
Petrus Albinus; das deutsche Volksstück Roths blieb bis in die neueste Zeit ungedruckt,
während das in Frischlins Spuren wandelnde lateinische Drama Cramers, durch geschickte
Komposition und treffende Charakteristik hervorragend, verschiedene Ausgaben und
Verdeutschungen erfuhr. F. untersucht eingehend diese Uebersetzungen von Henrici,
Ringwaldt, Sommer und Abele, betrachtet auch Cramers zweites Drama „Areteugenia"
und giebt im Anhange einige Notizen über das Theatrum academicum in Altdorf, über
das ich eine ausführlichere Zusammenstellung längst vorbereitet habe. — Ein anderer
sächsischer Nachahmer Frischlins ist der aus Wittenberg gebürtige Schulmeister
Christian Schön, der 1599 eine von Bolte ^8) kurz charakterisierte Verdeutschung seiner
„Rebecca" veröffentlichte, während sein gleichzeitig herausgegebener, wohl von Macro-
pedius abhängiger ,,Asotus" ebenso wie das unter dem Namen „Dominicus" erschienene
und von Spengler '9) erwähnte Prodigusdrama des Remkerslebener Pfarrers Johannes
Schrader als verloren zu gelten hat. —
Ueber den Anteil Hessens an der Entwicklung des Dramas hat Edw. Schröder20),
der eine Publikation darüber vorbereitet und mehrere jüngere Gelehrte auf dies Feld ge-
wiesen hat, in einem Vortrage gehandelt. —
2. Bd. Frauenfeld, Huber. VII, 355 S. M. 4,00. — 14) Tob. Stimmer, Comedia. Mit 18 Federzeichn. desselben z. erstenmal
her. V. J. Oeri. ebda. XX VII, 58 S. M. 4,00. — 15) M. Hayneccius, Almansor, d. Kinder Schulspiegel. Mit e. Einl. her. v.
Otto Haupt. (= Neudrr. pHd. Schriften, her. v. A. Richter. N. 5.) Leipzij?, R. Richter. 131 S. M. 0,80. — 16) P. Uhle,
Z. Gesch. d. SchulkomOdie u. andrer theatral. Aufführungen in Chemnitz: MVChemnitzG. 7, S. 129—47. — 17) P. Fran z, D.
attchsische Prinzenraub im Drama d. 1(>. Jh. Marburger Dias. Essen, Baedeker. 4*>. 37 S. — 18) J. Bolte, Christian SchOn:
ADB. 32, S. 244/5. — 19) F. Spengler, Johannes Sehrader: ib. S. 430. — 20) QEdw. Schröder, Hessische Schauspiele
171 J. Bolte, Drama des 16./16. Jahrhundert«. II 4: 21-31.
Franken. Unter den Hans Sachs gewidmeten Arbeiten ei^wähiie ich zu-
niiclist die von dem jüngeren Frommann 21) besorgte Neubearbeitung von Lfttzel-
hergers 1H74 erschienener Auswahl 22), Allerdings verfolgt das BOfhlein ähnlich Genees
Work hauptsächlich populäre Zwecke, hat aber durch die Mitteilung einiger bisher un-
gednickter Meisterlieder aus den Nürnberger Abschriften und durch die Aufnahme der
1557 enstandenen Himmelfahrt des Markgrafen Albrecht von Brandenburg auch für den
Forsclier Wert. F. hat die alte Schreibweise, die sein Vorgänger modernisierte, wieder
eingeführt und die Worterklärungen sowie die Einleitxnig berichtigt und ergänzt. —
Die Kenntnis der in den Dramen des Nürnberger Dichters benutzten Quellen hat
Stiefel 23) in einer ausführlichen Untersuchung, von der bisher nur der erste, die 85
Fastnachtspiele behandelnde Teil erschienen ist, um ein gutes Stück gefördert. Den
Erwä/^mgen über des Dichters Verhältnis zu Steinhftwels „Decameron" und „Aesop", Paulis
„Schimpf und Ernst", dem „Ritter vom Thurn" u.a., die auch die wörtlichen Berührungen und
die vermiitlichen Gründe der Abweichungen berücksichtigen, wird man meist zustimmen
können, wenn auch manches noch unaufgeklärt bleibt. Neu ist z. B. der NachweiH
einer Verdeutschung der Melanchthonschen Fabel von den ungleichen Kindern Eva.
durch Stephan Vigilius von 1541, aus der Hans Sachs den Stoff seines Fastnachtsspieles
schöpfte, während die Vergleichung -'*) des „Schülers im Paradies" mit dem 1535 ge-
druckten „Clericus eques" des Neulateiners Placentius nicht zu der Aufdeckung der
gemeinsamen Quelle führt. — Fast gleiclizeitig mit diesem Aufsatze ist eine Fortj?etzung
von Dreschers -5^ Studien zu Hans Sachs (vgl. JBL. IWK) 114:30) erschienen,
in denen der Vf. hinsichtlich einiger Fastnachtspiele unabhängig zu denselben Resultaten
wie Stiefel gelangt. Die übrigen Abschnitte des Buches behandeln, unter sich kaum
zusammenhängend, ähnliche Quellenfragen für die Spnichgedichto vom Turnier und von
den römischen Kaisern, für die hauptsächlich nach Boccaccios „De claris mulieribus" ge-
arbeitete „Tragedia von den zwölf argen Königinnen" und für die aus Ovids Metamor-
phosen entlelniten Stücke, von denen dreissig Meisterlieder im Anhange aus der Hand-
schrift des Dichters zum ersten Male mitgeteilt werden. Sorgfältig wird der Beweis
dafür erbracht, dass Hans Sachs vor dem Erscheinen der Wickramschen Ovidverdeutschung
(1545) die Erzählungen des römischen Dichters durch die Vermittlung verschiedener
Bearbeiter, wie Boccaccio, Polydorus Vergilius, Sebastian Franck, Christoph Bruno
von Hyrtzweil, kennen lernte und nicht etwa das Original oder eine verlorene Ueber-
setzung der Metamorphosen benutzte. — Aus einer knapp gehaltenen Uebersicht, die
Max Koch 26) über die neuere Hans Sachs-Litteratur gab, hebe ich eine von ihm wieder-
holte Nachricht des Zwickauer Wochenblattes hervor, die tiber die Art, wie die eigen-
händigen Manuskriptbände des Dichters in den Besitz des Zwickauer Rates gelangten,
Aufschluss gewährt. Danach hat sie vorher der 1633 in Zwickau verstorbene Gastwirt
Johann Pregell, ein Enkel und Patenkind des Hans Sachs und Sohn des Hans Pregel
und der Margarete Sachs, besessen. — Mit Uebergehung 27) einer anonymen Schilderung 28)
von Nürnberger Fastnachtlustbarkeiten, die auf einer sehr verdächtigen, von Vulpius
erfundenen oder interpolierten Selbstbiographie U. Wirschungs (vgl. ZDA. 32, S. 21) beruht,
führen wir noch eine auf genauer Sachkenntnis beruhende Charakteristik des Nürnberger
Rechenmeisters, Kornschreibers und Meistersängers Peter Probst durch L. Lier29) an.
Seine acht in den Jahren 1540 — 1556 entstandenen Komödien, deren baldigen Abdruck
L. in Aussicht gestellt hat, zeigen Gemeinsamkeiten mit Rosenplut und Folz einerseits
und mit Hans Sachs andererseits in stofflicher und technischer Beziehung; auf Waldis'
„Esop" fusst das Spiel vom Müller und seinem Weibe, sowie das von den Landsknechten
und dem Pfaffen. — Der aus Spelt gebürtige Leonhard Schwartzenbach, dem ein Artikel
Boltes 30) gewidmet ist, gehört zu dem Durchschnittsschlage der zeitgenössischen
Dramatiker; sein ,,Titus und Gisippus" verwendet bekannte Motive, Gerichtssitzung,
terenzianische Charakterrollen und zeitgenössische Landsknechtsfiguren. Besondere Unter-
suchung verdient seine 1554 erschienene Synonymik. —
Aus Bayern ist der Augsburger Dramatiker Sebastian Wild schon durch
Goedekes und Hartmanns Veröffentlichungen dem allgemeinen Interesse nahe gerückt
worden; ob Radlkofers ^i) Vortrag wesentlich Neues über ihn brachte, lässt sich aus
dem kurzen Referat, das mir vorliegt, nicht erkennen. —
Die dramatische Thätigkeit des Württembergers Balthasar Schnurr be-
schränkt sich auf zwei Uebersetzungen aus dem Lateinischen des Schonäus und ist
d. 15./17. Jh.: CasselerAZg. N. 215/6. (Ref. Ober e. Vortrag.) — 21) E. K.J. LB tselberger, H. Sachs. 8. Leb«D u. s. Dichtumg.
2. Aufl. neu boarb. u. venu. y. C. Frommann. Nürnberg, Ballhorn. -XII, 283 S. M. 3,00. - 22) (I 7 : 32.) — 23) L. Stiefel
Quellen H. Sachsschor Dramen: Germania 36, S. 1—60. — 24) id., D. Clericus eqnes d. Joh. Placentius u. d. 22. Fastnachts-
spiel d. H. Sachs: ZVLK. NF. 4, S. 440/5. — 25) C. Drescher, Studien lu H.Sachs. NF. Harburg, Elwert. 7.102. LIV S.
M. 4,00. - 26) M. Koch, Aus d. neueren H. Sach<-Litt: AZg". N. 278. — 27) O K. üeberhorst, H. Sachs: DBBhneng.
20, S. 78/9, 86;7. - 28) Nürnberger FastnachtsbelusUgungen vor 300 J.: FrlnkKurier Sa Jg., N. 73. — 29) H. Lier, Peter
Probst, e. Zeitgenosse u. Mitbürger d. H. Sachs: AZg". N. 161. - 30) (I 8 : 18.) - 31) M. Badlkofer, Seh. WUd: DiOcA
II 4: 32-39. J. Bolte, Drama des 15. /16. Jahrhunderts. 172
daher von seinem Biographen M. von Waldberg 32) nicht besonders charakterisiert
worden. —
In der elsässischen Reichsstadt Strassburg sammelten sich seit ihrer förm-
lichen Lossagung von der römischen Kirche i. J. 1529 Vorkämpfer der reformato-
rischen Ideen, um von hier aus durch Wort und Schrift auf viele Gegenden Ober-
deutschlands mahnend und befruchtend zu wirken. Unter ihnen hat der Mainzer Jakob
Cammerlander schon vor mehr als dreissig Jahren Zarnckes und Goedekes Aufmerksam-
keit durch die eigentümliche Art erregt, in der er als Verleger deutscher Volksschriften
für die protestantische Sache Propaganda machte. Seine Verlagsartikel sind selten
Originale, aber auch keine eigentlichen Nachdrucke, sondern sprachlich und sachlich oft
tiefgehende Ueberarbeitungen älterer Werke. B. Wenzel 33) hat nun in einer recht
beachtenswerten Promotionsschrift eine Liste von 43 Verlagswerken Cammerlanders auf-
gestellt und die Art der Umarbeitung durch Vergleichung mit den Originalen charakte-
risiert. Als eigentlicher Bearbeiter ist nach seinen Darlegungen Cammerlanders
Korrektor, der gleichfalls aus Mainz stammende philologisch und medicinisch gebildete
Magister Jakob Vielfeld anzusehen, als dessen Kennzeichen in den anonymen Schriften
die Partikel blan, eine bestimmte Schlussformel und die Vorliebe für Horazcitate auf-
treten. Uns interessieren hier seine konfessionellen Umgestaltungen des „Decamerone",
des „Ritters vom Thurn", der „Gesta Romanorum", des ,, Narrenschiffes" u. a. weniger
als seine Erneuerungen von fünf satirischen Dichtungen Ecksteins, Gengenbachs,
Manuels und eines Unbekannten, die er in den Jahren 1539 — 44 der veränderten
kirchenpolitischen Lage anpasste und in strengere dramatische Form brachte, sowie
seine Dramatisierung von Murners ,,Schelmeiizunft". Am selbständigsten, wenn auch nicht
mit sonderlicher poetischer Begabung ist er mit Manuels ,, Badenfahrt der Messe" um-
gegangen, — In dieselbe Zeit fällt die von Bolte 34) besprochene merkwürdige Moralität
des württembergischen Arztes Alexander Seitz, der sich an den Bauernaufständen gegen
den Herzog Ulrich beteiligte und gegen Ende seines unruhigen Lebens in Strassburg
ein Unterkommen fand. Seine 1540 hier erschienene Behandlung der neutestament-
lichen Parabeln vom grossen Abendmahl und den zehn Jungfrauen ist ein Protest gegen
die gewaltsame Verfolgung der Evangelischen, die man von Karl V. schon vor dem
schmalkaldischen Kriege befürchtete. — Gleichfalls ein Schwabe ist der Strassburger
Schulmeister Hieremias Schütz, dessen „Bei zu Babel" vom Jahre 1572 kürzlich durch
Strauch und neuerdings durch Holstein 35) behandelt worden ist: eine nicht unge-
schickte Bearbeitung von Chryseus' „Hofteufel", die in dem Propheten Daniel ein Vorbild
Luthers darstellen will. — Bolte 36) hat die bisher nur dem Titel nach bekannte Ver-
deutschung von Macropedius' „Hecastus" aufgefunden und besprochen, die 1589 der
„teutsche" Schulmeister Johannes Schi-ecken berger zu Weissenburg a. Rh. nach einer
wahrscheinlich prosaischen Uebersetzung abfasste. Dies Verfahren des offenbar im
Latein nicht sehr bewanderten Nachdichters verdient bei der Beurteilung ähnlicher
Arbeiten des Hans Sachs beachtet zu werden. Die Sprache zeigt Gewandtheit im
pathetischen Ausdruck, die Handhabung des Metrums weist auf das Muster von
S chreckenbergers Amtsvorgänger Zyrl hin. —
Unter den österreichischen Dramatikern hat der Erzherzog Ferdinand II.
von Tirol, der 1584 ein noch ganz im Banne der mittelalterlichen Tradition stehendes
Prosadrama „Speculum vitae humanae" schrieb, neuerdings in Hirn einen sorgsamen
Biographen und in Minor einen kundigen Herausgeber gefunden. Dagegen bringt die
Programmabhandlung Kluibenschedls 37)^ abgesehen von einigen Zusammenstellungen
über Sprache und Orthographie des Stückes, kaum etwas Neues; sachliche Irrtümer
enthalten die einleitenden Bemerkungen über die Entwicklung des Schauspieles im
16. Jh. — Aus Böhmen liefert die wohlüberlegte Auswahl Wolkans38) vier Dramen in
sorgfältigem Abdrucke als Proben der Leistungen der Deutschböhmen auf diesem Ge-
biete: 1) Clemens Stephanis Verdeutschung der terenzianischen „Andria" (1554), 2) des-
selben Posse „Von einer Mülnerin vnd jren Pfarrherr" (1568), deren Stoff von Waldis
bearbeitet und auch von Hans Sachs und Peter Probst auf die Bühne gebracht wurde,
3) Meissners Tragödie vom Untergang Sodoras und Gomorras (1580), 4) die anonyme
,, Tragedia von Zweyen Böhmischen Landherren" (1594). Als Quelle eines A;yTerschen
Fastnachtspieles ist ferner das von Wolkan in demselben Bande wiedergegebene Gedicht
Georg Fleyssners „RitterOrden des Podagrischen Fluss" (1594) bemerkenswert. — Unter
den nicht sehr zahlreichen schlesischen Bühnendichtern hat A. Müller 3») zwei heraus-
gegriffen, um sie einer monographischen Behandlung zu unterziehen, Zacharias Lieb-
Schwaben 8, S. 91/2. (Ref. Ubor e. Vortr.) - 32) M. r. Waldberg, Balth. Schnurr; ADB. 32, S. 196. - 33) B. Wenzel',
Ciiramerlander u. Vielfeld. E. Beitr. z. Litt.-Gesch. d. 16. Jh. Rostocker Dias. Berlin, KnoU & Wtilbling. 72 S. — 34) J.
Bolte, Alex. Seitz: ADB. 33, S. 654/5. — 35) H. Holstein, llierem. Schütz: ib. S. 126. — 36) J. Bolte, Schreckenberger:
ib. 32, S. 467. — 37) H. Kluibensche dl , Erzherzog Ferdinand II. v. Tirol als Schauspieldichter. Progr. Görz, Seitz. 42 S.
— 38) (II 1:1.) — 39) Ant. Müller, D. Theaterdichter Zach. Liebholdt aus Silberbrrg u. Hieron. Lingk aus Qlatz.J I.Teil.
173 J. Bolte, Drama des 15./16. Jahrhunderts. H4: 40-«. 115. 116: i.
holdt und Hieronymua Lingk; doch liefert er in dem ersten Teile seines Versuches
nichts als eine dürftige Inhaltsangabe von Liebholds Drama, das auf der auch Shake-
speares „Cymbeline" zu Grunde liegenden Erzählung des „Decamerone" beruht. —
Aus dem niederdeutschen Sprachgebiete ist uns durch Spengler *<•) ein
sorgfältiger Neudruck d«!r ein echtes Talent verratenden Komödie des Pölit-zer Pastors
Ludwig HoUonius vom träumenden Bauern, betitelt „Somnium vitae humanae", be-
schert worden. S. macht mit Recht auf die lebensvolle Charakteristik und den Humor,
der sich in den niederdeutschen Bauernscenen und in der Figur des Fraters Antonius
ausspricht, aufmerksam und vervollständigt nebenher die von Minor in seinem Abdrucke
von Ferdinands II. „Speculum vitae humanae" gegebene Litteraturübersicht t\ber das
Schauspiel unseres Zeitraumes durch die wichtigeren Erscheinungen der letzten Jahre. —
Dagegen ist es Bolte *>) nicht geglückt, einer von Goedeke benutzten Weihnachts-
komödie des Ratzeburger Pastors Antonius Schwabe habhaft zu werden; zur Biograpliie
wären noch die Notizen bei Burmeiater, Beiträge zur Kirchengeschichte von Lauenburg
(1882. S. 60, 85) nachzutragen. — Wieweit ein mir nicht zugängliches Werk von
Claeys*2) über die Theatergeschichte Gents die niederländischen. Aufführungen des
ItJ. Jh. berücksichtigt, vermag ich nicht anzugeben. — Nach dem interessanten Berichte
über zwei am 2. April l'A\) in Brüssel vor Karl V. und Philipp von Spanien gespielte
Possen, den DisteH^) aus dem Dresdener Archive mitgeteilt hat, verdient das nieder-
ländische Schauspiel dieser Zeit weit mehr Aufmerksamkeit, als ihm in Deutschland
bisher zu teil geworden ist. In beiden Stücken tritt uns ein ehebrecherisches Paar
entgegen, das durch die zurückgelassenen Hosen des Buhlers dem betrogenen Gatten
verraten wird und dennoch diesen durch eine neue List zu bethören weiss; ein in zahl-
reichen Variationen, wie im französischen Fabliau „La culotte des cordeliers" und in
Poggios „Braccae divi Francisci" verbreiteter Schwank. Der Astrolog und die Ver-
kleidung des Buhlers als Ai-zt im ersten Stücke scheint auf italienischen Ursprung hin-
zudeuten. —
11,5
Didaktik.
Gustav Roethe.
(Der Bericht über die Ej'Sfheinungen des Jahres 1891 wird im dritten Bande nachgeliefert.)
11,6
Luther.
Gustav Kawerau.
Werke: Ausgaben N. 1. — Neue Funde N. 6. — Einzelne Schriften N. 13: Bibolübersetiunj N. 20; Katechismus
N. 25; Sprachliches N. 32. — Biographie: Gosaratdarstellungen N. 35; neue Quellen, Untersaebangen Ton Eiiizelh«it>-D
N. 43. — Freunde und Feinde N. 64; Forscher N. 75. — Theologie und Weltanschauung N. 77. — Festspiele N. 95. —
Das Berichtsjahr hat von Luthers Werken den im Jahre vorher vergeblich
erwarteten neuen Band der Weimarer Ausgabe i) gebracht. Derselbe enthält die
Schriften Luthers vom Frühjahr 1523 bis zum Schluss des Jahres, von G. Kawerau
bearbeitet, und sodann die Predigten des ganzen Jahres 1523 von ßuchwald her-
ausgegeben. In letzterem Teile wird hs. Material zum ersten Male verwertet und dadurch
die Reihe der noch erhaltenen Predigten dieses einen Jahres auf die stattliche Zahl 40
gebracht Ganz neu sind darunter die Predigten 21/2, 24, 27/8, 29 z. T., 30 6, 38;
Progr. Strehlen. 36 S. |[L. Hölscher: ASNS. 87, S. 358/9.]; — 40) L. HoUonias, Somnium Tit«e humanae. E. Dram»
1605. Her. v. F. Spengler. (= Neudrucke dtsch.Litt-Wk. d. 16/7. Jh. N. 95.) Halle. Xiemeyer. VI, 73 S. M.O.CO. — ♦l)J. Bolte,
Anton. Schwabe: ADB. 33, S. 158. — 42) O P- Claeys, Histoire du thöAtre de Oand Gand, Vuylateke A Bd«. XII. 256. 442,
448 S. Fr. 10,00. — 43) Th. Distel, Inhalt zweier 1549 iu Brüssel aufgoföhrter TheaterstOeke: ZVLR. NF. 4, S. 355;». —
I) H. Luther, Werke. Krit GesamUusg. 12. Bd. Weimar, BOhUn. Ifi. XVI, 706 S. M. 18,00. {[Th. Kolde:
II 6: 2-3a. G. Kawerau, Luther. 174
freilich stehen für sie nur die wenig geniessbaren Rotlischen Nachschriften aus Zwickau
zur Verfügung. Dankenswert ist es, dass andere von B. in doppeltem Text, teils in der
zwiefachen Recension alter Drucke, teils in Nachschrift und Bearbeitung für den Druck,
uns mitgeteilt werden. Unter den Einleitungen zu den Schriften seien die zur Leisniger
Kastenordnung, zur lateinischen Messe und zu der Schrift „An die Herren Deutsch
Ordens" besonders hervorgehoben. Für letztere hat K. ein erheblich späteres Datum,
als gewöhnlich angenommen wurde, nachzuweisen gesucht und dadurch der Schrift
selbst eine ganz neue geschichtliche Beleuchtung gegeben, indem sie nun nicht mehr
als der eigenen Initiative Luthers entsprungen, sondern als Ergebnis der mit dem
deutschen Hochmeister geführten Verhandlungen und damit als ein Versuch erscheint,
für die Pläne Albrechts unter den Ordensrittern und in weiteren Kreisen den Boden
vorzubereiten. Bei diesem Bande ist zum ersten Male die Mitarbeit des von der
Kommission für die Herausgabe als Sekretär berufenen Germanisten P. Pietsch in
Anwendung gekommen. Sie zeigt sich in Erörterungen über den Sprachcharakter der
einzelnen Drucke, die P. den Einleitungen beigefügt hat, und einer planmässigeren Ver-
gleichung der "Wittenberger Drucke wie einzelner Nachdrucke für die Variantenver-
zeichnisse. Die dadurch abermals in die Editionsprinzipien gebrachten Modifikationen,
die Betonung der germanistischen Interessen als der specifisch „nationalen", sowie die
Verlangsamung, welche die Herausgabe unter Einfluss dieser Aenderungen erfahi'en
habe, sind für Kolde Anlass zu einem scharfen Angriff auf die Kommission und ihren
Sekretär geworden, der nicht ohne Replik (und Duplik) geblieben ist. Es geziemt dem
Ref. als Mitarbeiter am Werke nicht, in diese Debatte hier einzutreten. — Auch die
amerikanische Lutherausgabe, eine Erneuerung der Walchschen, hat einen nevien Band
gebracht, den 20., entsprechend dem gleichen Bande jener alten Ausgabe; der Heraus-
geber Hoppe 2) hat wie früher, so auch hier, durchaus selbständig die Einleitungen
bearbeitet und Walchs Text in kritischer Berichtigung, bei lateinischen Stücken in z. T.
neuer Uebersetzung reproduziert. Auf Sp. 2386 — 2404 hat er ein Register seltener bei
Luther vorkommender Wörter beigesteuert. — Auch die Braunschweiger Ausgabe •^) ist
im Berichtsjahre ein gutes Stück vorwärts gekommen, indem Band 4 die in Band 3
begonnene Auswahl aus den reformatorischen und polemischen Schriften zu Ende
geführt, und Band 5 eine Auslese aus den Predigten des Reformators passend in der
Weise gegeben hat, dass zunächst eine Reihe geschichthch denkwürdiger Predigten zu-
sammengestellt und darauf in einer zweiten Reihe Predigten nach dem Kirchenjahr
geordnet, übrigens hier mit Verkürzungen, mitgeteilt sind. Der 5. Band ist ganz von
Buchwald bearbeitet, bei dem 4. dagegen finden wir neben diesem auch Rade, Her-
mens, H. Scholz und Albrecht beteiligt. Eine Fülle von geschichtlichen und sach-
lichen Erläuterungen dient namentlich bei den polemischen Schriften der Erleichterung
des Verständnisses und giebt dieser Volksausgabe Wert auch für diejenigen, denen die
grösseren Ausgaben zur Verfügung stehen. — Für Kürschners Sammelwerk hat Eugen
Wolff 3a) eine Auswahl aus Luthers deutschen Schriften hergestellt, die neben Stücken,
die man in jeder derartigen Auslese antreffen kann (An den christlichen Adel, Freiheit
eines Christenmenschen, An die Ratsherren, Lieder) , doch aiich manches weniger
bekannte, interessante Stück bietet, so z. B. die erst 1884 durch Buchwald vollständig
edierte, freilich auch nicht von Luther selbst zum Druck bearbeitete, Predigt „Von den
Fischen." W. geht im allgemeinen auf den ersten Druck zurück, bei den Briefen nur
auf die Recension von de Wette, bei den Liedern auf das Gesangbuch von 1545.
Luthers Fabeln hat er nach dem Thieleschen Abdruck des Originalms. redigiert. Die
Texte sind, abgesehen von der Verwendung der T^P©^! ^? '^j "^ nach heutigem Gebrauch,
möglichst getreu dem Urdruck nachgebildet, auch in der Interpunktion schliesst W. sich
den Wittenberger Drucken an; dass diese Zeichensetzung „unter Luthers Aufsicht
gewählt" sei, dürfte freilich nach Ausweis des Fundes in der Danziger Stadtbibliothek
(s. u. N. 13) eine nicht haltbare Annahme sein. Einige sprachliche und sachliche Er-
läuterungen sind unter dem Text gegeben, für den Leserkreis jenes Sammelwerks
meines Erachtens zu wenige, und mehr gelegentlich und zufällig als nach klarem
Prinzip. Ist z. B. erklärt, wen Luther mit „Rotzlöflfel" meint, so müsste gleich daneben
auch gesagt werden, wen er unter „Schmid" versteht. Die kurze Einleitung orientiert,
meist in Anschluss an die Weimarer Ausgabe, über den Anlass für die einzelnen
Schriften; W.s Blick ist hier, wie auch schon in der Auswahl atis Luthers Briefen uud
Tischreden, besonders auf die volkstümliche Ader, die deutsche Art in Humor und Ge-
QGA. 1892, S. 568—79; Replik v. P. Pietsch: ib. S. 997/9; Duplik v. Kolde: S. 999— 1000.]| — 2) id., Sttmtl. Schriften,
lier. V. .1. Q. Walch. 20. Bd. Reformations-Sehriften. Streitigkeiten mit d. Sakramentierern u. anderu Schwärmern. Neue
reT.Ster.-Au8g.{T.Hoppe)St. Louis, Mo. (Dresden, H.J. Naumann). 40. VIII, 70 S. u. 2407 Sp. M. 18.00. |[B.: ThLBl. 12, S. 437.]|
— 3) id., Werke für d. christl. Haus. Her. v. Buo h wald, G. Kawerau , Kö stlin, Rade, E. Schneider u. a. 4. Bd.
2 Folge: Reformator, u. polem. Sclirifton. 5. Bd. Predigten u. erbauliche Schriften. Braunschwoig, Schwetschke & Sohn.
482 u. XVI, 571 S. M. 1,80 u. 2,10 (bez. feine Ausg. M. 8,00 u. 3,50). |[G. Bessert: ThLBl. 12, S. 163/4, 443/4.]| — 3a) id.,
175 Ö. Kawerau, Luther. U 6: 4-8
mtitstiefe und die dichterische Begabung des Reformators gerichtet. Etwas weniger
Pathos und ein weniger mit Bildern überladener Stil (vgl. den 3. Satz der Einleitung)
wäre hier erwünscht. „Autliontische" Bilder und verkleinerte Nachbildungen der Titel-
blätter der Originaldrucke schmücken die Sammlung; auch die Nachbildung eines Blattes
aus der Hs. der Bibelübersetzung. Die Texte sind, so weit ich verglichen habe, treu
und sorgfältig redigiert. — Unt« »- den für Schulzwecke veranstalteten Ausgaben nimmt
die von Neubauer *) bearbeitete J^uswahl, die nun abgeschlossen vorliegt, einen her-
vorragenden Platz ein. Der zweite Teil, der die Auswahl zum Abschluss bringt, bietet
vermischte Schriften weltlichen Inhalts: Fabeln, Gleichnisse, Sprüche und Reime;
einige Gedichte und Briefe und scliliesslich unter der Aufschrift „Aus der Lebensweisheit
Luthers" eine besonders aus den Tischreden herau.sgehobene hübsche Auswahl sinn-
voller Aussprüche und Betrachtungen, in denen ebenso die praktische Weltbeurteilung wie die
Gemütstiefe und nicht zum mindesten auch die plastische Ausdrucksweise Luthers zur
Anschauung kommen. Die Beifügung eines grammatischen Anhangs über Luthers Sprache
in ihren wichtigsten Abweichungen vom heutigen Sprachgebrauch ist eine jedem nicht
germanistisch geschulten Leser der Werke Luthers angenehme Beigabe. — Erheblich
kürzer ist die für Töchterschulen berechnete Auswalü, die Stadler*) redigiert hat.
Von Schriften sind hier nur „An den christlichen Adel", „An die Ratsherren" und das
„Sendschreiben vom Dollmetschen", z. T. stark verkürzt, mitgeteilt, ausserdem einige
Briefe, Fabeln, eine kleine Probe aus den Predigten und die Lieder von den zwei
Märtyrern, „Nu freut euch lieben Clu'isten g'mein", „Ach Gott vom Himmel sieh darein",
und „Frau Musika";im übrigen ist auf das Gesangbuch venviesen. Die Texte sind teils
ganz modernisiert, teils wörtlich getreu, aber in moderner Ortliographie gegeben.
Sprachliche und sachliche Erläuterungen sind, statt unter den Texte gestellt zu wer-
den, in eckigen Klammern in den Text eingeschoben. Die Rücksicht auf das zarte
Geschlecht wirkt auf die Textverkürzungen stark ein, daneben wohl auch die Rücksicht
paritätischer Schonung nichtevangelischer Schülerinnen; daher ist die kurze Biographie
möglichst farblos gehalten, und es wird z. B. im „Sendschreiben vom Dollmetschen" der
Satz unterdrückt, der von den langen Ohren der Papisten redet, und hier durch die
vorsichtigen Kürzungen der Charakter des Schreibens nicht unwesentlich abgeblasst
Der Luther dieser Sammlung ist daher nur ein schwächliches Abbild des echten.
Charakteristisch ist, dass die Einleitung Luther als einen der grössten deutschen
Humanisten, seine Bibelübersetzung als die grösste Leistung des deutschen Humanismus
„in sprachlicher wie sachlicher Hinsicht" bezeichnet. Ganz verfelilt ist, was S. über die
95 Thesen erzählt, dass Luther hier mit der Lehre von der Gerechtigkeit aus dem
Glauben allein zuerst hervorgetreten sei, irreleitend, dass er Luther sich mit „Katharina
von Bora (und Züllsdorf)" verheiraten lässt. Auch sollte er doch die Titel Lutherscher
Schriften nicht willkürlich ändern. Die berühmte Schrift „An die Ratsherrn" heisst das
eine Mal: „An die Bürgermeister und Ratsherren", also nicht nach dem Titel, sondern
jiacli der Widmung, das andere Mal: „Von Aufrichtung christlicher Schulen in den
Städten". Als verkehrt muss ich es auch bezeichnen, dass Luthers Kämpfe eingeteilt
werden in die gegen seine Feinde, die Römischen, und gegen seine „unverständigen
Freunde", Bilderstürmer, Wiedertäufer, Bauern, Erasmus, Schweizer. —
Auch für die Mehrung unserer Kenntnis des litterarischen Nachlasses Luthers
ist das Berichtsjalir nicht ertraglos geblieben. Buchwald ^) erzählt uns von seinen
neuen Funden auf. der Zwickauer Ratsschulbibliothek; wie er, durch eine alte brief-
liche Notiz geleitet, mit gutem Erfolge nach alten Drucken gesucht, die einst der
Bibliothek Luthers angehört haben und von diesem mit Randbemerkungen versehen
sind. An solchen Schi'iften, deren Benutzung durch Luther der ältesten Zeit seiner
Studien angehören und eben dadurch für die Erforschung seiner theologischen Entwicklung
von Wert sind, sind glücklich wieder aufgefunden: eine Ausgabe des Petrus Lombardus
von 1489, die Luther noch in Erfurt 1509 if. benutzt hat. Taulers Predigten in der
Ausgabe von 1508 (Benutzungszeit wohl 151G if.), ferner verscliiedene Schriften Augustins
in Ausgaben von 1489 mit Randbemerkungen, die teilweise auf das Jahr 1509 führen,
sowie Opusciila des Anselm (darunter auch Cur deus homo) und ein Werk Tritheims,
das freilich nur ganz wenige Bemerkungen von Lutliers Hand aufweist. — Aus den
Randnotizen zu Petrus Lombardus und Tauler hat Buchwald '') inzwischen
bereits Stücke publiziert. — Auch in Nordhausen erfolgte der Fund eines noch der
vorreformatorischen Zeit angehörigen Luthermanuskriptes 8). Es wurde nämlich
bemerkt, dass das dortige städtische Museum im Besitz eines der beiden Blätter war.
Schriften, her. v. Eug. Wolf f: (= DNL. 15). Stuttgart, Union. XV, 434 S. M. 2,50. — 4) (I 7 : 42.) |[G. Kawertu: ZDPh. 24.
S. l!n/9.]| — 5) (I 7 : 31.) — 6) G. Buchwald, Aus D. M. Luthers BOcherei: MAVZwickau 3, S. 82/ß. — 7) Id., Aus Luthers
Randbemerkungen zu d. Sentenzen d. Petrus Lombardus n. an d. Predigten J. Taulers: BSlchsKG. 5, S. 67-90. — 8) Lnther-
fund in Nordhausen. (Bl. \LI d. WoUenbUtteier Psalters.) UVgl. H. Beineok: Sammler 18, S. 141; BraunschwMgTBL t.
II 6: 9-13. Gr. Kawerau, Luther. 176
die im 18. Jh. dem berühmten Wolfenbüttler Psalter Luthers (vgl. Weimarer Ausgabe
III, S. 328 und 358) gestohlen worden sind. Der glückliche Fund ist inzwischen durch
Tausch an die Wolfenbüttler Bibliothek zurückgelangt und wird demnächst in einem
Supplementband der Weimarer Ausgabe berücksichtigt weiden. — Auch der Brief-
wechsel Luthers hat wieder einige Bereicherung erfahren. Enders ^-^o) j^^t nicht allein
den 4. Band seiner Ausgabe des Briefwechsels, vom 4. Sept. 1522 bis 27. August 1524,
vollendet und hier die Fachgenossen mit allerlei Briefnummern erfreut, die bisher in
keiner Sammlung zu iiiiden waren, sondern hat auch drei Briefe Luthers aus späterer
Zeit an Sixt Oelhafen den Jüngeren in Leipzig vom Jahre 1539, — alle drei betreffen
die Unterstützung bedürftiger Studenten und Prediger, — einstweilen durch den Abdruck
in einer Zeitschrift den Pachgenossen zugänglich gemacht. Zwar bringt sein 4. Band
nur einen einzigen Brief Luthers, der ganz neu zum erstenmale aus der Hs. (Hamburger
Stadtbibliothek) hier erscheint, gerichtet an Herzog Johann von Sachsen, die Empfehlung
eines Predigers enthaltend, der durch seine Verheiratung um Amt und Brot ge-
kommen war. Aber manche andere Nummer jenes Bandes darf einem neuen Punde gleich-
geachtet werden, indem Briefe hervorgeholt sind, die zwar schon irgendwo gedruckt,
aber bisher unbeachtet und unbenutzt geblieben waren; so vor allem ein Schreiben der
Aeltesten der böhmischen Brüder an Luther, das in einem böhmischen Druck von
1523 sich findet und hier zum ersten Male in deutscher Uebersetzung zugänglich gemacht
wird. — Das Kollektivschreiben an Herzog Heinrich von Sachsen, welches P. Vetter ii)
veröffentlicht hat, enthält die Pürbitte für einen unter Herzog Georg um seines evan-
gelischen Bekenntnisses willen vertriebenen Bürgermeister, dass er wieder in sein
Amt restituiert werde. — Als ein schmählicher Schwindel wurde dagegen bald ein Fund
erkannt, der in den ersten Wochen des Berichtsjahres viel von sich reden machte ^^^^
Für zehntausend Mark hatte ein Studiosus in Münster von einem Gastwirt ein
„Betrachtungsbuch über das Leiden Christi" erworben, welches Kurfürst Joachim von
Brandenburg zwischen 1522 und 1524 bei dem Soester Goldschmidt Aldegrever für
Luther bestellt und ihm geschenkt haben sollte. „Hiernach wird sich die bisherige
geschichtliche Beurteilung des Kurfürsten ändern", meldete bereits eine voreilige
Zeitungsnotiz, während doch jeder, der Kurfürst Joachims Stellung zu Luther nur
einigermassen kannte, die ganze Geschichte von dem Funde nur mit äusserster kritischer
Reserve lesen konnte. Gar bald kam denn auch ans Licht, dass der Verfertiger des
Ganzen ein Graveur in Münster war, der schon ähnliche „Altertümer" für gute Bezahlung
angefertigt zu haben bekannte und dem jener findige Wirt als Kommissionär gedient
hatte. Unsere geschichtliche Beurteilung des Kurfürsten wird somit unverändert
bleiben. —
Einzelne Schriften. Zu den glücklichen Funden darf aber noch gerechnet
werden, dass auf der Danziger Stadtbibliothek Luthers Originalhandschrift seines Buches
von den guten Werken (1520) sowie seine Uebersetzung des Urteils der Pariser Theo-
logen nebst seinem „Gegenurteil" (1521) aufgefunden wurde^^). Leider geschah die
Entdeckung, bez. die Benachrichtigung der dafür Interessierten über diesen Fund erst
damals, als eben der Druck der Schrift von 1521 für die Weimarer Ausgabe Bd. 8
vollendet war; es konnte daher dort eine Verwertung der Hs. nicht mehr geschehen.
Nun hat aber N. Müller i^) zunächst den Traktat von 1520 genau nach der Hand-
schrift unter sorgfältiger Kollationierung der Wittenberger editio princeps herausgegeben
und gewährt damit eine sichere Unterlage zur Beurteilung der Frage, inwieweit die
Wittenberger Drucke Luthers eigene Sprache und Schreibweise wiedergeben. Es kann
sich jeder jetzt überzeugen, dass die Orthographie der Lutherdrucke nicht die Luthers,
sondern die der Druckerei bezw. die der einzelnen Setzer ist, dass von einer Korrektur
Luthers an seinen Schriften in Bezug auf die Schreibweise nicht füglich geredet werden
darf, dass aber auch die Drucke in Beziehung auf die Laute keineswegs Luthers Ms.
getreu wiedergeben, dass sie auch am Texte sich hier und da Abweichungen gestatten,
die neben Flüchtigkeitsfehlern der Setzer wohl auf die Thätigkeit eines von Luther ver-
schiedenen Korrektors schliessen lassen. Interessant ist ferner hier zu erkennen, wie
Luther selbst am Texte gearbeitet und einzelne Stücke der ersten Niedersclirift wieder
getilgt und überarbeitet hat; interessant auch zu seilen, wie so manche der vorsich-
tigen Korrekturen, welche der Herausgeber i:i der Weimarer Ausgabe dem Original-
druck gegenüber versucht hatte, jetzt durch die Originalhs. als verfehlte Konjekturen
erkannt sind. Der Fund dieser nach Ausweis der Randbemerkungen in der Druckerei
27. Juli; ThLBl. 12, S. 328.] | — 9) M. Luther, Sämmtl. Werke. (Sog. Erlanger Ausg.) Briefwechsel, hearb. u. mit Erllut.
vera. v. E. L. Enders. Bd. 4. Calw u. Stuttgart, Vereinsbuohhandl. VIU, 383 S. M. 4,50. — 10) E. L. Enders, 3 Luther-
hriefe: ThStK. S. 370/4. — II) P. Vetter, Luther, Jonas u. Melauchthon an Herzog Heinrich v. Hachsen, Wittenberg,
d. 25. Nvbr. 1539: ZKG. 12, S. 620/1. — 12) Luthers eigenhändiges BctracUtungsbuch Über d. Leiden Christi: ThLBl. 11,
S. 448; 12, S. 14, 42, 50, 88; FZg. N. (i, 9; SchwltbMerk. 9. Jan.; HambCorr. N. 35. — 13) M. Luther, V. d. guten Werken.
(1520.) Aus d. Origha. her. v. N. MUllor. (= Noudrr. dtsch. Litteraturwerke d. 16./7. Jh. N. 93/4). Halle, Niemeyer. 111 S.
177 G. Kawerau, Luther. 11 6: i4-i'0.
als Drurkvorlage benutzten Hh. darf das Interense des Lutherforschers wie des Germa-
nisten in gleicher Weise, wenn auch unter verschiedenen Gesichtspunkten, bean-
spruchen. — Für Hendels Bibliothek der Gesamtlitteratur hut H. Wittenberg'*-'**)
drei Hefte Lutherscher Schriften sprachlich bearbeitet (modernisierter Text), mit Ein-
leitungen versehen und teilweise auch mit Anmerkungen ausgestattet. An allerlei Mühe
hat er es dabei .ücht fehlen lassen, so z. B. in den anscheinend selbständig zusammen-
getragenen Erläuterungen zu der Schrift „An den christlichen Adel". Die bereits vorhandenen
trefflichen HCilfsmittel scheinen ihm hierbei unbekainit geblieben zu sein. Er würde
z. B. sonst auch für das Heft, welches den „Sendbrief an Leo X.'' und die Schrift „Von
der Freiheit eines Christenmenschen" bietet, Knaakes vortrefflichen Neudruck der wirk-
lichen Originale zu Grunde gelegt haben, anstatt zwei Drucke von 1520 zu wälden, die
trotz des „Wittenberg" auf dem Titel doch nur ein Augsburger und ein Leipziger
Nachdruck sind. Das dritte Heft bietet die geistlichen Lieder, genau in der Reihen-
folge wie in Danneils Sammlung (Frankfurt a. M. 1883), also dem W^ackemagelschen
Versuch einer chronologischen Ordnung im wesentlichen folgend ; von „Aus tiefer Noth"
giebt W. gleich Danneil nur die umgearbeitete, nicht die erste Form. Bedenklich ist
hier S. 23 die Umsetzung der Worte: „Das lass ich dir zu letze" in „Das lass ich dir
zur Lehre". Auch sonst zeigt sich der Herausgeber bei im ganzen sorgfältiger Arbeit
seiner Aufgabe nicht überall gewachsen ; verfehlt ist z. B. in Heft 515, S. 12 die Anm. 2,
wo Luthers Ausdruck falsch verstanden ist; in sachlicher Beziehung ist S. 07 Anm. 1
die Erklärung zu „Pikarden" zu beanstanden, da der Herausgeber nicht ahnt, dass
Luther die böhmischen Brüder so benennt, und sich dafür aus Gottfr. Arnold (!) eine
Erklärung des Wortes herbeiholt. Die Einleitung zu Heft 515 überschätzt die Bedeutung
der Romreise für Luthers innere Entwicklung ganz erheblich und drückt sich so un-
vorsichtig aus, dass der Leser meinen muss, die Schrift ,,An den christlichen Adel" wäre
der Verbrennung der Bannbulle erst nachgefolgt. Jedem der drei Hefte ist eine Nach-
bildung des schönen Schnorr v. Carolsfeldschen Lutherbildes beigegeben, welches durch
Köstlins kleine Jubiläumsschrift (Halle 1883) zuerst bekannt gemacht wurde. —
Mit Dank wird jeder die Vollendung der bereits JBL. 181)0 II 6 : 14 genannten
Sammlung der zwischen Luther und Emser 1521 gewechselten Streitschriften
begrüssen. Enders 'ö) hat durch zuverlässige Neudrucke uns hier die seltenen
Emserschen Schriften leicht zugänglich gemacht; auch für die Lutherschen felilt uns zur
Zeit noch der kritische Abdruck der Weimarer Ausgabe, so dass auch ihr Neudruck
willkommen geheissen werden muss. Gern würde man freilich neben der knappen, aber
zuverlässigen Einleitung auch noch Erläuterungen für den Text selbst, besonders Nach-
weisungen der Stellen, auf welche der Gegner jedesmal Bezug nimmt, von E. sich haben
geben lassen. — Ueber die Schrift „De captivitate babylonica" giebt Krummacher")
— es war die letzte Arbeit des inzwischen Verstorbenen — eine übersichtliche Analyse
des Inhalts, bei welcher er mit Recht hervorhebt, dass es sich für Luther nicht in
erster Linie um Berichtigung von Irrtümern oder Widerlegung falscher Lehrmeinungen
handelt, sondern darum, dass das Evangelium von der Gnade Gottes von allen Ver-
dunklungen frei erhalten, den Christen ihr freier Zugang zu Gott und die Freiheit ihres
Urteils in religiösen und ethischen Dingen durch hierarchische Mittlerschaft und hier-
archische Gewissensherrschaft nicht verdunkelt werde. — In diesem Zusammenhange
sei aiich der aus der vatikanischen Bibliothek von Brieger'8) hervorgezogene Brief
Aurifabers ai\ Gasser von 1559 erwähnt, weil er uns schätzenswerten Einblick in die
Arbeit des Briefschreibers an der Herausgabe der Predigten sowie der Tischreden
Luthers gewährt. — Für Luthers Tischreden ist aus dem Berichtsjahr nur die wert-
volle Recension zu verzeichnen, welche Enders '*) der schon 1888 erschienenen Pre-
gerschen Ausgabe der von Schlaginhaufen gesammelten l^schreden gewidmet hat Sie
bietet fl\r die Erklärung des Einzelnen eine Reihe schätzenswerter Beiträge. —
Zu den bedeutendsten Arbeiten gehört das mit reichen, trefflich ausgeführten
Kunstbeilagen würdig geschmückte Werk W. Walthers 20) über die deutsche Bibel-
übersetzung des Mittelalters. Hat dieses es auch mit Luther direkt nicht zu thun,
so liefert es doch die unerlässliehe Vorarbeit für die Beurteihuig dessen, was Luther
auf diesem Gebiete geleistet hat. Ist auch im vorigen und in diesem Jahrhundert
M. 1,20. ilLZg". S. 167/8.] I — 14) id., An d. ehristl. Adel dtsch. Nation von d. chrisU. Standes Besserang. Eingel. n. her. r.
H. Wittenberg. (= Bibl. d. Gesamt-Litt. N. 515.) Halle. Hendel. 82 S. M. 0,25. — 15t id., E. Sendbrief an d. Papat
Leo X. u. V. d. Freiheit e. Christenmenschen. Zwei Reformationaschriflen. (— Bibl. d. Oemmt-Litt N. 514.) ebda. 45 S.
M. 0,25. - 15a) id., GeisU. Lieber her. v. U. Wittenberg. (= Bibl. d. OesamUitt X. 509.) ebda. 72 S. M. 0,i5. —
16) Luther u. Emser. Ihre Stroitschriaen aus d J. 1521, her. r. L. Enders. 2. Bd. (= Neadrr. dtsch.
Litteratnrwerke d. 16./7. Jh. N. 96/8. Flugschriften aus d. Befonnationsieit N. '.».) Halle, Niemoyer. XII, 223 S. je M. O,*».
— 17) H. Krummacher, Luthers Schrift: V. d. babyl Gefangenschaft d. Kirche: DEBll. 16, S. 191-201. — 18) Th. Brieger.
E. Brief Joh. Aurifabers an Achilles Pirmin Gasser, Weimar, 28. Nov. 155«: ZKG. 12, S. 624'6. — 19) L. Enders, W. Prejer,
Lutliers Tischreden aus d. J. 1531 2 nach d. AufieichnungfR v. Joh. .Schlaginhaufen. Leipzig 1888: ThLZ. lt>. .>^. 522 4. —
20) W. Walther, D. dtsch. BibelBbersetiung d. Mittelalters. 3. Tl. Braun.schweig, Wollermann. 1889-92. 4». IV, 7t}6 S.
JahrMberichte fUr neuere deutsche Litteraturgeschichte II (>>. 12
II 6: 21-22. Gr. Kawerau, Luther. 178
schon von manchem Antiquarius, von Germanisten und Theologen an diesem Gegen-
stand gearbeitet worden, so ist doch hier zum ersten Male die Aufgabe in ihrem ganzen
Umfange und mit sicherer Methode angefasst worden. In rastloser Umschau auf
Deutschlands Bibliotheken, deren er viele persönlich aufgesucht hat, hat W. einen
Ueberblick über den Vorrath von Hss. und Drucken gewonnen wie keiner vor ihm;
durch mühsame Vergleichungen ist es ihm gelungen, die Masse nach Uebersetzungs-
zweigen zu ordnen, diese teilweise in verschiedenen Redaktionen zu verfolgen. Durch
vergleichende Tabellen mit gut ausgewählten Textproben aus den verschiedenen Ueber-
setzungszweigen macht er es allen, die nun hinter ihm her arbeiten wollen, leicht, etwa
neu gefundenes Material einzuordnen und zu bestimmen. Besonnenheit und Vorsicht
in Schlussfolgerungen und Kombinationen zeichnen durchweg die Arbeit aus. Er hat
seine Untersuchungen so angelegt, dass er von der bekannten, am meisten schon bisher
behandelten gedruckten Bibel des MA. ausgeht, die 14 Drucke derselben richtig ordnet;
er weist schlagend nach, dass selbst diese bibliographische Frage bisher ganz unge-
nügend gelöst gewesen war: so erweist sich die sog. 1. Bibel vielmehr als die 2., die
5. als die 4. Es zeigt sich ferner, dass die Bücher der Makkabäer einer anderen Ueber-
setzung entnommen sind als die Hauptmasse, u. dgl. Von den Drucken schreitet die
Untersuchung zu den Hss. desselben Uebersetzungszweiges vor; die fremden Bestand-
teile aus anderen Uebersetzungen, die W. in Drucken oder Hss. dieses Zweiges antrifft,
leiten ihn zur Aussonderung weiterer Uebersetzungszweige. So bahnt er sich einen
Weg auf noch fast ungeebnetem Boden, sichtet dann, was er weiter gefunden, z. T.
nach neuen Gruppierungsprinzipien (z. B. Psalmen, salomonische Schriften). Endlich
werden auch noch die holländischen Uebersetzungen so weit berücksichtigt, als es die
Geschichte der niederdeutschen Bibeln erfordert. Schliesslich überschauen wir einen
Vorrath von 18 vollständigen Bibeldrucken, einem holländischen A. T., 31 Drucken ein-
zelner biblischer Bücher, sowie 202 Hss. grösseren und geringeren Umfangs, in denen
sich ausser 32 Psalmenübersetzungen 40 unterscheidbare Uebersetzungsversuche, teils
der ganzen Bibel, teils einzelner Stücke uns darbieten. Dabei stellt sich heraus, dass
die überwiegende Mehrzahl der Hss., also auch wohl das lebhaftere Bedürfnis nach
einer deutschen Bibel, dem Ende des MA. von etwa ] 340 an zugehört. Dass nun aber
immer wieder neue Uebersetzungen gemacht werden, zeigt, dass unter den Bibelfreunden
wenig Zusammenhang besteht, dass jenes Bibelverbreiten einen mehr privaten Charakter
trägt. Nicht gerade, dass es als ketzerisch gilt; nur vereinzeilte Spuren führen
darauf, dass diese oder jene Hs. einem Waldenser angehörte, während für eine grössere
Zahl gut katholische Verfertiger oder Besitzer nachweisbar sind. Aber es handelt sich
hier doch um eine von der offiziellen Kirche nicht begünstigte, nicht autorisierte, oft
scheel angesehene Arbeit; die Freunde der deutschen Bibel bilden eine Unterströmung,
die der offiziellen Kirche leicht verdächtig werden konnte und auch mehrfach verdächtig
wurde; Bibelverbreitung von katholisch - kirchlicher Seite erfolgte erst in der Refor-
mationszeit als notgedrungene, auch jetzt nur ungern ausgeführte Gegenwirkung gegen die
rapide Verbreitung der Bibel Luthers. Es ist nicht möglich, die Fülle interessanter
Ergebnisse, welche W.s auch mit bemerkenswerter konfessioneller Unbefangenheit
geführte Untersuchungen zu Tage gefördert haben, hier wiederzugeben. Jedenfalls
ist das Material jetzt in einer Vollständigkeit wie nie zuvor zusammengetragen und
klassifiziert; mögen spätere Forschungen noch manche Lücke ausfüllen, manche Einzel-
fragen in helleres Licht setzen, so wird doch alle weitere Arbeit auf den Schultern
dieses Vorarbeiters ruhen. — Die Frage nach dem Verhältnis der Bibelübersetzung Luthers
zur gedruckten deutschen Bibel des MA. hat durch Biltz^i) eine neue Beleuchtung
gefunden. Es ist ihm nämlich wirklich gelungen, einige wenige Stellen bei Luther zu
entdecken, in denen sich gelegentliche sprachliclie Bemerkinigen auf die vorlutherische
gedruckte Bibel zu beziehen scheinen. Damit wäre wenigstens für spätere Jahre in
Luthers Leben ein gewisses Mass von Bekanntschaft mit dieser Uebersetzung erwiesen.
Dass aber durch solche Nachweisungen die Frage nach der Selbständigkeit und Unab-
hängigkeit seiner eigenen Uebersetzung nicht entschieden werden kann und dass die
methodische Untersuchung dadurch nicht beseitigt wird, welche Walther jüngst
(vgl. JBL. 1890 II 6:23) dieser Frage gewidmet hat, wird wohl auch B. sich nicht
verhehlen. Der Schluss, den er sofort auf Grund jener wenigen Stellen, an denen
Luther einzelne Uebersetzungsformen der mittelalterlichen Bibel erwähnt, zu ziehen
wagt: „Also kannte er diese Uebersetzung nicht nur, sondern benutzt« sie auch kritisch",
ist in dieser Allgemeinheit richtig oder falsch, je nachdem man den Ausdruck versteht.
Er kann sehr viel sagen und kann unendlich wenig bedeuten; wie wenig er aber nur
zu besagen hat, das hat Waither mit aller Klarheit nachgewiesen. Es verdient hier
auch Erwähnung, dass B. fast gleichzeitig mit Walther, und mit ganz ähnlichen Argu-
M. 28,00. l[G. Kawer»u: TliLBl. 1890, N. 13/4, 18H2, N. 31/8.]| — 21) (I 3: 130; S. 97-148.) - 22) J. Luther, Mircusevangelioii
179 G. Kawerau, Luther. II A: ts-u
menten, die Wahriiehnmng gemarht hat, dass die bisher al8 erste deutsche Bibel be-
trachtete vielmehr der zweite Druck ist und das« die sogenannte zweite den Ruhm der
editio princeps verdient. Dass ß. jetzt für seine Entdeckung den Ruhm der Priorität
für sich in Anspruch nimmt, ist nur in dem Sinne richtig, dass er in einem Zeitungs-
artikel etwas früher damit vor das Publikum gekommen ist als Walther mit der Ausgabe
seines grossen Werkes. Es darf aber daran erinnert werden, gerade weil B. hier
ängstlicli für sich Ansprüche geltend zu maclien sucht, dass das Vorwort des betreffenden
Teiles der Walterschen Arbeit vom Juli 18H9, der B.sche, hier neugedruckte Zeitungs-
aiiikel vom September desselben Jahres stammt. Man wird mit Vergnügen die bei
Walther nur kurz skizzierte Beweisführung bei B. weiter ausgeführt und durch zahl-
reichere Beispiele erhärtet sehen. Schade, dass der fleissige Vf. den bösen Tick des
Privatgelehrten gegen sämtliche berufsmässigen Vertreter der Wissenschaft so wenig
überwinden kaiui und seine wertvollen Arbeiten, wenigstens für unseren Geschmack,
durch Zuthateii verbissener Anerkennungsbedürftigkeit verunziert. — Die sehr sorgsame
Recension, welche J. Luther ^2) der Reifferscheidschen Ausgabe des Markusevan-
geliums Luthers gewidmet hat, zeigt bei aller Anerkennung der Sorgfalt, die auf jene
kritische Ausgabe vei-wendet ist, dass auch hier der Mangel einer zuverlässigen Luther-
bibliographie bemerkbar wird; denn weder sind die noch existierenden Wittenberger
Originalabdrucke vollständig zur Benutzung gekommen, noch ist dem Herausgeber der
Fehlgriff erspart geblieben, einen Nachdruck, weil er verführerisch ein „Wittenberg"
auf dem Titel zeigte, für eine Originalausgabe zu nehmen. Auch was L. hier gegen
Reifferscheid über den Charakter der Lottlierschen Drucke bezüglich der Verwendung
der Umlaute geltend macht, muss ich nach meiner Bekanntschaft mit jenen als zu-
treffend anerkennen. — Besonderer Beachtung wert scheint mir die Recension zu sein,
welche H. Brandes 23) jetzt noch der Studie von E. Scjiaub über die niederdeutsche
Bibel in ihrem Verhältnis zu der Lutherschen gewidmet hat, indem hier Bugenhagens Anteil
an der niederdeutschen Bibel wesentlich anders, und meines Erachtens richtiger, be-
stimmt wird, als Schaub gethan hatte. Während letzterer Bugenhagens bekanntes Von^'ort
so interpretiert, als wenn dieser dem des Griechischen unkundigen Uebersetzer an allen
schwierigen Stellen seine Hülfe geliehen, und unter diesen schwierigen Stellen solche ver-
standen wissen will, an denen Luthers Version nach dem Grundtexte berich tigt werden musste,
zeigt B., dass es sich nach Bugenhagens Worten nur um das Germgere handelte, dem
Vf. zu helfen, wo Luthers hochdeutsche Rede schwierig im Niederdeutschen wiederzu-
geben war. Auch in anderen Beziehungen verdient diese sorgsame Recension beson-
ders notiert zu werden. ^^a) — Das Programm vonKolbe^^) wendet sich nicht au Fach-
genossen, sondern an die Schüler und deren Eltern, um etliche sprachliche Erläute-
rungen zum Wortverständnis der Lutherschen Bibeltibersetzung und seines Katechismus -
textes zu bieten. Ich hebe hervor, dass K. Luthers .,ich bin ein guter Hirte" (onotftiy)
gegen die Bibelrevisoren in Schutz nimmt unter Berufung auf den auch sonst nach-
weisbaren demonstrativen Charakter des „ein", und dass er in Luthers Erklärung des
ersten Artikels des Katechismus in der neuerdings melirfach behandelten Streitfrage
nach der richtigen Konstruktion des betreffenden Satzes und dem richtigen Verständnis
des Wortes „versorget" den lateinischen Uebersetzungen folgt, welche hier „versorgen"
ungewöhnlich gleich „largiri" fassen, so dass es , jemandem etwas" von Luther konstruiert
sein müsste. Es werden sich gegen diese ungewöhnliche Auffassung trotz des Zeug-
nisses der alten lateinischen Versionen mancherlei Einwendungen geltend machen lassen. —
Auch sonst ist für Luthers kleinen Katechismus wieder manches gearbeitet,
es kann aber nur solches hier erwähnt werden, das über den Rahmen der vulgären
Katechismuserläuterung für Schulzwecke liinaus geht. Die Publikation von G. Ka-
werau 25) beabsichtigt, das Material der Katechismusversuche zu vervollständigen, welche
schon vor 1529 auf Grund eines allgemein empfundenen Bedürfnisses von Mitarbeitern
Luthers hier und dort veröffentlicht worden sind. Mehrere solcher Vorarbeiten hatte
einst Hartmann 1844 in seiner Schrift ,,Aelteste katechetische Denkmale der evangelischeu
Kirche" leicht? zugänglich gemacht. Auch die Katechismen der böhmischen Brüder
waren seitdem durch v. Zezschwitz und durch Joseph Müller in bequemen Ausgaben vor-
gelegt. Hier sind nun zwei bisher ganz ausser Betracht gebliebene katechetische Ver-
suche jener Jahre aus der Vergessenheit gezogen: der Katechismus eine^ sonst ganz
unbekannten Petrus Schultz von 1527 und eine ähnliche, nur ungefalir datierbare Arbeit
des bekannten Christoph Hegendorf. Die Ausgabe selbst lässt es sich angelegen sein.
M»rt. Luthers, her. v. AI. Reifferscheid. HeUbronn 1889: ADA. 17, S. 127-3»'.. — 23) H. Brandes, K. E. Schaub, t^r d.
nd. Üebertrag. d. Lutherschen febers. Greifswald. Dissert 1889: ZDPh. 24, S. 132 6. - 23a) X F- Martin, D. Psalmen
Davids. Kurze Erkl. v. ö4 ausgew. Psalmen. Nebst >>. Anhang: Dr. M. Luthers Summarien Über d. Psalmen. 2. AafL bnntlan,
Kreuschner III, 162 S. M. 2,00. — 24) A. Kolbe, Beitrr. x. WOrdigung d. dtseh. Bibel u. d. kleinen Katechismus Dr. M. Luthers.
Progr. Treptow a R. Leipzig, Fock. 40. lUS. M. 0,60. {[ThLBl. 12, S. 118.] - 25) Zwei tlteste Katechismen d. lutber. Reformation.
Neu her. v. 0. Kuwerau. (= Neudrr. dtseh. Litteraturwerke d. 16. 7. Jh. N. 92.) Halle, Niemeyer. 60 S. M. 0,«ii.
12*
II 6: 2fi-35. G. Kawerau, Luther. 180
die Abhängigkeit des erstgetiaiuiten Vf. von Luther zu konstatieren und im einzehien nach-
zuweisen und sodann in der Einleitung möglichst vollständig das bisher bekannte Ka-
techismusmaterial jener Jahre übersichtlich zusammenzustellen. — Die Arbeit von Nebe26),
gleich einer etwas älteren von Hardelands^), ist dem Ref. leider nicht zu Gesichte ge-
kommen ; was beide wollen, sagt der Titel, und gegenüber der allmählich eingedrungenen
Behandlung des Katechismus unter Gesichtspunkten, welche Luther selbst fern gelegen
haben, darf jeder Versuch, den Katechismus aus den Schriften seines Vf. selbst zu ver-
stehen, Luther aus Luther interpretieren zu wollen, als eine heilsame Auffrischung be-
grüsst werden. Ich verweise für die Beurteilung des von N. Geleisteten auf die Be-
sprechung von E. Ch. Achelis. — Die Schrift von Dörries 28^ hat in theologischen Kreisen
viel von sich reden gemacht, da sie ein hervorragender Versuch ist, den Katechismus
mit den Anschauungen der Ritschlschen Theologie in Einklang zu bringen und von
diesem Standorte aus schulgemäss zu behandeln, wobei es denn ohne Umdeutungen
nicht abgeht, so energisch auch D. bemüht ist, Luther aus Luther selbst zu verstehen,
und so häufig er der Tradition gegenüber im Rechte ist. — Graues) dagegen benutzt
Luthers kleinen Katechismus, um nach dem Schemi desselben eine Reihe biblisch-
theologischer Spekulationen ziim Vortrag zu bringen, lehrreich, um die persönliche
Gedankenwelt des Vf., aber weniger brauchbar, um die Gedanken, welche Luther selbst
im Katechismus zum Ausdruck hat bringen wollen, zu erkennen. — A. Ebelings, JBL.
1890116:30 erwähnter. Versuch, durch sprachliche Ueberarbeitung und Modernisierung
den Katechismustext der Schuljvigend leichter zugänglich zu machen, hat, soweit dem
Ref. bekannt geworden, in den nun vorliegenden Besprechungen ^o) doch nur geteilte
und verklausulierte Zustimmung , häufig auch Zurückweisung gefunden. — Auch
Knoke^i) kommt in seinen Erörterungen zu einzelnen Katechismusstellen auf die von
Kolbe behandelte Schwierigkeit betreffs der richtigen Konstruktion der Erklärung zum
ersten Artikel zu sprechen und will sich im gleichen Sinne wie Kolbe entscheiden. Im
übrigen behandelt er aus Fragen des Wortverständnisses besonders noch die, was
Luther wohl im dritten Artikel unter den Worten „der heil. Geist hat mich mit seinen
Gaben erleuchtet" gemeint habe, verwirft mit vollem Recht die traditionelle Be-
ziehung auf Gesetz und Evangelium oder auf Busse und Glauben und erklärt wohl zu-
treffend unter Berufung auf verschiedene parallele Aussprüche Luthers den Ausdruck
von den Gnadengaben des heiligen Geistes. —
Die Zeitschrift für deutsche Philologie hat die im vorigen Jahrgang begonnenen
sprachliclien Beiträge zur Erläuterung von Besonderheiten in Luthers Schriften in
lexikalischer oder grammatischer Beziehung weiter fortgesetzt. Köstlin^s) erörterte die
Redeweise „mit lungen auswerfen" (= pilis ex stercore equino confectis), „spielen tragen"
(= aufziehen, sich lustig machen), ,, Quecksilber in den Teich werfen" (= ?). Auch
lieferte K. neue Beispiele zu dem JBL. 1890 II 6 : 2 erwähnten Gebrauch des „thät"
in Konditionalsätzen in der negativen Bedeutung „wenn nicht vorhanden wäre". — Bir-
linger ^^a) brachte für letzteren Gebrauch seine in der ZDPh. 16, S. 374 aus S. Franck und
C. Dieterich schon früher gesammelten Beispiele in Erinnerung und fügte neue hinzu. —
G. Kawerau 33j machte daneben auf die bei Luther mehrfach wiederkehrende Redensart
in bus correptam {— es nimmt mit jemand ein Ende mit Schrecken) aufmerksam; ver-
schiedene Deutungen wurden versiicht und auch mit Hülfe der lateinischen Grammatik
jener Zeit und der Annahme eines Schülerwitzes einiges Licht in die Entstehung des
bei anderen Schriftstellern unseres Wissens noch nicht nachgewiesenen Ausdrucks ge-
bracht. Das Wort „Pappenblume" bei Luther wird von K. als von pappus abgeleitet,
als Blume mit Federkrone (nicht Papierblume) erklärt. — Auch lieferte G. Kawerau**)
weitere Belege für die überraschend weite Verbreitung jenes Gebrauches von „thät"
bei Luther und in der Litteratur des 16. Jh. —
Wenden wir uns zur Biographie. Auf deutschem Boden sind evangelischer-
seits nur ältere Gesamtdarstellungen in Neixauflagen erschienen. Köstlins^^) illu-
strierter Luther hat, wie man mit Freuden konstatieren darf, nun bereits die 9. Auflage
und das 37. Tausend erlebt. — Sehr viel grösser noch ist die Verbreitung, die ein paar
|[Q. Muller: ThLBl. 12, S. I15/6.]| — 26) O A. Nebe. D. kleine Katecliisinus Luther», ausgelegt ans Luthers Werken. Stuttgart,
Greiner & Pfeitfer. IX, 397 S. M. 4,80. |tE. Ch. Achelis: TliLZ. 1893, S. 115/7.J | - 27) O Th. Hardeland, D. kleine Katechismus
D. M. Luthers lUr d. üemeine-Pfarrherrn u. Prediger nach Luthers Schriften ausgelegt u. mit Auszügen aus Luthers Schriften vers.
ßOttingeu, Vandenhoeck & Ruprecht. 1889. VI, 230 S. M. 3,00. — 28) B. Dorries, Erklärung d. kleineu EateclUsinas
Dr. M. Luthers. E. Beitr. /,. Reform d. Katechismusunterrichts. 1. Tl. D. Glaube, ebda. VI, 312 S. M. 4,00. |[Bornemaun:
ThLZ. 1893, S. 119— 20.]| — 29) K. F. Grau, Luthers Katechismus, orkl. aus biblischer Theologie. E. kuize Glaubenslehre.
Gttlersloh, Bertelsmann. VIII, 112 S. M. 1,40. — 30) A. Ebeling, Ur. M. Luthers kleiner Katechismus: EKZ. 1890, N. 23;
E. Höhne: ThLBl. ö. 299-300; J. Heideraann: ZGymn. Okt.; Kloppenburg: SchleswHolstSchulZg. 39, S. 51/2. —
31) K. Knoke, Einige Winke für e. richtige Deutung einxoluor Stellen in Luthers Erklärungen zu s. kleinen Katechismus:
Z. evang. Religionsunterricht 2, S. 107—30. — 32) J. Köstlin, Beitrr. aus Luthers Schrillen z. dtsch. Würterb.: ZDPh. 24.
S. 87—42, 425/6. — S2a) A. Birlinger, Thete da», thet, thate — rahd. entete: ib. S. 43. — 33) G. Kawerau, ,In bus
correptam" — e. Anfrage: ib., S. 42/3, 424/6. — 34) id., Z. dtsch. Wörterb. — Nochmals thät in Bedingungssätzen bei Luther. —
Neue Belege mr d. Gebrauch T. th»t« :=: mlid. eutete bei Luther: ib. 23, S. 293/3; 24, S. 201/2: - 35) J. Kfist 1 i n , Luthers
181 G. Kaworau, Luther. 1( 6: 3«)-44
kleine volkstninliche, zum Lutherjubiläum 18ft3 eiiiHt entstaiulene iSchrifteii gefunden
haben. Disselhoffs ä"') frisch geschriebene, reich illustriert« und fabelhaft billige
Schrift ist nun bereits m mehr als 700(XX)Exemi)laren verbreitet, und wenn Völters'')
noch kleinere Volksschrift jetzt bereits in 51. Auflage ausgeht, so lässt auch das eine
ansehnliche Verbreitung erkeinion. — Doch dass wir nicht vergessen, ein deutscher
Biogi-aph Luthers hat ja nun seine Arbeit abgesclilossen : der letzte Band von Evers''^)
„Martin Luther" ist erschienen, und in ihm sind die ftir die fiJinnesweise des Vf. höchst
dankbaren Kajjitel über Landgraf Philipps Doppelehe und über die letzten Lebensjahre
und das Ende Luthers behandelt. E. schwelgt denn auch in seiner Darstellung der
Verworfenheit und Verkommenheit jener sogenannten Reformatoren und zerpflückt ihren
Heiligenschein, dass man ordentlich fühlt, wie wohl das seinem Konvertitenherzen thut.
Freilich, trotz aller Anstrengung und allem gelehrten Aufputz wird E. nicht erreichen,
dass man ihn als Historiker ernst nimmt. Vor einer solchen Verkennung bewahrt ihn
schon sein Pamphletstil, den er virtuos handhabt. Vm von dem Scliinutz zu schweigen,
den er z. B. S. (589 mit unreiner Phantasie auf geradezu widerliche Weise in Luthers
Briefe hineinliest, ist sclion sein Stil völlig ausreichend zur Charakteristik der Qualität
dieser Geschichtswissenschaft. Man braucht eben nur statt Luther konsequent zu schreiben
„der Irrtumslose", „die wittenbergische Heiligkeit", „der saubere Geselle", „der witten-
berger Papst", „der Papstfresser" u. a., oder wenn er aus schwerer Krankheit genesen
ist, „der glücklich wieder urinierende Gewaltige", statt Friedrich der Weise und anderen
Fürsten „die Kirchenhäuptlinge", „die Apostasierten", „die Landespäpste"; wo man von
Luthers Schriften redet, immer „das Machwerk", ,,das unendliche Geschwätz", „das
Phrasengeklingel", „die Schmutzschrift", „das ermüdende Gewäsch" u. a. zu sagen, seine
Freunde als seine „Kneipgesellen" zu bezeichnen oder mit „Ehren-Jonas", ,,Ehren-
Butzer" usw. zu titulieren, wo man Luthers lateinische Briefe übersetzt und er von
seiner uxor redet, das immer wiederzugeben mit dem wirkungsvollen „das Weib", und
schliesslich statt Küstlin immer nur zu schreiben „der hallische Geschichtsverständige''
oder „der Hallenser", so wird es ja wohl Leser geben, nach deren Geschmack derartige
litterarische Roheiten sein mögen, ernsthafte Leute nehmen aber die Lehre daraus,
dass der Vf. von dem Ernst einer historischen Aufgabe noch keine Ahnung hat, und
legen den bändereichen Polterer .und Schmähredner, dem die Ruhe fehlt, um die ein-
fachsten Texte noch verstehen zu köinien, — wiederholt er doch z. B. S. 520 abermals
das sinnlose angebliclie Lutherdictiun „ich heuciile dem lieben Gott", obgleich Köstlin
längst gezeigt hat, dass hier ,, befehle |e8|"', zu lesen sei — mit dem Bedauern beiseite,
dass der moderne Ultramontanismus Historiker von dieser armseligen Gestalt produziert
und nicht Disciplin genug übt, solchen Leuten ihr unwürdiges Gewerbe zu verleiden. —
Eine eigentümliche Ueberraschung hat uns das katholische Kirchenlexikon mit der nun-
mehr dort erschienenen Bearbeitung des Artikels , .Luther" gebracht. Man durfte ja
gespannt darauf sein, durch wen und in welchem Tone dieser Aufsatz verfasst werden
würde. Die Redaktion hat es sich aber sehr bequem gemacht und zugleich an einem
grossen Verstorbenen einen Akt der Ungerechtigkeit geübt; sie hat nämlich Döllingers
berüchtigten Aufsatz, den er einst vor 40 Jahren für die 1. Auflage beigesteuert, in-
zwischen aber läng.st desavouiert hatte, fast unverändei"t unter seinem Namen neu ab-
gedruckt. Die Verändennigen beziehen sich auf die Berichtigung eines falschen Datums,
die Streichung seiner Klage, dass genügende Lutherbiographien bis jetzt noch nicht
existierten, und dergleichen Kleinigkeiten; ausserdem sind Litteraturangaben aus den
letzten 40 Jahren ergänzend hinzugefügt worden. Hier finden wir denn auch die Auf-
zählung der ,, befriedigenden" und „vollständigen" Darstellungen, die Luthers Leben
seither gefunden, nämlich dm'ch Janssen, Hergenröther und Evers (!), denen prot«8tan-
tischerseits Ranke, Köstlin, Plitt und Kolde gegenübergestellt werden. Wie wenig
man dabei wirklicli die Lutherlitteratm- kennt, ven-ät die Angabe über die Weimarer
Lutherausgabe, von welcher bis jetzt „7 diverse Bände deutscher (!) Schriften" aus-
gegeben worden seien. — Die Biographie des Italieners (Waldensers) Pons <^) ist ein Aus-
zug aus der grossen Biographie von Kuhn, in Anlage und Ausstattung unserem illustrierten
Köstlin vergleichbar. — Die Arbeit des Ungarn Farkas*') kann nach den darüber ver-
lautenden Urteilen der Sprachkundigen wissenschaftlichen Wert nicht beanspruchen,
nimmt aber luiter den Arbeiten in ungarischer Sprache einen hervorragenden Platz ein.*^) —
Leben. Mit authent. Illustr. 9. Aufl. (34/7. Tausend). Leipzig. Keisland. XVI, 623 S.. 65 Abbild, u. 8 Beil. M. 8,00. — 36)
J. Disselhoff, JubelbOchlein zu Dr. M. Lntbera 400j. Oeb. in Wort a. Bild fUr Alt u. Jung. 16. Anfl. Kaicerswertb, Di«kon.-
Aust. \il S. M. 0,30. (.Bis jetit 770000 ExempL) — 37) J. E. VOlter, Dr. M. Lutber. E. Jubelbild xa «. 400. Geb. 5L Aafl.
Ludwigsburg, Qreiner & Ungeheuer. M. 0,20. — 38) G. G. Evers, M. Luther. Lebens- u. Charkt«rbild, v. ihm seibat g»-
zwcbnet in s. eigenen Sclirifteii n. Korrespondenzen. 14. (Schluss-) Lfg. Mainz, Kirchheim. VIII, 369—760 S. M. 3,75. (Cplt
M. 37,3.'>. 6 Bde.) — 39) .1. Dfilli nger.H. Lutber: Welzer u. Walte, Kircbenlexikon 2. Aufl. 8, .'<. 308-47. — 40) Bart. Poos.
Martine Lutero Kiformatore. La sua viU et le sue opere Fireuze, tipogr. Claudiana. 1890.428 8. L. 3,50. |[ThLBI. IS, .'^. 89— W;
Italia evangelica v. 19. Jau.]| — 41) Parkas, Dr. M. Luther. E. Biogr. Kr d. er. Volk. (In nngarischer Sprache.) Tjrnun.
1890. 208 S. FL 1,20. ,[M. .StUvik: ThLBL 12, S. 308,9.]| - 42) (I 7:73.) - 43) Gl 3:43.) — 44) G. Buihwald,
IT 6: 46-49. G^' Kawerau, Luther. 182
Eine neue Quelle zeitgenössischer Aufzeichnimgen und Urteile über Liither
fliesst uns jetzt in der von Euling ^'■^) herausgegebenen Chronik des Hildesheimer
Prälaten Joh. Oldecop. Zwar war dieselbe in einzelnen Teilen schon längst
der Lutherforschung bekannt. Der später der Reformation feindlich gesinnte Vf. hatte selbst
in Wittenberg studiert und diente uns gerade für die ersten Jahre von Luthers
Docententhätigkeit als wertvoller Berichterstatter. Nun liegt das Ganze seiner Auf-
zeichnungen vor, aber, soviel ich erkennen kann, ohne wesentliche Bereicherung
für die anderen Teile aus Luthers Leben. Der Vf. steht im Banne der Fabeln
und feindseligen Gerüchte, wie sie seit des Cochläus Biographie auf litterarischem Wege
im katholischen Deutschland verbreitet wurden; auf selbständiger Kunde beruhen
fast nur jene schon längst bekannten Mitteilungen. Doch steckt auch wohl noch Wahr-
heit in seinem drastischen Bericht über die Verlegenheit der Wittenberger Theologen,
als einst Abendmahlswein verschüttet war. Wer Luthers unklare Haltung gerade in
diesem Punkte genauer beachtet, wird der Scene, die uns Oldecop schildert, einen
Wahrheitskem nicht abzusprechen vermögen. — Eine ganze Reihe von Beiträgen bringen
Untersuchungen von Einzelheiten der Lutherbiographie und teilweise neues
Material herbei. So teilt uns Buchwald44) aus einer hs. Aufzeichnung Poachs ein
Wort Melanchthons mit, aus dem wir ersehen, dass Luther eine Zeit lang als Mönch
die Pfarre Dobrun zu verwalten gehabt hat. — Wichtiger sind die neuen Aufschlüsse,
welche N. Paulus 4^) für Luthers Romreise uns gebracst hat. Die neue Quelle, die er
uns erschliesst, ist die Schrift des italienischen Augustiners Felix Milensius über die
deutschen Augustinerklöster vom Jahre 1613. Hier erfahren wir nicht allein die freilich
teilweise verstümmelten Namen der 7 Konvente, welche damals mit Staupitz in Streit
geraten waren, und lernen, dass Erfurt zu den sich auflehnenden Klöstern gehörte ;
wir hören auch, dass jene 7 Klöster infolgedessen von Rom aus am 1. Oktober 1511
exkommuniziert und dass Luther darauf als ihr Abgesandter nach Rom geschickt
worden sei. Andererseits bringt er aus Cochläus die wunderliche Nachricht bei, dass
Luther damals von den 7 Konventen „zu Staupitz abgefallen" sei. Danach scheint mir
wahrscheinlich zu sein, dass Luther als Vertrauensmann beider Teile seine Romreise an-
getreten und thatsächlich auch mit Erfolg an der Beseitigung des Konfliktes gearbeitet
hat; höchst wahrscheinlich wird aber auch, dass seine plötzliche, so wenig aufgeklärte
Rückversetzung von Wittenberg nach Erfurt im engsten Zusammenhange mit der Ver-
schärfung des Konfliktes der Klöster mit Staupitz gestanden hat. — Einen neuen An-
haltspunkt für die Bestimmung der Reiseroute Luthers auf seiner Romfahrt könnte eine
Notiz uns bieten, welche von Bolte *^) in dem Reiseberichte des Präceptors F. Gerschow
aufgefunden ist, der 1603 einen pommerschen Herzog nach München begleitete. Dort
zeigte man ihm in der Augustinerkirche den Predigtstuhl, „auf welchem Dr. Luther gut
päpstlich soll geprediget haben". Das könnte ja nur bei Gelegenheit der Romreise ge-
wesen sein. Leider aber verliert die Notiz ihren Wert durch die daran angeschlossene
weitere Kunde, dass dort auch ein Stuhl sich finde, „auf welchem er gemeinlich zu
sitzen pflegte" und dass er sich aus dem naheliegenden Nonnenkloster seine Frau ge-
holt habe. Mit Recht verweist B. letztere Angaben in das Gebiet der Küster-
legenden; damit schwindet aber doch wohl auch der Wert der Notiz über die Predigt
in München. — Was uns Gess *'') über Tetzel und über das Ablassgeschäft der Jahre
1516 und 17 mitteilt, erläutert zwar nicht direkt den Jubelablass, der zu Luthers Thesen
den Anlass gab, gewährt aber interessanten Einblick in die Verhandlungen, wie sie
zwischen ablassbedürftigen Ortschaften und Rom über die Geschäftsbedingungen geführt
wurden, unter welchen dieses Ablassprevilegien erteilte, und zeigt uns Tetzel als den
Sachverständigen in diesen Dingen, der die Stadt Annaberg hierbei mit giitem Rate be-
diente. — An die Kontroverse, welche Kawerau im Jahre vorher mit dem Passauer Dom-
kapitular Röhm über Tetzels Diktum vom „Groschen im Kasten" geführt hatte (vgl.
JBL. 1890 II 6 : 49 — 50), hat sich ein Scharmützel zwischen letzterem und dem ge-
lehrten Württemberger Landpfarrer Bossert^s) angeschlossen, in welchem der zuletzt
Genannte mit überlegenem Wissen und sittlichem Ernst das Verfahren des ultramontanen
Polemikers nach den verschiedensten Seiten hin aufdeckt und vor dem öffentlichen Ur-
teil blossgelegt hat ; auch formell eine der besten Streitschriften, welche der Verstoss
gewisser römischer Polemiker als Reaktion zu Tage gefördert hat. — Die Nachlese,
welche der gelehrte katholische Pfarrer F. Falk 49) zu Bd. 2 von Janssens Geschichte
des deutschen Volkes gehalten hat, bietet ein buntes Allerlei, Bekanntes und weniger
E. Episode aus Luthers Mönchszeit: ZKG. 12, ». 619—20. — 4S) N. Paulus: Zu Luthers Bomreise: HJb. 12, 8. 68—75,
Nachtrag S. 314 f. |[Th. Kolde: GGA. 1893, S. 87/9.]| - 46) J. Bolte, F. Gerschow Über München (1603): JbMUnchG. 4,
S. 423/7. — 47) F. QesH, E. Gutachten Tetzels nebst anderen Briefen u. Instruktionen d. Ablass auf N. Ännaberg betr.
1616/7: ZKG. 12, S. 534—62. — 48) (G. Bossert], Offenes Sendschreiben e. ^dummen Pradikanten" u. „Minister communis
rusticus" an d. liochwUrdigen u. hocligelalirte . Herrn Domkapitular .loh. Bapt. Rfiiim in Passau. Leipzig, Buchh. d. Et. Bunde.s.
96 S. M. 1,00. |[C. Fey: ThLBl. 12, S. 134/5.] | - 49) F. Falk, Curae posteriores z. 2. Bd. d. Gesell, d. dtsch. Volkes ?.
18;^ O. Kawerau, Luther. II 6: ■•<•''•
Bekanntes. Was et über die 95 Thesen mitteilt, ist im wesentlichen aus Knaakes Ein-
leitung in der Weimarer Ausgabe Bd. 1 entlehnt. Was er über Luthers Brief an Erz-
bischof Albrecht vom 31. Okt. 1517 (Enders I, S. 113 ff.) zu sagen weiss, iöt weit
weniger reichhaltig, als was bei Enders darüber zu lesen ist. Das Weitere über den
Schriftenwechsel zwischen Luther und Tetzel ist wieder Knaake entnommen. Sodann
erhalten wir die Angaben des bekannten Pirnaischen Mönches Lindner über Tetzel,
dessen Aufzeichnungen F. für bisher wenig benutzt hält; er zieht, da hier das scharfe
Urteil des Dominikaners über den eigenen Ordensgenossen vorliegt, den sehr verstän-
digen SchluHs: „Halten wir und verteidigen wir nicht, was unhaltbar ist, auch Tetzeln
nicht! Und leugnen wir ja nicht die trostlosen Zustände, in welche die Kirche durch
menschliche Armseligkeit der Priesterschaft geraten war! Ein Mann mehr oder weniger,
was thut das zur Sache!" Weitere chronikalische Beiträge über die Sittenverderbnis
infolge (?) der Reformation und Bemerkungen über „Götzenkammern" im protestantischen
Norden interessieren uns hier nicht weiter. Es thut mir leid, anmerken zu müssen, dass
aucii dieser Gelehrte, dessen treffliche Forschungen zur Bibliographie der religiösen
Litteratur am Ende des MA. unvergessen bleiben werden, liier gelegentlich sich die
tendenziösen Urteile aneignet, die bei Behandlung der Refonnation auf katholischer Seite jetzt
übb'ch sind, — Durchaus verunglückt ist das Schriftchen von Bernhardt^); denn der Neu-
druck der Bainibulle gegen Lutlier, den wir hier erhalten, ist trotz seiner hübschen
typographischen Ausstattung inkorrekt, die hinzugefügte deutsche Uebersetzung aber
wimmelt von Fehlern und Missverständnissen der .schlimmsten Art. — Eine sehr gute
Arbeit hat 0. Redlich ''') über das Marburger Religionsgespräch geliefert, indem hier
aus genauer Kenntnis ebenso der politischen Faktoren wie der religiösen Verschieden-
heiten Anlass, Vei'lauf, Ausgang und Bedeutung jenes missglückten Verein igungs Ver-
suches zwischen Wittenberg und Zürich weiteren Kreisen anschaulich erzälilt wird. —
Brieger ^-) teilt uns aus einer dem Nachlass Joli. Fabris angehörigen Wiener Hs. den
Entwurf eines Ediktes mit, das die katholische Partei im Verlauf des Augsburger
Reichstages 1530 Karl V. unterbreitete, eine beabsichtigte Neuauflage des Wormser
Ediktes, die in erster Linie gegen Luthers Person gerichtet war und mit aller Schärfe sein
Sündenregister zusammenstellte. Des Kaisers Politik hat die Vollziehung dieses Akten-
stückes verwehrt und einen weit massvolleren Abschluss jenem Reichstage gegeben. —
Zu der in den letzten Jahren so viel behandelten Stellungnahme Luthers in Sachen der
Doppelehe des Landgrafen Philipp hat ein Anonymus S'*) einen scharfsinnigen, aber
schwerlich befriedigende Lösung bietenden Beitrag geliefert. Er bemüht sich, Luthers
Verhalten in diesem traurigen Handel von dem aller anderen zeitgenössischen Theologen
zu isolieren, den Nachweis zu bringen, dass es von kirchenpolitischen Erwägungen sich
durchaus frei gehalten, lediglicli seelsorgerisch motiviert gewesen sei und daher auch bei
näherer Erwägung als .sittlich korrekt sich erweise. Es ist unmösrlich, in kurzen
Worten hier den Nachweis zn führen, an welchen Punkten nach meiner Ueberzeugung
dieser scharfsinnige, aber etwas advokatenhafte Rechtfertigungsversucli zu beanstanden
ist. Gewiss wird er Recht haben in der starken Betonung der seelsorgerischen Seite
der Sache für Luthers Urteil; aber es wird ihm schwer gelingen, das Mitwirken der
nahe liegenden politischen Rücksichten von Luthers Verhalten völlig abzuwehren. Das
Verkehrte von Luthers Rat leuclitet doch wohl ein, sobald man die Rolle bedenkt, die
er der als „das kleinere Uebel" zugestandenen „Nebenfrau" zumutete, die ja vor der
Welt als Konkubine gelten sollte; und jene Lehre vom kleineren Uebel hat Luther an
anderen Stellen mit vollem Rechte von allen Fragen ausgeschlossen, die dem sittlichen
Gebiete angehören, und sie nur auf die res corporales beschränkt. Dass Luthers Beicht-
rat auf sittlich abschüssigen Weg führte, zeigte sich ja sofort darin, dass, als nun die
Doppelehe doch ruclibar wurde, er nur noch „eine gute starke Lüge" als Hilfe in der
Not zu raten wus.ste. Von diesem Punkte aus stürzt meines Erachtens der kunstvolle
theologische Rettungsversuch zusammen. — Majunkes Selbstmordmär, die im vorigen
Berichtsjahre eine ganze Litteratur erzeugt hatte, hat noch weiter nachgewirkt. Zu-
nächst hat Majunke'^-^) selbst das Thema unverdro.ssen weiter moduliert, besonders
nach den zwei Seiten hin, den offiziellen evangelischen Bericht über Luthers Tod zum
tendenziösen Lügenberichte zu stempeln und die im Jahre 1545 erschienene „welsche
Lügenschrift" über Luthers Tod als von Luther oder von Landgraf Philipp oder von
beiden gemeinsam fabriziert zu erweisen. Er greift dabei immer tiefer in das Arsenal
Janssea: Katholik l. S. 481— 501. — 50) M. Bernhardt, D. Bannbulle Leo X. ge»;en Luther im Orig.-Text, nach d. im Luthar-
hause befindl. Ausgabe v. 17. Juli 1520. Nebst d. dtsob. Uebersetzung. Wittenberg, Senf. Ißo. 68 S. M. 1,00. | [Sammler 13,
S. 143; G. Kawerau: ThLZ. 1892, S. 596/7.]| — 51) 0. Redlich, D. Marburger Reügionsgesprlch im J. 1529: ChristlWelt
S. 123/6, 14719, 166/9, 211/6. — 52) Tb. Brieger, E. unvollendeter Entwurf e. kaiserl. Ediktes gejen Luther: ZKO. 1?,
S. 178—87. — 53) Luther u. d. Bigamie: ThStK. S. 564-86. — 54) P. Majanke, Luthers Testament an d. dUch. Nation.
S. letzten Worte u. s. letzte — Thaf. Mainz, Knpfej-berg. IV, 272 S. M. 5,00. ][HPBU. 108, S. 695-700; Kneocker:
PKZ. 38, S. 817.]j — SS) id., D. angebl. r. Rom ausgegangene welsche LBgenschrift ttber Luthers Tod t. J. 1545: HPBll. 107,
11 6: 56-66. Gr. KL a wer au, Luther. 184
der Scliinählitteratur vergangener Zeiten hinein und hat z. B. neuerdings nicht Bedenken
getragen, jene gehässigsten Verzerrungen des sittlichen Charakters Luthers, mit denen
August in Theiner einst seinen Uebergang ins römische Lager signalisierte, wieder auszu-
graben. Wie leichtfertig seine Beweisführungen sind, möge man an der verblüffenden
Findigkeit erkennen, mit welcher er jetzt uns mit dem Quellennachweis üben-ascht, dass
Ijuther auch italienisch gesprochen und geschrieben habe. Macht Liebe zum Gegen-
stand den Historiker leicht blind, so der Hass nicht minder. — Dass ein so nüchterner
Forscher wie Knaake ^s) in diesem Streithandel durchaus die Koldesche Beweisführung
gegen Majunke anerkennen würde, war nicht anders zu erwarten; und mit Genugthuung
darf man es begrüssen, dass nun auch die katholische Historik durch 'den Mund
Grauerts ^7) die bündige Erklärung abgab: „Kein fachmännisch gebildeter Historiker
werde sich zu Gunsten der Majunkeschen These aussprechen." Verwunderlich ist es
dann nur, dass ein Organ wie die Historisch-politischen Blätter trotz dieses Votums für
die Fortführung eines wissenschaftlich so haltlosen Handels sich zur Verfügung stellt. —
Auch dass Majunke abermals ein arges Falsum in seiner Berichterstattung nachgewiesen
wurde, von Thenn °^), scheint keinen Eindruck auf ihn gemacht zu haben; übrigens
handelte es sich hier um einen Fall, in welchem die Annahme, dass seine Eilfertigkeit
u^d sein Mangel an Sprachkenntnissen die gröbliche Entstellung des Sachverhaltes
verschuldet habe, wohl näher liegt als die von seinem Kritiker ihm beigemessene Ab-
sicht bewusster Verdrehung des Thatbestandes. — Wie weit hinaus aber es Majunke
geglückt ist, mit seiner Entdeckung Aufsehen und Beunruhigung zu erregen, zeigt sich
darin, dass auch der gelehrte amerikanische Theologe Schafft») sich veranlasst
sah, in englischer Sprache über diesen deutschen Handel, über den Angriff und die er-
folgreiche Abwehr, ausführlichen Bericht zu erstatten. — Auch eine Gegenwirkung
gegen Majunke war es, dass Rietschel ^o^ in demselben Schriftencyklus, für den er
schon früher sein prächtiges und ausserordentlich weit verbreitetes Schriftchen über
Luthers häusliches Leben geschrieben hatte, nun auch sein Lebensende schlicht nach
den Berichten der Augenzeugen dem deutschen Volke erzählte. ^i-ßS) —
Zur Lutherlitteratur im weiteren Sinne müssen auch diejenigen Arbeiten
gezählt werden, die uns über seine Freunde wie über seine Feinde unter seinen
Zeitgenossen Bericht geben, da ja eine jede solcher Arbeiten auch die Beziehungen zu
Luther selbst mehr oder weniger eingehend berührt. Nur unter diesem speciellen Ge-
sichtspunkt kann auf diese Publikationen hier eingegangen werden. Die Arbeit von
N. Paulus*^*) über Staupitz bemüht sich, den katholischen Charakter der Theologie und
Gesinnung dieses Freundes Luthers nachzuweisen und hat damit auch in gewisser Ein-
schränkung unzweifelhaft Recht, vergisst nur, dass in einem Zeitpunkte wie der, in
welchen das Leben dieses Mannes fällt, Uebergänge von katholischer Theologie zu
evangelischeu Erkenntnissen in mannichfacher Abstufung stattfinden. Mit Recht erinnert
ihn Kolde daran, dass Staupitz zwar unzweifelhaft als guter Katholik, der kirchlichen
Autorität sich beugend, gestorben ist, seine evangelische Stellung hinsichtlich der Lehre
vom Glauben aber nicht aufgegeben hatte. Gegenüber einem jetzt doch nicht mehr die
Herrschaft führenden, ungeschichtlichen Bilde von der Persönlichkeit imd Geistesart
dieses katholischen Mystikers macht der Aufsatz immerhin sehr viel Richtiges geltend. —
Ein populärer Aufsatz über Tetzel ^^) zeigt denselben in beliebter römisch-apologetischer
Schönfärbung, auch das beigefügte Bild bringt ein ganz anderes Gesicht als die uns
sonst überlieferten Porträts. — Schneid ^6) hat gi'osse Sorgfalt darauf verwendet, die
„grosse Persönlichkeit" Joh. Ecks von dem Flecken zu reinigen, als ob er Verteidiger
der Erlaubtheit des Wuchers in jener bekannten Disputation zu Bologna gewesen sei.
Mit vollem Recht kann er geltend machen, dass es sich nicht um das, was wir heute
Wucher nennen, dabei gehandelt, sondern nur um die Durchbrechung der älteren,
kirchlichen Satzungen, welche überhaupt das Zinsnehmen ausschlössen. Mit Recht
kann er hervorheben, dass an diesem Punkte Luther als der Vertreter der scliolastischen
Tradition, Eck dagegen als der Vertreter des wirtschaftlichen Fortschrittes, der unter neuen
wirtschaftlichen Verhältnissen gegen veraltete Traditionen ankämpfte , dasteht.
Ob letzterer dabei freilich das Lob einer „bewunderungswürdigen Unbefangenheit" ver-
dient oder nicht vielmehr im Solde der Kaufmannschaft als ihr bezahlter Sachwalter in
S. 500—19. — 56) K. Knaake, Koldo, Luthers Selbstmord: DLZ. 11, S. 1713. - 57) H. Grauert, Kolde, Luthers Selbst-
mord n. Noch einmal Luthers Selbstmord: HJb. 11, S. 375 u. 811/2. — 58) A. Thenn, Majunke am Pranger!: ChristlWelt
S. 86/8. — 59) Ph. Schaff. Did Luther commit suicide?: The magazine of Christian literature 3, S. 161/7. — 60)
G. Eietschel, Luthers seliger Heimgang: (= Schriften fUr d. dtsch. Volk, her. t. Verein f. Kef.-Gesch. Heft 12.) Halle, Nie-
meyer. 35 S. M. 0,1B. — X 61) 0. A., Welsche Lügenschrift v. D. M. Luthers Tod zu Rom ausgegangen. 1545: ChristlWelt
S. 143/7. — 62) X K- Sallmann, Luthers angebl. Selbstmord nach P. Majunkes QeschichtslUge. 2. durch e. Nachwort
verm. Aufl. Kassel, Brunnemanu. 18 S. M 0,50. \[Vf. Walther: ThLBl. 21, S. 27;8.]| — 63) X Schild, D. Lutherhaus
u. d. Lntherstube zu Wttenberg: Didaskalia S. 526. — 64) N. Paulus, Joh. v. Staupitz. S. vorgebl. protest. Gesinnungen:
HJb. 12, S. 309-46. j [T h. Kohle: GGA. 1893, S. 89—90.]! — 65) .loh. Tetzel: Sterne u. lilumen (Hadischer Beobachter».) S. 345/6.
— 66) J. Schneid, Dr. Joh. Eck u. d. kirchl. Zinsverbot: UPlill. 108, S. 241— 59, 321-35, 473-96,570-89,659-81,
185 G. Kaweran, Luther. 11 6: 67-7».
diese Debatte eingetreten war, ist eine andere Frage. Uebrigens ist, was 8. zur Beur-
teilung jener Disputation beibringt, in der Hauptsache nichts Neues; nützlich aber
ist die detaillierte Ausführung der verscliiedenen, einander bekämpfenden Theorien und
das Einzelmaterial , das er zusammenträgt. — Die drei Briefe Bugenhagens, welche
Thommen'5'') aus einer Baseler Hs. veröffentlicht hat, sind als Ergänzung zu Vogts
Briefwechsel Bugenhagens willkommen zu heissen, gewähren aber für Luther keine
nennenswerte Ausheute. — Die Dissertation von Mosen^«) über „Luthers hartnäckigen
Gegner" Emser bemüht sich besonders, den Geist seiner gegen jenen gerichteten Schriften
zu charakterisieren, bringt auch zur Biographie schätzbare Notizen und im Anhange
eine Ol Nummern umfiassende Bibliographie seiner Schriften; leider fehlt der Arbeit ebenso
die stilistische Feile wie die Sorgfalt in der Korrektur, daher wird gerade die Biblio-
gi-apliie nur mit Vorsicht benutzt werden dürfen. — W. Kawerau ♦**) hat seiner Schrift
über „Thomas Murner und die Kirche des Mittelalters" ein zweites Heft über „Mumers
Stellung zur Reformation" folgen lassen, aus welchem hier besonders das 2. Kapitel
„Murner und Luther" und das 4. „Vom grossen lutherischen Narren" in Betracht
kommen. Es galt, in diesem Hefte den Umschlag des Satirikers, der so stark auch
die kirchlichen Schäden gegeisselt und bespottet hatte, in den Eiferer für die Kirche
gegen Luther psychologisch verständlich zu machen. Die gegen Luther und seine
Refonnation gerichteten Schriften finden ihre Charakterisierung und Würdigung in der
leidenschaftslosen und unbefangenen Art, welche Licht und Schatten gerecht zu ver-
teilen und auch den Gegner zu verstehen bemüht ist. Mit Recht wird aber der Mangel
echter religiöser Begeisterung und untadeliger Lauterkeit als der Grund bezeichnet,
warum der „behendeste, witzigste und gröbste" Gegner Luthers im eigenen Lager weder
damals noch jetzt Dank geerntet hat und warum auch die Wirkung seiner Schriften
auf die Gegner so völlig ausgeblieben ist. — Aus den umfassenden Studien, welche
Tschackert ''•^) zur Reformationsgeschichte des Herzogtums Preussen in den letzten
Jahren angestellt hatte, ist ein frisch geschriebenes Heft über den evangelischen Bischof
von Pomesanien, Paul Speratus, hervorgegangen, welches uns den Gehilfen Luthers bei
der Verdeutschung seiner Schriften, den Mitarbeiter am deutschen Kirchenliede und den
Organisator evangelischen Kirchenwesens unter mannigfaltigen Schwierigkeiten in liebe-
voller, vielleicht etwas zu lichter Zeichnung vor Augen führt. — Auch einige Artikel
der Allgemeinen deutschen Biographie seien wenigstens kurz genamit. In Jakob Schorr,
dem Zweibrückischen Rat luid Kanzler, zeigt uns Ney''^) einen warmen Freund des
Reformators, der seine Schriften eifrig studiert und seine Stellung nach Kräflen zur
Förderung der evangelischen Saclie benutzt. — Einen fast unbekannten litterarischen
Gegner Luthers hat Georg Müller ''''*) aus der Vergessenheit hervorgeholt, den Dresdener
Franziskaner Schwederich, der 1525 Luther mit einer Sclirift über das Mönchtum be-
kämpfte. — Weit bekannter ist der Jurist H. Schurff, dessen Veriiältnis zu Luther
ebenso in seinem warmen Anschluss an die Reformation, wie hernach in dem eigen-
artigen Konflikt juristischen Festlialtens an dem überlieferten Recht mit Luthers auf
ethische Erwägungen basiertem Durchbrechen des kanonischen Eherechtes von
Landsberg ''3) unbefangen und dalier aucli mit kräftiger Betonung des auf Schurffs
Seite anzuerkennenden guten Rechtes gezeichnet ist. — Auch der Aufsatz von P. Vetter'*)
über den mit Luther in schweren Streit geratenen Freiberger Theologen Jakob Schenck
und dessen Verhandlungen mit den evangelischen Geistlichen in Leipzig, nachdem er
1541 dortliin übersiedelt war, sei hier erwähnt. Spielt auch liuther persönlich in diesen
Ereignissen nicht mit, so beleuchten die hier geschilderten Vorgänge doch grell die
geistige Abhängigkeit, in welcher Luthers Schüler und nächste Anhänger diesem gegen-
über sich befanden. Der Konflikt, in den Schenck mit Melanchthon und Luther geraten,
machte es für ihn unmöglich, in diesen Kreisen, die das überlegene Talent des An-
kömmlings instinktiv fürchteten, unbefangenes und gerechtes Gehör zu finden. Die
Anstrengungen, die man machte, um dem unbecjuemen, freilich auch hochmütigen Manne
den Druck seines Buches zu verhindei'n, in dem man doch eigentlich nichts Anstössiges
finden konnte, sind lehrreich, aber freilich auch recht unerfreulich. Seidemanns ältere
Arbeit über Schenck findet hier aus Materialien des Dresdener Archivs willkommene
Ergänzung. —
Auch zwei Männer, welche als Forscher über Luthers Geschichte sich ujiver-
gängliche Verdienste erworben haben, sind im Berichtsjahre biographisch behandelt
worden: der alte treffliche Seckendorf durch Kolde"^), dessen Artikel freilich nur eine
789-810. — 67) R. Thommen, 3 Briefe d. Job. Bugenhagen: MIOG. 12, S. IM/». — 68) P. Mose d, Hi«r. Emter, d. Vor-
kllmpfer Roms gegen d. Reforrnation. Leipziger Diss. Halle, Kilmmerer, 1890. 78 S. — 89) W. Kaweran, Th. Momer u.
d. dtech. Belinnation. (= Schriften d. Vereins fUr Ref.-Gesch. Heft 32.) Halle, Niemever. III. 109 S. M. 13. — 78)
P. Tschackert, l'aul Speratus t. ROtlen, evangel. Bischof v. Pomesanien in Marlenwerder. (= Schriften d. Vereins f.
Ref.-Ge8(-I:. N. 33.) obda. V, 101 S. M. 1,20. — 71) J. Ney, Jakob .Schorr: ADB. 32, S. 384'« — 72)rt. MOller
.1. Schwedetich: Ib. 33, .«!. 325. — 73) E. Landsberg, H. Schurff: ib. !^. 8»l— 90. — 74) P. Vetter, Jakob Schenk n. d.
Prediger «u Leipzig. 1541i3; NASächsG. 12. S. 247-71, — 75) Th. Kojde, V. L. t. .Seekeadorf: ADB. 3«, .S. 519-21. -
II 6: 76-84. G. Kawerau, Lnthef. 186
etwas abgekürzte neue Fassung seines früher für die Herzogsche Realencyklopädie ge-
schriebenen Aufsatzes ist, und J. K. Seidemann, der sächsische Landpfarrer, der mit
unermüdlichem Fleisse vor 50 Jahren den Rückgang auf die unmittelbaren Quellen der
Reformationszeit und die Verwertung archivalischer Materialien, besonders für die sächsische
Reformationsgeschichte, erfolgreich betrieb, dessen schlichte, originelle Persönlichkeit
und dessen arbeitreiches Leben G. Müller 'ß) in zutreffender Weise charakterisiert hat. —
Luthers Theologie imd Weltanschauung gilt zunächst eine Schrift von
Bahlo w ''''), mit ihrer fleissigen Materialiensammlung eine schätzenswerte Ergänzung zu der
Arbeit von Fr. Nitzsch über „Luther und Aristoteles". Freilich scheint mir B. den Einfluss
des Nominalismus auf Lutliers Entwicklung und Stellungnahme in den grossen religiösen
Fragen zu hoch anzuschlagen; auch scheint mir die Debatte unserer Tage zwischen
den Ritschlianern und den Vertretern einer spekulativen Theologie, in welcher B. ganz
auf Seiten der letzteren steht, ihn in der Darstellung des Kampfes Luthers gegen die
„Vernunft" in Glaubenssachen nicht unbefangen in seinem Urteil gelassen zu haben. —
Der Rückgang, den die Ritschlsche Theologie auf die reformatorischen Gedanken Luthers
genommen, hat naturgemäss auch den Streit um den „echten" Luther und um das richtige
Verständnis seiner Worte nach sich gezogen. So kämpft Gottschick ''8) gegen Frank
über die richtige Exegese eines Briefes Luthers (de Wette 2, S. 125), um dadurch die
Frage zu entscheiden, ob für Luther innere Erfahrung der Höllenschrecken conditio
sine qua non für den Gnadenstand sei, und weist meines Erachtens mit Recht nach,
dass die betreffende Stelle nur von ausserordentliclien Erfahrungen redet, die man von
denen fordern müsse, die eine aussergewöhnliche Autorität in der ('hristenheit bean-
spruchen wollten, ohne damit freilich die viel tiefer greifende Kontroverse über Luthers
Auffassung der Busse schon zur Entscheidung bringen zu köinien. — Andererseits wird
Ritschis Schüler W. Herrmann wegen seiner Verwendung des Lutherwortes von einem
Vertreter der Rechten, Kohlrausch ''^), scharf angegriffen, der ihm im voll stand ige und
Wesentliches beiseite lassende, also inirichtige Verwertung und daher einen tendenziösen
Gebrauch desselben nachsagt, eine Controverse, die wohl ergebnis- und zwecklos bleibt,
solange die Streitführenden darüber nicht einig sind, was ihnen an Luthers Lebenswerk
wertvoll und für die Gegenwart besonderer Betonung bedürftig erscheint. Doch muss
anerkannt werden, dass in Herrmann der für sein eigenes System interessierte Systema-
tiker in der Analyse und Verwertung Lutherscher Worte dem Dogmenhistoriker ge-
filhrlich wird. — Das macht sich avich in der scharfsinnigen Studie bemerkbar, die
W. Herrmann ''ö) der Busse des evangelischen Christen unter besonderer Berück-
sichtigung der Gedanken Luthers gewidmet hat. Hier ist ein gelegentlich in dem
„Sermo de poenitentia 1518" ausgesjn'ochener Gedanke, der aber, wie H. selbst zugestehen
muss, bei Luther weder im Mittelpunkt steht, noch überhaupt weiter verwertet ist,
gleichwohl als der reformatorische und echt evangelische Gedanke Luthers in den Mittel-
punkt gerückt, und so können dann ganz moderne, 8])ecifisch H.sche Gedanken mit dem
Anspruch auftreten, die Enthüllung des genuinen Lutherschen Gedankens zu sein. —
Der Aufsatz von G. Kawerau ®o) greift in diese Kontroverse des Tages mit ein, insofern
er daran erinnert, dass kein Mensch in der Gegenwart im Ernste den ganzen Luther
wieder erwecken möchte, es also verkehrt ist, wenn die einen sich „des ganzen" rühmen
und die anderen wegen ,,des halben" bemitleiden; ohne die Scheidung zwischen dem
Reformator, oder besser dem Propheten Deutschlands und dem in diesem noch nach-
wirkenden Scholastiker werde keine Lutherbetrachtiuig aiiskommen. — Auch in dem
mit besonderer Lebhaftigkeit geführten Kampfe um die LiS])irationslehre konnte die
Berufung auf Luther nicht ausbleiben. Der kleine Aufsatz von G. Kawerau ^i) (als Bei-
gabe zu Kiers Vortrag über die Inspirationslehre) erimiert daran, wie bei Luther neben
der überkommenen Betrachtung der ganzen Bibel als heiligen Buchstabens alle Ansätze
einer neuen Betrachtungsweise auftauchen, nach welcher ihm Wertunterschiede der ein-
zelnen Teile nicht nur nach religiösem Masse gemessen, sondern auch Wertunterschiede
in Bezug auf geschichtliche Zuverlässigkeit, Sprachcharakter und dgl. ins Bewusstsein
treten und dann mit der ihm eigenen Unbefangenheit auch unerschrocken ausgesprochen
werden. 82-83^ — Dag Progi'amm von R. Lorenz ^4) bereitet insofern eine Enttäuschung,
als es zunächst nur einleitende Untersuchungen bietet, das auf dem Titel genannte
Thema selbst aber noch gar nicht anrührt, vielmehr nur die Scliriften bis 1520 auf ihre
76) G. MUller, J. K. Seidein»nn: ib. S. 627— 30. — 77) F. Bahlo w, Luthers Stellung z. Philo». .lenaer Diss. 60 8. M. 1,20. -
78) J. GottBchick, D. Erfahrung d. Hollenschrecken u. ä. Christenstand nach d. Urteile Luthers: ZTh&Kirohe 1, S. 255/8
- 79) A. Kohlrausch, Prof. Hernnanns Luthereitate dargest.: Beweis d. Glaubens S. 209—26, 257—74. - 79a) W. Herr-
niann, D. Busse d. evangel. Christen: ZTh*Kirche 1, S. 28—81. — 80) G. Kawerau, Rttckkehr zu Luther: ChristlWelt
S. 1044/9. — 81) N. 0. Hier, Bedarf es e. besond. Inspirutionslelire? Vortr. Mit e. Naehw. v.G.Kawerau über Luthers St«llun(r
z. heil. Schrift. Kiel, Honiann. 32 S. M. 0,60. |[Lob8tein: ThLZ. 16, S. .'S73/4.]i — 82) O X J- F- Asti6, La fin des
dogmes? IV. Luther: KThPh. S. 352—78. — 83) O X Hörn, Luther on the principles and order of Christian worship:
LuthChurchBev. S. 217—56. — 84) R. Lorenz, Luthers Einfluss auf d. Entwickl. d. evang. Kirchenxegimentes in Deutschland.
187 G. Kaworan, Luther. 11 6: 85-»7.
Polemik gegen da« römisclie Kirclieiiregiment zur Besprechung bringt. Wir werden
also auf weitere Fortsetzung dieser Studien zu warten haben. — Mit jenem Thema
selbst berührt sich nahe der Aufsatz von P. Fischer 85) über Luthers Lehre von der
Obrigkeit, insofern er besonders auch die Frage nach den Kompetenzen der Obrigkeit
kirchlichen Dingen gegenüber behandelt. Man wird dem Vf., dem offenbar die Quellen-
schriften nur schwer zugängHch sind — er citiert nach den verschiedensten Ausgaben,
z. T. nur iia:h Volksausgaben, und überschaut daher das Material nicht vollständig —
die Anerkennung zollen müssen, dass er völlig zutreffend die zwei verschiedenen Ge-
sichtspunkte erkannt hat, unter denen für Luther Staat und Kirche in Berührung
kommen: als Obrigkeit gilt für den Staat auch der Kirche gegenüber Schutz und Er-
haltung des Friedens und unter diesen Gesichtspunkten ein bestimmt bemessenes Ein-
g'eifen in die kirchlichen Verhältnisse ; ausserdem aber kommt der Landesherr in seiner
oppeleigenschaft als Kirchenglied und als Inhaber der Macht als derjenige in Betracht,
der in der Notlage der Kirche nach dem Notrecht, welches die Liebe lehrt, sich der
kirchlichen Dinge annimmt und den Gemeinden zu Ordnungen verhilft. F. ist somit
trotz seines beschränkten Materials durchaus auf dem richtigen Wege. — Auch bei
P. rischers*^') Studie über Luther als Seelsorger muss man bedauern, dass sie nur mit zu-
fälligem Quellenmaterial, nämlich einem beschränkten Teil der Briefe Luthers gearbeitet
ist. 8'') -^ Den Interessen des evangelischen Bundes dient die Auswahl von Sätzen
Luthers über das Papsttum, welche C. Fey^) in neun verschiedenen Rubriken dem
Leser vorfülirt. — Warum gerade Luther und Rabelais für pädagogische Vergleichungen
geeignete Objekte sehi sollen, ist mir durch die Ausführung von 0. Haupt ^) nicht
einleuchtend geworden. Die für solche Vergleichungen doch notwendig zu fordernde
Aehnlichkeit muss hier teils in durchaus selbstverständlichen und daher trivialen Be-
rührungspunkten, teils in solchen Dingen gesucht werden, wie dass Luther gern mit
seinen Kindern kindliche Spiele trieb, Rabelais' Pädagog dagegen mit seinem Schüler
gern Karten spielte. — Weit interessanter ist die Studie von Lezius^) über Luthers
Stellung zur türkischen Weltmacht, insofern hier nicht nur Luthers Kampf gegen den
Nationalfeind des damaligen deutschen Reiches, sondern auch in so manchem Lob- und
Tadelspruch, den er dem Türken zu teil werden lässt, sein Staatsideal und seine poli-
tischen Anschauungen ihre charakteristische Beleuchtung finden. Auch auf diesem Ge-
biete ist es leicht, Luther mit Luther in schroffen Widerspruch zu bringen, und das ist
gerade auch auf diesem Gebiete genug geschehen und tendenziös verwertet worden.
Um so anziehender ist die nüchterne und auch die Schwankungen in Luthers Urteil ins
Licht setzende Behandlung durch L. — Luthers Humor, wie er grade in seinen Briefen
harmlos und ungesucht sich fort und fort Ausdruck schafft, ist durch Buchwald 8') in
einer guten Auswahl von Beispielen anschaulich gemacht worden. ^2-94^ —
Dass auch die Versuche, Luthers Bild in Festspielen wie im Volksdrama ^5)
oder hl mehi- kirchlichen Formen ^ö) oder durch das Oratorium''") dem deutschen Volke
vorzuführen, ihren Fortgang nehmen, wobei teils Aelteres mit neuer Freude ziu- Auf-
führung gebracht, teils neue Dichtungen versucht werden, dafür hat auch das Berichts-
jahr mancherlei Beweise geliefert. —
Progr. Gumbinnen. 4». 27 8. - 85) P. Fis ch e r, Luthers Lehre v. d. Obrigkeit: DEBll. 16, 8. 318—45. - 88) id.. Luther
»Is Seelsorger nach d. dlsch. Briefen aus d. J. 1517—30: Halt« was du hast 14, S. 527—38. — 87) X Th. F. Mayer, Luther
in d. Politik. (= Flugschriften d. Ev. Bundes. Heft 52. V. Reihe, Heft 4.) Leipzig, Buchli. d. Er. Bundes. 25 8. M.0,20. —
88) C. Fey, Urteile Dr. M. Luthers über d. Papsttum. Aus s. Schriften znsammengetr. Leipzig, Buchh. d. Et. Bundes. III,
50 S. M. 0,50. l[ThLBl. 12, S. 366.1i - 89) 0. Haupt. Luther n. Rabelais in ihren päd Beziehungen. Leipiiger Diss.
Langensalza. 1890. 48 S. - 90) F. Le z ins, Luthers .Stellung i. türkischen Weltmacht: BaltMschr. 38, S. 263—80. — 90 O.
Buchwald, D, Humor in Luthers Briefen: ChristlWelt S. 1049—52, 1138—42, 1179-82. — 92) O i'- Nielsen, Lather og
Qrundtvig. En Kirkelig Lejligheds betragtning. Kjobenhavn, Schonberg. 96 S. Kr. 1,50. — 93) O X D 0. Kellogg,
M. Luther and Savonarola: CriticNY. 18. S. 99—100. — 94) O X W. B. Robertson, M. Luther, German Student etc.
London, Macmillan. M. 3,50. — 95) W. Grüneberg, Martin Luther, Hist Schauspiel in 5 Aufx. Dresden, Pierson. 1890.
131 S. M. 2,00. — 96) W. Knöll, E. kirohl. L\itherfeier. Luthers Leben in Chor- (Kircheu- u. Knabenchor) u. Sologesingen,
Deklamationen u. Erzählungen. VolkstUml. dargest. fUr d. OTang. Christenheit. Gotha, Perthes. 44 §. M. 0,40. — 97) Hans
Schneider, Ludw. Meinardus u. s. Oratorium «Luther in Worms": Bohemia'^. N. 123. —
n 7: 1-12. V. Mich elf:, Reform ationslitteratur. 188
11,7
Reformationslitteratur.
Victor Michels.
Allgemeineres N. 1. — Einzelne Landschaften und Städte: Bayern N. 12; Schwaben N. 15; Waldshut, Joachims-
thal u. a. N. 17. — Darstellungen unter litterarischen Gesichtspunkten: Religiöse Volkslitteratur N. 30; Katechismuslitteratur
N. 31; Polemische Litt erafur N. 34; Bilderpolemik N. 38; Neudrucke N. 40. — Einzelne Wortführer: Katholiken: Stanpitz
N. 43 ; Emser N. 45; Mumer u. a. N. 47. — Protestanten N. 57 : Melanchthon N. 60; Bugenhagen N. 65; Bucer N. 69; Zwingli u. a
N. 83; Paul Speratus u. a. N. 89; Sektierer u. a. N. 96. —
Das Berichtsjahr hat an Schriften, die die Ke-hntnis der Reformationslitteratur
zu fördern geeignet sind, erheblich mehr zu Tage gebracht als das vorhergehende.
Freilich die Schriften allgemeineren Inhalts treten diesmal zurück gegen die Mono-
graphien. W. Möllers i) Lehrbuch der Kirchengeschichte schneidet noch gerade un-
mittelbar vor der Reformation ab. 2-4) — Mejers ^) Abhandlungen zum Kirchenrecht —
Anfänge des Wittenberger Konsistoriums; Errichtung des Konsistoriums in Rostock;
Ziir Geschichte des ältesten protestantischen Eherechtes — zeichnen sich zwar dut-ch
ihre fesselnde Darstellungaweise vor ähnlichen Arbeiten aus und werden aus diesem
Grunde auch ausserhalb der Eachkreise dankbare Leser finden, fördern den Litterar-
liistoriker aber in erheblich geringerem Grade als den Theologen und Juristen. — Ein Auf-
satz von Nik. Müller 6), der sich inhaltlich an die erste und dritte Abhandlung Mejers
anschliesst, ist deshalb zu erwähnen, weil er einen Kommentar zu drei Schreiben
Melanchthons an den Propst und Pfarrer Christophorus Eischer in Jüterbogk (Corpus
Reformatorum 6, S. 405, 423, 450) bietet. Es handelt sich um die Ehescheidungsklage
eines gewissen Vincentius NeudorfF, der seine Konkubine zu ehelichen wünscht, nach-
dem seine Ehefrau durch böswillige Verlassung die Ehe faktisch gelöst hat. Johann
Wagemann, Caspar Cruciger, Georg Major und Philipp Melanchthon sprechen in einem
Erkenntnis vom 23. April 1547 die Scheidung aus.''-ii) —
Von den Schriften, die die reformatorische Bewegung in einzelnen Land-
schaften und Städten verfolgen, rücke ich Knöpflers ^2) Darstellung der Kelch-
bewegung in Bayern unbedenklich in den Vordergrund. Mit Hilfe archivalischer For-
schungen giebt K. von der Stellungnahme Albrechts V. zu den religiösen Zeitfragen
ein sympathischeres Bild, als es protestantische und katholische Forscher bisher ge-
zeichnet haben. Janssens Vorwurf des religiösen Indifferentismus und Sugenheims
Vorwurf des Fanatismixs weist er in gleich überzeugender Weise zurück. Herzog
Albrecht erscheint von vornherein als überzeugter Katholik, der aber einsichtsvoll genug
ist, um die Beseitigung schreiender Uebelstände auch gegen den passiven Widerstand
der Bischöfe zu versuchen, und tolerant genug, um den Forderungen, die seiner Meinung
nach das feste Gefüge katholischer Lehre nicht gefährden, des Frieden wegen entgegen-
zukommen. Diese irenischen Bestrebimgen gipfeln in der fakultativen Einführung des
Laienkelches im Jahre 1504 auf Grund päpstlicher Konzession. Von dem Augenblick
an, wo der Herzog einsieht, dass die Zulassung des Kelches nicht völlige Befriedigung
schafft, und die Ueberzeugung gewinnt, dass er mehr dem Schlagwort einer kleinen,
rührigen liberalen Partei als lebendiger religiöser Ueberzeugung nachgegeben hat, sucht
er mit derselben ruhigen Energie den Laienkelch wieder abzuschaffen und mit Hilfe der
Jesuiten die kirchliche Autorität zu sichern. Ob freilich für die Wendung seiner Pohtik
nicht neben den inneren psychologischen Gründen, die K. blosslegt, auch noch äussere
Einflüsse anziniehmen sind, etwa die Bemühungen der Herzogin, wie Sugenheim be-
hauptete, oder des Kanzlers Simon Eck, wie neuerdings Manfred Mayer vermutet,
bleibt eine ofFefte Frage. Kulturhistorisch Interessantes fördern die Akten über die
I) W. Möller, Lehrh. d. Kirchengesch. II: d. MA. (:= Samml. theol. Lehrbb.) Freihurg, Mohr. XII, 560 S. M. 12,«0.
— 2) X Viot. Schultze. K. v. Hase, Kirchengesch. auf Grundl. akad. Vorlas. 11,2. 1890: ThLBl. 12, S. 131/2. — 3-4) X
J. C. V. Hefele, Konziliengeseh. Bd. 9. Freiburg 1890: t>. Braunsberger: StML. 40, S 233/6; Th. Kolde: HZ. «7, S. 505/8. —
6) 0. Mejer, Z. Kirchenrechte d. Refomationsjh. 3 Abhdlgen. Hannover, C. Meyer. III, 210 S. M. 5,00. [[ThLBl. 12,
S. 809—10; LZgii. N. 298; H. Sachsse: DLZ. LS. S. 923/4; ThLZg. 1892. S. 248; LCBL 1892, S. 483/4; G. Loescho: ThJB.
11, 8. 214; K. Köhler: ZPTb. 14, S. 182/4.]| — 6) Nikolaus MllUer, E Beitr. z. Gesoh. d. ältesten Protestant. Eherechts :
ThStK. 64, I, S. 374-83. — 7) X Gesch.-Bll. d. dtsch. Hugenotten-Vereins. Heft 3. Magdeburg, Heinrichshofen. 22 S.
M. 0,80. (Enthalt: D. Waldenser u. ihre Kolonie Walldorf v. Konsistorialrat Robort u. Pfarrer Di ttraar.) — 8) X G. Kawerau,
Z. Gesch. d. Waldenser: ThLBl. 12. S. 1/3. — 9) X Funk, Kryplocalvinisten : Wetzer u. Weites Kirchenlexikon. 2. Aufl. 7,
8. 1284/7. — 10) X H. T. Soden, Reformation u. sociale Frage. (=r Ev. soc. Zeitfragen N. 6.) Leipzig, Grunow. 40 S. M. 0,50.
ItJ. Etck]: ChristL Welt 5, H. 321/3.]| - 11) O X W. Beyschlag, Reformation u. sociale Frage. (= Flugschriften d. ev. Bundes
N. 50.) Leipzig, Braun. 24 S. M. 0,25. - 12) A. Knöpf 1er, D. Kelchbewegung in Bayern unter Herzog Albrecht V. E.
Bejtr, X, R. formationsgesch. d. 16. Jh. aua archival. Quellen. München, Stahl sen. VII,. 228, 120 S. mit Tafel. M. 6,00.
189 V. Micheln, Ref'ormatiouHlitteratur. 11 7: i3-2i
Kirclieiivisitatiouen, die herzogliche Bttchercensur und die Neuordnung des Schulwesens
zu Tage. FreiUch hat K. den gew<)iinlichen Fehler derartiger Archivstudien nicht
vermieden: allzusehr mit den Augen der Regierung zu sehen. Ein unbefangener Leser
wird nicht umliin können, gelegentlich zwisclien den Zeilen zu lesen. Ausserordentlich
schlagend thut K. hei Gelegenheit der Kirchenvisitationen dar, dass „die scientifische
Unfähigkeit des Klerus" in erster Linie „als Quelle und Ursache der ethischen Ent-
artung" anzusehen sei. Die Einsicht, dass die reformatorische Bewegung zu gutem Teil
identisch ist mit Aufklärung, wird durch das Buch — ich glaube gegen den Wunsch
seines Vf. — in ein helles Licht gestellt. Demi weit peinlicher noch als die Borniert-
heit des niederen berührt in diesen Darstellungen die Einsichtslosigkeit des höheren
Klerus, der den sehr berechtigten Reformbesti-ebungen des Herzogs gar keine Unter-
stützung, sondern nur Widerstand entgegenbringt. Bei den Kirchen Visitationen drängt
sich die Frage: rechtgläubig oder nicht? in den Vordergrund, während Unwissenheit
und anstössiger Lebenswandel sichtlich von den Visitatoren mit erheblich grösserem
Gleichmut hingenommen werden. Auch kann man schwerlich mit K. sagen, dass die
Schulen leidlich in Ordnung gewesen seien. Hat Sugenheim zweifellos zu schwarz ge-
malt, so ist das Bild, das K. giebt, wie man auf Grund seines eigenen Materiales be-
haupten darf, bei allem Streben nach Objektivität noch immer zu freundlich gehalten.
An Einzelheiten ist beachtenswert, dass die Visitationen der Münchener Schulen im
Jahre 1560 häufiger hervorheben: „hat nie keine Commedias gehalten „(S. 171);" hält
keine Commedie" (S. 180); „hält keine Spiel" (S. 182) u. dgl. Der Zusammenhang, in
dem diese Bemerkungen erscheinen, ergiebt, dass darin ein Lob liegt, die Anerkennung
gutkatliolischer Gesinnung. Aus den Beilagen von Archivpublikationen kommt
in Betracht die Nr. III „Ain gar schön ney, warhaftiges Lied von dem waren Anti-
christ" usw., ein Meisterlied von 1562 „in der weiss von dem Ritter auss Steyermarch".
Es beginnt: „Nun merckhent auf ir frummen all". Die Reime sind sehr ungenau,
übrigens durch die Ueberlieferung hier und da gänzlich zerstört (II 13 lies Ion statt
sünd, V 13 reich statt lanndt, IX 6 eben statt gleichen, IX 9 herdt statt hendt, IX 11
gebert d. i. gewert statt gebeut u. a.). Der Verfasser ist wohl durch die Singschule
gelaufen, aber ungewandt geblieben. Ein Nummer IX mitgeteilter Dialog zwischen
einem Utraquisten Johannes und einem orthodoxen Katholiken Christus über das Abend-
mahl ist ästhetisch wertlos. Aus Nr. VII, der Schulordnung von 1569, hat die inter-
essanteste Stelle, an der von den in Klöstern und Schulen erlaubten und beanstandeten
Büchern gehandelt wird, bereits Reusch in seiner Ausgabe der „Indices librorum pro-
lübitorum" abdrucken lassen. 13-14) —
Ein ähnliches Bild wie Knöpfler für Bayern geben für einen Teil Schwabens
Bosserts^s) Auszüge aus den schon von Gmelin benutzten Visitationsakten der Diöcese
Konstanz. — Als Gegenstück aber erscheint ein Aufsatz von N. Paulus ^^) über die
Reformation in Pfalz - Zweibrücken, schwarz in schwarz malend, mit dem Leitmotiv
„Deformierung hat gefolgt der neuen Reformierung". Kern ist die Analyse von Capitos
„Responsio de missa", die den Zwang in Glaubenssachen sehr naiv befürwortet. Die
Tendenz P.s ist unverkennbar, doch kann die Wissenschaft durch Breschen, die in die
pastorale Legende gelegt werden, nur gewinnen. Erst die Schatten beleben Porträts. —
Weit erfreulicher berührt die streng objektive Behandlung der reformatorischen
Bewegung in Waldshut durch Loserth •''), der zum Teil mit dem Material von Beck
arbeitet. Wir erhalten reiche Beiträge zum Leben Balthasar Hubmeyers von Friedberg. —
Kommt diese Arbeit mehr für die Einzelforschung in Betracht, ebenso wie Looses'^) Mit-
teilung von 28 Reforraationsurkunden der Stadt Meissen, unter denen zwei bisher un-
genau gedruckte Empfehlungsbriefe von Jonas und Spalatin so erhebt die erweiterte
Dekanatsrede des um Mathesius verdienten Lösche i^) Anspruch auf mehr allgemeine
Bedeutung. Hier wird an der Hand der Joachims thaler Kirchen- und Schulordnung
versucht, die Kulturverhältnisse und das geistige Leben in Böhmen zu schildern. Aber
das Bild, das auf diese Weise entsteht, ist doch gar zu mosaikartig zusammengesetzt:
die Fülle von Einzelheiten gäben wir gerne preis gegen ein paar grosse und sichere
Linien. 20-24^ — Im Anschluss an das vorjälu-ige Referat (JBL. 1890 117:34) sei femer
[H. Weber: Kath. 71, II, S. 371/8.]{ — 13) X Joh. Janssen, Janssen gegen d. MUnchener Prof. KlOpfler über Heiiog
Albrecht V. v. Bayern: Kath. 71, II, S. 477—80. — U) X A. Knöpfler, Herzog Albrecht V. u. Joh. Jwuseu: ib. 8. 571/6.—
18) G. Bessert, D. Visitationsprotokolle d. Diöcese KonsUni v. 1574—81: BWKG. 6, .S. 1/5, 9—14, 17/», 25—30, 36/8, 43«,
61/3, 59-(>2. - 16) N. Paulus, D. Einführung d. Reformation in Pfalz - ZweibrBoken : HPBU. 107, S. 651—71, 793—819,
887—905. — 17) J. Loserth, D. SUdt Waldshut u. d. vorderösterreich. Regierung in d. J. 1523«. E. Beitr. z. Oesch. d.
Bauernkriegs u. d. Reformation in Vordei Österreich: AÖG. 77, .S 1 — 149. — 18) W. Loos«, D. Reformationsurkunden d. Stadt
Meisseu: MVGMeissen 2, 8. 357—404. — 19) (I 6 : 129.) — 20) X H. GradI, D. Reformation d. Egerlandes : JGGPÖ. 11,
fi. 166—223; 12, S. 79-144 u. 196—233. — 2l)OXFScheichl, Bilder aus d. Zeit d. Gegenreformation in Oesterreich
Vl564— 1618). Gotha, Perthes. 1890. V, 51 8. M. 0,60. ([Loesche: JGGPÖ. 12, 8. 14«.]| - 22) X Th. Elze, Z. Gesch. d.
Reformation iu Krain: JGGPÖ. 12, 8. 171/9. — 23) X U. F. Kühne, Urkundl. Beitrr. i. Gesch. d. Evangel. in d. Alpenl&ndera :
ib. 8. 180—95. — 24) X W. Burghard, D. Gegenreformation auf d. Eichsfelde 1574. Tl. 1. D. Gegenreformation a. d. Eiohs-
fulde bis z. Schlüsse d. Regensburger Kurtages 1575. Marburger Diss. Hannorer, Hofbnchdr. d. Gebr. J&necke. 1890. 52 S
II 7; 25-83. V, Mi eil eis, Reformati onslitteratiir. 190
hier auf Tschackerts 26) Selbstanzeige seines wichtigen Werkes verwiesen, die von
entschiedenem Interesse ist, insofern sie die Anfänge und den konsequenten Fortgang
seiner archivalischen Forschungen zur preussischen Reformationsgeschichte schildert.
Das Neue ist hier in knapper Uebersicht klar hervorgehoben, so dass diese Anzeige für
die Orientierung vortrefflich geeignet ist. 26-29) —
Von den Darstellungen unter litterarischen Gresichtspunkten hat
sich Becks 30) „Religiöse Volkslitteratur" den weitesten Rahmen gespannt. Von
der Reformation bis zur Aufklärung, von Luther bis Zschokke wird die evangelische
Erbauungslitteratur mehr namhaft gemacht als charakterisiert. Denn wenn auch eine
Charakteristik versucht ist, so hält sie sich doch in sehr unbestimmten Farben. Ur-
teile wie das gern verwertete „wahrhaft salbungsvoll" sagen uns allzu wenig. Der
panegyrische Schwung, der freilich dem ganzen Buch eine wohlthuende Wärme ver-
leiht, entschädigt dafür nicht. Auch die Gruppierung ist merkwürdig ungeschickt;
stellenweise ist die Litteratur nach Landschaften geordnet, ohne dass man den Eindruck
hätte, innerlich Zusammengehöriges vereint zu sehen. „Aus . . . nennen wir" lautet
dann die ständige Uebergangsform. Das Buch ist also ein Mittelding zwischen einer
Litteraturgeschichte und einem Grundriss; wir sähen lieber, wenn es ganz Grundriss
wäre. Denn namentlich in den ersten beiden Abschnitten, die das Zeitalter der Refor-
mation und die unmittelbar nachreformatorische Zeit, ferner die Zeit der lutherischen
Orthodoxie behandeln, zeigt B. eine sehr grosse und mindestens für den Nichttheologen
erstaunliche Belesenheit, die man schon in dem älteren und breiter angelegten Werk
„Die Erbauungslitteratur der evangelischen Kirche Deutschlands, Band 1" (Erlangen
1883) anzuerkennen Gelegenheit hatte. Die erste Partie des neuen Buches ist
geradezu ein Auszug aus dem alten; ganze Stellen sind wörtlich herübergenommen. —
Die Forschung über die Katechismuslitteratur wird eifrig fortgesetzt
durch Kawerau, Müller und Schweizer. G. Kawerau^i) macht vier Ausgaben des
Katechismus der böhmischen Brüder namhaft: eine Erfurter von 1522, in Kiel befindlich,
im Lutherschen Sinne purifiziert; eine Ausgabe ohne Ortsnennung von 1523, nach
Wellers „Repertorium typographicum" No. 2594 citiert, unbekannten Aufbewahrungs-
ortes; einen niederdeutschen Rostocker Druck von 1525, von sprachgeschichtlichem
Interesse und sorgfältiger hergestellt als die Magdeburger Ausgabe in Wolfenbüttel;
endlich einen niederdeutschen Wittenberger Druck von 1526 im Halleschen Waisen-
haus. — Georg Müller •'^s) bringt in einer Recension von G. Kaweraus Neudruck der
Katechismen des Schultz und Hegendorf den Hinweis, dass Christophorus Hegendorf,
identisch mit Chr. Hegendorfinus , der Sohn des Hans Hegendorfer war, eines Leipziger
Seidenstickers, der aus Bamberg stammte. Die Angabe in Otto Günthers Dissertation
über Plautuserneuerungen, der Sohn habe sich wie der Vater geschrieben, werde durch
den Katechismusdruck als falsch erwiesen. Dass Hegendorfs Verteidigung gegen den
Vorwurf, „er habe alle christliche Kirchen zerstören wollen", nicht unnötig war, belegt
M. aus dem Traktate „Der Vralten und gar neuen Leerern Vrtail, das man die jungen
kindlen nit tauffen solle, biss sy im glauben vnderricht sind" (1526 von Balthasar
Hubmör [Hubmeyer] aus Friedberg). — K. Schweizer 33) charakterisiert recht gut die
Bemühung der Bernischen Regierung, auch in Religionssachen die unbedingte Autorität
zu behalten und den schweizerischer Art so homogenen neuen Glauben nötigenfalls zu
oktroyieren. Zu diesem Zwecke ist die Regierung schon 1532 bedacht, durch einen
Katechismus Jugend und Landvolk mit der neuen Lehre vertraut zu machen. Den ersten
Katechismus lieferte Caspar Grossmann (Megisander) 1536, von dem Ende 1889 durch den
Sekretär des Bernischen Staatsarchivs ein Züricher Druck neben dem längst bekannten
Baseler aufgefunden ist. S. hält den Züricher für die Vorlage des Baseler, „das echte
Exemplar". Megisanders Katechismus hat vier Teile: Dekalog, Glaubensbekenntnis,
Vaterunser, Sakramente. Infolge der angestrebten Konkordie mit der Strassburger
Kirche ändert ßucer 1537 den Katechismus um. Abgesehen von einer Umstellung der
Teile schneidet diese Umänderung aber nur in die Sakramentslehre tiefer ein: „cate-
chismus variatus". Da die Einführung namentlich auf dem Lande böses Blut macht,
wird 1545 auf den Invariatus zurückgegriffen. 1581 entsteht der „Grosse Berner Kate-
chismus", von dem kein Exemplar vorhanden ist und von dem man genaueres nicht
M. 0,80. — 25) P. Tschackert, Tschackert, Urkundenbuch z. Reformationsgesch. d. Herzogtumes Preussen. I — III. 1890:
GQA. S. 108—12. — 26) Tschackert, Urkundeub. z. Reformationsgesch. d. Herzogtums Preussen. Leipzig 1890: II. Kiewning:
MHL. 19, S. 154—60, 229-31 (lobt d. Einleit., tadelt d. Urkundenbände); K. Lohmeyer: HZ. 67, S. 313'8. - 27) O X
Mlrkiache Kirchengescb. Zusammengest. a. 6 Vortrr. geh. v. Nagel u. Biehler, Seidel, Schöne, Plenz u. Burgdorf,
T. A. Burgdorf. Cottbus u. Fürstenwalde, Christophorus-Verl. V, 138 S. mit (> Bildnissen. M. 1,00. — 28-29) X Haupt,
Waldensertum u. Inquisition im sUdöstl. Deutschland. Freiburg 1890: B. Bless: HZ. 67, S. 528-30; L. Viereck: MHL. 19,
S. 312/4. — 30) H. Beck, D. religiöse Volkslltt. d. evangel. Kirche Deutschlands in e. Abriss ihrer Gesch. (= Zimmers
Handbibliothek d. praktischen Theologie Xc.) Gotha, Perthes. X, 291 .'*. M. 5,00. |[G. Loesche: ThJB. 11, S. 213/4
(wann lobend); LCBl. 1898, S. 236/6.]| — 31) 0. Kawerau, Vier bisher unbekannte Ausgaben d. Katechismus d.
böhm. Brüder: Th?tK. 64, I, S. 172/9. - 32) (11 6 : 25.) - 33) K. Schweizer, D. Berner Katechismen im 16. .Th.: ThZSchw.
191 V. MiolielB, Reformationslitteratur. TI 7: 34-30
weiss. Daraus scheint der „Kleine Berner Katechismiis" verkürzt. Der Vergleich mit
dem Megisanderscheii Invariaius ergab: dieselbe Anordnung aber Kürzung, passendere
Fassung, Milderung und Annäherung an den Kalvinismus. Ein paar nahezu wört-
liche llebereinstimmungen mit dem Heidelberger Katechismus werden durch Nebenein-
anderstellung auffallig gemacht, andererseits aber wird bemerkt, dass eine dieser lleber-
einstimmungen auch der Megisandersche Katecliismus zeigt, dessen Woi-tlaut leider dabei
nicht vollständig angegeben ist. 8. lässt die Frage nach dem Verhältnis offen. —
Ein Bild von der polemischen Litteratur unmittelbar vor Ausbruch
des dreissigjährigen Krieges sucht R. Weitbrecht 3'*) zu entwerfen, indem er sich vor-
nehmlich auf die Monographie von R. Krebs 3^) stützt, die schon vor Jahresfrist hätte
Erwähnung finden sollen. Verfuhr K., der speciell die politische Publizistik mit aus-
gezeichneter Belesenheit ins Auge fasste und auch das Au.sland hineinzog, streng ob-
jeJitiv, so ergeht sich W., durch politische Konstellationen der Gegenwart veranlasst,
in scharfer Polemik gegen die Jesuiten. Dadurch wird verschleiert, was in K.s Buch
überall hervortritt, dass bei der klotzig geführten Polemik die Parteiverblendung, die
sich bis zum krassesten Aberglauben versteigt, auf beiden Seiten gleich gross ist. Nur
wenig Schriften zeigen originellere Betrachtungsweise wie das Gespräch zweier früheren
Jesuiten in Wangers „Paraleipomena ad Amphitheatrum Honoris Jesuitarum" von 158<)
oder patriotische Besonnenheit wie der „Wohlmeinende Discurs, warum die Römisch-
Katholischen in Deutschland sich von Spaniern und Jesuiten absondern sollen" aus
dem Jahre 1618. K. führte aus, wie die jesuitischen Heisssporne durch ihre extremen,
keineswegs offiziell anerkannten, Theorien die Protestanten immer mehr erbittern, bis
schliesslich die böhmische Revolution die Ausweisung des Ordens veranlasst, der mit
frohen Hoffnungen dem Beginn des Krieges entgegen sieht. Ueber die „Monita secreta"
äusserte sich K. mit anerkennenswerter Vorsicht, während W. sie zwar nicht für er-
wiesen echt, aber jedenfalls für keine Satire hält.^ö-37j —
Ein kleiner Aufsatz von Gerland^^) wendet sich der Bilderpolemik zu:
er handelt über eine ehemals in der Kapelle des Schlosses Wilhelmsburg befindliche
Gegenüberstellung Christi und des Papstes, die sich an den mit zwei Antithesen ver-
mehrter! Nachdruck des Cranachschen Passionais durch Michael Sachse in Erfurt, viel-
leicht auch an die Bearbeitung des Zacharias Durantius anschliesst. Die Bilder sind
verloren, nur die Unterschriften erhalten. — Einen anderen Beitrag zur Bilderpolemik
der Reformationszeit verdanken wir Konr. Lange '^^). Der in der Streitschrift der
beiden grossen Wittenberger Reformatoren „Deutung der zwei greulichen Figuren
Papstesels zu Rom und Münchkalbs zu Freiberg in Meissen funden" 1523 von Melanch-
thon antikatholisch ausgedeutete Papstesel hat nach L. wunderbare Geschicke gehabt.
Im Januar 1496 war in Rom und Venedig, wie aus Malipieris „Annali Veneti" nach-
gewiesen wird, die Nachricht von der Auffindung eines Monstrums nach der Tiber-
ttberschwemmung vom Dezember 1495 verbreitet, das neben sonstigen Deformitäten den
Kopf eines Esels auf dem Leib eines Weibes gezeigt hätte und als ein Zeichen gött-
lichen Zornes aufgefasst ward. L. macht wahrscheinlich, dass eine Abbildung dieses
Ungetüms 1497,8 in Italien zu einer persönlichen Satire gegen Alexander VI., den
Zwingherrn Roms, verwertet wurde mit der Inschrift „Roma caput mundi". Dieser
Halbvers, schon bei den karoliiigischen und ottonischen Dichtern vorkommend, begegnet
als Schlagwort in der späteren Pasquillenlitteratur häufig; unter anderem auch bei
Hütten. Ein Relief aus Como zeigt, dass das Bild in Italien bekannt war und uJ'-
■sprünglich eine antikatholische Bedeutung nicht hatte. Der Meister W (Wenzel von
Olmütz) bildete das verlorene römische Original, wie des weiteren ausgeführt wird,
wahrscheinlich 1498 nach, als in Olmütz schwere kirchliche Streitigkeiten herrschten,
denen wohl auch ein deutsch-lateinisches Klagegedicht fiber den Verfall der Kirche,
gedruckt 1499, seinen Ursprung verdankt. Luther lernte Wenzels Reproduktion oder
eine weitere Nachbildung, wie zu vermuten, durch die böhmischen Brüder kennen und
verwertete die Figur 1523 und zu noch viel massloserer Satire 1545. 1570 w\u*de sie
umgekehrt von den Katholiken auf Luther gedeutet, und noch 1683 spukt sie nach, in
ein Symbol — weiblicher Unbeständigkeit verkehrt. Im Anhang von L.s Schrift ist das
Gedicht ,,Planctus ruine ecclesie" (1499) und die Schrift LutJiers und Melanchthons
von 1523 abgedruckt. —
8, S. 87-105. - 34) R. Weitbrecht, D. Federkrieg iw. Katholiken u. ProtesUnten Tor Ausbruch d. 30j. Krieges: DEBll.
16, 8. Iö4— 71, 230—45. — 3S) R. Krebs, D. polit. Publizistik d. Jesuiten u. ihrer Gegner in d. letzten Jahrzehnten vor Aus-
bruch d. 30j. Krieges. (= Hallische Abhandl. z. neueren Gesch. 2h.) Halle, Niemeyer. 1890. 24« S. M. 6,00. — 36) X
LoBsen, 2 Streitschriften d. Gegenreformation : 1. D. Autonomia. 2. D. Incendiam Calrinisticum : SBAkMUnchenii. S. 128—72.
— 37) X J. Ficker, D. Konfutation d. Augsburgischen Bekenntnisses. Ihre erste Gestalt u. ihre Uesch. Leipzig, Barth.
CXXXIV, 194 S. |[G. Kawerau. GQA. S. 893-903; G. K[aweran]: ChrWelt 5, S. 931/4, 955 7, 972/4, 997 9.]| - 38) 0. Ger-
land, D. Antithesis Christi et l'apae in d. Schlosskirche zu Schmalkalden : ZVHessG. NF. 16, S. 189— 201. — 39) Konr.
Lange, D. Papftesel. E, Beitr. z. Kultur- u. Kunstgesch. d. Reformations-Zeitalters. Mit 4 Taf. GOttingen, Vandenlioeck Je
II 7: 40-50. V. Michels, Reformationslitteratur. 192
Von selbständigen Neudrucken reformatorischer Schriften sind diesmal nur
zwei zu verzeichnen: der der Bremischen Kirchenordimng von 1534 mit einer ausführ-
lichen Einleitung über Entstehung, Verfasser (Johann Timann), Inhalt, Zusammenhang
mit anderen Ordnungen, Einführung und weitere Geschichte ^o) und der schlichtere des
„Büchleins vom Brotbrechen" 4i-42^. —
Wenden wir uns zu den biographischen Arbeiten, zusammenfassenden Dar-
stellungen oder einzelnen Beiträgen zur Charakteristik und zum Leben der im Schrift-
kampf des Zeitalters thätigen einzelnen Wortführer, so ist vom litterarhistorischen
Standpunkt aus erfreuhch der Zuwachs an brauchbaren Schriften über die Katholiken.
Der grosse Aufsatz über Staupitz von N. Paulus ''3) ist schon an anderer Stelle ge-
würdigt.— In einem interessanten Nachtrag bringt N.Paulus**) ein theologisches Gut-
achten über einen ungläubigen Augustiner vom Jahre 1533, in dem Staupitz, indirekt,
der katholischen Kirche das Recht der Entscheidung über ihre Dogmen zuerkeinit. —
Langer *5) trägt zu Emsers Beurteilung einige Züge bei in einem anderen
Zwecken dienenden Aufsatz. Er behandelt Emsers Bemühungen um die Kanonisation
Bennos von Meissen, die Herzog Georg der Bärtige von Sachsen mit zäher Energie
betrieb. Emsers „Vita" des heiligen Benno, führt L. aus, sei eine mit Hülfe des
Meissner Domdechanten Hennig und des Hildesheimer Professors Rose verübte bewusste
Fälschung zu nennen. Die deutsche Bearbeitung von 1517 hatte nach L.s Darstellung
den Zweck, dem sehr lebhaften kecken Skeptizismus der Massen entgegenzutreten. Es
wird weiter gezeigt-, wie sich Emser durch Luthers Polemik gegen die Heiligenverehrung,
obwohl nicht genannt, besonders getroffen fülalen musste: daher 1524 die „Antwort auf
das Lutherische Buch wider Bischof Benno von Meissen". Auch sonst wird auf die
Schriften zu Ehren und Schanden des heiligen Benno eingegangen, z. B. auf die beissenden
Epigramme des Euricius Cordus. 4^) —
Seine biographische Behandlung Murners setzt W. Kawerau*.') fort und
schildert zunächst knapp die Strassburger Reformation, analysiert dann die ersten
Schriften gegen Luther bis zur Abfertigung in der Antwort „Auf das überchristliche
Buch Bock Emsers". Er geht auf den Streit mit Gnidius, Rhegius (?), Styfel, die Reise
nach England ausführlich ein und giebt eine Inhaltsangabe von Murners „Grossem
lutherischen Narren", dem der Mangel einer ,, klaren positiven religiösen Stellung", einer
„grossen, leitenden, begeisternden Idee" vorgeworfen wird. ,,Ein Talent, aber kein
Charakter", lautet des Endurteil der kenntnisreichen und gutgeschriebenen Darstellung.
Eine Fortsetzung scheint nicht beabsichtigt. — In einer Recension von Kaweraus früherer
Schrift über Murner hebt Seeberg *8) hervor, dass die gelegentliche Betonung der
Nichtigkeit alles menschlichen Verdienstes und der alleinigen Wirksamkeit der Gnade
noch nicht auf reformatorische Neigungen weisen. Eine Gedankenreihe wie Narren-
beschwörung 77, 6 — 21 lässt sich in der praktischen Litteratur, speciell bei den Mystikern,
oft genug nachweisen. Aus der „Badenfahrt" wird als Gegenstück VIII, 5 — 11 der
Martinschen Ausgabe herausgehoben, um die Verherrlichung des Werkdienstes erkennen
zu lassen.. — Drei anderen Mönchen, die innerlich dem kecken Franziskaner sehr unverwandt,
haben v. Druffel und Paulus biographische Darstellungen gewidmet, von Druff eH^-^^a)
schildert den bairischen Minoriten Kaspar Schatzger, der 1514 — 1523 Provinzial der
oberdeutschen Franziskaner von der Observanz, dann bis zu seinem Tode 1527 Guardian
in München war und in ausgebreiteter Polemik, anfangs in lateinischen, seit 1523 auch
in deutschen Schriften die lutherische Lehre bekämpfte, als einen anständigen und trotz
seines entschiedenen Standpunktes im Grunde milden Charakter. Mochten auch die
Feinde seinen Namen in Schatzgeyer, Thesaurivora verdrehen, so versagt ihm doch ein
Eberlin von Günzburg bei aller Heftigkeit der Polemik nicht eine gewisse Achtung. Er
ist nach D.s Darstellung nicht blind gegen die Gebrechen der Geistlichkeit, voll Hoff-
nung auf die Besserung durch ein Konzil, aber weder ein konsequenter Denker noch
ein origineller Schriftsteller. — N. Paulus ^<^) hat über den besonders als Prediger hervor-
ragenden Augustinermönch Johannes .Hoffmeister (geboren zu Oberndorf 1509 oder 1510,
seit 1542 Provinzial von Rheinland - Schwaben, gestorben 1547) ein erschöpfendes und
sehr beachtenswertes Buch erscheinen lassen. Es zerfällt in die Darstellung des Lebens
und der Lehre, einen historischen und einen systematischen Teil, woraus man erkennen
Ruprecht. VIII, 118 S. M. 4,00. — 40) D. bremische Kirchenordnung v. 1B34. Kearb. v. J. Friedr. Iken. Her. v. d. hist.
Geseils. d. KUnstlervereins. Bremen, C. Ed. Müller. LXXXVII, 116 S. — 41) D. BUohlein v. Krotbrechen (Heidelberg, Joh.
Mayer 1563). Neue Ausg. (Mit 2 Fakbimiles). V. J. J. Doedes. Utreciit, Kernink & Zoon; Gotha, F. A. Perthes. XVI,
23 8. M. 1,00. |[ThLBl. 12, S. 139 f.] | — 42) X M ay r-Deisiuger, D. Index librorum prohibitorum, -edr. zu Padua 1580.
Her. V. F. H. ReuBch, Bonn 1889: HZ. 66, S. 101/2. — 48) (II 6 : 64.) — 44) N. Paulus, E. Gutachten v. Staupitz aus d.
Jahre 1623: HJb. 12, S. 773/7. — 45) 0. Langer, Bischof Benno v. Meissen. Sein Lcbeo u. seine Kanonisation. II: MVG.
Meissen 2. S. 99—144. — 46) (II 6 : 68.) — 47) (II 6 : 69.) — 48) R. Seeberg, W. Kawer»u, Thomas Murner u. d. Kirche d.
M.-A. Halle 1890: ThLBl. 12, S. 426/8. — 49) A. v. Druffel, D. bairische Minorit d. Observanz Ka-tpar
SehatBger u. g. Schriften: SBAkMünchen''''. 1890, 11, S. 398—432. - 49a) id., Kaspar (Johann) Schatzger: ADB.
31, S. 783/4. — 50) N. Paulus, D. AugustinermOnch Job. Hoffnieister. E. Lebensbild aus d. Keforimitionszeit. Freiburg i./li.,
193 V. Michels, Reformntionslitteratur. II 7: 61-67.
wird, Hass das Interesse dos kaiholischen Theologen mit dem des Historikers vermischt
ist. Ein Anhang bietet eine Uebersicht über die Schriften Hoffmeisters ; ein zweiter
ergänzt v. Drviffels 1878 erschienene Publikation der Briefe Hoffmeisters an den Ordens-
general Seri{)an(lo durch Mitteilung der Antworten Seripandos, — Schun benutzt ist in
Paulus' Bucli die Veröffentlichung von vier Briefen Hoffmeisters (1545/()) durch Wald-
ner ^i). Aus dem ersten Briefe sei die Bemerkung ausgehoben: „Dem Herren Hiero:
Boner sagend die Cronick des Krantzen sei im Truck ausgangen, do mit er nit ver-
gebens arbeite". Woraus sich ergiebt, dass auch Boner die von Eppendorf verdeutschte
„Dänemarkische Chronik" (Strassburg 1545) zu tibersetzen gedachte. — Derselbe eben
genflnnte N. Paulus •''2) stellt dann in einem kleinen Aufsatz zusammen, was sich über das
Leben des humanistisch angehauchten Dominikanermönches Wilhelm Hammer beibringen
Hess, den Bcatus Rhciionus in einem Brief an Hoffmeister „einen kenntnisreichen Lehrer
der schönen Wissenschaften" nennt, „eine Zierde des Predigerordens". — Von den
späteren katholischen Schriftstellern ist dem milden und geschickten Prälaten Johannes
Leisentritt von Juliusburg (1527 — 1586) ein biographischer Artikel von Kerker^) zu
teil geworden, auch eine Art „Rettung" im katholischen Sinne. Die Angabe, dass er
wegen der Aufnahme protestantischer Lieder in sein Gesangbuch mit dem Bannstrahl
bedroht worden sei, wird als irrig abgewiesen und zugleich ein offenbar richtiger
Fingerzeig über die Entstehung dieser Nachricht gegeben. Seine Hauptschriften werden
knapp charakterisiert. — Den Jesuiten Jakob Keller, Jakob Baldes Lehrer, behandelt
sein Ordensgenosse Duhr^), indem er im Gegensatz zu dem unzulänglichen Artikel
der „Allgemeinen Deutschen Biographie" so ausführlich, wie es im Rahmen eines lexika-
lischen Artikels möglich war, auf Kellers Schriften eingeht und bemerkt, dass Keller
die unter dem Namen Laurentius Silvanus erschienenen Schriften selbst abgelehnt hat.
Ein entliusiastisches Urteil über ihn wird einem Briefe des Pater Jakob Bidermann an
P. Rader entnommen. Auf hs. Material („V'ita Canisii", „Comment. in Aristotelem")
in der Münchener Bibliothek ist ebenfalls aufmerksam gemacht. ^^-Sß ) —
Für die Protestanten kommen meist kleinere Aufsätze, namentlich Artikel in
der „Allgemeinen Deutschen Biographie" in Betracht. Wenn A. Henschel^') eine
Sammlung %»olkstümlich gehaltener biographischer Aufsätze veranstaltet hat, aus der uns
etwa die fünf oder sechs ersten, Johannes Laski, Georg Israel, Samuel Dombrowski,
Valerius Herberger, Johann Herrmann und Arnos Comenius angehen würden, so hat er
erbauliche, nicht wissenschaftliche Zwecke im Auge inid schöpft aus sekundären Quellen;
namentlich sind populäre Aufsätze aus Bocks „Evangelischem Kalender für die Provinz
Posen" mit Hülfe anderer Schriften verarbeitet. ^8) — Ein wunderliches Sammelsurium
von Excerpten und Dokumenten zur Lebensgeschichte Strassburger Reformatoren rührt
von Horning^ö) her; darin unter anderem vier Briefe Bucers, drei an Capito (1520/1)
und einer an den Pfarrer Hubert in Strassburg (Canterbury, 14. Okt. 1550), aus dem
Lateinischen liberseizt. —
Für Melanchthon ist ein bibliographischer Beitrag L. Neubauers ß*^) zu ver-
zeichnen. N. weist im Anschluss an das „Corpus Reformatorum" und an Hartfelders
Verzeichnis in seinem „Melanchthon als Praeceptor Germaniae" eine Reihe kleinerer
Melanchthoniana nach: Briefe, Dedikationen, Gedichte. Die „Disputatio de Invocatione",
die Hartfelder nur aus zwei Katalogen kannte, das „Corpus Reformatorum" 12, S. 560 6
dem Inhalt nach erwähnte, ferner ein Brief an Andreas Münzer (Januar 1551), enthal-
tend eine Danksagung für die Uebersetzung der Elegie auf den Tod der Anna Sabinus,
sind darunter die bedeutendsten. — In einer „Ratio discendi" Melanchthons, die nebst
vier anderen Stücken ohne Ort und Jahr gedruckt woirde, der „frühesten Zusammen-
fassung von Melanchthons methodischen Prinzipien", sieht Hartfelder ^i) auf Grund
eines hs. Fundes (Cgm. 980) die Niederschrift eines Kollegs durch einen sonst unbe-
. kannten Magister Georg Ebner. ^2-64) —
Von Bugenhagen teilt Virck^S) ein interessantes Schreiben an Kurfürst
Herder. 12«. XX, 444 S. H. 4,00. |[H. Weber: Kath. 71, II, 662/6; Funk: DLZ. 13, S. 1161/2.]| - 51) E. Waldner,
Vier Briefe v. Job. Hofmeister: ZGORh. 6, S. 172(7. — 52) N. Panlus, Wilh. Hammer v. Neuss. E. Dominikanermönch d.
Reformationszeit: HPßU. 108, S. 429—38. — 53) Kerker, Job. Leisentritt v. Julinsberg: Wetzer u. Weite, Kircbenlexikon 7,
S. 1701/5. — 54) Duhr S. J., Jak. Keller S. J.: ib. S. 361/J. - 55) X Streber, Konr. Köllin: ib. S. 821/2. — 56) X «d.,
Kilian Leib: ib. S. 1643/4. — 57) A. Henschel, Evai.geliscbe Lebenszeugen d. Posener Landes aus alter n. neuer Zeit Posen,
Decker & Co. XXIV, 465 S. M. 7,50. — 58) O X Scheichl, Glauben.sflUcbtlinge im 16. Jh. Linz,Fink. 26 S. \[Q. Loesche:
JQQPÖ. 12, S. 146.JJ — 59) W. Horning, Kirchenhist. Nachlese oder Nachtrr. zu d. .Beitrr. i. Kircbengesch. d. Elsasses"
(,7 Jahrg.) u. Biograpbieen d. Strassburger luth. Theologen: Marbacli, Pappas, J Schmidt, Dannhauer, Dorsch, Bebel, S.Schmidt,
Spener etc. Strassburg, Heitz. X, 164 S, M, 4,50. \[ßg: LCßl. 1892, S. 138|9.]i — 60) L. Neubauer, E. Nachtr. z. Corpus
Reformatorum [Melanchthon]: AltprMschr. 28, S. 246—75; 643 5. — 61) K. Hartfelder, üeber Melanchthons Ratio discendi:
ZGK. 12, S, 562,6. — 62) Q XX id., Aus e. Vorlesung Melanchthons über Ciceros Tnsculanen: MGSchuIG. 1, S. 168-77.
— 63) X K. Knaake, Melanchthons Loci communes ed Plitt-Kolde (JBL. 1890 II 7 : 39): ThStK. 64, S. 601-17. — 64) X
E. Troeltsch, Vernunft u. Offenbarung bei Joh. Gerhard u. Melanchthon OOttingen, Vandenhoeck £ Ruprecht. M. 4,60.
I[G. Loesche: ThJB. 11, S. 211; G. Kawerau: DLZ. 12, S. 1738-40; Kastan: ThLZ. 17. S. 208-12; ThLBl. 189-.', S. 247.]! -
65)U. Yirck, Lübeck im J. 1536. Nebst e. Brief Bugenbigens : ZKG. 12, S. 566— 75. — 66) (II 6 ; 07.) — 67) R. Thommen,Bagen<
Jahresberichte fUr neaere deutsche Litteratargeschiohte II (>), 13
II 7: 68-83. V. Michels, Reformationslitteratur. 104
Johann vom 6. Juli 1536 aus Schloss Pretz mit, das, der Aufforderung des Kurfürsten
entsprechend, eine Schilderung Jürg Wullenwevers und seiner Revolution enthält. —
Thommenß*^) bringt drei Briefe an Spalatin (1523 Juni 13?; 1524 Juli 10; zwischen
1541 und 44?), von denen uns der dritte mit einer Tochter Elisabeth Bugenhagen be-
kannt macht. — Thommen 6^) berichtigt auch in einer Recension von Vogts Ausgabe der
Briefe Bugenhagens ein Versehen (S. 124 al. 2: ükolampad starb am 23. Nov.,
nicht am 5. Dez.) und giebt einige Nachträge zum Verzeichnis Bugenhagenscher
Schriften. 68) _
Eine ganze Reihe von Arbeiten über Bucer hat uns natürlich die vierliundert-
jährige Wiederkehr seines Geburtstages beschert, ß^*) Eine sorgfältige Zusammen-
stellung seiner Schriften und Briefe durch Mentz und Erichson '^O) und ein getreuer
Abdruck seiner Schrift „An ein christlich Rath vnd Gemeyne der Stat Weissenburg" ist
dankbar zu begrüssen. — Sehr erfreulich ist, dass durch Aufsätze und Festreden der
Wunsch geht, gegenüber der einseitigen theologischen Betrachtungsweise den Mann mit
seinen Vorzügen und Fehlern wirklich zu charakterisieren. 0. Winckelmann ''i)
findet hier das richtige Wort, wenn er, die Bezeichnung Bucers als „eines Diplomaten
unter den Reformatoren" bei Seite schiebend oder vielmehr durch eine umfassendere
ersetzend, sagt: „er war unter den protestantischen Theologen der einzige Staatsmann
neben Zwingli, dem er insofern überlegen war, als er die Verhältnisse nüchterner und
besonnener beurteilte." Von der Erwägung dieser staatsmännischen Begabung aus
muss man der „Zweideutigkeit", der „mehr diplomatischen als offenen und gewissen-
haften" Methode seiner Vermittlungspolitik und auch seiner Intoleranz gerecht werden,
nicht vertuschend, nicht entschuldigend, sondern erklärend. — Wenn daher N. Paulus ''^),
um den Bucerverehrern Wasser in ihren Wein zu giessen, im engsten Anschluss an
seinen schon genannten Aufsatz über die Einführung der Reformation in Pfalz-Zwei-
brücken und zum Teil mit denselben einseitig verwerteten Citaten Bucers Intoleranz
festnagelt, die der Obrigkeit naiv genug das Recht vindizierte, gegen die sogenannten
Gotteslästerer einzuschreiten, so ist die unwissenschaftliche Tendenz des sonst recht
dankenswerten Aufsatzes leider nicht zu verkennen. Hoffmeisters Wort: „ein grösserer
Zwang ist nie gewesen oder geschehen als in dem evangelischen Glauben", möchte P.
durch den Aufsatz beweisen und analysiert dazu besonders Bucers Dialog vom Jahre
1535. — Mit Recht haben sich aber Reuss'''^) und ein ungenannter Strassburger''^) in
ihren Reden, für die begreiflicherweise die Eeststimmung den Grundton abgiebt, die
Ausführungen von Paulus für die Charakteristik Bucers nicht entgehen lassen: „Sans
deute, il a ignore ce que nous appelons la liberte de conscience". 75-82) —
Zwingiis Anschauungen über Staat und Kirche stellen zwei Arbeiten zusammen.
Oechsli^) führt aus, dass Zwingiis Theorien auf dem Studium der Bibel, des Alter-
tums und der Gegenwart beruhen. Zwingli fasse den Staat nüchtern, realistisch im
Gegensatz zu den idealistischen Forderungen, die er an den Menschen als solchen stellt.
Deshalb verteidigt er die Obrigkeit, das Recht zu strafen, auch mit dem Tode, auch
das Recht Kriege zu führen. Er gesteht andererseits im Gegensatz zu Luther den
Unterthanen das Recht der Erhebung gegen die ungerechte Obrigkeit zu. ,,Er ist",
so sagt 0., ohne des Vorgangs von Thomas Aquinas und Roger Baco zu gedenken,
,,wohl einer der frühesten, wenn nicht der früheste Vertreter von der Lehre der unbe-
dingten Souveränität des Volkes in jedem Staat." Von den verschiedenen Staats-
formen erscheint ihm die Republik die beste und zwar, was er eine aristokratische
Verfassung nennt, eine ,, gemässigte oder repräsentative Demokratie". Die innere Ein-
heit bildet die religiöse Gemeinschaft: die Kirche ist die Seele der menschlichen Ge-
sellschaft, der Staat gewissermassen der Körper. Gerade deshalb darf die Kirche nicht
die äussere Herrschaft in Händen haben. Ö. führt mit einem etwas gar zu weit aus-
higens Briefwechsel, her. v. Vogt. Stettin 1888: MIÖG. 12, S. 191/3. — 68} X E. T. Hörn, Bugenhagens Order of Service of 1524:
Lntheran Church Review, Octob. S. 288-93. — 69) (II 1:6.) |[LCbl. 1892, S 277/8; Ho Ilaende r: DLZ. 13, S. 195/7.]| - 70) Z. 400j.
Geburtsfeier M. Butzers. (M. Butzers an ein christlieh Eath vnd Gemeyno der Stat Weissenburg Summary seiner Predig da-
selbst gethon. [Neudruck]. — F. Mentz. Bibliograph. Zusammenstell. d. gedr. Schriften Butzers. — A. Erichson. Ueber
d. hs. Nachl. n. d gedr. Briefe Butzers. Verzeichnis d. Litt, über Butzer. Strassburg, Heitz. VI, 180 S. M. 6,00. |[M. Lenz:
DLZ. 13, S. 533/5.]| - 71) 0. Winckelmann, M. Bucer: AZgß. N. 280. - 72) N. Paulus, M. Butzer n. d. Gewissens-
freiheit: K»th. 71, n. S. 44—71. — 73) R. Reuss, Z. Gedächtnisse M. Butzers, d. Strassburger Refonnatirs. Rede. Strass-
burg, Heitz. 30 S. M. 0,20. \\ß<;: LCBl. 1892, S. 42.]| - 74) Th G., M. Butzer, le Röforraateur de l'Alsace. A 1' 6cole dn
dimanihe de Saint-Nicolas souvenir du 1er Novembre 1891 ebda. 18 S. M. 0,20. [[ßg: LCBl. 1892, S. 42.]| — 75) O X
A. Erichson, M. Bncer, d. elsäss. Reformator. Zu dessen 400j. Geburtsfeier d. elsäss. Protestanten gewidmet. 3 Aufl.
ebda. VI, 76 S. |[M. Lenz: DLZ, 13, S. 533/5; PKZ. 38, S. 1045/6.]! - 76) O X E. Stern, M. Bucer, E. Lebensbild aus d.
Gesch. d. Strassburger Reformation. Gedacht nisbll. z. 400 j. Jubelfeier s. Geburtstages. Strassburg, Stnissb. Druckerei u. Ver-
lagsanst. 87 S. mit Bild. M. 0,50. - 77) X M. Bui er d. Reformator Strassburgs:' AELKZ. 5, S. 1121. — 78) O X K- Conrad,
M. Butler, e. Reformator Strassburgs. Zu dessen 400. Geburtstag dem protest. Volk in Elsass-Lothringcn erzillilt. (= Schriften
d. Protest liberalen Vereins in Els.-Lothr. 35.) Strassburg, (Druck v. Heitz & MUndel), [Treuttel * WUrtz.] JI. 0,25. —
79) X C. Werckshagen. M. Butzer, d. Reformator d. Elsäss: Didaskalia S. 1064/5. — 80) X C. W [e rokshageu] , Z.
RefonnationsjnbiUum: SchwabKron. N. 266. (= N. 79.) - 81) X E. ReformationsjubilSnm d. Elsass: VZg. N. 527.
— 82) X N. W[tiis8j, M. Bncer. Le quatrieme centenaire de sa naissance: BHLPFr. 40, S. 614/6 u. 672. — 83) X W.
10-
V. Michels, Reformationslitteratur. n 7: 84-97.
sohauenden Schluss auf den Gnimlgedaiiken der schweizerischen Kirchenroform ZwingUs
und Calvins die republikanisch-demokratische Verfassung der Niederlande, die republi-
kanischen Ideen der Hugenotten, der Puritaner, Nordamerikas und zuletzt der fran-
zösischen Revolution zurück. — Bachofen ^) leitet im ersten Teil seiner Dissertation
Zvinglis KiicluMilehro aus dem Gottesbegriff desselben dialektisch ab. Aus der allei-
nigen Kausfilität Gottes folge die Prädestinationslehre, aus ihr, dass das Heil der
Menschheit lediglich von Gott abhängt, nicht von der Kirche. Die katholische Lehre
ist als gottlos, die wiedertäuferische als utopistisch za verwerfen. Zwingli lehrt eine
unsiolitbare Kü-che, der die durch Christus Erretteten angehören. Daraus folge mit
Notwendigkeit die Lehre ehier sichtbaren Kirche, der alle angehören, die sicli der
Sakramente bedienen. Im zweiten Teil legt B. die Organisation dieser sichtbaren Kirche
dar, die natürlich eine rein praktische ist und nicht nur die im engeren Sinne kirclüiche,
sondern auch die staatliche Organisation umfasst, das Verhältnis der Gläubigen zur
weltlichen Obrigkeit und zu ihrem geistigen Hirten feststellt. Die Betrachtung gescliieht
etwas aus der Vogelperspektive und geht nicht ins DetaiL^^ij) — Wenn dem Reformator
Hessens, Franz Lambert, Schrödl^ß) einen Artikel zu teil werden lässt, der nicht
bloss verdrossen, sondern auch dürftig genannt werden muss im Vergleich zu Wage-
manns warmer Darstellung bei Herzog und Plitt und der kühleren' Stieves in der „All-
gemeinen Deutschen Biographie"; wenn J. Schneider ^fj für Schweblin ein Zeugnis
von C. Glaser beibringt zum Beweis der ersten Ehe auf Burg Landstulü im Jahre
1521; wenn F. Braun 8^) Aktenmaterial (Briefe und Auszüge aus einer Predigt) für die
Beziehungen Blaurers zu Memmingen aus der Münchener Bibliothek, der Dekanats-
registratm- und dem Stadtarchiv in Meiiuningen schöpft: so hat das alles verhältnis-
mässig beschränktes Interesse. —
Wichtiger ist uns der preussische Reformator Paul Speratus, für den
Tschackert 89-90) [i^ seinem „Urkundenbuch" so viel Neues beibringen konnte (s. JBL.
1890 II 7:34) und dem nun ders(ilbe Gelehrte auch eine zusammenfassende, auf weitere
Kreise berechnete Biographie gewidmet hat. T. hat noch einmal soviel Handschriften
benutzen können, als Cosack zu Gebote standen, dessen Buch seinen Wert durch die
mannigfaltigen Ausblicke behält. Von den 49 Liedern, die Cosack dem Speratus zu-
schrieb, erkennt T., wie Ph. Wackernagel und Goedeke, nur fünf geistliche und ein
weltliches als „nachweislich echt" an; wenn er die Frage nach seiner Beteiligung am
Königsberger Gesangbuch von 1527 aufwirft, so wird im nächsten Berichtsjahr auf die
Lösung einzugehen sein, die diese Frage gefunden hat.^^-^*) — Eine kurze Skizze eines
Ungenannten ö&) über den Wiener Blutzeugen Caspar Tauber, die sich als Hauptquelle
der „wahrhafftigen geschieht, wie Caspar Tauber, Burger zu Wienn in Oesterreich für
ein ketzer vnd zu dem todt verurteylt vnd ausgefürt worden ist", bedient, möge zu den
Arbeiten über die Sektierer überleiten. —
Sektierer. L. Schwabens) nennt vier Bändchen mit Schriften von Hans Denck
auf der Oeffentlichen Bibliothek zu Dresden, von denen das vierte das wichtigste ist, weil
es eine vollständige Sammlung sämtlicher bis jetzt bekannt gewordener Schriften Dencks
enthält mit dem Titel „Geistliches Blumengärtlein . . . ." (1680). Darin bafindet sich
unter anderem ein besonders paginierter Traktat „Schriftmässiger Bericht und Zeug-
nusse Betreffend der rechten Christen, Tauffe, Abendmahl, Gemeinschaft, Obrigkeit etc.
und Ehestandt etc." Durch ihn werden Kellers Ansichten berichtigt Denck steht auf
dem Standpunkt der späteren mährischen Brüder. Er ist Kommunist, statuiert für jeden
Ehegatten das Recht, sich von dem ungläubigen Teil scheiden zu lassen, hält das
Abendmahl für ein blosses Erinnerungsmahl, widerspricht dem Recht, Kriege zu führen,
und betont, dass man der Obrigkeit nur so weit zu folgen habe, als es mit dem Christen-
tum vereinbar sei. Auf Grund dieser Ausführungen ist ihm auch, gegen Keller, der
Schluss- der Schrift „Von der wahren Liebe" zuzusprechen. — Eine ausführliche liebe-
volle Charakteristik Michael Sattlers''') möchte die landläufigen harten Bem-teüungen,
die nur auf Unkenntnis bei-uhen, verdrängen. Wenn schon Bock in den „Fontes Rerum
Austriacarum. Diplomata et Acta" 43, S. 37 Anm. offenbar dazu neigte, das schöne Leidens-
lied „Als Christus mit seiner waren ler Versamlet hat ein kleines beer" wirklich
Oechsli, Zvingli als politischer Theoretiker: Turicensia S. 87— 113. — 84) Ch. Bacho fen, Essai sar I'Eeclteiologie de
Zwingle. Tht^se thöolog. Gen^ve, Impr. Kivera & Dubois. 80 S. M. 2,0a — 85) XTh. Vetter, Joh. Hooper, Bisehof r.
Gloucester u. Worcester u. s. Beziehungen zu BuUinger u. Zürich: Tnricensia S. 130—44 — 86) Schrödl, Franz Lambert:
Wetzer u. Weite. Kirchenloxikon 7, S. 1343/4. — 87) J. Schneider, Joh. Schweblin (Schwebel): ADB. 33, S. 318—22. -
88) F. Braun, Nachtrr. zu Blaurers Leben: BWKG. 6, S. 54,5, 62/4, 69—72. (Fortsetzung BWKO. 7 [1892].) — 89-90) (II
6 : 70.) Zu vergl. K. Budde, P. Speratus als Liederdichter: ZPTh. 14 (1892), S. 1 — 16. — 91) (II 6: 74) — 92) X 0- Möller.
Jak. Schenck: ADB. 31, S. 47/9. — 93) X H. Holstein, Erasmns Sarcerius: ADB. 33, S. 727/9. — 94) X B. Spiegel, Herrn.
Bonnus. Erster Superinlendeut v. Lübeck u. Befonnator v. Osnabrück, nach s. Leben u. s. Schriften dargesi Nebst Bildnis.
2. Aufl. Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht, VIII, 212 S. M. 4,00. [G. Kawerau: DLZ. 13, S. 522'5.]| (Vermehrt, berichtigt;
doch ist manches übersehen.) — 95) Dr. F. S., Caspar Tauber: Wiener Kommunal-Kalender S. 376—83. — 96) L. Schwabe,
Ueber Hans Denck: ZKG. 12, S. 452— 93. - 97) [G. Bessert], Michael t>attler. d. Mtrtyrer t. Bottenburg. (— Die Tanfer-
13*
II 7: 98-106. II 8. V. Michels, Reformation slitteratur. 196
Sattler zuzuschreiben, Keller in der „Allgemeinen Deutschen Biographie" (s. JBL. 1890
II 7 : 57) und neuerdings der Vf. unseres Aufsatzes es mit grosser Bestimmtheit, freilich
ohne Angabe von Gründen, für Sattlerisch erklären, so treffen sie wohl das Richtige.
Unbefangener Vergleichung wird die Fassung bei Wackernagel 3, N. 405 ursprünglicher
erscheinen als die unter N. 404 gegebene. Hat so der „Ausbund etlicher schöner
Gesang" von 1583 die ältere Form bewahrt, so liegt keine Veranlassung vor, seine
Angabe des Verfassers zu bezweifeln. ^8-99^ — Unter den Arbeiten, die sich mit den
kleineren im Dienste der Reformation thätigen Männern beschäftigen, verweise ich be-
sonders auf die beiden kleinen Artikel von Roethe loo-ioi^ ^ber den Pamphletisten
Cjrriacus Schnauss und den Meistersinger Michael Schrot. Schnauss (1512 — 1565 oder
später), Inhaber einer kleinen Druckerei, die nach R. an dem Blattornament und dem
Wahlspruch „Will mich Gott erhören, kann ihm niemand wehren" erkennbar ist, wird
vortrefflich charakterisiert als gesund protestantische Natur voll lutherischer Grobheit,
Nachahmer Hans Sachsens, aber ohne dessen Grazie und künstlerischen Blick. Seine
Streitschriften werden analysiert; seine selbständige Gesinnung wird hervorgehoben.
Für Schrot, ,, einen überzeugten, höchst bibelkundigen, gottvertrauenden Protestanten'*,
thut R. die Angabe, dass er Landsknecht war, zunächst als dichterische Fiktion ab
und vermutet, er habe den Beruf eines Goldschmieds gehabt; seine dichterische Thätig-
keit legt er zwischen 1545 und 1552, den Tod (nach der Vorrede des „Wappenbuches")
vor dem 21. Juli 1576 fest. Als ältestes Lied setzt R. sein „Schön News Christiichs
Lied Von der ietzt schwebenden gefärligkeit" an; die ,,Kurtze Beschreibung Wie
mächtig, weit und breit sich das H. Rom. Reich erstreckt hat" (Frankfurt a. M. 1545)
spricht er ihm zwar, wenn auch zweifelnd, zu auf Grund des Vergleichs des Kaisers
mit einem Adler, hält sie aber für überarbeitet. — Aus J. Werners 1^2^ Schrift über
Eberlin von Günzburg ist wenig zu holen. Mehr panegyrisch als charakterisierend
wird seine Stellung in Erfurt 1524/5 betont, offenbar mit einem schielenden Seiten-
blick auf moderne Parteibestrebungen. Es werden zwei Richtungen unter den Prädi-
kanten unterschieden, von denen neben Eberlin Johann Lange und sonderbarerweise
Gengenbach namhaft gemacht werden: eine „reformatorisch-konservative" und eine
„demagogisch-humanistisch-revolutionäre". W. kontrastiert in schiefer Weise Eberlins
chrisllich-sociale Agitation und die Bestrebungen des Erfurter Socialismus, schildert
sein beherztes Auftreten vor den aufständischen Bauern nach seiner Selbstaufzeichnung
und stellt dazu Erasmus', Reuchlins, Pirckheimers weniger mutiges Verhalten in un-
günstige Parallele. 103-104^ — Von den Männern der späteren Zeit endlich, in der das
Luthertum verknöcherte, wird Nicolaus Selneccer durch von Egl off stein ^^^) behandelt
und überaus ungünstig beurteilt. Auf die Thätigkeit Selneccers als Liederdichter ist
gar nicht eingegangen; nur die Streitschriften sind in die biographische Darstellung
verwebt. — Den Abraham Scultetus nimmt Cunos lo^) Aufsatz gegen die Angriffe, die
ihn der Unduldsamkeit und Bilderstürmerei beschuldigen, in Schutz unter Hinweis auf
seine Predigt gegen die Bilderstürmer. —
bewegnng in d. Herrschaft Hohenberg. 2): BWKG. 6, S. 67/9; 72/5; 81/3; 89-90 u. 7 (1892), 1-4; 9—10. — 98) X
D. Erdmmn, Kasp. y. Scliwenkfeld: ADB. 33, S. 403—12. — 99) X Fechtrup, Karlstadt: Wetzer n. Weite,
Kirchenlexikon 7, S. 181/6. — 100) Roetlie, Cyriacus Schnauss: ADB. 32, S. 84/6. — 101) id., Martin Schrot: ib.
S 556/8. — 102) J. Werner, D. ehristlich-sociale Agitator Johann Eberlin v. Günzburg im Kampfe mit d. freisinnigen
Humanisten u. revolutionären Bauern: KM. 10, S. 473—82. — 103) X Brecher, Erhard Schnepff: ADB. 32, S. 168—72. —
04) Geo. MUller, Georg Schönichen : ib. S. 308/9. — 105) v. Eglof fg tein , Nicol. Selneccer: ib. 33, S. 687— 92. —
106) C u n 0 , Abrah. Scultetus (Schnltetus) : ib. 8. 492/6. —
11,8
Humanisten und Neulateiner.
Siegfried Szamatölski und Max Herrmann.
(Ueber den Ausfall dieses Berichts vgl. die Vorrede.)
III. Vom Anfang* des 17. bis zur IVfitte des
IH. .Talirlmnderts.
111,1
Allgemeines.
Alexander Reifferscheid.
Politische und wirtschal tlithe Verbaltnisse N. 1. — Geistesleben N. 14. — GefShUleben N. 21. — Hoflaben and
geselliichaftliche Zustande N 24. —
Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeitraums be-
handelten die Fortsetzungen der Werke von M. Ritter i), H. von Zwiedineck-
Südenhorst 2), Erdmannsdörffer 3)^ über die aber nicht zu berichten ist, da sie noch
nicht zum Abschlüsse gelangt sind. — Der erste Band des v. Zwiedineckschen Werkes
wurde eingehend besprochen von Pribram *). Dieser lobte die sorgfältige Zusammen-
fassung der Ergebnisse der Forschung, sowie die umfangreiche Benutzung zahlreicher
Flugschriften, tadelte vor allem die zu grosse Vorliebe für den Kurfürsten Friedrich
Wilhelm und die offenbare Abneigung gegen den Kaiser Leopold I. und die Politik des
Wiener Hofes; es sei unstatthaft, um die Person Friedrich W^ilhelms, so gross und
bedeutungsvoll auch seine Erscheinung sei, die Geschichte Deutschlands jener Zeit zu
gi'uppieren. — Eine volkstümliche Behandlung der Brandenburgisch-Preussiachen Ge-
sclnchte in Einzeldarstellungen, die das Volk für die vaterländische Vergangenheit er-
wärmen sollen, beabsichtigt auf Grund der vorhandenen gelehrten Hülfsmittel ein Unter-
nehmen, von dem der erste Teil aus der Feder W. Bonnells^) vorliegt. Er ist wohl
geeignet, das Andenkeiv an die Thaten des Grossen Kurfürsten in den weitesten
Kreisen neu zu beleben und festzuhalten. In wohlabgerundeten Kapiteln wird die poli-
tische Geschichte der Zeit unter gebührender Berücksichtigung der Kulturgeschichte
zur Darstellung gebracht. •'') — Die Drangsale des deutschen Volkes unter dem Druck
von Hunger und Seuchen in den Jahren IGUO — 1048 ''■'^) behandelte ein medizinischer
Forscher, Lammer t ^), in einem umfangi-eichen Buche, das er als Teil seiner langjährigen,
I) M. Ritter, Deutsche Gesih. im Zeitalter d. Gegenreformation n. d. 30j. Krieges (1555-1648) II. (= Ribl.
deutscher Gesch.) Stuttgart, Cotta Nacbf. 1—160 S. i\ Lfif. M. 1,00. (2 Lieferungen, die erste noch 18W).) — 2) II.
V. Zw iodi neck-SOdenhorst. Deutsche Gesch. im Zeitraum d. Gründung d. preuss. Königtums 11. ^= Bibl. deutscher Gesch.)
Stuttgart, Cotta Nachf. 1 — 192 S. b. Lfg. M. 1,00 (3 Lieferungen, v. denen d. erste .seh' n 1890 erschienen) — 3) H. Erd-
mannsdS rf fer, Deutsche Gesch. v. westfttl. Frieden bis z. Regierungsantritt Friedrichs d. Gr. Vit Portr., lUustr. u. Karten. I.
(= Allgem. Gesch. in Einzeldarst. her. v. Oncken, III, 7. Abt.) Berlin, Grote. S. 466—608 ä Lfg. M. 6,00. (1 Lfg.) —
4) A. Pribram, v. Zwiodineck. Deutsche Gesch. usw. 1, 0890): HZ. 66, S. 559— 65, — 5) W, Bonnell, D. Jahr-
hundert d. Grossen Kurfürsten. (= Bilder aus 3 Jhh. Brandcnburgisch-Preussischcr Gesch. 1.) Berlin, Zillessen. X,253 S.
M. 2,40. (Als Fortsetzung werden erscheinen: 11. D. Jh. Friedr. d. Gr 111. D. Jh. Kaiser Wilhelms 1.) — 6t X Annegarn,
Weltgeschichte in 8 Rdd. 6. Aufl. n- u bearbeitet und bis zur Gegenwart ergänzt. 7. Bd. HDnster i. W., Theissing. 3S9 ü.
M. 2,00. (Umfasst d 2. Teil d. neuen Zeit, t. westf. Frieden bis i. Befreiung Europas v. d. franx. Fremdherrschaft.) —
7) (1,3 N. 332, 341a, 344, 344a, 3ß4a.l — 8) X K. Jentsch, Aus d. Zeit d. Erniedrigung Deutschlands, (üeber: 0. Klopp,
1) 30j. Krieg b. z. Tode Gustav Adolfs 1632. 2. Ausg. von: Tilly im 30j. Kriege. I.) -- 9) G. Lammert Gesch. d. Seuchen,
Hungers- u. Kriegsnot s. Zeit d. 30j. Krieges, Wiesbaden, Bergmann, 1890, Ylll, 291 S, M. 8,00 l[E. Fischer: HZ. 66, S. 528;
Jahresberichte für neuere deutsche Lilteraturgescbichte II •-i- 1
III 1: 10-20. AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. 2
die ganze Seuchengeschichte umfassenden Stvidien vorlegt, geleitet von der berechtigten
Ueberzeugung, dass die Geschichte des Leidens eines Volkes mit seiner Kulturgeschichte
innig verwoben ist. Den gewaltigen Stoff, den er durch nie ermüdende Nachforschung
aus schriftlichen Aufzeichnungen aller Art sorgfältig gesammelt, ordnete er übersichtlich,
indem er annalistisch, Jahr für Jahr, nach kurzen Notizen über Witterungsverhältnisse
und Ernteerträge alles zusammenstellte, w^as er über Seuchen, Hungers- und Kriegsnot
gefunden, in den meisten Fällen unter genauem Hinweis auf die benutzten Quellen.
Seine Sammlungen besitzen einen hohen Wert für die Erforschung der gesamten
Geschichte jener S'^hreckensjahre. — Eine Nachwirkung des 30j. Krieges ^o), den Bauern-
krieg 1653 in der Schweiz und das Auftreten des Bauernführers Adam Zeltner stellte
Jäggi^i) dar nach den Vorarbeiten von E. Zingg und Urs Vigiers. Während des
30j. Krieges musste die Schweiz ihre Grenzen besetzen und die Kosten dafür durch
Steuern aufbringen, die besonders auf dem Landvolk lasteten. Die Söldner, kehrten nach
dem Kriege verwildert und der Arbeit entfremdet aus Deutschland in die Schweiz zurück;
sie schürten die Unzufriedenheit der Bauern gegen die Städter, die sich den Allein-
verkauf von Pulver und Salz vorbehielten und alle Staatsämter durch Bürgersöhne be-
setzten. Der Aufstand der Bauern missglückte gänzlich. Der edle Adam Zeltner, dessen
Bild H. Zschokke in seinem historischen Roman „Addrich im Moos" zur Karikatur ent-
stellt hat, wurde am 2. Juli 1653 hingerichtet, als Opfer für die Freiheit des Volkes.
Nach der Niederwerfung des Aufstandes erklärte der Solotlnu-ner Magistrat, in Zu-
kunft werde er jeden Zuschuss für die Volksschulen verweigern: man habe gesehen,
wohin das Lesen und Schreiben bei den Bauern führe. Eine Zugabe beleuchtet an
einer Episode aus dem Solothurner Bauernkrieg das politische Doppelspiel der Berner
und Solothurner Aristokratie und teilt ein neues „Tellenlied" über den Zwischenfall
mit. 12-13) _
Ueber die Geschichte des deutschen Geisteslebens in dieser Zeit liegen keine
neuen grösseren Arbeiten i*) vor. An kleineren Beiträgen sind die folgenden zu ver-
zeichnen. Von dem Aberglauben 1^)^ der im 17. Jh. auch die höchsten Stände beherrschte,
legt Zeugnis ab der von Vollert^^) besprochene Prozess wegen Magie gegen Herzog
Johann Friedrich von Weimar. Der unglückliche Fürst, der sich leidenschaftlich mit
alchimistischen Studien beschäftigte, wurde trotz seiner wiederholten Beteuerungen, dass
er nichts mit dem Teufel zu schaffen gehabt, 1627 eingekerkert und, da man ihn seines
Standes wegen nicht zum Feuertode verurteilen wollte, im Oktober 1628 heimlich im
Kerker erdolcht. — Die hausbackene Moral der Zeit erhellt aus den Eintragungen eines
Albums, das sich ein Königsberger Student 1648 angelegt. R. M. Werner^') veröffent-
lichte einige dieser Eintragungen, darunter mehrere von litterarisch nicht unbedeutenden
Personen, von A. von Kainein, J. Loesel, Simon Dach, der sich selbst charakterisierte
mit dem Satze „miser est qui nunquam miser fiiit", J. Frentzel, K. Seyffart. i^-^^) — Ueber
die Entwickelung der Tagespresse in Schlesien, besonders in Breslau, orientierte ein
lesenswerter Aufsatz von Weigelt^o), Seit 1632 erschien in Breslau eine handschrift-
liche Zeitung in zweihundert Exemplaren, das „Schlesische Journal", das die Stadt-
ereignisse einer l'reimütigen Kritik unterzog und schonungslos die Religionsparteien, die
Obrigkeiten xmd die Einzelnen angriff. Seit 1656 wurden gedruckte Zeitungen von
Breslauer Buchhändlern herausgegeben: die „WöchentHche Post" von 1656 — 1690 von
G. Jenisch, der „Ordinari Courrier" von 1690 — 1702 von G. Seydel, unter strenger
Censur und mit dem kaiserlichen Privileg zum Schutze gegen die Konkurrenz. Da die
Censur alles Missliebige strich, wurden trotz des Privilegs immer aufs neue von Leipzig
und Hamburg fremde Zeitungen mit wahrheitsgetreueren Berichten eingeschmuggelt.
Auch mit einheimischer Konkurrenz sowie mit der Aufsichtsbehörde bestand ein steter
Kampf, der durch konfessionelle Gegensätze verschärft wurde. Seit 1725 forderte der
Fiskus eine jährliche Abgabe von 800 Gulden. Eine neue Zeit begann für das Zeitungs-
wesen in Schlesien mit den Unternehmungen des Breslauer Buchhändlers J. J. Korn,
eines Kurbrandenburgers, der 1741 von Friedrich dem Grossen selbst verfasste Berichte
über die preussischen Kriegsthaten als Flugblätter verbreitete und vom Januar 1742 an
die regelmässig erscheinende „Schlesische Zeitung" herausgab. —
LCBI. 8. 186/7.]| — 10) (1,3 N. 867a.) — II) Jaggi. D. liauornkrieg u. Adam Zollner v. NiodorbueUsiten. Aarau, SauorlBnder.
1889. 16 S. M. 0,80. - 12) X F. Böhm, D. sogen. Kasernonstuben z. Neu-Ruiipin, na:h d. Akten: ZHVKuppin. 2, S. 1-22.
13) (1,3 N. 106, 152.) - 14) X AI. Rei ff er scheid, Quellen z. Gesch. d. geistigen Lebens in Deutschland wahrend d. 17. Jh.
nach Hss. her. u. erl. I. (= Briefe G. M. Lingelsheims, M. Berneggers u. ihrer Freunde.) Leipzig, Reisland. XIX,1048 S.
M. 18,00. (Vgl. JBL. 1890, III 1 : 6. Neue Ausgabe d. neuen Verlegers zu bedeutend ermSssigtem Preise, der d. Anschaffung
wesentlich erleichtert.) - 15) (1,3 N. 68, 216; 143, 144.) — 16) A. Volle rt, Herzog Johann Friedrich v. Weimar. Pro/.ess
wegen Magie, 1627 u. 1628: NPitaval, NS. 24, S. 86-99. — 17) R. M. Werner, Aus einem Stammbuch d. 17. Jh.: VLG. 4,
S. 156/6. — 18) X Mitteilung d. Herrn Dr. Buchwald über ein 1696 beginnendes Fremdenbuch d. Schneekoppe : MAVZwickau.
3.5 S. XV. — 19) X Beck, D. hss. Briefschatze d. Zwickauer Ratsschulbibliothek aus d. 17. Jh.: ib. S. XIII— XIV.
(Referat Über e. Vortrag.) - 20) C. Weigelt, D. Tagespresse in Schlesien bis z. preuss. Besitzergreifung : SchlesZg. N. 16, 19.
3 AI. Reifferscheid, AllgnTnoinos <los 17./18. .Tahrhundorts. III 1: 20-24.
Wichtig für die Erforschung dis ( Jtistislcbens und besonders des Gefühls-
lebens sind die Veröffentlichungen von \t iiraulii licii Briefen und von Denkwürdigkeiten.
Vertrauliche Briefe eines höheren österreichi.schen Offiziers, des Feldmarschalls Ernst
Rüdiger Grafen von Starheinberg, aus der Zeit der Türkenkriege, den Jahren 1GH2 — 99,
gab von Rennerei) getreu nach den Hss. mit erläuternden Anmerkungen heraus.
Einst Rüdiger ist darauf bedacht, die Armee kriegstüchtig zu erhalten ; er ist empört
über die Intriguen seiner Widersacher am Hofe, die ihn überall hemmen, besonders
über die „gar zu nasweisen jungen Ministri, die von allem raisoniren wollen". Man
solle die Sachen „forhei'o, ehe mann sie fornimd, woll überlegen und nicht gleich so
liederlicher weis die reputation der waffen durch einen schbetlichen Abzug in gefar
sezen." Er sagt offen und deutlich seine Meinung, führt aber, wenn man ihm nicht
folgt, den gegebenen Befehl aus, anderen die Verantwortung zuweisend. Unverhohlen
spottet er über die Anwesenheit der „Heiligen", d. h, der Geistlichen im Kriegslager, die
,,Stadsmirakel" haben wollen. Der grossen „Circumspection" des Kaisers, auf dessen
Gerechtigkeitssinn er unerschütterlich baut, freut er sich, lässt aber doch die diplo-
matischen Schachzüge der Alliierten nicht aus den Augen. Das Leben am Hofe, be-
sonders die an demselben beliebten theatralischen Aufführungen sagen dem alten Hau-
degen nicht zu (S. 294). Er ist empört, dass man in Wien „nichts anderes redet als
von balleten, Verkleidungen und commedien", und dass einer, „der eine commedi agirt,
mer gilt, als einer so eine festung oder batallia erhalten had". — Lehrreich ist eine
Vergleichung dieser Privatbriefe mit den französisch geschriebenen Denkwürdigkeiten
zweier brandenburgischer Staatsmänner aus dem Ausgange des 17. Jh., des Nik. Barth.
Danckelmann und des Leberecht von Guericke, von denen Breysig22) grössere Bruch-
stücke veröffentlichte. Während der Oesterreicher geistig geweckt ist und rückhaltlos
Kritik tibt, verrät sich bei den Brandenburgern eine auffallende Beschränktheit; sie
haben nicht das geringste Urteil über die Motive und den inneren Zusammenhang der
Politik ihres Staates, der sie kritiklos gegenüberstehen. Auch darin zeigt sich ein
gi'osser Unterschied, dass der Oesterreicher uns in ein entwickeltes Gemütsleben blicken
lässt, während uns bei den Brandenburgern eine gewisse Starrheit und Unaufgeschlossen-
heit des Empfindungslebens entgegentritt. Mit Unrecht nennt B. dieselbe die innere
Unaufgeschlossenheit der Deutschen jener Tage. Es bekundfet sich hier die Lidivi-
dualität nicht der Personen, sondern der Volksstämme, denen sie angehören: das Ge-
fühlsleben war in den verschiedenen Gegenden Deutsclilands durchaus verschieden ent-
wickelt. — So finden wir auch ein überaus reich entfaltetes Gefühlsleben und das
Bedürfnis, es zur Geltung zu bringen, bei dem damaligen Kaiser Leopold I. Das er-
giebt sich aus der Abhandlung Pribrams^s) über die Heirat des Kaisers mit Maria
Theresia, für die er die zahlreichen, bisher nur unzulänglich benutzten, vertraulichen Briefe
Leopolds an seinen Ereund und Gesandten, den Grafen Eusebius von Pötting, aus den
Jahren 1663 — 74 verwertete. Möchte P. recht bald Zeit und Müsse für die in Aussicht
gestellte Herausgabe dieser wertvollen Urkunden finden, die ebenso ergiebig für die
Zeitgeschichte wie für die Geschichte des deutschen Gefühlslebens sind. —
Ueber das Hofleben und die gesellschaftlichen Zustände dieses Zeit-
alters liegen verhältnismässig die meisten Arbeiten vor. Einen ausführlichen Bericht
über die Feier einer Kindtaufe im Jahre 1616 am herzoglicheii Hofe zu Stuttgart, deii
der gelelirte Augsburger Kunstkenner Phil. Hainhofer, geb. 21. Juli 1578, gest. 23. Juli
1647, dem Herzog Philipp IL von Pommern erstattet, veröffentlichte von Oechel-
häuser24). In einer umfangi-eichen Einleitung gab er Aufschluss über den Bericht-
erstatter und seine vielseitige Thätigkeit als politischer Agent und Unterhändler in'
Kunst- und kunstgewerblichen Sachen. Hainhofer stand in den Diensten verschiedener
Fürsten ; einen besonders lebhaften Verkehr hatte er mit dem kunstliebenden Pommeni-
herzog. Seine Korrespondenz ist eine der wertvollsten Quellen für die Geschichte seiner
Zeit in kunst- und kulturgeschichtlicher Hinsicht. Hainhofers Berichte über seine ver-
schiedenen Missionen sind uns meist in Abschriften erhalten; ein genaues Verzeichnis
derselben giebt 0. S. 258 ff. Ihr Hauptwert liegt in den lebendigen und genauen Schil-
derungen der Zustände der damaligen Zeit. 0. benutzte ftir seine Ausgabe zwei gleich-
zeitige Abschriften des Hainhoferschen Berichtes, von denen die eine in der Wolfen-
büttler, die andere in der Heidelberger Bibliothek bewahrt wird. Letztere zeigt mehrfache
Abweichungen von der ersteren, Aenderungen, Zusätze und Streichungen. 0. hält die
Heidelberger für die Abschrift, die Hainhofer dem Kurfürsten Friedrich V. von der
— 21) V. V. Renner, Vertrauliche Briefe Ernst Rüdigers an seinen Vetter Gundaeker t. Slarheuberg, 1682 — 1699: Wiener
Kommunal-Kalender NF. 18. (1890), S. 253-350. NF. 19. (1891), S. 291—374. — 22) C. Breysig, Ans d. Denkwürdigkeiten
zweier brandenburg. Staatsmänner. BruchstOcke ans d. Memoiren v. N. B. Danckelmann n. L. t. Guericke: FBPG. 4, S. 177 bis
•212. — 23) A. Pribram, D. Heirat Kaiser Leopold I. mit Margaretha Theresia v. Spanien: AÖG. 77, S. 319—75. — 24) A.
V. Oechelhauser, Philipp Hainhofers Bericht Ober d. Stuttgarter KindUufe im ,1. 1616: NHeidelbJbb. 1,S. 254—335. (Mit e.
1*
ni 1: 25. AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. 4
Pfalz, der mit seiner Gemahlin bei der Kindtaxife zugegen gewesen, auf dessen Ersuchen
übersandte. Er wurde zu seiner Ansicht geführt durch Zusätze wie S. 299,4 „uberauss".
Dieses Wort steht aber, wie es scheint, nur durch ein Versehen des Abschreibers an
dieser Stelle. Es heisst dort von dem Grafen von Solms, er sei „gar ein verständiger
und uberauss freundlicher Herr". 0. übersah, dass „gar" bei ,, verständiger" dem ,, uber-
auss" bei „freundlicher" entspricht, „verständiger" also keiner Verstärkung mehr bedarf
und dass nur durch Nachlässigkeit des Schreibers zu „gar ein" noch „uberauss" ge-
treten ist. Die Heidelberger Hs. kommt nach meiner TJeberzeugung dem Original am
nächsten, von dem die Wolfenbüttler nur eine ungenaue, zum Teil durch Schuld des
Abschreibers entstellte und verkürzte Abschrift ist. Das ist leicht nachzuweisen. Mit
Recht vermutet 0. aus dem Vorhandensein verschiedener Abschriften, dass Hainhofer
den für Herzog Philipp 11. bestimmten Bericht noch anderen Fürsten zugänglich gemacht
habe. Der Bericht sollte die ausführliche Beschreibung des Ceremoniells, der Einzel-
heiten bei den Festmahlen, Ritterspielen und Aufzügen, der Besonderheiten der Hofhaltung
enthalten, um dem Pommernherzog ein anschauliches Bild von den Verhältnissen, Ge-
wohnheiten und Sitten eines der vornehmsten Höfe zu gewähren und für ähnliche Vor-
kommnisse als Anhalt zu dienen. Sorgfältige, ins einzelne gehende Erläuterungen und
eine Lichtdrucktafel, die den Schauplatz der festlichen Ereignisse bei der Kindtaufe
wiedergiebt, erleichtern das Verständnis des reichhaltigen Berichtes. — Die wertvollste
und wichtigste Veröffentlichung ist die reiche Auslese, die Bodemann^s) aus den fast
zahllosen Briefen der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans an ihre Tante, die Kur-
fürstin Sophie von Hannover, aus den Jahren 1G72 — 1734 nach den Originalen im Staats-
archiv und in der Bibliothek zu Hannover veranstaltet hat. Schon Ranke hatte aus
diesen Briefen das auf französische Geschichte Bezügliche, aber in einer durch zahl-
reiche Lesefehler entstellten Form mitgeteilt. B. gab zuerst alle historisch bemerkens-
werten und charakteristischen Stücke, im ganzen 837, mit fortlaufenden Erläuterungen
und einem umfangreichen, fleissig gearbeiteten Inhaltsverzeichnis, das trotz aller seiner
Vorzüge doch die Fülle des kulturhistorischen Materials der Briefe nicht erschöpfen
konnte. Ihre sprachliche Form ist durchaus volkstümlich, gewürzt durch Sprichwörter
und sprichwörtliche Redensarten. Manchmal hat die Briefschreiberin im Eifer des
Schreibens das eine oder das andere Wort ausgelassen, aber bei weitem nicht so oft,
wie B. angenommen, der an unzähligen Stellen unberechtigte Zusätze gemacht hat,
allerdings nach dem unkritischen Vorgang L. Hollands. In der kurzen Einleitung
weist B. auf die Fülle des Anziehenden hin, das die Briefe bieten, auf die unge-
schminkten Schilderungen der Persönlichkeiten und Zustände am französischen Hofe,
die rückhaltlosen Urteile über verschiedene deutsche Höfe. Die Unbefangenheit und
Derbheit, mit der Elisabeth Charlotte alles, selbst die anstössigsten Dinge, schreibt, ist
nicht, wie B. mit Vischer behauptet, blos Zeugnis für die sittliche Gesundheit, die sich
in der verdorbenen Anstandswelt rein bewahrt hat, sondern beweist zugleich die Un-
geniertheit, man kann auch sagen Schamlosigkeit, die wirklich grobianische Art der
höchsten Gesellschaftskreise, der Männer so gut wie der Frauen, in Frankreich sowohl
wie in Deutschland. Die Kurfürstin wartete gelegentlich auch mit solchen Derbheiten
auf (1, S. 116, 226), später wollte sie freilich nicht mehr über Unartiges lachen. Die
Königin von Frankreich sprach an offener Tafel, ohne Scheu wie alle Damen, vor
Herren von ,jungfer Caterin" (1, S. 23). lieber die fürstlichen knallenden Konver-
sationen (1, S. 174 f), über die unnatürliche Befriedigung der Wollust bei Männern und
Frauen, über alle möglichen Wüstereien selbst der jungen Mädchen lesen wir mehr
als zu viel. Die jungen Herren am Hofe sind ohne politesse wie die rechten Bauern,
alle feine Unterhaltung bei Hof hört auf, die Mode, dass Männer und Frauen zusammen
sprechen, ist abgekommen. Wer sein Kind wohl erzogen haben will, darf es nicht nach
Paris schicken, dort lernt es nur Brutalität, Desbauchen iind italienische Laster. Oft
vergleicht Elisabeth Charlotte die französischen Moden mit den deutschen. Da man am
Brandenburger Hofe in allem ä la mode sein wolle, so solle man dort bedenken, dass
man in Frankreich garnicht öffentlich küsse. Kein Seelenmensch trage in Paris aigretten
auf dem Hute, wie der Kurfürst von Brandenburg es wolle, höchstens ein boucle von
diamant briUant. Sehr oft spottet sie über die Vorliebe des Königs von Preussexi für
Ceremonien : sie seien sein bester regal. Sie gesteht zu, dass in Frankreich mehr Zwang
bei den grossen Ceremonien sei als in Deutschland. Entrüstet ist sie über das Vor-
wiegen der französischen Sprache an den deutschen Höfen (1, S. 193; 2, S. 142), über
das Eindringen französischer Hofsitte in Deutschland, über die Verblendung der
deutschen Fürsten, über das rasche Verbauern der deutschen Edelleute. Mit Verachtung
Lichtdrucktafel: „fürstlicher Lustgarten zu Stuettgart" gez. t. E. t. Hülsen, gest. v. M. Merian.) — 25) E. Bodemann, Aus
d. Briefen d. Herzogin Elia. Chart, v. Orleans an d. KurfUrstin Sophie t. Hannover. E. Beitr. z. Kulturgesch. d. 17. u. 18. Jh.
Hannover, Hahn. I :VIII, 43Ü; 11:412 S. M. 20,00. |[J. Wille: DLZ. 12, S. H16/7: K. Br.: LCBl. S. ir>82/3.]i (Vgl. o. 1,3
5 AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. m 1: 2«-88.
spricht sie von den französischen Kleiderraoden ; in Paris sei man allerdings noch toller
darin alH am franzöHischen Hofe. Unbegreiflich ist ihr die Vorliebe der französischen
Damen für dunkle Zimmer: sie schliessen sich von aller Luft ab und delicatieren sich
so. Fast übertrieben ist ihr Adelsstolz. Voll Verachtung blickt sie auf das peuple-
volk, das geadelte Lumpenzeug. Den Deutschen spricht sie mehr wahre granaeur zu
als den Franzosen, deini die Deutschen (sie denkt nur an den höchsten Adel) haben
keine Bürger zu Verwandten, dienen nicht und sind keine sujetten; entsetzlich ist ihr
das Eindringen Unebenbürtiger in alte Geschlechter, sie hasst den Mischmascli, den
Mäusedreck. Zu ihrem Aerger encanaillieren sich auch die Deutschon, sehen nicht mehr
auf Ahnen, sondern nur auf Geld. Dieser Auffassung entspricht es, dass sie 40 Thaler
für einen auf der Wildschweinsjagd angeschossenen Bauern „vor so ein mensch grosses
present" nennt. Hoch tiberragte sie dagegen ihre Zeit durch ihre religiöse Toleranz,
die bei ihr aus wirklicher Ueberzeugung hervorgegangen. Sie war der Meinung, dass
in der Welt nur Eine rechte Religion sei, die von den ehrlichen Leuten; sie stand hoch
über allem Konfessionalismus, sie wollte nur Christin sein. Sie hielt es für eine grosse
Thorheit, dass man alle Gemüter zwingen wolle, nur einen Glauben zu haben; gegen die
Anmassung der Pfaifen, mochten sie einer Konfession angehören, welcher sie wollten, war
sie gleichmässig eingenommen. Sie war „persuadirt, dass einer, so nichts glaubt und
wol lebt, eher selig wird als einer, so alles glaubt und übel lebt". So mochte sie
glauben, dass sie „bald un petit religion apart moy" habe. Sie wie ihre Tante waren
der Ansicht, dass die Menschen „unsers herrgotts marionetten sein", dass alles in der
Welt ein Verhängnis sei. Auf diese Weise konnte sie nicht begreifen, dass die Lutheri-
schen Mühe hatten, katliolisch zu werden, da sie ja doch die katholischen Ceremonien
glaubten: der Unterschied im Glauben sei so gering, dass es der Mühe nicht wert sei,
darüber zu disputieren. Nach alle dem darf man Elisabeth Charlotte nicht gerade wegen
ihrer evangelischen Glaubensstärke feiern, wie das meistens geschieht, auch von Bode-
mann26) in seiner ausführlichen Charakteristik der Herzogin, deren edlen, echt deutschen
Tugenden er sonst durchaus gerecht wird. 27) — Eine Reihe kleinerer Aufsätze be-
schäftigen sich mit dem Hofleben der damaligen Zeit, auf Grund zeitgenössischer Be-
richte. Nähere Mitteilungen iiber das Leben am dänischen Hofe gab Chr. Meyer 28)
nach den Aufzeichnungen der Leonore Christine von Schleswig-Holstein, Tochter
Christians IV. von Dänemark, vermählt mit dem dänischen Reichsstatthalter Corfitz Ul-
feldt. — Pribram^») veröffentlichte den politischen Bericht eines unbekannten Fran-
zosen über den Wiener Hof nach einer alten Abschrift, nicht nach dem Original, was
dem Herausgeber entgangen. Der Franzose schilderte seiner Regierung unbefangen,
was er gesehen und gehört, er war wohl vertraut mit allen Verhältnissen der leitenden
Persönlichkeiten und mit Jen socialen Zuständen Wiens. Besondere Hervorhebung ver-
dienen die Nachrichten über das sittlich i-eine Privatleben Leopolds L, seine zärtliche
Liebe zu seiner Gattin und seine Vorliebe für Musik. Der Kaiser unterhielt danach
eine zahlreiche Kapelle, welche auflftihrte „des mysteres qu'il compose lui-meme". Wenig
entzückt war der Franzose von der einzigen öffentlichen Lustbarkeit, den Theatervor-
stellungen („la com^die allemande"), in die man nur gehe, tun sich zu treffen, nicht der
Aufführungen wegen. Vortrefflich fand er die Erziehung der jungen Adligen, die
lateinisch, französisch, italienisch und spanisch sprechen lernten, aber trotz aller ihrer
Kenntnisse später bald A'erbauerten. Die Vorliebe des Kaisers für theatralische Auf-
führungen bei Hofe (vgl. o. N. 21) spricht sich auch aus in einer gelegentlichen Aeusse-
rxmg Leopolds, die in Pribrams Abhandlung (s. o. N. 23) S. 364 angeführt ist: „Den
Geburtstag meines Gespons haben wir sollemnissime celebrirdt mit einer Comedi, Gala
und ein Ballet, welches Prinz Karl von Lotringen sambt etlichen mein Kämmerern ge-
danzt hat, und ist ein so galantes festl gewest, als eines dahie gesehen." — üeber
Berlin^O) und das Leben am Berliner Hofe zur Zeit des Kurfürsten Friedrichs III. geben
erwünschte Nachricht Mitteilungen aus Denkwürdigkeiten eines italienischen Edelmannes,
des Fra Allessandro Bichi3i-32)^ (Jer nach eigener Anschauung rückhaltlos und frei-
mütig, aber mit Anerkennung aller Vorzüge der Fremde und wahrheitsgetreu berichtet.
Besonders eingehend bespricht er die Lebensweise des Herrscherhauses, die Morgen-
tafel des Kurfürsten, die Mittagtafel der Kurftii-stin und die Reiherbeize. — Eine Schil-
derung Berlins von einem Sachsen aus der Umgebung des Grafen Flemming, der sich
1723 einige Zeit in Berlin aufgehalten, machte Schmoller *!*) bekannt. Sie ist voll Spott
über den König Friedrich Wilhelm I.; die Stadt vergleicht sie einer Grenzfestung, wo
N. 415.) — 26) id., Elisabeth Charlotte v. d. Pfal«, Hewogin von Orlöans: HTb. VI. F., 11, S. 1—76. (Vgl. o. U N. 416.)
27) X A. Beneke, E. deutsche Frau in Frankreich: B»r 17, S. 176/8, 192/5. — 28) Chr. Heyer, Ans d. Memoiren ».
KSnigstochter d. 17. Jh : HambNachrS. N. 23, 24. — 29) A. Pribram, Aus d. Bericht e. Franzosen Ober d. Wiener Hof
in d. Jahren 1671 u. VI: MIÖQ. 12, S. 270—96. — 30) (1,3 N. 309a) — 31) Berlin n. sein Oof im J. 1696. Reiseerinnerungen
d. Fra Älessandro Biohi aus Siena: Orenzb. 50, I, S. 20—30, 71—81. (Uebersetzt ans d. Rassena nazionale r. Febr. 1888.
Vgl. 0. 1,3 N. 311.) — 32) (1,3 N. 310.) - 33) G. Schmoüer, B. Schilderung BerUns »us d. J. 1723: FBPG. 4, S. 213(6. (Tf|.
k
n 1: 3a-42. AI. Relfferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. 6
die Garnison die Hauptsache ist, der alle übrigen, Männer und Trauen, zu Diensten
stehen. Erwähnenswert ist die Nachricht, dass bei den Hoifesten Herren und Damen
nach der Art der Juden 3^) getrennt sässen: bei grossen Essen der Bürger zeige sich
keine Erau. — Geiger 3^) gab als Probe aus seinem umfangreichen Werke, welches die
Geschichte des geistigen Lebens der preussischen Hauptstadt von dem Regierungsantritte
Eriedrichs I. bis zum Regierungsantritte Eriedrich Wilhelms IV. behandelt, einen Abschnitt
aus dem 1. Halbbande, der der Zeit des Erscheinens nach in den nächstjährigen Bericlit
gehört. — lieber die Eeier der Vermählung des Markgrafen Karl Eriedrich von Ansbach
mit Eriederike, der älteren Tochter König Eriedrich Wilhelms I. veröiFentlichte
Chr. Meyer 36) Tagebuchaufzeichnungen des Herrn von Nostiz, der im Gefolge des
Markgrafen gewesen. M. leitet seine Veröifentlichung ein durch Nachrichten über das
vermählte Paar. Politische Berechnung hatte sie zusammengeführt, sie traten sich nie
gemütlich näher und wurden ruich der Geburt des zweiten Sohnes einander ganz ent-
fremdet. Nostiz giebt eine genaue Schilderung der Hoffestlichkeiten. Bemerkenswert ist
die Art, wie Braut und Bräutigam vom König und von der Königin zum Paradebett
gebracht und vor demselben ausgekleidet wurden. ^'') — Vier Studien über Erscheinungen
aus dem Gesellschaftsleben ^8) ^qi- damaligen Zeit sind anonym erschienen: 1. über das
Tabaksdöschen 39), Der Tabak hat sich im 17. Jh. seinen Weg von unten nach oben
gebahnt, von den rohen Kriegsknechten zu den feinen Herrschaften. In der schönen
Litteratur fand er besonders von 1690 — 1730 begeisterte Verehrer. Auf das gesellige
Leben übte er eine einseitige Wirkung, er blieb auf die Männerwelt beschränkt, die er
in der Tabagie, im Tabakskollegium vereinte, da sich dem Tabaksgeruch die Räume für
feinere Geselligkeit verschlossen. Als Schnupftabak drang das neue Reizmittel auch in die
höhere Gesellschaftswelt und erlangte darin solche Bedeutung, dass die zierliche Tabaks-
dose in der ersten Hälfte des 18. Jh. zu den beliebtesteii Prunkstücken gehörte, die
artig zur Schau getragen wurden. Das Döschen spielte sogar eine vertrauliche Mittler-
rolle in der Beziehung der Geschlechter zu einander. — 2, lieber die Musche, das
Schönheitspflästerchen 40), jj^ 'QHß^ und Wort hat sich das Andenken der Herrschaft
dieses Schönheitsmittels, die von 1640 — 1780 dauerte, erhalten. Die Sucht der Ver-
kleidung, der Verwischung aller individuellen Züge musste in dem Zeitalter des höfischen
Absolutismus reiche Nahrung finden. Die Geschichte des Schminkpflästerchens ist daher
für diese Zeit recht bezeichnend. Zuerst wurde es zum Verdecken von Hautschäden
gebraucht, später ohne diese Veranlassung allein kontrastierend zur wirkungsvolleren
Hervorhebung schöner Gesichtsfarbe. Die Mode verbreitete sich von Erankreicli aus
über England und Deutschland und erhielt sich trotz aller Angriffe und Verbote. Die
galante Dichtung der Zeit fand in der neuen Zier einen dankbaren Stoff für witzige
Spielereien. Das Muschenschächtlein gehörte damals zur unentbehrlichen Ausrüstung
der Putztische. Die moralischen Wochenschriften, die in Erauenkreisen viel gelesen
wurden, eiferten sehr gegen die Musche. Sie verschwand in Deutschland, als sich in
der Mitte des 18. Jh. der Sinn für edle Natürlichkeit regte. — 3. lieber das L'Hombre^i).
Auch die Geschichte dieses Spiels ist charakteristisch für die Zeit seiner besonderen
Beliebtheit. Es ist spanischen Ursprungs, gewann erst in Erankreich volle Ausbildung
und kam gegen Ende des 17. Jh., als es in Erankreich schon an Ansehen verloren,
nach Deutschland, wo es als das sinnreichste und lustigste Kartenspiel eifrig gepflegt
wurde. Die Kenntnis des Spiels gehörte zu den unerlässlichen Eorderungen galanter
Bildung bei Männern und Eraiien, adligen und bfirgerlichen Standes. Durch das Zu-
sammenspiel von Männern und Erauen gewann das L'Hombre direkten Einfluss auf die
Bildung eines feineren gesellschaftlichen Tons. Die genaue Kenntnis der Spielregeln
ist erforderlich zum vollen Verständnis der litterarischen Schöpfungen aus der Zeit der
höchsten Beliebtheit des Spiels. — 4. Heber artig und galant*^). Diese Lieblingswörter
des 18. Jh. enthüllen uns in ihrer Bedeutung ixnd Geltung die letzten Ziele geselliger
und aesthetischer Kultur der Rokokozeit, deren Wesenseigenheiten darin zum
Ausdruck gelangt sind. Die Geschichte des Wortes „galant" wird im Anschluss an
R. Hildebrands Ausführungen im Deutschen Wörterbuche gegeben. „Galant", seit 1670
in Gebrauch, erhält immer volleren Klang, bis es allmählich von „artig", das sich ilim
zuerst zugesellt, verdrängt wird; eine Zeitlang half man sich gedankenlos mit der Ver-
bindung beider Ausdrücke. Am freiesten entwickelte sich die „artig-galante" Kultur
in Kursachsen. —
0. 1,8 N. 812.) - 34) (1,3 N. 174.) - 35) L.Geiger, Am Berliner Hofe vor 200 Jahren. Hofdicliter u. Holfeste: FZg.
N. 57 n. 58. — 36) Chr. Meyer, Am Hofe Friedrich Wilhelms L: VossZgS. N. 33, 34, 36. - 37) (1,3 N. 32, 323.) — 38) (1,3
N. 488, 127.) — 39) 1). TabaksdOsthen. E. Kokokostudie: Grenzb. 50, 1, S. 322—30. (Vgl. lUr N. 39-42 o. 1,3 N. 24. Vf. d.
4 Artikel ist Paul Hof mann.) — 40) Kokokostudien. 2. D. Musche: ib. S. 510/8. - 41) Rokokostudien. 3. D. L'Hombre:
ib. 50, II, S. 192-202. - 42) Rokokostudien. 4. Artig u. galant: ib. S. 571—81. —
M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. HI 2: 1-3.
III.3
Lyrik.
Max f^reiherr von Waldberg.
Woltliclio Lyrik: Allgemeines N. 1. — Neue Mitteiluugeii N. 2. — Biographisches: Weckberlin N. 18; Zink-
Krofu. a. N. 14; Dach N. 10; Uitit u. a. N. 22; Hofmannswaldau N. 25; Kayger u. a. N. 29. — Geistliche Lyrik: Samm-
liiii){vn N. 3U. — Biographisches: Schnurr u. a. N. 4r>; Schinolck u. a. N. 51; Schottelius n. a. N. 54. — Komponisten:
Seile u. a. N. 66; H. Schütz N. 70. -
Der Ueberblick über die der Lyi-ik des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jh.
gewidmete Litteratiir bietet aucli in diesem Jahre, soweit die weltliche Dichtung in
Betracht kommt, ein bis auf einige Punkte wenig erfreuliches Bild. Abgesehen von
einer Eeihe kürzerer lebensgeschichtlicher Darstellungen, wie sie namentlich von der
ADB. geboten werden, und vereinzelten fördernden Untersuchungen sind zumeist
kümmerliche Wiederholung des Allbekannten oder dürftige Mitteilungen neuer Mate-
rialien die alleinigen wissenschaftlichen Ergebnisse des Berichtsjahres. Für allgemeine
Gesichtspunkte kommt höchstens eine Arbeit in Betracht. Sokolowsky i) hat sich
die Aufgabe gestellt, das Aufleben des altdeutschen Minnesangs in der neuen Litteratur
zu verfolgen, und führt uns in dem bisher veröffentlichten ersten Kapitel das Wiederer-
waclien der Minnedichtung in der Wissenschaft bis 1759 vor. Gehören auch seine Resultate
mehr der Gescliichte der deutschen Philologie und Litteraturgeschichte im weiteren
Sinne an, so fallen doch auch einige Bemerkungen für die Geschichte der Lyrik unseres
Zeitraumes ab, die man willkommen heissen kann, zumal eine durch v. Waldberg
(Galante Lyrik, 1885, Vorrede) in Aussicht gestellte Darstellung der inneren Beziehungen
zwischen der Lyrik der mhd. Zeit und der des 17. Jh. bisher nicht vorgelegt wurde. Es
ist zweifellos, dass bei den stark entwickelten national-antiquarischen Neigungen des
17. Jh. die wenigen bekannt gewordenen Bruchstücke der mhd. Lyrik eifriger auf-
genommen wvu'den, als es die spärlich erhaltenen Zeugnisse beweisen können. Die
Hauptquelle für die mit polyhistorischer Hast und Oberflächliclikeit zusammengeraffte
Kenntnis vom deutschen Altertum war Goldasts 1604 erschienene Publikation „Paraene-
ticorura veterum pars prima". Als ein hierher gehöriges Ergebnis der Untersuchung
S. s sei mitgeteilt, dass unter den deutschen Dichtern des 17. Jh. nicht nur Opitz
bis an sein Lebensende der mhd. Lyrik lebhafte Teilnahme widmete und sich von ihr
beeinflusst zeigt, ja einzelne von Goldast nicht abgedruckte Strophen und Verse kennt,
sondern dass auch Moscherosch, Harsdörffer, Buchner und Neumark Kenntnis dieser
Litteratur veiTaten und dass auch viele Theoretiker der Zeit mit diesem Wissen gerne
gelelu'ten Prunk treiben. Erst mit Bodmers und Breitingers Veröffentlichungen aus dem
grossen Codex beginnen die Einflüsse der mhd. Lyrik allgemein sich deutlich bemerkbar
zu machen, während sie früher wohl vorhanden sind, aber nur erst bei schärferem
Zusehen bemerkt werden können. —
Auch die Mitteilung 2) bisher unbekannter oder neu aufgefundener Dichtungen
hat sehr bescheidenen Ertrag gebracht. Der einzige Fund von einiger Bedeutung, die
Hs. der Schallenbergschen Dichtungen und Volkslieder, über die Hurch2») berichtet,
kann, da ihre Entstehung in das 16. Jh. fällt, hier nur soweit erwähnt werden, als
sie durch einige Fäden mit der Lyi'ik des 17. Jh. verbunden ist. So durch den Titel,
den ein in ihr enthaltenes Buch deutscher Lieder trägt: „Christofen von Schallenberg
deutsche Poeterey", der fast 50 Jahre später von Opitz für seine theoretische Sclmft
gebraucht wurde, ferner durch den Umstand, dass nach der Mitteilung des Finders der
Hs. das Opitzische Betonungsgesetz hier fast ganz durchgefülirt erscheint, und endlich
durch den Beweis, dass der in Zinkgrefs „Auserlesenen Gedichten deutscher Poeten" ab-
gedruckte „Lobgesang von dem Warmen Bad in Baden in Oestereich", den v. Wald-
berg in seiner Schrift über die Renaissancelyrik in einer tiroler Hs. aus dem Jahre
1603 nachgewiesen hat, schon in der zweiten Hälfte des 16. Jh. vorkommt. — Ueber
hs. erhaltene Lieder des 1 7. Jh. empfangen wir femer in der Berliner Dissertation von
Niessen ^) Kunde. N. macht eingehende Mitteilungen über das auf der Kgl. Bibliothek
in Berlin aufbewalu-te, hs. Liederbuch des Leipziger Studenten Clodius vom Jahre 1669,
I) R. Sokolowsky, D. Aufleben d. altdeutschen Minnesangs in d. neueren deutschen Litt. 1. Kapitel. Jenaer
Diss. (S. 0.12:3.) — 2) X L- Fränkel, Hayn, Bibliotheca Germanorum Nuptialis: CBlBibl. 8, S. 57/8. (Hinweis auf
F. Bienemauns Nachtrage BLU. 1890.) — 2a) H. Hureh, Ueber d. Fond e. Volksliederhs. ans d. 16. Jh.: DentsehZg.
N. 7024 u. 25. — 3) W. Niessen, D. Liederbuch d. Leipziger Studenten Clodius y. J. 1669. E. Beitr. s. Gesch. d.
III 2: 4-10. M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17. /18. Jahrhunderts, 8
das die Signatur Ms. Germ. 8° 231 trägt und aus 108 Blättern besteht, von denen 92
beschrieben sind. Es enthält eine Sammlung von Studentenliedem und volkstümliclien
Kunstliedern. Im ersten Teile der Arbeit, der dem litterarischen Inhalt der Hs. ge-
widmet ist, werden die Autoren der einzelnen Lieder, Simon Dach, Ph. Zesen, Gabriel
Voigtländer, Christian Weise usw. nachgewiesen und einige nicht gerade tiefgehende
Bemerkvmgen über die einzelnen Texte gemacht. Der zweite Teil ist der Untersuchung
der Melodien gewidmet, dem sich dann ein Register der alphabetisch geordneten
Liederaiifänge anschliesst. Die Initialen des Titels: „C: C: N: M. Hymnorum Studio-
sorum Pars Prima" sind auf der Rückseite des Titelblattes als „Christian Clodius Neo-
stadensis Missnicus" aufgelöst. N. hat ermittelt, dass der Sammler am 18. Okt. 1647
zu Neustadt bei Dresden geboren wurde. Clodius' Vorrede wimmelt, dem damaligen
Studententon entsprechend, von Unflätigk ei ten; ebenso sind, neben ganz sinnigen Liedern
der schon erwähnten Autoren und einzelnen noch heute in leicht veränderter Gestalt
gesungenen, auch noch ganz im Geschmacke der Zeit derbe zotige Dichtungen enthalten. —
Ernsteren Charakter trägt die Hs., über die R. von Liliencron *) berichtet. Es sind vor-
wiegend lateinische, aus Fragmenten des Hohenliedes zusammengesetzte, und nur wenige
deutsche Gesänge, die übrigens alle schon deswegen nur einen bescheidenen Wert haben,
weil sie uns fragmentarisch überliefert sind. Die 43 Lieder der Hs., die der Quinta
Pars des „Theatrum musicum" von Orlandus Lassus beigebunden ist, bieten nämlich
nur die fünfte bezw. sechste Stimme der Gesänge, und erst mit der Auftindung der
anderen Stimmen, die durch Veröffentlichung dieser Fragmente angeregt werden sollte,
würde eine Vervollständigung und damit die wissenschaftliche Abschätzung des Fundes
möglich sein. — Damit ist der Vorrat an Mitteihmgen neuer volkstümlicher Lieder er-
schöpft, denn in dem sonst noch bekannt gewordenen Hinweis von Mülinens^) auf
zwei historische schweizer Volkslieder aus dem Vilmerger Kriege von 1712 ist nur er-
wähnt, dass das eine sich in spöttischer Weise gegen Bern, das andere in demselben
Tone gegen die Stadt Baden nach ihrer Kapitulation wende, ohne dass wir näheres
über Aufbewahrungsort oder Form der Lieder erfahren. — Aber auch für die Kunst-
dichtung fliessen die Quellen diesmal sehr spärlich. Die von R. M. Werner 6) mit-
geteilten Auszüge aus einem Stammbuch des 17. Jh. sind litterarisch wertlos, weil sie
meist bekannte Citate fremder Autoren bringen, und haben nur insofern Interesse, als
sich einige Namen litterarisch nicht unbekannter Persönlichkeiten darin finden. — Aus
dem 18. Jh. wird uns wohl mehr Stoff geboten, er ist aber gleichfalls künstlerisch un-
bedeutend. Ein im Kgl. sächsischen Hauptstaatsarchive in Dresden von Distel '') auf-
gefundenes Gedicht von J. U. König, eine poetische Begrüssung bei einer 1722 für
14 der ältesten „respektive Ministers und Cavaliers aufs magnificeste veranstalteten
Tafel", hat fast nur sittengeschichtliche Bedeutung als Beitrag zur Kenntnis des Treibens
am Hofe Augusts II. Die 25 vierzeiligen Strophen sind von einer forcierten Lustigkeit,
wie sie sich in den heiter sein sollenden Gelegenheitsdichtungen des vorangegangenen
Jh. findet. — Ein ähnlicher „Pritschmeisterton" erklingt auch in den aus einem Sammel-
bande der Rostocker Universitätsbibliothek von F. Lindner *^) abgedruckten Gevatter-
briefen und Danksagungen desselben Dichters, die höchstens für den, wohl nicht zu er-
wartenden, Biographen Königs von Nutzen sein könnten. In demselben Bande und von
gleicher Hand geschrieben findet sich noch ein Württembergischer Hochzeitsbrief an
den König August, den Distel auch in einem Einzeldruck auf dem Dresdener Haupt-
staatsarchiv entdeckt hat. L. vermutet, da das Gedicht ganz den Stil und das
geistige Gepräge J. U. Königs zeigt, dass dieser die Verse für den unterzeichneten,
aber nicht weiter nachweisbaren J. G. Bulissus gedichtet habe. Mehr Aufmerksamkeit
verdient eine in der gleichen Hs. befindliche, aber von einer anderen Hand herrührende
poetische Spielerei, „Derer meisten Europaeisclien Höfe ä l'Hombrespiel", die aus der
Zeit des polnischen Erbfolgekrieges 1733 — 35 heiTührt und eine in den Flugschriften und
in obscönen Liedern des 17. Jh. beliebte Einkleidung der Satire in die Bilder und Be-
zeichnungen des Kartenspieles verwendet. — Genau aus derselben Zeit stammen aucli
drei in der Hamburger Stadtbibliothek aufbewahrte Festgedichte auf die Vermählung
Friedrich des Grossen, von denen F. Winter 9) das dritte, von der Neuberin verfasste,
Stück für litterarhistorisch bemerkenswert genug hält, um es durch einen Neudruck
wieder bekamit zu machen und durch genaue Angaben über die darin erwähnten Per-
sonen zu erläutern. Es ist im üblichen Stile der Casualdichtungen gehalten, nur noch
nüchterner und unbeholfener als derartige Arbeiten aus dem ausgehenden 17. Jli., die
wenigstens durch Metaphernpomp und Prunkworte Poesie heuchelten. — Wie verkntichert
die Formen der Gelegenheitsdichtungen ^o) waren, bekundet auch ein fast gleichzeitiges,
deutschon Liodes d. 17. Jh. Leipzig, Druck von Ureitkopf & Hartol. 6('> u. 2 unp. S. — 4) R. v. Liliencron, E. hs. Samm-
lung V. Gesängen aus d. 17. Jh.: MhMusikG. 23, S. 129—39. — 5) v. Mlllinen: AHVBern 13, S. XXXIII. (Nach mündlicher
Mitteilung.) — 8) R M. Werner, Aus o. Stammbuch d. 17. Jh.: s. o. 111 1 : 17. — 7) Th. Distel, E. Gedicht Ulrich
Königs: VLG. 4, S. 578—82.-8) F. Lindnor, Rostocker Findlinge: ib. S. 582— 9i. — 9) F. Winter, E. Gedicht d. NBuborin
auf d. Vermahlung Friedrichs d. Grossen: ib. S. 159— 06. — 10) X F. Otto, E. Reim Hellraunds auf sieh selbst: AnnVNassauG.
'.» M. Frhr. v. Waldborg, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. HI 2: n-ie.
im Jaliio 17iil oiitstandoiieH, nacli (kiiii im Besitze des Prof. L. Hirzel befindlichen
Original wieder abg(Klrucktes Grabgedicht, wo die „höchst beliebte Ehren-Porsohn des
unvergleichlichen Herrn Christoph Steigers bcy Lebzeiten Ruhmwürdigst gewesenen
Hen-n Schultheisson der hohen Stands und Souverainen Republic Bern" als Christlicher
Regenten-Spiegel"), bis aufs kleinste nach den älteren Mustern dieser Gattung gebildet,
vorgeführt wird. — Nur als ein Beh^g dafür, dass auch im Elsass die Litteratur zur
Zeit Gottscheds genau auf dem künstlerischen Niveau des übrigen Deutsclüand stand,
haben auch ausserhalb des Elsasses Martins ^2) Mitteilungen einigen Wert. Es werden
Ergänzungen inid Ausführungen zu seinen JbGElsLothr. 4, S. 58 f. abgedruckton
Annun-kungen über die Strassburger Dichterin Frau Professor Katharina Salome
Linck, dann aus Bielefelds „Progres des Allemands" ein Bericht über die Privat-
aufluhrung iiirer Polyeuktübersetzung und endlich aus Megalissus' Deutscher Jesuiten-
poesie die Titel und Anfangsverse der aus dem Elsass stammenden fünf Dichtungen
veröffentlicht. Eine Bemerkung, dass der streitbare und gelelxrte Herausgeber, der
Litzel hiess, bei dieser Sammlung von der Absicht geleitet worden sei, die Jesuiten
lächerlich zu machen, und daher die schlechtesten Dichtungen ausgewählt habe, wäre
wohl zur richtigeren Beurteilung der verzeichneten Werke wünschenswert ge-
wesen. —
Etwas reicher als für die Vermehrung der Litteraturdenkmäler hat die Forschung für
die biographische Ermittlung der Lebensverhältnisse deutscher Dichter dieses Zeit-
rainnes gesorgt. Hier hat aber fast nur die ADB. wirksam eingegriffen; ausserhalb
dieser Quelle, deren Versiegen beim nahen Abschluss des Werkes ja bevorsteht, locken
nur zwei Arbeiten zu ernsterer Durchforscliung: die beiden Pole der weltlichen Lyrik
des 17. Jh., Wcckherlin und Hofmannswaldau, haben beide im Berichtsjahr eine treff-
liche monogi-aphische Behandhuig gefunden. Weckherlin hat sein Landsmann Her-
mann Fischer'^) ein würdiges Denkmal gesetzt. Zu den älteren Darstellungen von
Conz, Höj)fner, Goedeke, den aus englischen Quellen stammenden Mitteilungen von
W. Brinchley Rye, sowie den interessanten Nachrichten, die Althaus in der AZg. ver-
öffentlicht hat, tritt nun F.s Biographie, die nicht nur das Bekannte zusammeufasst,
sondern auch reichlich Neues bietet. Unter anderem Avird durch Boltes Vermittlung
der Name von Weckherlins Frau als Elisabeth, Tochter von Francis Raworth Esq. of
Dover, festgestellt. Wir werden dann genauer als bisher fiber die Stellungen unter-
richtet, die der weltgewandte Schwabe in England erlangt hat. Aus dem Jalire 1625
stammt die erste Notiz, in der er als in englischen Diensten stehend erscheint. 1644 ist
er Secretarv'^ for foreign tongues des Commithee of the two Kingdoms. Nach einer
anderen Angabe, die sich aiif das folgende Jahr bezieht, soll er auch die Stellung eines
Censors der officiellen Presse, „Licenser of the Press", innegehabt haben. Ganz eigen-
artig berührt es, unsem schwäbischen Dichter in amtlichen Beziehungen zum Vf. des
„Verlorenen Paradieses" zu sehen. 1(549 scheint Milton Weckherlins Nachfolger zu sein.
1()52 wird der durch Undank und Missgunst gebeugte deutsche Dichter dem
inzwischen erblindeten Milton als assistierender Sekretär beigegeben; diese Stellung aber
hatte er nur kurze Zeit inne, da drei Monate vor seinem 1653 erfolgten Tode schon ein
anderer als sein Nachfolger genannt wird. Ln Anschluss an die biographischen Mit-
teilungen hat F. ein ebenso feinsinniges als zutreffendes Bild von dem Dichter Weckherlin
entworfen, das sich von landsmannschaftlicher Ueberschätzung ganz freihält. Die
Charakteristik gipfelt in der Bemerkung, dass Weckherlins Dichtungen nicht Kon-
fessionen, sondern Stil und Konvention darstellen, und die Streiflichter, die in F.s Aus-
einandersetzung auf Weckherlins litterarisches Wirken fallen, erhellen auch das Bild der
Renaisskncelyrik, für die der Autor mit Wärme gegen Goedekes etwas einseitige Ueber-
schätzung der Reformationslitteratur eintritt. —
Der auf den 3. Juni des Berichtsjahres gefallene 300j. Geburtstag J. W. Zink-
grefs hat weder in der Litteratur noch in der Tagespresse besondere Beachtung
gefunden. Der einzige ihm gewidmete Aufsatz'-*) bringt nur eine Zusammenstellung der
durch die Arbeiten Schnorrs u. a. bekainiten Daten. Ueber einen anderen Dichter derselben
Zeit, J. M. Schneuber, einen elsässischen Poeten, der zwar ein Vertreter der neuen
Opitzischen Kunstrichtung war, aber nicht die Krafl besass, auch auf seine Umgebung
zu wirken, hat Martin if') eine knappe biographische Notiz, über die „Pommersche
Sappho" Sibylla Schwarz, deren frühes Hinscheiden angesichts ihrer poetischen
Begabung tragisch anmutet, hat Häckermanniß), über den jugendlichen Opitzianer
I
•_'3, S. 114. (Nichtssagender ^Sclilussroim" anf seine eigene Offontliclie TbXtigkcit.) — II) Cbriftlichnr Regenten-Spiegel: BernTB
S. 101/8. — 12) E. Martin. ElsHssischn LiU. z. Zeit Gottscheds: JbGEIsL..thr. 7. S 117—22 — I3)H. Fischer, Georg
Rudolf Weckherlin (= Beitrr. z. Litt-Gpsch. Schwabens. Tubingen, Laupp. VI, 246 S. M. 4.00. S. 1-40). — 14) H. Gr.,
D. Gedächtnisse W. Zinkgrefs. Z. 300j. Geburtstage d. Uicht«rs am 5. Juni 1891: VossZg. N. 251. — 15) E. Martin, Joh.
Mathias Schneuber: AU;. 32, S. 172/3 - 16) Hlckormann, Sibylla Schwärt: ib. 33, S. 248/9. — 17) J. Bolte, Michael
in 2: 17-25. M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. 10
Michael Schneider, der sich mehr durch vielseitige Bildung und Sprachgewandheit als
durch Selbständigkeit auszeichnete, Bolte^'^) biographisches Material beigebracht.^^) —
Die auf Opitz gerichtete Forschung hat diesmal geruht, dagegen tritt mit fast
gesetzmässiger Regelmässigkeit wieder Dachs „Aennchen von Tharau" auf den
Plan. Müsiol^S) -^iU die für ihn noch immer nicht gelöste TrageSO) nach der Autor-
schaft des Dachschen Gedichtes zu beantworten suchen. Bei dieser Gelegenheit teilt
er Dachs Leben im Auszuge mit; seine Quelle ist „Der vortreff liebsten Teutschen Poeten
verfertigte Meister-Stücke, wobei jedesmahl das Leben eines solchen Tichters, der den
Nahmen eines vortrefflichen. Bei der galanten Welt durch seine Geschicklichkeit ver-
dienet" (Rostock und Parchim 1721 und 1724). Sodann wird die Geschichte des viel
umstrittenen Gedichtes erzählt. M. zweifelt wegen der in Alberts Arien dem Abdrucke
beigefügten Ueberschrift „Aria incerti autoris" Dachs Urheberschaft an, was schon
W. Tappert früher bezüglich der Melodie bei Albert gethan hat. Dann wird der Charakter
des Liedes als Hochzeitsgedicht geleugnet und endlich die Hypothese aufgestellt: „Eher
lässt sich annehmen, dass Dach, der fortwährend Kränkelnde, aber gewiss im Umgang
geistreiche und berühmte „Con-Rectoris" (!!), ein Liebesverhältnis mit Anke hatte und
das immer Schmollen, immer Grollen auch bei ihnen nicht ausgeblieben sein mag. Man
versöhnte sich wieder und infolge dessen entstand das Gedicht." Einfacher lässt es sich
allerdings nicht machen !2i) —
Ueberflüssige Mühe, längst Pestgestelltes von neuem zu beweisen, giebt sich
Detlefsen22) in seinem, dem geschäftlichen Treiben J. Rists gewidmeten Schriftchen.
Nach der von Prick allerdings verstümmelt überlieferten Mitteilung der Urkunde, mit der
Rist dem Georg Struve die Würde eines gekrönten Poeten verlieh, nach v. Waldbergs
und Draesekes Aeusserungen (vgl. JBL. 1890) war es unnötig, einen so reichen Apparat^
von Urkunden zu entwickeln, um die unwiderleglich feststehende Thatsache abermals
festzustellen, dass sich Rist geschäftliche Nebenvorteile bei den von ihm verliehenen
Auszeichnungen zu verschaffen wusste. Der Wissenschaft ist auch nicht viel gedient,
wenn wir ermitteln, dass Gottfried Treuer, Johannes Georgias ihre Dichterkrone dem
„Rüstigen" danken. — Mehr als ein bescheidenes Plätzchen in der ADB. verdienen alle
diese Dichter nicht, die nur das schwache Echo der grösseren und auch nicht grossen
poetischen Stimmführer jener Zeit sind. Deshalb hat auch von Waldberg^s) das
Leben und Wirken eines Mannes wie G. H. Schreiber nur mit einigen Zeilen abgethan, und
vielleicht ist damit bei dieser jeder individuellen Pärbung entbehrenden Persönlichkeit
schon zu viel des Guten geschehen. — Anders verhält es sich bei einem Namen wie
J. Schwieger, an den sich, wie Reiff erscheid s^*) biographischer Artikel zeigt, interessante
litteraturgeschichtliche Probleme knüpfen. Jakob Schwieger, der „Flüchtige" der Zesen-
schen „Teutschgesinnten Genossenschaft", ist nach R.s Ausführungen zuerst von Moller
in der „Cimbria litterata", dann von den meisten Litterarhistorikern bis auf die jüngste
Zeit mit „PiUdor dem Dorferer", dem Dichter der „Geharnschten Venus" und dem V£
verschiedener Rudolstädter Pestspiele aus den Jahren 1665/7 identifiziert worden.
Dagegen wollte Goedeke diejenigen Schriften, die nach R.s Bemerkungen Schwiegers
geistiges Eigentum sind und durchaus das Gepräge seiner Persönlichkeit tragen, zwei
verschiedenen Autoren gleichen Namens zuschreiben, von denen der eine ein Theologe
gewesen sein könnte. Jedenfalls ist hier noch vielerlei zu suchen und zu finden. Ueber
Schwiegers Leben ist nur sehr weniges bekannt, und so sind auch die Forschungen sehr
erschwert, die sich an die ihm zugeschriebenen Werke knüpfen. R, führt aus, dass die
Moller allgemein nachgebetete Behauptung, die „Geharnschte Venus" sei ein Werk
Schwiegers durch nichts begründet werde. Das Werk zeige sich vielmehr als eine
der besten lyrischen Leistungen des 17. Jh., ist aus einem ganz anderen Kreise, aus
ganz anderer Anschauungsweise und anderer Stilrichtung entstanden, als sie etwa
Schwiegers geistige Atmosphäre darstellt. Dass der Rudolstädter Filidor nichts mit
Schwieger gemein habe, ist schon von Martin nachgewiesen, und so schälen sich nun
aus diesem einen Namen drei durchaus verschiedene Dichterindividualitäten, von denen
leider die bedeutendste, der Vf. der „Geharnschten Venus", der unbekannteste ist. —
Scherer hat wohl auch den Vf. dieses Werkes gemeint, wenn er Schwrieger
den eigentlichen Minnesänger des 17. Jh. nennt, und an diesen muss man denken, wenn
man ihn als einen Vorläufer der späteren schwülstigen Lyrik bezeichnete. Wendungen
wie ,,Printz der Silberknechte" für ,,Mond" hätten auch Lohenstein oder Hofmanns-
waldau gebrauchen können, und Ettlinger^s) hat in seiner schon erwähnten Mono-
Schneider: ib. 32, S. 142. — 18) X Flemming-DeDkmal : HambCorr. N. 185. (Notiz.) — 19) B. Müsiol, Aennchen t. Tharau:
NZMusik. 87, S. 365/6, 372/5. — 20) X J.W.Braun, Aennchen v. Tharau: Didask. N. 29. (Altes korrekt wieder-
holend.) — 21) O XX F. W. Seraphin, E. Gedicht d. Petrus Mederus: KBlVSiebenbL. 14, S. 42/3. — 22) Detlefsen,
Johann Rists geschäftliches Treiben als gekrönter Poet u. kaiserlicher Pfalz- u. Hofgraf: ZGSchleswG. 21, S. 245—93. —
23) M. V. Waldberg, Georg Heinrich Schreiber: ADB. 32, S. 472. — 24) AI. Reifferscheid, Jakob Schwieger: ib. 33,
8. 443/7. — 25) J. Ettlinger, Christian Hofmann v. Hofmannswaldau. E. Beitr. z. Litt.-Gesch. d. 17 Jli. Hallo, Niemeycr.
128 n. 2 unpag. S. M. 2.80. |LW. Kawerau: AZg». N. 186; Grenzb. 50, IV. S. 246/8; LCBl. 1892, S. 574.] | (Auch als Heidel-
11 M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. ni 2: 2tt-29.
graphie über den letsitgeiuuinteu Dichter gerade die „Gehamschte Venus" zum Vergleich
herangezogen, als er den Beweis antrat, dass die deutsche Litteratur schon vor Hof-
inaniiswaldau sich dem gezierten Schwulste, der sprachlichen Ueberwürze zuneigte.
Hoiinannswaldiius Stil erscheint hier mit vollem Recht nicht als ein plötzlich auftauchendes
Phänomen, sondern als ein allmählich gewordenes Produkt der fremden und einheimischen
geistigen Strömungen. Mit historischem Verständnis und gründlicher Belesenheit setzt
E. auseinander, wie sich diese Geschmacksrichtungen und Stilformen in Hofmanns-
waldau als ihrem typischen Vertreter vereinigen. Bei aller Fülle der Belege behält E.
doch noch die Herrschaft über den Stoff. Er wägt kritisch vorsichtig seine Funde ab,
und so gelangt er beispielsweise trotz der starken Uebereinstimmung in Hofmanns-
waldaus und Marinos Dichten zu dem Ergebnis, dass wohl der Einfluss des Italieners
ein starker und ausgedehnter war, dass aber Hofmannswaldau trotzdem frei vor
sklavischer Nachahmung gewesen sei. Er hat vielmehr Marinos barocke Darstellungs-
weise selbständig entwickelt und dieses Stilprinzip in seiner Art konsequenter angewendet
als das Vorbild. Ueberhaupt ist die Arbeit reich an neuen Ergebnissen. Für den
schwächsten Teil, den biographischen, standen E. viele an Hofmannswaldau gerichtete
Briefe der Breslauer Stadtbibliothek, für andere Abschnitte des Buches eine Dresdener
Hs. der lyrischen Gedichte zur Verfügung. Auf die Biographie folgt in der Unter-
suchung eine Besprechxing der Hofmannswaldauschen Dichtungen. Bei den weltlich
erotischen Gedichten werden die stofflichen Einflüsse Marinos und der Franzosen, bei
den Epigrammen Loredanos Einwirkung auf diese Gattung behandelt. Gelegentlich der
Besprechung der Heldenbriefe wird gegen v. Waldbergs Vermutung, dass Voiture mit
einem Scherzbriefe, und Triebes Anschauung, dass Caspar Barlaeus der Anreger dieser
Gattung bei H. sei, mit viel Wahrscheinlichkeit dem englischen Dichter M. Dray-
ton und mit triftigen inneren und äusseren Gninden dessen „Englands Heroicall
Epistles" (London 1G30) diese Einwirkung auf Hofmannswaldau zugesprochen. Die
folgenden Kapitel, die der inneren Form der Hofmannswaldauschen Dichtung gewidmet
sind, bieten interessante stilgeschichtliche Untersuchungen; das ganze Buch giebt ein
zutreffendes litterarisches Bild der Barockzeit in der deutschen Litteratur. W. Kaweraus
Anzeige dieser Monographie bringt anknüpfend an E.s Vergleich Hofmannswald aus mit
Wieland eine recht originelle, wenn auch nicht in allen ihren Teilen gleich überzeugende
Parallele zwischen Hofmannswaldau und dem „dicken Lebemann an der Alster", IViedrich
V. Hagedorn. Derartige Parallelen sind ja nicht ganz ohne Wert, weil sie eine Art von „gegen-
seitiger Erhellung" der verglichenen Objekte bewirken können. Einen anderen Vergleich
versucht der anonyme Recensent der „Grenzboten", der Hofmannswaldau zu Friedrich
von Speeä'') in Beziehung bringt. Nicht um diesen als ein Vorbild des „galanten"
Dichters hinzustellen, sondern um zu zeigen, „dass diese gekünstelte Sprache schon vor
der Mitte des Jh. Deutschland nicht fremd war und daher Hofmannswaldau nicht der
Vorwurf zu machen sei, dass er sich mit fremden, mit welschen Federn geschmückt
habe". — Fast gleichzeitig entstanden und früher erschienen als Ettlingers Untersuchung
ist ehie Abhandlung von M. H. Jellinek^«), die sich mit Hofmannswaldaus Helden-
briefen beschäftigt. Sie werden mit den Ovidischen Heroiden verglichen; dann sind
treffende Bemerkungen gemacht, die sich auf die Einkleidung beziehen, die Einwirkungen
der Metrik auf die Form des Ausdrucks, die stilistischen Kunstmittel Hofinannswaldaus
besprochen, und am Schlüsse wird eine sehr hübsche Auseinandersetzung über die Con-
cetti geboten. J. ist auch der Erste, dem die Thatsache aufgefallen ist, dass alle
28 Heroiden Hofmannswaldaus genau hundert Verse zählen, und er bespricht hier die
Wirkung dieses Urastandes auf die Komposition dieser Gedichte. —
Vergleicht man die geistig so bewegte und erregbare Individualität Hofmaims-
waldaus mit der eines Zeitgenossen, den der Lokalpatriotismus der verdienten Ver-
gessenheit entrissen hat, des clevischen Dichters J. Kayser, so mutet uns der von
F. Schröder '-Ö) erzählte Lebenslauf des Letzteren fast wie ein kleinstädtisches Idyll an.
Dort der weitgereiste, welterfahrene und hochgestellte Breslauer Ratsherr, an den die
hochgehenden Wogen eines lebhaft bewegten geistigen Lebens heranstürmen, hier das
friedliche, in enger Umgebung dahinfliessende Kleinleben eines Pastor primarius in
Cleve. Von der neuen Weise, die draussen im Getümmel der Welt gesungen wird,
dringen nur gedämpfte Klänge nach Cleve hinüber, und während Hofmannswaldau seine
kurzen lasciven Stachelverse schrieb, müht sich der Vf des in drei Bändchen erschieneneu
„Parnassus Clevensis" ab, seine hannlosen „Beischriften" in langatmigen, zu Abhand-
lungen sich erweiternden Anmerkungen zu kommentieren. Nur im Lobe seiner Amts-
stadt klingen galantere Wendungen durch, auch von dem grossen Ttirken- und Franzosen-
berger Dissertation in gleichem Umfang erschienen.) — 26) id., Briel'wechsel zwischen Hofmannswaldau u. HarsdOrffor: ZYLR.
NF. 4, S. 100/3. — 27) X H. Gruber, Friedrich von Spe. Z. 300 j. Qedächtnistage am 25. Febr. 1891: Post t. 24. Febr.
(DUrftige biographische Skizze.) — 28) M. Jellinek, Hofmannswaldaus Heldenbriefe : VL6. 4, 8. 1—40. — 29) F. Schröder,
III 2: so-36. M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17. 18. Jahrhunderts. 12
krieg kann man stark gemilderte Reflexe in seinen Dichtungen finden. Sein Witz er-
schöpft sicli in kühnen Anagrammen („Germanikus — Nase im Krug"), und der in
Lippstadt in der Mark geborene Autor weiss schon prophetisch Berolinum als ,,orbi
himen" zu preisen. Hochzeits- und Leichen carmina werden angestimmt und Gedichte
auf ruhmreiche Potentaten und „remarquable Begebenheiten" in loyaler Gesinnung ver-
fasst. Am besten gelingen ihm die „Carmina figurata" nach der Art der Nürnberger
Spielwaarendichter, und wenn er wirklich einmal in sanfte Leidenschaft gerät, so geschieht
es im Eifer gegen die „Gut und Blut verderbenden Debauchen", wie das Gesundlieits-
trinken, oder gegen Kaffee, Thee und Chokolade. Ueberall ersichtlich ist der Zug zu
bessern und zu belehren, und der etwas naive Biograph meint mit Recht: „An Inno-
cence lassen seine Gedichte nichts zu wünschen übrig." — Eine interessante Gegenfigur
zu dem stillen im engen Kreise behaglich dichtenden Geistlichen ist sein Berufsgenosse
Pastor Daniel Schönemann 30-3i")^ (jgj. durch seine infolge nervöser Kränklichkeit noch
gesteigerte Gabe des Improvisierens aus ruhigen Verhältnissen herausgerissen und in
den Wirbel der grossen Welt gestürzt wurde. In der bekannten Sammlung ,,Des Herrn
von Hofmanns wald au und anderer Deutschen auserlesene Gedichte" wird zwar etwas
ironisch erzählt, dass Schönemann, „dies Wunderwerk der Welt", noch zuletzt die Gassen
Berlins mit Reimen pflastern werde, aber Friedrich der Grosse und die gelehrten Kreise
schätzten ihn dennoch. Allmählich durch Erfolg und Eitelkeit auf Abwege gebracht,
ergiebt sich Schönemann dem Trünke und sinkt von Stufe zu Stufe. Erst später scheint
der Verlorene durch Anschluss an die Böhmischen Brüder und den Grafen Zinzendorf
die Ruhe gefunden zu haben, die ihm bis dahin gefehlt hatte. Seine weltlichen Dich-
tungen sind im Gegensatz zu den geistlichen nicht gesammelt. Schönemann geniesst
den zweifelhaften Ruhm, das längste geistliche Poem geschaffen zu haben, ein Passions-
lied in 724 Strophen. — Eine gleich unglückliche Vereinigung von Begabung und Leicht-
sinn, nur noch gesteigert, tritt in J. Chr. Günther zu Tage, und ihre tragische Wirkung
hat wie schon öfters auch in diesem Jahr einen dramatischen Dichter verlockt, dies eigen-
artige Dichterleben auf die Bühne zu bringen. Zwar ist die Möglichkeit nicht ausge-
schlossen, dass ein bedeutender Dichter uns auf poetischem Wege ein Charakterbild
vergegenwärtigt, das an innerer Wahrheit einem durch biographische Kunst hervor-
gegangenen nicht nachsteht, jedenfalls aber ist von solchem Ziele Oekanders^ä) d. h. G.
Hausmanns jüngste Tragödie in 5 Akten „Christian Günthers Genius und Schuld" weit ent-
fernt, die trotz allen Poeten, die darin eine Rolle spielen, und trotz den zugestutzten
Einlagen Güntherscher Verse ebensowenig poetisch wie biographisch wahr ist. — Ueber
Günthers, auch in seinen äusseren Schicksalen ihm nicht unähnliclien, Landsmann
Sperontes, dessen bürgerlichen Namen, Joh. Sigismund Scholze, Spitta ermittelt hat,
berichtet R. Kade'^3) und fasst alles bisher von Spitta und ihm Gefundene von neuem
zusammen. Am Schlüsse deutet er die Fragen an, welche die Forschung bei Sperontes
noch zu lösen hat. — Ueber einen Hamburger Litteraten aus der ersten Hälfte des
18. Jh., den unter Richeys und Brockes' Einfiuss stehenden G. Chr. Schreiber, bringt
von Waldberg 34) einige Nachrichten. Viel war über sein Leben und Schaffen nicht zu
ermitteln. Er ist nur durch seine, „Proben der Niedersächsischen Poesie" betitelte,
Anthologie bekannt, die wieder nur dadurch einiges Interesse beansprucht, dass in ihr
eine Polemik Schreibers gegen Gottscheds Bemerkungen über gewagte Wendungen in
Brockes' Dichtungen enthalten ist. Es gehörte grosser Mut dazu, gegen Gottsched auf-
zutreten, der damals auf der Höhe seines Einflusses stand, fast ebensoviel wie bald
darauf, sein Freund zu sein. — Chr. 0. von Schönaich, dessen Lebensbild uns Jentsch^ö)
liefert, hat die Folgen Gottschedscher Gunst erfahren. Sein Leben und Streben ist
trotz aller Lächerlichkeit, in der ihn seine Zeitgenossen, Lessing voran, sahen, doch
von tragischen Zügen nicht frei. Seine dichterische Thätigkeit gehörte einer Richtung
an, deren Geltung bei seinem Auftreten bereits erschüttert war, und der von Gottsched
unter dem Gelächter Deutschlands zum Dichter gekrönte Vf. des ,,Hermaiui" hat
als lebendig Toter die ganze Entwicklung der deutschen Dichtung bis zu ihrer
klassischen Höhe, Schillers Tod und Kleists Schaffen erlebt. Ein Jahr nach Schönaichs
Tode schrieb Kleist seine Hermannsschlacht. Eine Welt liegt zwischen beiden! —
Bei der Charakteristik, die H. Fischer (s. o. N. 13) von der Dichtung Weckher-
lins entwirft, macht er die zutreffende Bemerkung, dass bis ins 18. Jh. das Neben-
einander von geistlicher und weltlicher Dichtung allgemein üblich war und dass man
an Klopstock und Schubart erinnern müsse, wenn man zeigen will, wie Form und Stil
der geistlichen Lyrik neben der weltlichen Poesie einhergeht, ohne dass sie ein-
E. clerischer Dichter vor 200 Jahren: AnnHVNiederrli. 61, S. 1 — 19. — 30) Pastor Daniel Schönemann, e. Herlinor Improvisator
d. 18. Jh.: NorddAZgS. N. 39- (Ausfuhrlicher als N. 31.) — 31) 1. u., Daniel Schönemann: ADB. 32, S. 288/9. (Höchst dtirftif;.)
— 32) G. H. Oekander, Christian Günther oder Genius u. Schuld. Tragödie in 5 Aufzügen. Leipzig, Elischers Nachf.
170 S. M. 3,00. - 33) R. Kade, Johann Sigismund Scholze (Sperontes): ADB. 32, S. 231/3. — 34) M. v. Waldherg,
Georg Christoph Schreiber: ih, S, 472. — 35)Jentsch, Christoph Otto Freiherr vou Schönaich; ib. S. 253/4. — 36) J. Zahn,
IS M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. ITI 2: »«-88.
ander berühren oder beeinflussen. Vielleicht deuten diese Ausführungen auch den Grund
an für die merkwürdige Erscheinung, dasH die Litteraturgescliichte bisher mit einer
auffallenden Verblendung ihr Augenmerk fast nur auf die weltliche Lyrik gerichtet hat
und die Erforschung der geistlichen Lyrik meist dilettantischen oder von ausschliesslich
musikalischen luid religiösen Gesichtspunkten geleiteten Forschern überliess. Und doch
ist, weini im 17. Jh. irgendwo Unvergängliches geleistet wurde, es fast nur liier zu
suchen, und nirgends haben sich die Dichterindividualitäten so frei und so wenig berührt
von Tagesströnunigen und Moden entfaltet wie in der geistlichen Lyrik. So lange die
methodische Forschung nicht schärfer zusieht, werden wir immer nur ein halbes und
schiefes Bild von der Lyrik des 17. Jh. haben. Während die weltliche Lyrik alle wahre
Empfindung und auch die äusseren Erlebnisse unterdrückt, während sogar der „blut-
leckende Krieg" kaum irgend eine Beachtung findet, sind in den gleichzeitigen geist-
lichen Liedern die Not und der Jammer der Zeit, alle Gemütserschütterungen, bange
Zweifel und felsenfeste Glaubenszuversicht, oft wahrhaft ergreifend und künstlerisch
dargestellt. Es ist daher ei-freulich, dass sich in jüngster Zeit die hymnologische
Forschung wieder ernsthaft um diesen Zweig der Litteratur bemüht, und daher soll
auch eine Arbeit, der sonst alle litterargeschichtlichen Zwecke fern lagen, hier erwähnt
werden. Bei den engen Beziehungen, die zwischen der geschichtlichen Erforschung der
Weise und des Textes bestehen, kann ein so monumentales Werk wie das von Zahn 3«)
von weitgehendem Nutzen sein. Da die früheren Bände dieses Werkes in den JBL.
noch nicht erwähnt wurden, so ist es vielleicht nützlich, einen Ueberblick über die
Absichten des Herausgebers zu liefern. Z. will sämtliche Melodien der deutschen
evangelischen Kirche von 1523 an bis in die neueste Zeit, sowohl die aus früheren Jhh.
überkommenen oder aus anderen Kirchen entlehnten als auch die neu entstandenen,
und zwar in genauer Wiedergabe ilu-er ursprünglichen Form bezüglich ihres melodischen
Ganges und ihres Rhythmus mit unterlegter erster Strophe des Liedes mitteilen, ferner
Angaben über ihre frühesten bis jetzt bekannten gedruckten oder geschriebenen Quellen
liefern, die Namen der Erfinder der Melodie nennen, die wesentlichsten Varianten bei-
bringen und endlich jene Werke, durch welche die Melodien auf längere oder kürzere
Zeit bekannt wurden, beifügen. Daran soll sich ein chronologisches Verzeichnis aller
von ihm benutzten Gesangmelodien und Choralbücher anschliessen ; auch werden die
Fund- und Aufbewahrungsorte dieser Sammlungen angegeben werden. Da ein litte-
rarischer Gesichtspunkt die Anordnung der Melodien bestimmt, indem ihre Reihenfolge
nach dem Metrum der Liedertexte oder deren Verszahl eingerichtet ist, so ergiebt sich
schon daraus der Wert dieses Werkes für den Litterarhistoriker. Der erste Band ent-
hält die Melodien und die ersten Textstrophen der zwei- bis fünfzeiligen, der zweite,
1890 erschienene. Band die der sechszeiligen, der dritte, jetzt herausgegebene, die der
siebenzeiligen und jambischen achtzeiligen Lieder. Wer die Einflüsse der italienischen
Melodien auf die Entwicklung der deutschen weltlichen Lyrik kennt, der wird auch
keinen Augenblick im Zweifel sein, welch bedeutendes Hilfsmittel für die Erkenntnis der
durch die Weise beeinflussten evangelischen Lyrik in diesen drei Bänden geboten wird. —
Auf eine schon früher abgeschlossene Sammlung evangehscher Lieder, auf den bekannten
„Evangelischen Liederschatz" von Knapp, macht eine warm gehaltene Anzeige 3") auf-
merksam. Auch hier wird auf die Langlebigkeit der geistlichen Volksheder gegenüber
den nun zumeist verklungenen weltlichen hingewiesen. — Als einen würdigen Schluss-
stein zu seinem trefflichen Werke „Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Sing-
weisen" (Bd. I: 188G, II: 1883) bringt Bäumker 3^) riun den dritten und letzten Band.
Führte uns der zweite bis an das Ende des 17. Jh., so werden wir im dritten durch
das 18. Jh. geleitet. Milde, vorurteilsfrei, von religiöser Engherzigkeit unbeirrt winl
uns die lehiTeiche und interessante Entwicklung des katholischen deutschen Kirchen-
liedes vor Augen geführt. Weit länger als im weltlichen Liede, ja selbst als im evan-
gelischen Kirchenliede, dauern hier die Nachwirkungen des 17. Jh. fort. Noch die ganze
erste Hälfte des nächstfolgenden Jh. steht unter dem Einflüsse der älteren Tradition;
massgebend ist wesentlich Angelus Silesius gewesen. Das mystisch subjektive Andachts-
lied mit seiner „Herzenssüssigkeit", wie sie in geradezu erdrückender Weise das pro-
testantische Kirchenlied beherrscht, ist auch der Leitstern ftir die Liederdichtung
der Katholiken; die „Heilige Seelenlust" mit ihrer süsslich tändelnden Schäferspielerei
ist das magnetisch wirkende Vorbild der katholischen Liederdichter bis in die Mitte des
18. Jh. Um diese Zeit wird daini plötzlich mit der Tradition gebrochen. Mit dem, unter dem
Namen „Tochter Sion" bekannten, Liederbuche, das H. Lindenbom in Köln 1741 heraus-
gegeben hat, begann die neue Strömung, die sich in einer immer wachsenden Abneigung
gegen die bisher herrschende subjektive lyrische Art der Poesie geltend machte.
D. Melodien d. dentschen evangel. Kirchenlieder aus d. Quellen geschöpft u. mitget. 4. Band (D. Melodien Ton den acht-
zeiligen trochaischen bis zu d. zehuzeiligen inklus. enthaltend.) Gtttersloh, Bertelsmann. 670 S. M. 16,00. — 87) S., D. evangeL
Litdersihalz : AZ(>h- N. 90 — 38) W. 1'. Bumkcr, P. katholische deuUche Kirchenlied in seinen Singweisen, 3. (Schluss-)Band.
ni 2: 39-49. M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17./ 18. Jahrhunderts. 14
Der seichte Rationalismus, der auch die kerjiige protestantische Dichtung zu verderben
suchte, hatte sich mit grossem Erfolge an die Zerstörung der alten Sangesweise gemacht.
Klarheit und Deutlichkeit ist die erste Anforderung, die nun an ein katholisches Kirchen-
lied gestellt wird, und nach Mögliclikeit wird Vermeidung poetischer oder erhabener Aus-
drücke erstrebt. In. dieser Entwicklung spiegelt sich auch die geistige Bewegung in
Deutscliland paeder, und gerade hier tritt deutlich zu Tage, wie wenig eine Gescliichte
des deutschen Geistes die Beachtung der rehgiösen Lyrik entbehren kann. Höchst lehr-
reich sind die von B. wiederabgedruckten Vorreden zahlreicher Gesangsbücher. Aus
einzelnen ist deutlich der wachsende Einfluss der Aufklärung zu erkennen; ja die Vor-
rede aus dem Gesangbuche zum Gebrauche der herzoglich württembergisch katholischen
Hof-Kapelle vom Jahre 1784 beruft sich geradezu auf den „Geist der Aufklärung", der
tiefer in die katholischen Provinzen Deutschlands eindringe, und begründet damit und
mit dem Wunsche des Herzogs, die Sammlung solcher Gesänge, die das „praktische
Christentum empfehlen „und von allen Christen unseres Vaterlandes mitgesungen werden
sollen". Ein charakteristisches Seitenstück zu den Versuchen, die Basedow mit seinem
„Allgemeinen christlichen Gesangbuch für alle Kirchen und Secten" und endlich in der
letzten Station der religiösen Entwicklung vom Universalchristentum zur Universal-
religion in seiner Liedersammlung „Einer Philadelphischen Gesellschaft Gesangbuch für
Christen und für philosophische Christengenossen" (Germanien zur Zeit Kaiser Josefs II,
1789) gemacht hat. Für die Richtung, die das katholische geistliche Lied jener Zeit
genommen, ist es auch bezeichnend, dass in einem von Hogen und Clemens herausgegebenen
katholischen Gesangbuche als Zweck der Sammlung nicht nur der Gebrauch beim öifent-
lichen Gottesdienst und bei der Privaterbäuung angegeben, sondern auch betont wird,
dass es als moralisches Lesebuch für Bürger- und Landschulen dienen könne. Volks-
lieder werden beigegeben, damit in der Brust eines jeden Jünglings und jeder Jungfrau
wahre Ereude und Eröhlichkeit erregt werde. Der Band des B. sehen Werkes, der uns
diesen Entwicklungsgang vor Augen führt, enthält im ersten allgemeinen Teile eine
Reihe lehrreicher Bemerkungen über das katholische Kirchenlied des 18. Jh. und über
dessen Stellung zur Litteratur des Zeitraumes, bibliographische Notizen über die wich-
tigsten Gesangbücher, und einen Abdruck der bedeutsamsten Vorreden der Liedersamm-
lungen sowie einiger darauf bezüglicher Aktenstücke. Im besonderen Teil endlich werden
uns 251 Lieder (Melodie und erste Textstrophe mit speziellen Nachweisen) mehrfache
Register und Nachträge zu allen drei Bänden geboten. — Sonst ist, abgesehen von
Steiffs^s) kurzem Nachtrag zu einer früheren Mitteilung in der Germania, in welchem
er Anark Herrn zu Wildenfels als Vf. des Liedes „0 Herre Gott, dein göttlich Wort"
bezeichnet, und einem Bericht über einen Vortrag, den Pastor Becker in Kiel über
Georg Neumark^O) und sein Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten" gehalten hat,
wenig Bemerkenswertes erschienen. 41-44) —
Um so reicher sind die Beiträge biographischen Charakters, welche die
ADB. bietet. Eine lange Reihe geistlicher Liederdichter wird uns, meist in knapper
Skizzierung ihres Lebens und Schaffens, vor Augen geführt. Das eigenartige Verhältnis,
in dem diese Dichter zum geniessenden Publikum stehen, und der Umstand, dass den
gelungenen Leistungen der geistlichen Lyrik durch den konservativen Zug des kirch-
lichen Lebens eine längere Lebensdauer beschieden ist als weltlichen Dichtungen, liaben
zur Folge, dass auch Namen von Autoren, die nur Weniges, oft nur ein einziges Lied
gedichtet haben, der Beachtung wert erscheinen. Balthasar Schnurr z. B., den
von Waldberg 4S) behandelt, gehört in die Geschichte des Kirchenliedes fast nur dvircll
Ein Lied, das ihm übrigens, wenn auch ohne Begründung, abgesprochen wurde; von
dem fanatischen Separatisten Johann Jakob Schütz, dessen Biographie kurz von D e c h e n t *^)
erzählt wird, ist gleichfalls nur Ein Lied, „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gott", bekannt,
und von den drei Liedern, die unter J. G. Schuberths Namens im Budissinschen Ge-
sangbuch erhalten sind, wird ihm von seinen Biographen 4'^) eines abgesprochen und
Rüdiger zugewiesen. G. L. Semler 4^) ist gleichfalls nur wegen Eines Kirchenliedes bekannt,
und auch die in jungen Jahren gestorbene Juliane Patientia von SchvJt*^), die gelehrte
Poetin und Gehülfin Franckes in Halle, hat ihre Stellung in der Geschichte des evan-
gelischen Kirchenhedes nur einigen kleinen Liedern zu danken. — Da dieser Ruhm oft
an so winzige Leistungen gebunden ist, so ist auch besonders grosse Vorsicht bei der
Mit Nachtrr. zu d. 2 ersten Banden. Freiburg. Herder. XII, 360 S. M. 8,00. — 39) K. Steiff , Nachtrag zu d. „Mitteilungen
aus d. kOnigl. üniversitaisbibl. Tübingen" im 2:i. Jabrg. S. 481 ff.: Germania 30. S. 316/8. — 40) E. F. W., Georg Neumark u.
sein Lied: „Wer nur den lieben Gott Ittsst walten": KielZg. N. 14,098. — 41) XX K. Heine, Z. Gesch. d. Dorfes Erdeborn:
MansfeldBll. 5, S. 1-05. (Mitteilungen über M. Rinkart.) — 42) XX D. Dibelius, D. Salzburgor Emigranten iu Sachsen:
BSttchsKG. 6, S. 129-38. (S. 136 Über Lyrik.) — 43) XX R- (Kade?). David Schirmer aus Papondorf: MFreibergerAY. 27,
S. 54. — 44) X Blanckmei ster, Christiane Eberhardine, d. letzte evangel. KurfUrstin v. Sachsen u. d. konfessionellen
KUmpfe ihrer Tage: BSttchsKG. 6, S. 1-84. (Geht u. a. S. 53 f. auf geistliche Lyrik (1697) u. S. 47 auf Gottsched (1727) ein.)
— 46) M. V. Waldberg, Balthasar Schnurr: ADB. 32, S. 196. — 46) Doeheut, Johann Jakob Schütz: ib. 33, S. 129—32. —
47) 1. u., Johann Georg Schubert: ib. 32, S. 638. — 48) id., Gerhard Levin Semler: ib. 33, S. 689. — 49) id., Juliane
15 M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17./18. Jahrhundert«. III 2: 60-6I.
Ermittlung der Autoren anonymer Gesangsbuchlieder geboten. Chr. Schumann hat
mau durch falsche Deutung der Anfangsbuchstaben die Autorschaft seines besten Liedes,
„Dem Herrn der mich regieret", abgenommen und es Cyriacus Schneegass zugewiesen;
dieser Irrtum wird jetzt von Schumanns Biographen*^) berichtigt. —
In ausführlicher Würdigung wird uns Leben und Dichten Benjamin Schmolcks
von D, Erdmann-''^) vorgeführt. Eine feine psychologische Analyse des Dichters erhebt
diese Skizze weit über die bisherigen biographischen Darstellungen. Die tiefe Innerlich-
keit in Schmolcks Empfinden, die in seinen ergreifenden Liedern zum Ausdruck gelangt,
stellt ihn über Rist, zu dem ihn die zu solchen litterarischen Vergleichen geneigten Zeit-
genossen durch die Bezeichnung „der schlesische Rist" in Beziehung brachten. E. weist,
soweit es der knapp bemessene Raum gestattet, nach, dass Schmolcks Dichtungen im
Gegensatze zur gleichzeitigen weltlichen L)rrik durchaus erlebt sind und dass seine
Lieder einen Niederschlag seines mit gläubiger, lebendiger Theologie ausgestatteten
Empfindens bilden. Schmolcks tief bewegtes inneres Leben, die geistigen Anfechtungen,
mit denen er ringt, geben ihm etwas vom Charakter eines Märtyrers, und die ihm eigen-
tümliche Freudigkeit im Schmerze, wie sie sich in seinen Dichtungen zeigt, ist wohl
darauf zurückzuführen. Schmolck hat 1188 Lieder gedichtet, die ihm zwar „aus eilender
Feder geflossen" sind, dennoch aber gefälligen Wohlklang und Rhythmus zeigen. E. hebt
die Vorzüge und Mängel in Schmolcks Schaffen deutlich hervor und grenzt seine
Stellung zum Pietismus genau ab, mit dem Schmolck die Betonung des persönlichen
Verhältnisses zu Gott gemeinsam hat. Für die Geschichte der pietistischen Richtung
in der Litteratur, die trotz Tholuk und Ritschi noch zu schreiben ist, sind derartige
Hinweise auf Vorläufer und Quellen dieser eigenartigen geistigen Bewegung von grossem
Wert, und deshalb wäre es auch erwünscht gewesen, wenn Bäumker^^^ in seiner Bio-
graphie des Laurentius von Schnüffis, der merkwürdigerweise trotz Weller auch in der
zweiten Auflage des Goedekeschen Grundrisses nicht genannt wird, sich nicht nur auf
die Mitteilung biographischer Daten beschränkt, sondern auch darauf hingewiesen hätte,
dass Schnüffis verwandte pietistische Elemente zeigt. Es ist zweifellos, dass sich über-
haupt litterarische Beziehungen zwischen den katholischen Poeten und der pietistischen
Liederdichtung feststellen lassen könnten. Schon in der „Oosterlichen Triumphposaune"
des von Lessing in seiner Finderfreude so überschätzten Andreas Scultetus finden sich
Spuren inniger Beziehungen zu Gott und Christus; in seiner Biographie^^) aber wird das
gleichfalls nicht bemerkt. —
Dagegen hat von Waldberg^*) in seiner biographischen Darstellung des
Schottelius auf diese Frage geachtet und dabei betont, dass Schottelius in seinen
geistlichen Gedichten zwar oft nach Art der weltlichen Renaissancelyrik mythologische
Elemente mit christlichen vermische, andrerseits aber dem fast blasphemisch vertrauten
Tone der späteren Pietisten sich stark nähere. In seinen geistlichen Werken werden oft
Dantesche Stoffe in einem erbärmlichen Gemisch von marinistisch-schwülstiger Sprache
und süsslicher, spielender Empfindung behandelt, und abgesehen von den etwas nüchternen
Proben in seiner .,Verskinist" sind aUe geistlichen Dichtungen Schotteis schon erfüllt
von jener Innigkeit und gesteigerten Subjektivität, die sich in der kirchlichen Poesie
beim Uebergang aus dem davidischen Psalmenton in den Ton des salomonischen Hohen
Liedes zeigt und bereits eine Vorstufe der pietistischen Dichtung bedeutet. Was sonst
in dieser Skizze über Schottelius, „diesen Jakob Grimm des 17. Jh.", gesagt wird, gehört
zur Geschichte der deutschen Philologie und Poetik. — Andere Biographien, wie die von
E. L. Semperö'^), ferner die von Bolte^) gelieferte des Chrysostomus Schnitze oder die
Arbeit A. Schumanns^'') über J. G. Seebach, bieten, der geringen Bedeutung der
behandelten Persönlichkeiten entsprechend, wenig Bemerkenswertes, ebenso die Lebens-
beschreibung G. Schöbers^*^), eines gelehrten Kaufmanns, der nur wegen seiner, nach
Materien geordneten, 1735 und öfter ersclüenenen Liedersammlung „Geistlicher Lieder-
segen" hier genannt werden soll. — In den Lebensbeschreibungen anderer Dichter wie z. B.
des Chr. Schütz von Bertheau^ö), des J. G. Schupart von Bess^O) und des J. H. Schröder**)
interessiert nvu" die Parteinahme der Helden in dem alle Gemüter bewegenden Kampfe
zwischen Pietisten und Orthodoxen. Der Letzterwähnte, der in der zweiten Hälfte des
17. Jh. wirkte, irrtümlich auch Schröter genannt, ist im Sinne der Pietisten kein unbe-
gabter Dichter. Eines seiner Lieder, „Jesu hilf siegen", w\irde von der Wittenberger
Fakultät wegen der erkeinibaren Neigung zum Cliiliasmus verworfen. Schupart hingegen
wird, weil er den chilialistischen Schwärmereien Petersens in Giessen nicht folgt, in
Patientia t. Schult: ib 32, S. 703 ,'4. — 50) id., Cliristian SchumaDn : ib. 33, 8. 39. — 51) D. ErdmaDn, Benjamin Schmolck:
ib. 32, S. 53/8. — 52) W. BSunker, Laurentius vonSchnUffis: ib. S. 194/5.— 53)Hkgf. (Markgraf?), Andreas Scultetus :
ib. 33, S. 496/7. — 54) M. v. Waldberg, Justus Georg Schottelius: ib. 32, S. 407-12. — 55) 1. u., Ernst Leberecht Semler:
ib. 33, S. 706. — 56) J. Bolte, Chrysostomus Schultzo: ib. 32, S. 733. — 57) A. Schumann, Johann Georg Seebach: ib.
.1:1, S. 556/7. — 58) 1. u., David Gottfried Schöber: ib. 32, S. 208. — 59) Bertheau, Christoph Schütz: ib. 33, S. n5;6. —
60) B. Bess, Jobann Gottfried Schupart: ib. S. 65'7. — 61) 1. n., Johann Heinrich Schröder: ib. 32, S. 518 9. — 62) BrBmmer,
m 2: 62-70. M. Frhr. v. Waldberg, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. 16
Gegensatz zu der ihm sonst ziisagenden Geistesrichtung gebracht. Aber diese
Opposition bedeutete, wie Bess richtig bemerkt, das Ende der Herrschaft des Pietismus
an der Universität Giessen; Schupart selbst sei der erste offene Zeuge für den Nieder-
gang der ganzen Bewegung. Der Separatist Schütz, der bis in die Mitte des 18. Jh.
hineinragt, sucht zwar noch den Chiliasmus zu rechtfertigen, aber sein grosses Sammel-
werk mystischer und separatistischer Lieder „Würtz Kräuter und Blumengarten oder
Universalgesangbuch" (Homburg 1728 — 40, drei Teile) bildet nur noch den Epilog der
pietistischen Strömung. — Aber auch die Gegenrichtung, die Orthodoxie, ist in der
Forschung des Berichtsjahres nur durch unbedeutende Liederdichter vertreten. Von
J. Chr. Schwedler weiss der Biograph Brumm er *52) nichts anderes zu berichten, als dass
er, der Zögling Weises, ein fruchtbarer Dichter gewesen sei und dass von den 806
Liedern einer von Schwedler veranstalteten Sammlung 462 von ihm gedichtet worden
sind. — Ein anderer Schüler Weises, J. M. Schumann'^ä^^ bewegt sich ganz in den
Bahnen, die Neumeister und Löscher ausgetreten haben; T. H. Schubart^^) igt nüchtern
und farblos, was vielleicht Gottsched bewogen haben mag, in das Universalgesangbuch
28 seiner Lieder aufzunehmen; J. H. Schramm endlich, der bis in die Mitte des 18. Jh.
lebte, vertrat, wie Cunoß^) ausführt, die gemässigt reformierte Orthodoxie, die in wissen-
schaftlicher Beziehung coccejanisch, in praktischer pietistisch gefärbt war. —
Bei der Bedeutung, die die Sangbarkeit der Lieder für Form und Inhalt der
Lyrik der Zeit, sei sie weltlich oder geistlich, besass, bei der Wichtigkeit, welche oft
die Kenntnis der Melodie oder des Komponisten für die Bestimmung der Autor-
schaft eines Gedichtes hat, ist es für den Litterarhistoriker von Wert, auch über die
Komponisten unterrichtet zu sein, wenigstens soweit sie in unmittelbarer Beziehung
zur Dichtung stehen. Ueber einige teilt uns R. Eitner^ß-^o) biographische Nachrichten
mit, so über Th. Seile, den Hamburger Stadtkantor und Musikdirektor, den Johann Rist
zur musikalischen Mitarbeit herangezogen hat. Wie E, angiebt, stammen 110 Melodien
der „Sabathischen Seelenlust" und der „Neuen musikalischen Textandachten" von Seile
her. Auch Johann Schop, der „kundige Instrumentalist", hat für Ristsche Lieder die
Weisen geschaffen, unter anderen auch für dessen berühmte Kirchengesänge „Ermuntre
dich mein schwacher Geist" und „0 Ewigkeit du Donnerwort". Schop hat auch einige
Lieder Zesens komponiert. Ein dritter Tonsetzer, den E. behandelt, Johann Sebastiani,
hat die Melodien zu den Texten von Gertrud Möller und zu einem Rölingschen Buss-
liede geliefert; in der von dem gleichen Vf. stammenden Biographie von Johann
Schultz endlich interessiert nur die Warnung, ihn nicht mit dem Komponisten Jakob
Praetorius zu verwechseln, der in Rists „Himmlischen Liedern" mit den Buchstaben
J. S. bezeichnet wird. —
Den würdigsten Abschluss des 33. Bandes der ADB., der diese Musiker-
biographien bietet, bildet die Lebensbeschreibung des gi'ossen deutschen Meisters
H. Schütz von Ph. Spitta™). Der Komponist von Opitzens „Daphne", deren Partitur
leider verloren gegangen ist, hat sich auch selbst dichterisch in deutscher und lateinischer
Sprache versucht und seine Poesien mit eigenen Weisen versehen. Aber seine Bedeutung
für die Litteratur ist nicht hier zu suchen, sondern in dem Einflüsse, den er als mäclitige
künstlerische Individualität auf die Gestaltung der Texte übte, bei den Psalmen gerade
nicht im günstigen Sinne, und darin, dass er die Wirkung der Texte erhöht durch das
musikalische Aufgehen in die Vorstellungen und Anschauungen, die ihm die Poesie bot.
Lehrreich sind auch S.s Mitteilungen über Schütz' Bestreben, die Bemühungen seines
Schwagers Caspar Ziegler um die Einführung des Madrigals in Deutschland zu unter-
stützen. Es ist ein wahrer Genuss, auch in den Teilen der Biographie, die litterar-
historischen Zwecken nicht dienen, der trefflichen Fülu-ung S.s zu folgen und zu
beobachten, wie die Gestalt des Meisters zu immer klarerer, fast greifbarer Lebendigkeit
emporwächst. Es wäre zu wünschen, dass diese musterhafte biograpliische Leistung
auch auf die Litterarhistoriker vorbildlich wirken möchte. —
Johann Christoph Sehwedler: ib. 33, S. 326/7. — 63) 1. u., Johann Michael Schumann: ib. S. 40/1. — 64) id., Toblas Heinrich
Schubart: ib. 32, S. 602. — 65) Cuno, Johann Heinrich Schramm: ib. S. 442/4. — 66) R. Eitner, Thomas Solle: ib. 3.%
S. 684/5. - 67) id., Johann Schop: ib. .•(2, S. 329-30. - 68) id., Johann Sebastiani: ib. 33, S. 50.5/6. — 69) id., Jolianii
Schultz: ib. 32, S. 716. — 70) Spitta, Heinrich Schütz: ib. 33, S. 753-79. —
I
17 J. Elias, Epos des 17./18. Jahrhunderts. III 3: i-4.
III,:t
Epos.
Julius Elias.
Otto UryphiuB N. 1. — Griinmel«b«uaon N. 3. — ChrisUan Reat«r N. 4. — FauRt N. 5. — Robinson N. 6
Kaum mehr als der Name einesEpikers kommt Otto Gryphius zu, einem schwäch-
lichen Neulateiner, dessen „Wirtembergias", ein recht seltenes, nicht einmal von Goedeke
(vgl. Grundriss 2, S. 111/2) verzeichnetes Buch Sixt ') sehr vorsichtig analysiert. Es ist
ein vergilischer Centn, den der Regensburger Rektor zum Preise des schwäbischen
Fürstenhauses IfiOJ) zusammenschlug, wie er sechszehn Jahre früher mit denselben
Fertigkeiten dos Philologengedächtnisses das Leben Jesu dargestellt hatte. Von Eberhard
im Barte beginnt die Geschichtsklitterung, und beim Herzog Johann Friedrich, der am
5. November IGOU sich mit Barbara Sophia von Br.andenberg verheiratete, endigt sie in
das verstiegene, mythologisierende Hochzeitsgedicht der Zeit. Durch die breite Schil-
derung schlingen sich allerlei geographische, kulturhistorische, heraldische Exkurse. Das
Gi'undmotiv: die Empfehlung der eigenen kleinen Persönlichkeit, Die gelehrten
Schrullen des gewöhnlichen Renaissancepoetasters fehlen nicht: das Geschlecht der
Württemberger wird geraden Weges auf Aeneas zurückgeführt, die Römer sind nach
Vergil troischer Abstammung, und die Herren von Teck (Teccii) leiten ihren Namen
von den Decii her. Tübingen, das grosse Männer auswirft, vergleicht Gryphius mit dem
trojanischen Pferde. Immerhin gewährt es einigen Reiz, zu sehen, wie er z. B. aus den
Werken des alten Römers die Beschreibimg eines modernen Feuerwerkes zwanglos her-
vorholt. Gryphius ist ein geborener Rheinländer; mit dem schlesischen Dichter ver-
bindet ihn nichts. —
Während den Simplicius-Roman des Grimmeishausen, offenbar nach Bober-
tags Ausgabe, Klee-) für pädagogische Zwecke zurüstet, eine litterarhistorische Ein-
leitung auf Grund der Arbeiten Scherers, Erich Schmidts, Hettners gewandt dazu
schreibt xmd in zweckdienlichen Noten sich über sprachliche Dinge, Realien, litterarische
und politische Verhältnisse jener Epoche äussert, fängt Amersbach^) an, die Haupt-
sclirifteu des ausgezeichneten Prosaisten auf das kulturgeschichtlich wichtige Element
des Aberglaubens durchzusehen. Der Versuch, in Grimmeishausen eine Quelle der
volkstümlichen Lügendichtung offenzulegen, war schon Tittmann (1874) als lohnend
erschienen. Was A. bietet, ist eine gründliche Zusammenstellung und Gruppierung.
Dem Forscher, der die Ergebnisse in den grossen Zusammenhang der vergleichenden
Sagenkunde rückt, bleibt allerdings noch genug zu thun. Wohl wird in grossen Zügen
die gelehrte Litteratur angedeutet, aus der Grimmeishausen einen beträchtlichen Teil
seiner Kenntnisse holte; doch nur des Theophrastus Paracelsus „De Nymphis, Sylphis,
Pygmaeis et Salamandris etc." und H. Kornemanns ,, De monte Veneris" werden be-
sonders angezogen, und zwar an der Stelle, wo über die Geister des Mummelsees ge-
handelt wird. Der Dichter erscheint als Samiider und Systematiker: eine ganze Reiiie
von Motiven hat er selbst der mündlichen Ueberlieferung entnommen und nachweislich
zum ersten Male aufgezeichnet, und doppelt ist hier wiederum die Art seiner Mitteilung:
einerseits schichtet er Sagenmagazine auf, andererseits benutzt er Sagengruppen rein
technisch als Kompositionsmittel für seine Romane. Das persönliche Verhältnis des
Darstellers zu den dargestellten Dingen giebt sich so: Grimmeishausen bekämpft den
Aberglauben, aber nicht als überzeugter Rationalist, nicht weil er die infolge des
entsetzlichen Kriegselendes weit verbreitete und tief eingewurzelte Plage durchschaut
und verachtet, sondern im Gegenteil, von gewissen übertriebenen Ammenmärchen
abgesehen, weil er durchdrungen ist vom Dasein überirdischer gefährlicher Mächte.
Er bekämpft nicht die Mächte selbst, vor denen ihn schaudert, er bekämpft die armen
verblendeten Menschen, die, Gott und der Sittlichkeit vergessend, sich ihnen ergeben,
um in den Besitz der Zauberkraft zu gelangen. Aus i'rommen und etlüschen Gründen
also bringt er als Pädagog und Didaktiker alles, was er über den Aberglauben gefunden
hat, in ein bestimmtes System der Verwarnung. Der gereifte Simplicius ist des Verkehrs
mit Dämonen kundig und weiss die Mittel, sich vor ihnen zu schützen. A.s Unter-
suchung, die in diesem Sinne auch einen biographischen Wert beansprucht, ist bis
I) G. Sixt, D. Wirtembergias d. Otto Grjphius: LBSW. S. 138—44. - 2) D. abenteuerliche Simplicissimus d. Hans
Jacob Cliristoifel v. Grimmelshaugcn. Im Auszuge her. r. G. Klee. (= Velbagen u. Klasings Samml. Deutscher Schulaus-
gaben. 43. Lief.) Bielefeld u. Leipzig, Velhagen & Klasing. XII, 132 S. M. u,60 — 3) K. Amersbach, Aberglaube, Sage
u. Märchen bei Qrimiuelshausen. I. Progr. d. Grossh. Gjmn. Baden - Baden, E. Kölblin, t. Hagensche Hof- Buchdr. 40.
32 S. — 4) E. Ge hm lieh, Christian Reuter, d. Dichter d. Schelmuffsky. E. Lebensbild aus d. 17. Jh. Leipzig, R. Richter.
IT, 59 S. M. 1,20. {[L. Lier: BLU. S. 296(6; t. Waldberg: DLZ. 12, S. 1002; E. Zarnoke: LCBL S. 507/8.)|
Jahresberichte fltr neuere deutsche Litteratorgeschiohte n t** 2
ITI 3: 6. J. Elias, Epos des 17./18. Jahrhunderts. 18
jetzt zu den drei Kapiteln „Teufel", „Geister und gespenstige Wesen", „Zauberer und
Hexen" gediehen. —
Christian Reuter hat in Gehmlich *) einen volksmässigen Biographen und
sehr freundlichen Anwalt gefunden, der das Material Zarnckes und Ellingers gründlich
benutzt, dabei allerdings über einen wichtigen Nachtrag sorglos hinwegfährt. Zarncke
hatte nämlich (Berichte d. kgl. sächs. Gesellsch. d. Wiss., 1888, H. 83/4) als den Autor
des Bettelgedichtes an den Kurfürsten Eriedricli August den Grafen Ehrenfried von
Lüttichau, das Urbild des ßeuterschen Lustspieles, genannt i;nd dieses Ergebnis als ein
biographisches Motiv von Bedeutung betrachtet, später aber (Berichte, 1889, S. 32/5) auf
Grund eines sicheren Dokuments die Mitteilung widerrufen und den Dichter in dem
unglücklichen Poeten Augustus von Lüttichau vermutet. G. nun lässt (S. 46/7) die
Klageepistel als eine charakteristische Aeusserung des Grafen ruhig weiter gelten.
G. will nichts Neues bieten; er möchte in weiteren Kreisen seinen Helden zu einem
Ansehen bringen, wie es etwa der kongeniale Christian Günther geniesst. Das Büchlein
bildet auch eine Art von analytischer Erklärung der ßeuterschen Neudrucke, die nicht
jedem zugänglich sind. Die ausführliche Inhaltsangabe des ,,Schellmuifsky" lässt den
wesentlichen Gehalt dieses ausgezeichneten Sittenromanes klar und anschaulich hervor-
treten. Urteil und Charakteristik freilich sind schwach, da sie fast nichts als die An-
sichten der Vorgänger bieten. —
Die Charakteristik ist das Stärkste und Anziehendste in dem Beitrage, den
Szamatölski ^) zur Geschichte des epischen Eaust veröffentlicht. Das letzte Ergebnis
der Prosa-Ueberlieferung war im Eaustbüchlein des „Christlich Meynenden" enthalten,
einer matten Contamination des Pfitzer, über den ein unfreiindlicher Verstandesmensch
gekommen war. Dieser poesiearme, charakterlose Auszug ward in zahlreichen Editionen
auf die Jahrmärkte geworfen und fand dort schnellen Absatz. Die litterarisch und
dichterisch wertlose Ware nun würde in der Geschichte xniseres Schrifttums zu besonderer
Bedeutung gelangen, wenn sich ein unerschütterliches Zeugnis dafür beibringen liesse,
dass sie auf Goethes Faustkonzeption eingewirkt habe. Diese Frage ist keineswegs
sicher zu beantworten. S.s Einleitung enthält im wesentlichen ein sehr redliches und
überaus gewandt geschriebenes Urteil über den nüchternen Aufldärer und eine durch
philologische Schärfe und Klarheit ausgezeichnete Betrachtung der Ausgaben. Es ge-
lang S., einen Druck vom Jahre 1725 aufzudecken, während bisher als das Jahr der
ersten Veröffentlichung 1728 angesehen wurde. Es steht so gut wie fest, dass man es
hier mit dem frühesten Drucke zu thun hat, denn die Ausgaben nach 1725 laufen sämt-
lich auf ihn zurück. Von diesen Ausgaben wurden S. neun bekannt; sie lassen sich
in zwei bestimmte Familien scheiden, von denen die eine sich unmittelbar vom Muster
ableitet, die andere zwei, durch den „Christlich Meynenden" vielleicht selbst eingefügte,
Zusätze aus dem Volksbuch vom Famulus Wagner (nevi aufgelegt 1712) umfasst. Diese
Gruppe beginnt bereits mit 1726, jene erst mit 1727. Bedeutender war die thätsächliche
Ausbeute, die S. auf dem Nebengebiete der Faustikonographie erzielt hat. Er stellt
nach „Pierre Yver, Supplement au catalogue raisonne de M.' M. Gersaint, Helle et Glomy,
Amsterdam 1756" (S. 123) das Originalblatt der als Rembrandts Faustkopf gehenden
Kopien fest. Nicht Rembrandt nun ist der Schöpfer dieser Vorlage, sondern sein Schüler,
Joris van Vliet, der nach des Meisters Angaben gearbeitet hat. Auch erhebt S.s feine
Betrachtung die Annahme zur Gewissheit, dass nicht Rembrandt-van Vliet, sondern die
späteren Kunstverleger nach den Bedürfnissen des Tages den Stich auf den Namen Faust
getauft haben. Das Stück gehört demgemäss wohl in eine Sammlung von Studienköpfen
nach der Natur, die ein seelisches Interesse boten und daneben auch dem Künstler als
dankbare Objekte für Beobachtungen des gebrochenen Lichtes erschienen sein mögen.
Das Königliche Kupferstichkabinet zu Berlin gewährte S. einen Abdruck des um 1630
entstandenen Orighiales, das zunächst dem Fauststich des F. L. D. Ciartres (Franz Lang-
lois) zum Muster diente. Das Blatt des Ciartres benutzte liinwiederum der Illustrator
des „Christlich Meynenden". Avis dem slumpfen, vergi-ämten Greis des Originales ent-
wickelt sich ein überlegener Pfiffikus und hieraus ein empfindungsloser, zufriedener Weit-
ling. Noch eine zweite Gruppe von Faustblätteni stammt von Ciartres ab: der Stich
in Haubers „Bibliotheca Magica" (1739), der vor dem Funde S.s für das älteste Bild-
ins galt. Hauber seinerseits rief zwei neue, untereinander im Ausdruck der Stirn und
der Augen geschiedene Blätter hervor. Sie sind beigegeben: der Müller- Arnimschen
Uebersetzung von Marlowes Faust (1818) und dem Abdruck des „Christlich Meynen-
den" in Scheible's „Kloster" (1847). An Hauber lehnt sich mittelbar das indifferente
5) D. FaustLuch d. Christlich Meynenden. Nach d. Druck v. 1725 her. v. S. S zamatölski. Mit 3 FaustporlrUts nach Kembrandt.
(DLD. N. 39.) Stuttgart, Güselieii. XXVI, 30 S. M. 1,C0. |[LCB1. 1SÖ2, S. 1663; E. Jeep: DLZ. 1892, S. 1139-40; K. Biltz:
ASNS. 1892, S. 86/7; 0. F. Walzel: ZOG. 1892, S. 531/3; M. Koch: LUlGRPh. 1892, S. 191/2 ; S. Szamatölski, Erklllruiig
gegen Koch: ib. S. 325/6; Jl'.GPh. 1892, S. 275, G. Elliuger: NatZg. 1892, N. 7; K. Engel: ZVLR. 1892, S. 139—40; MLN.
1892, April; AKunstChr. N. 26; ta. (Erich Schmidt): DRs. 1893; Nedprlnnd Spcct. S. 372; BLF. 1892, .«. 134]
19 J. Elias, Epos des 17./IB. Jahrhiinderte. III 3: e-ii.
Bild ans dem Volksschausiiiol, das Engel 1H7!> herausgegeben hat. Abseits dieser
zweifellos feststehenden l)(iKC«iidonz bringt der Ikonogranh noch aus der letzten, ohne
Jahreszahl erschienenen Ausgaben-Gruppe des „Christlich-Meynenden" ein den älteren
Motiven entfremdetes Porträt hei, dessen Urheber unbekannt geblieben ist: Faust als
betagter Gelehrter, in wallendem Haar und mit spitzem Barte. Im wesentlichen also
charakterisiert sich die Entwicklung der Bilder dadurch, dass eine Wendung von der
Natiu' zur Karikatur, von der naiven Anschauung zu einer lehrhaften Stilistik entsteht.
Von Rcmbr.andt-van Vliets menschlicher Höhe gleitet der Porträtist herab, um in be-
wusstor und abschreckender Entstellung zu enden. Zu einer Geschichte der Faust-
bildnisse hat S. den (Irund gelegt. —
Die Entfaltiuig der Robinson -Li tteratur nach der pädagogischen Seite beleuchtet
H. F. Wagner"). Der Wert des Aufsatzes beruht freilich mehr in der rein historischen
Feststellung dessen, was erstrebt worden ist, als im Urteil. In diesem einschränkenden
Sinne wird der Stoff durchaus erschöpft. Die Arbeit leitet mit einem Ausblick auf
J. Vernets und J. J. Rousseaus bestimmende Anregungen, von der ältesten Fassung
l'iir die deutsche Jugend, die im philanthropistischen „Leipziger Wochenblatt fCir Kinder"
den Alexander Selkirk des Defoe als neuen Helden empfing, hinab bis zu unseren aller-
jtingsten Robinsonaden und übergeht kein Land, wo deutsch geschrieben wird. So bietet
sie eine wegweisende Vorstudie für eine umfangreiche Darstellung des Gegenstandes. —
Johann Gottfried Schnabel, der begabteste und am meisten gelesene unter den Nach-
dichtern des Robinson, hat in Erich Schmidt ') einen trefflichen Richter erhalten, der
die in die „Insel Felsenburg" einfliessenden litterarischen Elemente scharf bestimmt und
des Romanes eigene Nachwirkungen anziehend kennzeichnet. S. sieht zwei ganz
ungleichwertige Hälften, und stellt unter den vier Teilen, litterarisch wie künstlerisch,
den ersten und dritten Teil immer über den folgenden. In der vielfach gemischten,
das Edelste wie das Niedrigste berührenden Komposition werden die Grundzüge der
Utopie und des Staatsromanes mit besonderem Interesse aufgewiesen und charakterisiert.
Der reichbegabten Erscheinung Schnabels felilen „Einheitlichkeit" und Halt: das Talent
verirrt sich von der Dichtung in Lohnschreiberei und Pornographie. — Ziu* Lebensge-
schichte des Mannes vermag Kleemann ^) einzelne neue Nachrichten beizusteuern, die auf
archivalischen Nachforschungen beruhen. Aus dem Kirchenbuche der Gemeinde Sanders-
dorf bei Bitterfeld stellte er den Geburtsort und auch den Geburtstag, 7. Nov.
1792, sicher fest. Der Vater, Pfan-er Johann George Schnabel, hat mit eigener Hand
die Personalien eingetragen. Die Mutter hiess Hedwig Sophie und war eine geborene
Hammer. Am 10. des Monates wurde das Kind getauft. Die Eltern starben zwei Jalire
nach Johann Gottfrieds Geburt. K. ist geneigt, die Knabenjahre nach der Lebensge-
schichte des Chirurgus Kramer in der Insel Felsenburg (Bd. II) darzustellen. Die Kämj>fe
des Prinzen Eugen in den Niederlanden machte Schnabel als Feldscheer mit. Als „Hot-
balbier" und Chirurgus steht er im Bürgereid- und Kirchenbuche von Stolberg. Am
4. August 1724 ward er dort zum Büi'gereide zugelassen; 1725, 1727, 1729 luid 1731
werden ihm Kinder geboren. Ein Sohn, Johann Heimich (geb. 12. Juni 1725) scheint
später in Stolberg Küster gewesen zu sein. K. hält es für wahrscheinlich, dass Schnabels
letzter Aufenthaltsort Helmstedt gewesen sei, keineswegs aber Halberstadt, wie Strauch
und Erich Schmidt annehmen. Dann giebt K. einen trefflich unterrichtenden Ueber-
blick über das geschickt redigierte Blättchen des Stoiberger Litteraten, die „Sammlung
Neuer und Merckwürdiger Weltgeschichte", auf die sich u. a. die Stoffe einzelner Romane
zxirückführen lassen, wie der „lesen^würdigen Geschichte des tapferen Prinzen Cilindo"
(1735), „des im Irrgarten der Liebe hintaumelnden Cavaliers" (1738), „des aus dem
Mond gefallenen und nachhero zur Sonne des Glücks gestiegenen Printzen" (1750).
Nach K.s Ansicht werden sich bei einem tieferen Eindringen in die Lebensgeschichto
Schnabels und in die Verhältnisse der Landgebiete, wo er lebte, mancherlei Beziehmigen
zwischen der W^irklicldceit und dem Hauptwerke, der „Insel Felsenburg", aiifliellcn
lassen. Die Identität des „Chirurgus" mit dem Verfasser ist berührt wonlen; Magister
Schmelzer deckt sich vermutlich mit dem Stoiberger Superintendenten Wiedemann: für
Peter Morgenthals Dasein bieten die Kirchenbücher von Zörbig und Radegast Zeugnisse;
die Oertlicldceit der Heimkehle bei Uftrungeli lässt Vergleiche mit gewissen Natur-
schilderungen des Romanes zu. K. beabsichtigt, seine Studien fortzusetzen, ^-i') —
— 6) H. F. Wagnor, Robinson in d. deutschen Jugendlitt.: ZSalzburgLV. N. 5 — 0. — 7) Erich Schmidt,
J. G. Schnabel: AüB. 32, S. 76'9. — 8) S. Kleemann, J. G. Schnabel, d. Vf. d. , Insel Felsenburg*: MagdebZgn. S. 362 ö. -
9) X Edw. Schröder, Mitt. über e. jüdisch-deutsches Wigaloisepos aus d. 17. Jh.: HHanauBVHessO. XXXI. (E. gewisser
Josel V. WitzenhauBen, d. im 2. Jahrzehnt d. 17. Jh. lebte, hat d. Wigalois unter d. Titel ,Wieduwilt" in jtldisch-deutschc
Verse gebracht.) — 10) X W. Qolther, Volksbuch t. d. Haymonskindem ed. F. Pfaff: ZVLB. 4, S. 137,9. — II) X H. Kör-
ting, Gesch. d. firanz. Bomans im 17. Jh. 2. Ausg., 2 Bd«. XXIY, 601 S. n. XIV, 285 S. M. 10,00. (Titelanflage d. Buche«, d
1885j7 erschienen ist) —
2*
III 4: 1-12. W. Creizenach, Drama des 17. /18. Jahrhunderts. 20
111,4
Drama.
Wilhelm Creizenacli.
Allgeraeines N. 1. — Dramatiker der Ueliergangszeit N. 3. — Das Drama an den deutsclieu FUrslenliOfen N. 9. —
Dramatiselio Dichtung von Schulmännern und Jesuiten N. 13. — WandertTiippen N. 10. — Theatergeschiehto einzelner SlUdte
(Hamhurg, Berlin) N. 18. — Volkssehauspiel : Allgemeines N. 27 ; Dokt;.r Fausst N. 30 ; Don Juan N. 32 ; Braut der Hölle N. 35.
— Oberammergauer Passionsspiel N. 36. —
Von Arbeiten allgemeiner Art ist aus dem Berichtsjahr nur wenig zu melden.
Die Studie W. Ulrichs i) über das deutsche Drama in der zweiten Hälfte des 17. Jh.
ist eine populäre Zusammenstellung bekannter Thatsachen. — Den dramatischen Sammel-
band der Kopenhagener Universitätsbibliothek, der schon JBL. 1890 III 4 : 23 erwähnt
wm-de, hat Paludan2) inzwischen ausführlich besprochen. Der Band enthält 18 Stücke:
1 — 2) Opitzens „Trojanerinnen"; 3) den „Schwärmenden Schäfer" nach Thomas Corneille
von Grryphius und zwar, wie J. Bolte schon früher (ASNS. 82, S. 128) nachgewiesen hatte,
in der bisher unbekannten ersten Ausgabe; 4) Hallmanns „Sopliie"; 5) Thomaes „Titus
und Tomyris": P. bespricht bei dieser Gelegenheit auch das Puppenspiel „Titus
Andronicus", das 1719 in Kopenhagen aufgeführt wurde; 6 — 9) Komödien Filidors:
P. hat bei seinen Erörterungen über den Vf. die Programmabhandlung Rudolphis iiber
Kaspar Stieler (Erfurt 1872) unberücksichtigt gelassen; 10) das Singspiel „der Hoffmann
Daniel" (1GG3); 11) das JBL. 1890 a. a. O. erwähnte „Ereudenspiel von des Ulysses
Wiederkimft" ; 12) „Die wiedererirungene Freiheit" (ir)79); 13) „Der betrogene Betrug"
von Pilidor; 14) „Das Eriedejauchzende Eiu'opa" (1G79), eine von den Litterarhistorikern
bisher noch nicht angeführte Nachahmung des bekannten Ristschen Dramas; 15) „Mon-
archia optima republicae forma" (1679); IG) die JBL. 1890 a. a. 0. erwähnte Wochen-
komödie; 17) „Die steigende und fallende Athenais" von dem gräflich Rudol städtischen
Informator Magister Michael Hörnlein: bisher unbekannt; 18) Gryphius' „Papinianus"
o. 0. u. J. : mit interessanten Abweichungen von dem ursprünglichen Text. —
Einige Dramatiker der Uebergangszeit zwischen den 11,4 und 111,4 behandel-
ten Epochen hat Bolte3-5) gewürdigt: Schwanberger, Vf. einer gereimten Komödie „Der
Engel Raphael wider Asmodeum den Eheteuffel", die an ältere Tobiasdramen anknüpft;
Scholvin, der eine lateinische Tragikomödie „Aetliiopissa" dichtete, und Schwalbach, in
dessen Tragödie „Antipater" sich der Einfluss des Strassburger akademischen Theatars
zeigt. — Reifferscheid 6) bespricht den gekrönten Poeten Johannes Seger, aus dessen
Weil m ach tsdrama bereits Gottsched im „Nöthigen Vorrath" eine Probe mitgeteilt hat. —
Ein merkwüi'diges Dokument zur Geschichte der italienischen Litteratiir in Deutschland
ist der „Aminta", den der Stettiner Arzt Andreas Hiltebrand nach Tassos Original
lateinisch bearbeitet hat (gedruckt Frankfurt a. 0. 161G). Holstein'^) macht einige
kurze Mitteilungen über diesen Druck und den Uebersetzer, der eine Zeit lang in Padua
studierte. Ein paar Proben seiner Arbeit wären selir willkommen gewesen. 8) —
Ferner erschienen einige kleinere Beiträge zur Geschichte des Dramas an den
deutschen Fürstenhöfen, an welchen das Theaterwesen durch die Wanderzügo der
englischen Komödianten 9) einen neuen Aufschwung' nahm. Hohn st ein ^O) entwirft eine
novellistische Schilderung von einer Aufführung des „Vincentius Ladislaus" am Hofe
des Herzogs Heiin-ich Julius von Braunschweig. — Behandelt wurden ferner die dra-
matischen Versuche zweier Marburger Gelehrten, die ohne Zweifel durch die drama-
turgischen Liebhabereien ihres Landesherrn, des Landgrafen Moriz von Hessen-Cassel
mit angeregt witrden. Edw. Schröder^i) bespricht die deutsche „Comoedia de Latino
et Hadriana", die der Jurist P. E. Schröter IGIG in Marburg aufführen Hess. S.s An-
gaben beruhen auf der Hs., die der Dichtei- dem Landgrafen Otto, dem ältesten Sohne
seines Landesherrn widmete luid die sich jetzt in der Casseler Bibliothek befindet.
Schröters Vorbild war die Tragödie „La Adriana" des Italieners Luigi Groto, die ihrer-
I) W. Ulrich, Ueher d. Zustand d. dramatischen Poesie Deutschlands in d. zweiten Hülfte d. 17. Jh. Leipzig,
Friedrich. 44 S. M. 1,00. i[L. Li er: BLU. S. 295.] | — 2) J. Paludan, Aeltere dtsch. Dramen in Kopenhagener Biblio-
theken: ZDPh. 23, S. 226-40. — 3) J. Bolto, O. Schwanberger: ADB. 33, S. 183. — 4) id., .T. Scholvin: ib. 32, S. 226. -
5) id., J. G. Schwiilbach: ib. 33, S. 175/6. — 6) AI. Re i f ferscho id , Joh. Seger: ib. S. 59214. — 7) H. Holstein, Zu
Tassos Aminta: VL(;. 4, S. 508— 12. — 8)OXXEdw. Schröder, [Mitteilung tiber Cramers sächsischen Prinzenraub]:
MHanauBVHssG. S. XXXIV. — 9) X M. M. A. Schröer, Uober Titus Andronicus. Z. Kritik d. neuesten Shakspereforschung.
Marburg, Elwert. VI, 140 S. M. 3,20. (Enthalt auch einige gelegentliche Bemerkungen über d. deutschen „Titus Andronicus".)
— 10) 0. Hohn stein, Braunschweig in d. Zeit vor d. 30j. Kriege. Braunschweig, Appelhans & Pfenuingsdorl". VII, 253 S.
M. 3,00. — II) Edw. Schröder, Peter Elias Schröter: ADB. 32, S. 573/4. — 12) Th. Odinga, Hennann Kirchners Corio-
21 W. Croizonach, Drama des 17./18. Jahrhunderte. III 4: I3-I8,
seits auf Baudellos Novelle von Romeo und Julie beruht. Doch hat er die italienische
IVa^ödio ^rob uin^ostaltct: die Liobondon nehm«in anstatt des Giftes einen Schhiftrunk;
nachdem sie erwacht sind, worden sie ein ^ICicklichos Paar. Wie 8. bemerkt, ist die
Wahl des Stoffes charaktoristisdi f(ir das Interesse an der italienischen Litteratur (vgl.
o. N. 7), das damals in den Hesson-Casselschen Hof kreisen herrschte. — Odinga'2) gjebt
eine Analyse dos lateinischen Dramas „Coriolanus", das der Marburpcor Professor Her-
mann Kirchner KilO veröffentlichte; sie beruht auf einem Kxomplar der Züricher Stadt-
bibliothok. Die Beurteilung, die 0. beifügt, ist sehr allgemein gehalten, eine genauere
Vergleichung mit Sliakosj)eare und eingehendere Mitteilungen über die Form wären sehr
erwünscht gewesen. Merkwürdig ist es, dass Kirclujor die bekannte Geschichte von der
römischen Weiberrovolution als Episode in sein Drama verwoben hat. —
Der Einfiuss der englischen Komödianten auf die dramatische Dichtung
der Schulmänner zeigt sich in den Stücken des Schlesiers (Jhrj'sostomus Schnitze,
der a.s Professor am Elisabethaninn in Breslau der Lehrer von Scultetus und Schefflcr
war. Seine „Esther", die sich hs. in Breslau befindet, hat Bolte**') untei*sucht und
nachgewiesen, dass sie auf dem gleichnamigen Drama in den „englischen Comödien*'
horulit. Ein anderes, ebenfalls hs. erlialtenes Drama Schnitzes behandelt Kriegsscenen
im Stile Rists. — In Schwenters Biogi-aphie von Cantor'^) wird hauptsächlich seine
Wirksamkeit als Mathematiker besprochen, das Verhältnis des „Peter Scpienz" zu der
ungedruckton Komödie „von Seredin und Violandra*' (vgl. DNL. 23, S. XXXIX) bleibt
inierörtert. — Ueber das poetische Ehepaar Martin und Sibylla Schuster berichtet
Holsteini^*) mit Benutzung neuen archivalischen Materials; von Schusters Oper
„Lavinia" hat inzwischen auch Sittard (vgl. JBL. 1890 III 4:20) einen Auszug nebst
Proben mitgeteilt. — L. Frank el^") behandelt mit gebührender Ausführlichkeit die
Dramen des Danzigei's Salomon Seemann, der bisher nicht die verdiente Beachtung ge-
funden hat. Sein „Turnus" (gedruckt 1729) ist das erste deutsche Stück in fünffüssigen
Jamben. Ausserdem vei'fasste er noch zwei satirische Stücke und ein Singspiel
..Orpheus''. — Reichhaltige Mitteihnigen zur Geschichte des Jesuitendramas sind in einer
Monographie von Z ei dl er i«^*) enthalten, der fünf Dramen des Jesuiten Joseph Simon
(darunter einen „Leo Armenius") anah-siert imd sich ausserdem „über Typus, Grundlage
inid W^eltanschauung des Ordensdramas" in einer ausfühi'lichen Abhandlung verbreitet. —
Bahlmann'^'') berichtet über Jesuitendramen in Aachen, wo die Patres schon lf)02,
also ein Jahr nachdem sie den öffentlichen Unterricht übernommen hatten, theatralische
AutführuTigen veranstalteten. Von einem Drama ,,Trebellius, rex Bulgarorum", das
1(544: zur Darstellung kam, wird das deutsche Argumentum mitgeteilt.'^«*) —
Einen interessanten Beitrag zur Geschichte der W^andertruppen gegen Ende des
17. Jh. liefert Dessoffi^). Er untersuclit in erster Linie, inwieweit die Repertoirstücke
dieser Tiuppen auf spanische Dramen ziu-ückgehen, wobei jedoch in den meisten Fällen
französische, italienische oder niederländische Bearbeitungen als Mittelglieder anzunehmen
sind. So stellt D. z. B. fest, dass das von C. Heine analysierte Stück „Aurora luid Stella"
mit Quinaults Bearbeitung von Calderons „Lances de amor y fortuna" iibereinstimmt.
Auch für mehrere Stücke im Re[)ertoir des wandernden Schauspielers Drey und in dem
von Meissner veröffentlichten Weimarer Verzeichnis weist er spanisclie Vorbilder nach.
Er gewinnt einen Anhaltspunkt für die Datierung dieses Verzeichnissos, indem er dar-
thnt, dass das Drama „Alexanders Glücks- und Unglücksprobe" sich auf den Sturz
Mentschikoffs (1727) bezieht. — Paludani") hat einen Autsatz veröffentlicht, der sich
auf die Geschiclite der deutschen Schauspielkunst in Schweden bezieht. P. untereucht die
Frage, ob der Magister Velthen mit seiner TVup])e in Stockholm aufgetreten ist, und
kommt zu dem Ergebnis, dass er jedenfalls nicht Führer der deutschen Schauspieler ge-
wesen sein kann, die 1090 inul 1(591 nach Schweden kamen. Aus.serdem bespricht P.
den Aufenthalt von Velthens Wittwe in Kopeidiagen 1707 luid die unverbürgten Nach-
richten über die Schicksale ihrer Truppe in Schweden. —
Noch sind ein paar kleine Beiträge zur Theatergeschichte einzelner
Städte zu verzeichnen. O. Rüdiger i*^) berichtet über einen Quacksalber, der um 1(550
in Hamburg sein W'escn trieb. In den Einnahmequellen des Waiseidiauses, dem
er eine Abgabe entrichten musste, wird er als ..Comödion-Doctor'' bezeichnet; er hat
also wohl auch possenhafte Scenen aufgeführt, um die Menge anzulocken. Das Treiben
lanus: VL(t. 4, S. 560—78. — 13) J. Holto, Chrysoistomus Sclmlt/.o: API'.. 3J, S, 7;i:». — M) M. Ciiiitor, Uaniol Scliwontor:
ib. 83, S. 4l3f4. — 14a) U. Holstoin, Martin Schuslfr. Sil.jlla Soliuster: il>. S. 104 7. - 15) L. Krankol, Salomon Se»>-
raann: il>. S. 584 0. — 15a) J. Zoiillor, .Sliulion n. üeitrSgc /-. riosdi. tl. .Ipsuitcnkomiidic ii. d. Klo:-tordnnna.'<. (r= Tlioati-r-
gesch. Korsohungoii. llor. v. B.Li t /man n. 4.) llamburn n. Lolpziir. VotiS. 12'J S. M. 2,80. — 15b) P. Itahlinann.
Aachener Jesuitendramen d. 17. Jh.: ZAacheuGV. IH, S. 175-80. - I5c) (I ö: 224,226). — 16) A. Pcssoff. Uober
spanischo, italionisi-Ue u. französische Dramen in d. Spielvor/.oichnisson dtsch. Wandertruppen: ZVI.R. NF. 4, S. 1—14. —
17) J. Paludan, Har mag. Johann Voltens sVadespelortrupp upptrHdt i Stockholm?: Samlaren 11 (1800), S. 76-83. (Im
Anschluss au e. Arbeit Silverstolpos Über deutsche Schauspieler in Schweden ib. 1889.) — 18) 0. KlIdiKcr. !>.
III 4: 19-30. W. Creizenach, Drama des 17. '18. Jahrhunderts. 22
dieser Quacksalber erläutert R. durch eine Stelle aus Schupps Schriften (Ausgabe
V. 1677, S. 851). — Beiträge zur Geschichte der Hamburger Oper bringen Eitneri^)
in seiner Biograpliie des Komponisten Schürmann und Beneke^^*) in seiner Biographie
des Ratsherrn Gerhard Schott. — Lieboldt^O) teilt mit, dass das Modell zum Salo-
monischen Tempel (vgl. JBL. 1890 III 4 : 21), welches Gerhard Schott anfertigen Hess,
sich jetzt im Museum des sächsischen Altertumsvereins zu Dresden befindet. 22-23-j —
Für die Berliner Theatergeschichte im Zeitalter Friedrich Wilhelms I. ist ein Theater-
zettel24) von Interesse, der mit der damals üblichen Weitläufigkeit eine „lustige Haupt-
Aktion betitelt : der verliebte Franzos in Sachsen" ankündigt. Die lustige Haviptperson
ist Hanswiu'st, „eines Sauschneiders Sohn aus Salzburg", also der richtige Wienerische
Hanswurst. Auch wird auf dem Zettel bemerkt, dass das Stück „mit neu verstärkten
Wienerischen Acteurs" gegeben werde; damit wird von neuem die bekannte Thatsache
bestätigt, dass zur Zeit Friedrich Wilhelms I. österreichische Schauspieler nach Berlin
berufen wurden. „Componirt" ist das Stück von Andreas Weidner. ^^-26») —
Zur Kenntnis des Volksschauspiels im allgemeinen hat Schlossar^^)
einen sehr dankenswerten Beitrag geliefert. Die von ihm veröifentlichten Spiele stammen
zum grössten Teile aus Steiermark. Der erste Band enthält: 1) ein Paradiesspiel: hier
ist die Gescliichte des Sündenfalls verbunden mit dem Streit, den die beiden allegorischen
Gestalten Gerechtigkeit und Barmherzigkeit vor dem Thron Gottes führen, ein Motiv,
das bekanntlich in den Mysterien des Mittelalters häufig vorkommt; 2) ein Schäfer-
spiel, das mit Anklängen an die Manier des Jesuitentheaters ein gleichfalls aus dem
Mittelalter stammendes Motiv behandelt: Jesus und die menscUiche Seele als ein Liebes-
paar; 3) ein Krippelspiel ; 4) Geburt Christi; 5) Leiden Christi; 6) ein Nikolausspiel,
eigentlich kein Drama, sondern bloss Verse zu einem Umzug am Nikolausabend; 7) Ge-
novefa. Der zweite Band enthält: 1) Judith und Holofernes: die Scenen am Hofe des
Königs Nabucodonosor sind Prachtstücke im Stil der Haupt- und Staatsaktionen, dazwischen
erscheint Hanswurst als Briefträger; 2) Hirlanda: ebenso wie Genovefa eine imschuldig
leidende Frau, wie sie das Volksschauspiel so gerne vorführt; 3) St. Barbara: auch
hier ist der Vergleich mit den mittelalterlichen Dramatisierungen derselben Legende von
Interesse. Hanswurst erscheint als Diener des Königs Dioscorus und wird in ein paar
lustigen Scenen von den Freiern der Königstochter Barbara umschmeichelt; 4) Susanna:
darin eine rülirende Scene zwischen Susanna und ihrem Kind nach der Verurteilung;
5) Der bayrische Hiesel: wie S. nachweist, nahe verwandt mit dem von Kralik und
Winter herausgegebenen Puppenspiel; 6) Der gefoppte Geizhals: hier ist ein gangbares
Motiv der römischen Komödie verwertet; der junge Leobinus im Verein mit seinem
Diener Hanswurst betrügt seinen geizigen Vater um fünfhundert Dukaten, um damit
eine Türkensklavin loszuJf aufen ; 7) ein Nachspiel: bäuerliche Brautwerbungsscene mit
Anklängen an Reuters Singspiel „Harlekins Hochzeit". Angehängt ist noch ein Spiel
vom Leiden Christi aus dem Gurkthal in Kärnthen. So mannigfach wie die Motive
sind auch die Stilarten: neben Knüttelversen in der Art des 16. Jh. finden sich Alexan-
driner, wie man sie in der Zopfzeit in österreichischen Landen baute. Die Anmerkungen
des Herausgebers beziehen sich hauptsächlich auf die Herkunft der Texte und auf die
Dialektausdrücke; den litterarischen Einflüssen ist er nicht nachgegangen. — Kollmann 2^),
gleichfalls ein eifriger und erfolgreicher Sammler, hat von einer geplanten grösseren
Textpublikation das erste Heft veröffentlicht, das ein Spiel von Judith und Holofernes
entiiält. Die Einleitung verrät, dass der Herausgeber in jahrelangem Verkehr mit den
falu-enden Leuten viel beobachtet und sich eine genaue Kenntnis des Puppentheaters
erworben hat. Doch hätte er seine Bemerkungnn kürzer und präciser fassen sollen.
Litterarische Untersuchungen über die Quellen kann man von ihm als einem Nicht-
fachmann unmöglich verlangen; es wäre daher am geratensten, wenn er sich auf Mit-
teilung des Selbstbeobachteten und Selbstgesammelten beschränkte. Den Schluss des
Heftes bildet eine Plauderei über das Puppenspiel vom Doktor Faust. — Tille 2») ver-
breitet sich in lebendiger und anziehender Darstellung über den gegenwärtigen Stand
Komödioiidoktor auf d. llopfenmarkt : .MVIIamburgG. 13, S. 19— 21. — I9)R. Eitner, Georg Kaspar SchUrmann : ADB. 33,
S. 94/0. — 19a) Jfoneko, Gerhard Schott: ib. 32, S. 397/8. — 20) J. Lioboldt, D. Verbleib d. alten Hamburg. Opern-
dokoratiou „d. Tempel Salomonis" : MVHamburgG. 13, S. 128/9. (Mit Kezugnahrae auf e. Artikel d. Dresdener Journals v.
25. Okt.) — 21) X 1>. alte Hamburger Oper: DMusikZg. 22, S. 118, 227/8. — 22) X F. Chrysander, D. Hamburger Oper Tor
200 Jahren : llaniliCorr. N. 138. — 23) X I). Verbleib d. alten Hamburg. Operndekoration „d. Torapol Salomoni.s" : ib. N. 47. —
24) A. dcN., E. Theaterzettel aus d. Zeit Friedrieh Wilhelms I: Bar 17, S. 278/9. — 25) (II 4: 16). — 26) X 0. Panizza, Theater-
Cuups u. Machiuationes: GesoUsehaft I, S. 592-G14, 80«— 29. (Hehandelt hauptsaehlith d. geistl. Drama d. MA.). —26a)
(1 5: 05). — 27) A. Sclilossar, Dtsth. Volksschauspiole. In Steiermark gesammelt. Mit Anram. u. Erläuterungen nebst
e. Anhange: das Leiden C'hristi-Spiel aus d. Gurkthale in Kärnthen her. 2 lido. Halle, Niemeyor. 343, 404 S. M. 10,00. |[L.
Fräukel: liLU. H. 414; U. Waizer: Carintliia 81, S. 153/5; G. Elliuger: NatZg. N. 172; K. Weiuhold: ZVVolksK.
1, S. 215/C.J, — 28) A. K oll mann, Deutsehe Puppenspiele. Gesammelt u. mit erläuternden Abhandlungen u. Anm. her. I.
Leii>zig, Grunow. 111 S. M. 1,Ü0. |[0. Ellinger: NatZg. N. 485; A. Schlossar: BLU. S. 670/1; A. Tille: ML. 60.
S. 495/6; J. K.: LZgB. N. 117.J| — 29) A. Tille, Fahrende Leute: NorddAZg. N. 450, 454. - 30) A. Fiel sehe wsky, D.
23 W. Creizenach, Drajua des 17./18. Jahrhunderte. III 4: 31-36.
des Puppoiitheaters in Sachsen, über die Lebeuaführung der wandernden Puppenspieler
1111(1 (Uier ihr Vorhältnis zu den Bohördon. —
Die (T(3Sf'hi(lito des VolksHchauspiolH vom Doktor Faust wird in einem Auf-
satz von Biclnc ho wsky *') hohandolt, welcher die Ansicht vertritt, dass dieses Volks-
schanspiol schon vor Marlowes „Faust", ja sogar vor dem deutschen Volkshuch (1587)
eiitstaiidon sei. B. suclit diese Behuiiptung dadurch zu beweisen, dass er in den ver-
schiedonon Versionen des Volksschauspiels einzelne ZCijjjo aufsucht, die in ähnlicher Weise
schon vor dem Erscheinen des Volksbuchs vorkommen, wobei die Frage ganz unerörtert
gelassen wird, ©b diese Motive nicht auch weiterhin in der traditionellen Litteratur
wirksam blieben. Die Verfehltheit eines solchen Verfahrens bedarf keiner weiteren Aus-
flihniiig, zumal da sonst nicht der geringste Umstand vorgebracht werden kann, der
das Vorhandensein eines Faustdramas vor 1587 wahrscheinlich machte. Allerdings weist
n. darauf hin, dass seit der Mitte des 18. Jh. der Hof, an welchem Faust seine Zauber-
künste vorführt, als der Hof des Herzogs von Parma bezeichnet wird. Mehrere Jahr-
zelinto später kommt in den Texton vor, dass Faust in die Herzogin verliebt ist. B. er-
blickt darin eine ins KJ. Jh. zurückreichende Beziehung auf Ottavio Faniese von Parma
und Margarete, die Tochter Kaiser Karls V., welche die ganze Zeit ihrer Ehe hindurch
ihrem Gemahl entfremdet blieb. Im übrigen würde es zu weit führen, wenn wir hier
Me Fehlschlüsse B.s aufzählen wollten. Nur so viel sei noch bemerkt, dass er uns
tlnirh keine neuen Mitteilungen für die verfehlte Darstelhmg entschädigt inid dass seine that-
sächlidicn Angaben öfters unzuverlässig sind. Öo behauptet er z. B., die Hönierscene,
die sich in der Neuberschen inid Kiirzschen Version befindet, sei „wahrscheinlich nur
ganz vereinzelt hier und da eingedrungen". Dagegen lässt er unerwähnt, dass diese
Scene schon 1711 als eine beliebte und allgemein bekannte ei'wähnt wird, sowie,
dass sie auch in der Vorlage des Kralikschen Faust vorhanden gewesen sein muss. —
Das czechischo Puppenspiel vom Doktor Faust, das bisher in Deutschland nur durch
die Inhaltsausgabe Karl Andreaes bekannt war, ist nunmehr von E. Kraus ^') heraus-
gegeben worden; er teilt zwei verschiedene Fassungen in deutscher Uebersetzung mit.
Vorangestellt ist ein lehrreicher Ueberblick über die Geschichte der Faustsage und des
Goetlieschen Faust in der czcchisclien Litteratur. Was das Verhältnis dieser Texte zu
den früher veröffentlichten deutschen Texten betritl't, so beschränkt sich K. auf
einige gelegentliche Bemerkungen, in welchen er indess melirere wesentlichte Punkte
richtig hervorhebt. So weist er auf den merkwürdigen Umstand hin, dass sich hier
aus Alarlowes „Faust", der gemeinsamen Quelle aller dieser Spiele, ein Zug erhalten
hat, der in sämtlichen deutschen Versionen fehlt: einer der beiden Studenten, die dem
Doktor Faust das Zauberbuch überbringen, heisst nämlich Cornelius, ganz so, wie der
eine von den zwei Magiern, die den Helden der Marloweschen Dichtung in die Geheim-
nisse der schwarzen Kunst einweihen. Auch beschäftigt sich K. mit den auifallenden
Uebereinstimmungen zwischen den czechischen Puppenspielen und dem Volkslied vom
Doktor Faust; er meint, das Volkslied sei aus einem Volksschauspieltext hervor-
gegangen, der in Prag gegen Ende des 17. Jh. zur Darstellung kam. •'i») —
R. M. Werner ■'-) veröifentlicht ein Schauspiel „Don Juan" aus dem Repertoir
der Schiffer zu Ijaufeii an der Salzach, die in der beschäftigungslosen Winterzeit als
wandernde Scliauspielcr Streifzüge in die Umgegend veranstalteten. Die Geschichte
dieser eigentümlichen Künstlergesellschaft, die sich bis in das Jahr 1762 zurüokver-
folgen lässt, wird von W. auf Grund umfassender Studien erzählt. Die Nachrichten, die
sicii über ihr Repertoir erhalten haben, beziehen sich meist auf Dramen Kotzebues inid
anderer Modedichter aus dem Anfang imseres Jh. Nur wenige Stücke, wie z. B. „Don
Juan", stammen aus dem Repertoir der älteren Wandertruppen. Der Herausgeber ver-
gleicht dieses Schauspiel mit anderen Don Juan-Dramen, ohne indes zu einem sicheren
Ergebnis über die Herkunft des Laufener Dramas zu gelangen. — L. Singer^) giebt
einen Ueberblick über die Gescliichte der Don Juan-Sage, der besonders deshalb
dankenswert ist, weil der Vf. auch auf Juan de la Cueväs „Infamador de Sevilla" ein-
geht, den bei'eits Schack als einen Vorläufer des Tirso de Molinaschen Dramas be-
zeichnet, aber nicht genauer besprochen hat.**) —
Das Volksschauspiel „Die Braut der Hölle" war bisher bloss durch den Be-
richt Tiecks und die Aeusserungen Goethes in einem Briefe an Schiller (1. Aug. 1800)
bekannt. Ellin ger^'») hat nun entdeckt, dass eine in der Weimarer Bibliothek aul-
Alter d. Faustspifilo: VLG. 4, S. 193— 22(j. — 31) E. Kraus, D. bölira. Puppenspiel v. Doktor Faust. Abhandlung u. üeber-
setiung. Breslau, KObner. VI, 170 S. M. 3,00. ![ C( rci zenach): LCBl. S. 1083,4; L. Fr»nkel: BLU. S. 600,1.] i —
31a) XX Th. Mohring, D. Uteste Faustzottel: DBUhnonG. S. 407. (Vermutlich d. frllher im ILs Besiti befindliche Bremer
Zett^el aus d. letzten Zeit d. 17. Jh.) — 32) R. M. Werner, D. Laufner Don Juan. E. Beitr. «. Gesch. d. Volksschauspiels.
^= Theatergesch. Forschungen. Her. v. B. Litzmann. 3. H.imburg u. Leipzig, Voss. VII, 152 S. M. 3.00. |[G. E(llinger):
NatZg. N. ,133; HambNuchr». N. 50/l.]| — 33) L. Singer, Z. Gesch. d. ,Don .Tuan-'-Sage : DeutschZg. N. 6879. — 341 X «•
T. Harziani, Dun Juan -Legende. E. Skizze ihres hist. Ursprungs: FremdenBL N. 45. — 35) G. Ellinger. D.
III 4: 36-38. III 5: i. W. Creizenach, Drama des 17./18. Jahrhunderts. 24
bewahrte Puppenkomödie „Faustina, das Kind der Hölle" nichts anderes ist als eine
Version dieses Volksschauspiels. Sein Aufsatz enthält eine Inhaltsangabe mit Textproben ;
eine Quellenuntersuchung hat sich E. für später vorbehalten. Es zeigen sich mehrere
deutliche Anklänge an das Volksschauspiel vom Doktor Eaust, worauf ja schon der
Name der Heldin hinweist; auch die Fahrt des Hanswurst in die Hölle und der Bericht
von seinen dortigen Erlebnissen kommt in mehreren Eavistspielen vor. Vielleicht Hesse
sich auch ein Zusammenhang mit dem Volksschauspiel „Eaustina, eine Zauberin aus
Liebe" nachweisen. —
Das Oberammergauer Passionsspiel behandelt D. A. Ludwig ^6) in einem
populären Vortrag. — Ein Brief Liszts37) vom 27. Sept. 1882 wurde veröffentlicht,
worin sich der Meister mit grosser Schärfe über den musikalischen Teil des Passions-
spiels ausspricht. 3^) —
111,5
Didaktik.
Julius Elias.
Religiöses Leben: Hermann v. d. Ilardt N. 1. — Zinzendorf N. 2. - Schrautenbach N. 3. — Tennhardt N. 4. —
Physiologus N. 5. — Prediger N. 6. — Wertheiiner Bibel N. 7. — Satiriker: Moschorosch N. 10. — Schupp N. 12. — Hage-
dorn N. 17. — Die Schweizer: Discourse N. 18. — Bodmer N. 19. — Haller N. 21. — Vereinzeltes: Guarinonius N. 23. —
Zesen N. 24. — Schmid v. Sohwarzenhorn N. 26. — Sprüche und Zeitverse N. 27. — Beisejournale N. 29. —
Ueber das religiöse Leben um die Wende des 17. Jh. wird Hermann
V. d. Hardts umfangreicher Briefwechsel, den Lamey ^) sorgfältig ordnet und be-
schreibt, etwas Wesentliches erschliessen, wenn er, wenigstens in seinen Hauptteilen,
zur Veröffentlichung gelangen sollte. Ueber die äusserlichen Geschicke dieser weit-
läufigen Korrespondenz, die ein bald mystisch schwärmender, bald rationalistisch auf-
klärender Denker und ein kindlich empfindender, ein ganzer Mensch unterhielt, erfährt man,
dass das dreischichtige Briefkorpus aus dem Nachlasse des Anton Julius v. d. Hardt
1786 durch Ankauf in die damals Markgräflich Badische Hofbibliothek zu Karlsruhe
gelangte. Eine grosse Gruppe ist noch, vom Schreiber und Empfänger persönlich, mit
Hinblick auf kommende litterarische Zwecke, gesichtet und zusammengestellt worden.
Hardts Lebenslauf, seine geistige Entwicklung, seine Beziehungen zum Pietismus treten
in dieser Anordnung hervor. Der 15. Nov. 1660 als Geburtstag ist gesichert. Für die
Zeit der Lehrjahre ist bemerkenswert, dass v. d. Hardt thatsächlich das Bielefelder
Gymnasium besucht hat. Am 18. März 1687 kommt er nach Dresden in Speners Haus,
wo er etwa einen Monat weilt; zwischen dem 25. Mai und dem 13. Juni kehrt er zu dem
verehrten Lehrer zurück, um mit ihm bis zum Beginne des Dezember zusammen-
zubleiben. In dieser Zeit gewinnt die religiöse Anschauungsweise des Mannes ihre
eigentümliche Gestalt und Tiefe, nicht minder sein philologisches Streben. Dann nähert
er sich Francke, mit dem er seit Ende 1687 bis zum 27. Febr. 1688 in Lüneburg lebte.
Am 28. Febr. erscheinen Beide in Hamburg. L. bezeichnet die Jahre 1686 — 90 für die
Korrespondenz als besonders wichtig und charakteristisch, soweit sich die pietistische
Bewegung in Leipzig, Dresden, Hamburg entfaltet. Franckes Einlenken in pädagogische
Bahnen schildert ein Brief vom 26. Sept. 1688 sehr anschaulich. Der Streit mit den
Hamburger Orthodoxen empfängt durch Franckes wie v. d. Hardts Mitteilungen und
durch die Aeasserungen ihrer weitverbreiteten Korrespondenten aufs neue Leben.
Franckes Lelirmethode in Leipzig und die Geschicke seines Berufes werden von mancher
Seite beleuchtet. Das Verhältnis v. d. Hardts zu August Wilhelm, Herzog von Braun-
schweig, und den hervorragenden Persönlichkeiten des Landes spiegelt sich in einem
seltsamen „commercium epistolicum" wieder, das in symbolistischen Formen des alternden,
docli stets temperamentvollen Schriftstellers Konflikte mit der Censur schildert. Hier
geben sich wohl sein Denken in Bildern und sein Ausdruck am merkwürdigsten. —
Braut d. llöllo: ZDl'h. 23, S. 280—90. — 36) 1). A. Ludwig, D. Oboratnmergauer Passionsspiel. Vortr. geh. in d. Sektion
Sctisaiilaiia d. S. A. C. Davos, Kicliter. 100 S. M. 1,25. — 37) E. Brief F. Liszts Über d. Oberammergauer Passions-
spiel: AMusikZg. 18, S. 4/6. — 38) X J- Euskirchen, D. Oberammergauer Passionsspiol nach seiner Entstehung u. bes. in
seinem Verlauf i. J. 1890: MSKathLehrerinnen 4, S. 126-32, 177-86, 270/3, 319—24, 413/8. —
I) F. Lamey, H. v. d. Hardt in s. Briefen u. s. Bezichiingon z. Braunschweigischen Hofe, zu Spener, Francke u.
d. Picti.-'mus. (z^ D. Hss. d. Grossherz. Kadischeu Hof- u. Landesbibl. in Karlsruhe. Beil. I. Karlsruhe, Groos. V, 44 S.
25 J. Elia«, DidakHk des 17./18. Jahrhunderts. III 5: 2-6.
Dio Be7Jehiing«n Ziuzendorf« zu Frankfurt am Main heHpricht
Dochojit '■^) in einem Vortrage, dossen Materiul tcilwoiHo ans den KonHistorialakton de«
Stadfarcliives inid den l^rotokollen den Predigcrministeriums gesrliöpft wurde. 17151
weilt der jugendliche Graf /.um ersten Male in der Stadt, wo Hein Spener zwanzig .Fahre
gewirkt hatte; der zweite HeHucI», der vornehmlirh den „Inspirierten" der Wetterau galt,
fand MW statt; rocht eigentlich von Bedeutung war der dritte Aufenthalt, der in das
Jahr 17B() füllt. Zinzendorf sucht, aus Kurhessen so gut wie vertriehtMi, dort und bei
seinem Anhiingor Schrautenhach zu Lindheim ein Asyl. Er setzt sich mit den ton-
angebenden Klerikern Fraidvfurts, mit dem Senior Münden und dem Pfarrer Stark sowie
mit den Missvergnügten der officielloj» Kirche in Verbindung. Ein Besuch bei den Sepa-
ratisten auf der Ronneburg folgt. Im November, nach der Livländer Reise, befindet
er sich wieder in der Mainstadt. Nun beginnt sich langsam eine Herrnhuter-Gemeinde
zu bilden. Die Geistlichkeit äussert Bedenken, doch der Magistrat schützt den Gnafen.
Die Klagen des Predigerministeriums wiederholen sich lebhaft, und im März 17.'i7 ver-
suchte das Konsistorium dadurch einzugreifen, dass es die Hausandachten einschränkte.
Der Graf protestiert beim Rate. Die erneute Abwesenheit Zinzendorfs hinderte die
Sektenentwickhmg nicht. Am 3. Febr. 173H aber beschwerte sich die hithe-
rische Geistlichkeit heftiger denn zuvor; das Konsistorium wählt einen Ausschuss von
drei Mitgliedern, der untersuchen soll, ob der „Eingriff in dio Gewissensfreiheit" durch
das Verhalten der Herrnhuter berechtigt sei. Dieses Vorgehen der Behörde zersplitterte
einigermassen die Kräfte der jxnigen Gemeinde; das Ergebnis war ein generelles Verbot
der öffentlichen Versammlungen. Hervorzuheben ist dio Klage des begeisterten Schuh-
machers Schick gegenüber der Vergewaltigung durch die Kirche. Gleichwohl blieben
die Schwärmer beisannnen; als aber dio Handwerksburschen eine Strassenrevolte gegen
die Herrnhuter ins Work zu setzen begannen, da war das Geschick der Frankfurter
Unternehmung besiegelt. Schwache Versuche brachten noch die Jahre 1744 und 174(>.
Der littei'arische Streit gegen Zinzendorf freilich dauerte in der Stadt fort. Es
war zunächst der Magister Gross (1740), dann der Senior Joh. Phil. Fresenius (1746
bis 1751), die gegen Zinzendorf schrieben luid Gegenschriften hervorriefen. Das Fräu-
lein von Klettenberg, die ,,schöne Seele", vertrat in diesen Zeiten warm die Sache des
Grafen. —
Des Freiherrn von S ehr au tenbach agitatorisches und Htterarisches Verhalten zu
Gunsten Zinzendorfs schildert H. A. Jjier •') in biographischem Abriss. Die schwärmerische
Annäherung des Mitarbeitenden und die innerliche Entfremdung, die langsam folgt,
werden klargelegt \u\d wohl begründet. Das hohe Ansehen des Mannes, sein Verkehr
mit den Grossen und Grössten der Zeit, zumal mit Goethe, und die Geschichte seiner
beiden Bücher, der Zinzendorf-Biographie imd der „Religionsideen", durch die er sich
(1782) im Stillen mit Lossings Wolfenbütteler Fragmenten auseinandersetzte, würdigt L.
kenntnisreich und frisch. —
Der „Wort-Katechismus" des Johaiuies Tennhardt (10(>1 — 1720, — das Büch-
lein erschien 1711), eines Schwärmers aus der theosophischen Schule des 17. Jh., wird
aufs neue, nach der zweiten bezw. dritten Ausgabe (1712 und 172()) abgedruckt*). Der
Herausgeber hat keine wissenschaftlichen, sondern inn- Zwecke der Erbaiuing, für
die mystischen Bedürfhisse seiner Gesinnungsgenossen. Es wird auch eine Reihe von
Zeugnissen, aus Augustin, Thomas a Kempis, Tauler, Luther, über das Wesen des
„inneren Wortes" beigebracht. —
Von einem Physiologiis, der die Theologie in die Flora trägt und. so das
altchristliche, dio Fauna behandelnde Buch vermehrt und erweitert, berichtet nach den
sechs Predigten (1646 — 1665) des Johannes Rosenthal, Archidiakonus zu Schmollen, mit
gut gewählten Beispielen Krone &), Seine Natunvissenschaft hat der Priester aus den
Kräuterbüchern des Adam Lonicerus (1560) und Jac. Theodorus (1613\ Die Art, wie
die Pflanzen inid Blumen nach Aussehen und Charakter auf die Bibel bezogen werden,
ist P^igentum des Rosenthal, der mit dieser Gattung der Kanzelberedsamkeit seine zahl-
reichen Verehrer und Freunde fand. —
Zwei andere, durch ihre Persönlichkeit wirkende Prediger führt J. Zingerle *)
aus der Vergessenheit hervor: Johann Brinzing, einen Bamberger Franziskaner, und
Martin Wirfl, gen. Conrad von Salzburg, einen Kapuziner (1628 — 1681). Die Sammlungen
ihrer Kanzelreden sind unter den Titeln „Candelabrum apocalypticum oder Apocah-pti-
scher Laichter" und ,.Fidus salutis monitor . . . Treuer Hails-Ermahner" 1677 (Kempten)
und 1683 (Salzburg) erschienen. Beides Leute aus dem Volke, die sich an das Volk
M. 1,50. — 2) H. Dechent, D. Beziehiiiigen Zinzendorfs zu Frankfurt. Vortr.: Dida-skalia N. 28. ,vi. [KIWZ. S. 91 3.]|
— 3) H. A. Licr, L. K. v. Schrautenbacli: ADB. 32, S. 461 4. — 4) Kurze u. grOiidlicho Unterweisung t. lonorn Wort«
Gottes um d. Einfältigen willen in Frag u. .\ntworl gestellet v. e. Lielihaber desselbigen u. nun abermals in Druck ge-
geben. (= Sammlung neutlieosopliischer Schriften N. 50.) Bietiglioim a. E., Bu.<oli. IV, 250 S. — S) Krone, E.
Christi. Physiologus d. 17. Jh.: DEBII. 16, S. 202,4. — 6) J. Zingerle, rredigtlltt. d. 17. Jh.: ZDPh. 24, S. 44—64, 318-41.
m 5: 7-10. J. Elias, Didaktik des 17./ 18. Jahrhunderts. 26
wenden : Johannes mehr satiriscli, im Stile Abrahams a Sancta Clara, und Conrad ernst,
in der entschiedenen Absicht, den Hörer zu erbauen. Johannes fabuliei't, Conrad redet
klar, schlicht, weihevoll und oft mit gesteigerter Wärme. Johannes prunkt mit einer
Gelehrsamkeit, die über das Kirchenväterwissen weit liinausgeht. Conrad fusst auf Bibel
und Lelire, ohne freilich im einzelnen, aus pädagogischen Rücksichten, Beis])iele der
Sage und Geschichte zu verschmähen. Reizvoll sind die populären Verdeutschungen,
die Johannes den lateinischen Sprichwörtern und Sentenzen anfügt. Beide Männer aber
steigen in die Gebrechen der Zeit hinab, sie aufzudecken, der eine mit warnendem, der
andere mit lachendem Munde. —
Den Prozess des Wertheimer Bibel Übersetzers Johann Lorenz Schmidt
klärt G. Frank '') nunmehr völlig auf, indem er die Akten des Wiener Reichshofrates
vorlegt. Ein am 10. Dec. 1736 ausgefertigtes Schriftstück des Fiskals Hayeck von
Waldstätten erstattete Kaiser Karl VI. Anzeige, derzufolge unter dem 15. Jan. 1737 ein
kaiserliches Patent allen Fürsten und Behörden des Reiches, zumal dem Reichsbücher-
kommissar in Frankfi;rt a. M. und dem Fürsten zu Löwenstein- Wertheim, die Einziehung
sämtlicher Bibelexemplare zur Pflicht macht, auf den ferneren Vertrieb eine Strafe von
10 Mark lötigen Goldes setzt und den gelehrten Vf. zu strenger Verantwortung zieht. Die
ersten Schwierigkeiten ergaben sich in der Stadt Frankfurt; sie führten zu einem
Schriftenwechsel zwischen Magistrat und Reichsfiskus. Li Wertheim gellt unterdessen
(22. Febr.) die Vernehmung des Verlegers Nehr inid des Ilebersetzers Schmidt sowie
dessen Internierung vor sich. Am 19. März werden Protokoll und Verteidigungsschi-iften
nach Wien gesandt; F. druckt die brieflichen Gutachten Mosheims, Chr. Wolffs, des
Göttinger Professors Hollmann, des Leipziger Assessors F. W. Stübner, Chr. G. Jöchers,
des Hamburger Publizisten J. P. Kohl und Gottscheds ab. Die Hauptinquisition über-
trägt der Kaiser dem Fürstbischof von Bamberg und dem Markgrafen von Ansbach, die
sich lässig zeigen und nach einer Vorstellung des Fiskals (26. Juni) kaiserlicherseits
am 12. Juli gemahnt werden. Die Kommission antwortet am 25. Sept. \inter Fragen,
die auf eine Milderung des Verfahrens abzielen: wolün imd in welche Art Gefängnis der
Inquisit gebracht werden und wer die Kommissionskosten tragen solle. Der Fiskal
(7. Nov.) tritt aufs neue ein, imd nun bestimmt der Kaiser die Veste Bamberg als Ver-
wahrungsort, dem Geschäfte aber möchten sich die beiden Fürsten, angesichts der Armut
Schmidts, einstweilen ohne Entgelt unterziehen. Nach einer besonderen Rechtfertigung
des Markgrafen Karl (14. April) stellen sich die Meininigsverschiedenheiten zwischen
Bamberg und Ansbach mehr als deutlich heraus: der Brandenburger sieht in Schmidt
vor allem „den unter den Sclmtz der Reichsgesetze gestellten Protestanten". Um Schmidts
Entlassung aus dem Wertheimer Arreste (die Kosten spielen eine nicht kleine Rolle)
entspinnt sicli nun zwischen Wien und dem Fürsten Karl eine amtliche Korrespondenz
(26. März und 16. Sept. 1737, 16. Jan. und 25. Febr. 1738). Am 14. Febr. hatte Schmidt
eidlich gelobt, für den Schlossarrest ehrliclien Stadtarrest zu beobachten. Nachdem er
vom Markgi-afen 20 Gulden Reisegeld erhalten, begiebt er sich zum Ansbacher Kommis-
sariate. Am 17. Mai 1738 beschliesst der Reichsfiskal, den Prozess niederzuschlagen.
Für diesen Verlauf ist schliesslich allein der Ansbacher massgebend gewesen. ^-•') —
Unter den hervorragenden Satirikern der Epoche hat vor allen Hans Michael
Moscherosch wiederum das Interesse der Forschung erregt. Eine Arbeit Parisers i^)
will einerseits einen bestimmten Teil der Biographie auf sichere Grundlage setzen,
andererseits des alten Schriftstellers sinnvollen Pädagogenversuch, die „Insomnis cura
parentum", deren Neudruck der Vf. eben vorbereitet, entwicklungsgeschichtlich und
kritisch beleuchten. Moscherosch schuf sein Bestes aus dem Leben heraus, und die
Geschicke, die er während der Jahre 1626 — 42, zumal in der Finstingcr Epoche, erfuhr,
waren in diesem Sinne von höchster Wichtigkeit. P. beheiTscht die verstreuten Einzel-
forschungen, zumal die Provinzialfunde, vollständig und hat überdies das Material auf
Reisen im Elsass und in Lothringen kontroUiei't und gemehrt. Die bisher ausgiebig
benutzten Quellen, Meigener und Dittmar, untersiicht er scharf axif ihren wissenschaft-
lichen Wert, wobei auf Dittmars „archivalische" Thätigkeit ein nicht eben günstiges
Licht fällt. Für die Etyanologie des Namens wird Ebert (Cottas Vierteljsschr. 1857,
2. Heft, S. 89) herangezogen — Mosen = Titel des einfachen Adligen, rosch — Rot — und
bei dieser Gelegenheit behauptet, da sei bereits Konrad Hofmanns spätere Erklärung
vorgeschlagen. Hier hat sich P. eines Irrtums schuldig gemacht (vgl. 1890 III 5 : 10).
Jahrzehnte injierer und äusserer Leiden entliüllen sich dem Betrachtenden. Schon über
der „Ephorie" im Hause des Grafen Johann Philipp IL zu Leiningen-Dachsburg, die
Moscherosch am 1. August 1626 antrat und etwa Mitte 1628 wieder verliess, schwebte
— 7) O. Franlt, D. Wertheimer BibelUbors. vor d. Roichsliolrat in Wien.: ZKG. 12, S. 279-302. — 8) X Krause,
Joachim Schröder: ADB. 32, S. 516/6. (Orthodoxer Prediger zu St. Johann in Lübeck. Sehreibt e. „Hoflahrts-SpieRel", 1643.)
— 9) X M. Hippe, D. V. Schweinitz: ib. 33, S. 362/3. (Kurze Charakteristik d. schlesisclien Erbauunpfsschriftstellers, d.
Vf. d. „Evangelischen Todes-Gedancken", 1663.) — 10) L. Pariser , Beitrr. zu e. Biogr. v. H. M. Mo.scheiosch. Disa.
27 .1. Elia«, Diflaktik dos 17./18. Jahrhunderts. IIl :»: 11-12.
ein Unstern. Im September 1628 verheiratet er sich mit Maria Ackermann aus Franken-
tlial, die ihm v'wr Kinder gebar und schon 1(»B2 st^rb; er ehelicht, noch 1<;32, Barbara
Pani<^l, vcrliort dio /Avoite Gattin in LCitzelstcin U')'i\') und fidu-t ein Jahr darauf Anna
Maria Kilhmf^er lioim, mit der er einen Sohn und zwei Tocliter zeugte, Kndn der
zwanziger Jalnci wendet sidi Moschcroscli der JuriMprudcnz zu, durch einen Besuch bei
dem ^J'nbingor Keditslehrcr Tliomas Lansius bestärkt. Für Zcitpiuikt und Anh'iss findet
V. das Zeugnis in einem Gdifgenlieitsgedicht. Durch Vermitthnig seines Lelirers
Johannes Schmid wird Moschoroscli im Sommer JiJHO Amtuuuni dos Keiclisgrafen Teti^r
Krnst zu Criechingen. Ein Lebcnsabsciniitt, getrUbf durcli schlinunes Hofleben und
verbittert durch gefährliche Kriegswirren, die der Wankehnut Carls IV. von Lothringen
in (las Läudciien zieht. Kino litterarische Frucht: der Plan und Anfang eines deutsch-
fianzösischen Wörterbuches. Auf Criechingeu folgt Finstingen, wohin er, in gleicher
Stellung, doch unter weitaus schwierigeren amtlichen Verhältnissen 1()35, empfolileu
durch den Strassburger Historiker Joachim Clutenius und <len Grafen J. J. von Eber-
stein, als Sachwalter des jungen protestantischen Heraogs Ernst Bogeslav von Croy ab-
ging. P. entwirrt die verwickelten politischen Verhältnisse, dio auf den religiösen
Zwistigkeiten zweier Geschlechter, Besitzer desselben Landes, beruhten. Nicht bloss in
den Epigrammen, die des kämpfenden und verfolgten Mannes klägliche I^age aus-
drücken, besitzt man Zeugnisse für Moscheroschs unsagbar erschwerte Thätigkeit
in Finstingen: in Stadt und Feldmark hausten während zweier Jahre hintereinander
Schweden, Franzosen, Lothringer als rücksichtslose Herren. Räuberwirtschaft, Hungers-
not, Pest thaten das übrige. Moscherosch ei*weist sich den Mitbürgern als charakter-
fester Führer und opfermütiger Helfer. Da bei der allgemeinen Not Handel und Wandel
darniederliegen, darf er sich geistiger Arbeit um so intensiver hingeben. Die eifrigste
Korrespondenz entsteht, vornehmlich mit Gloner, H. Schill, Joh. Matthias Schneuber,
Rumpier von Löwenhalt, Balth. Venator, Schottel, Harsdörffer, Rist. P. vertritt die
Ansicht, Moscherosch habe der Tannengesellschaft angehört. Hierzu kommen rege Be-
ziehungen des theologisch durchgebildeten Mannes zu Strassburger Gottesgelehrten, wie
zu Joh. Schmid und Seb. König. Obzwar orthodoxer Lutheraner, lernte er andere Be-
kenntnisse schätzen, so den Calvinismus. Li Finstingen wurzeln die „Visionen", ei-ster
wie zweiter Ausgabe; lokale Erinnerungen fliessen in die Dichtung ein: „Ehrenvests"
Burg ist Geroldseck. Dort entsteht vom 22. bis 29. September K'Al die „Insomnis cura
parentum", kurz nachdem ihm (20. Sept.) seine Ernestine A.meley geboren worden. In
erster Gestalt ist die „Insomnis cura" die vertratdiche, abgerundete Gelegenheitsschrift
eines Hausvaters, der sich ängstigt, in sclilimmen Kriegsläuften aus dieser Welt ab-
berufen zu werden. Den Austoss giebt der Traktat der Elizabeth Brooke-Joceline:
„The Mothers Legacie to her vnborne Childe" (gedinickt 1024). Das Büchlein geht ihm
im Sommer ItUl vom Verleger Mülbe (Strassburg) wahrscheinlich in französischer Ueber-
tragung zu. P. zieht aus der englischen luid deutschen Litteratur verwandte Schriften
herbei; als Druckjalir der Uebersetzung des Traktates, die Moscherosch der „Insomnis
cura" folgen lässt, nimmt er das Jahr 1645 an. Er kennzeichnet die litterarischen
Elemente deutlich, die die Konzeption befruchteten. Den Erbauungsschriften des Joh.
Schmid, den Pädagogen Paidus Fagius, Jakob Wimpheling werden Einwirkungen zu-
gestanden; unmittelbare Einflüsse Luthers dagegen lassen sich nicht begründen. Sehr
sympathisch war dem Moscherosch der pastorale Geist der Joh. Arndt, Andr. Kessler,
J. M. Dilherr;'des RingA^alt ,.lautere Wahrheit" hat ihn lebhaft beschäftigt. Ohne auf
sein Schaffen entscldedenen Einfluss zu gewinnen, interessieren ihn Pibrac und Montaigne.
In den sclilicht-würdevollen Stil der Ermahnungschrift dringen hier und da volks-
mässige Elemente ein; nicht glücklich wird an Fischart erinnert. Aus den Urteilen,
welche die „Insomnis cura" bei den Zeitgenossen fand, wird Andreaes massvoll-herz-
liches Lob und Rists grossartiger Hymnus hervorgehoben. Rist giebt seinem dänischen
Herold Sören Terkelsen den Gedanken ein, die Sclmft zu übertragen (1645). Die Um-
arbeitung, die Moscherosch zu Beginn der fünfziger Jahre in Angriff" nimmt, charakteri-
siert sich durch die Häufung einer universellen Gelehi-samkeit und durch ein pointiertes
Eindringen einseitig-religiöser Anschauungen, dann aber auch diu'ch das entschiedene
Bedürfnis des Vf., sich über sein Leben zu verbreiten. Weitere Zusätze speichert
Moscherosch später auf, die dem Sohne Ernst Bogeslav bei dem Neudruck von 1678
zu gute kommen. — Die vorhandenen Forschungen, zumal Parisers Studie und Reiffer-
scheids Beiträge, nützt E. Martin 'i) einsichtig und geschmackvoll in dem Vortrage, den
er über Moscherosch am 17. Juni 1891 zu Finstingen hielt. Er rt\ckt die Persönlichkeit
in einen anziehenden kulturhistorischen Zusammenhang; seine Anah'se der „Gesichte"
ist bei aller Knappheit ei*schöpfend. Zu den biogi'aphischen Zeugnissen vermag er
Auszüge aus den Protokollen des Strassburger Stadtarchives beizusteuern, die, vom
UUnchen. Brnckmannsohe Buchdr. II, 50 S. — II) E. Martin, J. U. Moscherosch: JbOLothrO.- 8, S. 1— 16. — 12) P.
III 5: 12. J. Elias, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. 28
15. März 1645 bis zum 5. Juli 1656, über des Moscherosch Dienste als „Frevelvogt"
(Leiter der Polizei) Aufschluss erteilen. Eine Tochter Moscheroschs verheiratete sich
mit Baron Schenk, einem Neffen des Fürstbischofs von Eichstätt. —
Die Beschäftigung mit J. B. Schupp nimmt die erfreuliche Wendung in das
sachliche Erforschen der Hauptquellen. Stötzners ^2) gediegene Schrift fügt sich in-
sofern wertvoll der in Eülle vorhandenen Litteratur ein, als sie, auf Grund sehr weiter
und genauer Vergleichung, die Geschichte der einzelnen Schriften wie des Gesamtwerkes
sicher zu stellen bemüht ist. Der Vf. liefert eine rein philologische Arbeit und besitzt
vielleicht die reichste Einzelkenntnis der „Lehrreichen Schi-iften" von allen, die bisher
über Schupp gehandelt haben; die Untersuchung bedingt natürlich litterarische wie
ästhetische Charakteristiken, so dass am Ende die prächtige Gestalt des vielseitigen
Menschen xmd Schriftstellers in voller Pracht lebendig wird, der in verworrener Zeit fest
auf sittlicher Höhe wurzelte und nicht blos deshalb ein deutscher Mann war, weil er in
seiner Epoche die klarste und schlagendste Prosa schrieb. Das Büchlein, das ein Neudruck
des Peter Lambeckschen Nachrufes (1. Nov. 1661) abschliesst, kann recht wohl als eine
zweckdienliche Einführung in eine historisch-kritische Ausgabe des Haupt- und Lebens-
werkes angesehen werden. Einzelne Resultate seien hier verzeichnet. Die Ausgaben
von 1677, 1701 und 1719 enthalten ein Stück mehr („Die Frühstvinde") gegen die 34
Nummern der ersten und teilweise eine veränderte Rangordnung der übrigen Traktate;
die fünfte Edition (1684) ist gegen die andern um zwei Stücke vermehrt („Almosenbüchse"
und „Bussspiegel") und zeigt vom 17. Traktate an gleichfalls Umstellungen, Der Titel
„Lehrreiche Schriften" wird 1677 aufgenommen. Lizwischen kommt die, zelm Stücke
umfassende, „Zugabe" (10 Traktate) heraus, als deren Erscheinungsjahr S. 1667 annimmt;
dieser Ergänzinigsband wie der „Anhang", der, aus acht Stücken bestehend, der Editio
princeps angefügt ist, gehen in die Ausgaben von 1677, 170] und 1719 über. Unter
welchen Umstellungen und Beschränkungen es geschieht, veranschaiüicht treffend eine
Tabelle. Die zweite Ausgabe, womit sich die von 1701 und 1719 im wesentlichen
decken, strebt textliche Besserungen an, mit geringem Erfolge. Die dritte Ausgabe tritt
dadurch hervor, dass alle Streitschriften fortgefallen sind; im übrigen bietet sie den
besten Text. Was die Herausgeberfrage betrifft, so bezeichnet S. als den Redaktor der
ersten Ausgabe Schupps älteren Sohn, Anton Meno. Jost Burkhard Schupps Verdienste
um die Zusammenstellung iind Sichtung der übrigen Editionen bleiben bestehen; dass
seine Methode planvoll gewesen sei, lässt sich allerdings nicht behaupten. Sehr wichtig
und anziehend ist die Betrachtung derjenigen Traktate, die in lateinischer Sprache ver-
fasst, durch Verdeutsclnnig in das Corpus der Schriften gelangten. Es sind: de nihilo,
„Von dem Lobe und Würde dess Wörtlein Nichts" (Rede, Marbin-g 1636), orator ineptus,
„Der ixngeschickte Redner" (Rede, Marburg Sommer 1()38); dissertatio praeliminaris
de opinione, ,,Von der Einbildung" (Rede, Marburg am Martinstage 1638); de felicitate
hujus saeculi XVII, „Sermon von der Siebenzehenden dieses hundertjährigen Zeitlauffs
Glückseligkeit Beschreibung" (Rede mit einem Nachwort, Marburg 3. Okt. 1639); de
lana caprina, „Ein anmutiger, sehr lustiger Discurs gehalten von der Lana Caprina"
(Rede, Marburg 1642); Eusebia prodeambulans, „Der geistliche Spaziergang", Aurora
seu Synopsis theologiae und soliloquium matutiiuim, „Erühstunde" und „Erühtägiges
iSelbgespräch" (1642); de laude et utilitate belli „Der belobte und beliebte Krieg" (Rede,
Marburg, vor 1646); de arte ditescendi, „Von der Kinist reich zu werden" (Braubach,
Sommer 1647). Davon sind sofort auszuscheiden, als zwar von Schup]> beeinflusst oder
angeregt, doch nicht verfasst: de felicitate hujus saecidi' (vom Lüneburger Rektor Joh,
Buno); de lana caprina (von Joh. G. Schenck); de laude et utilitate belli (von Peter
List); die deutsche Ausgabe der letzten Rede stellt sich hinwiederum als eine Be-
arbeitung Schupps heraus, der auch das soliloquium matutinum selbst übertragen hat
(1658), während als Uebersetzer des orator Balthasar Kindermann und der Eusebia wie
der Aiirora Zacharias Hermann (1667/8) ermittelt werden. Dagegen ist es keineswegs
erwiesen, dass Anton Meno Schupp der Interpret der übrigen Stücke gewesen sei. Uebcr-
dies erscheint auch der „Geistliche Spaziergang", erst nach Schupps Tode ediert, als
eine Umschmelzung der Eusebia. Das Verhältnis der Aurora zum Solilo(piium
zeigt, dass dieses eine Wiederholung des Anfanges und Endes von jener ist; die Ueber-
selzung des Soliloquium wird in die Ausgabe von 1663 aufgenommen und 1667 wieder-
holt, obwohl auch die Axn-ora -Verdeutschung Hermanns abgedruckt wurde. Die
deutsch geschriebenen Traktate, soweit sie von Schupp selbst einzeln ver()frentlicht
worden, betrachtet S. gesondert. 22 an der Zald, entfallen sie auf die Jahre: 1642
(Geistliche Lieder), 1654 (Lucidor, Der Lobwürdige Low), 1656 (Gedenck daran, Ham-
burg), 1660 (Litanei), jedenfalls vor 1660 die Corinna. Gedruckt worden sind die Geist-
lichen Lieder 1643, Lucidor 1657, Corinna 1660, die Litanei 1661, die übrigen im Jahre
Stötzner, Beitrr. z. Wtlrdigiing v. J. I!. Schupps Lelincielicii Schriften. Leipzig, R. Richter. 95 S, M. 1,80. |tDI.i hrZg(LI{I.)
29 .T. Elias, Didaktik dos 17./1 8. Jahrhunderts. III 5: i».
ihrer Abfassung. 1057/9 aber sind aio fruchtbarsten Jahre gewesen. Es entstanden:
1<)57 Melilamhii Sondschnnben, das hollündischo Prutgon (nacli dem Sendsclireiben), Der
Salomo, Der Freund in der Notli, Die sieben bösen (ioister, Die Krankenwürterin (die
beiden letzten gedruckt erst 1058): ferner 1658 Golgatha, ein Traktat, dessen erste
Ausgabe nicht sicher festzustellen ist, endlich 1059 der Hiob. Die grossen Jahre der
geistigen und litterurischen Kämpfe, in die Schupi) die Hamburger Orthodoxie und ihre
willigen Helfershelfer verwickelten, umspannen clie Jahre 1058/9. Gegen den „ßücher-
dieb" (März 1058), worin Schupp den Nachdruck verpönt, erscheint die Schrift des
Butyrolanibius ('Hiiupt])ast<)r Möller) „Wider Antonors Bücherdieb" und etwas sj>äter
(Oktober 1().")H) (hir Discurs de reputatione a<!ademica (gedr. 1059) von einem Ver-
bündeten ]\I(')llcrs, M. Bernhard Schmid, der Schu])p verleumderisch der Verachtung
gegen die Univorsitäteii zieh. Der Angegriffene setzt sif^h in Wolfenbüttel (14. und
120. Dezember 10.58) mit zwei Schriften energisch zur Wehr, der „Relation auss dem Parna.sso
und dem Calender*' (gedruckt 10.59). Die angekündigte „Prüfung des Geistes Nect
Butyi'olanibii" ist nicht herausgekommen. Dagegen schiesst er KJGO mit der
„nhgoiiötigten Ehrenrettung" (geschrieben Anfang 1059, gleich nach dem Calender,
wie dieser eine Rechtfertigung seines häuslichen Lebens und von autobiographisduMu
Werte) einen neuen Pfeil gegen Möller; doch während er noch mit Schmid — durch
die „Erste und Eylfertige Antwort" (erschienen in Altona im J. 1G59) — sich aus-
einander zu setzen suchte, hat er sich gegen einen von dritter Seite vorbereiteten An-
gi-iff zu wenden: den „Studiosus inconsideratus". Er schickt (Altona 1059) das „Eyl-
fertige Sendschreiben, an den Calenderschreiber zu Leipzig" hinaus; einige Andeutungen
über die Person des Gegners findet S. in den Traktaten des Anhanges „Gromio mid
Lagasso" und „Etwas Neues von Lobe und Redligkeit Antenors"; da heisst er Soprin
oder Justus Soporinus bezw. „Eass-Nacht-Narr". Der „Teutsche Lucian" (gedruckt 10.59),
uiit dem Schupp die Polemik beschliesst, lässt den persönlichen Zwist einigermassen
bei Seite, zu Gunsten allgemeiner philosophischer Anschauungen. Alle diese Schriften
stehen ohne Ausnahme im ersten Bande der Hanauer und Frankfurter Ausgaben,
während die erst nacli Schupps Tode herausgekommenen Traktate in der Hsmauer
Zugab CTithalten sind, mit Ausnahme des Ninivitischen Bussspiegels (sehr wahrscheiidich
1003), dos Beliebten und belobten Krieges und des Geistlichen Spazierganges. Sonder-
drucke giobt es nur von „Der Stumme Lehrer und Prediger" (Altona 1601, vorher un-
rechtmässig gedruckt) und „Der Hauptmann zu Capernaum" (1 (»()<>). In die Gruppe
gehören: die „Allmosenbüchse" (etwa 1050 — 57), „Der bekehrte Ritter Florian" (105H),
der „Teutsche Lehrmeister" (1058) und der „Ambassadeur Zipj)husius" (ei-ste Hälfte
1600). Als nicht von Schupp verfasst stellen sich heraus: in deni Hauptkorpus der
„Fabul-Hanss" (eine Rechtfertigung von des Predigers Art, Fabeln .anzubringen, von Ant(»n
Meno 1()00 hei'ausgegeben), „Des I'riesters Heli Belials-Buben" (1602, eine Antwort auf die
etwa 1058 enstandene „Ratio status" eines Unbekannten), der „Lustige inul anmuthige
Di.scurs" (gegen Schmid, wahrscheinlich noch bei Schupps Lebzeiten verfa.sst); in der
Zugab: „Der unterichtete Student" (nicht vor 10(55 geschrieben, eine Art Polemik, an-
knüpfend an den „Frevnid in der Noth"), dessen Verfasser sich „Seladon" nennt und,
nach S.s Vermutinig, vielleicht in derPei'Son G. Greflingers zu suclien ist. Der „Anhang''
endlich enthält die pseudpschuppschen Verteidigungsschriften: „Gromio und Laga.sso"
(Kassel 1(559), „Die Unschuld Antenors" (Altona 1(559), die übrigens eine Erwiderung,
„Schmidtens Unscluild", 10.59 hervorrief, ,,Der wohlverdiente Nasenstieber" (1(>59, er.schieu
1601), „Etwas Neues von Lobe usw." (1059). Als Urheber mit Unrecht genannt ist
Schuj)p bei der Schrift: „Listrumentmn pacis zwischen Mann mul Weib". An derselben
Stelle wurden zwei gegnerische Schriften „Wider Antenors Bücherdieb" (von Möller)
inid „Philandersons Discurs" (von Schmid) aufgenommen. — Einzeln behandelt S. den
„Teutschen Lehrmeister" inid „Ambassadeur Zipphusius", Traktate, die er, vornehmlich
wegen ilu'cs pädagogischen Gehaltes, neu drucken liess'^). Der „Lelu*meister" ist eine
Kampfschrift für inisere Muttersprache; Schupp schliesst sich damit litterarisch Laurem-
berg, Moscherosch, Schottel inid volkserzieherisch Männern wie Ratichius inid Comenius
an, die in der Uebermacht des Latinismus eine grosse Gefahr erkannten. Früher, als man
angenommen hatte, ist Schupp von dem W^ert und der Würdigkeit der deutschen Sjirache
als eines vaterländischen Gutes und Bildungsmittels durchdrungen gewesen. S. fiihrt
aus der Oratio de opinione (1038) eine bezeichnende Stelle an, die den Anschauungen
des „Lehrmeisters" jiarallel läuft, und zieht aus der Consecratio Avellini litterar-
historische Hinweise auf die altdeutsche Dichtung: von den leitenden Ideen der oratio
de opinione und den Anregungen des Boccalini abgesehen, enthält der „Lehrmeister"
mancherlei Beziehungen auf die Zeit, zumal auf die Verkehrtheiten der Sprachgesell-
1892, N. 14; ZVUessG. 1892.]{ — 13) iil., J. H. Selinpp: D. teiiUiche Lehrmeister. — V. Schulwesen. Mit Eiol. d. Anm. her.
(= Neudrr. pBdag. Schriften, her. v. A. Kichler, N. 3 n. 7.-) Leipzig, B. Richter. 61 n. 106 S. k M. 0,80. '[LCBL 1892,
III 5: 14-18. J. Elias, Didaktik de?? 17./18. Jahrhunderts. 30
Schäften wie auf den Unfug der pfalzgräflichen Dichterkrönungen. Den Text giebt für
einen diplomatisch genauen, mit Noten versehenen Abdruck die Hanauer Zugab von
1()C7; die zahlreichen Varianten der späteren Ausgaben sind sorgfältig verzeichnet
worden. Eine grössere, wenn auch keineswegs erschöpfende Quellenuntersuchung bietet
S. im Vorwort zum „Ambassadeur Zipphusius". Eür den allgemeinen Abschnitt, der
breite Vorschläge zur Weltverbesserung umfasst, hat Schupp Boccalinis „Generale riforma
dell'universo" (Stück 77 der ,,Ragguagli di Parnasso") reichlich benutzt, und zwar höchst-
wahrscheinlich im Originale; dabei hat er Kaiser Justinians Berufung an Apoll und
des Gottes Entschluss, die sieben Weisen sowie Cato und Seneca zu versammeln, für
die übrigens die neuen Musen eingesetzt werden, ausgeschieden, ebenso den Disput des
Thaies mit Cleobulus und endlich das Schlusswort des Jacobus Mazzonius. Die Reden
der einzelnen Philosophen bezw. Musen haben eine Umstellung erfahren, Flüsse- \ind
Völkernamen sind durch solche ersetzt worden, die den Anschauungen der deutschen
Leser näher liegen. Im zweiten Abschnitte, wo die grossen Pädagogen das Wort er-
halten, schöpft Schupp erstlich aus des Comenius „Praefatio ad lectores eruditos" (in
„Janua linguarum reserata") aus Johann Heermann (wahrscheinlich aus einer Predigt
des Köbener Priesters), aus den allgemeineren Gedankenkreisen seines Schwiegervaters
Helwig (Pancratius), des bedingten Ratichiusfreundes, aus der „Neuen lateinischen Gram-
matica in Fabel und Bildern" von M. Joh. Buno (Danzig 1651), seinem Schüler, der die
mnemotechnischen Bemühungen Schupps zu popularisieren suchte. Der abschliessende
Schulmeisterstreit findet sein Vorbild wiederum bei Boccalini, 2. Centurie, 31. Stück.
Dem Texte des Neudrucks ist die Hanauer Zugab zum Grunde gelegt; die Varianten
sind beigefügt. — Bertheau i*) erzählt das Leben Schupps nach den bekannten Quellen;
die theologische Seite wird besonders stark hervorgehoben, und hier gelangt auch die
Charakteristik auf eine gewisse litterarische Höhe. Die verschiedenen Hamburgischen
Streitigkeiten, die Verhandlungen des geistlichen Ministeriums und des Senates mit dem
Prediger und Volksschriftsteller werden nach den Akten dargestellt: die Citation vor
einen Ausschuss des Ministeriums vom Michaelis 1657, die Gutachtenkomödie, welche
von der Behörde am 12. Nov. 1657 ins Werk gesetzt wurde und sich bis zum 22. Jan.
1658 ausdehnte, der Eingriff des Senates vom 27. Jan. sowie das vereinigte Vorgehen
des Senates und des Ministeriiims am 10. Febr. und die folgenlose Verhandlung vor
dem Ministerialkonvente am 26. Febr. 1658, endlich die erneuten Anstrengungen des
Ministeriums vom 27. Jan. 1659. B.s, wenn auch gelinde, Zweifel an der Möglich-
keit, dass Hauptpastor Möller der Verfasser des unflätigen Traktates „Der Bücherdieb
Antenors" sei, wird niemand teilen. — In einem eleganten Vortrage zeichnet G. F.
Fuchs 1^) die Erscheinung Georgs IL, Landgrafen von Hessen, des aiisgezeichneten
Fürsten, der Schupp ein so warmer Beschützer und Förderer gewesen. In staatlichen
Dingen ein treuer Anhänger an der Reichspolitik, in seinen geistigen Bestrebungen ein
hervorragender Freund der historischen Forschung. Sein Wunsch und Streben, mit
Schupps Hilfe eine umfassende Geschichte Hessens ans Licht zu fördern, wird ein-
drucksvoll geschildert. — Eine rühmende Darstellung von Schupps Wirken gab für
weitere Kreise Z enger "'^). —
Hagedorns satirische Empfindungen treten lebhaft in der Bearbeitung (1732)
von des Horaz „Ibam forte sacra via" (1,9) hervor, die ein genauer Kenner der
älteren Hamburger Lokalgeschichte i') auf ihre Beziehungen zur Wirklichkeit prüft.
„Marienigasse" ist eine ersonnene Bezeichnung; „Böckelmanns Gärten" dagegen existierten
an der Alster, da, wo heute der Neue Jungfernstieg liegt. Die Adolfskirche, von der
jetzt nur der Adolfsplatz zeugt, ward 1270 einbaut vnid 1807 niedergelegt. „Prätoren"
gab es in der Republik bis zur Reichsjvastiz ; sie entschieden in ihrer Behausung nach
dem Stadtrecht, den sogenannten „Statuten". Aus einer schlichten Charakteristik des
geistigen Lebens im damaligen Hamburg treten die Gönner und Freunde des Pseudo-
Horaz hervor: Mäcenas-Brockes, der Jurist Wilckens, der Rektor J. S. Müller, der Arzt
Carpser, der Rechtsgelehrte und Postkommissar Borgeest, der mit Hagedorn den „Orden
des guten Geschmackes" gegründet hatte, die beiden Liscows, unter denen zwar Joachim
Friedrich, der Hamburger, zum Fuscus erkoren, Christian Ludwig aber hinreichend als
berühmter Schalk gezeichnet wurde, endlich Käufflin, ein verstiegener Tageslitterat. —
Die bahnbrechenden Bemühungen der Schweizer bringt uns ein ungemein
exakter, fein ausgestatteter Neudmck der „Discourse der Mahlern" wieder nahe,
den Th. Vetter ^8) besorgt. Den einzelnen Stücken konnten die Verfassernamen bei-
gefügt, in den Anmerkungen Entstehungsgeschichte und Quellenuntersuchungen reichlich
S. 1626.]| - 14) C. Bertheau, J. B. ScLupp: ADB. M, S. C7-77. - 15) G.F, Fuchs, Aus d. Leben d. Landgrafen Georg II.:
GBimVHessen. 1, S.2C/7. — 16) F. Zenger, J. B. Schupp: Ilesseuland S. 82/3. — 17) y., Hagedorns Uebertr. d. horazischen
Schwätzersatire auf hamburgische Verhältnisse: HambCorr. N. 244, 250. — 18) D. Discourse d. Mahlern. 1721—1722. Mit
Anm. her. v. Th. Voller. 1. (= BiW. Mlterer Schriftwerke d. deutschen Schweiz her. v. J. Bächtold u. F. Vetter
31 J. Elias, Didaktik dos 17./18. Jahrhunderts. III 5: i«-23.
niedergelegt werden; seine beiden Vorarbeiten, „Der ßpectator als Quelle der Discourse"
(1887j und die Ausgabe der „Ohronirk" (1H87), boten V. hier das Material. In dem
ersteji Teile der „Discourse" lassen sich mit Sicherheit auf das englische Vorbild zurftck-
f(\hren die Nnmmern I, VIII, Xll — XIV, XIX — XX; wahrscheinlich ist die Anlehnung
in den Stücken II, III, VI, XVI; ein Spectator-Motiv, das Kartenspiel ist, unabhängig
von Addison luid Steele, angeschlagen in Nummer XV. Es w.iren von Einfluss: Seneca
auf Discurs IV, Locke auf IX, Shaftesbury auf XVII— XVIII. Stück XXI stellt sich
als eine uiunittelbare Fortsetzung von XIII und XVII heraus. Die Beziehungen zu
den „Muhlern der Sitten" nud den „Vernünftigen Tadlerinnen" werden in jedem Falle
klargelegt. Zur Widmung der ersten Bandes teilt V. mit, dass Bodmors und Bhm-
tinge-rs französisches Sclireiben an Ricjjard Steele, vom IH, Okt. 1721, wahrscheinlich
gar nicht in die Hände des Empfängers gelangt und von englischer Seite keine Aeusse-
rung auf die schweizerische Nachalmunig erfolgt sei. Was die Urheber des vorliegenden
Buches betrifft, so entfallen auf Bodmor die Nummern I— III, V— VIII, XII, XIV,
XIX, XX, XXII; auf Breitinger die Stücke IV, IX— X, XIII, XV, XVII, XXI, XXIV;
auf Zellweger Nummer XI; auf Bodmer und Breitinger gemeinsam die Discurse XVI,
XVIII, XXIII. Auf Stück XIX weist V. besonders hin als den Frtthkeim der grossen
Theorien. —
Im fünften „Discourse der Mahlern" handelt, breit und eindringlich, Bodmer über
das Wesen der Geschichtsschreibung. Hier knüpft G. Tobler'") seine ausgiebige Studie
über den Historiker Bodmer an. Im einzelnen sind der ungedruckto Nachlass auf der
Züricher Stadtbibliothek iind wichtige Briefquellen, wie die Korresjjondenz mit Zell-
weger (in Trogen) benutzt worden. Man sieht, dass Bodmer schon in jungen Jahren
über die Sammelmethode, die Chronistik der früheren schweizerischen Geschichts-
schreiber den Stab briclit, indem er psychologisches Erkennen der Thatsachen und ge-
diegenes Urteil fordert, dass er zur Begründung der kulturhistorischen Foi*schung
in seiner Heimat den ersten Spatenstich thut und durch eine neue Erschliessiuig der
Quellenschinften der künftigen Wissenschaft wesentlich vorarbeitet. Er fördert den Sinn
für vaterländische Geschichte weit im Lande, zieht angesehene Leute zur Mitarbeit
heran, sichert die Fortsetzung torsoliafter Werke, ginindet Zeitschriften und gelehrte
Gesellschaften, die seinem grossen Zwecke dienen. Bei der Geschichte allein bleibt er
nicht stehen, er sucht den Politiker, den Nationalökonomen, den Pädagogen in sich zu
entwickeln. Seine allgemeinen Anschauungen freilich bleiben in den Gedankenkreisen
Montesquieus, Quesnays, Rousseaus, Basedows befangen, wie er denn auch auf diesen
Gebieten mehr ein anregender, als ein schöpferischer Geist gewesen ist. In der
„Empfehlungsschrift" zu den „Historischen und Critischen Beyträgen" (173J)) findet T.
schon ein Lessingsches Motiv: „dass die Wahrheit die Seele der Historie, die Wahr-
scheinlichkeit die Seele der Fabel (Poesie) sei". Im Züricher Nachlasse entdeckt T.
ferner die Hss. zweier gescliichtlichen Stücke „Rudolf Schöno, ein Trauerspiel"
und „Die Schweizer über dir, Zürich, oder Rudolf Stüssi, Politisches Trauerspiel in
2 Teilen". Er bezeichnet diese ganze Gattung Bodmerscher Arbeiten richtig als „historisch-
politisch-dramatische Wechselbälge", hebt aber aus dem „Schöno" eine eigenartige,
staatsmännische Idee heraus, die auf die „Aufhebung der Unterthanenverhältnisse" und
auf die „Einführung einer aus proportionaler Volkswahl hervorgehenden eidgenössischen
Bundesversammlung" hinzielt. — Ein ergänzendes Dokument für Bodmers Historiographie
bietet A. Tobler '-^o^ mit dem Abdruck eines Traktates über die „Gescluchte der Unruhen
in den äussern Rhoden in den Jahren 1732 — 1733", dessen Original sich gleichfalls im
Nachlasse vorfindet. Die Zollkriege zwischen den Aebten von St. Gallen und Appenzell
werden dargestellt und unparteiisch beurteilt. —
Das Verhältnis Hallers zu Christlob Mylius bert\hrt ein Schreiben des merk-
würdigen abenteuernden Litterators vom 2G. Sept. 1752, das Geiger 2i) veröffentlicht.
Es ist in der Hauptsache ein Bettelbrief, womit Mylius dem „hochgeschätzten Gönner"
zweihundert Thaler aus der Tasche locken wollte, unter dem Voi'^ande, für die beab-
sichtigte, von Haller angeregte Entdeckungsreise nach Surinam die nötigsten Vorberei-
tungen treffen zu müssen. Auf litterarische Dinge geht der Schreiber nur insofern ein,
als er bekennt, dass er in dem Leibniz.streite zwiscluMi Samuel König einerseits und
Maupertuis und Leonhard andererseits publizistisch für König Stellung genommen
habe. 22) _
Li einem letzten Abschnitte seien vereinzelte Publikationen gesammelt, die
sich einer bestimmten Gruppe nicht unterordnen lassen. A. Pichler^s) erneuert das
2. Serie, 2. Heft.) Frauenfeld, Huber. 124 S. M. 2,60. |[L. Hirzel: AZg«. N. 77.1 - W) 0- Tobler, J. J. Bodmer als
Ge.schiihtssclireiber. Neujahrsbl. d. Stiultbibl. in ZUricb. ZOricIi, Orell FDssli & Co. 49 S. |[R.: AppenidUbb. 4, S. 147 8.1 —
20) A. Tobler, E. Beitr. z. appenzell, «esch. d. Jahre 1732;3: AppenzelUbb. 4, S. 12—52. — 21) L. Geiger, E. Brief t.
Chr. Mylius an Haller: VLG. 3, S. 367-73. — 22) (IV 6:1.)- 23) A. P ichler, Hippolytas Guarinonius: flTTR. 11. S H5-49;
III 5: 24-29. J. Elias, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. 32
Bild des biderben, urwüchsigen, vielseitigen Hippolytiis Guarinonius. Er beklagt, dass
der litterarisch, historisch, kulturgeschichtlich tief'gebildete Arzt, dieser seltsame, ge-
mütvolle Polyhistor, bisher so karg gewürdigt worden sei; er vergisst aber, neben dem
bündigen Hinweis auf Erich Schmidt, Janssen, J. Meissner („Die engl. Comödianten
usw." 1884, Einleitung), G. Erancks hübsche Biographie und Schilderung des Haupt-
werkes „Die Greuel der Verwüstung" anzuführen (ADB. 10, S. 83/5). P, schöpft viel-
fach aus ungedrucktem Ms. ; sein Aufsatz hält sich in flotten, frischen Formen. Er hebt
einige wichtige litteraturgeschichtliche Details hervor : Guarinoni weist auf die Sage von
der Portia (Kaufmann von Venedig) und den Don Juan-Stoif hin, erzählt das Motiv von
Scliillers Handschuh, berührt die Seifensieder-Idee Hagedorns. Er ist ein für seine Zeit
aufgeklärter Mann, der dem Hexenglauben soweit entgegentrat, dass er sich der gefähr-
deten Matronen und Greisinnen mit warmem Worte annimmt und den Betrug der Astro-
logen verdammt. Er zeigt sich als redlicher Spötter gegenüber dem Gebahren des
Adels, der Prasserei der Bürger, der Unehrlichkeit der Wirte, in einer Sprache, die
an Abraham a Sancta Clara mahnt. Seine Verdienste um die botanische Forschung
sind nicht zu übersehen: die Beschreibungen der freien Gottesnatin', die er. Pflanzen zu
suchen, durchwandert, steigern sich nicht selten zu dichterischer Glut. Auch Guarinonis
politische Anschauungen beleuchtet P., indem er aus dem ungednickten Bruchstücke
„Der christliche Weltmann" (1626) den Inhalt eines kleinen, antimaccliiavellistischen
Dramas mitteilt. —
Die Frage, ob Philipp Zesen in Leipzig studiert habe, glaubt Edw. Schröder24-25)
auf Grund einer Privatmitteilung E. Elsters verneinen zu müssen, der die Immatricu-
lationsverzeichnisse dui'chgesehen hat; Dissel hatte die Leipziger Studienzeit auf das
Sommersemester 1641 bestimmt (JBL. 1890 III 5 : 7). Der Umstand, dass der
Name in den Listen fehlt, kann an sich nicht massgebend sein, wenn nicht die Voll-
ständigkeit und Sorgfalt der Listenführung über allem Zw^eifel steht: Chr. Wernicke
z. B. hat unter Morhof um die Wende der 70er Jahre unbedingt in Kiel studiert, und
doch ist sein Name in den Bücherii nicht zu finden. Darin freilich hat S. recht, dass
Dissel wie Gebhardt in diesem Punkte die arcliivalische Quelle nicht hätten übersehen
dürfen, wie darin, dass für die Geschichte der Dorothea von Rosenthal die Fachgenea-
logien das schlesischen Adels ausführlich zu befragen seien. —
Die spärlich erhaltenen Materialien zu einer Lebensbescln-eibung des öster-
reichischen Diyjlomaten Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn sammelt Th.
Vetter 2<J) zu einem Erinnerungsbüchlein; in den April 1890 fiel der dreihundertjährige
Geburtstag des Mannes, der in den Zeiten der Türkengefahr von drei Kaisern zu den Ver-
handlungen mit der Pforte ausersehen wurde. In die Litteraturgeschichte ist er des-
halb gelangt, weil er unter dem Namen „der Verdienende" dem Palmenorden angehörte
(seit 9. Febr. 1657); auch Bächtold gedenkt seiner in der „Geschichte der deutschen
Litteratur in der Schweiz". Schwarzenhorn hat Gelegenheitsverse gemacht, nicht besser
und niclit schlechter als andere hochgestellte Dilettanten seiner Zeit. V. giebt das Ge-
dicht wieder, mit dem der alte Schweizer einen Pokal als Ehrengabe seiner Heimatstadt
Stein übersandte. Er gedenkt ferner des Schulmeisters Johann Nussigk aus Iglau,
der in einem naiven Reimgedichte den kläglichen Zustand der Welt zu begründen
sucht (1581). —
Die Gattung der Sprüche und Zeitverse berühren ein Hamburger Anonymus^'')
und F. W. E. Roth.28) Jener erinnert an eine Lotterie, die 1614 für den Bau eines
Arbeitshauses veranstaltet wurde und die Bürger reizte, statte mit Namen versehener
Zettel Motti in die Urne zu werfen; neben vielen wohlbekannten Worten finden sich
manche hübsche Aussprüche lokaler Weisheit. — R. druckt zwei kleinere Spottgedichte
aus der Epoche des 30 j. Krieges ab, deren Originale er unter Rheingauer Akten ent-
deckt hat. In makaronischem Latein wird die zusammengeborgte Wirtschaft eines öster-
reichischen Erzherzogs geschildert und ein Speisesegen mitgeteilt, der über den „Magen
der Kirche" witzelt. Zwei Distichen die eine ernsthafte Benedictio enthalten, dagegen
zeigen des Autors Gewandtheit im korrekten Latein. —
Die Beschreibung einer Kavalierfahrt in das Ausland, von C. Curtius^O) mit
Einleitung vmd Anmerkungen abgedruckt, ist nicht bloss für die Geschichte der Reise-
journale wichtig tnid unterrichtend. Ueber das Leben Chr. H. Posteis giebt es kehie
aiithentischen Zeugnisse; aus Wilckens-Ziegras „Hamburgischem Ehrentempel" mir koinite
J. Elias (ADB. 26, S. 465 — 73) feststellen, dass Wilckens wie Weichmann Tagebücher vor-
gelegen haben, zumal für eine Studienfahrt Posteis durch Holland, England, Franki-eich.
145-51. — 24) Edw. Schröder, Ph. Zosen in Leipzig?: ADA. 17, S. .344/5. — 25) id., K. Dissel, Ph. v. Zeson : UZ. 67,
S. 303/4. — 26) Th. Vetter, Joh. Rud. Scbiuid Frhr. v. Schwarzenhorn. Frauenfeld, Huber. 35 S. M. 0,60. — 27) Alt-ham-
burgische Spruchweisheit: llambCorr. N. 398. — 28) F. W. E. Roth, Deutsch-lat. Gedichte aus d, Zeit d. 30j. Krieges:
(Jermania 36, S. 179—81. — 29) Beschreibung e. Reise durch d. uordwestl. Deutschland nach d. Niederlanden u. England i. J.
1683 T. JaV. V. d, Melle u. C. 11. Postol. ITer. v. C- ^urtins. Festsohr. z. 20. Versammlung d. HansQV., 19— 20. M:ii. Lübeck,
33 J. Elias, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. Ol 6: so-tt.
C, hat nun auf der Ltlbeckischen Stadtbibliothek die Hs. eines Journals gefunden, worin
aus der Feder dos Gottesgelehrten und Polyhistors Jakob v. Melle tlber eine Jugend-
reise eingehend berichtet wird, die, der Lübecker und sein Hamburger Freund Postel
zur gemeinsamen Ausbildung unternommen haben. Das Ms. ergiebt so wesentliche
Uebereinstimmungon mit dem Auszuge des Wilckens, dass man auch auf eine gemein-
schaftliche Niederschrift der Erlebnisse schliessen darf. Dabei hat entweder jeder »ein
besonderes Exemplar besessen oder v. Melle allein hat die Feder geführt. Wie dem
auch sei, das Büclilein bildet ein Aktenstück auch zur Biographie Posteis, das
einzige, das man kennt. Die Unternehmung begann am Nachmittage des 15. Juni 1683
und ward beendet, für Postel am 23., für v. Melle am 25. Dec. desselben Jahres.
Sie erstrockte sioli von Hamburg auf Bremen, Groningen, Franecker, Amsterdam, Leyden,
Haag, Utrecht, Rotterdam, Antwerpen, Brüssel, Brügge, Calais, Dover, London, Oxford,
Dioppo, Rouon, Paris, Nancy, Strassburg; dann ging es über Heidelberg, Frankfurt a. M.
zurück in die Heimat. Eine Reise nach Italien hatte Elias nicht angenommen, weil er.
Wilckens ein gi-össeres Zutrauen schenkte als dem geschwätzigen Weichmann, dem sich
Jördens und Schröder als der einzigen Quelle über Posteis Leben rückhaltlos an-
schlicssen. Beiden war Wilkens eben nicht bekannt Seine „italienische" Reise unter-
nahm Postel erst i. J. 1700 (17. Jan. bis 15. Sept.) Die neue Publikation hat Elias'
Ansiclit bestätigt. C.s Studien zu dem Funde, der eine treue, sorgsame Wiedergabe er-
fahren hat, zeugen von einer sehr eifrigen Beschäftigung mit dem Gegenstande. In An-
merkungen wird die Reiseroute so genau, als es irgend ging, Punkt für Punkt kommen-
tiert. Im allgemeinen haften die Aufzeichiunigen der Reisenden an äusserlichen Dingen,
auch in den litterarischen und wissenschaftlichen Beziehungen. Dia Versuche, die
begegnenden Persönlichkeiten zu charakterisieren, sind knapp und T?chwach ausge-
fallen. 30-36) _
G. Borchers. 48 S. — 30) X Kiesel, G. W. v. Leibniz: Walzer n. Weites Kirohenlox 7, 8. 1663—80. (E. gerecht«, klage
WUrdigunff.) — 31) X P. Gesche, D. Ethik Leibnizens Diss. Halle a. S.. Uofbuchdr. v. Kaemmerer t Co. 76 S. — 82) X H. F.
Boneke, Leibniz als Ethiker. Diss. Erlangen 40 S. — 33) X H. A. Lier, N. Schmidt-KUntzel: ADB. 32, S. 16/8. iKaoer
u. Autodidakt, Kalenderschreiber ii. Sprachgenie.) — 34) X Gt. Gaebel, K. Krebs, d. politische Publizistik d. Jesuiten usw.:
MIIL. 19, S. 247—50. — 35) X Chr. Hutzelmann, E. jesuiti^chor Feldzugsplan z. Ausrottung aller Ketzer Nach e. lU.
(ans 1735). Leipzig, G. Kaufmann. 27 S. M 0,50. —
Jahresberichte fltr neuer» deutsche LittMAtorgesehicht« II («i.
IV. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts
bis zur Gregen^vart.
iv,i
Allgemeines.
Gustav Roethe.
Die Inhaltsangabe s. am Schlüsse des Abschnitts.
Dass der wissenschaftliche Litterarhistoriker einer gründlichen philologischen
Durchdringung seines Stoffes nicht entraten kann, daran wird kein Urteilsfähiger zweifeln,
so lärmend sich die entgegengesetzte Meinung gerade in unseren strenger geistiger
Arbeit abholden Tagen zumal in der Tagespresse vernehmen lässt. Freilich hätte sich
diese Meinung nicht so breiten Boden erobern können, wären nicht die philologischen
Litterarhistoriker selbst mitschuldig. Der Vorwurf eines übertriebenen Specialistentums,
das vor lauter Vorarbeiten nicht dazu gelangt, die grossen Aufgaben in Angriff zu nehmen,
dieser Vorwurf ist gerade der neueren deutschen Litteraturgeschichte nicht ganz zu er-
sparen: haben wir es doch erleben müssen, dass Franzosen uns mit umfänglicheren
wissenschaftlichen Arbeiten über Hans Sachs und Tischart, über Gryphius und die
Faustlegende, über Herder und Jean Paul zuvor kamen. Diese Schwäche unserer
jetzigen Arbeitsweise prägt sich charakteristisch auch darin aus, dass uns das Jalu' 1891
von Litteraturgeschichten des achtzehnten oder neunzehnten Jahrhunderts zwar
drei Bearbeitungen älterer Werke aus einer mutigeren Zeit, aber nicht einen ernsthaftoji
Versuch neuer Darstellung gebracht hat. Unter jenen Bearbeitungen ist nun allerdings
eine so erhebliche Leistung wie der vierte Band der zweiten Auflage von Goedekes i)
altbewährtem Grundriss, der erste, der seit dem Tode des Vf. zum Abschluss gelangt
ist. Es ist wiederum charakteristisch für das Specialistentum \inserer Tage, dass sich
um diesen Bruchteil des grossen Werkes, das einst ein einziger Gelehrter von freilich
wunderbarer Arbeitskraft geschaffen hat, jetzt ausser dem eigentlichen Herausgeber,
E. Goetze, nicht weniger als acht Forscher verdient gemacht haben, zum Vorteil der
schnellen und erschöpfenden Arbeit, zum Schaden der Einheitlichkeit. Goedeke hatte
für diesen Band, der die §§ 201 — 46 umfasst, zwar nicht unbeträchtliches Material
hinterlassen; aber fast nichts war druckfertig, höchstens für einige untergeordnete
Dichter waren seine Notizen einigermassen ausreicliend; ein grosser Teil seiner Auf-
zeichnungen kam über das Zufällige kaiim hinaus. Der umfänglichsten Ergänzungen
und beständiger Nachprüfung bedurfte dieser Nachlass auf Schritt und Tritt. Von dem
Fleiss und der Gelehrsamkeit, mit der die neue Ausgabe bearbeitet wurde, zeugt es
rühmlich, dass sich der Umfang des Bandes, an der ersten Fassung gemessen, auf mehr
als das Doppelte beläuft. Der Löwenanteil dabei kommt freilich der sorgfältig nach-
getragenen neueren wissenschaftlichen Litteratur zu; störende Lücken, wie bei Joh. El.
Schlegel und der Karschin, habe ich nur sehr selten bemerkt; in einigen Absclinitten,
bei Lessing und namentlich bei Goethe, ist in der Anhäufung minderwertiger Arbeiten
sogar des Guten eher zu viel geschehen; weniger wäre mehr, zumal da die innerhalb
der einzelnen Rubriken gebräuchliche, ganz abscheuliche Anordiuing nach dem Er-
I) K. Goedeke, Grundriss z. Gösch, d. dtsch. Dichtung. Aus d. Quellen. 2. ganz neu bearb. Aufl. Nach d.
Tode d. Vf. in Verbindung mit D. Jacohy, K. Justi, M. Koch, K. Mtlller-Fraurouth, F. Muncker, K. Chr. Redlich,
A. Sauer u. B. Suphan fortgeführt r. E. Goetze. 4. Bd. V. 7j. bis z. Weltkriege. Erste Abt. Dresden, Ehlermann.
Xn, 780 S. M. 27,00. |[LCI!1. 1890, N. 19; L. Hirzel: DLZ. 12, N. 41. 14, N. 20; W. Seh.: CBlBibl. 1892, 8. 188;
85 Q-. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 2.
sclieiuungsjahr der Büchor und Aufsätze die Orientierung sehr erschwort. Weniger
energiscli hat die noue Bearbeitung Goedekes Angaben über die Schriften der Dichter
selbst, den wichtigsten Teil seines Werkes, revidiert und ergänzt; sie ist wenigstens
ungleiclnnässig darin. Wolil sind Redlichs Abschnitte §231 und 232 über die Musen-
almanache und den Güttinger Dichterbiuid auch in dieser Hinsicht über jedes Lob er-
haben; wülil verdient Sauers Umgestaltung des § 230 über die Stürmer und Dränger,
in der z. B. Bahrdts Schriften von 15 auf 98, die Schubarts von 13 auf 84 Nummern
gebraclit worden sind, volle Anerkennung, wenngleich aucli hier bei Gou^ (und Lenz?)
sich Lücken in der Berücksichtigung der Einzeldrucke fühlbar machen. Aber sehr viel
dürftiger sieht es namentlich in den von Götze selbst bearbeiteten Paragraphen aus.
So manchen alten bibliographischen Felder habe ich da wiedergefunden: es scheint nicht,
dass die Schätze der grossen Bibliotheken erschöpfend ausgenutzt sind; auch von dem
an sich löblichen Grundsatze, die Angaben der Antiquariatskataloge selbst ohne Autopsie
zu verwerten — doch war dann die Quelle anzugeben — , konnte reichlicherer Gebrauch
gemacht werden. Man messe nur das von Götze kaum bereicherte Verzeichnis der
Schriften Bodmers an Bächtolds Bibliograpliie in den Anmerkungen seiner Geschichte
der deutschen Litteratur in der Schweiz; auch die Abschnitte über Gerstenberg,
Hamann u. a. erweisen sich als unzulänglich. Dass Goedekes darstellender Text fast
unverändert blieb, war zu rechtfertigen; weniger billige ich es, dass auch seine Anord-
nung allzu pietätvoll beibehalten wurde: Lavater z. B. gehörte gewiss eher
unter die Stürmer und Dränger als in den zahmen § 219. Eine stattliche
Anzalü neuer Dichtemamen wurde aufgenommen: gerade dafür waren meines
Erinnerns Goedekes Vorarbeiten einigermassen ergiebig. Leider fehlt noch immer
ein brauchbarer Abschnitt über die moralischen Wochenschriften; und wenn
in dem überhaupt unbegreiflich ärmlichen § 202 (theoretische Werke) Dubos genannt
wurde, so ist es nicht zu verstehen, warum so viele andere, für die deutsche Litteratur
des 18. Jh. mindestens ebenso einflussreiche Kunstrichter Frankreichs, Englands und Italiens
unerwähnt blieben. Der berechtigte Wunsch, das uns allen unentbehrliche Werk so schnell
wie möglich zu fördern, hat offenbar in den ersten Partien des Bandes zu flüchtiger
Arbeit verleitet; ich durfte das nicht verschweigen, betone nun aber um so nachdrück-
licher, dass die neue Auflage in ihrer Gesamtheit und in vielen Einzelheiten, die an
andern Stellen der JBL. gewürdigt werden, einen ungemein verdienstlichen Fort-
schritt bedeutet; jeder Benutzer wird die reiche Förderung, die er von dem Buche in
seiner neuen Gestalt auf Schritt und Tritt erfährt, dankbar anerkennen. — Das Gleiche
kann ich der neuen Auflage voa Gottschalls 2) vielbenutztem und weit über Gebühr
gepriesenem Werke nicht nachrühmen. Schon die selbstzufriedene Vorrede, die über
den Einbruch der Fachgelelu-samkeit in die Litteratvu'geschichte deklamiert und sich
lustig macht über die Rolle, die die Chronologie in Julian Schmidts neu umgegossenem
Buche spiele, giebt die Gewissheit, dass ilu' Verfasser nichts zugelernt hat; ihm sind
noch immer die Portraitstudien Ein und Alles. Wer für die zeitlichen und intimeren
künstlerischen Zusammenhänge im Leben der Litteratur so wenig Verständnis hat wie
G., der muss schon ein glänzender Portraitmaler sein, um dafür zu entschädigen. Die
glitzernden, aber unanschaulichen und jeder Schärfe der Auffassung entbelirenden Bilder
G.s, die selbst schriftstellerisch mit den Skizzen von Gervinus und Scherer keinerlei
Vergleich aushalten, beleliren mich nur, dass der Selbstdichter keinen Beruf zum Ge-
schichtsschreiber der Dichtung hat. Davon zeugt mir auch der in der neuen Auflage
eingefügte Abschnitt „Die litterarische Entwicklung seit 1840 in ihren Grundzügen" ;
dass G. selbst sich zum Ideahsmus bekeln^t, fördert zwar sein Verständnis für Gutzkow,
macht ihn aber ungerecht gegen Freytag, den Realisten: seine Abneigung gegen diesen
stimmt ilui dagegen merkwürdig freundlich gegen die Jüngsten, die Naturalisten, über
die er sich freilich mehr aus den Deklamationen Bleibtreus, Albertis und Steigers als aus
ihren Dichtungen selbst belehrt zu haben scheint; sonst wäre ihm nicht die „Gesell-
schaft" ihr Repräsentant, sonst würde er nicht ihrer Lyrik das Neue absprechen, sonst
würde er nicht behaupten, dass eine Richtung, als deren Meister er u. a. Ibsen nennt,
von Ideen und Tendenzen in der Kunst nicht das Geringste wissen wolle. Ausser
diesem einzigen neuen Kapitel zeigt G.s Werk in den beiden ersten Bänden dieser
Auflage keinerlei tiefgreifende Umgestaltung, so zaliLreich sie mit kleinen Fhckereien
versehen wurde. Noch immer beurteilt er Kleist als wesentlich pathologisch. Grillparzer
hat zwar einen eignen Abschnitt bekommen, während er früher in die Rubrik „Scliicksals-
tragödie" eingepresst wurde; aber seine Beurteilung hat dadurch nicht gewonnen; die
Zusätze über seine Lyrik und über .,Weh dem, der lügt" bedeuten keinen Fortschritt des
Verständnisses. G.s Stellung zu Heine ist unter den widerspruchsvollen Einflüssen von
Ph. Strauch: ADA. 19, & 128.] | — 2) B. v. Gottschall, D. dtsoh. Nationallitt. d. 19. Jh. Litt-hist u. krit. dargest. 6. rem
u. verb. Aufl. Bd. 1-2. Breslau, Trewendt. XXXU, 672; 575 S. M. 10,00. |IH. P.: DB. 4, 8. 374 f. (Tiel zu warm); WIDM.
a*
IV 1: 3. G. Eoethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 36
Brandes und Treitschke (JBL. 1890 IV 1 : 10; 14: 1) nur haltloser geworden. In das Kapitel
„Originaldenker", das von schiefen und unsichern Urteilen strotzt, sind jetzt die natur-
wissenschaftlichen Psychologen wie Fechner, Drobisch und Wundt eingepfercht worden,
die durchaus als Gruppe für sich zu behandeln waren; besser passte unter jene Ueber-
schrift neben Eugen Dühring Friedrich Nietzsche, der nur leider nicht zu den Geistern
gehört, die G. begreift. Dem entsprechend findet G. jetzt Worte für Bebel und Lieb-
knecht, für den phrasenhaften Schönredner Portig, während mir z. B. Lagardes Name
auch jetzt noch nicht bei ihm begegnet ist. Dem modernen Berliner Theaterleben wird
ein Abschnitt gewidmet: wie vertraut G. mit ihm ist, zeigt er u. a. dadurch, dass ihm
die „Matadore der freien Bühne" Brahms und Schlenter heissen. In weitem Umfange
sind dem Text allerlei biographische Notizen eingefügt, die von falschen Daten wim-
meln: überall unsaubere Flickarbeit. Von der verhassten „Fachgelehrsamkeit" hat sich
G. sorgfältig freigehalten: noch immer sind ihm Goedeke und Kurz die Vertreter
kritischer Ausgaben; seine Litteraturangaben kennen zwar den Lessing des Frl. von
Zimmern, von Erich Schmidts Werke weiss G. nichts; Munckers Klopstock, Litzmanns
Hölderlin, die Ausgabe der Briefe Herders an Hamann durch Otto Hoffmann, der Briefe
Friedrich Schlegels an August Wilhelm durch Walzel sind ihm unbekannt; während er
allerlei gleichgiltige Prachtausgaben verzeichnet, hat er von Munckers Lessing-, Elsters
Heine-, Sauers Grillparzer-, ja der Weimarer Goethe- Ausgabe offenbar nichts gehört. Mit einer
so äusserHchen Modernisierung, wie sie G. diesmal geliefert hat, ist nichts gewonnen;
soll das seiner Zeit gewiss verdienstliche Buch nicht allgemach geradezu gemeinschädhch
wirken, so möge der Vf. die Neubearbeitung künftighin in andere, kräftigere und nicht
allzu pietätvolle Hände legen. — Auch der Dritte im Bunde, Grisebach 3), liefert mit
seinem „Goetheschen Zeitalter der deutschen Dichtung" wiederum lediglich den Beweis,
dass es ein Anderes ist. Dichter sein, ein Anderes, Geschichtsschreiber der Dichtung.
Das Buch, das auf eine teilweise stark bearbeitete Erneuerung der älteren Arbeit G.s
über „Die deutsche Litteratiir seit 1770" hinausläuft, charakterisiert mehr den Vf. als
die Zeit, die er schildert: sein Reiz, wie seine grosse Schwäche liegt darin, dass G. mit
naivster Harmlosigkeit nur das gelten lässt, was er als poetisch kongenial empfindet,
was ihm bei seiner eigenen poetischen Entwicklung zu gute kam. Von einer wirklichen
Geschichte, die unbefangen den Kampf gegensätzlicher geistiger Strömungen, den Wechsel
des Geschmackes darstellte, ist unter diesen Umständen keine Rede; es lohnt nicht, die
zahllosen Lücken, Schnitzer, Missurteile aufzustechen; für den künftigen Biographen des
auch von mir sehr gewürdigten Dichters G. wird das Buch gerade Dank seiner mass-
losen Subjektivität eine unschätzbare Quelle sein. Wäre nur G.s Unwissenheit, wie sie
sich z. B. in der kindlichen Einleitung äussert, das ganz Sporadische und Zufällige
seiner Belesenheit nicht so unerlaubt gross! Klopstock und Lessing, dessen „Minna"
in G.s Augen eine „Versöhnung der preussischen Armee" ist, werden sehr von oben
herab schnöde erledigt, zum Teil mit Anlehnung an Herder, der wiederum abgethan
wird, sowie er in Konkurrenz mit Goethe tritt. Dass G. Goethes Totalität nicht fasst,
so sehr er danach ringt, ist selbstverständlich; es kennzeichnet den Vf , wie er bei den
„Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter" verweilt und an ihre Spuknovellen ein Ver-
zeichnis der Gespenstererzählungen bis auf Alfr. Schöne knüpft, in dem doch z. B.
Halms „Marzipanlise" fehlt; in den späteren Partien leidet Goethes Schilderung oben-
drein unter der Verquickung mit Clemens Brentano. Bürger, der wild überschätzte,
dessen Würdigung diesmal ein paar Worte über Claudius und Hebel angeleimt sind,
und Blumauer bekommen noch immer ihr besonderes Kapitel, doch werden sie wenigstens
kürzer behandelt als in der älteren Fassung. Der mühsam der Vollständigkeit wegen
abgequälte Abschnitt über Schiller wäre uns besser ganz erspart geblieben. Wirldich
wohl wird es G. erst, als er auf Heinse, Brentano und Heine zusprechen kommt, auf die
Männer, in denen er mit Recht Geist von seinem Geiste wiedererkennt Und diese
Partien sind die besten des Buches. Freilich, wer will Heinse (und Thümmel, den G.
hoch über Jean Paul stellt) geschichtlich verstehen, der Wieland so beiläufig abthut
wie G.? Immerhin bemüht er sich, Heinses Entwicklung darzustellen; er macht zwei
ungedruckte Briefe Heinses an Gleims Sekretär Schmidt bekannt und verwertet eine be-
merkenswerte Abweichung, die sich Goethe bei der Publikation des Briefwechsels mit
Schiller gegenüber dem Originale gestattete; Goethe ersetzte nämlich in dem Briefe vom
8. Juli 1795 Klingers „Giafar", den eine befreundete Dame als sein Werk angesehen habe,
durch Heinses „Ardinghello", übrigens mehr wohl aus Rücksicht auf Klinger als aus Vor-
liebe für Heinse. Brentanos Rosenkranzroraanzen werden an Goethes „Geheimnisse" an-
gekntipft, andererseits Heines „Atta Troll", „Romanzero", „Bimini" mit jenen Romanzen
in Verbindung gebracht, obgleich das Erscheinungsjahr der Romanzen, 1852, die Ver-
71, S. 424f.]| — 8) E. Grisebach, D. Goothesclio Zeitalter d. dfsch. Dichtung. Mit ungedr. Briefen W. Heinses n.
Cl. Rrflntanos. Leipr.ip, Enf!Olnianii. VIII, 107 S. M. 3,60. |[A. Chuquot:RCr. S. 191; NatZg. 11. Sept.; W. Büchner:
37 G. Boethe, Allgeraeines des 18./19. Jahrhunderts. IV l: 4-6.
bindung höchstens für „Bimiui" wahrscheinlich dünken lässt. Die Einzelheiten dieses
Nachweises halten nicht Stich, der Grundgedanke aber, dass Heines Lyrik an Brentano sich
anschliesse, ist nicht neu, aber gewiss richtig. Heine, dessen spütere Gedichte, wie beim
Dichter des „Neuen Tannhäusers" selbstverständlich, über das „Buch der Lieder" gestellt
werden, findet diesmal als Poet, nicht als Charakter, eine f'reundlichereBeurteilung als früher;
das hat G. das Lob eines !Feuilletonisten der Nationalzeitung *) eingetragen. Von Einzel-
heiten sei erwähnt, dass G. Mercks Erzählungen als Vorläufer des „Wilhelm Meister" sehr
hoch stellt, Lessiiigs „Emilia" mit Moretos „Primero es la honra" in Zusammenhang bringt,
Goetlies Prokiu-atoniovelle mit Bestimmtheit auf Leonh. Meisters „Beiträge" (London 1777)
zurückftihrt und (8. 154) als Quelle für Heines „Bimini" Denis „Le monde enchant6"
oder Grässes „Ewigen Juden" hhistellt. Andre Dichter als die genannten werden von G.
gar nicht oder nur mit zwei Worten erwähnt, wie man sich mit Hilfe des namenreichen
Registers leicht überzeugt, und auch dabei verlässt uns die Empfindung, dass wir es
durchweg mit subjektivsten Liebhabereien oder zufälligsten Lesefrüchten zu thun haben,
keinen Augenblick. Ueber den Grafen Veitheim und Hans Herrig hören wir mehr als
über Heinrich v. Kleist; Grillparzer und Arnim kommen kaum vor; G.s Landsmann Alb.
Moser erhält seinen besondern Abschnitt, von seinem Vorbilde Hölderlin ist eigentlich
uur in einem abgedruckten Briefe Brentanos die Rede usw. Die Darstellung, die an-
fangs lediglich in Citaten, in eigenen und fremden Kraftworten, namentlich SSchopenhauers,
fortschreitet, wird weiterhin ruhiger und enthält einige wirklich geistvolle Bemerkungen.
Recht apart und liübsch ist, wie stets bei G., die Ausstattung, wenn ich auch nicht
leugnen kann, dass sie mir für eine ernsthafte Litteraturgeschichte zu zierlich und
spielerig erschehien würde. Aber wir haben es ja auch nur mit einer Sammlung von
Aper9us zu thun. In einer solchen wirkt nun freilich die pedantische Akribie, mit der
G. Büchertitel bibliographisch exakt citiert, höchst belustigend. Alles in allem das
amüsante Capriccio eines poetischen Sonderlings, der das Bedürfnis fühlt, der Welt zu
zeigen, wie sich in seinem Kopfe die Geschichte der neueren deutschen Litteratur ab-
spiegelt. — Kein grösserer Abstand als von Grisebach, der am liebsten nur Paradoxien
sagte, zu einem Schulbuch, wie es Prosch^) in seinem für die österreichischen Lehr-
anstalten berechneten Leitfaden uns darbietet. Ueber den pädagogischen Wert seiner
Arbeit, deren zweites Heft uns beschäftigt, habe nicht ich zu urteilen. Dagegen darf
ich anerkennen, dass P. leidlich gerüstet an seine Aufgabe gegangen ist. Das Buch
bringt zuerst einen knappen, auf wirkliche Darstellung verzichtenden Text, der einen
mir wenig zusagenden Kultus der Schlagworte in Sperrdruck treibt und für ein blosses
Gerippe, das erst der Lehrer mit Fleisch einkleiden soll, viel zu viel abstrakt-kritische
Bemerkungen enthält; ihm folgen Anmerkungen, die aUerlei Lihaltsangaben und Details,
vor allem gut ausgewählte Charakteristiken aus Goethes „Dichtung und Wahrheit",
aus Scherer, Goedeke, Viehoff mitteilen. Der besondere Zweck des Buches, der eine
wissenschaftliche Kritik entwaffiiet, erklärt es, dass Schiller, über den P. sichtlich am
besten orientiert ist, und für die neuere Zeit ausschliesslich österreichische Dichter in den
Vordergrund treten; auch der unscliuldige Ton, in dem Rousseaus u. a. Werke analy-
siert werden, wird pädagogische Gründe haben. Nicht aber vermag ich mir so zu deuten,
dass z. B. von Lenz' Dramen nur die Plautusbearbeitung und das „Pandämonium" er-
wähnt, dass bei Goethes ,, Werther" weder Richardsons noch der Maxe Brentano gedacht
wird. Goethe steht überhaupt nicht im Mittelpunkte der Studien P.s, wie die Bemer-
kungen über Tasso und namentlich über die Geschichte der Faustdichtung beweisen.
Und unzweifelhafte Schnitzer, wie Karoline von Flachsland, Tietke, Friedrich Graf
Hardenberg (Novalis), die „lose Folge" der „Blätter von deutscher Art und Kunst"
durften gerade in einem Schulbuch, das die gläubigsten Leser findet, am wenigsten vor-
kommen. Immerhin wird jeder P.s Gewissenhaftigkeit schätzen, der den Durchschnitt
unserer Schullitteraturgeschichten, z.B. H. Kluges bekanntes Opus, kennen gelernt hat; und
wissenschaftliche Förderung wird man von einem Buche dieser Art ebensowenig verlangen
wie von den populären Vorträgen, in denen Müller - Frauen stein *) die neueste
deutsche Litteratur darstellt. So wenig sein Anspruch zu den wissenschaft-
lichen Forschern gerechnet zu werden, sich durch dieses Buch rechtfertigen lässt, so
gewiss werden diese von warmem Interesse auch für die jtingeren dichterischen Phasen
unserer Litteratur — freilich, die jüngstdeutschen fehlen noch! — erfüllten Vorträge,
namentlich vor einem Damenpublikum, ihrem Zweck genügt haben. Die Charakteristik
entbelirt freilich jeder Schärfe und bleibt allzu oft bei einer laienhaft ästlietisierenden
BLU. N. 6; Qremb. 60, S. 394/6; PrJbb. 67, S. 228/9.] | — 4) S. S[am08ch], E. Poet als Litterarhist : NatZg. N. 621.
(D. wachsende Einfluss Heines auf d. Weltlitt. wird namentlich durch die immer neuen italienischen üebereetzungen s. Werke er-
wiesen.) — 5) F. Frosch, Leitfaden fUr d. litt.-hist. Unterricht an Österreich. Lehranst fUr d. Selbstfitud. 2. Heft. V. Leasings bis zu
Goethes Tode, nebst e. Darstellg. d. Entwicklungsganges d. neueren dtsch. Litt, in Oest«rr. (Zunkchst als Hilfsbuch fUr d.
7. u. 8. Gymnasialklasse.) Wien, Graeser. VIII, 320 S. M. 2,40. — 6) G. MUller-Frauenstein.V. H. t. Kleint bis z.
Gräfin M. Ebuer-Eschenbach. 10 gemeinverst. Yortrr. ttber d. neueste dtsch. Litt. Mit 10 Holzschnitten. Hannover, Ost-
IV 1: 7-12. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 38
Betrachtung stehen, statt zum historischen Verständnis der Entwicklung von Persönlich-
keiten und ganzen Richtungen durchzudringen; auch hier wieder wird die Chronologie
allzusehr missachtet: man lese niu- die morose Schilderung Grillparzers ! Aber der Vf.
ist wirklich belesen, selbständig in Auswahl und Urteil, gewandt in der Rede, dabei
ganz geschickt in der Gruppierung; das sehr reichliche Einstreuen von Citaten, die oft
für die eigentliche Darstelhmg eintreten müssen, war in Vorträgen am Platze. Der erste
Vortrag „Die deutschen Befreiungskriegsdichter" behandelt Kleist viel zu einseitig und
flach; ftlr seine geniale Persönlichkeit reicht die patriotische Brille nicht entfernt aus.
Der Abschnitt „Deutsche Romantiker" verrät Unkenntnis des Haymschen Buches; M.
sieht fast nur das Ungesunde in der Romantik, verkennt z. B. völlig die Rolle, die
gerade sie für die Verbreitung iinserer Klassiker und weiter für die Entwicklung der
historischen Wissenschaften gespielt hat; eine Auswahl der Romantiker, in der Arnim
und Schelling, Hoflfmann uud Zacharias "Werner fast ganz fehlen, kann unmöglich glück-
lich genannt werden. Unter der Missachtung dieser Richtung leidet denn auch die
Beurteilung der beiden bedeutendsten „schwäbischen" Dichter, Kerners und Mörikes.
Unter den „österreichischen Dichtern" des vierten Vortrages wird Zedlitz weit über-
schätzt; Lenaus Seelenleben stellt sich uns auch anders dar, seit wir seine Briefe an
Sophie Löwenthal kennen; dass Halm, Raimund, Bauemfeld hier fehlen, will wenig sagen
gegenüber der Thatsache, dass auch Immermann vergessen ist, der statt Heines mit
Rückert und Platen in die Trias des fünften Vortrags gehört hätte. Sonst gehören die
Bemerkungen über Heine und der sechste Vortrag über das Junge Deutschland zu den
gelungeneren Partien des Buches; nur wird für Laube und Kühne die Tonart zu hoch
gewählt; Dingelstedt leidet unter der traditionellen liberalen Legende, und den Vergleich
von Prutz mit Spielhagen muss ich in Prutzens Interesse ablehnen. Mit den vier letzten
Kapiteln (Lyrik, Erzählung, Drama aus der Mitte des 19. Jh., moderner Roman) geraten
wir dann in das übliche Tohuwabohu, das ohne Rücksicht auf Zeitfolge, auf stilistische
und landschaftliche Gruppen einen Namen an den andern reiht. Und hier wird denn
auch das Urteil mehr und mehr unsicher. In der Lyrik z. B. ist weder von Schefer
und Sallet, noch vom Fallerslebener Hoflfmann und Paul Heyse die Rede; Rittershaus,
Lingg und Lorm dagegen bleiben uns nicht erspart. Die herkömmliche Bewunderung
Gottschalls fehlt nicht, obgleich M. sichtlich in Verlegenheit ist, warum er ihn rühmen
soll; von Raupach erfahren wir nichts. Erenzel und Spielhagen werden umständlich
besprochen, Alexis und Fontane kaum mehr als genannt; wenn Reuter über Gottfried
Keller gehoben wird, so ist es M. selbst nicht ganz wohl dabei. In der ganzen Milch-
strasse weiblicher Autoren, mit der das Buch schliesst, glänzt thatsächlich nur ein Stern
ansehnlicher Grösse, Marie von Ebner-Eschenbach; dass M. für die Damen Kapff-Essen-
ther und Biller, A. v. d. Elbe, Pichler, Villinger usw. in einer Litteraturgeschichte Platz
findet, die für Immermann und Arnim kaum ein Winkelchen übrig hat, darf wohl als
Schlussverbeugung gegen die Zuhörerinnen entschuldigt werden. Sie werden dem
Autor dafür Dank gewusst haben; Erau Wissenschaft hat an seiner Schrift trotz
aller Liebe und Sorgfalt weniger Freude. So lange die Historiker der neuesten
Litteratur sich nach Gottschalls Vorgang über die elementarsten Forderungen der
historischen Methode hinwegsetzen und es für ihr unveräusserliches Menschen-
recht halten, den zweiten punischen Krieg vor dem ersten zu behandeln — und
mit Ausnahme Sterns thun sie das Alle — , so lange ist ein ernsthafter Fort-
schritt auf diesem Gebiete nicht zu erhoffen. Die kleinen, schwachen Portraits, mit
denen M.s Buch geschmückt ist, sind für uns, die wir durch Könneckes trefflichen,
neuerdings wieder von Weizsäcker '') gerühmten Bilderatlas verwöhnt sind und auch
in Königs und Leixners bekannten Büchern Besseres finden, doch gar zu unbefriedigend:
wozu also? — Nicht eine litterarhis torische Darstellung, sondern nur einen „Veilchen-
strauss" litterarischer Charakterköpfe bietet uns der unglaublich begeisterungsfähige
Jedrzejewski 8). Wie er den Titel Elise Polkos „Vergissmeinnichtstrauss" entlehnt,
so spüren wir auch sonst ihres Geistes mehr als einen Hauch. Das Buch ist nicht
ernst zu nehmen. Von Emil Palleske und Wilhelm Hey hätte J. die Hände lassen
sollen; im übrigen bleibt er zum Glück in der Bewunderung des tiefsten litterarischen
Unterholzes stecken, wo er nicht schaden kann. —
Aus den mannigfachen Anthologien, in denen patriotische und christliche
Gedichte ^-lO)^ Perlen deutscher Dichtung für Frauen und Jungfrauen ^^"^2), Dichtergrüsse
X, 382 S. M. 4,50. |[A. Br.: LCBl. 1892, N. 26; Gegonw. 40, S.865.]| - 7) P. W., KOnnecke, Bilderatlas z. Gesch. d. dtsch.
Nationallitt.: KBIGRW. 38, S. 243/5.— 8) F. Jo drzejowski, E. Veilclienstrauss. Skizzen. Bielefeld, Helmicli. VIII, 79 S.
M. 1,25. (Behandelt d. Lyriker P. Baehr, H. Kiehne, Hedwig Prohl, Graf E. v. Stadion, d. Kopernikusforscher Prowe, G. Klingen-
burg, d. Stifter e. Lesevoreins.) — 9) X P- Brllmraor, Deutschlands Helden in d. dtsch. Dichtung. E. Samml. hist Gedichte
u. e. Balladenschatz fUr Schule u. Haus. Stuttgart, Greiner & Pfeiffer. XII, 428 S. M. 4,80. |LH. Unbescheid: ZDU. 6,
S. 679.] I — 10) X J- Mi sehn er. Durch Sturm z. Stille! Patriot, u. christl. Gedichte e. Kriegers v. 1870/71. 2. Aufl. Leipzig,
A. Neumann. 12*. VIII, 108 S. M. 1,40. — II) X Fromme Minne. E. Geschenk fUr Frauen u. Jungfrauen, ausgew. aus d.
edelsten Perlon dtsch. Dichtung. Mit e. Titelbl. u, 4 Bildern. 5 Aufl. Leipzig, Teubner. 12«. XIV, 397 S. M. 5,00. — 12)
39 G. Boethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV !: i3-i8.
und Lichtstrahlen ^3-15^ ung wiederum mehr oder weniger schön ausgestattet dargeboten
wurden, hebe ich hier nur die von Elisabeth von Beckendorffi") ausgewählten
„Goldenen Worte" hervor, weil gerade aus dieser Auswalil, die sich auf moderne Autoren
beschränkt und zu mehr als einem Viertel weibliche Schriftsteller, nicht aber die Ebner-
Eschenbach, borUcksiclitigt, erschreckend klar wird, wie tief wir namentlich aucii formell
herunter gekommen sind: weit überwiegend breite Trivialitäten, aucli die guten Gedanken
meist oline jede Feinheit und Schärfe der Form. Merkwürdig, wie gerade den dichtenden
Frauen der Sinn dafür fehlt! — Das bestätigt auch die von Dahms") umsichtig be-
sorgte, hübsch, wenn auch etwas eintönig, mit guten Portrait« und Faksimiles aus-
gestattete Sammlung „Germania", die von 70 modernen deutschen Dichtem Proben
bringt. Dass die Dicliter selbst diese Proben wälUten, hebt iliren Wert. Freilich, es
bestätigt sich oft genug wieder, dass der Poet seine Stärke selbst am wenigsten
kennt: wie schwache Dinge haben die Lustspieldichter L'Arronge, Moser, Schönthau
beigesteuert, wie wenig trifft z. B. auch Sudormajui die Stelle, wo er unsterblich ist!
Dass Frey tag, Riehl, F. W. Weber, Raabe, Kruse, Grisebach, Laistner, Frenzel, Sturm,
Paul und Riidolf Lindau, dass von Neueren Kirchbach, Kretzer, Liliencron, Hauptmann,
Holz unvertreten sind, das wird nicht nur die Schuld des Sammlers sein, es belündert
ihn aber ebensoselir daran, ein einigermassen zutreffendes Miniaturbild der heutigen
Diclitung zu geben, wie der Umstand, (Jass so und so viele Prosaiker es vorgezogen
haben, ilu-en Namen unter schwache Verse zu setzen. Ueberraschend ist dem aufmerk-
samen Beschauer, wie ältlich sich unsere Litteratur hier repräsentiert: nur 5 Dichter
unter vierzig Jahren, 25 über sechzig sind vertreten, und dies Verhältnis erklärt sich
nicht etwa aus der besonderen Sprödigkeit D.s gegen die poetische Jugend; sein Stand-
puiikt entspricht ziemlich genau dem unseres besten Publikums. — Dagegen hat
Leimbach i8)j von dessen breit angelegter, alphabetisch geordneter Anthologie
deutscher Dichter der Neuzeit und Gegenwart der Anfang des fünften Bandes (Knak-
Legrave) mir vorliegt, es nicht verschmäht, auch abseits von den grossen Heer-
strassen des herrschenden Geschmacks nach bemerkenswerten dichterischen Indivi-
dualitäten zu suchen. Darin liegt der unleugbare Wert seiner Sammlung; auch der
wissenschaftliche Forscher wird L. manchen nützlichen Fingerzeig danken: ist es doch
ohne solche Hilfe kaum möglich, über die unglaubliche Massenproduktion der Gegen-
wart irgend welchen Ueberblick zu gewinnen. L. verhehlt nicht die Sympathie, die er
der christlich gläubigen Dichtung entgegenbringt, und so spielen die dichtenden Pfarrer
oder Lelii-er eine sein- grosse Rolle. Aber ich rülune das sogar als ein heilsames
Gegengewicht gegen die Teilnahmslosigkeit, mit der die geistUche Poesie gewöhnlich
von den Litterarhistorikem abgethan wird. L. lässt sich durch seinen religiösen Stand-
punkt keineswegs hindern, auch Dichter zu berücksichtigen, die ihm wie der Deutsch-
amerikaner Knortz, der talentvolle Hugo Krebs, der Leipziger Polizeiarzt Kühn im Grunde
sein" unbehaglich sind; die warme Anerkennung Lagardes zumal zeigt, dass ihm eng-
herzige Orthodoxie fern liegt und er lediglich jenen fruchtbaren sittlichen Ernst ver-
langt, der für uns mit christlicher Weltanscliauung, bewusst oder unbewusst, stets in
engerem oder loserem Zusammenhange steht. Die einleitenden Charakteristiken zeigen
ein ängstlich massvolles, oft nur allzu unsicheres und traditionelles Urteil: Stümper wie
Hartwig Köhler und Hugo Lange sollten, wenn überhaupt, doch anders augefasst werden;
schwer begreife ich die Freundliclikeit, mit der auch L. eine Null wie Gustav Kühne
unter den Vertretern des Jungen Deutschlands hervorhebt; dass dem Wunderkind Eli-
sabeth Kulmann die herkömmlichen Reverenzen gemacht werden, ist verzeililicher als
das unverhältnismässige Lob, dass der Dramatiker Köberle erntet. Von der Gabe, Persönlich-
keiten scharf zu zeichnen oder gar ihren Platz in der Litteraturgeschichte zu fixieren, besitzt L.
überhaupt nichts, wie z. B. auch der Laube gewidmete Abschnitt beweist. Eine weitere
X Aus Herzens Tiefen. Empfindungen dUch. Dichter. Mit Bildern. Leipzig, Baldamus. 120. 12 S. M. 1,00. — 13) X Dichter-
grUsse. Mit 111. Stattgart, Loewe. Ißo. 24 S. M. 0,75. — 14) X Klassisches Vergissmeinnicht Lichtstrahlen n. Leitsterne
vornehmlich aus d. Sehatze d. dtsch. Litt. 7. Aufl. Bielefeld, Helmich. 32«. 378 S. Geb. M. 1,20. — 15) XX K- Knort«,
E. Weltanschauung in Citaten. Leipzig, Spohr. 223 S. M. 3,00. - 16) Elisabeth t. Beckendorf f. Goldene Worte aas
d. neueren dtsch. Litt. ges. 2. verm. Aufl. Berlin, H. W. MUllei. YII, 342 S. H. 4.00. — 17) O. Dahms, Germania, dUch.
Dichter d. Gegenw. Bild u. Wort. Her. im Anftr. d. National Exhibition As.soci«tion Ltd. Berlin, Gbr. Paetol. IV, 150 S. M. 4,00.
|[BHJ. N. 32; Gegeuw. 40, S. 190.]| (Beitrr. v. Allmers, Bauiubach, Bleibtreu, BlUthgen, Blumenthal, Bodenstedt, Dahn. Ebers, Ebner-
Eschenbach, Eckstcin,Fitger, Fontane, Franzus, Frapan, Fulda, Gensichen, Gottschall, Grosse, Groth, Heinr.u. Jul.Hart. Heiberg, Heigel,
Hertz, Heyse, Hillern, Hans Hoflfmann, Hopfen, Jensen, Jordan, Junghans, Jsolde Kurz, L'Arronge. Leixner, Lingg, Mauthner, Konr. F.
Meyer, Moser, Niemann, Perfall, Pfau, Redwitz, Bittershaus, Koborts, Rodenberg, Boquett«, Rosegger, Saar, Schack, Max.
Schmidt, Schmidt-Cabauis, Schönaich-Carolath, SchOnthan, Schubin, Schweichel, Seidel, Spielhagen, Stettenheim, Stinde, Suder-
mann, Tonipeltey, Trojan, Voss, E. Werner, Wiehert, Wilbrandt, Wildenbruch, Wolff, Ziomssen, ZoUing.) — 18) K. L. Leimbach,
D. dtsch. Dichter d. Neuzeit u. Gegenw. Biographien, Charakteristiken n. Ausw. ihrer Dichtungen. Bd. 5., Lief 1. 2. Leipzig,
Kesselring. Bd. 5, S. 1—320. Jede Lief. M. 1,50. KAZg». N. 160.]{ (Berücksichtigt ausser den im Text genannten Gast
Knak, Gotth u. Jos. Knapp, Josephine t. Knorr, F. t. Kobell, K. Koberstein, Johann, Kath. n. Harg. Koch, Henr. Kehler, Alfr.
Königsberg, Fed. t. Koppen, Friedr. KOmer, Hans u. Hugo Köster, Karl KOsting, F. A. KOthe, Koglgrnber, Wald. Kopp, Franz
Koppel-Ellfeld, Jul. Krais, R. t. Kralik, Hnr. Kremer, Job. Kreuser, Ed. Kreuzhage, Heinr. Kruse, Geo. KDchle, Frz. Kugler,
Casp. Kuhn, Rud. Eulemann, Wilh. Kunze, Auguste Kurs, Herm. Karz, Hedw. Kym, Gag. Labes, Ladw. Laistner, Karl Land-*
^
IV 1: 19-27. G. ßoethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 40
Schwäche seiner Arbeit liegt in der begreiflichen, aber sachlich ungerechtfertigten ein-
seitigen Bevorzugung der Lyrik; Romane und Novellen sind geflissentlich, wenn auch
ohne starre Konsequenz, ausgeschlossen, ich weiss nicht warum; das Drama muss sich
fast durchweg mit kvirzen, unzulänglichen Analysen begnügen; selbst das Epos bringt
es nur selten zu Proben, und unwillkürlich neigt L. dazu, diese unlyrischen Gattungen
gleichgiltiger oder nach dem Masse ihrer lyrischen Vorzüge zu beurteilen. Dass in sehr
vielen Fällen selbst grosse Bibliotheken für wichtige Werke der von L. behandelten
Dichter versagten, kann man als Entschuldigung seiner Unkenntnis nicht gelten lassen:
wer über einen Dichter schreibt, darf es nicht scheuen, ihn auch zu kaufen. Trotz all
diesen Mängeln ist dem nützlichen Unternehmen ein ungestörter Fortgang wohl zu
wünschen. 1^-20) —
Eine Sonderstellung unter den Anthologien nehmen die Almanache ein, die
einen Strauss aus den poetischen Blüten des Jahres binden und so eine Art litterarischer
Momentaufnahme darbieten. Der einstigen Ueberfülle der Almanache hatte etwa das Jahr
1848 eine Grenze gesetzt. Gern würde ich das Aufschiessen einer neuen Serie von Almanachen
begrüssen als ein Symptom dafür, dass die bald fünfzigjährige Alleinherrschaft der Hexe
Politik sich Dank der Uebersättigung, für die unsere Zeitungen sorgen, zum Ende neige
und dass eine nahe Zukunft auch poetischem Schaffen wieder wärmere Teilnahme zollen
werde. An seinen berühmtesten Ahnen knüpft der von Otto Braun 21-23)^ (Jem lang-
jährigen Redakteur der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, herausgegebene Musenalmanact
durch Verlag und Titel an; auch in ihrem Inhalt suchen die beiden bisher erschienenen
Jahrgänge, von denen uns hier der für das Jahr 1892 bestimmte zumeist angeht, den idealen
Zug unserer grossen klassischen Zeit festzuhalten. Wenn B. demgemäss modernen Naturalis-
mus streng ausschliesst, so verzichtet er freilich darauf, in uns den Eindruck stark pulsierenden
poetischen Lebens zu erwecken, und die matte Vornehmheit seines Almanachs macht sich
um so fühlbarer, als er durch eine wenig angebrachte pedantische Sortierung in einzelne
Gattungen (Prosadichtung, poetische Erzählungen, Gedichte verschiedenen Inhalts, lyrische
Dichtungen, Spruchdichtung) die bunte Mannigfaltigkeit, die den Almanach ziert, geradezu
herausredigiert. Während die Verserzählung und der Spruch durch manche bemerkens-
werte und frische Dichtung vertreten sind, ist die eigentliche Lyrik auffällig schwach
und eindruckslos geraten. Und doch ist gerade die Lyrik die stärkste Seite moderner
Dichtung. — Das lässt sich deutlich herausfühlen aus den Almanacheu 24-26)^ ^[q aus dem
jüngeren Münchener Lager Brauns ältlich würdiger Sammlung entgegengestellt wurden.
„Sommerfest" und „Modernes Leben" verraten nicht die sichere Hand des geschmack-
vollen Redakteurs: aber die empor sich schraubende Ohnmacht Conradscher Novellen,
die geistlose Widerwärtigkeit einer Panizzaschen Prosaskizze, die Talentarmut der mit-
arbeitenden Damen können doch keinen Augenblick darüber täuschen, dass sich in der
L5rrik dieser Sammelbücher stellenweise packende Kraft, ja etwas wie ein Stil offenbart,
der trotz seiner meist noch burschikosen Sinnlichkeit viel eher zum Hoffen berechtigt
als die gebildetere Form der Cottaschen Lyrik. — Sehr viel tiefer steht an Frische wie
an Form ein deutschösterreichischer Almanach 27)^ der mir ärmlich, selbst modrig er-
scheint, obgleich oder weil auch allerlei berühmte Tote wie AnzengTuber, Hammerling (!),
Meissner in der Mitarbeiterliste stehen. Es wäre übel bestellt um das poetische Leben in
Oesterreichs deutschen Gauen, wenn wirklich die schwachen Skizzen und Erzählungen,
die altmodische und banale Lyrik dieser Sammlung ein getreues Augenblicksbild gäbe.
Aber daran ist nicht zu denken. Der ungenannte Herausgeber hat bei der Auswalil
keinen glücklichen Griff gehabt, keine entschlossene Kritik geübt und obendrein, so weit
Steiner, Geo. Lang, Joh. Pet. Lange, W. Langewies che, Ad. Lassen, Rieh. Leander, Gust. Legerlotz, Agnes Le Grave.) — 19)
X F. Bachmann, Leimhach, D. dtsch. Dichter d. Neuzeit u. Gegenw.: ASNS. 86, S. 332. (Behandelt Bd. 4., Lief. 3. u. 4:
Alex. Kaufmann bis Kluckhuhn; neben durchgangigem Lobe findet B. doch G. Keller zu subjektiv beurteilt. — Zalilroiche andere
lobende Besprechungen sind auf den Umschlägen der einzelnen Hefte abgedruckt.) — 20) X (1 7 : 36.) — 21) Cottaseher Musen- Almanach
für d.J. 1891, her. r. Otto Braun. Mit 6 Kunstbeil. Stuttgart, Cotta. Gbdn. M. 6,00. |[^: DRs. Jau. 1891, S. 74; A. S chroeter:
BLU.N.49; Gegenw. 40, S.350.]| — 22) Cottaseher Musen-Almanach ftir d. J. 1892, her. v. Otto Braun. Mit 6 Kunstbeil. ebda. VIII,
310 S. Gbdn. M. 6,00. — 23> WL., Cottaseher Musen-Almanach fUr 1892: AZg». N. 266. (Sehr warme Besprechung d. Sammlung,
d. sich d. modernen poet. Sansculottismus streng enthalte u. noch d. alten Götter verehre im Sinne d. stillen Gemeinde, welche
d. Ewige, allem Zeitwechsel Entrückte im Spiegelbilde d. Poesie za schauen wünscht.) — 24) Sommerfest. E. moderner
Musen-Almanach. Mit Originalbeitrr. v. H. Bahr, 0. J. Bierbaum, J. Brand, M. G. Conrad, Marie Conrad-ßamlo, Anna
Croissant-Rust, Gust. Falke, H. v. Gumppenberg, 0. E. Hartleben, H. Heiberg, F. Held, K. Henokell, A. Holz, J. Kruse, D. Frhr.
T. Liliencron, J. H. Mackay, 0. Panizza, L. Scharf, G. Schaumberg, J. Schaumberger, J. Schlaf, Prinz E. v. Schönaich-Carolath,
R. Frhr. v. Seydlitz, M. V. Stern, F. Wedekind. Erste Reihe. München, Albert & Co. VII, 61 S. M. 1,00. |[Ad. B rieger: BLU. N. 41 ;
Gegenw. 40, S. 351. — 25) Modernes Leben. E. Sammolbuch d. MUnchner Modernen. Mit Beitrr. v 0. J. Bierbaum, J. Brand,
M. G. Conrad, Anna Croissant-Rust, Hanns v. Gumppenberg, Oskar Panizza, Ludwig Scharf, Geo. Schaumberg, Jul. Schaum-
berger, R. V. Seydlitz, Fr. Wedekind. Erste Reihe. München, Poessl. 175 S. M. 2,00. |[Ad. Brieger: BLU. N. 41.]| — 26)
XX MUnchener Kindl. E. lilt. Almanach, her. v. d. MUnchener Schriftsteller-Vereinigung „Orion". München, Höllrigl. 57 S.
M. 1,00. — 27) Aus Oesterreichs deutschen Gauen. Beitrr. v. L. Anzengruber, L. Bauernfeld, C. Emil, A. Ebner, F. Engels,
Fercher V. Steinward, A. u. L. Foglar, A. Friedmann, L Guppenberger, F. Gross, F. Hane, R. Hammerling (so !), F. Hölzlhuber, Julius
V. d. Traun, J. M. Kaiser, F. Keim, F. Lentner, J. v. Link, H. Littrow, A. Matosch, A. Meissner, J. Obrist, W. Pailler, A. Pichler,
J. Pollhammer, 0. PrechUer, P. K. Rosegger, Sacher-Masoch, E. Samhaber, F. J, Schaffer, A. Silberstein, A. v, Tschabuschnigg,
I
41 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 28-82.
ich das kontrolieren kann, die älteren Herren stark bevorzugt; gerade ein Almanach, der
von der Gegenwart und für die Gegenwart lebt, kann des jugendlichen Elementes nicht
entraten, wenn er wirken soll. —
Wenn auch ohne jede litterarische Absicht, aus persönlichen Beziehungen er-
wachsen, können Stammbücher, wenn sie aus einem interessanten Kreise hervorgehen,
dem Litterarhistoriker doch allerlei Winke geben, allerlei Material liefern, charakteristische
AntJiologien in verjüngtem Massstabe bilden. Das kleine Erbauungsbüchlein der Frau
Rat, aus dessen wesentlich von 1748 — 1751 reichenden Eintragungen Ruland^») einiges
mitteilt, kennzeichnet freilich mehr die fromme, fast pietistische Geistesrichtung der
blutjungen Besitzerin, als dasa der Inhalt und die Einzeichnenden Bemerkenswertes
böten : doch hat der Dichter Joh. Mich. v. Loen der Nichte Verse eingeschrieben, deren
gesunde Frömmigkeit von dem forcierten Pathos der Damen Klettenberg wohlthuend ab-
sticht; ein Abendmahlspruch Wolfgangs, 1765 aufgenommen, bildete nach langer Pause
den Abschluss des Büchleins. — Sehr viel ausgiebiger stellt sich das Stammbuch
Augusts von Goethe schon in Vulpius'^ö) reichhaltigen Auszügen dar. Freilich, der
Charakteristik des Besitzers dient es trotzdem weniger als das Büchlein der Gross-
mutter; höchstens als ein neues Kapitelchen in der melancholischen Geschichte von dem
kleinen Sohne des grossen Vaters kann es da gelten. Goethe schenkte den Band dem
Sohne 1800 von vornherein mit bestimmten Weisungen; er wurde anfangs lediglich den
Personen vorgelegt, die den Vater interessierten, der es zur Bereicherung seines Auto-
graphenschatzes auch auf Reisen mitnehmen Hess ; Augusts individuelle Neigimgen, seine
selbständigen Freundschaften kommen erst gegen das Ende hin ein wenig zur Geltung.
Und ebenso spürt man es den Eintragenden an, dass sie mehr an den Vater dachten als
an den Sohn: nur verschwindend wenige suchen sich der Fassungskraft des Knaben
anzupassen, wie der Göttinger Blumenbach; viele benutzen die Gelegenheit zu über-
schwänglichen Ausbrüchen der Bewunderung, die etwa den Sohn mahnen, dem Vater
es gleich zu thun: an das Blasphemische streifen z. B. die Hyperbeln Zelters. Mit Vor-
liebe entlehnt man die Worte Goethe selbst und sucht so seine Vertrautheit mit den
Werken des Dichters zu beweisen; die neu erdachten Sprüche treten dem gegenüber
bescheiden zurück. Vertreten sind die Kor3rphäen des Weimarer Hofes, der Weimarer
Gesellschaft, Göttinger, Jenaer und Haller Professoren, allerlei durch Weimar reisende
Celebritäten, auch eine Anzahl Frankfurter und Berliner Freunde des Vaters. Von selbst-
geprägten Aussprüclien sind Goethes eigene Verse längst in die Werke aufgenommen,
die Schillers bereits von Crabb Robinson publiziert; aber auch so noch bleibt ein statt-
licher Kranz von Sprüchen in Versen und Prosa, die wir hier neu kennen lernen : auch
Frau Rat und Charlotte von Stein, August Wilhelm von Schlegel und Knebel, Schleier-
macher, Steffens, Hegel, Fichte, Zach. Werner, Baggesen, Holtei, Tieck, der Kanzler
von Müller scheinen sich mit eignen Gedanken und Worten beteiligt zu haben, minder
berühmter Namen ganz zu schweigen. Dieser Reichtum war nur dadurch zu erkaufen,
dass Goethe selbst dem Stammbuch des Sohnes seine thätige, freilich auch beherrschende
Teilnahme schenkte. — Theodor Körner, dem sein Vater völhg freie Hand liess bei der
Auswahl der Eintragenden, ist demgemäss mit seinem Stammbuch in einem engen und
privaten Kreise geblieben, den uns auch Zollings^^) eingehende, fast zu eingehende
Erläuterungen nicht sonderlich interessant machen. Bergstudenten und Karlsbader Be-
kanntschaften kommen reichlich zu Worte: neben Julie Kunze und Ernst von Pfuel,
die uns beide besonders aus Kleists Leben vertraut sind, treten etwa noch Miltiz, der
Komponist der „Bergknappen", die Herzogin Dorothea von Kurland, deren Löbichauer
Musensitz auch Körner zeitweilig beherbergte und produktiv anregte, Graf Karl Friedr.
V. Gessler, Juliens Bruder Wilh. Friedr. Kunze, der Herausgeber von Körners „Zwölf
freien deutschen Gedicht «ün" unter den Beisteuernden heraus. Namen ersten Ranges kommen,
kaum vor. — Sie fehlen nicht dem Album einer österreichischen Dichterin, Elwine
Tiefenbacher (1842 — 1866), der Grillparzer 1857 weissagte, sie werde noch die Sappho
imserer Zeit. Bertha von Suttner^i), die uns eine Skizze ihres Lebens und Schaflfens
schenkt, hätte der freundschaftlich überschätzten Heldin trotzdem, schon im Gedanken
an die Karschin, diesen zweifelhaften Ehrennamen ersparen sollen, um so mehr, als die
Vorliebe der Dichterin gerade Epen, historischen Trauerspielen und ähnlichen ganz un-
sapphischen Dingen galt. Ihr Nachlass, in dem sich u. a. ein ungedrucktes Gedicht
des ihrer Familie verwandten Körner und Briefe von Schillers Tochter fanden, hat seine
Perle eben an jenem Stammbuch, das poetische und prosaische Worte namentlich öster-
reichischer Autoren birgt: GriUparzer, Hahn, Anast. Grün, Castelli, Feldmaun, Hebbel,
dieEbner-Eschenbach, ausserdem aberauch König Imd-wag, Justus Liebig, Lewin Schücking,
Gregorovius, Rückert, Marie Seebach haben avif Elwinens meist poetische Bitten hin
C. Zehden. Prag, Dominicus (Gruss). 190 S. M. 0,60. — 28) C. RuUnd, D. Stammbuch d. Frau Bat: GJb. 12, S. 175/8. —
29) W. Vulpius, D. Stammbuch v. Ä. t. Goethe mitget: DRä. 1890/91, S. 131— 45. — 30) Th. Zoiling, Th. KOraers SUmm-
bnch: Gegenw. 40, S 198-204. - 31) B er tha ?. Suttner, E. dUch. Sappho: DR. U, 232-43. 341-53. - 32) D. dtsch. Dicht»
IV 1: 33-87. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 42
beigesteuert; die eigenartig anziehende Persönlichkeit der jungen Bittstellerin hat jene
Gaben minder banal ausfallen lassen, als das bei derartig erpressten Autographen der
Fall zu sein pflegt. — Diese Anerkennung darf den deutschen Dichtern und Öchrift-
stellern, die neuerdings auf Bitten des badischen Dichters Friedrich Gessler dem Reichs-
waisenhause zu Lahr ihre Werke mit widmenden Sinnsprüchen übersendet haben, nur
zum Teil gespendet werden; es ist viel Erquältes und wenig Erhebliches in der bekannt
gemachten Auswahl 32); da es sich aber, wie wir erfahren, lediglich um eine Finanz-
operation handelt und die geschenkten Bände mitsamt ihren Widmungen und ihrem
Affektionswert möglichst teuer an den Liebhaber gebracht werden sollen, so wäre ein
Mein* der poetischen Leistung eitel Kraftvergeudung gewesen. —
Immerhin hinterlässt es ein gewisses Unbehagen, wenn wir derartige schrift-
stellerische Blütenbeete der Gegenwart am vorigen Jh. und an den ersten zwei Dritteln
des neunzehnten messen: wie Papierblumen fehlt ihnen Frische und Fruchtbarkeit. Mag
die Zahl deutscher Autoren, die Gubernatis^^) der Aufnahme in sein, über die Sphäre
des Konversationslexikons nicht herausragendes ,,Dictionnaire international des ecrivains
du jour" würdig gefanden hat, noch immer recht stattlich sein: dasselbe Unbehagen
prägt sich in all den Betrachtungen aus, die sich mit dem Zustande unserer modernen
Litteratur beschäftigen, von welchem Standpunkt es auch geschehe. Ad. Sterns 34-35)
Artikel über die deutsche Litteratur im ersten Jahressupplement des Meyerschen
Konversationslexikons bewährt, obgleich der besondere Zweck des Aufsatzes kaum mehr
als eine kurze gruppierende Aufzählung der all erneuesten litterarischen Erscheinungen
zuliess, wiederum das gesunde, geschichtlich geschulte Urteil des Vf. Er beklagt mit
Recht das Scheiden der beherrschenden, vorbildlichen Persönlichkeiten, die gar keinen
Ersatz finden: er konstatiert treffend eine gesteigerte Teilnahme für die Lyi'ik; die
bevorzugten Gattungen des Romans und Dramas entbehren wohl nicht des äusseren
Erfolges; aber diirch ihre künstlerisch untergeordnete Form wie durch ihre kurzlebig
modernen Tendenzen, die den Blick nirgend aus dem engen Kreise des zufällig be-
schränkten Augenblickshorizontes zum Menschlichen und zum Weltbilde hin lenken,
durch diese im innersten Mark sitzenden Schwächen sind sie von dauernder und tieferer
Wirkung ausgeschlossen. An der Herrschaft der Tendenz kranken zumal die Volksbühnen;
gerade das Naturalistendrama hat bei seiner Reizlosigkeit keinerlei Aussicht, popiilär zu
werden; doch giebt es wenigstens zvir litterarischen Diskussion ernsthaften Anlass.
Hübsch wird auf die dem Zeitungsbedarf entwachsene Gattung der short stories liinge-
wiesen. Bei aller Zustimmung im ganzen meine ich doch, dass ein Werk wie Suder-
manns „Frau Sorge" auch bei dieser Gelegenheit als starke und verheissungsvoUe
Schöpfung hervorgehoben werden durfte, wie mir denn S. in der geflissentlichen
Dämpfung der Werturteile zu weit geht. — Mit ihm stimmt Gnade^ß) darin überein,
dass Realismus ohne Schönheit an wahre Volkstümlichkeit nicht denken könne. Die
mächtigen Einflüsse Zolas, Ibsens und Tolstois haben allerlei alten Plunder weggefegt;
aber unserer künstlerischen Unfruchtbarkeit, Stillosigkeit und Unselbständigkeit haben
sie nicht abgeholfen, sie haben uns höchstens dahin gebracht, die Herrschaft zu
wechseln. Das Unglück der Deutschen sei ihre Bildung; ihre selbsteigene Entwicklung
werde immerfort diirch fremde Zeiten und fremde Völker durchkreuzt und gehindert.
Man sieht, die Weisheit des deutschen Sprachvereins ist von G. auf die Litteratiu* an-
gewendet. Die Geschichte lehrt gerade umgekehrt, dass der Purismus uns Deutschen
stets nur Verarmung, nicht Fruchtbarkeit gebracht hat, dass unsere ureigensten Kräfte
eben durch die geistige Berührung mit fremden Zeiten und fremden Völkern entbunden
win-den. Das hindert nicht, dass G.s Aufsatz auch die eine oder andere richtige
Bemerkung vorträgt: gewiss, nicht jeder fremde Einfluss war uns dienlich. Aber in
dieser sieghaften Allgemeinheit ausgesprochen, ist G.s Grundgedanke durchaus falsch;
mit Schlagworten löst man keine ernsthaften Probleme, und die Geschichte ist eine
unbequeme Lehrmeisterin. — Dass es aber bei der nötigen Dreistigkeit und Unwissen-
heit nicht eben schwer ist, mit ihr fertig zu werden, das lehren uns die Betrachtungen
des offenbar noch sehr jungen Socialdemokraten Paul Ernst^^) über die neueste
litterarische Richtung in Deutschland. Auf dieser grasgrünen Wiese voll blühenden
Gallimathias finden wir denn, dass der deiitsche Bourgeois mit Heine seine Rolle in der
Weltlitteratur ausgespielt und das Banausentum angefangen habe, in dessen Dienste
Gutzkow, Gottschall u. a. — so liegt in E.s Kopfe Gross und Klein wie Kraut und
Rüben dm-cheinander — unzählige Bände zusammenschrieben; sie dienten ledigHch
U.Schriftsteller u. d. Reichswaisenhausbibliothek zu Lahr : StrassbPost N.219. (Beitrr. v. Vierordt, Bltlthgen, Bodenstodt, BUchner,
Bulthaupt, Carriöre, Claar, Dahn, Ebors, Ebner-Eschonbach, Nat. v. Eschstrutli, Falb, Fitger, Fulda, Girudt, Henn. Grimm, GroBse,
Heyse, v. Jhoring, Kretzor, Lazarus, v. Leixnor, v. Liliencron, v. Lölior, Moser, Niomanu, Nordau, Oncken, Bank, Rittershaus,
Roquette, Russ, v. Scliönaich-Carolath, v. Schönthan, Schwoiehel, Stinde, v. Wildenbruoh, Zettel.) — 33) (I 1 : 54.) — 34)
(Ad. Stern), Dtsob. Litt.: MKL. 18, 1890/1, S. 186-90. — 35) X D- neuere dtsch. Litt.: Didaskalia N. 64/6. (Lediglich
e. Abdr. v. N. 34.) — 36) E. Gnade, Z. modernen Litt.: Gegonw. 40, S. 85/7, 104/7. — 37) Paul Ernst, D. neueste litt.
43 Qt. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 88-«.
einem Realismus, der als Opiat dem deutschen Spiessbürger seine Zukunft, d. h. das
rote Gespenst verbergen sollte; Zola, dessen Erfolg auf der authentischen Schilderung
der Arbeiterklasse beruhte, wirkte in Oskar Welten — welche Ehre! — und Kretzer
auch auf deutsche Autoren; aber der deutsche Schriftsteller hat ja keine Zeit und
Gelegenheit, das Leben kennen zu lernen. Die Lehre vom freien Willen stammt aus
einer Zeit, als die Litteratur noch keine Waare war und die Schriftsteller von den
„ökonomischen Beziehungen" noch nichts wussten; heute giebt es för die Litteratur
keine Persönlichkeit mehr; „sie ist gleichwertig mit dem Milieu, und das Gespräch einer
Person hat für den Schriftsteller nicht mehr Bedeutung wie das Knacken eines Stuhles".
Zu der daraus erwachsenden „Technik der Momentphotographie" bekennt sich z. B.
Hau^itmann; ihm und vielen jCuigeren Schriftstellern derselben Richtiuig geht es ähnlich
wie dem Helden von Haui)imanns erstem Drama: sie sind idealistische Vertreter der
Bourgeoisie, die sich einbilden, Socialdemokraten zu sein. Aber die Litteratur der
Zukunft wird sich aus diesen Elementen nicht entwickeln; sie wird auf ganz anderen
socialen Grundlagen aufgebaut sein. Natürlich, jenseits der grossen Kluft, die uns vom
Zukunftsstaat trennt, giebt es nur Nochniedagewesenes, das Ben Akibas Weisheit zu
Schanden macht; da fängt alles ganz funkelnagelneu, ohne jeden historischen Zusammen-
hang mit dem Früheren von vorne an. Jenseits dieser Kluft ist E. wahrscheinlich zum
Litterarhistoriker berufen; auf mein diesseitiges Verständnis wirkt sein luftiges
Konstruieren nur spasshaft. — Auch der bürgerliche Radikalismus ist ruhiger Geschichts-
auffassung nicht günstig. Li der Reihe von Skizzen, die G. Brandes^^) charakteristischen
Schöpfungen des jüngsten Deutschland gewidmet hat, offenbart sich der geistvolle Mann
allerdings in manchen feinen Bemerkungen, die der Darstellung und Kritik des künst-
lerischen Individuums gelten: der Dramatiker Sudermann moralisiert ihm zu viel,
Kretzer fehle „die Kunst der indirekten Mitteilung". Aber den Einblick in das
gesclüchtliche Werden jener Dichter und ihrer Richtung fördert B. nicht. — In dieser
Hinsicht sind sogar ein paar milde, verständige, freilich kraftlose Essais, die Frenzel^-*0)
neu hat drucken lassen, noch ergiebiger: er erweist durch billige, aber zutreffende
litterarhistorische Rückblicke, dass der heutige Naturalismus weder im Gebahren noch
im Charakter Ueben-aschendes biete, eher hinter früheren Kraftleistungen zurückbleibe.
— Einige dieser älteren litterarischen Oppositionsbewegungen skizziert Oehlke^i):
Gottsched, der Mann der Regel, wird viel weniger durch die gleichfalls theoretisierenden
Schweizer, als durch Klopstock, den Schöpfer der deutschen Sentimentalität, geschlagen,
und Lessing, der durch blinde Bewunderung an Aristoteles gebunden war und die
Poesie noch immer mit der Moral verquickte, erlag verständnislos dem regelsprengenden
Sturm und Drang, dessen Weg zur nationalen Litteratur Goethe dann freilich zur
Antike abgelenkt habe : allbekannte Dinge, in etwas tendenziös moderner Beleuchtung. —
Gerade da unser Jahrhundert unter so unerfreulichen und unsicheren geistigen
Aspekten sich zum Ende neigt, schweift der Blick gern über die brausende Flut seiner
geistigen Strömungen zurück bis in seine glorreichen Anfange. Mit unverhohlener
Sehnsucht denkt L. v. Schröder •'^^ an die Tage der verspotteten Empfindsamkeit
zuiiick, die wir gegön die sehr zweifelhaften Güter der Nervosität und der Schneidig-
keit eingetauscht haben; wie sehr die flache, hastige Bildung der Gegenwart, die sich
nie Zeit lässt zur Einkehr in Geist und Herz, uns sogar die Künste des rechten Lesens
und Schreibens geraubt hat, das illustriert er durch einen an schönen und rührenden
Zügen reichen Brief aus den Tagen, da man in Jean Paul schwelgte: ein liebevoller
Sohn schildert da mit liingebender Genauigkeit die letzten Stunden der teuren Mutter.
Lässt S. bei dem Vergleich von Einst und Jetzt nahezu allen Schatten rückhaltlos auf
die Gegenwart fallen, so sucht Eucken*^), der in einem Jenenser Rosenvortrage die
Lebensideale zu Beginn und am Schlüsse unseres Jahrhunderts kontrastiert, ruhiger
abzuwägen. Um 1800 streben die besten Menschen in schwerer und ernster Arbeit nach
der höchsten Individualbildung; sie erschaffen sich von innen heraus durch ihr künst-
lerisches Vermögen eine ideale Welt, in der sie die Fülle ihrer Kräfle frei und schöpferisch
bethätigen können; die äusseren Dinge sind ihnen gleichgiltig: sie erv^-arten alles vom
Individuum, nichts vom Staat; was aber diese zu starkem Pflichtgefühl herausgebildeten
Idealisten auch nach aussen vermochten, das musste Napoleon erfaliren. Heute dagegen
gehört unsere Thätigkeit der sichtbaren umgebenden Welt an; f\ir Phantasie ist Er-
fahrung, für subjektives Schönheitsgefühl Thatsachensinn eingetreten; selbst unser Glück
beruht in der Leistung und dem Erfolge nach aussen. So verkümmern Charaktere und
Individuen, ja die Gesellschaft: Ersatz soll die Sohdarität des menschlichen Geschickes
Richtung in Deutschland: NZeit 9, I, S. 509—19. — 38) G. Brandes, V. jüngsten Deutschland. I— YI: BerlTBl. N. 237,
250, 294, 452, 525, 571. (I. H. Sodermann als Dramatiker. II. Hauptmanns „Einsame Menschen*, ni. H. Sudennann als
Erzähler. IV. Kirchhachs „WeUfahrer". V. M. Kretier VI. F. Dörmanns .Neurotica'.l — 39) K. Frenzel, D. Dichtung
d. Zukunft (März 1887): Erinnerungen n. Strömungen. Ges. Werke Bd. I. 319-32. — 40) id.. D. Alten n. d. Jungen (Okt 1888):
ib. 333—46. — 41) (I 1 : 4S) — 42) L. t. Schroeder, Ans d. Tagen d. Empfindsamkeit: BaltMschr. 38, S. 570-88. — 43)
IV 1: 44-47. G. E-oethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 44
geben. Aber der Mensch kann doch die Innerlichkeit nicht entbehren, wenn er glück-
lich sein soll; drum presst jetzt die Besten bange Sorge, während zu des Jahrhunderts
Beginn stolze Erwartung sie beseelte. So ist E.s Ergebnis für uns nicht günstiger als
Schröders Rückblick. Die Schärfe seines Kontrastes hält freilich nicht ganz Stich;
seine Schilderung des Geisteslebens um 1800 passt etwa für Schelling, Schiller, Schleier-
macher; aber schon ein Blick auf Goethe, den umfassendsten Genius des Jahrhunderts,
mildert die Schärfe der E. sehen Gegensätze. — DieserBlick rückt freüich einen neuen Gegen-
satz ins hellste Licht, den A. Döring 4"*) betont hat. Einen führenden Geist von jenem
abgerundeten Universalismus der Bildung, wie ihn Goethe sein nannte, entbehren wir
heute schmerzlich: das ist eine Eolge des Specialismus, der das Jahrhundert beherrschte;
und so lange wir nicht eine Weltanschauung gewinnen, die auf uns eine ähnlich be-
friedigende Wirkung ausübt, wie jener Universalismus sie um 1800 übte, so lange
werden sich kleine und enge, aber energische Geister, wie die Socialisten, der Rembrandt-
deutsche, zu mehr oder minder mächtigen geistigen Souveränen emporarbeiten können.
Alle diese Erwägungen setzen nur einige Extreme in der Entwicklung unseres Jahr-
hunderts unter grelle Beleuchtung; eine umfassendere Geschichte seines geistigen Lebens,
wie sie Schmidt- Weissenf eis' 1890 IV 1 : 15 besprochenes Buch45-46) versuchte, wurde
diesmal nicht vorgelegt. —
Dagegen fand die neuere Geschichte der protestantischen Theologie abermals
eine Darstellung, die sich nur leider von dem Werke Nippolds (JBL. 1890 IV 1 : 33)
weder durch die Auffassung noch durch den scliriftstellerischen Charakter des Vf. stark
unterscheidet. Pfleiderers *'') Buch, ursprünglich (1889) für Engländer geschrieben,
in seiner deutschen Gestalt ein wenig erweitert, verzichtet noch melir als der Vor-
gänger darauf, die Entwicklung der theologischen Meinungen und Systeme in Verbindung
zu setzen mit unserer politischen und Kulturgeschichte; die SeitenbKcke Nippolds auf
die litterarischen Verbindungen, in denen seine Helden standen, fehlen hier ganz, und
selbst die Bewegungen des kirchlichen Gemeindelebens werden nur so wenig berührt
wie irgend möglich; ein theologisches System reiht sich ans andere, und nur der Reli-
gionsphilosophie wird ausserdem einige Rücksicht geschenkt. Aber gerade diese Rück-
sicht trägt nur dazu bei, den ermüdend abstrakten Ton zu verschlimmern, an dem eine
derartig isolierte Behandlung theologischer Auffassungen leiden muss. Und diese leidige
abstrakte Art stellt uns selbst die handelnden Hauptpersonen nicht leicht plastisch vor
Augen. P.s Sympathien gehören der Vermittlungstheologie, die zwischen Orthodoxie
und RationaHsmus notwendig die Brücke schlagen müsse. Aber er steht dem linken
Extrem näher als dem rechten, hat für Kants rationalistische Uebergriffe eher Ver-
ständnis als für Herders Bückeburger Mystik oder für Schleiermachers Gefiihlsromantik.
Hält man das sich gegenwärtig, so ist avis P.s rein theologischer Charakteristik Kants,
Herders und der Romantiker mancherlei zu lernen: zumal wie sich in Herders zu-
sammenfassender Intuition Spinozas Monismus, Leibniz' Theismus und gar Shaftesburys
Optimismus verbünden, das wird nach bekanntem Material, aber in einseitig-theologischer
und dadurch besonderer Beleuchtung dargestellt. Herder besitzt überhaupt P.s warme
Vorliebe: Herder vereinigt für ihn Schleiermachers und Hegels Vorzüge. Auch Schleier-
machers „Reden über die Religion" möchte er nahe zu Herder stellen, dessen geschicht-
licher Sinn freilich dem jüngeren Theologen abging, wie denn Herder über Wert und
Zeitfolge der Evangehen viel richtiger urteilte als Schleiermacher. Während P.s Be-
trachtungsweise Eichte und Schelling nicht gerecht wird, weiss sie an Hegel die Ver-
tiefung der geschichtlichen Auffassung zu rühmen, die zumal der Religionsgeschichte
zu gute kam; allerdings habe sich die dogmatistische Illusion, seine Philosophie stimme
genau zum Christentum, ebensowenig halten lassen wie seine einseitige Schätzung der
Vernunft, der die Religion im Grunde nur eine Art exoterischer Philosophie war. Ihm
wie den Rationalisten Kantscher Schule gegenüber verhalf de Wette im Anschluss an
Herder dem religiösen Gefühl zu seinem Rechte; mehr romantisch-individualistische
Elemente offenbaren sich in der erfahrungsmässigen Gefühlsbestimmtheit des gereiften
Schleiermacher, bei dem P. ausführlich verweilt; sie offenbaren sich in ihr trotz allen
Bemühungen, jene persönlichen Gefühle mit der religiösen Gemeindeerfahrung
auszugleichen. Aus der Hegeischen Linken erwachsen der nachgeborne, unhistorische
Voltaireaner Dav. Friedr. Strauss, der sich bis in einen dilettantenhaften Materialismus
herein steigert, und Ludw. Eeuerbach, der zwar in allen Göttern nur Wunschwesen des
kranken egoistischen Herzens sieht, aber daneben doch wenigstens die — religionslose —
Liebe als das Heil verkündet, während der berüchtigt konsequente Max Stirner nur noch
den Egoismus, gar keine sittliche Bedeutung des menschlichen Daseins anerkenne. Wie
B. Endcen, D. Lebensidealr «u Beginn u. am Schlnss d. 19. Jh. E. Jenenser Eosenvortr: AZg". N. 1. — 44) A. Döring,
D. geistige Signatur d. 19. Jli. : Gegenw. 40, S. 67/8. — 45) X Schmidt- Weiseenfels, D. 19. Jh. (1890 IV 1 : 15): v. Kalckstein
MHL. S. 347/8. M. O.-V.: ML. N. 5. - 46) X Bruno Gebhardt, D. 19. Jh.: Gegenw. 40, S. 26/8. (Ebenfalls über Schmidt-
Weissenfels.) — 47) 0. Pf leiderer, D. Entwickl. d. Protestant. Theologie in Deutschland seit Kant u. in Grossbritannien
45 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 4a-66.
diese theologische Junghegelei hat auch die Restauratioustheologie, als deren Haupt-
kämpen P. Claus Harms, Hengstenberg und Vilmar schildert, ihre litterarischen Gegen-
bilder, die P. leider mit keinem Worte berührt Ein Litterarhistoriker, der seiner-
seits die Solidarität der verschiedenen Strömungen unseres geistigen Lebens besser vor
Augen hat als P. und die Litteraturgeschichte nicht so auf den Isolierschemel setzt wie
dieser die Theologie, der wird an P.s Buche trotz seiner Einseitigkeit einen brauch-
baren Führer haben, namentlich an dem Abschnitte über „Die Entwicklung der dogma-
tischen Theologie"; die den idealistischen Philosophen gewidmeten Kapitel bringen nur
einzelne frappierende Schlaglichter; die „Entwicklung der biblischen und historischen
Theologie" berührt die Litteraturgeschichte wenig. Das Mass der eigenen Forschung
P.s ist wohl durchweg nicht gross ; das lag aber auch schwerlich in der Absicht des Vf.,
der für weitere Kreise schrieb. Gerade bei dieser Bestimmung nimmt es "Wunder, dass
P.s Geschichtsdarstellung so geflissentlich in den Studierstuben verweilt und sich so
ganz versagt, danach auszublicken, wie der Ertrag der gelehrten Arbeit der Gemeinde,
den breiteren Schichten des protestantischen Volkes zu gute kam und wie umgekehrt
das Bedürfnis der Gemeinde auf die Theologen zurückwirkte. P. verzichtet damit auf
jenen anziehenden und fruchtbaren Gesichtspunkt, der jeder Geschichte des deutschen
Nationalgefühls ihren eigenen Reiz verleiht. —
Die Frage der Entstehung des deutschen Nationalgefühls liegt jetzt in der
Luft; aus der starken und schmerzlichen Empfindung heraus, dass unser nationales Be-
wusstsein einmal wieder seinen Höhepunkt überschritten hat, schreibt man ihm Nekro-
loge, und auch das Jahr 1891 hat neue Beiträge gebracht (vgl. I 5:96-102). Aber nicht
gerade für die Periode speciell, mit der sich dieser Bericht beschäftigt. L6vj'-Bruhls
hübsches Buch (JBL. 1890 IV 1 : 22) fand neue Anerkennung, so von einem französischen
Landsmann*^), der es im ganzen sehr rühmt, aber den Anfangspunkt wenig glücklich findet
und jede Bedeutung des jungen Deutschland für unser Nationalbewusstsein mit Recht
leugnet, so von Egelhaaf^öj, der jedoch die Kenntnis von Pfleiderers „Leibniz" und
von Schmollers Arbeiten über Friedrichs des Grossen volkswirtschaftliches System ver-
misst. — Von Jastrows^) rühmlich bekannter „Geschichte des deutschen Einheits-
traumes" erschien eine vierte Auflage. Sie zeugt abermals von der Sorgfalt, die J.
seinem Buche andauernd widmet: überall finden sich Spuren einer feinfühligen stilisti-
schen Läuterung und Feilung, die den schriftstellerischen Wert der Schrift beständig
steigert; die grossen politischen Wandlungen, die wir seit 1888 erleben mussten, werden
jetzt neu hereingezogen, beiläufig in überraschend rosiger Beleuchtung, und von den
Gestalten der beiden ersten deutschen Kaiser erhalten wir knappe, warm getönte Bilder,
die allerdings nicht verkennen lassen, dass J.s Herz für Kaiser Friedrich besonders
lebhaft schlägt. Die litterarischen Abschnitte des Buches wurden von der Neubearbei-
tung leider nicht berührt: wenn J. in gerechter Würdigung betont, was Goethes Scliaffen
unserm nationalen Stolze in schwerster Zeit bedeutete, so hätte er jetzt wohl auch der
Rolle gedenken düi'fen, die der Dichter in der Geschiclite des Fürstenbundes spielte;
und dass der Vf. des Rheinliedes noch immer „Karl" Becker heisst, verdient wenigstens
ein leichtes Monitum. Doch das sind unerhebliche Einzelheiten. Es will mir aber
durchweg scheinen, als ob die Beachtung unseres litterarischen Lebens bei J. nicht
ganz der Bedeutung entspreche, die es für die Erfüllung unseres Einheitstraumes wirklich
besessen hat; J.s Interessen gehören eben in erster Linie der politischen Ge.schichte
des Zeitraums. —
Mit der Darstellung der politischen Geschichte haben sich, abgesehen von
neuen Auflagen älterer Werke (JBL. 1890 IV 1 : 10, 12) 51-ö4)^ namentlich die Fortsetzinigen
der bei Grote erscheinenden Weltgeschichten beschäftigt. Die kleinere ■'^) von ihnen ist
schon durch ihren beschränkten Raum, der obendrein noch durch einen reichen und gut ge-
wählten Schatz authentischer Bilder verengt wird, genötigt, sich der Kürze zu be-
fleissigen und alle irgend entbehrlichen Abschweifungen zu meiden. So hat denn
Flathe, der das 19. Jh. darstellt, zur Berücksichtigung der litteratur- und kultur-
geschichtlichen Entwicklung keinen Platz gefunden. Dagegen darf es Philippson,
der das 18. Jh. übernommen hat, nachgerühmt werden, dass er vortreflFlich verstanden
seit 1825. Freiburg i. B, Mohr. VI, 496 S. M 10,00. — 48) Ch. J., I.. L6vy-Bmhl, L'Allemagne depnis Leibnix: RCr 31.
S. 9-14. — 49) G. Egelhaaf, Deutschland seit Loibiiiz in französ. Hetrachlung: AZgB. N. 84. — 50) J. Jastrow, Gesch.
d. dtsch. EinhoitstrauiuoH u. .<<einer Erriillung. In d. Gniudünien dargest. 4. Aufl. C>ekr<tiit« Preisschrift d. Allg Vereins f.
dtsch. Litt, l^erlin, Allg. Verein f. dtsch. Litt VIIl, 400 S. M. «,00. jtWIDM. 71, S. 717 ]i — Si) X Osk. Jiger, Weltgesch.
in 4 Bdn. Bd. 3. Gesch. d. neueren Zeil. 2. Aufl. Mit 242 Abbild, u. 20 Boil. Bielefeld. Velhagen * Klasing. VII. 6f.2 S.
M. 8,00. — 52) X Ford. Schmidt. Preussens Gesch. in Wort u Bild. II. 3. Aufl. 2. Ausg. lUustr. Gesch. d preuss. .Staates
V. d. Zeit Friedrichs I. bis z Erriiht. d. dUch. Bundes. Mit 250 Text-IUustr. u. 7 Tonbild. Leipzig, Spanier. XII, 660 S.
M. 5,00. — 53-54) X H. v. Treitschke, Dtsch. Gesch. im 19. Jh 4 Tl. Bis «. Tode König Friedrich Wilhelms III. 3. Aufl.
(= .staatengesch. d. neuesten Zeit Bd. 27.) Leipzig, Hirzel. VIII. 753 S M. 10,00. — 55) AUgem. Weltgesch. V. Th. Flathe,
Gust. Hertzberg, Ferd. Justi. J. t Pflngk-Harttung, Mart Philippson. Mit kultnrhist. Abbild., Portrtts,
Bei). 11. Karten. Lief. 124—34. Berlin, Grote. 1889—91. Bd. IX: 575-765 S.; Bd. XII: 1-288 S. Jede Lief. M. 1,00; f. Nicht-
IV 1:. 66-59, G. Boethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 46
hat, im 11. Kapitel seines 7. Buches das geistige Deutschland in den letzten Jahren
Friedrichs des Grossen in knapper, aber reichhaltiger Thatsächlichkeit umsichtig und
scharf zu zeichnen: von der geschickten Auswahl des Materials kann auch der Kundige
Nutzen ziehen. Voran steht die Aufklärung im Staate (Joseph II.), in der Theologie,
der Pädagogik, der Wissenschaft; bei der Schilderung der Universitäten werden auch
die katholischen nicht übersehen; P. verweilt bei des Ingolstädter Professors Weis-
haupt Stiftung, dem Illuminatenorden, als bei einem bemerkenswerten Zeichen der Zeit,
wohl sogar länger, als es seine geringe praktische Bedeutung rechtfertigt. Die Ge-
schichtsschreiber, unter denen Joh. \. Müller seiner anspruchsvollen Künstlichkeit wegen
keine Gnade findet, und die Anfänge des politischen Zeitschriftenwesens interessieren
P. besonders. Dagegen hat er mit dem poetischen Sturm und Drang wenig Fühlung:
hier hebe ich aber ein Bild, das pathetische Portrait des 22jährigen Schiller nacli
Tischbein, hervor, das sich Könnecke leider hat entgehen lassen; Goethe wird durch
Chodowieckis philisterhaften Stich nach einer massigen Zeichnung von Kraus, die von
dem berühmten Gemälde desselben Meisters wohl zu unterscheiden ist, um so schlechter
vertreten. Wenn so P.s Werk für uns bei aller Beschränkung ergiebiger ist als der
weit ausführlichere, kaum das letzte Vierteljahrhundert umfassende letzte Band der
grossen, von Oncken geleiteten Weltgeschichte, so liegt das zum Teil an der Ver-
schiedenheit des Stoffes: Oncken s^) lässt sich in dem Schlussbande seines ungemein
aufschluss- und inhaltreichen, auch schriftstellerisch anziehenden „Zeitalters des Kaisers
Wilhelm" so ausschliesslich von der äusseren und inneren Politik seines Helden, des Fürsten
Bismarck, fesseln, dass von geistigen Strömungen nur das ernstlich in seinen Gesichts-
kreis tritt, was mit jener Politik zu thun hat: so kommt denn Schultes und DöUingers
Stellung zur päpstlichen Unfehlbarkeit, so kommt der Staatssocialismus, so kommen die
Reden Bismarcks und Moltkes im Reichstage ausgiebig zur Sprache; aber schon von der
Dichtung des grossen Krieges ist nicht mehr die Rede, die Entwicklung der modernen
Wissenschaft, die doch wahrhaftig sich auch praktisch fühlbar machte, 'wird ausser Acht
gelassen, und dass die Gestalten Richard Wagners und Gustav Frey tags in einer so
umfänglichen Erzählung unserer jüngsten Vergangenheit uns nicht begegnen, das verrät
eine so ausschliesshche Beschränkung auf die rein politische Geschichte,
wie sie gerade in einer solchen zusammenfassenden, auf grosse Leserkreise berechneten
Darstellung nicht gutgeheissen werden kann und wie sie seit Gervinus,
Mommsen und Treitschke eigentlich überwunden sein sollte. — Wer wollte z. B. das
Deutschland zur Zeit der französischen Revolution richtig schildern, ohne der gleich-
zeitigen Litteratur zu gedenken? Denn nur in ihr, nicht in äusseren politischen
Zuckungen offenbart sich der gewaltige Einfluss jenes staatlichen Erdbebens. Seine
Einwirkung, selbst auf unsere geistigen Koryphäen, ist merkwürdig verschiedenartig.
Eine gut geschriebene, wenn auch nicht reichhaltige und nur mit bekanntestem Material
arbeitende Zusammenstellung H. Vogels^'') betont, wie nicht nur die Volksstimmung
in Hamburg und am Rhein, wie auch Klopstock und Hölderlin, Joh. v. Müller, Schlözer
und Hegel den französischen Freiheitskämpfern anfangs mit einer unverhohlenen Sym-
pathie gegenüber stehen, die auch durch die blutigen Pariser Excesse nur langsam ab-
gekühlt wird, während die Weimarer Gruppe, der französische Ehrenbürger Schiller
nicht ausgenommen, sich unbeirrt zu der unpopulären Ueberzeugung bekannte, dass der
gute und schöne Mensch eher erstehen müsse als der gute und schöne Staat. — Jene
Hamburger Stimmung spiegelt sich denn auch in des Domherrn Dr. J. Lorenz Meyer
„Fragmenten aus Paris im IV. Jahr der französischen Republik", aus denen RüeggSS)
tendenziös ausgewählte Proben abdruckt: erwähnt wird da eine geschmacklose Be-
grüssung Rouget de Lisles durch Klopstock und weiter das deutsch geschriebene, aber
in Paris erscheinende Jovirnal „Der Pariser Zuschauer", das, zxir Republikanisierung Elsass-
Lothringens bestimmt, dort im Auftrag der Regierung verteilt wurde; ausser den drei
Mainzer Redakteuren arbeitete namentlich Georg Böhmer mit, dieser unerquickliche Ver-
treter des vaterlandslosen Freiheitsfanatismus, der mit Freuden das linke Rheinufer
französisch werden sah. — Aus ähnlicher Verirrung rafft sich der Rheinländer Jos. Görres
schnell und leidenschaftlich auf, in Irrtum und Umkelu' ein echter Sohn seines Volkes,
dessen nationale Selbstbesinnung Goette ^9) in seiner flotten Schilderung der deutschen
Erhebung 1807 — 1815 eingehend und anschaulich darstellt. Das Buch zeugt trotz
manchen Versehen ebenso von Wärme des Interesses wie von reicher Belesenheit;
Subscrib. M. 2,00. — 56) W. Oneken, D. Zeitalt. d. Kaisers Wilhelm. Mit Portr., lUnstr. u Beil. 2. Bd. (= Allgem. Gesch.
in Einzeldarst. her. V. W. Oncken. 4. Hauptabteilg. 6. Tl. 2. Bd.) Berlin, Grote. 1892. 1018 S. M. 22,00; gbdn. M. 25,00.
(D. ErBchoinon erstreckte sich von 1889 bis 1892; doch gehürte d. ILiuptteil d. Bds. ins J. 1891.) — 57) Herrn. Vogel,
Stimmungen u. Tendenzen'in Deutschland z. Zeit d. französ. Revolution: i^ammlerA. N. 59. - 58) K. KUogg, Tariser Spazier-
gange e. Hamburgers im J. 1796: NZeit 9, I, S. 453/9. — 59) B. Goette. D. Zeitalter d. dtsch. Erhebung 1807—15. Gotha,
F. A. Perthes. VIII, 410 S. |[Walth. Schultz e: HZ. 1893, S. 312; Wilh. Müller: BLU. N. 36; Gesellsch. S. 998 f.;
DB. 4, 126 f.; A. Chuquet: BCr. 82, S. 379t-81 (als gtschickte, wenn auch nicht fehlerfreie „vulgarisation" freundlich
47 G". Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. rv 1: eo-ea.
bringt es auch nicht die geringste selbständige Forschung, nicht die kleinste wirkliche
Bereicherung unserer Kenntnisse, so verwertet es doch geschickt manche bezeichnende
Züge, die keineswegs zum eisernen Bestand unserer populären Geschichtsschreibung ge-
hören. Freilich die klassische Kürze, die packende Gedrungenheit der Rede, mit der
TreitHchko (,,Deutsche Geschichte im 18. Jh." I, Kap. 3) Proussens Erhebung auf dem
halben Raum zu erzählen weiss, überreich dabei an neuen fruchtbaren Gesichtspunkten
und erleuchtenden Gedanken, sie darf man nicht vergleichen. G. beschränkt sich auf die
innere Geschichte der Epoche und gewinnt dadurch Platz für eine Fülle belebender
Details (so z. B. erwähnt er die germanistische Färbung des Unterrichts durch den
Weimarer Rektor Weinmann). Der sittliche Bankerott der flachen vaterlandslosen Auf-
klärung, wie .sie zumal in Berlin ihr Hauptquartier hatte, offenbart sich gerade bei G.s
Beschränkung des Thema.s in voller Schärfe: das Lob, das sich Platen für das „grosse
Berlin" in heroischer Zeit abquält, hat die mattherzige Vaterstadt der Daveson, Ephraim
und Konsorten kaum verdient. G.s eigentlicher Held ist natürlich Stein, dessen Gegner
aber doch gelegentlich zu schlecht wegkommen. Von Steins Gehilfen wird besonders
Schön gut gezeichnet; seine Beziehungen zu Kant legen in einem einzelnen Falle den
engen Zusammenhang des politischen Aufschwungs mit der geistigen Bewegung jener
Tage überzeugend bloss. Dem guten Patrioten kann die Ueberschätzung Arndts und
sogar Jahns z\i gute gehalten werden; aber den Standpunkt Goethes würdigt G. leider
kaum gerechter als jene in ihrer schönen Schwärmerei blinden Männer. Mit Recht
rühmt er den auf tiefem Verständnis deutscher Art beruhenden Griff Wilh. v. Hum-
boldts, der in den Schulen den eigentlich hinreissenden Schwung antiker Bildung für
weit wichtiger hielt als jede lediglich auf das praktische Bedürfnis zugeschnittene Er-
ziehung; denselben Schwung erkennt er in der Gründung der Universität Berlin wieder.
An ihr lehrten in Fichte und Schleiermacher die beiden Männer, die den Kampf gegen
den entnervenden politischen und religiösen Rationalismus am kräftigsten auinahmen:
sie treten demgemäss in den Vordergrund des Bildes, während Hegel und Jean Paul
zurückstehen. Manches einzelne fordert zum Widerspruch heraus: das „Werthertum",
mit dem Jean Paul in allzu enge Verbindung gebracht ist, wird anachronistisch für die
Geschicke von 180C verantwortlich gemacht; die Kunstliebe der Boisser^es ist erheblich
älter als ihre Bekanntschaft mit Friedr. Schlegel, von der G. sie ableitet; wie darf
Collins Gestalt in einem Bilde der Erhebung Oesterreichs fehlen? Und dass gerade die
Schlussbetrachtung über Goethes Faust uns eine so abscheuliche Karikatur Gretchens
zeichnet, in der G. die Verleumdungssucht, die Schmuckgier, die Unlauterkeit der ge-
samten Gattung findet, das hinterlässt einen fatalen Nachgeschmack, zu dem das fleissig
und gewandt zusammengestellte Buch sonst keinen Anlass giebt. — Von den Freiheits-
kriegen geleitet uns Biedermanns ^o) JBL. 1800 IV 1 : 14 erwähntes Werk in die Zeit
der Revolutionen. Dem Jahre 1848 gilt das populäre Buch von Stratz ö*), das über
Neapel, Frankreich und Oberitalien uns in die Berliner Märztage und die Paulskirche
führt. Die litterarischen Elemente werden in S.s knapper, tendenzlos sachlicher und
recht lesbarer Erzählung geflissentlich kaum gestreift; selbst kein Freund der damaligen
Professorenpolitik, finde ich doch, dass S.s gereizte Abneiginig gegen Dalilmanns ,, trockene
Weisheit" viel zu weit geht. Seine kurze Zusammenstellung der radikalen Parteipresse
(S. 159 f.) sei wenigstens erwähnt. Während S. noch nicht zur Schilderung der Wiener
Revolten gelangt, träumt sich ein verbissener Achtundvierziger, der bekannte Schrift-
steller L. A. Franko-), der dem heutigen Wien bitter grollt, wehmütig in jene Tage
des „edlen Wiener Bürgertums" zurück wie in eine herrliche Märchenzeit und giebt
eigene und fremde Erinnerungen zum Besten, die freilich seine Schwärmerei nicht be-
greiflicher machen. Am interessajitesten ist das Portrait, das F. von Dr. Alfr. Julius
Becher entwirft, einem schwachen Komponisten und wüsten Radikalen, dessen musika-
lische und politische Thätigkeit Grillparzer unter den gemeinsamen Begriff „höchst be-
di-ohlicher Katzenmusik" brachte. Ein Brief Lenaus, der Becher befreundet war, zeugt
von der rührenden, liebenswürdigen Sorglosigkeit dieses, freilich nicht unschuldigen,
Opfers der Diktatur Windischgrätz. Ein jmar Distichen auf grosse Musiker bewähren
den geistreichen Kritiker; Bechers TJiätigkeit als Redakteur des „Radikalen" wird von
F. nur mit zwei Worten berührt. — Die gemischten Empfindungen, die diese Revolutions-
helden im besten Falle wecken, lösen sich in ungemischtes Wohlgefallen auf gegenüber
dem prächtigen „Kriegsgedenkbuch", in dem Trojan und Lohmeyer *3) die htibschen
heiteren und ernsten Verse zusammenfässten, durch die der „Kladderadatsch" 1870/71 die
Grossthaten unseres Heeres feierte. Die Sammlung hat nicht nur Wert durch die humo-
begrUsst).]| — 60) X Brun o Gebhardt, K. niedemiann 1815—40. 2ö Jahre dUch. Gcsch : MHL. 1891. S. 347. (Frenndliches
urteil Ubor d. Work, d. o. Volksbuch sein will.) — 61) R. Stratz, D. Revolutionsereignisse d. Sommers 184^S gesell, danrest
(= D. Revolutionen d. J. 1848 u. 1849 in Europa. 2. Tl.) Heidelberg. Winter. XIT, 350. M. 6,00. |[WaIth. Seh ultze: BLU. N. 15;
Gogenw. N. 9]| — 62) L. A. Frankl, Es war einmal! Märzerinnerungen: NFPr. N. 9536. — 63) J. Trojan, J. Lohmeyer,
E. Kriegsgedenkbuch ans d. Kladderadatsch in Ernst n. Homor aus d. J. 1870/71. Vers n. Prosa. Breslan.Wiskott. o. J. 146 S. M. 2,50. —
IV 1: 64-70. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 48
ristischen Bilder der augenblicklichen Stimmung, die sie mit zuverlässiger Treue, wenn
auch ein wenig verklärt, abspiegelt; sie bietet dem Litterarhistoriker zugleich einen sehr
erheblichen Bruchteil des poetischen Ertrages jener künstlerisch erstaunlich unfrucht-
baren Tage. —
Die Helden des grossen Krieges spielen natürlich eine Hauptrolle in der Samm-
lung von Biographien ausgezeichneter deutscher Männer neuerer Zeit, die H. von
Zobeltitz '5*) mit der bestimmten Absicht geschrieben hat, der Jugend Vorbilder
schaffender eigener Kraft zu zeichnen, zugleich zum Erweise, dass ohne Religiosität,
Vaterlandsliebe, Pflichtgefühl nichts Rechtes gedeihe. Dieser pädagogische Zweck, der
auch Auswahl und Ton bestimmte, entzieht das Buch hier ernsthafterer Beurteilung.
Es kann aber gerade bei seiner Bestimmung nur gebilligt werden, dass Z. die Jugend
seines Helden liebevoll bevorzugt und dass er, soweit möglich, die eigenen Worte ihrer
Selbstbiographien reden lässt. Eine stattliche Anzahl auch von Dichtern und Gelehrten
hat Z. in seine Walhalla aufgenommen, und das schriftstellerische Verdienst wird selbst
bei Männern wie Harkort, Liebig, Moltke, Volkmann nicht vergessen, deren Hauptruhm
andern Seiten ihrer Thätigkeit entstammt. Wenn Bismarck und Ereytag fehlen, so er-
klärt sich das wohl daher, dass Z. keine Lebenden schildern wollte. Ist sein Ver-
ständnis für die darzustellenden Persönlichkeiten a^^ch nicht überall dasselbe, wie denn
z. B. Richard Wagner geradezu dilettantisch besprochen wird, so hat er doch meist
gute Quellen benutzt und vermeidet Blossen; auch der solchem Buche gebührende Enthu-
siasmus ist nicht ganz urteilslos. — Die gleiche Sorgfalt lässt sich J. Löwen bergs^^)
flüchtig zusammengestoppelter Gallerie von Dichtermüttern nicht nachsagen: die billige
Weisheit, dass grosse Dichter oft gerade ihrer Mutter die poetische Anlage und die
Pflege der Phantasie danken, wird durch die ersten besten Beispiele mit den land-
läufigsten Argumenten zum so und so vielten Male bewiesen: der unvermeidlichen Erau
Rat, die den Reigen natürlich eröffnet, werden gleich die wenig beweiskräftigen Mütter
Schillers, Herders und Bürgers an die Seite gestellt; das Unzulängliche und Zufällige
seiner Kenntnisse nötigt L., wahllos auch ganz nichtssagende Allgemeinheiten und
gleichgiltige Zeugnisse als Stützen einer These vorzutragen, die, verständig gefasst, nie-
mand bestreiten wird. ^6^ —
Der Ueberblick über diese litterarhistorischen und geschichthchen Arbeiten
allgemeineren Charakters hat des Erheblichen wenig ergeben. Sehr viel günstiger stellt
sich für unsere Periode, gemäss dem Specialismns, der uns beherrscht, der Ertrag des
Jahres 1891 dar, sowie wir auf das Gebiet der monographischen Eorschung und Dar-
stellung weiterschreiten. Die Bedeutung der preussischen Könige 6'') für unsere
Litteratur ist viel bestritten: dass die ihnen neuerdings gewidmeten Arbeiten auch der
Litteraturgeschichte Erucht getragen haben, kann nicht bestritten werden. Allerdings
hat uns die reiche Litteratur über Friedrich den Grossen 6^) diesmal mit einer Schrift
verschont, die das unendlich abgedroschene Thema seiner Beziehung zur deutschen
Litteratur abermals ohne neues Material und ohne neue Gesichtspunkte verarbeitete wie
Berger das noch im vorigen Jahre (JBL. 1890 IV 1 : 103) that, dessen Buch übrigens
auch von H. Eechner^ö) abgelehnt wurde, weil es das Thema nicht entfernt erledige
und zu äusserlich fasse, das Verhältnis des Eridericianischen zum deutschen Geiste,
zur klassischen Poesie kaum streife. — Dafür lassen uns die beiden neuen Lieferungen
des grossen Werkes von Koser ''O) (JBL. 1890 IV 1 : 98), da sie die Eriedenszeit vor
dem siebenjährigen Kriege behandeln, in Eriedrichs schriftstellerische Arbeiten, in die
produktive Gedankenfülle, mit der er unsere geistige Entwicklung bereichert hat, bei
den verschiedensten Gelegenheiten Einblicke thun. Die poetischen Episteln „Apologie
der Könige" und „Epitre k mon esprit", in denen er zugleich ein satirisches und
schwungvolles Bild des königlichen Berufes zeichnet, werden analysiert (S. 311/3); sein
Einfluss auf die Hebung von Handel und Industrie wird eingehend dargestellt, besonders
gründlich aber die Entwicklung der Rechtspflege erörtert, die in dieser Periode unter
dem massgebenden Einfluss Coccejis vor sich geht. Eriedrich überschätzte, wie seine
ganze Zeit, die codificatorische Arbeit seines Tribonian, der viel zu abhängig war vom
64) H. V. Zobeltitz, 30 Lebensbilder dtsch. Männer aus neuerer Zeit. Bielefeld, Velhagen & Klasing. VI, 441 S. M. 7,00.
(U. a. Biographien von Cornelius, Droyson, Geibel, Gerok, Harkort, Kohlrausch, Liebig, Moltke, Bänke, Rietschel, Schliemann,
Storm, Volkmann, Rieh. Wagner.) — 65) J. Löwenberg, DichtermUtter: VZgs- N. 10/1. (D. Mütter Goethes, Schillers,
Herders, NoTalis', Borgers, Lenaus, Heines, Zach. Werners, Kemers, Byrons. Lamartines.) — 66) X Frau v. Binzer f: SchwabMerkur
N. 35. (Kurzer Nekrolog d. Gattin d. bekannten burschenschaftlichen Dichters.) — 67) O XX R- Tieffenbach, Preussen
in entscheidenden Epochen s. Entwicklung unter d. Grossen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, unter König Friedrich d. Gr. u.
unter Kaiser Wilhelm L Drei Festreden. Berlin, Gärtner. 102 S. M. 2,00. — 68) X C. A. Buchhoim, Beckers Friedrich d.
Gr. with an historical introduction, genealogical and chronological tables, a map and copious index. Second rovised edition.
(= German classica cd. by C. A. Buch he im. Vol. IX.) Oxford, Clarendon Press.' 1889. XXXII, 176 S. (Ans Beckers bekannter
Woltgesch. wird d. Abschnitt über Friedrich d. Gr. Übersetzt u. für engl. Leser erklärt; d. einleitenden Abschnitte Über Beckers
Werk u. über d. gesch. Bedeutung Friedrichs sind sauber u. verständig gearbeitet, ohne doch irgend etwas Neues zu bieten.) — 69) H.
Fechner, Berger, Friedrich d. Gr. u. d. dtsch. Litt.: HZ. 67, S. 92/4. (Vgl. auch Muncker: LBlGRPh. 12, S. 401.) —
70) R. Koser, König Friedrich d. Gr. Lief. 5-6. (= Bibl. dtsch. Gesch. Lief. 59, 73.) S. 295—454. Stuttgart, Cotta. Jo 1 M.
40 O. Roethe, AUgomeines des 18.19. Jahrhundert«. IV \: iiw.
n>tiiis(lioii Rocht und sich dazu in ninom kaum vorfitändhchon technischon Deutsch
getiol; Friedrich stoUto unter ('occojis F'infiwHH die preussische Rochtspfiego nidit nur
unahhiiiigig vom Gutacliten der Fakultäten, sondern sogar mit seltenen Ausnahmen von
allen Eingriffen der Krone. Aber auf seine eignen Gedanken verzichtete er darum
nicht. Sein Ahriss ühor die Aufgaben der Gesetzgebung vom Jahre 174i), dessen Ver-
hältnis zu M()ntes«iuieus „Esprit des lois" K. in grossen Zügen darlegt, zeigt zwar in
den historischen ]5einerkungen entschiedene Mängel, voirät aber in seinen Vorschlägen
zur Ress(!rung d<^s St.rafrcchts ein gesundes Laionurtcil, das, inibeirrt durch die Vor-
urteile der Ji(n'nfsjnrist,en, für glückliche Neuerungen eintritt, die inzwischen sich be-
währt haben. — Rekanntlich hat der K()nig nach (Joccejis Tode in einem berühmttiu Falle
seine' strenge Zurückhaltung aufgegeben inid mit .seinem Laienurteil scharf eingegriffen
in die unzweifcilhaft unparteiischen Beschlüsse seines Kamraorgerichts. Dieser Ein-
griflt' in den Prozess des Müllers Arnold ist viel gescholten worden: Dickeis "-''^)
ungemein klare Nachprüfung, die auf einem Studium der Akten beruht, wie
es so solide weder der König noch die Richter damals vornahmen, beweist
jedenfalls, dass das richterliche Urteil sich arge Blossen gab und auf einem
unfruchtbaren Formalismus beruhte, dem gegenüber der königliche Laie sittlich im Rechte
war; es ist chai-akteristisch, dass gerade der Fall Arnold dem befreienden Geiste (yarmers
zu dem gebührenden Einflüsse verhalf. Auch in der Rechtspflege steht der Sohn auf
den Schultern des Vaters: die sittliche Unantastbarkeit seiner Richter hatte schon
Friedrich Wilhelm I. erkämpft; Friedrich sucht ihnen jenes naive Rechisgefühl ein-
zuhauchen, das den juristischen Formalismus überwindet. — Die hohe Bedeutung des
Vaters für die Erfolge des Sohnes ist inzwischen auch der französischen Geschichts-
schreibung aufgegangen, die von jeher gew()hnt war, den roi corporal als brutalen
Bauern achselzuckend abzutlmn. Lavisses "•'"'''*) „Jugend Friedrichs des Grossen" bringt
Friedrich Wilhelm geradezu eine gewisse Sympathie entgegen: unterscheidet sich ihm
doch der Sohn vom Vater wesentlich „par le mepris de toute loi divine ou humaine".
An karikierenden Zügen fehlt es freilich auch hier nicht. Aber das liegt an den Quellen,
die L. bevorzugt. Dem Thema nach deckt sich das französische Werk ungefähr mit
Kosers „Friedrich der Grosse als Kronprinz", dem L. sein Material zum besten Teile
dankt; nur schliesst er schon mit der Hochzeit, also noch vor der Rheinsberger Periode
ab. Während aber Koser mit vorsichtiger und entsagender Kritik alle zweifelhafter!
Berichte sauber ausscheidet, zieht der Franzose mit sichtlicher Freude am anekdotisch
Pikanton sogar die skandalsüchtigon Memoiren der Markgräfin Wilhelmine ausgiebig
heran; auch die franz()sischcn Gesandtschaftsberichte, deren Aiisnutzung einige wenige
neiien Details zu Kosers erscli()pfender Darstellung beisteuert, huldigen einem ähidichen
Triebe zur Anekdote. Den schriftstellerischen Effekt des vortrefflich geschriebenen Buches
erlu")hen diese klatschfreudigen Quellen allerdings. Gern verweilt L. bei den fran-
zösischen Einflüssen, denen Friedrichs Erziehung unterlag, zumal bei Jacques Egide
Duhan, auch damit der nationalen Eitelkeit schmeichelnd, die einen seiner französischen
Beurteiler, Docrue '•">), gar veranlasste, das französische Blut in Friedrichs Adern nach-
zurechnen. Bemerkenswerter ist wohl das abfällige Urteil, das L. über Friedrichs fran-
zösische Jugendpoesien, zumal über die Liebesgedichte an Frau Oberst v. Wreech auf
Tamsel fällt. Davon können wir lernen; sonst bringt L. trotz allem umsichtigen Fleiss
bei weitem nicht so viel des Neuen, wie landsmännische Kritiker, z. B. Rarabaud'^),
gern behaupten. Immerhin ist es erfreulich, dass L. seine biographische Arbeit fort-
zusetzen scheint: seine anschaxdiche Skizze '''7) der kurzen Neuruppiner Periode, in der
sich der Kronprinz ein Ideal des juste miliexi herausgebildet habe, weist allertlings ein
paar böse Missverständnisse der deutschen Verse auf, die Friedrich auf seinem ersten
Feldzuge wagte. Schon sie zeigen die knappe, ungehobelte Derbheit, die Friedrichs
deutscher Rede immer ihr Gepräge verleiht. — Diese Eigenschaft zu studieren, bot der
18. Band seiner politischen Kon'espondenz'^) der das verdriessliche, verzettelte, nirgends
gedeihliche Kriegsjahr 1759 umfasst, namentlich in den ärgerlichen Briefen an den un-
glücklichen, langsam fassenden und ausführenden Generalmajor von Wobersnow Ge-
legenheit, dem gegenüber bis zu seinem Soldatentode bei Kay der König einen statt-
liclien Reichtum an kräftigen Bildeni und urwüchsigen Grobheiten loslässt: schade, dass
die orthographische Modernisienmg der deutschen Briefe in Naudes Ausgabe den Eindruck
— 71) K. Dickel, Beitrr. t. prenss. Rechte fOr Studietondo d. Rererpndare. 1. Heft: Friedr. d. Gr. o. d. ProcsAse d. Maliers
Arnold. Marburg, Elirhardt. Y, 147 S. M. 3,00. [[G. Winter: HLÜ. N. iO.]\ — 72) G. Winter, Nochmals
MllUfir Arnold: AZgn. N. 277. (Eingehendes Ref. v. N. 71.) — 73) E. Lavisse, La Jeanesse du Graad Fr^diric. Paris,
Hachotto ts Co. XVI, 411 S. — 74) A. Nnud#, E. neues französ. Werk t. prouss. Gesch.: DBs. 1891/2, 1, S. 1.58-60.
(Warmn Anerkonnung v. N. 73, mehr um d. Darstellung, als um d. Neuforschung willen; d. franzOs. Oesandtschaftsberichte »eien Uber-
scliUtzt; d. ornste Historilcpr wehre d. chauvinistischen Fr.inr.osen meist ab.) — 75) F. Decrue, Lavisse, La jeunesse du Grand
Fr6d6ric: RCr. 32, N. 28. — 76) A. Rambaud, IVre et fils: RPL. 47, S. 2G9— 77. (Ref. Ober N. 73.) — 77) E. Lavisse.
Le gr»i>d Fr^döric avant l'Hyenement, le s^jour ik Neu-Ruppin: RDM. 108, S. 882—916. — 78) Polit Eorrospondenz Friedricka
JkhresberioLte fUr neuere deutsche Lilleraturgesckickte II t2i. ^
IV 1: 79-83. G. Eoethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 50
abschwächt. Der Schwung des Krieges tönt nur französisch aus: dem Landgrafen von
Hessen-Cassel dankt Friedrich emphatisch, dass er für ,,la bonne cause de la liberte
germanique et de la patrie si fort ebranlee" streite; französisch gelingt ihm die gewinnende
Phrase, „im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist". — Gerade in diesen schweren Jahren
entwickelt sich der Typus des alten Fritz, der volkstümlich wurde und zumal durch
Rauch und Menzel uns allen ans Herz gewachsen ist. Aus von Taysens ''9) sehr dankens-
werter, mit vielen Bildern geschmückter Arbeit über die äiissere Erscheinung des Königs
gewinnen wir jetzt einen bequemen Ueberblick über die Wandlungen namentlich seines
Gesichtes: ich bedaure, dass T. das ohnehin bei der Abneigung Friedrichs gegen
„Sitzungen" nur geringe Material nicht vollständiger publiziert hat : zwischen Georgis noch
jugendlichem Medaillon von 1757 und dem ältlich aussehenden Bilde von Ziesenis 1771
fehlen die Mittelstufen vollständig, so dass ich doch Glumes Bild von 1759 vermisse.
Gerne hätte ich die an sich instruktiven Porträts königlicher Verwandten in den Kauf
gegeben für noch erschöpfendere Reproduktion der Bilder Friedrichs selbst. Aber das
ist eine Frage der Ausstattung: T.s Forschung weist diese Lücken nicht auf. Von dem
durch Knobelsdorflf und Pesne fixierten Jugendtypus bis zu der wundervollen, an Moltke
gemahnenden, aber doch noch bedeutenderen Totenmaske geleitet er uns kundig über
Büsten, Bilder, Münzen und auch Berichte hin; nur diese werden den milden, schönen,
sonnenhellen Augen gerecht, die auf den Bildern nirgend den rechten Eindruck machen.
Auch die Kleidung wird erwogen: mit Recht! Gehört doch z. B. der Krückstock zu
den unentbehrlichen Attributen des echten alten Fritzen, wie er noch heute im Ge-
dächtnis des Volkes lebt. — So ist es natürlich nicht immer gewesen. Die munteren,
siegesfreudigen Kriegslieder, die der brave Musketier Dominicus im Anhange zu seinem
von Kerl er 80-81) veröffentlichten wortkargen, aber zuverlässigen Tagebuch aufgezeichnet
hat und von denen nur zwei schon früher in Ditfurths Historischen VolksHedern
pubHziert waren, betonen noch stark das Heroische seiner Art: gleich das erste „Ein
edler Held" gefällt sich noch in dem steifen Pomp, der aus dem 17. Jh. ererbt war;
ebenso die gespreizte „Carmina" N. 7. Aber freilich, schon 1758 heisst er ein „Vatter
der Soltaden" (N. 9, vgl. N. 4), und die vertraulich humoristische Beleuchtung, in
die er später dem Volksbewusstsein gerückt ist, bereitet sich schon in den durch
Rossbach veranlassten Liedern (N. 3, 5) vor. Der kriegerische Preussenstolz, der
Friedrichs Leute beseelt, kann gar nicht greller gezeigt werden als durch einen Ver-
gleich der kampfesfrohen Preussenlieder (N. 4, 6, 8) mit der friedfertigen sächsischen
Lamentation, mit der Dominicus seine kleine Sammlung beschliesst. Der treifliche
Soldat (geboren 1731 in Harhausen bei Gummersbach) zeigt uns in seiner Persönlichkeit
Friedrichs Armee von der besten Seite: früherer Kaufmann aus gut bürgerlicher
Familie, ein fleissiger, zuverlässiger, frommer Mann, der sich in aller Not durch
protestantische Kernlieder zu trösten weiss, dem Kriegshandwerk innerlich abhold,
bleibt er trotz Strapazen und langer Gefangenschaft mit tiefem Pflichtgefühl seiner
militärischen Stellung und seinem Könige auch nach dem Kiiege bis zum Tode (1775)
treu; in ihm kündigt sich schon jener aufopfernde, vaterländische Sinn an, der sonst
den geworbenen Heeren jener Tage so empfindlich abgeht; auch das eine Wirkung der
grossen, heldenhaften und doch vertrauten Gestalt des königlichen Führers. Koser
bemerkt (s. o. N. 70, S. 392/4), wie gerade in dem neuerworbenen Schlesien, in dem
man an die prunkvolle, ceremoniöse Grandezza der österreichischen Standesherren
gewöhnt war, die unerhörte schlichte Leutseligkeit des Hohenzollern ihn dem Volke
fast ziu- legendarischen Gestalt machte. — Die Beispiele, die Koser anführt, halten sich
noch im Kreise der historischen Sage. Aber ganz in märchenhafte Beleuchtung ist der
König gerückt in einigen der pommerschen Volksmärchen (N. 23— 31), die U. Jahn 82-83)
gesammelt hat. Ein zweiter Harun al Raschid lernt Friedrich im Inkognito erkennen,
dass nicht die kleinen Leute ihn betrügen, nur die grossen Herren, dass Treue und
Tüchtigkeit bei der Armut wohnt. Uralte Spässe, wie der vom Kaiser und vom Abt
(N. 27), der von der abgetretenen Belohnung, die sich als Prügel entpuppt (N. 24, 25),
werden auf den König übertragen, und auch eine Sage wie die von Karl und Elegast
wird von ihm erzählt. Die Verkleidung bringt ihn nicht selten in Gefahr,
trägt ihm wohl gar Schläge ein, und der Schlachtenheld zeigt in prekärer Lage selbst
Anwandlungen von Feigheit. Das Volk behandelt seinen Liebling eben oline feierlichen
Respekt, mit der vertraulichen Zuneigung, die kleine Schwächen an dem geliebten
Gegenstande geradezu braucht, um recht von Herzen warm werden zu können. — Die
Extreme berühren sich: mit dem gemeinen Mann und mit seinen französischen Beiesprits
d. Gr. 18. Bd. Berlin, A. Duncker. 776 S. M. 20,00. — 79) A. v. Taysen, D. äussere Erscheinung Friedrichs d. Gr. u. d.
nächsten Angehörigen seines Hauses. Mit Bildn. in Photogravure, Lichtdruck u. Holzschnitt. Berlin, Mittler & Sohn. 4".
CO S. M. 6,00. |[LCB1. S. 1309.11 — 80) Aus d. 7j. Krieg. Tagebuch d. preuss. Musketiers Dominicus. Nebst ungedr. Kriegs-
n. Soldatenliedern her. v. D. Kerler. MUnchen, Beck. XVI, 125 S. M. 2,25. |[Walth. Schnitze: BLU. N. 12.]| -
81) X A. V. Kluckhohn, Aus d. 7j. Kriege: AZgB, n. 112. (Bericht über N. 81.) - 82) (15 : 242.) — 83) X ^- Ö., Friedrich d.
51 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV l: m-b».
uiitorliiolt sicli der König am liebsten; die Gefährten seiner Siege, die Generäle, waren
'Ml nuniter bciwegtem Gespräch nicht einmal bei Tische brauchbar. So berichtet uns
d'Alembort, aus dessen neuerdings durch G. Maugras edierten Briefen an seine
Cousine Mademoiselle de Lespinasso (10. Juni — 3. Sept. 1763) Larue ®*) Auszüge
f?iel)t. In diesen durcliaus vertraulichen Briefen spricht d'Alembert mit unbegrenzter
Vcrelirung vom K(")nig, dessen Freundschaft ihn tief rührt; er kann Paris nicht entbehren,
sonst nälime er gern die ihm durch kcniigliche Gnade verheisseno Stellung des Akademie-
präsidenten an, zumal ihm die Akademie, in ihr vor allem Euler, sehr wohl gefallt. —
d'Alembort hat dinch Lauterkeit und Takt Erfahrungen vermieden, wie sie sich der
minder würdige Günstling Voltaire selbst zugezogen hat. Seine berühmte Gefangenschaft
zu Frankfurt 1753, die bisher lediglich aus Vamhagens Darstellung im „Berliner
Kalender" von 1840 bekannt war, schildert R. Jungks) nach den Akt«n des Frankfurter
Stadtarchivs. Die feige Unterwürfigkeit des kleinen Reichsstandes vor dem grossen,
die ungeschickte, zugleich barsche und ängstliche Art der preussischen Residenten in
Frankfurt hat Voltaire in eine Flut langwieriger, von Friedrich nicht beabsichtigter
Chikanen und Belästigungen getaucht, während der König nur gewünscht hatte, dass
man dem Unzuverlässigen den Kammerhermschlüssel, den Orden pour le m^rite, die
königlichen Briefe und vor allem seine ganz vertrauten „Oeuvres de po^sie" abnehme.
— Eines anderen gefallenen Günstlings Biographie skizziert Fisch ^) kurz und ohne
viel Ftirderung. Jak. Friedr. Bielefeld zog schon als Sprecher der Loge die Auf-
merksamkeit des Kronprinzen auf sich, als er an dessen Aufnahme in den Freimaurer-
orden zu Braunschweig teilnahm; der König wies dem gewandten Litteraten zwar
nur eine ziemlich subalterne diplomatische Stellung zu, verwendete ihn aber gern zu
deutschen Gelegenlieitsdichtungen, so zu der Strohkranzrede auf der Hochzeit des
Prinzen Wilhelm. Bielefeld wetteiferte im Lustspiel („Die Beschwerlichkeiten des Hofes")
sogar siegreich mit d'Argens. Ein privater gelehrter Kreis, in dem Bielefeld eine Rolle
spielte, wurde 1744 vom König mit der „Akademie der Wissenschaften und freien Künste"
verschmolzen. Bis zum Freiherrn und Geheimrat aufgestiegen, fällt Bielefeld um 1750
aus unbekannten Gründen in Ungnade, ohne dass er darum aufhört, Bewunderer und
Parteigänger des Königs zu sein. Erhebt sich seine mannigfaltige, politische und
belletristische, fi-anzösische und deutsche Schriftstellerei , die u. a. auch eine deutsche
Wochenschrift und deutsche Lustspiele aufweist, auch nirgends über das Diirchschnitts-
niveau billiger Aufklärung, so hätte der neue ,,Goedeke" den Mann doch nicht vergessen
sollen. — Eine kurze Unterredung, die Friedrich 17()0 mit einem anderen deutschen
Gelehrten, dem trefflichen Gräcisten und bahnbrechenden Arabisten Job. Jakob Reisko
hatte, rückte Rieh. Förster ^7) in den Mittelpunkt einer Schilderung dieses aufopfern-
den, diirch eigenes Ungeschick, mehr aber durch die Missgunst der massgebenden
Professoren verdüsterten Gelehrtenlebens. Jenes, wohl durch Reiskes Studienfreund
(iuintus Icilius vermittelte Gespräch, in dem der König dem Phüologen durch seine
überraschende Orientiortheit auch auf seinem Gebiete imponierte, bildete nächst der
Liebe der Gattin und der Freimdschaft Lessings einen der wenigen Lichtblicke in
Reiskes arbeit- und kummerreichem Leben. Haupts Vermutung, ihn habe Friedrich
unter dem professeur de grec verstanden, dessen jugement et goüt er der Herzogin
Louise von Sachsen-Gotha rühmt, weist F. mit Recht ab; dieses oft erwähnte Muster-
exemplar des deutschen Professors ist immer wieder Geliert, der es verstanden hatte,
dem König bequem ein paar neue brauchbare Gesichtspunkte zugänglich zu machen. —
Denn durch das naive persönliche Bedürfnis wird Friedrichs Verhältnis nicht nur zu
den Gelehrten, auch zu Wissenschaft und Kunst ausschliesslich bestimmt; was sich
diesem Bedürfnis nicht willig und leicht fügt, ist für ihn nicht vorhanden. Dies persön-
liche Element zeigt sich auf den verschiedensten Gebieten. Der königliche Architekt,
den Gurlitt^S) energisch gegen die bornierte und subalterne Mäkelei Mangers und
seines Geistesgenossen Nicolai in Schutz nimmt, baute als echter Bauherr ganz nach
seinem individuellen Bedarf, wenn auch im Anschluss an die klassizistischen Pariser
Baurogeln, deren trockne Korrektheit er durch einige Entlehnungen aus dem Dresdener
Barockstil sich geniessbarer machte. Wie sich hierin sein deutsches Empfinden von
der nüchternen französischen Strenge emanzipiert, ebenso lässt er später englische Ein-
flüsse gotischen Stils auf sich wirken, zur grossen Befremdung seiner Baumeister. Feldt
ihm aucli das Vertrauen zur deutschen Erfindungskraft, so dass er überall kopieren
lässt (besonders oft, auch im Privatbau, Palladio), so scheut er sich doch nicht, selbst
unbefangen gegen alle zünftigen Vorurteile und Systeme zu Verstössen, wo ihm das
Gr. in VolksmSrchen: AZgB. N. 80. (Analyse d. unter N. 82 besprochenen MSrchen.) — 841 E- Larue, d'Alembert Ober
Friedricli d. Gr.: Zeitgeist N. 19. — 85) R. Jung, Voltaires Verhaftung in Frankfurt a.'M. auf Befehl Friedrichs d. Gr.(1753):
AFrankfurtQ. III. F. 3, S. 217-37. — 86) R. Fisch, E. Hoflitterat Friedrichs d. Gr.: VZgS. N. 51/2. — 87) Bich. Förster,
Joh. Jak. Reiske u. Friedrich d. Gr. Aus e. z. Feier d. Geburtstages d. Kaisers am 27. Jan. geh. Rede. (Auch als S.-A.
erschienen. Breslau, Trewendt. M. 0,40.): DR. U, 354-67. — 88) C. Ourlitt, Friedrich d. Gr. als Architekt: WIDM. 60,
4«
IV 1: 89-92 G. Roethe, Allgemeines des 18./19- Jahrhunderts. 52
praktisch oder ästhetisch sich empfahl. — Genau so steht es mit Friedrichs Philosophie,
wie H. Fechner^ö) gie überzeugend, nur in allzu scharf zugespitztem Aufbau, entwickelt.
Auch sie ist kein konsequentes, ergrübeltes System, sondern erwachsen aus Erfahrung
und Bedürfnis. Gegen alle Hohenzollerntradition bricht Friedrich, schon bevor die
Wolifsche Philosophie ihm 1736 die schulmässigen Gründe dazu an die Hand giebt, mit
dem Christentum, weil es ihm die aus unwürdiger Jugendbehandlung erwachsene Nach-
sicht gegen die eigenen Schwächen, weil es ihm vor allem die Ruhmsucht wehrt und
mit seiner passiven Sittenlehre nicht zu der grossen Lebensaufgabe zu stimmen schien,
die Friedrich sich schon 1730 zum Ziele setzte, die Grösse und Freiheit Preussens
k tout prix. Der Determinismus gestattete ihm, an Stelle des an und für sich Guten
das Zweckmässige anzustreben; da aber von diesem ethischen Standpunkt aus Irrtum
und moralische Verschuldung etwa auf derselben Stufe stehen, so erwuchs gerade aus
dieser Wurzel eine entschiedene Unsicherheit seines Handelns. Für seine Staatsraison
war die Lehre vom zureichenden Grunde, wie er sie in den „Considerations sur l'etat
present du corps politique de l'Eiirope" und in der „Refutation du prince Machiavel"
auf die Politik anwendet, ein unschätzbares Mittel, um die verwickeltsten politischen
Knoten mit dem Schwerte durchhauen zu dürfen. Diese Philosophie beschwichtigt
in der Staatskunst störende Skrupel. Mit dem Christentum fiel ihm natürlich auch der
Glaube an Unsterblichkeit und Vorsehung. Aber Friedrich ist nicht konsequent, er ist
auch als Philosoph praktisch und individuell. So lässt er für die Privatmoral das
Christentum gelten ; er vertritt den Materialisten gegenüber die Willensfreiheit, und seine
Ideengänge kommen von dem leitenden Gotte nicht los; wo die Philosophie nicht aus-
reicht, zumal in passiven Seelenzuständen, da gewinnt das Christentum, das ihm mitten
in der politischen Aktion unbequem ist, wieder Macht über ihn; vor allem sein unbe-
grenztes Pflichtgefühl, das er selbst freilich aus der Philosophie ableitet, ist von köstlich-
christlichem Inhalte ganz erfüllt. Friedrichs stark negative Philosophie ist entstanden
unter dem Drucke praktischer und geschichtlicher Notwendigkeit und hat unzweifelhaft
den königlichen Denker für die unmittelbaren Bedürfnisse des Lebens geschult; aber
sie war eine unübertragbare, ausschliesslich individuelle Privatphilosophie, in der der
Hass gegen das Christentum im Grunde auf Selbsttäuschung beruhte. — Dieser bekannte
Hass des Königs machte es möglich, dass man ihm de la Serres anstössige „Pensees
sur la religion" zuschrieb: ihretwegen Hess, wie Thommen^o) als Curiosum berichtet,
die Baseler Universitätscensur 1789 den 12. Band der bei Legrand und Thurneysen in
Basel kritiklos zusammengedruckten „Oeuvres posthumes" Friedrichs in allen erreichbaren
Exemplaren verbrennen. — Wie endlich auch die Geschichtsforschung und -Schreibung
in Friedrichs Händen einen stark persönlichen Charakter annimmt, ist bekannt. Für
die 1775 von ihm vorgenommene Redaktion der ,,Histoire de mon temps" weist Wie de-
mann^^) nachträgliche Benutzung einer 1742/3 verfassten Ausarbeitung über die Ge-
schichte des ersten schlesischen Krieges nach; er stützt sich dabei wesentlich auf ein
Fragment jener Ausarbeitung, das sich in Voltaires Memoiren (Oeuvres ed. Beuchot
11, S. 58) erhalten hat. —
Friedrichs Nachfolger, Friedrich Wilhelm IL, anfangs begeistert begrüsst,
geriet mit dem wachsenden Einfluss der Clique Wöllner und Bischofswerder in das
scharfe Feuer einer umfänglichen oppositionellen Broschürenlitteratur. Diese Broschüren,
zum Teil erwachsen aus den geschriebenen Bulletins, die damals den politischen Klatsch
in Ermangelung der heutigen Zeitungen vertrieben, hat Reiche ^2) einer auch litterar-
historisch interessierenden Besprechung unterzogen, die zwar auf tiefer dringende Forschung
verzichtet, aber durch eine schnelle, charakterisierende Uebersicht bequem orientiert.
Schon 1787 eröffnen die von dem zurückgesetzten und verbitterten Geheimen Rat
V. Borcke verfassten „Geheimen Briefe über die preussische Staatsverfassung" diese
Plänkeleien, ein scharf kritischer Bericht, der briefweise die Ereignisse je mehrerer
Wochen zusammenfasst, aber den eigentlichen Klatsch meidet und überall Kenntnis der
Verhältnisse zeigt. Dagegen hat die, jedenfalls ohne Anteil Borckes, 1788 erschienene
französische Uebersetzung seiner „Briefe", die man, wohl mit Unrecht, Mirabeau
zuschrieb, den persönlichen Ausfällen, dem Skandal bereits Thür und Thor geöffiiet.
Aber ihren Höhepunkt erreicht die polemische Flugsckriftenlitteratur erst, als der ver-
hasste Wöllner 1788 Kultusminister geworden, und von ihm die viel berufenen Religions-
und Censuredikte erlassen waren. Ueber die öfter schon erörterten Broschüren, die aus
diesem Anlass entstanden, eilt R. schnell hinweg. Dagegen erzählt er von des badischen
Professors Schreiber ,, Gebetbuch des Königs von Preussen" 1790: eine massvolle Ver-
urteilung der bisherigen Regierung, dem König selbst in den Mund gelegt, der salbungs-
S. 100—29. - 88) H. Fechn er, Ursprung, Wosen u. Bedeutung d. Philosophie Friedrichs d. Gr.: HTb. VI. F. 10, S. 187-225. -
80)R. Thommen, E. censurierter Kdnig: BaselTb. 224/7. — 81) Th. Wiedemann, Z. Histoire de mon temps König Friedrichs II.
V. Preussen: HZ. 81, S. 290/4. — 82) B. Reiche, D. polit Litt, unter Friedrich Wilhelm II. E. Ueberblick. Diss.
53 G. Roetho, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 9:»-w,
volle Betrachtuiigoii anstellen muss, wie sie die Aufklärung liebt. Tiefer in die Litte-
raturgosc'hichto führt 08 hinein, wenn R. berichtet, wie ein gewiHser MyliuH, der üeber-
S(3ts5er von Holburgs „Nikolaus Klini", J7HH diosoni Werke Hatirische Kapitel interpoliert,
in denen sich der Herzog (d. i. Friedrich Wilhelm II.) von der Ligue der Lichtscheuen
abwendet, und wie der (ibel bekannte RciUianHchroibor Joh. Fr. E. Albrecht 178!* gar
die ganze Regierung dos Königs zu einem sehr durchsichtigen Roman ,, Dreierlei
Wirkungen*' zurechtschneidet, dessen Beziehungen 2t. kui-z deutet. Mirabeaus „Histoire
secrete de la cour de Berlin", obgleich in gewissem Sinne die Hauptschrift der ganzen
Grujjpe, und die gegen sie gerichtete, von dem Exminister Herzberg inspirierte Littoratur,
mit der R. schliosst, liegen uns hier ferner. —
Das tiefe Misstrauon, das sich damals, von diesen Pamphleten genährt, bei den
besten Patrioten gegen die Ratgeber der Krone einschlich, erbte sich noch auf die Re-
gierung Friedrich Wilhelms III. fort, und besonders dringend verdächtig blieb für
die ört'entliche Meinung, wer je zu dem Kreise der Grätin Lichtenau Beziehungen ge-
habt hatte. So war man nur allzu geneigt, eine Hauptschuld an der Katastrophe von
Jena dem Kabinetsrat Lt)mbard in die Schuhe zu schieben, der das Ohr des Monarchen
besessen und ihn, von Napoleon bestochen, in franzosenfreundlichem Sinne beeinflusst
habe. Hüffer*''"^) hat in seinem ausgezeichneten Buche über Lombard dargelegt, dass
in Wahrheit weit mehr das System eines besonderen beratenden Kabinets neben dem
Ministerium als der einzelne Kabinetsrat die verhängnisvollen Missgriffe verschuldete,
die erst das Unglück von Jena im vollen Umfange aufdeckte und zugleich endete. Die
Rettung Ijombards war wohl angebracht, da wir gewöhnt sind, ihn mit den Augen
seiner j)c)litischen Gegner Hardenberg und Stein anzusehen. Und es liegt H. fem, ihn
zu einem Staatsmann aufzubauschen; nur seine persönliche Ehrliclikeit wollte und könnt«
er erweisen. Wenn Lombard bestochen war, so war er das höchstens durch seinen
litterarischen Ehrgeiz, durch die schriftstellerischen Erfolge, die ihn mit Frankreich
verknüpften. Ein Mitglied der französischen Kolonie, die erst seit Jena sich entsclüiesst,
die französische Haussprache aufzugeben, hat der schöngeistige Lombard sich nur sehr selten
in poetischen Arbeiten des Deutschen bedient, wenn er auch 1807 auf der Flucht
deutsche Fabeln reimte: von seinen Jugendoden, seinem verlorenen Drama ,,Virginie*'
(178(5), seiner Ossianübersetzung (1789) bis zu der gerade in Frankreich beifällig auf-
genommenen Uebersetzung der vier ersten Bücher der Aeneide (1802), die ihn zum Mit-
glied der Akademie von Nißmes machte, bis zu seinem unvollendeten Drama „Alexis"
dichtete er franz()sisch, also in erster Reihe für ein französisches Publikum, überall
Formtalent, nirgend tiefere Bedeutung verratend. Auch seines Bruders Peter wunder-
liche Liebe zu der sehr viel älteren Madame de Genlis kennzeichnet die innere
Neiginig der Familie Lombard nach Frankreich hin. Darin legt sich uns ein befremd-
licher Zug in der Physiognomie des damaligen Berlin bloss, der aber nicht dem Ein-
zelnen zum Vorwurf gemacht werden darf. Das preussische Manifest vor Jena, das
Lombard verfasste und Gentz redigierte, zeigt eine gewisse patriotische Kraft, und auch
die „Materiaux pour servir k l'histoire des annees 1805, 1806 et 1807" sind, bei unleug-
l)arer Weichlichkeit, doch mit warmer Liebe für Preussen geschrieben und zeichnen
sich trotz den Angriffen Friedr. v. Räumers und Massenbachs durch eine sachliche,
zuverlässige Haltung, die Gentz und Archenholtz entzückte und die Clausewitz noch
1824 nachdrücklich anerkannte, vor der sonstigen ])olitischen Litteratur jener unglück-
lichen Jahre aus. Dieser litterarischen Haltung des damaligen Berlins widmet H. ein
äusserst dankenswertes und interessantes Kapitel. War schon vor 180<) der „Neue
Leviathan" von Buchholz im Gegensatz zu Garlieb Merkels „Freimütigem" für Napoleon
aufgetreten, so stellt sich nach dem Siege Jul. Lange (Daveson) mit seinem „Telegraphen"
schanüos in den Dienst der Franzosen. Aber nicht viel besser sind die üppig auf-
schiessenden Schmähschriften und Pamphlete, die, da die Monarchie am Boden lag, mit
gemeinem Behagen am Skandal die Gründe ihres Falles unter widerwärtigen persön-
lichen Verdächtiginigen und groben Indiskretionen breit traten; Gentz war aufs äusserste
entrüstet über die ekelhaften Würmer, die aus dem Cadavor der Monarchie kröchen.
Von Hans v. Helds „Wahren Jacobinern" führt uns H.s eingehende Erzählung über des
berühmten Kriegsrats v. Colin Pamphlete bis zu Buchholz' „Historisch-politisch-mili-
tärischem Institut" und zu seiner „Gallerie preussischer Charaktere". Wie H. durch die
Erörtei-ung dieser unenpiicklichen liitteratur beweist, dass er sein Thema mit weitem
Blicke umfasst, so streift er auch sonst litterarische Gestalten: so wenn er von den
Beziehungen des Empfindlers Leuchsenring, der auf seine alten Tage sich Revolutions-
ideen in die Arme geworfen hatte, zu dem Kabinetsrat Anast. Ludw. Mencken, bekaiuitlich
Bismarcks Grossvater, berichtet. —
Halle. 32 S. — 93) H. HOffer, D. Kabiiietsrpg;icrung iu Proassen u. Joh. Wilh. Lombard. E. Beitr. z. Gesch <l. prouss. Staates
vornehmlich in d. J. 17ft7-1810. Mit 2 Portr. Leipxig, Duiiclter & Humblot. XXVI1I,.579S. M. 12.00. |[F. llianemann: BLÜ.N.26;
V. Grunor: MHL S. 272/S; IX'Hl. S. 107 ] — 94) X Georg Winter, Z. Gesch. v. Jena ii. Tilsit: Geg-nw. 39, S, 324 8.
IV 1: 96-103. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 54
Diesem sehr erfreulichen Werke kann aus der Litteratiir über die Nachfolger
Friedrich Wilhelms III. nichts an die Seite gesetzt werden. Sie war diesmal ganz un-
ergiebig. Auch der Romantiker auf dem Throne hat, so sehr gerade seine Rätsel auf-
gebende Gestalt dazu locken sollte, noch immer keine Würdigung vom Standpunkt der
Litteraturgeschichte gefunden. Dass A. Baier^^) eine alte akademische Gedächtnisrede
auf Friedrich Wilhelm IV. wieder abdrucken Hess, war weder inhalthch noch formell
gerechtfertigt: ein so rückhaltloser Panegyrikus, gewiss begreiflich in der Ergriffenheit der
Todesfeier, verfehlt ein Menschenalter später seine Wirkung gründlich; der steife aka-
demische Ton sowohl wie der Anlass verhindert den Redner, den eigentümlichen Reiz
dieser genialen, aber schwankenden Persönlichkeit, das problematisch Romantische seiner
Lebensanschauung herauszuarbeiten, und sein Verhältnis zu Kunst und Wissenschaft
wird nur durch die allerbekanntesten Daten belegt. —
So innig uns das stille entsagungsvolle Pflichtgefühl rührt, das aus des jungen
Prinzen Wilhelm ^6) schönen Briefen an seinen Freund Oldwig von Natzmer spricht,
als er die Hoffnung auf die Hand der Prinzessin Elise Radziwill aufgeben muss, so
gewinnt doch die Litteraturgeschichte aus Gneomar Ernst von Natzmers ^'^) Publikation
nur wenig: denn auf das angeregte künstlerische Leben am damaligen Berliner Hofe,
specieU auch im Hause des Faustkomponisten Fürsten Anton Radziwill, kommen die
Briefe nur kurz und beiläufig zu sprechen, und Natzmers ergänzende Bemerkungen
schöpfen nur aus bekannten Quellen. —
Auch Kaiser Wilhelm IL 9^) hat, in Terbille^s) schon wieder einen be-
geisterten Biographen gefunden, dessen vollendete Harmlosigkeit mir die kritischen
Waffen aus den Händen ringt; dass man loo^ jetzt gar schon die „Kernworte" des
Kaisers gesammelt hat, scheint mir doch selbst für unsere Zeit des Dampfes mindestens
verfrüht. —
Etwas Anderes ist es natürlich, wenn Aussprüche des gewaltigen Mannes, der,
jetzt am Ende einer unvergleichlichen Wirksamkeit stehend, uns heute in seiner Gestalt
das beste politische, einen guten Teil des geistigen Lebens des letzten Menschenalters
repräsentiert, wenn Aussprüche des Fürsten Bismarck zu einer Anthologie zusammen-
gefasst werden. Der mir vorliegende Versuch ^oi)^ der leider eine Photographie nach
A. V. Werners unzulänglichem Bilde zum Titelschmuck hat, ordnet frappante, bedeutende
und schöne Worte in ein Dutzend, nach rein politischen Gesichtspunkten gewählter Ru-
briken ein, innerhalb einer jeden in chronologischer Folge., Schade, dass den Sammler
eben nur der Politiker Bismarck interessiert hat. — Gerade die reiche Bismarcklitteratur
dieses Jahres kann als Beleg dafür dienen, wie unendlich weit über das politische Gebiet
hinaus sich die Bedeutung und die Anregungen des grossen Mannes erstrecken, dessen
wundervolles Bild sich immer lauterer und imposanter heraushebt, je weiter er dem
seiner unwürdigen Parteigezänk entrückt wird, je mehr ihn Kunst tuid Wissenschaft
sub specie aeternitatis betrachten: es wird dabei klarer und klarer, welche grosse Rolle
der nationale Held, der Redner, der Briefschreiber auch für die Litteraturgeschichte
spielt. Einen kurzen Ueberblick über neuere Bismarckschriften giebt mit geistvollem
und treffendem Urteil Doye^^^); die Dichtungen Westarps, Roberts und Genees er-
wecken in ihm die Ueberzeugung, dass die Zeit für eine poetische Nachschöpfung der
Gestalt Bismarcks noch nicht gekommen sei, dass heute noch lediglich unkünstlerische,
der Photographie vergleichbare Momentaufnahmen am Platze seien. — Dem entspricht es,
dass gerade einige der wissenschaftlich wertvollsten Bismarckarbeiten des Jahres ledig-
lich der Publikation und Sammlung zuverlässigen Materials galten. Den ersten Platz
nimmt das ausgezeichnete, mit Bienenfleiss und sauberster Genauigkeit zusammen-
getragene Regestenwerk H. Kohls ^03) ein, dessen erster, sehr stattlicher Band den
Fürsten bis zum Jahre 1871 begleitet. Der Ruhm, durch seine ehrliche, entsagungsvolle
Arbeit die unentbehrliche Grundlage zu einer wissenschaftlichen Biographie Bismarcks
gelegt zu haben, darf K. nicht streitig gemacht werden. Mit unermüdlicher Sorgfalt
hat er ein kolossales Material von Akten, Urkunden, Depeschen, Briefen, Reden, Me-
(Anerkennendes Referat Über N. 93.) — 95) Alwill Baier, Rede z. GedScMnis d. KiJnigs Friedrich Wilhelm IV.: Aus
d. Vergangenheit [vgl. I 3:7-8] S. 39—66.— 96) X ö- Boyle, William I., German Emperor and Kiag of l'russia
Third Edition. Göttingen, Vandenhoeck and Euppreoht. 176 S. M. 1,80. (E. kurze, populäre Biographie, für engl. Unterricht
an dtsch. Schulen mit Wörterbuch ausgestattet.) — 97) G. v. Natzmer, Kaiser Wilhelm I., d. Prinzess
Elise Radziwill u. d. Kaiserin Augusta. Mit Briefen d. Prinzen Wilhelm. Berlin, Gebr. Paetel. 1890. 96 S. M. 1,80.
|[WIDM. 70, S. 285f.] | (Darin S. 95 unbedeutende Verse d. Fürstin Thaida v. Sulkowska auf d. Tod d. Prinzessin Radziwill.) —
98) XX E. V. Redern, Kaiser Wilhelm II. n. seine Leute. Berlin, Steinitz. Y, 274 S. M. 3,00. - 99) A. Terbille,
Kaiser Wilhelm II. E. Lebensbild. Paderborn, Schöningh. 27 S. M. 0,60. — 100) W. Maraun, An o. Kaiserwort soll
man nicht drehen noch deuten. Kernworte d. Kaisers Wilhelm IL nach d. Stoffe geordnet. Nürnberg, Soldau. VIII, 86 S.
M. 1,20. — 101) Bismarck-Anthologie, E. syst, geordnete Blutenlese aus Bismarcks Reden u. Briefen. Stuttgart, Weisert.
340 S. Geb. M. 6,00. |[BLU. N. 47.]| — 102) A. Dove, Bismarck-Litt. : AZg». N. 301. (Ausser d. im Text erwähnten Dich-
tungen werden namentlich Sybels „GrUndg. d. dtsch. Reichs", Thudiohum „Bismarcks parlament. Kämpfe u. Siege", sowie d.
N. 103, 106, 117 besprochenen Arbeiten erwähnt.) — 103) H. Kohl, FUrst Bismarck, Regesten zu e. wissenschaftl. Biogr. d.
55 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 104-110.
moiren, Geschichtswerken und vor allem Zeitungen durchforscht und excerpiert. Soweit
wünschenswert, lüsst er die authentischen Quellen selbst reden, wie das Buch denn mit
der aus der Haude- und Spenerschen Zeitung entnommenen „Entbindungsanzeigo" einsetzt.
Flir die früliercn Jahre, etwa bis 1850, ist das Material ja immer noch zufällig, und
allein schon die reichen Publikationen aus dem Gerlaclischen Nachlass werden starke
Nachträge nötig machen; aber auch da schon bietet der Band des Ungedruckten und
Schwerzugänglichon die Fülle, zumal wo dem Vf. die Unterstützung der Bismarck-
schen Familie zur Seite stand. Und in der zweiten Hälfte des Bandes können wir an
der Hand dieser Rogesten das Leben des Fürsten oft Tag für Tag verfolgen, was selbst
in dieser trocknen Form seinen eigenen Reiz hat. Aus Reden und Briefen Bismarcks
werden bemerkenswerte, meist mit glücklichem Gefühl für das Haftende ausgewählte
Stellen abgedruckt, bisher unbekannte Briefe werden gelegentlich in extenso mitgeteilt;
so erfalu-en wir manclies aus den an Blanckenburg gerichteten Briefen, namentlich
über Bismarcks Verhältnis zur konservativen Partei. Wird uns so das Bild des Fürsten
immer reicher durcli Detailzüge belebt, so ist das Buch, das sorgsam alle Ehrenbürger-
briefe, Ehrendoktordiplome, Orden, Dankschreiben, Deputationen verzeichnet, die K. be-
kannt wurden, zugleich ein lehrreicher Beitrag zur Geschichte des totalen Umschlages
der öffentlichen Meinung, den zu erleben Bismarck beschieden war. — In dieser Hinsicht
wird K.s Werk freilich übertroffen durch das minder authentische, aber um so schärfere
und lustigere Bild, das uns das köstliche Bismarck-Album des Kladderadatsch '<**) ent-
rollt; mit gutem Humor macht dieser sich selbst zum typischen Beispiel der alten Er-
fahrung, wie kurzsichtig das Publikum grossen Männern gegenüber ist; in der scher-
zenden Prosa, den launigen Karikaturen und den erst bissigen, dann zweifelnden, endlich
sch^\alngvoll begeisterten Versen sehen wir Bismarck den Weg aus der Hölle durch die
Welt zum Himmel der Popularität wandeln ; Beelzebub wird zum Friedensengel. — Kohl
hatte eine tüchtige Hilfe an L. Hahns 1°^) grossem, von Wippermann mit dem 5. Bande,
der von 1885 bis 1890 reicht, vorläufig abgeschlossenem Werke. Auch für diese letzten
fünf Jahre sind die zahllosen diplomatisch-en Briefe, Staatsschriften, Depeschen und Noten,
die hier, durch Zeitungsnotizen ergänzt und erläutert, vereinigt werden, leider nach
Materien geordnet; das hat ja seine Vorzüge, für eine solche Urkundensammlung aber
wird die chronologische Folge stets das Richtige sein. — Dass sie zugleich gerade bei
einer so impulsiven Persönlichkeit oft einen natürlichen inneren Zusammenhang ver-
bürgt, wie ihn alle künstlichen Anordnungen gar nicht besser erreichen können, daftir
zeugt die streng chronologische Sammlung der Bismarckschen Reden, deren 12. und
13. Bändchen nach des bisherigen Herausgebers Böhm TodeDove'o*) besorgt hat. Es
ist eben nicht bloss das Thema, es ist auch Ton und Stimmung, die den Zusammenhang
schaffen; und ob es sich da nun um Hamburgs Einverleibung oder um die Verantwort-
lichlieit der Minister, um den Ausfall der Reichstagswahlen oder um die Anfänge der
Socialreform handelt, der leidige aufreibende Kampf des Herkules am Ministertisch gegen
die Reichstagspygmäen bringt die Einheit hinein. Die Höhepunkte der beiden Bändchen,
welche diese bisher einzig zuverlässige Ausgabe der Bismarckschen Reden bis zum Jahre
1884 führen, bilden wohl die Landtagsrede über das Verwendungsgesetz (4. Febr. 1881)
uiid die wundervolle Rede über das preussische Königstum und seine Unabhängigkeit
von der Parlamentsmajorität (24. Jan. 1882). — Während ein paar Feuilletons '^mosj auf
ältere Phasen der parlamentarischeti Thätigkeit Bismarcks zurückschauen, hat sich das
peinliche Gefühl, mit dem die subalterne Veretändnislosigkeit der Volksvertretung diesem
ManriC gegenüber jedes patriotische Herz erfüllt, etwas explosiv Luft gemacht in des
bekannten Bismarck- Apostels Bewer i09) viel gelesenem Scliriftchen „Bismarck im Reichs-
tage". Schade, dass der geistvolle Mann den leidenschaftlichen Ausdruck von Hass und
Liebe durch Geschmack und Mass nie zu regeln weiss, dass er im Gezeter seiner Po-
lemik zuweilen alle Haltung verliert und selbst den „Volksküchengeruch" nicht ver-
meidet, den er der Presse vorwirft; schade, dass er an eirem gesuchten, forcierten
Witzeln und Geistroicheln Gefallen findet, wie es dem Verehrer von Bismarcks schlichter,
naiver Grösse wenig ansteht; schlimmer freilich, wenn ihn sein Urteil gelegentlich so
weit vtrlässt, dass er in einem anderen Bismarck gewidmeten Buche i'®) Langbehns
ersten deutschen Reichskanzlers. 1. Bd: 1815—1871. Leipzig, Rengor. 4«. XVI, 419 S. M. 18,00. — 104) Bismarck-Album
d. Kladderadatsch mit 300 Zeichn. v. W. Scholz u. 4 faksimil. Briefen d. Reichskanzler«. 1.— 18. Aufl. Berlin, Hofmann
& Co. 40. IV, 184 S. M. C,00 — 105) Ludw. Hahn, Fürst Bismarck. Sein polit. Loben u. Wirken urkundl. in Thatsachen
n. d. Fürsten eigenen Kundgebungen darbest. Fortgeführt v. C. Wippermann. 5. Bd. 1885—90, bis z. Rücktritt d. Fürston.
Berlin, Hertz. XI, 653 S. M. 11,00. — 106) Fürst Bismarck als Redner. Vollst. Samml. d. Parlamentär. Reden Bismarck« seit
d. J. 1847. Sachl. u. chronol. geordnet mit Einl. u. Erl. vers. v. W. Böhm u. A. Dove. Bd. 12: Klmpfe u. Bekeuntnisse
1881 u. 1882. Bd. 13: Bis an d. ."Schwelle der Kolonialpolitik. (= CoUection Spemann N. 287,'8.) Stuttgart, Union, Dtsch.
Verlagsanstalt. 249, 326 S. Je M. 1,00. — 107) X R- v. Toma, Fürst Bismarck im vereinigten Landtag. E. BOck-
blick aufd. J. 1847/8: ML. 60, S. 7414. (Darstellung an d. Hand t. B « , Reden'.) — 108) X Bismarck, Roon u. d. Rechte: YZg.
N.. 202. (Auszüge aus d. Aufsätzen d, DR.: „Aus d. Loben d. Grafen Albr. v. Roon".) — 109) M. Bewer, Bi.smarck im
Reichstage. 17. Aufl. Dresden, UlOss. 64 S. M. 0,50. — 110) i d. , Rembrandt u. Bismarck. Ebda. 78 S. M. 1,00. |[AZgB. N. 63;
IV 1: 111-116. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 56
paradox schillernde Glasflüsse m) den Diamanten Bismarckscher Weisheit als ebenbürtig
an die Seile stellt. Durch diese unbegreifliche Kritiklosigkeit schädigt sich B. das Ver-
trauen: was will die Bismarckbewunderung eines Mannes bedeuten, den Langbehns
Blender und Schiefheiten fast komisch enthusiasmieren? Ich bedaure diese Schwäche
um so mehr, als B. trotz aller Bizai'rerie unzweifelhaft der allseitigen Grösse Bismarcks ein
feines Gefühl und ein auffallendes Verständnis entgegenbringt, als er oft einen über-
raschenden Instinkt für das Geniale und Poesievolle verrät, von dem wir lernen können.
Schön wendet er Goethes Wort von der wiederholten Pubertät genialer Naturen auf
Bismarck an, während seine Darstellung der, richtig empfundenen, Kindlichkeit
des Bismarckschen Genies an der Klippe des Lächerlichen scheitert und der Vergleich
mit Dietrich von Bern zum Koj)fschütteln herausfordert. Die zahllosen, nicht immer er-
quicklichen Abschweifungen der beiden Bücher streifen auch litterarhistorische Probleme
anderer Art. Kenntnisse besitzt B. da nicht; erhält von ihm doch Langbehn ein be-
geistertes Lob, weil er — den Hanswurst gegen Gottsched in Schutz nimmt; gerade als
ob seit Lessing und Moser das nicht die allertrivialste litterarhistorische Weisheit wäre. Aber
B.s poetischer Instinkt giebt ihm auch hier manche gute Bemerkung ein. Freilich Schillers
Birnen- und Goethes Apfelstil, die krankhafte Verzücktheit, in der B. Schiller gegen-
über gerät, rechne ich nicht dazu; auch E. T. A. Hoifmanns grosser stilistischer Wand-
lungsfähigkeit wird er nicht gerecht. Dagegen trifft in seiner Charakteristik der Dra-
matiker Bulthaupt und Wildenbruch, des Lyrikers Träger vieles zu, und trotz der fa-
talen antisemitischen Zuspitzung seiner Aeusserungen über Heine und Lessing hat er
gewiss Recht, wenn ei- die Lyriker Eichendorff, Annette Droste und Sallet in gewissem
Sinne über Heine stellt, wenn er Nathan den Weisen in der grossen Erzählung von den
Ringen mehr schlau als weise findet. — Die heisse En-egung der Parteilichkeit, die in
B.s Bismarckbüchern 112^ seine Urteile outriert und trübt, macht sich in seiner
Schilderung 113) eines Besuches bei Bismarck in Friedrichsruli minder fühlbar; leider
stört auch hier die geistreich symbolisierende Manier des Vf. Ein nicht zwingender Ver-
gleich Bismarcks mit Goethe eröffnet das Heft, das bemerkenswerte Aeusserungen des
Fürsten über sein Verhältnis zu Goethe, Spinoza, Kant aufzeichnet. — Sehr viel besser
trifft den Kern ein Vergleich Bismarcks mit Luther, den ein englischer Besucher Fried •
richsruhs, Whitman n*), vorträgt: mit sicherem Takt rühmt er in seiner sehr sym-
pathischen Schilderung den Mangel alles Konventionellen in Bismarcks Art und weist
mit Recht die, nur der sinnlosen Parteiverblendung mögliche, Rangerhöhung Moltkes
über Bismarck liinaus weit von sich; zwei schöne englische Worte, Longfellows „Subli-
luity is always simplicity" und Carlyles ,, Genie ist das klarere Dasein des allerhöchsten
Gottes in einem Menschen" fallen W. im Verkehre mit Bismarck ein. Es ist charak-
teristisch, dass diese Besucher den Staatsmann über dem grossen Menschen vergessen. —
Ebenso feiert Dove^is) in einem Geburtstagsaufsatz in erster Linie den Schriftsteller
und Redner Bisinai'ck; in seinen Reden zumal spiegele sich uns in klassischer Ver-
einigung die Summe der grossen Aufgaben und Verhältnisse ebenso wie das besondere
Dasein der täglichen Kleinigkeiten mit einer vollen, bestimmten Wirklichkeit ab, die
durch Bismarcks echt deutschen, jedes Hauches der Frivolität entbehrenden Humor ver-
klärt wird. — Bismarck ist ein Redner ganz anderer Art alü etwa die grossen Rlietoren
des Altertums. In das Geheimnis seiner rednerischen Grösse sucht Gerlach n^) ein-
zudringen. Wohl fehlt Bismarck die Gabe des schönen Scheins: Stimmmittel, Glanz
des Vortrages besitzt er ebenso wenig wie Studium und unmittelbaren Erfolg; denn
seine Hörer im Parlament zeigten sich stets unbelehrbar. Um so atemloser und ver-
ständnisvoller jedoch lauschten die Besten im Volke diesen ,, Reden an die devitsche Nation".
Sie zeigen die ungeglätteten Stilmängel der urwüchsigen Spraclie, Anakolnthe usw.
Aber es ist doch nicht nur die hohe Sachkenntnis, die iinien ihre Macht giebt. Bis-
marck verwendet rhetorische Mittel, die G. in schneller Uebersicht vorführt; dahin ge-
hören die erleuchtenden Vergleiche aus der Geschichte, die gern ironischen Witze, die
mit Vorliebe aus trivialen Sphären entnommenen Bilder, die humoristischen S})ricli-
wörter, die nie versagende Schlagfertigkeit, die dem Gegner nach den mannigfaltigsten
Methoden parierend die Waffe entwindet. Die trivialen Elemente döJ<Tiismarckschen
Rede erinnern G. oft an Lessing; auch antike Rhetoren zieht er, vielleicht etwas
pedantisch, aber durch den Kontrast fördernd, heran. Aber Bismarck weiss
A. Hormuiin: BLU. N. 13; CS.: DR. II, 127 f.]| — III) X O.Seock, Zeiti.lirasou : üRs. 1890/1. III, S. 440-54; IV,S. 43-61,
-07—17. (D. klugeu, ruliigeu Boiiierkungen S.s kritisiuien eiuigo d. oborüilcliliclien, aus llUchtigoin Donkon ontsprungonen Bo-
liuutitungen d. Buclios „Rcinbrandt als Erzieher", handeln Ubor Eiiigonontuiii ii. Siiecialianius, orörtorn gescheit d. I'opularitut
d. Künstlers u. d. (iolehrton, d. Verhältnis v. Kunst u. Wissenschaft u. betonen sehr richtig, dass nur in den allerseltensten
Källen eine Kunst zugleich individuell u. volkstümlich sein kann.) — 112) X *.* Gnibschriften auf Bismarck: Bohomia N. 312.
(Uebor d. gloichbotitelto Buch Bewors, dessen witzige Ursprllnglichkeit, Freimut, polemisches Talent warm anerkannt und durch
Proben seiner poot „(irabschriften" belegt wird.) — 113) M. Bewor, Bei Bismarck. 5. Aufl. Dresden, Glöss. 72 S. M. 1,00.
— 114) Sidnoy Whitman, Drei Tage bei Bismarck: NKl'r. N. 9722. — 115) A. Dovo, Z. 1. April: AZg". N. 75. — 116) Prof.
Dr. li 0 r 1 a c h , FUrst Bismarck als Redner. E. rhetor. Studio. 2. Aufl. Dessau-Leipzig, Kahle. 34 S. M. 0,50. i[(tegenw. 39, N. 23.]i —
5)7 G. Roethe, Allgemüines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: ii7-U8.
auch das erhuhune Patlius, zumal das natiutlale Patlios, zu vurwendeu und das um so
wuclitiger, je seltuiior os ^(ischieht. Di« rhotoriwoho Wirkung des Hchwoi^ens erprobte
(li'i- Kanzler, als er die Krie^seikliirung Fruiikreiclis last ohne Zusatz verlas. (J. kuiiiuit
Hchliesslich zu dem Krj^Jihiiis, dass das (jielieiiiiiiis dieser Kedegewalt in tlor Pürs«')idich-
keit des Kodners, nicht in äuss(5r«\u Mitteln und kunstvoller Technik liegt. Wie sagt «Ux-h
Wolfram von Eschonhach?: „Ifün ich kunst, den git mir sin." Aber des Philologen
Sache ist es ja eben, nicht nur die bewusst geübte Methode, nein, gerade in »Mster
Linit! die urwüciisige, uidiewussto Kr^lt des Künstlers zu erforschen. So darf jenes
Ergebnis der G. scheu Studie uns nicht abhalten, Bismarcks lihetorik aufmerksame Do-
tailaibeit zu widmen. — Damit hat ]ilümner"^j einen verheissungsvollen Anfang ge-
nuicht, indem er den bildliclu^n Austlruck in Bismarcks Reden einer reichhaltigen Einzel-
nntorsuchung unterzog. 13. kt)nnnt es in erster Linie auf eine Sammlung des Materials
an; er verzeichnet Bismarcks Bilderschatz in '2B sachlich geordneten Rubriken, an die
sich besondere Abschnitte über Citate, Sj)richw«')rter und Repliken schliessen, und er
führt uns schon allein durch die.se Aufzählung tief ein in die Ansc^hauungskreise, in denen
Bismarcks reicluu* Geist am liebsten weilt. Dass die altübornonunenen Bilder von den
neugcf jiTTiten dabei nicht getreinit we-rden, ist zu bedauern, richtet aber keinen allzu-
grossen Schaden an, da dieser durchaus selbständige Kopf ni»ht leicht etwas Ererbtes
verwei\det, o'me es zu eigenstem Besitz erworben zu haben. Demgemäss stehen die
Bilder aus praktischen Sphären, die d(>m Landwirt, Jäger und Soldat^iu Bismarck nahe
lagen, weitaus im Vordtirgrunde. Auf eine eindringende Darstellung der Art und Weise,
wie Bismarck seine Bilder verwendet, liisst sich B. freilich nicht ein, auch nicht aul'
die chronologische Entwicklung seiner Bildersprache; nur kurze eiideitende und
schliessendi'- Bemerkungen tragen einige, keineswegs erschöpfende, stilistische Ergebnisse
vor. Wenn also das lesenswerte Büchlein auch nur eine Seite seines Themas, die StoH-
wahl der Bisnuirckschen Bildlichkeit, und auch sie ausschliesslich für die iui Plenum
des Parlaments gehaltenen Reden ei-ledigt, so ist es doch als der erste energischere
Versuch einer wissenschaftlichen Analyse der Bismarckschen Sprache dankbar anzu-
erkennen. —
An das alte, längst veraltete Wort vom Volke der Dichter und Denker gemahnt
e.", dass wie der Staatsmann, so der Feldherr «des neuen deutschen Reiches zu den
scijc asten Zierden iniserer Litteratur, zu den Meistern deutscher Prosa gehört. Die <lem
Grafen Moltke gewidmeten Arbeiten übertreffen diesnuil an Zald, nicht an Wert und
Umfang, die Bismarcklitteratur weitaus. Der Tod des Feldmarschalls, das Ei-scheinen
der ersten beiden Bände seiner Schriftxjn liat eine Hochllut von Aufsätzen hervorgerufen,
deren Menge leider zu ihrem Gehalt im umgekehrten Verhältnis stand. Die Durchsicht
dieser Nokiologo, Feuilletons usw. war sehr inieniuicklich. Wohl war es selbst dem
handwerksiriässigsten luid einfältig.sten Zeitungsscln-eiber kaum möglich, das scharte
Profil Moltkos bis zur Unkenntlichkeit zu verzeichnen, luid die (ildiche politische Un-
gerechtigkeit der Parteien hat an diesem Grabe geschwiegen; dafür beherrschte die
triviale Tradition, die in zehnmal aufgewärmten Phrasen sich nicht genug thun konnte,
die Aufsätze in einem Masse, wie es gerade bei dieser feinen, im besten Sinne aristo-
kratischen Gestalt verdriesst. H. Delbrück hat früher einmal beuierkt, dass Moltke gerade
darum in seiner fast geheinniisvollen Grösse so überaus schwer zu zeichnen sei, weil
die Linien seines geistigen Bildes so einfach inid klar shid. Dieses sein Wesen wird
deutlich, schon wenn wir die ,, goldenen Worte" lesen, die Kohut •*'^) mit verbindendem
Te.vte zusannuengestellt hat. Es sind das nicht ,, goldene Worte" im gewöhnlichen Ge-
schmacke der Stammbücher, und Lichtstrahleid)ündol. . Das knappe, scharf zuges|>itzt<i
Wort hat Moltke nicht geliebt; seiner schlichten Wahrhaftigkeit widerstreltte die Pointe,.
Und das scheidet ihn doch bei mancher Aehnlichkeit mit Gotth. Ephr. Lesssing, die auch
K. betont und die unermüdlich von den verschiedensten Seiten betont worden ist, von
dem grossen Dialektiker. K. hat geschmackvoll ausgewählt und durch geschickte*. An-
ordnung, die auch auf die stilistische Seite Rücksicrht ninnnt, z. B. «tinige Proben von
M»>]tk»^s Humor vereinigt, ein Bild der Persönlichkeit zu geben versucht: aber genide
Moltkcs geschlossene Art werden ausgehobene Sätze nie auch nur annäliernd erkeiuien
lassen. — Immerhin ist der Eindruck noch einheitlicher inid abijernndeter als in Wior-
117) II. BlUmnor, D. bildliche AusJrucV in d. Reden d. FUrst.n Bismarck. Loipzig, Hirz.l. VU. I'W S. M. L'.Wi
ilK. II. M oyer: AÜA. Ht. S. 91,3; GeKonw.40, S. :m; G. Kooth.-: DLZ. 14, S. 908— lO.J (D. I'.tlchloin outhllU d. Rubriken: 1. Ein-
leitiuiK'; -• Monschlichor Körper, I.eben; 3. Fiunilio; 4. Haus u. Hof; '>. llau:;rjt; fi. Kleidung; ; 7. .Speiüo u. Trmnk; S. Tiß-
liches Leben, Sitten, Spiele; 9. Unterriebt, Winsonscliarten, Studentenlebeu ; 10. Körpvriiehe Uebungon, Keilen, Fahreo, Koisoll;
11. Gewerbe, Mascbiuonwesen ; 12. KUnste, Theater; Vi. I.andwirt.«cban, .lagd; 14. Waffen, Kriegsw(«oa, Fedtuni;en ; Ih. See-
wesen; HS. Rechts- u. Gerichtswesen; 17. Geldwoseu u. Handel; 18. Krankheit u. Aerxt«, Tod u. Kegrtbuis; 19. Jiythologie.
Fabeln, Mitreben. Bibel; 20. Geschichte; 21. Litteratur; 22. Tiere, I'Uanzen; 23. Element«, Gestirn», Witteiunf;; 24. Meer,
Quollen, lioden; 25. Citate aus Bibel, G.'scliichte u. Litteratur; 2<>. Sprichwörtlichem; 27. Kepliki*u; 2S. Schlu.'<«benierkun^'en.)
— 118) A. Kuhut, Multko als Denker. Goldene Wurte aus silnitl. Werken, Ke<leu u. Urief«n d. tieneralfeldinarschalls Gmfen
V. Moltke. Mit e. Portritt v. A. v. Werner. Porlin. Gcrslinann. 1«90. 125 S. M. 1,00. HGegenw. 40. N. 21 ; WIDM. 6V, S. 708.]l
IV 1:119-132. G. Roethe. Allgemeines des 18./19, Jahrhunderts. 58
manns^i^) schwachem Lebensbild. Die eigentlich biographischen Daten sind da ganz
dürftig; die weitaus grössere Hälfte des Buches schildert die Kriege von 1866 und 1870,
ohne sich auf Moltkes Anteil zu beschränken, und könnte fast gleichlautend in
desselben Autors „Fürst Bismarck" oder „Friedrich III." stehen. Die Persönlichkeit
des Feldmarschalls wird wesentlich durch ein englisches Urteil charakterisiert, wie denn
die leidige Manier, gleichgiltige ausländische Stimmen zu eitleren, sich in den Moltke-
artikeln wieder einmal ärgerlich breit gemacht hat; dem Schriftsteller Moltke wird von
W. eine ,, melancholisch -humoristische Geschichtsphilosophie" nachgerühmt, sein Stil
ibermals mit Lessing verglichen ; im übrigen müssen Proben die Darstellung ersetzen. —
Vor dieser Biographie ^-O) haben so manche der kurzen Nachrufe, so viel minderwertiges
Gut sich unter ihnen befand 121-125)^ doch das voraus, dass sie wenigstens die eine oder
andere Seite der Moltkeschen Eigenart in erhellende Beleuchtung setzen. So charakterisiert
H. Delbrück 126) vortrefflich den Peldherrn, der, der erste in der Weltgeschichte, nur
grosser Feldherr und gar nicht Politiker war. Gegenüber Napoleons praktischem Instinkt
und gegenüber Clausewitz' rein theoretischer Strategie ist Moltke der Feldherr der me-
thodischen Einsicht, bei dem, dank seinem heldenhaften Willen und Charakter, die be-
wusste theoretische Erkenntnis den Entschluss nie gelähmt, vielmehr bis auf das höchste
Mass des Erreichbaren gesteigert hat: psychologische Einsicht lässt den Denker
kühner werden als manchen kühnen General. Im Vergleich mit Bismarck, dem Manne
der genialen, künstlerischen, vielseitigen Subjektivität ist Moltke die „Person gewordene
Objektivität". — Diese Eigenschaft, die sich erst sehr allmählich herausgebildet hat, wird
durch Beispiele seiner Gleichgültigkeit gegen Personen und PersönUches in der Weser-
zeitung 127) erläutert, die freilich auch den weitschauenden und in die Tiefe dringenden
Blick des berufsmässigen Politikers an Moltke zu rühmen weiss, ein Lob, das an Wert
dadurch verliert, dass das Blatt unter den tiefblickenden Berufspolitikern wesentlich die
Kämpen des Reichstags zu verstehen scheint. Mit ihnen sollte man den grossen Mann,
der nie über Dinge sprach, die seiner Sphäre fern lagen, den Feind alles Halbwissens
und aller Unsachlichkeit, wie ihn ein anderer Nachrufi28) richtig schildert, nicht in
einem Atem nennen. Dass die Sachlichkeit beim Feldherrn wie beim Schriftsteller die
Phantasie nicht ausschliesst, dass diese sich mit der nüchternsten Beobachtung wohl
verträgt, ja dass sie dem schöpferischen Geist unentbehrlich ist, hat Moltke auf beiden
Gebieten bewiesen. Der plastische Stil seiner Reisebriefe hat nach demselben Nekrolog
bis in die zwar schmucklos klare, auch minder volle, aber harmonische und bestimmte
Darstellung der Generalstabswerke fortgewirkt. — Ein Generalstabsoffizier 129) stellt
Moltkes Beziehungen zu dieser Behörde, zu Müffling, seinem früheren Chef, die Ein-
richtung der Eisenbahnabteilung u. a. in den Vordergrund, berührt aber auch Moltkes
künstlerisch und geistig belebtes Haus in Berlin, in das uns Leicht-Lychdorff 130)
einen Blick thun lässt, wobei er der Legende von Moltkes Schweigsamkeit entschieden ent-
gegentritt: dass Wortkargkeit den Schriftsteller Moltke nicht kennzeichnet, ist bekannt.
— Die Kraft seiner „ehernen Prosa", vor der sich Dahn^^i) bewundernd beugt, liegt an
anderer Stelle. Ihm ist Moltke ein Vorbild von weltgeschichtlicher Grossartigkeit:
geistig wahr, sittlich gut, dabei künstlerisch beseelt, massvoll und gerecht, bescheiden
und voll Selbstzucht hat er diese Eigenschaften auch seiner Prosa eingeprägt, durch
deren wasserhellen — andere sagen dafür krystallhellen — Charakter auch D. wieder
an Lessing erinnert wird. Aus eigenster Erfahrung belehrt er uns, dass jeder Schlachten-
schilderer und Balladendichter lernen könne von der klaren Ruhe, mit der Moltke zumal
in seiner Kriegsgeschichte selbst die überstürzendsten Ereignisse darstellt. Leider
schwächt D. die Wirkung seiner Betrachtungen, in denen ihm aus ehrlicher, bekümmerter
Sorge manch beherzigenswertes Wort erwächst, durch ein gerade diesem Manne gegen-
über wenig angebrachtes Hervortreten der eigenen Person ab; selbst eigene Verse ein-
zuflechten kann er nicht lassen. — An dem ähnlichen Fehler, das eigene kleine Heraus-
geberverdienst aufdringlich zu betonen, leidet G. Karpeles' ^^'^) begeisterte Würdigung
des Schriftstellers Moltke. Aber, wenn sie uns auch den Vergleich mit Lessing aber-
mals zum besten giebt, so hat K. doch auch manche selbständigere Bemerkung. In
Moltkes Erstlingswerk „Belgien und Holland" findet er die plastische Klarheit und
— 119) H. Wi ermann, Generalfeldmarschall Graf v. Moltke. 2. Aufl. mit Portr. Leipzig, Renger (Gebhaidt ft Wilisch).
224 S. M. 1,50. — 120) XX H- MUller-Bohn, Graf Moltke. E. Bild s. Lebens u. s. Zeit. Mit Illustr. 2. Aufl. l.u.2.Lief.
Berlin. Kittel. 80 S. Jede Lief. M. 0,50. |[WIDM. 69, S. 435.]| - 121) X Feldmarsohall Moltke: Oegenw. 39, S. 305/6.
(Phrasenhaft u. unbedeutend.) — 122) X Feldmarscliall Graf Moltke: Grenzb. 50, II, S. 205/7. (Ganz kurzer Nachruf.) —
123) X J- ß(odenberg), Graf Moltke: DKs. 1890/1, S. 387/9. (R. betont d. Feierliche, d. um Moltkes Persönlichkeit lag,
d. Intellektuelle, d. seine Heeresleitung kennzeichnet, u. freut sich, dass Moltke Mitarbeiter d. DRs. war.) — 124) X Jos.
Schott, Graf Moltke. Rückblick auf s. Leben u. Wirken: UZ. I, S. 551-01. (Unbedeutend.) — 125) XX Arch. Forbes,
Sföltke'and Moltkeisme: lO'hCentury 30, 8. 1018 fl'. - 126) H. Delbrück, Feldmarschall Moltke: PrJbb. 67, S. 530/4. -
127) FeldmarBChall Moltke: WeserZg. N. 15944/6. - 128) Zu Moltkes Tod: ML. 60, S. 275/7. - 129) Graf v. Moltko, kgl. preuss.
Qeneral-Feldmarschall, v. e. alten Generalstabsoffizier: WIOM. 71, S. 48-Gl. — 130) V. L eich t-Ly chdorff, E. Besuch bei
Moltke: NFPr. N. 9591. — 131) F. Dahn, Moltke als Erzieher. Allerlei Betrachtungen: N&S. 59, S. 188-205. — 132) G.
59 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 133137.
kunstvolle Gruppierung Macaulays, die objektive Kühle Rankes, die er freilich nicht aus
dorn Fehk'ii aller romantischen oder jungdeutschen Sympathien gegenüher jnnoji Revo-
lutionsbewegungon herauslesen durfte: das versteht sich hei einem Manne, der die „öffent-
liche Meinung" niclit hncht ohn(i die „Giinsefüsschon der Verachtung" anfülirt, von seihst.
Hatte sich G. Brandes durch Moltkes ,,Briefe über Zustand und Bogoboidieiten in der
Tt\rkei 1835;9" an Xonoi)hon erinnert gefühlt, so betont K. im Gegensatz dazu die
ungleich grössere Kunst der Erzählung, die poetische Auffassung, ja die reizvolle FüHe,
die Moltke vor dem giäochischen Condottiere voraus hat, ohne dass seine Zuverlässig-
keit danniter leidet, wie ein kleines Erlebnis Adolf Stahrs das erläutert. Für die Ge-
schichte des „Russisch-türkischen Feldzugs in der euro])äischen Türkei" wird die An-
regung der Militärscliriftsteller v. ('lausewitz, v. Canitz und Daliwitz, die Unter-
stützung des Generalstabschefs Müffling dargelegt. K.s Essay, der das früher bekannte
Material beherrscht, war doch zu schnellstem Veralten verdammt; von dem Altern und
N-euen, das uns die „Gesammelten Schriften" Moltkes seitdem gebracht haben, konnte er
natürlich noch nicht Gebrauch maclien ; gerade das schriftstellerische und poetische Ele-
ment in Moltkes Geiste ist aber durcli diese jüngeren Publikationen in solir viel stärkere
Beleuchtung gerückt worden. — Sicherer liess sich immer schon das Bild des Histo-
rikers ^33) Moltke zeichnen. E. Schiff'^*) sieht in seinem Versuch, den genialen Mann
zu schildern, der zugleich Alexander war imd Aristoteles, der Geschichte machte, nach-
empfand, schrieb, S. sielit da den charakteristischen Zug seiner Geschichtsauffassung in
der „liistorischen Landschaft", einem Begriff, den er dem Kulturhistoriker Julius Braun
entnimmt; an greif- und sichtbare Stätten knlipfen Moltkes historische Träume und
Perspektiven an, und mit besonderem Interesse beobachtet er die Schichtung verschie-
dener historischer Perioden an demselben Orte. Auf Moltkes jüngstes Ge-
schichtswerk, das freilich schon durch seine Entstehung eine Ausnahmestellung
einnimmt, passt diese Charakteristik nicht; dass sie dennoch ins Schwarze triff't, das
bestätigt die schöne Gedächtnisrede, in der Ernst Curtius ^^°) des thätigen Ehrenmitglieds
der Berliner Akademie Beziehungen zur Wissenschaft entwickelt. Auch er knüpft daran
an, dass für Moltke die Oertlichkeit „das von einer längst vergangenen Begel)enheit
übrig gebliebene Stück Wirklichkeit" gewesen sei. Hatte er doch auf der Kriegsschule
zu Ritters Füssen gesessen, der zumal in seinen geographischen Lehrvorträgen Natur
und Geschichte in die intimste Verbindung zu bringen gewohnt war, hatte er doch
von L. V. Buch und A. von Humboldt gelernt, über die engen Fachgrenzen hin-
weg Natur- und Menschengeschichte zu verknüpfen. Es kam hinzu, dass ihn sein
militärischer Benif früh zum Topogi'aphen machte. Mit dem tiefen Verständnis für die
geschichtlichen Gegensätze, die ihm Ranke zwischen Abend- und Morgenland, wie
zwischen Germanen und Romanen aufgewiesen hatte, vereinigte sich in Moltke die
geographische und topogi-apliische Forscherlust, als er im Orient sowohl durch wissen-
schaftliche Aufnahmen wie durch wahrhaft klassische Briefe uns Kleinasiens alte Kultur
neu erschloss. Das Grundthema seiner türkischen Briefe war eben jener Gegensatz von
Europa und Asien, den er selbst verkörperte; ein herrschbestimmter freier Sohn des
Abendlandes steht er unter den erschlafften Orientalen. Später ist dann auch Rom und
mittelbar Griechenland sein topographisches Interesse zu gute gekonunen; wir wissen
jetzt, dass es ihn besonders lockte, Jerusalem und seine Umgebung aufzunehmen: lauter
Stätten also, an denen ein mächtiges historisches und kulturhistorisches Literesse
haftete. Was dieses gelehrte Verständnis für den Charakter der Oertlichkeit doch auch
praktisch dem Strategen bedeutete, liegt auf der Hand: auf der wundervollen Vereini-
gung des praktischen und des beschaulichen Lebens beruht eben die stille Grösse des
Mannes. S. Günther ^^ß), der Moltkes speciell geographische Leistungen von der
Orientreise bis zur Vertretung der Einheitszeit in einem eigenen Aufsatze mit hohem
Lobe bedenkt, findet sie denn auch in den drei Kriegen voll bewälirt — Auf ein
Seitengebiet seiner Schriftstellerei führt uns ein kleiner Artikel 1^7) über Moltkes Ueber-
setzung von Gibbons römischer Gescliichte. Das war eine . widerwillig genug geti'agene
Lohnarbeit, die sich von 1832 — 35 liinzog und die Moltke imd seinem helfenden
Bruder Ludwig von dem „lockeren Buchhändler" niclit einmal die bedungene karge Be-
zahlung eintrug; obgleich sie bis zum elften Bande gefördert wurde und der erste gar im
Druck gewesen sein soll, scheint sich nicht das Geringste von Manuskript oder Aus-
hängebogen erhalten zu haben. Schwerlich ist uns damit eine Meisterleistung verloren :
interessant, wenn auch sehr anfechtbar ist immerhin die etwas lässige Methode des
Uebersetzens, die der junge Moltke dem Bruder in einem Briefe vom 12. Jan. 1832
Karpeles, Moltke als Schriftsteller: VZg». N. 18/9. — 133) X ' *. Graf Moltke als Historiker: BerlTBl. N. 236. (Ausser d.
Abdruck d. „Schlacht y. Königgrtttz" [Tgl. N. 156] einige Bemerkungen Über Moltkes Verhältnis z. Ranke, dessen ArchiT-
geschichte ihm geführlich schien, u. zu Schlosser, dessen Freimut ihm ungemein hehagte.) — 134) E. Schiff, Moltke als
Geschichtsschreiber: NFPr. N. 9582. — 135") Ernst Curtius, Gedächtnisrede auf d. Grafen Moltke, geh. in d. öffentl. Sitz. d.
Berl. Akad. am 2. Juli: AZg». N. 154;5. - '36) X S. Gttnthor, Moltke als Geograph: Nation». 9, S. 178—80. — 137) - Ix —
IV 1: 138-139. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 60
entwickelt. Aus Briefen an ilm und vor allem an die Mutter stammt unser Wissen
von jener Uebersetzung. — Diese köstlichen Briefe sind uns jetzt erschlossen durch den
herrlichen ersten Briefliand i^^) der „Gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten" i^^),
der uns im Herzen Moltkes einen unergründlichen Schatz hingebender Sohnesliebe,
warmen Familiensinns, unschuldiger Heiterkeit und schlichter, inniger Naturfreude
offenbart. Wie rückt uns das strenge Bild des unerschütterlichen Schlachtenlenkers
hier so menschlich nahe! Die Mutter lässt er hereinblicken in die gutlaunig getragenen
Entbehrungen des armen Leutnants, aber auch in das wohlige Behagen der guten, ja
üppigen Quartiere, in die ihn seine topographischen Reisen führen, in die Unruhe des
Berliner Gesellschaftslebens, in das Entstehen seiner ersten schriftstellerischen Arbeiten;
seine Briefe aus der Türkei sind in ihrem Kerne Briefe an die geliebte Mutter gewesen.
An Bruder Adolf schreibt er mehr über politische Dinge ; ihm vertraut er seinen Aerger
und Kummer über die Demagogie, die Presse der Revolutionstage, über ,,die Bande in
der Singakademie"; mit ihm, dem zeitweiligen Mitregenten der Eibherzogtümer, ver-
handelt er, schnell durch und durch Preusse geworden, über die schleswig-holsteinsche
Präge, und noch von Prankreich aus bedenkt er ihn reichlich mit Briefen. Bruder
Ludwig endlich ist der eigentliche Vertraute seiner künstlerischen und schriftstellerischen
Interessen. Diese treten hier viel und lebhaft hervor. Wir erfahren, dass er eine
Novelle „Die Freunde" (1828) geschrieben hat, die noch vorhanden ist. Ausser Gibbon
hat er auch von Byron und Moore manches übersetzt. Aber er wagt auch originale
Verse. Als er sich in der höfischen Pracht des Schlosses Briese wie Tasso vorkommt,
da parodiert er Mignons Lied, nicht sehi' witzig, zum Preise des Hauses Kospoth;
die Komtesse Kospoth besingt er in einem sentimentalen „Rätsel", und seinem melancho-
lischen Ludwig legt er Verse in den Mund, die seine Empfindungen malen sollen; er
bestärkt ihn im eigenen Dichten. Schwierige Versmasse liebt er nicht; Hexameter leitet
er spassend von Hexenmeister ab. Faustcitate liegen ihm jederzeit auf der Zunge; auf
Schloss Friedland denkt er, humorvoll Pamilienporträts vergleichend, an Schillers Max
und Thekla; Heines ,, Reisebilder" würden ihm gefallen, bräche des Verfassers atheistische
Eitelkeit nicht gar so grell durcli. Die eigene Schreibelust wird in Moltke nur immer
auf der Reise wirklich rege. So plant er einen Führer durch die römische' Campagna,
der ihm so ans Herz gewachsen ist, dass er, selbst am Abschluss durch seine Berufs-
arbeiten gehindert, Bruder Ludwig zur Vollendung drängt. Er dachte ihn sich keines-
wegs bädekermässig wortkarg; Streifzüge durch die Klassiker sollten Stofl' zu pikanten
Exkursen geben, und den Bruder mahnt er gleich bei der üebersendung des Materials,
Niebulir zu studieren ; schilt er auch einmal in humoristischem Aerger über das unpoetische
Zerstörungswerk der Kritik, so ist er doch viel zu wahrhaftig, um A. W. Schlegels
bekannten Spottvers zu billigen. Seine Liebe zu Rom wurde durch seinen Kunst-
sinn gestützt; während seine musikalischen Interessen sich vorzugsweise in
der jugendlich enthusiastischen Schilderung einer von Spontini geleiteten Don-
Juan-Aufführung verraten, hat er die Liebe zur bildenden Kunst zeichnend und
malend früh bethätigt: allerlei flotte Handzeichnungen schmücken diesen Band und
werden künftige Bände der „ScJu-iften" schmücken; die Eröffnung des (alten) Museums
begeistert ihn 1831 zu einer launig-entzückten Schilderung. Die Kunst steht ihm aber
nirgend im Gegensatz zur Natur: „das natürlich Entstandene, in der Notwendigkeit Be-
gründete hat immer einen Reiz vor dem Willkürlichen": so hasst er die gerade Linie
moderner Strassen. Ja, man muss sagen, der stille, feine heitere Natursinn, der audi
in diesen Briefen überall durclibricJit, ist der Boden, auf dem all sein künstlerisches
Empfinden gewachsen ist. Ich habe, dem Zwecke dieser Berichte gemäss, wesentlich
den litterarisch-ästhetischen Inhalt der Briefe berücksichtigt: der Politiker, der Soldat
wird in ihnen natürlich eher noch reichere Ausbeute finden. Schon 1831 bekennt sich
Moltke zu der in der Einleitung seines Kriegswerkes ausgeführten Anschauung, dass
heutzutage die Völker, nicht die Kabinette den Krieg machen; schon 1828 schätzt der
eben erst in preussische Dienste getretene Leutnant des neugewählten Vaterlandes
innere praktische Tüchtigkeit; bei allem Zorne über das ekelhafte Treiben der den
Volkswillen verfälschenden Demagogen erkennt er doch, dass der Drang nach deutscher
Einigung das wahrste Bedürfnis der Revolutionsjahre gewesen ist und dass Preussen
suchen muss, dieses Bedürfnis zu befriedigen; und noch ist der Friede von Frankfurt
nicht geschlossen, als er auf die gemeinsame grosse Kulturgefahr aller Länder, auf den
Socialismus, hinweist. Aber die reichste Ausbeute gewähren die Briefe doch dem, der
unbefangen das reine, wunderbar makellose Bild echter, edler Menschlichkeit auf sich
Moltke als Uebersntzor Gibbons : AZg». N. 285. — 138) Briefe d. Gen.-Foldm. Griifoii H. v. Moltke an s. Muttor u. an s. HrOder Adolf
u. Ludwig. Mit Nac.bbild. 2 Iliindzeiclin. u. llolzstbn. im Text. (= Gos. Sclirifton u. DenkwUrdigkoiton d. (Jen.-l'oldm Grafen
H. V. Moltke. 4. Bd. Bripfo, 1. Samml.) llcilln, Mittler A: Sobu. XV, 319 S. M. .1,00. |[I). : I'r.Ibb. 08, S. 9I-if.l| — 139) X
M'iltkiis gps. Scbriftoii: Stnl^sl)l•(l.st N. 230. (I>riicVI d Ankllndiguii),' d. Horau.sgobors, Oberstloiitnautis v. Koszcynski , aus d.
fil G. Ro'ethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: imim.
wirken lässt. Ich weise namentlich auf eine seltsame Stelle hin, in der Moltke den
lirudor hinoinachiiuen lässt in (luälorische Selbstbet.rachtutigen : er zeiht sich der (^ha-
rjikterschwächo, die „Präponderanz der Vernunft über Noij^ung" erzeugt in ihm Katzuii-
janiiiier; ein odlei- leidenschaftlicher Stolz, der iliiri niclit fehle, werde ihn l>oi seinen
Mängeln nur um so tiefer fallen lassen. Auch dieser Mann des oisenien Willens, der
gewaltigen Selbstbeherrschung hat seine hohe Ruhe, hat «len Piinklang zwischen Ver-
nunft und Neigung erst in schweren seelischen Leiden erkämpft. Die Ausgabe der
Briefe scheint von Loszczynski, der uns auch über das Leben der Adressaten kurz
untemchtet, mit pietätvoller Gewissenhaftigkeit besorgt zu haben: wenn
P, Nathan '■•^) auf die Angabe der Vorre<le, Stellen, die nur augenblicklichen Wert
und kein allgemeines Interesse haben, seien ausgelassen, die Befürchtung gründet,
es m«)chten vielmehr Stellen beseitigt sein, die das Interesse zu sehr erregt
hätten, so ist diese allmählich traditi(mell gewordene Skepsis bei dem C/ha-
rakter dieser Briefe völlig bodenlos. Im übrigen bringt N.s Aufsatz manche
geistreiche Bemerkung; er ist mir mir zu geistreich, muss sich in das Ver-
ständnis für Moltkes jeder Eitelkeit baare Schlichtheit geradezu hineinzwingen und em|»-
findet als ein Besonderes, was in der Geschlossenheit dieses Wesens selbstverstündlich
war und auch nicht so auffallend ist, wie es dem modernen Grossstüdter erscheinen
mag. So trifft N. nicht den einfachen Ton, der hier am Platze war. Aber zutreffen
mag z. B. die Erwägung, den sinnigen, selbst träumenden Naturfreund Moltke habe, so
wenig er die Natur als Manöverterrain ansah, doch sein Soldatenauge, seine militärische
Phantasie vor der idealen romantischen NaturschM'ärmerei bewahrt, ihm die Plastik der
Naturanschauung gegeben. — E. Groth i-ii-U2) würdigt die Briefe mehr als ein Hohes-
lied auf das echte deutsche Familienleben. — Nach dieser Seite und sonst werden sie
winulervoU ergänzt durch die Briefe Moltkes an seine Braut und Gattin, tiber die der
nächste Jahrgang der JBL. wird referieren müssen; liier sei nur ein Biief des eben
Verlobteji zum Pfingstfest 1841 erwähnt, den Kürschner i*-**) probeweise mitgeteilt und
mit einer Einleitimg über die 25jährige glückliche Ehe begleitet hat. — Für die, denen
dieses reife, ruhige Seelenglück nicht genügt, hat man ^^4^ denn auch die übliche unglück-
liche Jugendliebe zu einer Freiin Hippolyta von Bülow ausgegraben, deren Hand
Moltke versagt geblieben sei, weil seine Gesundheit während seiner Frankfurter
Leutnantszeit zu ernsten Bedenken Anlass gab; von dieser Epii^ode wissen die Familien-
briefe nichts zu erzählen. — Ganz anderer Art als sie ist der andere Band der
,, Gesammelten Schriften", den uns das Berichtsjahr gebracht hat, die ,, Geschichte des
deutsch-franz{)sischen Krieges von 1870 — 71"'^^). Auch diesem "Werke des unzweifelhaft
sachlich berufensten Darstellers hat Bewunderung und Dank in der Presse und sonst '■**-'•''')
nicht gefehlt. Aber die Begeisterung schoss doch weit am Ziel vorbei, wenn sie
dies Buch allen Ernstes zur volkstümlichen Belehrung i^^), ja, wie ich aus einem ver-
ständigen Aufsatze der ,, Grenzboten'* >53-i54) ersehe, gar zur Schullektüre empfohlen hat.
Davon kann keine Rede sein. Wir haben ein höchst eigentümliches und bedeutendes,
aber durch seinen bew\issten Verzicht auf alle Darstellung und Komposition, durch
seinen lapidaren Stil, der mehr nach Präcision als nach Anschaulichkeit ringt, überaus
schweres Werk vor uns, das ganz abseits steht von der sonstigen Art Moltkescher
Schriftstellerei. Teils erklärt sich das aus der Entstehungsweise: der Marschall hat das
grosse, von ihm inspirierte Generalstabswerk zu Grunde gelegt und in strengster
Sachlichkeit das Wichtige excerpiert. Teils aber war die bewusste Abneiginig gegen
alles Memoirenhafte für Moltke massgebend; er wollte nicht durch kleinlich persön-
liche Gesichtspiuikte die grosse Geschichte subjektiv verzerren. So tritt die Persön-
lichkeit des Vf. bis auf wenige, freilich um so charakteristischere Aeusserungen zurück
zu Gunsten einer prononcierten, fast ti'ockenen Objektivität; der Reiz lebensvoller
Schilderung, das gi-eifbare Bild der Landschaft, der erhellende historische Vergleich,
die Fülle anmutiger oder würdiger Rede, alles, was sonst des Schriftstellers Moltke
grosse Vorzüge ausmacht, alles das fehlt hier ganz, und ich kann es einem französischen
MilitllrWBl. ab.) — 140) P. N»th»ii, Familienliriefo d. Grafen Moltke: NatioQ»». 9, S. 117—20. — 141) Ernst Groth.
Moltkes Oliaraktorbild nach s. Familienbriefen: Greurb. 50. IV. .>^. 414-23. — 142) XX Denkwürdigkeiten d. Genenl-Feld-
marschalls Grafen v. Moltke: FZg. N. 229. — 143) J. Kür seh ne r, E. Liebesbrief Moltkes: Kohemia N. 270. — 144) X D. erst«
Liebe Mollkos: NFPr. N. 9590. — 145) Graf H. t. Moltko, Gesch. d. dt«oh.-rranr.ö«. Krieges v. 1870/1, nebst e. Aafsatx
,t)ber d. angebl. Kriegsrat in d. Kriegen KOnig Wilhelms 1." (~ Ges. Si-hriften u. Denkwürdigkeiten.) Bertin, Mittler tt Sohn.
XV, 428 S. M. 7,00 |[V. Kurs: HLIT. N. 47; D.: PrJbb. 08, S. 912.]| — 146) X Moltkes .Gesch. des Krieges v. 1870 I*: NFPr.
N. 9()d:S. (KUhmt d. erhabene Einfachheit u. krystallhelle Klarheit, d. kein Wort zu viel sage, u. giebt Probon ans d. Dar-
stellung d. Schlachten v. Gravelotte u. Sedan.) — 147) X J- Bosenatein, Moltkes Gesch. d. dtsch.-franzOs. Krieges v. 1870;i:
Gegenw. 40, S. 280/2. (Lediglich d. politische.) — 148) X G- Egestorff. Moltkes Gesch. d. Feldiugas 1870 1 : ML. f.0.
S. 598-«00. — 149) X Moltkes Schriften: StrassbPost N. 234. (AnsxOge aui d. Gesch. d. dt.8ch.-frdnzÖ3. Krieges.) — ISO)
XX Moltkes Gesch. d. dtsoh.-französ. Krieges: FZg. N. 23.T - IM) XX S- Zanelli, Moltke e la guorr» del
187U/1: NAnt 35, S. 72ö ff. — 152) X Moltkes Werk über d. dtsch.-frantOs. Krieg: StrmssbPost N. 232. - 153)
Moltkes Gesch. d. dtech.-fyantes. Krieges: Grentb. 60, III, S. 529—40. - 154) X Z. Moltkes Kritgsgeseh.: ib. IV.
k
IV 1:155-161. G. Roetlie,. Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 62
Beurteiler, ßambaud iö5^, nicht verdenken, wenn ihn das Monotone und Unpersönliche
unbefriedigt lässt, wenn ihm das Werk stimmt zu dem Bilde des starren, lediglich
berechnenden, schweigsamen und fühllosen Strategen, dessen absence d'emotion ihn an
Caesar erinnert; er nennt das Buch hübsch Moltkes „Commentarii de hello Gallico".
Gewiss kennzeichnet auch diese Wandlungsfähigkeit des Stils den grossen Schriftsteller,
und die Kunst, xmausgesprochene Kritik an Freund und Feind zwischen den Zeilen
lesen zu lassen, hat ihren eigenen Reiz. Aber als vorbildlich für historische Darstellung,
wie man es gerühmt hat, kann ich diese Kriegsgeschichte ,,aus der Vogelperspektive
des grossen Generalstabs" in keiner Hinsicht ansehen: seine Hauptbedeutung ist der
historische Quellen wert; den General Stabschef, nicht den Schriftsteller, bewundern wir,
wenn wir unter der authentischsten Leitung, aber schnell und ruckweise von einem
Schlachtfeld auf das andere geführt werden. — Dass Moltke auch eine andere Art
der Schlachtenschilderung kennt, hat er in einem anschaulicheren Bericht über die Schlacht
von Königgx-ätz 155-1^'') gezeigt, den er Treitschke für seine Arbeiten zur Verfügung
gestellt hatte und der, etwas spröder, minder populär gefasst und in einen weiteren Zu-
sammenhang gerückt, auch in den Anhang der Kriegsgeschichte aufgenommen ist.
Dieser Anhang, der die Legende von einem Kriegsrat in den Kriegen von 1866 und
1H70 zerstört, ist — und so gehört er doppelt in diese Berichte — veranlasst worden
dui'ch eine Ballade Fedor von Köppens, die in einer peinlichen Beratung jenes legen-
darischen Kriegsrats zu Versailles den entschlossenen Mut des Kriegsminisiers Grafen
Roon moralisch und im Erfolge siegen lässt. Dass auch dieser Dritte im Bunde die
Feder zu führen wusste, dass auch er ein Mann reicher Bildung, starker, geistiger
Interessen, wenn auch nicht ein so produktiver Geist war wie seine Genossen, das
haben uns die Mitteilungen aus seinem Leben und seinen Papieren gelehrt, die neuer-
dings die „Deutsche Revue" ^ös^ gebracht hat. Sie umfassen die Jahre 1866 — 75. Besondere
Auszeichnung verdienen die frischen Feldpostbriefe von 186G und 1870; eine wohl-
thuende Treuherzigkeit ziert aber auch die übrigen, meist politischen, Briefe, die uns
verstehen lassen, wie das Werden des Reichs für diesen treuen, keineswegs kurz-
sichtigen Konservativen mit mancher Bitternis verbunden ist, wie er sich vor den
„genialen und überraschenden Einfällen des Dreihärigen", der ihm zu sehr verlaskert,
gelegentlich geradezu fürchtet. Die Briefe Bismarcks, die eingeflochten werden, sind
wesentlich politischen Lihalts. —
Die reichen brieflichen Quellen, die sich uns so für die Gründer unseres Reiches
neuerdings eröffnet haben, müssen als Ersatz dienen für ihre Selbstbiographien.
Moltke hatte als älterer Mann geradezu einen Widerwillen gegen die Memoirenschreiberei,
und dieser Widerwille konnte nur genährt werden durch die Ueberproduktion in dem
Artikel, durch die Riehl sogar veranlasst wurde, ein bereits begonnenes „Buch der
Erinnerung" liegen zu lassen, um nur nicht in diesem stets wachsenden Reigen grosser
und kleiner Grössen mitzutanzen. Die Erscheinung ist um so bemerkenswerter, als
früher Deutschland gerade in Denkwürdigkeiten weit hinter Frankreich und England
zurückblieb; auch sie entspringt wohl der Empfindung, dass wir an dem Abschluss
einer Epoche stehen, der auch persönliche Rückblicke lohnend, ja nötig macht. Einige
neuere Memoirenwerke von Staatsmännern stellt M. Schmitz i^'') zusammen in seinem
Heftchen über die bekannten Aufzeichnungen Herzog Ernsts IL von Sachsen-Koburg-
Gotha, wo er seinen Helden als Selbstbiographen am liebsten direkt an Caesar und
Friedrich den Grossen anknüpfen möchte. S. ist offenbar Specialist für scliriftstellernde
Fürsten; wie er Carmen Sylva und Oskar IL von Schweden bereits früher „gewürdigt"
hat, so stellt er uns sogar ein Buch über „Kaiser Wilhelm I. als Schriftsteller" in
Aussicht. Aber diese beharrliche Selbstbeschränkung hat bei ihm die Kritik einge-
schläfert; das Büchlein über Herzog Ernst ist, wenn nicht Analyse, dann Panegyrikus;
die Probe, die er aus des fürstlichen Dichters Poesien am Schlüsse auswählt, stellt S.s
ästhetischer Urteilsfähigkeit kein gutes Zeugnis aus. — Bis in die Tage, da das alte
Reich eben zerschlagen war, führt uns ein anderes fürstliches Tagebuch zurück. Was
Krones ^•'0-161) aus den Aufzeichnungen Erzherzog Johanns von Oesterreich für die
Jahre 1810 — 1815 veröffentlicht hat, ist leider ganz vom Gesichtspunkt des politischen
Historikers ausgewählt. Nun aber hat der von seinem kaiserlichen Bruder mit Eifer-
sucht von jeder politischen Rolle ferngehaltene Prinz, dem selbst die Statthalterschaft
S. 191/2. (E. in N. 153 vorgeschlagoue, aber falsche Konjektur wird berichtigt.) — 155) A. Kambau d, La
Gaorro de 1870 par le maröchal de Moltke: RPL. 48, S. 422/9. — 156) Graf H. v. Moltke, D. Schlacht v. Königgrätz:
AZgB. N. 108. — 157) X Moltke über d. Schlacht bei KOniggratz: •Sammler-^ N. 58. (Lediglich Abdruck von N. 156.) —
158) R. V. D., Aus d. Leben d. Grafen Albr. v. Roon: DR. 16, I, S. 1-14, 129—47, 257-73; 11, S. 1-21. 129-58,
257—78; JIl, S. 1-2:!, 129-51, 259—67; IV, S. 1-12, 129-42, 257-77. - 169) M. Schmitz, Ernst 11., Herzog v. Saohson-Coburg-
Gotha u. s. Werk „Aus meinem Leben u. aus meiner Zeit". 2. vielfach veränd. u, rerm. Aufl. Mit e. Portr. d. Herzogs,
lierlin u. Neuwied, Heuser. 59 S. M. 1,25. — 160) F. Ritter v. Krön es, Aus d. Tagebuche Erzherzog .lohanns v. Oester-
reich 1810/5. Z. Gesch. d. Befreiungskriege u. d. Wiener Kongresses. Innsbruck, Wagner. VIII, 252 S. M. 4,80. JtH. S.:
BLU. N. 35,]| — 161) X Schwioker. Aus d. Tagebuohe d. Erzherzogs Johann v. Oesterreich: AZg". N. 86. (Auszüge aus
63 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 102-167.
über sein geliebtes Tirol streng versagt blieb, damit er nicht Gelüste trago, sich etwa
zum „König der Gebirge" zu machen, gar nicht Gelegenheit gehabt, viel historisch
wichtige Dingo zu erfahren, die wir nicht aus andonui Quellen längst besser wüssten.
Dagegen wären uns die Bemerkungen des geniütswurraen, sogar einigermassen liberal
denkenden Erzlierzogs über Lektüre, litterarische Bekanntschaft<Mi usw., zu denen er
Müsse genug hatte, vielleicht belehrend gewesen: gerade die aber sind ausgeschieden.
So erfahren wir nur, dass Hormayr ihm näher stand; mit Freude erkennt er Gentz'
Feder in dem trefflichen österreichischen Kriegsmanifest von 1H13; aus Arndts „Zwei
Worten" })rophez6it er als unvermeidlich die konstitutionelle Monarchie. In seinen
Zukunftsträumen spielen Reichsstiidte eine Rolle, in denen sich der Lehrfreiheit wegen
die Universitäten befinden sollen; so soll denn z. B. auch Göttingen zur freien Stadt
werden. Immerhin überraschende Einfalle für einen Habsburger Prinzen aus der Glanz«
zeit Metternichs. —
Ueber die Memoiren eines Diplomaten noch älterer 8ch\ile berichtete Edm.
Scherer i^ss) jn einem schon 18G9 geschriebenen, jetzt neu gedruckten Aufsatz. Baron
Karl Heinr. von Gleichen, der 17G3 — 70 als dänischer Gesandter in Paris lebte und dort
ein Liebling der Gesellschaft war, hat seinen Aufzeichnungen allerlei Portrait« inter-
essanter Persönlichkeiten einverleibt: mit Vorliebe studiert er geheimnisvolle Menschen
wie Cagliostro und St. Germain, und von diesem Gesichtsf)unkt aus fesselt denn auch
Lavater seine Aufmerksamkeit, von dem er kopfschüttelnd seltsame Ansichten auf-
schreibt, z. B. dass Johannes der Evangelist noch nicht tot sei u. a., den er aber als
einen achtbaren, wohlthätigen, gar nicht eitlen Mann schätzt. — Die anonymen „Me-
moiren eines alten Diplomaten" 'ß*'), die ihren Titel nicht verdienen, da sie so gut wie
nichts Persönliches, Intimes, Neues bringen, höchstens einmal ein paar Anekdötchen
beisteuera, und die zur Coburger Politik Beziehungen zu verraten scheinen, berühren in
einer nacli bekannten Quellen geschriebenen Biographie des Freiherrn von Stockmar
Rückerts Coburger Leben: Stockmar war Zeuge, wie die „Geharnischten Sonette'', die fünf
„Märlein zum Einschläfern" entstanden. — Mehr Ausbeute sollte der Litterarhistoriker
aus den Erinnerungen Stichlings i''*-^''^), des langjährigen Weimarer Staatsministers,
des Enkels Herders erwarten. Aber die überaus schlichten, trockenen und anspruchs-
losen, in erster Linie den eigenen Kindern zugedachten Aufzeichnungen verlassen selten
das Gebiet des rein Persönlichen und Amtlichen; es ist ein anderes Weimar, in dem S.
mit seinen Gedanken und Interessen lebt, als das Weimar, das uns am Herzen liegt; so
sorgsam er als gewissen liafter Leiter des Kultusdepartements auch den Blick für Wissen-
scliaft und Kunst offen hält, er sieht sie doch mit dem einseitigen Interesse des Ver-
waltungsbeamten an. Von der Mutter, Theodora Luise v. Herder, ihrem religiösen und
poetischen Schwung, ihrer gemüt- und phantasievollen Natur weiss er warm zu sprechen.
Aber Goethe hat er nur einmal im Dornburgor Garten getroffen, als Knabe seiner
Leichenfeier beigewohnt; Knebel sieht er in Jena auf dem Totenbette; Prof. Thibaut
in Heidelberg ist dem nüchternen Juristen schon zu poetisch; so ist eine lustige Ajiek-
dote, die er von des Fürsten Bismarck geradezu anarchischen Anschauungen über das
Menschenrecht individuellster Orthographie und Sprachbildung erzäldt, für uns fast
am lelu-reichsten. S. hat sich als politischer Schriftsteller an den Litterarischen Kämpfen
des entstehenden Reiches beteiligt, aber erst seit 1852. Das unruhige Jahr 1848 hat
an ihm wesentlich einen besorgten Zuschauer gehabt und spielt bei ihm keine grosse
Rolle. — Um so stärker, ja als der eigentliche Höhepunkt der Darstellung tritt es hervor
in fast all den zahlreichen übrigen politischen Memoiren, die uns das Berichtsjahr ge-
bracht hat. Schieiden 1*56), der freiwillige Vorkämpfer Sclileswig-Holsteins im Vor-
pai'lament und später der diplomatische Vertreter der Herzogtümer in Berlin, ein Mann,
dem man 167) die Kunst nachgerühmt hat, überall dabei zu sein, hat namentlich im
Herbst 1848 in Berlin allerlei Revolutionseindi'ücke gesammelt, über die er berichtet;
während er sonst dazu neigt, eigene Erinnerungen aus anderen Quellen zu ergänzen, die
persönliche Erfahrung dadurch möglichst zur geschichtlichen Thatsache zu erheben —
was ich nicht rühme — , so beschränkt er sich gerade hier mehr auf das Selbsterlebte.
Die Schwenkung, die der Ritter Bunsen damals vom schwarz-rot-goldenen Abgeordneten
der Paulskirche zum schwarz- weissen preussischen Beamten selbst in der Kleidung
durchmachte, erweckt S.s Mistrauen gegen den talentvollen, aber sehr bestimmbaren
N. 160.) — 182) Edm. Soherer, ^tudes sar la litt^rature aa XVIIIe si^cle. Paris, Calmann Lirj. 351 S. — 163) Memoiren
e. alten Diplomaten. Berlin, Eckstein Nachf. ;M6 S. H. 3,00. [[Wilh. HUller: BLU. N. S6.]| — 164) 6. Th. Stichling,
Aus 53 Dienstjahren. Erinnerungen. Weimar, Böhlan. VIII, 262 S. M. 3,60. |[H. S.: BLÜ. N. 35.)| — 165) X i.. In»,
weimarischen Staatsdienst: AZgB. N. 133. (Referat Über N. 165.) — 186) R. Schieiden, Erinnerungen e. Schleswig-Holstoinera.
2. Folge. Schleswig-Holsteins 1. Erhebung. Wiesbaden, Bergmann. XII, 372 S. M. 8,00. — 167) X Neues über Schleswig-
Holstein: Grenzb. 50, IV, S. 234 — tl. (Charakterisiert N. 166, u. verweilt namentlich auf Sdüeidens Nachweis, dass Herzog
Ernst T. Sachsen-Coburg-Gotha e. Brief S.s, den er als Beleg fUr seine eigenen Heldenthaten bei EckernfSrde benutzt«, in
persönlichster Tendenz inkorrekt citiert habe: e. sehr bedenkliches Symptom fUr d. Znverllssigkeit d. herzoglichen Memoiren.)
IV 1: 108-172. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunrlerts. 64
Enthusiasten. Zu dem im gelbroten Demokratenbart prangenden Redakteur der „Loko-
motive", Held, der eine Ereischaar für Schleswig-Holstein organisierte, und zu Frau
Luise Aston, der Heraiisgeberin des „Freischärlers", gewinnt S. kurze amtliche Be-
ziehungen. Das geistige und gesellschaftliche Leben Berlins liegt damals völlig dar-
nieder: auch die geistreichen Salons z. B. Dirichlets waren in das schlammige Fahr-
wasser der Politik henintergekommen, und zumal bei dem betriebsamen, unzuverlässigen
Klütscher Varnhagen blüht der ödeste Radikalismus. Einige charakteristische Zerrbilder
und Flugblätter aus der Zeit des Berliner Belagerungszustandes werden beschrieben
(S. 20B ff.): Sympathien haben dem ruhigen, patriotischen Beobachter die Erscheinungen
der Berliner Revolution nirgends eingefiösst, wenn er sie sich auch mit Interesse aus
der Nähe besieht. — Weiter von den Details der Tagesbewegung entfernt liegt der
Standpunkt Leopold von Gerlachs ^''^-^ß^), dessen von der Tochter herausgegebene
„Denkwürdigkeiten" in ihrem ersten Bande bis 1848 reichen. Sie sind eine vielfach
höchst interessante, aber keineswegs bequeme Lektüre. G. hat sehr umfängliche Tage-
bücher geführt, in denen er sich, zum Teil mit der bestimmten Absicht der moralischen
Selbstkontrole, genaue Rechenschaft ablegt über die Ereignisse und sein Verhalten
zu ihnen. Schriftstellerische Gewandtheit ist diesen Tagebüchern nicht nachzurühmen,
und, nie für die Oeffentlichkeit gedacht, enthalten sie viel nur persönlich Wichtiges,
viele uns schwer verständliche Anspielungen. Es ist schade, dass man uns nicht durch
griindliche Redaktion, durch Kürzung und Erläuterung, die Lektüre der wertvollen
Memoiren erleichtert hat: jetzt ermüdet der Leser. Und doch verdienen sie fieissig
gelesen zu werden. Die liberale Legende hat den Brüdern Gerlach eine Hauptschuld
an den Missgriffen Friedrich Wilhelms IV. aufgebürdet. Wir sehen jetzt, dass wenigstens
Leopold V. G.s Verhältnis zum König keineswegs so beständig und enge war, wie man
angenommen hat; wir sehen hoch mehr, dass G. durchaus nicht der blinde, fanatische
Absolutist war, den man aus ihm gemacht hat. Im Gegenteil, er selbst fühlt sich, von
des Königs unstäter Art gequält, oft zu der sicheren und klaren Weltanschauung des
Prinzen von Preussen hingezogen. Ein im höchsten Masse, aber in unantastbarer Ehr-
lichkeit frommer Mann freut er sich 1826 an Gossners geistlichen Erfolgen in
Pi^tersburg, interessiert er sich 1828 für die modernkatholisch idealisierende Beleuchtung,
in der Adam Müller Oesterreich sieht, billigt er später Karl v. Raumers ,, Verteidigung
der Kirche" und schätzt er sehr seinen ,, lieben Knak". Der Schüler Ancillons, den
die Anschauungen der romantischen Schule berührt hatten, misstraut schon 1813 Jahn
als dem Haupt der Anarchisten und begeistert sich gegenüber Rousseaus revolutionärem
Staat für Hallers Restauration der Staatswissenschaften. Aber als die Wellen der Re-
volution höher und höher am Thron emporschlagen, da ist G. viel mehr auf ein konse-
quentes als auf ein reaktionäres Verhalten des Königs bedacht. Wold berührt es uns
seltsam, wenn er an den „Don Carlos" die kritische Bemerkung knüpft, dass Schillers
Radikalismus hier zuerst über den Etikettenzwang spotte, dem auch die Königin sich
fügen muss, und dann sofort in ihrer Begegnung mit Posa die Notwendigkeit dieser
Etikette selbst beweise: aber wer den Posa Herwegh und Job. Jacoby erleben
musste, dem wird man diese sonderbare Beurteilung des Dramas zu gute halten.
G. berichtet, wie Friedrich Wilhelm IV. 1843 die Herwegh gewährte Audienz und die
Beförderung Dahlmanns als Concession ohne Resultat bedauerte. Als Bettina sich für
Kinkels Begnadigung verwendet, rät G. dem König von jeder direkten Einmischung ab,
deutet aber andere Wege an, die mittelbar zu dem gleichen Ziele führen sollen. Als
unter den von Radowitz geplanten „deutschen" Massregeln aucli der Ankauf des Goethe-
hauses von Bundeswegen auftaucht, da findet er das sehr thöricht. Seiner einfacl-.n
und konsequenten Natur ist nichts verdächtiger und unsympathischer als die geist-
reichen, genial-unstäten Leute wie Bunsen und Radowitz, auf die der König so
gerne hörte. Von Radowitz zumal giebt G. eine lehrreiche Charakteristik, die aller-
dings von dem dämonischen Zauber nichts merken lässt, den General Voland von der
Hahnenfeder selbst auf politische Gegner auszuüben wusste. — Auch von diesem Zauber
haben wir ein neues Zeugnis in der anfangs nur als Manuskript gedruckten, jetzt auch
weiterhin zugänglich gemachten Erzählung der ersten dreissig Lebensjahre (1819 — 49)
von A. von Arneth no-i72A ,jem hochverdienten Direktor des Wiener Hof- und
— 168) DunkwUrdiglceiten aus d. Lehen Leopold v. Gerlachs, Ge erals d. Infanterie n. General-Adjutanten König Friedr.
Wilhehmi IV. Nach s. Aufzeichnungen her. v. s. Tochter. Bd. 1. Berlin, Hortz. 848 8. M. 11,00. |[R: DR. IV, 375 f.]|
CAusiser d. im Text angefllhrt.en sei noch darauf hingewiesen, dass G. e. Goethoschen Vortrags über FKitzgebirge, 15. März
1829 in Weimar, gedenkt u. ilher d. Anfange d. „KreuzzHitung" spricht, dor er nahe stand, so oppositionell sie sich gelegentlich
gftgon König u. Ministerium stnllto.) - 169) X C Bulle, L. t. Gerlachs Penkwllrdigkeiteu : Nation». 9, S. 98-100, 111/4,
l.'5l/5. (1). zwar liberal gefiirbte, aber gegen G.s Charakter nicht uugerechte Bof. Über N. 1(>8 giebt namentlich e. Bher-
sichtliche Dar^tollung v. G.s .schwankondem Verhitltnis z. Kiinig.) — 170) A. Rittor v. Arneth, Aus meinem Leben. D.
ersten 30 .lahro (1819—49). Als Ms. gedr. Wien. VIII, 4.38 S. Zusammen mit d. spater erschienenen 2. Bde. M. 12,00.
|[AZgn. N. 83; LCBI. 1893, N. 3C.]| — |7|) x Aus Arneths Denkwürdigkeiten: AZgii. N. 159. (Sehr warme, auch d. mensch-
lichen Gehalt herausarbeitende Besprechung v. N. 170, die auch A.s tter Toni Adamherger berücksichtigt.) - 172) X A. K.,
65
G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV l: i78-i74
Staatsarchivs, der als Vertreter des österreichischen Wahlkreises Neunkirchen in der
Paulskirche sass und dort Radowitz kenneu lernte. Ueber A.s Buch liegt eine heitere
Seelenruhe, eine milde Harmonie, die gerade im Kontrast zu den wilden StUrmen der
Zeitgeschichte innig wohlthut und die nicht zum kleinsten Teile in dem stillen Familien-
glück ruht, das A. von früh auf beschieden war. Aus dem mit vieler Liebe ausge-
führten Idyll der Kinderjahre hebt sich in hellster Beleuchtung heraus die Gestalt der
Mutter. Ihr Name ist der Litteraturgeschichte wohl vertraut. Es ist Toni Adamberger,
die anmutige Liebhaberin des Burgtheaters, Theodor Kömers heissgeliebte Braut. A.
teilt die Aufzeichnungen mit, die sie selbst, allerdings nur über ihre Jugend, nieder-
geschrieben hat und die uns tief hineinführeii in Wiener Schauspieler- und Sänger-
kreise. Tonis Vater, der berühmte Tenorist, für den Mozart so manche seiner Arien
schrieb, ihre Mutter, die Naive Anna Jacquet, für die Kotzebue gerne seine kindlich
schalkhaften Rollen bestimmte, werden uns in ihren Bühnenerfolgen, in ihrem gut
bürgerlichen Familienleben mit dankbarer Tochterliebe geschildert; nur die Erziehung
nach Rousseauschen Grundsätzen, die Toni zeitweilig zu einer kleinen Wilden gemacht
hat, will ihr auch in der Erinnerung für ein Mädchen gar nicht gefallen. Frühe Krank-
heit zwingt die Mutter zum Abschied von der Bühne; bei der Abschiedsfeier betritt Toni,
zunächst nur dilettantisch, in Heinr. v. Collins Feststückchen „Der gestörte Abschied"
zuerst die Bretter des Burgtheaters. Der Tod der Eltern nötigt sie bald', schon ihren
jüngeren Geschwistern zuliebe, die Laufbahn der Mutter einzuschlagen; Collin zumal
leitet sie dabei mit väterlicher Liebe, Streckfuss führt sie erfolgreich in die Litteratur
ein. Unter ihren Kollegen schätzt sie besonders den schon bejahrten Helden Lange. Zu
ihren grossen Eindrücken gehört es, wie sie in Schönbrunn vor Napoleon die „Aricia"
in Schillers „Phädra" spielt, namentlich aber, wie Beethoven für sie Clärchens Lieder
komponiert und sie ihr einstudiert. Dann folgen die selig-unseligen Jahre 1812/3. Mit
liebevollster Ausmalung schildert Toni ihre erste Begegnung mit dem Geliebten: dann
aber bricht sie ab; auch der Sohn hat sie so gut wie nie von dem Glücke ihres Braut-
standes, von dem Schmerze des Verlustes reden hören; selbst sein Vater rührte nicht an
diese heilige Erinnerung. Im Haune der Dichterin Caroline Pichler, die ihre „Margarete
von Oesterreich" in dem Trauerspiel „Heinrich von Hohenstaufen" recht eigentlich für Toni
geschrieben hatte, lernt sie ihren späteren Gatten, den Kustos des kais. Antikenkabinets,
Jos. Arneth, kennen. Auf der Höhe ihres Ruhms, gefeiert als Thekla, Oehlenschlägers
„Walburg", Minna, Iphigenie, Leonore, Julie, Camilla in Collins „Horatiern", nimmt sie
am 17. JuH 1817 als Jertha in Midiners „Schuld" von der Bühne Abschied. Aber auch
in der Ehe noch hatte sie Gelegenheit, durch ihr deklamatorisches und musikaUsches
Talent zu erfreuen: so dachte sie stolz daran zurück, dass es ihr 1826 beschieden war,
in St. Florian Grillparzer den Aufenthalt durch Schubertsche Lieder zu verschönern.
Auch auf die Söhne scheint sie ihrer Begabung ein wenig vererbt zu haben: auf dem
Konvikt zu Kremsmünster wurden ihnen bei den Schulfeierlichkeiten mit Vorliebe die
Vorträge, beim Lesen Schillerscher Dramen die grössten Rollen zu teil : im Jahre 1835
las man also, das erfahren wir hier, in einem österreichischen Stiftsgymnasium „Teil"
und „Wallenstein" ohne jedes politische Bedenken. A.s Beamtenlaufbahn bis zu den
Wiener Märztagen und der Wahl für die Paulskirche gehört nicht hierher. Dort tritt
er dem sog. Augsburger Hof bei, da ihn von dem Hauptklub des rechten Centrums, dem
Kasino, die wortführenden norddeutschen Professoren absclirecken ; Gervinus' antiöster-
reichische Artikel in der ,, Deutschen Zeitung" erregen noch in dem Greis einen Groll,
der uns bei diesem milden Manne doppelt überrascht. Ein warmer Patriot, möchte er
Oesterreich um jeden Preis seine Stellung in Deutschland erhalten und tritt in diesem
Sinne selbst gegen seinen eigenen Landsmann Mühlfeld auf. Da scheint es denn Rado-
witz gewesen zu sein, dem es gelang, dem Zweifelnden seine eigenen deutschen Pläne,
denen der Erfolg seitdem Recht gegeben hat (Bundesstaat ohne, Staatenbund mit
Oesterreich), plausibel zu machen. Damit war denn freilich für A. seine Mission als
Frankfurter Abgeordneter erloschen, und er legte nahezu als Erster der Oesterreicher
sein Mandat nieder; schon das Verhalten seiner Regierung gegen Robert Blum und
Fröbel hatte ihm die Unhaltbarkeit seiner Stellung fühlbar gemacht. Blum hält er an
sich für einen ganz mittelmässigen Kopf, der für seinen Ruhm zur rechten Zeit starb;
sein Urteil wird dadurch bestätigt, dass Blums Schicksalsgenosse, Fröbel, dessen be-
rühmte, geflissentlich massvolle und bescheidene Parlamentsrede über die Wiener Erleb-
nisse A. anschaulich schildert, sich inzwischen sein: entschieden zu derselben Ansicht
bekannt hat. — Aber Blum war weder das kohlpechrabenschwarze Scheusal noch die
grotesk-komische Figin-, die der Graf von Hübner '''^-i'^) aus ihm gemacht
F. liebenswürdiges Buch: NFPr. N. 9694j5. <Ueb«rN. 170; Aaszflge mit Raod^losseii: Bob. Blum d. drinking «ditor d. deatsehen
Demokratir; Devise d. I^uches „Oi-l in d. Fluten*.) — 173) A. Graf v. HUbner. E. J«hr meines Lebens. 1848/9. Leipzig,
r.rockhaus. XII, 379 S. M. 6,00. i[v. Grüner: MHL. 8.3715; S.liwäbKron. N. 161 ; L. O. Pel issier: BCr. 31. S. 417 8 (rahmt
d. gute, freilich oberflaehlicüe u. fast frivole Erxihlung;. NAut. 34, j«. 161.]i — |74) X F. Bienemann, Graf HDbners
Jahresberichte fttr neuere deuteohe Litteraturgeschichte II (*>. 5
IV 1: 175-183. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 66
hat. Der nicht eben rühmlich bekannte Diplomat plaudert gewandt über
seine Revolutionserlebnisse in Mailand und Wien; ist die muatere Causerie
für die harmloseren italienischen Dinge ganz reizvoll, so passt sie gar nicht
für den furchtbaren Ernst des Wiener Aufstandes. Die Frische der eigenen
Erinnerungen verkümmert auch H, sich dadurch, dass er andere, selbst litterarische
Quellen in sein Buch hineinarbeitet. Freilich nur obenhin. Er schreibt mit kavalier-
mässiger Nonchalance: der Mörder Kotzebues heisst ihm „Georg Sand", und die Gräfin
Szechenyi rühmt er, spasshaft genug, als „Martha und Magdalena" in einer Person.
Er schwärmt für Kaiser Franz, Metternich und namentlich für Felix Schwarzenberg,
den er geradezu ins Mythische steigert. Andere als politische Dinge interessieren ihn
nicht; zu litterarischen Persönlichkeiten hat er keine Beziehungen, sie sind ihm oifenbar
unheimlich wie die Wiener Studenten. Nur mit Ign. Kuranda, dem Herausgeber der
„Ostdeutschen Post", hat er einmal ein -Gespräch; sie verstehen sich nicht, und H. tröstet
sich damit, dass Kuranda der politische Sehnerv fehle. — Ein merkwürdiger Wechsel
der Dinge Hess den Begleiter Rob. Blums, Hess Julius Fröbel später in eine ähnliche Ver-
trauensstellung bei Schmerling rücken, wie Hübner sie bei Schwarzenberg gehabt zu
haben scheint. Diesen Wechsel hat er uns jetzt selbst erzählt. Fröbels i'^^-^^s^ zwei-
bändiges Memoirenwerk gehört jedenfalls zu den interessantesten, wenn auch nicht zu
den vornehmsten Werken der Gattung. Der Mann hat unglaublich viel erlebt und weiss
äusserst fesselnd und pikant davon zu erzählen. Ihn kennzeichnet eine Unruhe, die
ihn nirgends festen Fuss fassen lässt; aber freilich, er zeigt sich in den verschiedensten
Sätteln gerecht. Vom autodidaktischen Topographen avanciert er im Handumdrehen
zum Professor der Mineralogie in Zürich; er verwaltet eine revolutionäre Buchhandlung
und kommt in die Oberleitung der roten Demokratie; nach amerikanischen Lehrjahren,
die ihn in den seltsamsten Stellungen, als Seifensieder, Agenten usw. herumwerfen,
wird er als Schmerlingscher Pressofficiosus Vorkämpfer der Triasidee, um schliesslich
als glühender Bewunderer Bismarcks und preussischer Konsul in Algier die Laufbahn
zu enden. Unzweifelhaft entfaltet er in allen diesen Lebensphasen viel individuelle
Tüchtigkeit; aber es war die natürliche Folge des beständigen Umlern ens, dass er
nirgend die Verhältnisse ganz genau kennen lernt und dass er sein Urteil, seine
Leistung, seine Wichtigkeit überschätzt. Damit hängt es wohl zusammen, wenn er
überall Spitzel und Jesuiten, Verschwörungen, politische Agentinnen, Diebstähle, Ver-
leumdungen usw. wittert; man hat ganz richtig gemeint, dass man zuweilen einen
Sensationsroman von Gregor Samarow zu lesen glaube. Dass F. der Wandel der
politischen Anschauungen als Charakterlosigkeit ausgelegt, auf niedere Motive zurück-
geführt wurde, ist ebenso selbstverständlich wie albern. Aber die unruhige Regsamkeit
des F.schen Geistes offenbart sich freilich auch in jenem Wechsel. Hier lag nun für
den Selbstbiographen eine grosse Schwierigkeit. Er versteht thatsächlich die An-
schauungen und Ideale seiner Jugend nicht mehr. Gelingt es ihm noch mit genauer
Not, eine gewisse theoretische Einheitlichkeit seiner geistigen Entwicklung herzustellen,
und ist er bemüht, seine früheren Geisteskinder auch später noch zu retten, so hat er
für die Persönlichkeiten, mit denen er in seiner demokratischen Zeit Schulter an
Schulter gestritten, jede Spur von Sympathie und Verständnis verloren. Sichtlich befriedigt
konstatiert er, dass gerade seine ehrenwertesten Freunde seines poHtischen Radikalismus
wegen mit ihm brachen; er nimmt ihnen das gar nicht übel, würde es ihnen am liebsten
nachmachen. Da das aber doch nicht geht, so sitzt er um so gründlicher über seine
politischen Parteigenossen zu Gericht. Dass Narren und Lumpe in der Bewegung
Tagebuch aus d. Revolutionszeit: BLU. N. 18. — 175) X Aus d. Jahren 1848 u. 1849 in Oesterreich: AZgß. N. 103. (AuszUge aus
N. 173.) — l76)XE.VorachtundWerziger:Grenzb. 50, II, S. 57-63. -177) XX Valbert, Le comte de Hubner: EDM. 106, August. —
178) X Hans Blum, Robert Blum im Tagebuchs d. Grafen v. Hübner: N&S. 58, S. 34— 56. (Masslose, auch durch Sohnespietät
80 kaum gerechtfertigte Zurückweisung d. Darstellung, d. Hübner v. Blums Wirken u. Tode in Wien giebt; manche von
IlUbners Angaben, so d. umstrittene theatralische Calabreser, ist inzwischen durch Fröbel [vgl. N. 179, I, S. 193] doch wohl
bestätigt. — 179) Julius Fröbel, E. Lebenslauf. Aufzeichn., Erinnerungen u. Bekenntnisse. 2 Bde. Stuttgart, Cotta.
1890. 1891. X, 598; VIII, 704 S. M. 22,00. |[A. B.: Nation«. 9, N. 4.]| (Ausser d. im Text Erwähnten sei hier noch auf-
merksam gemacht auf d. Besuch d. Knaben F. bei Frau v. Stein auf Kochberg I, S. 10; auf seine vortrefflichen Bemerkungen
über d. alleinseligmachenden „Gang", d. absolute pädagogische Methode seines Onkels Fr. Fröbel I,S. 23-39; auf seine Bekannt-
schaft mit Phil. Wackernagel I, S. 41, Wolfg. Menzel I, S. 46f, mit Heinr. Kurz I, S. 54; auf seine Schilderung d. stagnierenden
Kleinstadtlebens in Weimar 1828 I, S. 61ff; auf e. wissenschaftl. Streit mit d. Geographen Ritter I, S. 66f; auf d. höchst inter-
essante Darstellung d. radikalen Züricher Unterrichtswesens I, S. 72 ff; auf d. sonderbare Auftreten d. deutsch-katholischen
Apostel Eonge u. Doviat in Konstanz I, S. 147 f; auf alleriei Dresdener Bekanntschaften, z. B. mit d. Schröder-Derrient I, S. 155;
»uf Julian Schmidts Polemik gegen F. I, S. 178ff'; auf d. Berlin. Gymnosophisten Edgar Bauer I, S. 183; auf d. Besuch bei
Prof. Knapp in San Antonio I, S. 477 f; auf e. Gespräch mit Meyerbeor II, S. 24; auf d. bemerkenswerte Begegnung mit d.
Grafen Tolstoi II, S. 74 ff; auf d. Charakteristik Wuttkes II, S. 132 f usw. — 180) X id., EUokkehr «ines Entfrt- nidoton : AZg".
N. 197. (Aus d. 2. Bde. v. N. 179 probeweise ausgehoben.) — 181) X Erinnerungen e. Ofliziöson: Orenzb. 50, IV, S. 511—20.
— 182) X F- Pecht, J. Fröbel, o. Leben.slauf: AZgu. N. 262. (E. wesentlich politisch charakterisierendes Eef. über d. 2. Bd.
v. N. 179, in d. aber auch F.s Beziehungen zu Wagner berührt werden; P. urteilt über F. sehr reserviert: e. Mann, d. nirgends
recht aushielt) — 183) X Aus Fröbels Denkwürdigkeiten (Aera Schmerling): NFPr. 9759—60. (AuszUge aus d. 2. Bd. v.
N. 179, lediglich im Hinblick auf d. Politik Österreichs; d. Glaubwürdigkeit F.s wird nicht allzu hoch geschätzt.) —
67 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV 1-
von 1848 und 1849 eine erschreckend grosse Rolle gespielt haben, A\-ird schon richtig
sein: aber ein solches Gemisch von ßedlam- und Zuchthauskandidaten, wie F. es malt,
ist doch auch die äusserste Linke gewiss nicht gewesen. Sowieso mehr ein Freund
der pikanten Anekdote, als es »für geschichtliche Wahrheit gut ist, hat F. offenbar mit
Behagen die verblassten Bilder seiner Erinnerung in möglichst brandgrellen Farben
aufgefrischt. Das mag ja vielleicht sein Gutes haben als Gegengift gegen die sentimentale
Beleuchtung, in die man die Märtyrer der Freiheit bis vor kurzem geni rückte; aber
die historische Verlässlichkeit leidet unter jener Neigung F.s, und nicht immer springt
der Anachronismus des Urteils so \in verkennbar ins Auge wie in der kostbaren Stelle,
wo F. als Mitglied des demokratischen Zentralausschusses in Berlin sein Misstrauen
gegen einen angeblich demokratischen Assessor begründet: „Zum echten Demokraten
war er mir zu klug!" So bedarf es einiger Vorsicht gegenüber den kleinen Porträt-
skizzen und Anekdoten, die durch F.s Buch in üppigster Fülle ausgestreut sind und
die zvrm grossen Teil auch litterarhistorisch hervorragenden Personen gelten. Gerade
bei ilinen kommt nun ein anderer Uebelstand hinzu. F. spricht es nachdrücklich aus:
„ich stelle den Holden über den Künstler, die Politik über die Kunst" (IE, S. 499), und
zwar sagt er das mit Bezug auf keinen Geringeren als Richard Wagner; er lässt die
Kunst überhaupt nur gelten, insofern sie die Wirklichkeit verschönt, und glaubt Schillers
ästhetische Erziehung mit ein paar Gemeinplätzen abthun zu können (I, S. 17). Die
Folge dieser trivialen Auffassung der Kunst ist nun, dass er die Künstler nicht recht
ernst zu nehmen geneigt ist. Freilich dilettiert auch -er dichterisch, aber nur in den
Mussestunden: da ihn das Dichten zumal bei Seekrankheit befällt, so schliesst er, dass
„die Poesie ein pathologischer Zustand" sei. Die lyrischen Proben, die uns mitzuteilen
er doch nicht lassen kann (I, S. 20, 43, 49, 52, 275) zeigen ihn mit Ausnahme der
kindischen ersten nicht ganz talentlos; dass er zum Dramatiker Beruf hatte,
wird man trotz dem Lobe, das Kuno Fischer F.s „Republikanern" (1848) als
einer Etappe auf dem Wege zum Drama der Zukunft erteilt haben soll, nach
seinen eigenen Angaben (I, S. 158 — 167) ernstlich bezweifeln. Die politische
Tendenz war ihm die Hauptsache, und das versöhnte Rüge mit diesen artistischen
Allotria. Das abfällige Urteil Julian Schmidts wird im Grunde bestätigt durch die un-
behagliche Kühle, die F. selbst bei der Aufführung der „Republikaner" in Leipzig
empfand, seiner Meinung nach natürlich, weil die Schauspieler den rechten Ton nicht
trafen. In F.s Absicht waren die „Republikaner" nvu" das erste Stück einer grossartigen
politischen Trilogie, für die leider Europa nicht der rechte Boden sei. Von den beiden
anderen Entwürfen, die F. mit sich herum trug, greift der eine, „Christen und Heiden",
ein wirklich nicht übles Thema auf, den Gegensatz der Brahminen- und der Paria-
Mission in portugiesisch Indien; der Stoff seiner satirischen Posse „Die Preussen in
Afrika", von der er die Anfangsscene mitteilt, ist durch die Ereignisse aktueller ge-
worden, als F. das seiner Zeit ahnen konnte. Sein eigenthches Gebiet war aber doch
die Publizistik. Ueber diese seine Thätigkeit in Büchern, Broschüren und Zeitungen
berichtet er eingehend und nicht ohne Stolz. Er begann das Redigieren in Zürich bei
dem „Schweizerischen Republikaner", den er den Liberalen aber zu socialistisch färbte,
und setzte es bei der kurzlebigen, gleichfalls republikanisch gesinnten „Deutschen
Volkszeitung" 1848 in Mannheim fort. Der Plan, 1849 ein Organ der „honetten Demo-
kratie" zu gründen, das die Aristokratie des Geistes und Charakters geltend machen
sollte, scheiterte natürlich. Eine demokratische deutsche Zeitung in New- York, an der
F. mitarbeitet, kann sich nicht halten, weil sie nicht kurzsichtig genug ist. Nach der
Rückkeln- wird F. dann der Leiter des offiziösen Wiener „Beobachters", der zeitweilig
das Organ Schmerlings und Rechbergs ist. Auf seine Wiener Presskollegen ist er nicht
besser zu sprechen als sie auf ihn: Kuranda, der es SchmerHng nicht verzeihen kann,
dass er den Deutschen Bund ohne die Liberalen reformieren will (11, S. 304), und vor
allem der einflussreiche Besitzer der ,, Presse", der bestechliche und pathetisch unver-
schämte Zang (ü, S. 153, 279, 336) treten u. a. als Typen auf. Die Münchener „Süd-
deutsche Presse", die F. auf Richard Wagners Anregung und mit Regierungszuschuss
gründet, verliert diese Unterstützung bald, da sie sich dem Sektenfanatismus der Wag-
nerianer nicht willenlos fügen wül, und wird obendrein von den Ultramontanen bitter
verfolgt, trägt F. aber ein sehr anerkennendes Schreiben DöUingers ein. F.s Stellung
zu Wagner ist seltsam ungleich: er schätzt seine Bemühungen um das Theater, dem
auch er im freien Volksleben eine würdige Stellung zudachte; er rühmt bewundernd,
aber nicht ohne Widersprüche, mit wie sicherer Unschuld Wagner jeden Versuch ver-
eitelt habe, seinen Einfiuss auf König Ludwig von Bayern im Dienste einer bestimmten
Partei politisch ausziuiützen ; für Wagners Schöpfungen dagegen zeigt er gar kein Ver-
ständnis und teilt befriedigt mit, was Const. Rössler ihm von einem schnöden Urteil
Bismai'cks berichtet hat (ü, S. 486 — 504, 549 f.). Immerhin kommt Richard Wagner
unter den deutschen Ktinstlem und Schriftstellern noch verhältnismässig gut fort. Ueber
5»
TV 1: 184-187. G. Roethe, Allgemeines des 18.'19. Jahrhunderts. 68
Georg Herwegh, dem Y.s „litterarisches Comptoir in Zürich und Winterthur" den einzigen
bedeutenden buchhändlerischen Erfolg dankte, urteilt er anfangs freundlich, spottet nur
über die Partei, die ihn als politischen Charakter ansah ; später fallen über sein sittliches
Verhalten und seine geistige Impotenz bittere Worte (I, §. 95 f., 121 f., 272; 11, S. 558).
Aber in ganz anderer Tonart wird Aug. Ad. Ludw. Folien behandelt, der Vf. der
„Freien Stimmen frischer Jugend", der einst von der Burschenschaft zum künftigen
deutschen Kaiser bestimmt, als unverbesserlicher Erzromantiker sich darin gefallen habe,
diese Rolle in Wohnung, Tracht und Haltung wenigstens anzudeuten: F. schildert ihn
dazu als masslos eitel und urteilslos, kurz als kompletten Narren: aber freilich, geschäft-
liche Reibungen mögen das Urteil verschärft, die Details gefärbt haben (I, S. 75 f.,
101 ff.). Follens sehr exklusivem Kreise gehörte Platens damals übertrieben vornehmer
Freund Pfeuffer an (I, S. 76). An D. F. Strauss, dessen Berufung nach Zürich F. mit
Recht tadelt, ärgert ihn der Gelehrtenhochmut: dass aber Strauss gegen eine Populari-
sierung des ,, Leben Jesu" zumal in dem radikalen Verlage F.s protestiert hat, wird ihm
in den Augen jedes Verständigen nur Ehre machen (I, S. 120 f.). Von Hoffmanns von
Fallersleben geräuschvollem Dichten und derbem Wesen spricht F. mit Behagen (I,
S. 122). Dagegen ist ihm der bekannte Prophet Friedr. Rohmer weiter nichts als ein
gefährlicher reaktionärer Industrieritter, den er vergeblich zu entlarven sucht(I, S. 114 — 20);
um so harmloser war ein andrer Apokalyptiker, Johannes Müller, um dessen „halb geist-
reiche, halb w^ahnsinnige" novellistische Versuche sich Rüge bemühte (I, S. 123/7).
Von Kinkel und seiner Frau erzählt F. ein paar boshafte Anekdoten (II, S. 77 f.).
Freiligrath erscheint neben Christus und Plato unter den drei Wohlthätern der Menscli-
heit, die eine verrückte socialistische Versammlung in New- York feiert (I, S. 281).
"Hebbels „eckig markierte Charaktere", seine forcierten Konflikte sind F. ein Greuel,
ihr Erfolg ist ihm Beweis für die aus ästhetischer Ueberreizung hervorgegangene Ab-
spannung des Publikums, die nur durch raffinierte Reizmittel zu überwinden sei;
Hebbels „Diamanten" knüpft er, nicht sehr überzeugend, an ein Erlebnis des Dresdener
Improvisators Uffo Hörn an (I, S. 156, 160). Im Hause des bekannten Stuttgarter
Liberalen, des Prokurators Schott, findet F. zu seiner Ueberraschung eine gute Dosis
Romantik: dem Litterarhistoriker eine lelirreiche Parallele zu der sonderbaren Mischung
in Uhlands Seele (I, S. 47 f.). Von Heine hört er in München einmal einen leicht-
fertigen Scherz (I, S. 55), von Görres, wie er im Kolleg seine phantastische Welt-
schöpfungsgeschichte „im Tone eines messelesenden Priesters" vortrug (I, S. 51). In
Bettinas Salon wirkt F. dabei mit, wie eine demokratische Proklamation an die
Franzosen dort dem französischen Gesandten überreicht wird (I, S. 181). Dass Bettina
sich diese Taktlosigkeit gefallen liess, ist schon wundersam; peinlich berühren radikale
Aeusserungen Alex. v. Humboldts, die F. berichtet und die, wenn getreu aufbewahrt,
beweisen würden, dass der grosse Gelehrte auch in dem widerlichen Kokettieren mit
der politischen Moderichtung Varnhagen bedenklich geglichen hätte (I, S. 132 ff., 144):
F., der Humboldt viel zu danken hat, was ihn nicht abhält, einen kräftigen Scherz
Bismarcks befriedigt zu erzählen (II, S. 15), empfindet selbst, dass sich sein Gönner da
eine Blosse giebt: „wie tief muss Humboldt das Unwürdige seiner Stellung als Höfling
gefühlt haben, wenn er sich durch solche Aeusserungen dafür gerächt hat!" Gervinus,
von dessen wissenschaftlichem Verkehr init Häusser er eine lustige Geschichte erzählt
(II, S. 54), ist ihm 1848 verhasst durch den Schulmeisterhochmut, durch den er, Dahl-
mann u. a. den Professorentitel „zu einer so zweideutigen Ehre" gemacht haben; das
hindert ihn nicht an einem späteren Besuch (I, S. 286, II, S. 478 f.). Victor Hehn
scheint er für einen Panslavisten gehalten zu haben (II, S. 57). Fanny Lewald liest ihm
aus Briefen Pückler-Muskaus Urteile über Napoleon III. und seine Gemahlin vor (II,
S. 69). Ein Gespräch mit Gustav Freytag, März 1870, verdriesst ihn, weil dieser ihm zu
unverständig über Bismarck urteilt (II, S. 550). Noch als Konsul in Smyrna kommt
F. mit einem jungen Dichter, mit Eduard Grisebach (II, S. 650), in kollegiale Ver-
bindung. Es ist unmöglich, in einem kurzen Referat einen Begriff davon zu geben,
welche Unzahl von litterarischen und andern geistigen Celebritäten, von interessanten
und bekannten Menschen diesen bunten Lebenslauf gekreuzt haben: F.s schrift-
stellerischem Geschick macht es alle Ehre, dass er trotzdem nie in ein trockenes und
langweiliges Aufzählen verfällt. — An jene klassische Aeusserung Fröbels „Zum echten
Demokraten war er mir zu klug" musste ich denken, als ich Lassalles von P. Lindau i^*-'')
184) Ferdinand LassalleB Tagebuch. Her. u. mit e. Einleit. verfl. v. Paul Lindau: N&S. 67, S. 16-79, 184-211, 329-69.
[(Jesellseh. S. 863 f.) | - I85j X A. Barine, Le „Journal" de Feidinand Lassalle: KPL. 48. S. ö.")/«». (Erklärt d. unpUnstipe u.
lächerliche Wirkung d. Tatj^l'uuhs fUr d. natürliche Ergebnis d. uiigestutztcii, naiven Autzi-ichiiung, d. l'Urd. Psychologie d. Kindheit
daher V. hohem Wert sei: d. wilde Hass. d. da lodert, sei fllr d. trihnn jinpulaire d. grösste Vorzug.) — l86)L[udwig] G[eiger],
F<'rdinand Lassalles TagelmcU |1840): ZÖJudeu 6, S. 284;9. (Berücksichtigt d. kulturhist. Wort d. 'I agHhuchs u. boschilfligt
sich niinientlicli mit L.-i Änsserunsen über Q.» Vater, d. damaligen Brosl.iuer Kai'biiior Abraham G.) — 187; X ^- K[ar-
lioles], Ferdinand Lassalles Tagebuch: AZgJudeutum 65, S. 174/7, 355/7. ^Beuiteilung v. streng jüdischem Standpunkt.) —
fiO G. Roethe, Allgemeines rle« 18./10. Jahrhunderts. IV 1: ish-i».
lioi!uis{i;o{X(;l)(>nes inid ('iii^oleitetos Jugoiifltagehnfh diirrhlas. Das Prohloiu, wie der im
({ruiult! li(')chHt aristokratische und individuelle, hophgcbildote und bedeutende Mensch,
der dabei durchaus kein Schwärmer war, auf seine politischen Bahnen geraten konnte,
wird durcii die Konfessionen des Breslauer Gymnasiasten und Leipziger Handelsschüler«
der Lösung näher gebracht. Das Tagebuch bezieht sich auf die Jahre 1H40 und 1841
und gefällt sich in einer cynisch brutalen Aufrichtigkeit, die gar nicht weiter getrieben
worden kann. In einem sehr unenjuicklichen Familienleben bilden sich bei dem Knaben
masslosü Eitelkeit, dabei Faulheit, Genusssucht, Unredlichkeit, Schachergeist, die wider-
wärtigsten Eigenschaften aus, die sich mit roher Selbstverständlichkeit breit machen
und kaum durch einen schnell verflackernden Zug von Zärtlichkeit gegen den Vater
g(Miiild.ert werden; charakteristisch ist schon dieses Gymnasiasten LektUre: „Geisterseher",
Wieland, Paul de Kock, Webers „Demokrit". Eine Art Schwung gibt ihm höchstens der
kochende Hass des Juden, der seine unterdrückte Nation rächen möchte. In Leipzig
ändert sich die Lektüre: er liest Byron und Pücklers „Briefe eines Verstorbenen" ; Heine
\nid Börne begeistern ihn besonders; Börnes ästhetische Urteile gewinnen grosse Macht
über ihn, ohne dass er doch von dem „ewig lächelnden" Goethe so respektlos zu reden
vermöchte wie jener; und, sonderbar genug, enthusiasmiert wird er von Laube, der Börne
an Kinistsinn, Heine an klarem Wollen übertreffe. Persönlich tritt er dem Dichter
Carl Maien (Wolfsohn) näher, der ein Lyriker k la Heine und ein litterarischer Vor-
kämpfer des Judentums war. Schon die ästhetischen Urteile und Liebhabereien des
frühreifen Burschen haben Wert nur zu seiner eigenen Charakteristik. Das gilt noch
viel mehr von den in Leipzig deutlicher werdenden freiheitlichen Plänen. Auch auf der
Handelsschule glaubt er unter seinem Judentum zu leiden: wieder tobt er vor Hass,
der ihn so beredt macht wie kein anderes Gefühl; dem vereint sich brennender Ehr-
geiz: so nimmt er sich vor, einst als Schriftsteller mit glühenden Worten alle Völker
zum Kampf für volle Freiheit und Gleichheit aufzurufen. Aber er fühlt dabei sehr
deutlich, dass er nicht a\is Menschenliebe handeln wird; spiegelt er doch schon auf
der Schule armen, dummen, gedrückten Gefährten Freundschaft vor, um sie zu benutzen.
Er spürt in sich ebenso das Talent zur Hofschranze wie zum Republikaner und
schwankt, welche Gabe er pflegen soll. Fiesko, in dessen Rolle er den Leipziger
Schauspieler Löwe bewundert, hat seinen vollen Beifall: „wäre ich als Prinz oder
Fürst geboren, ich würde mit Leib und Leben Aristokrat sein". Möglich, dass LassaUe
in krankhaftem Streben nach Ehrlichkeit selbst die Schatten seines Charakterbildes
libertrieben vertieft hat: wenn aber das Kind des Mannes Vater ist, so wirft dies ver-
drossene Tagebuch ohne Ideen und Ideale, ohne Liebe und Pflichtgeftihl, nur voll
Ehr- und Rachsucht, ein bedenkliches Licht auf den gereiften Mann, der es freilich
verstand, auch in der geistigen Erscheinung so auf das Aeussere zu halten, wie schon
der Jüngling sich das zur Pflicht macht: denn verachten soll der Mensch die Vorurteile
der Welt, „aber ihnen offen Trotz bieten — nein, bei Gott nicht! dann ist er ein
Thor!" —
Der Diplomat, der Politiker, der in das Gewirr mancher geheimer Fäden hin-
einschauen durfte, die dem Laienauge verborgen geblieben sind, er wird, wenn er
Memoiren schreibt, naturgemäss mehr von den Dingen ausser ihm berichten als von
seiner eigenen Entwicklung. Bei den Memoiren und Selbstbiographien von Dichtern
und Schriftstellern ^^) liegt die Sache anders. Da muss es als Regel gelten, dass
die Innern Erlebnisse mehr Interesse bieten als die äusseren, die eben in erster Linie als
Schlüssel zu dem geistigen Leben des Autors interessieren. Man kann, wie das ähnlich
Max Koch in einem noch zu erwähnenden Aufsatz (s. N. 200) gethan hat, geradezu
drei Kategorien von Selbstbiographien unterscheiden, je nachdem ihr Vf mehr nach
aussen oder nach innen schaut, oder aber beide Arten der Beobachtung und Erfahrung
sich das Gleichgewicht halten, wie etwa in „Dichtung und Wahrheit". Es ist natürlich,
dass ein beliebter Zeitungskorrespondent, der erst in zweiter Linie Romancier ist, dass
Wachen husen i^^) in seinen Erinnerungen aus dreissig Kriegs- und Friedensjahren
sich selbst ganz hinter dem Erlebten und Geschauten zurücktreten lässt. Von Berufs
wegen ist er überall dabei gewesen: auf den Kriegsschauplätzen im Osten und im
Westen, bei den Hoffesten und in den Weltausstellungen. Er weiss alles pikant zu
berichten; ihm löst sich die Weltgeschichte in Anekdoten auf. Schnelle, bunte Ein-
drücke sind ihm überall die liebsten; er schildert lieber lebendig und wechselreich, als
gründlich, und der Abenteurer, der von sich reden macht, ist ihm ^^-ichtiger als der
mächtige Minister, von dem man nach aussen hin nicht eben viel merkt;. ^^^ kenn-
188) X L. Qeiger, Selbstbiographien dtsch Schrinsteller: NationB. S. 585/7. (Charakterisiert rOhmend d. Bttcher v. KI. Groth
N. 203, V. Arneth N. 170 u. v. Lübk« N. 209.) — 189) H. Wachenhnsen, Aus bewegtem Leben. Erinnerungen ans 30 Kriegs-
u. Friedensj. 2 Bde. Str.issbnrg, Strassb. Druckerei u. Verlagsanst. 317,367 8. M. 7,00. |[Wilh. Malier: BLU. N. 27 ;
WIDM. 70, S. 286.]| (Ausser d. im Text Erwähnten Bemerkungen Über d. Feuilletonisten Ernst Kossak I, S. 102; Aber Glass-
brenner I, S. 107; Über Lassalles Besiehungeu sur Bakowitta I, S. 246; Über d. «Bermione* d. Charl. Wolter im Berliner
IV 1: 190. Gr. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 70
zeichnet auch W.s litterarische Skizzen, die hinter den politischen sehr zurücktreten.
Nicht die grossen Männer unserer Litteratur hat er aufgesucht: es ist mehr die amüsante
Boheme der Reporter, Impresarii, Schauspieler, Feuilletonisten, mit der er in Berlin
nnd Wien, in Paris und Zürich verkehrt und von der er erzählt. So melancholiscli er
die Hetzjagd des modernen Lebens beklagt, so rapide ist die Hetzjagd, die er selbst
uns zumutet: schattenhaft huschen die Gestalten vorbei, und keine festigt sich zum
Bilde. Schon als Knabe hat W. den bekannten Enthusiasten Grafen Hahn kennen ge-
lernt, der, ein Verehrer der Schicksalsdichter, sein schlimmstes Fatum in der eigenen
Theaterleidenschaft mit sich trug (1, S. 19); schon als Knabe hat W. in Stavenhagen
dem Bankett beigewohnt, das den befreiten Fritz Reuter feierte (1, S. 21). Dann
führt er uns durch die Theater und Konditoreien des Berlins der sechsziger Jahre
(1, S. 94), beobachtet, wie Theod. Mundt für die historischen Romane seiner Frau das ge-
lehrte Material zusammenschleppt (1, S. 99), wie Brachvogel bei seinem einzigen grossen
Bühnenerfolg, dem „Narziss", durch Dessoir nicht nur schauspielerisch unterstützt
wird (1, S. 101), spendet der Persönlichkeit der Frau Birch die übliche Anerkennung
(1, S. 100), schildert das Kleeblatt des Kladderadatsch, namentlich den pekuniär stets ver-
legenen Dohm und den selbst mit seinen Witzen haushälterischen Kaiisch (1, S. 103),
skizziert den unfreiwillig komischen Charakterkopf des renommistischen Demokraten
und Journalisten Jul. Rasch (1, S. 246) und lässt uns bei Lutter und Wegner Dörings
Kneipscherzen lauschen (1,S.248 if.); auch mit Gutzkow, Mügge, Kletke, dem Ehepaar Stahr
hat er flüchtige Berührungen (l,S.254f,), allerlei Theaterklatsches über Franz Wallner, Engel
(1, S. 252 ff.), Cerf (1, S. 258), Emil und Fritz Devrient (2, S. 70 f ) usw. nicht zu gedenken.
Eiliger streift er Wien: er hat sich da der Gunst des berühmten Gründers der
„Presse", Zangs, zu erfreuen (1, S. 93) und sitzt später an der angeregten Tafelrunde im
,, Goldenen Lamm" und in der „Grünen Insel", wo er Laube, Nestroy, Flotow u. a. be-
gegnet (1, S. 262). In Paris warnt Mor. Hartmann ihn vor einem Mouchard, der Heines
volles Vertrauen geniesst (1, S.120); der schon ganz verfallende Saphir wird durch Heines
Tod noch zu einem leidlichen Bonmot angeregt (1, S. 127); während der Weltausstellung
trifft W. mit König Ludwig I. zusammen und erregt dadurch die Neugier des Lust-
spieldichters Mich.Klapp (1, S. 177). In Zürich findet er eine stattliche Zahl verbannter
Notabilitäten, wie R. Wagner, Herwegh, Temme (1, S. 167), und mit Hackländer stösst er
nach der Schlacht bei Magenta, totgeglaubt, im Hauptquartier zu Verona zusammcm
(1, S. 237). Dass W. selbst zu den Dichtern gehört, daran werden wir erinnert, wenn er
uns aus der Vor- und Nachgeschichteseiner Romane „Rom und Sahara" (1, S. 208 f.),
„Die bleiche Gräfin" (1, S. 256), „Rouge et noir" (2, S. 81) ein paar Details erzählt: über
äusserliche anekdotenhafte Züge kommt er auch dabei nicht heraus. Eine Reihe zu-
sammenhangsloser Feuilletons, denen die wenig ausgeprägte Physiognomie des Vf.
keinerlei Einheit zu geben vermag, bleiben diese Plaudereien so konsequent auf der
äussersten Oberfläche, dass auch das Unbekannte, das sie über litterarische Persönlich-
keiten erzählen, kaum je charakteristisch ist. — In einzelne Bilder zerlegt von vorn-
herein ihre Erinnerungen Thekla von Gumpert^^O), die bekannte Begründerin des
„Töchteralbums". Physiognomielos sind ihre Skizzen nicht. Aber sie tragen freilich die
Physiognomie der vortrefilichen alten Dame, der jede Begegnung mit einem bekannten
Mann, jede gleichgiltige Aeusserung irgend einer litterarischen Grösse als überaus
wichtig erscheint, die jedes banale Kompliment fürchterlich ernst nimmt und die uns
die uninteressantesten Belegstücke für ihre Berührungen mit bedeutenden Personen
nicht erspart. Sie hat es während ihrer fleissigen Mädchenschriftstellerei verlernt, für
Erwachsene etwa gar männlichen Geschlechts zu denken und zu schreiben. Aber
rührend wirkt und Hochachtung erweckt der heilige Eifer, mit dem sie sich zu ihrer
pädagogischen Mission bekennt; dass die liebenswürdige, von sittlichem Ernst erfüllte,
dabei in ihrer schlichten Anspruchslosigkeit nie beunruhigte Frau mehr Pietät und
wohlwollende Güte besitzt, als das für Beobachtung und Urteil gut ist, das bedeutet
menschlich nur einen Vorzug. Als junges Mädchen hat sie, die Tochter eines Posener
Medizinalrats, dem Hause Radziwill sehr nahe gestanden, sie war Zeugin des gefassten
Liebesschmerzes der künstlerisch begabten Prinzess Elisa (s. o. N. 97). Für die
Kenntnis des Publikums ist es nicht ganz ohne Interesse zu sehen, wie sich die jungen
Damen Posens damals in Hexametern und gar Ghaselen lyrisch, bethätigen. Der Rat des
Archäologen Aug. Schönborn und die Bekanntschaft mit Schuberts Freunde Franz
V. Schober, der Thekla v. G. als Dichter gilt, bestärkt sie in dem Entschluss zur
schriftsteUerischen Thätigkeit. Was sie von Proben der Schoberschen Dichtungen mit-
teilt, ein Prolog zu Schuberts Gedächtnisfeier, der über billige Lobeserhebungen bei
Victoriatheater I, S. 260; über B. Wagners Einfluss auf Ludwig IL: II, S. 88 if. u. a.) — 190) Thekla v. Schober, geb.
V. Gnmpert, Unter fUnf Königen u. drei Kaisern. Unpolit. Erinnerungen e. alten Frau. Glogau, Flemraing. 342 S. gebdn.
M. 6,00. |[F. Bienemann: BLU. N. 42; Gegenw. 40, S. 191; Gesellsch. S. 1286f.; DRs. 1891/i I, S. 394 f. ; DR. IV,
S. 264.]| (Bekanntschaft mit Gust. Nieritz S. 191; mit Prof. Geo. Weber S. 279 if.; mit Karl Qerok S. 294 ff.; usw.) —
71 G. Roethe, AllgemeineB des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: i«i i»2.
Schobers VerstäiHlnislosij^keit — /gefiel ilitn doch in der „WinterroiHO"' nur der „Linden-
hjiuin" ■ — nicht wohl sich erheben konnte, und ein i)aar tCiftlige Sonette, die er im
poetischen Wettkampfe mit seiner künftigen Gattin versuchte, bestätigt nur, dass ea
unklug von Schubert war, Schober gelegentlich zum Textdichter zu wählen. Schon
'JMuikla V. G.8 erste Erzählungen gewinnen ihr die wertvolle Anerkennung Christoph
V. Schraids; ihre Leitung des Töchteralbums veranlasst sie öfter, angesehene Männer
um Beiträge, wenn auch nur um kurze Denksprüche, zu bitten: so sind ausser Schmid
A. v. Humboldt, Heinr. v. Schubert und Karl Gerok vertreten, dessen „Kaiserklage'' sie
naiv genug für ihre Zwecke interpoliert. In Dresden trägt ihr eine poetische
Bitte an Gutzkow ein überraschend freundliches Epigramm des Dichters ein, der sonst
bekanntlich nicht zu den Liebenswürdigsten der Sterblichen zählte, und von Auerbach,
dem grossen Titelfinder, lässt sie sich ftir ein Buch, das er gamicht kennt, einen Titel
vorschlagen, den sie wirklich benutzt. Solche Naivetäten sind in dem Buche nicht
selten; aber sie verstärken den Eindruck des harmlos Altmodischen, der ihm seinen
besten Reiz verleiht. — In anderem, im besten Sinne altmodisch giebt sich Riehls **')
Buch der Erinnerung oder vielmehr die Bruchstücke daraus, die er als „Kultiu-geschicht-
liche Charakterköpfe" gesammelt, unlustig, die Flut der Memoiren um eine neue
Nummer zu vermehren, unlustig dazu zumal im Hinblick auf die Gesellschaft, in die
er dadurch gekommen wäre. Ich bekenne, dass ich so ziemlich den ganzen selbst-
biographischen Ertrag des Jahres dafür hingegeben hätte, wenn R. seinen ursprünglichen
Plan ausgeführt hätte. Denn hier spricht in packendster Form ein ganzer Mann, ein
menschlich imd künstlerisch reifer, urgesunder Geist, der sich nicht scheut dank dieser
Gesundheit zu bekennen, dass er ein Unmoderner sei. Sein Widerwille gegen den
Zeitgeist führt ihn wohl auch zu Extremen: seine bekannte Abneigung gegen Rieh.
Wagner, die er auch in diesem Buche eingehend und geistvoll begründet, beruht zum
Teil auf dem Misstrauen, das ihm des grossen Künstlers Erfolg bei der Masse einflösst.
Dieser Gesichtspunkt, mir sympathiscli genug, ist hier doch nicht zutreffend, weil
Wagner seinen Erfolg wahrhaftig spät genug geerntet hat: auch er ist lange Kaviar fürs Volk
gewesen; und auf Bismarck, den R. freilich nicht mit Wagner zusammen nennen mag,
wird er jenen Grundsatz selbst nicht anwenden. Aber nur ganz selten wandelt R.
Wege, auf die ich ihm nicht gern folgte: der kernige Sohn des kleinen rheinischen
Nestes, aufgewachsen in Wald und Feld, nicht in der verkümmernden, erstickenden und
nivellierenden Atmosphäre der Grossstadt, ficht mit kraftvollem Stolze für den ideali-
stischen Humanismus, für das starke Individuum, für das erft-ischende Leben in der
Natur, wie es der Grossstädter kaum ahnt: es ist höchst bezeichnend, wie der Jour-
nalist Bettelheim 1^2^, ein geborener Wiener, der sonst R.s erquickender Persönlich-
keit gerecht zu werden sucht, verblüfft ist durch R.s sicher sehr ernst gemeinten Stoss-
seufzer: „Der Mensch gewöhnt sich an alles, sogar an eine grosse Stadt." Auf einige
der R.schen Skizzen komme ich später zurück. Hier sei zunächst gerühmt ,,Die Idylle
eines Gymnasiums", die von der vortrefflichen Weilburger Schule handelt und von jenen
glücklichen Zeiten, da das Gymnasium noch „keine Frage" war, da es sich noch in-
dividuell unter individuellen Lehrern ausleben konnte, unbelästigt durch pedantische
und engherzige staatliche Schulreglements, da der Gymnasiallehrer noch mit dem
ganzen Stolz des Philologen nichts Anderes sein wollte als Gymnasiallelu-er. Anschaulich
hebt sich die Gestalt des Direktors Friedemann heraus, dem das Latein noch keine
tote Sprache war: mit rückhaltloser Wärme bekennt sich R. zu jener humanistischen Er-
ziehung, gegen die der moderne Geist jetzt so lärmend zu Felde zieht; es sind goldene
Worte, die er gegen das subalterne Banausentum richtet, das am liebsten alles von der
Schule verbannen möchte, was im Leben nicht von unmittelbarem praktischem Nutzen
ist. Ein anderes Bild stellt eine lustige Rheinfahrt dar, die R. mit Viktor von Scheffel
unternahm und die zugleich Vorstudien ermöglichte zu Scheffels Rodensteiner Liedeni,
zum ,, Enderle von Ketsch", zu R.s „Burg Neideck." In Münchener Kreise führen die
Porträtskizzen von Mor. v. Schwind, der als Maler anfangs zu der Opposition gegen
den neu berufenen Dichter Geibel gehörte, und von Frl. Emilie Linder, deren Tafel
einen Sammelplatz für die geistigen Spitzen der katholischen Gelehrten- und Künstler-
kreise Münchens bildete und die R. schöne Worte über die Frau als Lebenskünstlerin
entlockt. Die anmutige Schilderung des volkstümHchen Romantikers Ludw. Richter
bringt einen treffenden Vergleich des liebenswürdigen Malers mit Matth. Claudius, und
selbst in dem gegen Richard Wagner gerichteten Aufsatz fallen auch für uns feine Be-
merkungen ab über die Stellung, welche die Aesthetiker des 19. und 18. Jh. ziu- Musik
eingenommen haben : erst seit den Romantikem gilt sie als den übrigen Künsten gleich-
191) (I 5 : 418.) KQegenw. 40. 8. 350,1. ]| - 192) X A. Bettelhoi m, E. Buch d. Erinnerung t. W. H. Biehl: NationB. 9,
S. 137/8. (B. ereifert sich unmotiriert fUr Auerbachs Dorfgesch. u. weist auf FrObels EnShtung hin, nach d. Graf Tolatoi
Auerbachs n. Hebels Werke in d. dttcb. Bauemhtascm verwundert vermisst habe: er vergisst aber die sehr richtige Kritik la
IV 1: 193-197. G. Roethe, Allgemeines des 18,/19. Jahrhunderts. 72
berechtigt, ja überflügelt sie wolil gar in der Gunst der litterarischen Wortführer. —
Genau wie Riehl hat auch ein anderer vornehmer Münchener Schriftsteller, Graf
Schack ^^^), es vorgezogen, statt zusammenhängender Memoiren eine „Mosaik" von ein-
zelnen Charakterköpfen und interessanten Künstlerporträts zusammenzustellen, die er auf
seinem Lebenswege in die Studienmappe aufgenommen hat. Die Essays sind ungemein
durchsichtig und flüssig geschrieben; es lässt sich allerdings nicht verkennen, dass Auf-
fassung und Urteil zuweilen etwas obenhin geht: Riehl entwirft, auch wo er nur
flüchtig skizziert, doch in schärferen und markanteren Strichen. Unter dem Titel „Die
Enthusiasten" ^9'*) schildert S. kurz einen Jugendfreund, den Darmstädter Adolf Dürr,
ein in engen Verhältnissen verkümmertes lyrisches Talentchen ohne Selbstkritik und
Selbständigkeit, die durch die übermächtigen Einflüsse italienischer, griechischer und
morgenländischer Poesie vollständig erdrückt wurde; daran schliesst er eine eingehendere
Studie über Otto Ludwig, den er 1856 dringend zur Beteiligung an einer Trauer-
spielkonkurrenz gemahnt hat, schon um ihn zum Abschliessen zu bewegen. Nach S.
hätte sich in Ludwig ein genialer Geist durch kritisches Grübeln, durch krankliaftes
Streben nach fehlerloser Vollendung systematisch selbst zu Grunde gerichtet: aucli dass
S. ihn hinwies auf seines masslos bewunderten Heros Shakespeare mancherlei Fehler,
konnte ihn von diesem zähen, unermüdlichen, aber unfruchtbaren Ringen mit den
Stoffen, denen er immer neue Gestalten gab, nicht abbringen. Seine Arbeitsweise er-
klärt es, dass er gern viel behandelte Themata wählte; in seinen Händen ward doch
etwas Neues daraus, und die Vorgänger ersparen ihm Fehlwege. Li S.s Urteilen liegt
unzweifelhaft Wahres; aber er unterschätzt doch den hohen Wert, der Ludwigs ästhe-
tischen Arbeiten, wie der Nachlass sie uns gespendet hat, innewohnt; verloren ist uns
seine rastlose Arbeit an sich selbst keineswegs, wenn ich auch mit S. wünschte, die
Bühne hätte mehr Frucht davon gehabt. Was S. nach Ludwigs Andeutungen über
seine dramatischen Pläne erzählt, ist inzwischen durch Erich Schmidts (s. u. IV 4: 128)
Bericht über die hinterlassenen Fragmente grösstenteils überholt: was unter dem
Drama im Stile von Lenz und Klinger zu verstehen ist, weiss ich nicht. Dem „Erb-
förster" wird S. ebenso wenig gerecht wie früher Treitschke; mit dem Epitheton
„hirnverbrannt" ist das sittliche Problem, das der Held verkörpert, nicht aus der Welt
geschafft. — Auch in einer zweiten Gruppe ^^^) S. scher litterarischer Porträts spielt
trotz ihrem Titel „Paralipomena aus meinen Lebenserinnerungen" die persönliche Er-
innerung eine viel kleinere Rolle als das ästhetische Urteil. Hier wird der Dramatiker
und Litterarhistoriker J. L. Klein charakterisiert mit seinem Schwulst, seiner Breite,
seinen philosophischen und sonstigen Exkursen, an denen er so eigensinnig festhielt,
dass er das Publikum lieber aus dem Theater langweilte, als dass er ein Titelchen
seiner Verse opferte. Ein Abschnitt über Karl Witte läuft wesentlich auf die Mahnung
heraus, man solle nicht immer wieder längst übersetztes abermals übersetzen, sondern
an frische Aufgaben sich machen. Warm spricht sich S. endlich über den Epiker
0. F. Gruppe aus, den er freilich als Gelehrten, als hegelfeindlichen Philosophen und
selbständigen Litterarhistoriker zu überschätzen scheint: aber er zollt auch Gruppes
poetischen Leistungen hohe Achtung, die Geringfügigkeit ihrer Erfolge dünkt ihm un-
gerecht, und im Nachlasse des dadurch scheu gewordenen Dichters vermutet er reiche
Schätze. — Was sich in Dingelstedts 196-197^ wohlgeordnetem Nachlasse fand, wurde durch
Rodenbergs landsmännische Sorgfalt gesichtet und, soweit es der Mitteilung wert war,
durch Randbemerkungen des Herausgebers zu einer Art unbeabsichtigter Selbstbiographie
verbunden. Schon im vorigen Jahre ist (IV 14 : 53) über einen Teil dieses Werkes,
das damals bruchstückweise in der Deutschen Rundschau erschien, berichtet worden:
die Publikation des Ganzen giebt mir Gelegenheit, es in anderem Zusammenhange auszu-
nutzen. Auch ich erkenne das Verdienstliche der Arbeit R.s dankbar an: er hat es
verstanden, durch geschickte Anordnung seines Materials ein einheitliches Buch zu
schaffen, und er hat den Mut besessen, für Dingelstedts Charakter gegen die liberale
Legende eine Lanze zu brechen. Mir ist er dabei noch zu schüchtern. Wer der
festere und reinere Charakter war: Dingelstedt, der seinem Selbst getreu sich nicht
scheute, den gefährlichen und reizbaren Popanz der öffentlichen Meinung zu beleidigen,
oder Ankläger wie Hoffmann v. Fallersieben und Heine, der sich zu der schmutzigsten
Verleumdung bereitwilligst hergab, darüber sollte man doch wahrhaftig nicht im Zweifel
sein. Dass mit jener „Verhofräterei" ein Bruch in Dingelstedts Persönliclilieit ge-
erwahuen, die Fröbel sofort selbst an Tolstois alberner Äusserung übt.) — 193) A. F. Graf v. Schack, Mosaik. Verm.
Schriften. Stuttgart, Cotta. 373 S. M. 6,00. |[A. Schroeter: BLU. N. 37 (kUhl; spricht sich gegen dtsch. Hexameter aus) ;
Gegenw. 40, S. 334.]| (Darin einige litt. Erinnerungen, d. besonders verzeichnet sind.) — 194) id., D. Enthusiasten: Mosaik
[vgl. N. 193.] S. 81—96. — 195) id.. Litt. Erinnerungen. Paralipomena aus meinen Lebens-Erinnerungen: Mosaik [vgl. N. 193J.
S. 281—304. — 196) (IV 4 : 125) i[Gegenw. N. 20; -e: N*S. 59, S. 132; M. G. Conrad: Qesellsch. S. 1693 (unberechtigtes
Schimpfen.)] I — 197) X H. S., Rodenbergs Dingelstedt-Biographie : BLU. N. 31. (Keiht an Betrachtungen llher d. ungerecht-
erti^te Geringschätzung, die d. btihue d. neuen Deutschlands d. jungen entgegenbringen, lobende Worte Über Kodeubergs Art,
73 Cr. Roethe, Allgemeines »le» Ift./l^- 'Tahrhunderts. IV 1- i"«
koiimieii ist, kami ifli nicht fin(l«ii: ich l»in ülx'r/tMij^f. «Iuhs er auch als lih<;raler Fron-
(Unir. als unoingcschränkter Herr seiner Zeit kein grosser Dichter powonlen wäre.
Fritulr. Oetker, der Herz und Nieren seines Franz genau kannte, hat nie an iiun ge-
zweifelt. Ausser den konfessionsartigen Briefen an diesen njirhsten Freund waren <lie
Hauj)tc|uellen R.s kurze Tagebücher, die poetischen Reste und Pläne des Nachlasses,
Briefe an (Wc. Faniili«;, an den trefflichen alten Gcnieral v. Bardelehen, der kurze Zeit
einen stählenden, wohlthätigen Einfluss auf den Kasseler (Tymnasiallehrer übte, endlich
Briefe an den alten Schulfreund G. A. Vogel, gen, Pechvogel, dessen Gestalt
in dem verheissungsvoll angelegten Romanfragment Dingelstedts „Sieben Jahre"
wesentliche Zflge für den sonst als Selbstporträt gehaltenen Helden hergegeben hat
und dessen wechselreiche Redakteurlaufbahn R. (1, S. 62 ff.) mit melancholischem
Hmuor skizziert. T'ns berührt hier nicht sowohl, was R. über Dingelstedts eigene Ent-
wicklung niitt.<nlt, was er von Dichtungen und Entwürfen, darunter höchst Gelungenes
und Interessantes, einflicht, als vielmehr die Berührungen, die Dingelstedt mit anderen
MäiHiern der Litteratur gehabt hat. Die merkwürdig formvollendeten Dichtungen des
Knaben und knabenhaften Jünglings, darunter ein tieftragidcher „Kosciusko und
Skrcynecki auf den Ti'ümmern von Warschau", verraten den beherrschenden Einfluss
Schillers, der sich deiui auch eine launige Parodie der Glocke „Die Ressource" gefallen
lassen muss. In Hannover, wohin Dingelstedt als Lehrer der nahegelegenen englischen
Erziehungsanstalt zu Ricklingen öfters kam, macht er die Bekanntschaft des Novellisten
Blumoidiagen, des Dramaturgen Holbein, des bekannten Detmold, den er nicht abge-
neigt wäre, bei einem Konkurrenzunternehmen gegen Harrys' berühmte „Posaune" zu
unterstützen (1, S. 83). In der von Kassel aus gefülirten Korrespondenz mit Bardeleben
spielt Ernst Koch, der hessische Land.smaini, der jeanpaulisierende Dichter von „Prinz
Rosa Stramin", eine Rolle: warnend iind rühmend stellt der alte General dem jungen
Freunde Kochs Bild vor Augen (1, S. 117 ff.), von dessen ,,Vigilien" Dingelstedt mit herz-
licher Begeisterung spricht (1, S. 125). In Frankfurt lernt er 1837 Karl Gutzkow kennen,
„eine herrliche Ruine, die eine rohe Vandalenfaust zerschmissen hat; — ein Herz, in
(iem es so wüst und zerrissen aussieht, wie es uns Heine gern von dem seinigen weis-
machen möchte" (1,S. 135); er ahnt damals nicht, dass es ihm beschieden sein soll, jener
,,herrUchen Ruine" in einem weiter vorgeschrittenen Stadium des Verfalls schuldlos den
schlimmsten Stoss zu versetzen. Auf die feuilletonistische Teilnahme an der „Wage",
dem Beiblatt der ,, Hessischen Landeszeitung", folgt später die Gründung eines eigenen
Organs, des „Salons", deren Mitredakteure, Dingelstedts Schüler Jakob Gegenbaur und
den bekannten Romanisten Adolf Ebert, R. beiläufig schildert. Als der Fuldaer Gym-
nasiallehrer, der mit dem bösen Drama ,,Das Gespenst der Ehre" 1840 eine ebenso arge
wie verdiente Niederlage erlitten hat, seiner journalistischen und politisch-poetischen
Thätigkeit wegen den Dienst quittieren muss, da lässt ihn die Augsburger Allgemeine,
deren Leiter Kolb er mit dankbarer Wärme rühmt, nach Paris reisen. Hier hält er
sich mit Bewusstsein (1, S. 198) zu den schriftstellerischen Aristokraten, zu Pückler,
Laube, Heine, über den er aber in dem leider fragmentarischen Briefe, den R. 1, S. 200
abdruckt, gewiss nicht freundiiciier sprechen wollte als früher in Kassel: das verbietet
der Zusammenhang, und der von R. verwertete Umstand, dass Dingelstedt Heine an-
gepumpt hat, ist als Beweis freundschaftlicher Wertschätzung kaum zu verwenden. Eine
gute Ergänzung zu Fröbel (s. o. N. 79) bietet die knappe Schilderung Herweghs (1, S. 199),
die seine revolutionären Qualitäten freilich überschätzt, aber sonst diesen poetischen
St. Just mit zwei Worten frappant hinstellt. Als ihn seine Journalistenreisen nach W^ien
führen, bringt ihn Ottilie von Goethe vorübergehend in gesellschaftliche Aufhahme
(1, S. 212); ein köstlicherer Gewinn jener Tage ist ihm die Liebe seiner Jenny, der
berühmten Sängerin Liitzer. Diese Liebe kommt gerade zur rechten Zeit, um ihm hin-
wegzuhelfen über die gemeinen Angriffe, denen der württembergische Hofrat, der Spiess
und Hörn des Nachtwächters in die Ecke gestellt hat, nun für lange ausgesetzt ist. In
jenen zerstreuten Stuttgarter Jahren entsteht die Litteratiirkomödie „Genoveva" (2, S.48),
die die romantische Schule insgesamt, zumal aber Tieck, den lendenlahmen Greis,
grausam ins Gebet nimmt. Der Intendant Dingelstedt hat später gelernt, dem Berliner
Dramaturgen mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Mit Hackländer zusammen
giebt er 1848/9 das antidemokratische, nicht antiliberale Witzblatt ,,Die Laterne"
heraus; Hackländer und Ed. Devrient begleiten Dingelstedts vielfache dramatische Ent-
würfe mit kritischen Bemerkungen, unter denen die des Dichters unzweifelhaft feiner
sind als die des Schauspielers (2, S. 96 ff.); ein Hieb auf Griepenkerls „Robespierre"
fällt dabei beiläufig ab (2, S. 103). Ueber König Maximilians Tafelrunde, der Dingel-
stedt als Münchener Intendant natürlich auch angehört, werden wir sonst, auch durch
Dingelstedts „Mtinchener Bilderbogen", sehr viel besser unterrichtet, als es hier nebenbei
d. Leute jener Tage fUr sieb selbst redeu zu lassen.) — 198) F. Dahn, Erianerungen Bd. 2. 8. Buch. D. UiUTersiUtsseit
IV 1: 199-201. G. Roethe, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts. 74
(2, ö. 13H) geschieht. Bald stolpert er über Bacherl; aber die frenndschaftliche Ver-
mittelung Liszts, der Weimar durch eine „Goethestiftung" gerne wieder zu einem neuen
Mittelpunkt der künstlerischen Talente erhoben hätte, schafft ihm die Oberleitung der
Weimarer Hofbühne. Der alte, vagabondierende Sänger Hoffmann von Pallersleben
muss seine einstigen, geschmacklos albernen Angriffe auf die Hofpoeten Goethe und
Dingelstedt vergessen und wenigstens den letzteren, etwas säuerlich, ansingen (2, S. 167 ff.).
Auf den Konflikt mit Gutzkow, der natürlich die ganze Presse auf seiner Seite hat,
wirft ein Briefchen an Vogel Licht (2, S. 189). Die letzte Wiener Periode wird kvu'z
abgethan, da das Brief- und Tagebuchmaterial hier versagt: nur formvolle Verse an
Anast. Grün, Weilen, die von Dingelstedt entdeckte Wolter u. a., sowie ein für Liszt be-
stimmtes Oratorium vom heil. Stanislaus bereichern auch hier unsere Kenntnis seines
Schaffens, das zum besten Teile der Theaterleitung gehörte. Bei R. zieht sich die
Klage, dass Dingelstedt über dem Theater die eigene poetische Produktion versäumt,
sich nie zu einem grösseren Werke gesammelt habe, durch das ganze Buch. Dass es
so geschah, hat gewiss viel weniger seinen äusseren Grund in den Umständen, als
seinen inneren in Dingelstedts Begabung gehabt: darin bestärken mich auch diese
Blätter aus dem Nachlasse. Dingelstedts Stärke liegt eben in der formvollendeten Ge-
staltung des Kleinen. — Dank diesem formellen Geschick und Eifer ist es ein Genuss,
Dingelstedts intime Briefe und Gelegenheitsverse zu lesen, ein unendlich grösserer
Genuss, als die mit litterarischen Ansprüchen auftretende und doch so
lodderig zusammengeschriebene Selbstbiographie Dahns 198-201-) i^^ gewährt, deren
dicker zweiter, des Autors Universitätsjahre 1850/4 behandelnder Band im
Berichtsjahr erschienen ist. Obgleich D. sich selbst als „Lehrer und Ge-
lehrten zweiten und Dichter dritten Ranges" einschätzt, bespreche ich sein
Buch hier bei den Dichtern, da der Gelehrte schwerlich Interesse für ein so vielbändiges
Memoirenwerk erwartet hätte. Fährt D. in diesem Tempo und Tone bis in die achtziger
Jahre fort, wie er das beabsichtigt, so dürfen wir auf eine kleine Bibliothek gefasst
sein, gegen die Hoffmanns v. Pallersleben verspottete Selbstbiographie ein Ideal lapidarer
Kürze ist. Und Hoffmann hat doch etwas erlebt und weiss zu erzählen. D. dagegen
besitzt die Gabe der Charakteristik ebensowenig wie die der Konzentration und Kom-
position; unter Abschweifungen, Parenthesen, Vor- und Rückblicken aller Art wälzt sich
seine Darstellung breitspurig, langweilig und nichts uns schenkend vorwärts. Wie es
scheint, ist er durch den hochpathetischen Vortrag der Münchener Bühne (S. 141) zu
einem eintönigen Enthusiasmus erzogen worden, der nicht nur anderen zu gute kommt.
Für D. ist nicht das Erlebte, sondern der Erlebende die Hauptsache. Ich habe kaum
je ein Buch von dieser umständlichen Selbstzufriedenheit gelesen. Mit gruselnder Be-
wunderung erfahren wir, dass D. als Student nie ein Kolleg geschwänzt hat, als Professor
nie mit einer Vorlesung im Rückstand geblieben ist; die Examina haben ihm „die nur
selten verliehene erste Note" eingetragen, und selbst die Prädikate der Anmeldebogen
„ausgezeichnet fleissig" werden uns nie erspart. Sein studentischer „Idealtrieb" rührt
ihn „in seiner Reinheit und seinem selbstlosen Feuereifer"; er war ein „merkwürdiger
Bube"; Frau Birch zieht er an durch „die süddeutsche Frische und die Unverdorbenheit
und Reinheit der Seele", seinen Freund Eggers durch „seine Seelenfrische und schämige
Reinheit". Dass er „an Stoff-Einsammlung und an Eigenschöpfung" mehr leisten kann
als andere, erklärt er uns ausführlich; dass er auch im Schreiben mehr zu stände bringt
als andere, ist uns nicht mehr wunderbar, wenn wir erfahren, dass er „mitten in der
Vorlesung, ohne jedoch im Nachschreiben zu stocken, auf den Rand des Heftes die
kleinen Gedichte" niederwarf: schade, dass wir nicht erfahren, ob er mit der rechten
Hand nachschrieb und mit der linken dichtete oder umgekehrt. In der Wissenschaft
ist er Feind der Phantasie und des Geistreichtums, das leider bei Berufungen entscheide.
Seine Weltanschauung ist heroisch-tragisch. Er hat Mut in jeder Gefahr. Er ist ein
vortrefflicher Rapierfechter, gefällt den Mädchen, da er nicht hässlich ist, hat in der
Münchener Glyptothek die plastische Anschauung gelernt; aus seinem Schachspielen
erkannte Verdy gleich seinen „strategischen Genius"; Schwind hat ihm malerische,
Homstein musikalische Begabung nachgesagt, und Fontane ist erstaunt über seine
„armsdicke Poesie". Und nachdem wir das alles und vieles andere derartige einen
ganzen Band durch angehört haben, müssen wir S.518 mit Verblüffung lesen: „Ja, ja. ichmuss
Leipzig, Breitkopf & HSrtel. 628 8. M. 10,00. (S. 166 ff. über Dr. Wendung, d. fUr Franz Lachner Opemtoxte schrieb u. um-
arbeitete; S. 422 Über Halm n. Bacherl; S. 607 über d. Berliner Schauspiel ; S. 569 über Konr. Maurer.) — 199) X Max Koch.
Erinnerungen v. F. Dahn: N&S. 56, S. 136/8. (Geschmacklos lobsingende Besprechung d. 1. Bds.: ihm sind diese ,Krinnerungen"
Lyrik; d. Mensch u. Dichter tritt uns entgegen, wie er leibt u. lebt; e. Kommentar zu d. Thaten d. Helden.) — 200) X M.
K(och), Prosau. Verse V. F. Dahn: AZg". N. 304/5. (Kennzeichnet d. verschiedenen Arten d. Selbstbiographie an Goethe, Freytag,
Schack, Uamorling, rllgtd. formlose Art Dahns, dorn d. Gelehrte z. Durchbilden s. Werke nie Zeit gelassen habe u. der bei seiner
Gewandtheit in d. äusseren Form d. Schwierigkeit d. inneren unterschätze; aus Uahns „Kolandin* hebt er preisende An-
spielungen auf d. Fürsten Bismarck aus.) — 201) X Ad. Wilh. Ernst, Dahn« Erinnerungen: Qegenw 40, S. 6-9. (Sehr
75 G. Roethe, Allgemeines des 18,/10, Jahrhunderts. IV 1: 202-204.
mich hier wiodor oininal ein w'<Miig h>l)eii, es ist ja schon seit den Ritterspielen (I, S, 119)
nicht mehr geschehen." Man kann ja wohl solche Dinge erzählen, wenn man Humor
hat, von dum D. leider nichts hesitzt (er selbst ist anderer Meinung ö. 548): ohne dem
ahor sind diese Selbsthetrachtungen eine verwegene Herausforderung an den Spott
Und das ist schade, da das Buch gute Auseinandersetzungen gegen de>i litterarischen
Pessimismus (Schopenhauer und Heine) und für den Patriotismus als gesunde Bethätigung
des Individualismus, gegen die Farhenverbindungen und för die Reimreinheit bietet.
Wer sich selbst in der Erinnerung so verklärt, wie D., der wird auch andere nicht
scharf schildern. Wir wandeln durch lauter glänzende Häuser mit anmutigen Töchtern,
treffen auf lauter herrliche Menschen. Diese Stimmung des Autors muss man sich
gegenwärtig lialten. In München ,,gastet" er bei Lasaulx, dessen an Görres anknüpfende
Vorlosung eine gute Vorstellung von romantisch-ultramontaner Geschichtsphilosophie
giebt (8, 17); wie dieser ist auch Bluntschli, der stark unter dem Banne Rohmerscher
Anschauungen steht, ihm zu mystisch unhistorisch (S. 62 if.); sein geistiger Erlöser,
sein Erzieher zur wissenschaftlichen Arbeit wird Prantl, für den D. in seinen Erstlings-
schriften gegen ultramontane Angriffe eintritt. Als er die schönen Ferientage in
Chiemsee schildert, kommt er auf Auerbachs „Frau Professorin" zu sprechen, die er an
die Ehe des Malers Haushofer mit einem Wirtstöchterlein der Fraueninsel anknüpft:
wahrscheinlich mit mehr Recht, als wenn Merkel 202) in seinem Buche über Henle S. 242 f.
jenen Roman gemäss Henles eigener Ansicht mit der ersten Ehe des Gelehrten in Ver-
bindung bringt. Den Sohn des Malers, seinen lieben Spiel- und Wandergefährten, den
Dichter Max Haushofer rühmt er anhangsweise (S. 617 ff.). Ein anderer treuer Besucher
der Insel war der Dichtermaler Max Lentner, der schon vor Auerbach die Weise des
Bauerntums liebevoll und poetisch erfasst habe (S. 286 ff.); vor Auerbach, aber doch
nicht vor Immermann! Bei seinem Vater lernt D. den Dichter des Trauerspiels „Ze-
nobia", Andr. May, kennen; bei der Mutter hört er Fallmerayer wundersame Geschichten
aus dem. Orient und, auf dem Heimwege, saftige Heiligenlegenden erzälilen
(S. 323 ff.). Nach Berlin übergesiedelt, tritt der Jüngling seiner „guten, lieben, treuen
Mutter Birch", der „prachtvollen Schwäbin", besonders nah; leider hält er auch ihren
dichterischen Qualitäten eine banale Schutzrede; menschlich ist uns die treffliche Frau
gerade durch neuere Publikationen ( JBL. 1890 IV 1 : 61) oft genug näher gerückt. D. ist um
so weniger unparteiisch, als er sich in die Tochter, die als Wilhelmine von Hillern auch mit der
Litteratur zu schaffen hat und die er als ein leidenschaftlich wildes Mädchen schildert, bis
zum Verloben verliebt, ohne darum die aus Band 1 der „Erinnerungen" uns nur allzu ver-
traute Didosa im Herzen auszustreichen ; aus dieser Doppelliebe erwuchs später „Friggas
Ja"! Bei Frau Birch lernt er u. a. die junge Marie Seebach kennen. Sein nächster männ-
licher Freund in Berlin wird der anziehend geschilderte Fritz Eggers (S. 422 ff.), der
ihn in den aus Fontanes „Scherenberg" uns wohlbekannten „Tunnel unter der Spree"
einführte; warm rühmt er die belehrende Kritik, die er, als „Waiblinger" aufgenommen,
dort erfuhr. Auch an Kuglers „Ellora", in der Ltibke und Otto Roquette die Haupt-
rolle spielten, glaubt er teil genommen zu haben und schildert mit der üblichen
Begeisterung die schönen Abende bei Kuglers (S. 446 ff.); was er erzählt, stimmt
freilich gar nicht zu Lübkes eigenen Angaben (Lebenserinnerungen S. 187), nach denen
weder Kugler noch Dahn Mitglieder jenes Kreises gewesen wären. Ueber diesen
ästhetischen Genüssen versäumt er nicht die Collegia: uns interessiert hier höchstens,
was er über Werders und Rankes Vortrag erzählt: der gi'osse Historiker hat ihm etwas
„Eibisches": ob da nicht auch ein Anachronismus des Gedächtnisses hereinspielt?
Seine poetische Lieblingslektüre ist Rückert und, wohl unter Einfluss Fontanes,
englische BaDaden; er selbst dichtet, regelmässig wie Vater Gleim, alle Sonntage Vor-
mittag seine Verse herunter: es geht eben nichts über gute Zeiteinteilung. — Wie muss
sich vor diesem fleissigen Dichter und Schriftsteller wohl Klaus Groth^^-*) schämen,
dessen „Lebenserinnerungen", von einem beflissenen Interviewer dem Wortkargen
mühsam entlockt und möglichst wortgetreu nacherzählt, ein ganz schmales, dünnes
Heftchen füllen. Der schöne Lebensabriss, den Müllenhoff im Jahre 1856 dem Freunde
zeichnete, eröffnet das Bändchen. Für die geringen litterarischen Anknüpfungen des
„Quickborn" enthalten G.s Bemerkungen über seine Vorgänger in der Dialektdichtung
einiges Beachtenswerte ; die plattdeutschen Volksliedeireste, die er sammelte, bedeuteten
ihm mehr als Hebel, melu* als die Niederdeutschen Voss, Bornemann, Bärmann, die sich
eben doch von hochdeutscher Art nicht frei hielten. Der „Quickbom" trägt ihm das
warme Lob von A. v. Humboldt und von Gervinus, später von Mommsen und sogar von
schnöde Ablehnung d. 1. Bds. aus GrUnden d. InhalU u. d. Form.) — 202) (IV 6 : 169). — 203) Klaus Groth, Lebenserinne-
lungen i^her. v. Eug. Wolff\ != Dtsch. Schriften Wr Litt. u. Kunst, Heft 2.) Kiel n. Leipzig, Lipsius & Tischer. 125 8.
M. 3,00. IlL. Geiger: NationB. ä. 585; G.: LCBl. 18V3, S. 1397.]| (Erw&hnt ausserdem d. Pastor Marc. Petersen in Telling-
£tedt, der in G.s «Poter Kunrad' auftritt, Walesrode, Simrock, Fre;tag, Baudissin, Otto Boquett«, Hebbel u. a.) — 204). X ^-
IV 1: 205-211. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. , 76
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Bisiriarck ein; Eokeniiann, der ihn besuclite, klagt: „Wenn der alte Herr (d. i. Goethe)
doch noch Ihren Quickborn erlebt liätte!"; nun, was der alte Herr gesagt hätte, kann
man sich ungefähr zurechtlegen. Auf Reisen nach Hamburg, Bonn, Leipzig und Dresden
lernt G. viele Leute kennen: aber er schildert sie nicht, nur der eine oder andere
kleine Zug, ein paar unbedeutende Anekdoten werden erzählt. Li Hamburg verkehrt
er mit Moritz Hartmann und Robert Heller; in Bonn mit Otto Jahn, den er besonders
verehrt, mit dem reizbaren Böcking und mit Dahlmann, der das Plattdeutsche als eine
der Stammsprachen der Deutschen richtig geschätzt habe; durch seine Vertrautheit mit
Platen gewinnt er sich Welckers Herz; an der politischen Ziiversicht Arndts erfreut er
sich; der bittere, schnellfertige D. F. Strauss ist ihm unsympathisch. Der anekdoten-
reiche Berthold Auerbach in Dresden spricht ihm zu viel von sich selbst, Otto Ludwig
erscheint ihm als Grübler und Rigorist. Geibel bietet ihm bei der ersten Begegnung
gleich das Du an und geht im Laufe des Gesprächs spielend aus der Prosa in Quatrains
über. Sein bester und thätigster Freund war doch Müllenhoif, dessen Vertrauen sich
der Autodidakt durch seine seltsamen akademischen Gelüste ein wenig verschüttete;
traute sich der Treffliche doch ebenso die Professur der Botanik wie die der Germanistik
zu, schon dadurch beweisend, dass er von Wissenschaft eine ebenso unklare Vorstellung
hatte wie Zo Hing 205)^ (J^r sich entrüstet, weil auch Müllenhoffs Nachfolger in Kiel
nicht einsehen wollten, dass Groth, ,, ihnen in jeder Beziehung an Wissen und Können
ebenbürtig war und dass man von ihm und dem Quickborn noch reden wird, wenn
ihre Kärrnerdienste mit ihren Namen längst vergessen sein werden". Schöne Logik!
Als ob Groths dichterische Bedeutung an seiner wissenschaftlichen Minderwertigkeit
das geringste ändern könnte! — Ich schliesse die Reihe, wie ich sie begann, mit den
biographischen Aufzeichnungen eines bekannten Zeitungskorrespondenten. Aber Ludw.
Piet seh 206-8^ erzählt uns nicht wie Wachenhusen von seinen Reisen; er erzählt uns,
behaglich und doch in gewählter guter Form, wie er Schriftsteller ward. Der arme,
mit seiner Familie beinahe hungernde Maler von 1852 ist froh, als er mit bezahlten
Zeichnungen Wolffscher und anderer Skulpturen, die er mit unbezahltem Text begleitet,
einen kleinen Nebenverdienst bei der Leipziger Illustrierten Zeitung findet. Der
ermöglicht ihm selbst in Berlin eine Art bescheidenen Landaufenthalts draussen auf der
Lietzower Wegstrasse: an seinem Gartenzaun sieht er Scherenbergs Familie zuweilen in
frappanter Gruppe vorbeiziehen; prächtig malt er die Erinnerungsbilder jener grenzenlos
bescheidenen und doch idyllisch reizvollen Tage. Wieder begegnen wir Fritz Eggers,
der mit Lübke das „Deutsche Kunstblatt" redigiert: sie beide, namentlich Lübke, der
thätigere und kräftigere, schaifen P. in ihrem Blatte und weiterhin Gelegenheit zu
zeichnerischer und schriftstellerischer Thätigkeit. Doch tritt der sorgende, noch immer
beengte Familienvater nicht in die gesellschaftlichen Kreise jener rangierten, korrekten
Männer: den Cirkel Kuglers, das „Rütli", einen Ausschuss des „Tunnels", sieht und
schildert er nur aus der Ferne; einzig von dem Tunnelmitglied Hugo v. Blomberg, dem
Dichter und phantasievollen Ornamentisten, dessen auch Lübkes Lebenserinnerungen
(S. 157) gedenken, giebt er ein ausgefühHeres Porträt. Geschäftliche Anlässe führen ihn
in das Haus Duncker, dessen Mitteljmnkt die nicht schöne, aber fascinierende Herrin
bildet. Hier überwiegt die Litteratur über die Kunst, und hier zumal wird P. litterarisch
inficiert. Hier trifft er Gottfried Keller, den früheren Landschaftsmaler, hier den nerven-
zarten Stahr mit seiner kühl herablassenden, kritischen Fanny, hier Ferd. Lassalle,
dessen unrealistischer, für Natur und Kunst blinder Geist, dessen theatralisches Pathos,
dessen Eitelkeit ihm wenig sympathisch sind. Aber mittelbar dankt er Alex. Duncker,
der ihn veranlasste, Storms „Immensee" zu illustrieren, auch die Freundschaft mit diesem
verehrten Dichter. Wiederholt berührt er die seltsame, von ihm trotz allem sehr
geschätzte Gestalt des weltverachtenden Philosophen Bruno Bauer, für den er Max
Stirner auf dem Totenbette zeichnet. Der Uebergang zur Litteratiu" ist für P. abge-
schlossen, als er 1858 an Stelle des nach Italien reisenden Lübke in der Spenerschen
Zeitung die regelmässigen Berichte über die akademische Kunstausstellung übernimmt. —
Lübke 209-211) selbst, der uns hinüberführt zu den Aufzeichnungen der Histo-
riker, berührt sich im Stoife naturgemäss vielfach mit Pietsch und Dahn. Pietsch ist
von den dreien schriftstellerisch der fesselndste und sorgfältigste, der einzige ausserdem,
der charakterisieren kann: denn auch L. ist nicht frei von jener süsslichen be-
Werner, Lebenserinnerungen v. Klaus Groth: AZg". — 205) X Th. Zolling, Erinnerungen v. u. an Klaus Groth : Gegi'nw
;J9, S. 105|8. (Teilt aus «. Briefe Groths e. Äusserung Dahlmanns mit, nach d. sich Heinr. v. Kleist schwerlich erschossen
hätte, wenn er d. Nachriclit v. Dahlmanns Kieler Professur frllher erhielt. [??]). — 206) L. Pietsch, Wie ich Schriftsteller
ward: ML. 60, S 15/6, 20—32, 61/3, 76/8, 81/3, «7/9. — 207) id., Wie man Schriftsteller werden kann: ib. S. 113/7, 129-32,
145/8, 170/3, 387—90. — 208) id., Erlebnisse aus d. fünfziger Jahren: ib. S. 374/6. — 209) W. LUbke, Lebenserinnerungen.
Mit e. bildnis. Berlin, Fontane. VIII, 379 S. M. 6,00. |[F. Bienemunn: BLU. N. 26; M. S.: N&S. 59, 130 f. ; SchwSb.
Krou. N. 131; L. Geiger: Nalion". S. 586.]| — 210) X «^. Roquelle, LUbkes Lebenserinnerungen: AZg». N. 110. (Fllgt,
so nahe er in Berlin u. ZUrich LUbkes Kreisen gestanden hat, doch aus eigener Erfahrung nichts hinzu.) — 211) X PP-> LUbke
u. seine jüngsten Schriften: ZBK. NF. 3, S. 66—71. (Farblos; bedauert unter grossem Lobe, dass L. der neuesten Kunstent-
77 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. rV l: 212-210.
^eistortei) V^rHoliwoinmenheit in der Auffassung von Personen und VerhiiltnisHen, die
Dahn in so holieni Masse eignet. Aber L. versteht es doch besser, sich zusammenzufassen;
dor massige Band, in dem der namentlicli in Laienkreisen geschätzte Kunst-
historiker seine lesenswerten Lebenserinnerungen niedergelegt hat, urafasst volle vierzig
Lebensjahre, also einen Zeitraum, der Dahn fasst das Zehnfache an Papier und Tinte
gekostet hätte. Das Prachtstück des Bandes bildet freilich die kurze, aber in ihrer
schlichton Würde überaus anziehende Lebensdarstellung, die L.s Vater, ein einfacher
katholischer, aber mit der Geistlichkeit verfeindeter Volksschullehrer, aufgesetzt hat.
In diesen Kämpfen des Vaters erwarb sich L., noch als Gymnasiast, die litterarischen
Sporen, auch im Anlass der jugendlichen Erstlingsschrift an Dahn erinnernd. Die
[Schilderung der Gymnasialzeit benutzt auch er, um Zeugnis abzulegen für die „feste
Grundlage klassischer Bildung, welche durch nichts Anderes jemals zu ersetzen ist".
Der Bonner Student der Piiilologie wird besonders durch Gottfried Kinkels mit fast
l)ühnenmässiger Stimmentfaltung gehaltene Vorträge erwärmt; und auch an den musi-
kalischen Uebungen seiner unansehnliciien, aber interessanten Gattin nimmt er mit Genuss
teil. Auch der katholische Historiker und Poet Junckmann zieht ihn an. Der kühne
revolutionäre Geist der Zeit spricht zu ihm aus Max Stirners berufenem Buche. Als er
in Berlin seine philologischen Studien bei Lachmann, Boeckh und Joh. Franz fortsetzt,
macht er die Bekanntschaft von Fritz Eggers, dem er nun durch lange Jahre nahe tritt
Er spricht von dem „Anakreon" des Tunnels nicht ganz so begeistert wie Dahn; er
empfindet doch das Tändelnde, den idealen Sybaritismus des Mannes als keinen unbe-
dingten Vorzug: so schützt er ihn als Poeten, Philosophen und Aesthetiker höher denn
als Kunsthistoriker. Aber eine warme Tönung hat auch sein Porträt von Eggers, der für
<lon Helden von Wilbrandts „Unerreichbar" und „Fridolins heimlicher Ehe" Modell ge-
sessen hat. Auch hier tauchen dami „Tunnel", „Rütli", „Ellora" auf, darin Fontanes
beherrschende, mit verdienter Lebhaftigkeit gepriesene Gestalt; ich stimme L. durchaus
zu, wenn er urteilt, dass der bedeutende Dichter die volle Würdigung noch immer nicht
erfahren hat; es ist L. vergönnt, mit diesem berufensten Führer durch die Mark, auch
durch den Spreewald zu streifen. Die Freundschaft zeichnet die Bilder des
jugendlichen Otto Roquette und Berthold Auerbach, den L. in Dresden kennen lernt.
Zu einem interessanten Studienkopf giebt Anlass der Docent der Bauakademie, der
poetisch begabte Willi. Stier, dessen „Hesperische Blätter" L. nach dem frühen Tode
des Vf. herausgab; Stiers „Pilgerfahrt" nach dem heiligen Rom der Kunst erinnert ihn
an Seumes berühmten Spaziergang. Gern gedenkt L. der Mittagsgesellschaften bei
Wilh. V. Merckel, der dem Scheidenden in einem geistreich scherzenden und doch herz-
lichen Sonett Lebewohl sagte; zu seinen ferneren Bekannten gehören Titus Ulrich, da-
mals Kunstreferent der Nationalzeitung, der spannende, wenn auch nicht hochgreifende
Romanschriftsteller Mützelburg, dann Pietsch, Kossak, Theodor Storm. Als L. den
Totentanz in der Marienkirche untersucht, da schreibt ihm Blomberg einen geistreichen
Denkvers ins Album. Auch in Zürich, wohin er von Berlin die Schritte lenkt, tritt er
in interessante Kreise: mit Gottfr. Keller und Friedr. Vischer, den schwer Zu- und
Umgänglichen, gewinnt er Füiilung und darf sogar den dritten Teil des Faust aus dem
Manuskripte hören. Mit der Berufung nach Stuttgart, Frühjahr 18(J0, bricht die Bio-
graphie ab. — Wurde Lübke schon durch die Wahl seines liistorischen Stoffes auf enge Be-
ziehungen zum künstlerischen Berlin hingewiesen, die durch seine Neigung zu populärer,
auch den Laien anziehender Schreibart nur verstärkt wurden^ so zeigt uns der Band
„Zur eigenen Lebensgeschichte" Ranke 2i2-2i6\ durchaus in der Umgebung des
gelehrten Berlins. R. hat ein biographisches Werk nicht hinterlassen; er glaubte
wichtigere Aufgaben vor sich zu sehen. Aber einen Ersatz suchte Dove zu geben,
indem er vier kurze biographische Diktate R.s vom Okt. 1863 (schon 1887 in der Deutschen
Rundschau publiziert), vom Mai 1869, vom Dez. 1875, vom Nov. 1885, verband mit
Briefen an die Gattin, die Brüder, die wissenschaftlichen Freunde usw. (im ganzen 329,
darunter 12 an König Maximilian IL von Bayern) und mit einer Auswahl der schönen
und tiefsinnigen Tagebuchblätter, in denen der vereinsamte Greis namentlich politische Ein-
drücke und Reflexionen niedergelegt hat. Die beiden ersten Diktate hängen zusammen;
sie schildern, auch in thatsächlicher Erzählung und mit genrehaften Zügen, die Kindheit
im kleinstädtischen Elternhaus und die Lelxrzeit auf Schide und Universität, die Periode
Wicklung so wenig Verständnis entgegengebraclit l.at.) — 212) (IV 6 : 132; S. 103 lurtes Drtail Ober Eichhorns LitUntv-
geschichte; S. 245 Über Niebuhr.s Tod; S. 272 Lob der Briefe Joh. t. Müllers; S. 279 Ober Hegels Nachfolger Gabler; S. 484
kurze Eisenbahnfahrt mit Fürst Pückler.) j[F. Bienemann: BLU. N. 2«: Grenib. III, 42»— 31.]| — 218) X Bruno Oeb-
hardt. Aus Rankes Briefen u Tagebüchern: Gegenw. 39, 8. 217i9. (AuMüge aus N. 212.) — 214) X J. R(o de n b erg), L.
V. Ranke, seine Briefe, Tagehuohbll. u. Erinnerungen: DRs. 1890 1, IV, S. :i06 — 15. (Aa«sOge, n. a. Ober Rankes Beziehungen
zu Macaulay u. Thiers : Rankes Objektivität ist Eifer für d Wahrheit.) — 215) X Ed. Sctiulte, D. I.ebensrrinueningen L.
T. Rankes: VZgs. N. 9. (Namentlich d. Briefe Ranke.<< werd»n gerOhmt . d. sein Wesen widerspiegeln: Ranke habe in hohem
Wii-st> (liis Talfiit d. BnetVrh'eil'-ii.s luse .-i-n; im lil-rigeM kn'/.e Biogiafbie mit AustOgen.') — 216) X t-- Ranke Briefe u.
Tagebuchbll: NFPr. N 94U5. (E^ wird aus dieaeiu Bande die oft au;ige8prooheiia Meinung widerlegt, Baukea kühle Ubjektifitlt
rV 1: 217-218. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 78
des Gymnasialamtes bis 1825, die ihm Gelegenheit giebt, die antiken Schinlautoren, zu-
mal die Historiker, zu charakterisieren. Die beiden anderen Diktate verflüchtigen das
Thatsächliche stark, sprechen mehr über das Leben R.s, als dass sie es erzählen: das
dritte stellt in grossem Ueberblick den Einfluss der politischen Zeitbewegungen
auf den Vf. dar; das vierte berücksichtigt namentlich R.s schriftstellerische Entwicklung
bis 1848. Während sich die Briefe ziemlich gleichmässig von 1819 — 1886 erstrecken,
gehören die von Dove ausgehobenen Tagebuchblätter weit überwiegend der Zeit nach
1870 an. Der Anekdotenkram, die kleinen persönlichen Züge und Einzelheiten, die in
der Mehrzahl der besprochenen Selbstbiographien die Hauptrolle spielten, treten bei R.
ganz zurück; alles Kleinliche fehlt selbst in den vertrauten Briefen dieses hohen Geistes;
wo er von Persönlichkeiten spricht, giebt er nicht Erlebnisse, sondern Eindrücke. Und
wir bewegen uns stets in guter, ja vornehmer Umgebung. Dass wissenschaftliche und
politische Dinge R. ungleich mehr beschäftigen als litterarische, ist selbstverständlich.
In seinen ästhetischen Urteilen ist er freilich mehr ein Sohn seiner Zeit, als ich erwartet
hätte. In seinem Elternhause kannte man Schillers Gedichte nicht, bis, lange nach R.s
Abgang zur Schule, Schillers ältester Sohn, der im Hause wohnte, sie dort importierte. Und
in Schulpforta galt in erster Reihe natürlich Klopstock, obendrein durch den einflussreichen
Mathematiker Schmidt hoch geschätzt; R. hat uns den Eindruck, den der Schüler von dem
Sänger der Messiade empfangen hat, warm geschildert (S. 22), und noch ein Brief von 1820
legt Zeugnis davon ab, wie tief Klopstocks Bilder in die Phantasie des Jünglings eingedrungen
sind. Derselbe Brief begeistert sich für des nordischen Magus Briefe an Jacobi: „ein
ganz einsamer, von der Welt verstossener, aus aller Wissenschaft zu Gott geretteter
Mensch, immer verkannt, rückgestellt — nun auf einmal aus der Ferne her mit so warm
liebender Hand angefasst". Dagegen ist R.s Verhältnis zu Goethe bei hoher Bewun-
derung kühl ; gerade bei dem Mann der wissenschaftlichen Objektivität ist der Gegensatz
lehrreich, in den er (S. 23) den subjektiven (!) Goethe zu dem objektiven Schiller stellt.
Er spricht es geradezu aus, dass ihm als Studenten Goethe zu modern war (S. 59), und
so blieb es: einige Bemerkungen aus den vierziger Jahren über den späteren Goethe
(S. 573 f.), namentlich über die ,, Wahl Verwandtschaften", zeigen doch wohl, dass R. ein
echtes inneres Verhältnis zu ihm überhaupt nicht gewonnen hat. Zum sprachlichen
Vorbilde nimmt er lieber Luther. Das Fromme, Gläubige, freilich nicht Kirchliche
schimmert durch R.s Aeusserungen durch wie ein goldener Untergrund des Bildes:
alle Geschichte führt ihn zu Gott; in dieser Richtung sagt ihm Angelus Silesius trotz
abstrusen und frevelhaften Sätzen zu (S. 147); und der eine der beiden poetischen Ver-
suche, die der Band bringt, ist ein schönes Gebet aus den achtziger Jaliren ; der andere,
ein scKarfes Epigramm, wurde durch Heinr. Leos Angriffe auf Rankes erstes Buch
hervorgerufen. In jener frommen Grundstimmung verstand er sich mit König Friedrich
Wilhelm IV., von dem er stets mit grösster Verehrung spricht: an ihn muss er denken,
da er die Psalmen Davids liest (S. 30); er erfreut sich an der Genialität seines Wesens
und der Tiefe seiner inneren Impulse (S. 74); der König war ihm ein Mann, von dem man
besser wegging, als man gekommen war; noch 1873 sucht er Dove eine bessere Meinung über
ihn beizubringen (S. 507). Dagegen beurteilt er Bunsen, den „Idealisten, der
durchaus praktisch sein wollte", mit grosser Kühle (S. 592 ff.), während er für Varn-
hagen unverkennbare Sympathien besitzt (S. 147, 151). Natürlich war er diesem und
A. V. Humboldt, den platonischen Freunden des Radikalismus, als Leiter der „historisch-
politischen Zeitschrift" 1831 ebenso sehr zu konservativ, wie anderen sein vermittelnder
Standpunkt jakobinisch erschien. Vom Ultra war er weit entfernt: hat er sich doch
1819 mit heisser Glut für Jahn ins Zeug gelegt gegen die thörichte Demokratenhetze
(S. 79 ff.). Aber er hat auch für einen hochkonservativen Staatsmann Verständnis, wie
Gentz 217)^ von dem er Sept. 1827 in Wien manche Förderung bei seinen Archiv-
forschungen erfährt und den er sich freut, keineswegs als krassen Absolutisten und
dabei frei von jeder Frivolität zu finden. Dem grösseren Staatsmann, Bismarck, dankt
er freilich noch tiefere Förderung: er spricht ihm aus, dass eine seiner Reden selbst ihm
neue Gesichtspunkte für die Geschichte des 19. Jh. dargeboten habe (S. 550 f.). König Maxi-
milian II. von Bayern, dessen Gast er in Berchtesgaden gewesen ist, schickt er einmal
zusammenfassende Andeutungen über das Verhältnis künstlerischer uni politischer
Epochen (S. 404). Von dichterischen Werken seiner Zeit spricht er nicht viel: Rückerts
Saultragödie wird wohl einmal schnell abgethan (S. 329), und Bettinas Briefwechsel als
absichtlich und selbst langweilig bemängelt, so sehr dieses Buch die ganze liebens-
würdige, geistreiche Person sei (S. 271 f ). Aber Arnims schöner Tod, den er schildert,
erschüttert ihn tief (S. 245, 250); über Waiblingers leichtfertiges Leben und verschuldete
Krankheit berichtet er hart an Heinrich Ritter aus Rom (S. 229), und mit Platen ver-
bindet ihn Freundschaft und Briefwechsel: er hilft den Kranken in Rom pflegen
habe auf e. Mangel an innerer Teilnahme beruht.) - 217) X (IV 6 : 182 e; nach N. 21 i ) — 218) X Heinr. Weber, Zwei
79 G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhundert». iv 1: 219-221
(S. 232, 234), scherzt tVber sein Interesse für eine schöne Landsmännin aus Thüringen
(S. 23G) und vermittelt 1831 seinem „Märchen" (sind die „Abbassiden" gemeint? „Roseii-
sohn" war schon 1827 gedruckt) den Reiraerschen Verlag (8. 256). Bei Reimer lernt
er 1827 Aug. Wilh. Schlegel kennen, bei dem er durch alles Amüsante „eine gewisse
Leerheit" durchspürt (S. 100), in Wien desselben Jahres Friedr. Schlegel, der den philo-
sophischen Unterricht für junge Leute verwirft (S. 180). Schleiermachers herrlichen Tod
beschreibt er mit Wurme (S. 206), wälirend er von Charlotte Stieglitz' Ende nur ktihl
redet; er glaubt nicht, dass dieser Opfertod den Mann ändern wird, dem die Poesie
immer ein Effort gewesen sei (S. 270). Der Anhang, der die Idee einer Akademie für
deutsche Geschichte und Sprache in mehreren Eingaben und Entwürfen formuliert, ist
ein .iiistorisch wertvolles Dokument für diese neueste Etappe des uralten Planes. —
Als man im Jan. 1830 die sterblichen Reste des armen, von Ranke so scho-
iiim^slos getadelten Waiblinger zur Cestiuspyramide hinaustrug, da folgte dem Sarge
(k;r junge Theologe Karl Hase^iö), der in gerührter Teilnahme der Geliebten in der
Heimat von dem unglücklichen Tübinger Studiengenossen, seinem glühenden Erstlings-
werk „Phaeton" und seinen traurigen letzten Stunden berichtet. Die Verscliiedenheit
der Parbengebung und des Urteils bei Ranke und Hase erklärt sich ebenso aus dem
Aiilass ihrer Briefe wie aus der Verschiedenartigkeit ihrer geistigen Physiognomie.
J(Mier Brief Hases gehört zu seinen „Erinnerungen an Italien in Briefen an die künftige
Geliebte", die Sohnespietät jetzt mit den längst bekannten, köstlichen „Idealen und
Irrtümern" 219) und den späteren kunstlosen Aufzeichnungen „Annalen meines Lebens"
zu einem starken Bande „Karl von Hases Leben" zusammengefasst hat. Jene „Erinne-
rungen an Italien" 220) berichten von der Reise, die H. zusammen mit Gottfr. Hermann
im Winter 1829 — 30 unternommen hat. Der Zauber dieser liebenswürdigen und milden
Natur, dieses anmutigen, in allem ästhetischen Geistes, dem die Grazie der Rede in un-
gewöhnlichem Masse zu Gebote stand, macht seine italienischen Reisebriefe ebenso zu
einem Scliatze unserer Memoirenlitteratur, wie die „Ideale und Irrtümer", an die sie
unmittelbar anschliessen. H. verdriesst es, dass die meisten Menschen Juristen, Theo-
logen, Kesselflicker sind, aber keine Menschen. Bei ihm hat der Theologe den
Menschen nicht geschädigt. Das erfährt der Pfarrer, gegen dessen Bekehrungs versuche
H. den sterbenden Sünder Waiblinger sehr untlieologisch in Schutz nimmt (S. 140);
das offenbart sich in der Wonne, mit der H. zu Rom den guten katholischen Heiden
Winckelmann preist (S. 118). Ihrem Stil nach gehören die Reisebriefe unter die Aus-
läufer der sentimentalen Reisen. Der Geist und Herz beherrschende Poet ist Jean Paul.
Eine Pilgerfahrt zu seinem Grabe bildet das Präludium (S. 3); in München wird
seine Tochter, Frau Emma Förster, besucht (S. 14). Wo wir, die wir Jean Paul nicht
lesen, wenn wir nicht müssen, etwa sagen: ,, Jeder Mensch hat etwas vom Faust in
sich", sagtH. : ,,Wir haben fast alle etwas von Roquairol an uns" (S. 181); bei Isola
Bella erbauen sich die Reisenden am „Titan", dessen Gestalten für H. fast Schutzgeister
gewesen sind (S. 64), und es ist ihm besonders anziehend, das echte, von Jean Paul
nie geschaute Italien mit dem Phantasiebilde des Dichters zu vergleichen (S. 133).
Noch 1850 zaubert dem älteren Mann der „Quintus Fixlein" Stimmungen der Jugend
vor die Seele (Annalen S. 88). Neben Jean Paul kommt in den Briefen kein anderer
deutscher Dichter ernstlich vor, nur Goethe natürlich ausgenommen, der den Reisenden
in Turin durch ein Drama „Werther" mit gutem Ausgange ä la Nicolai unsanft in Er-
innerung gebracht wird. In Florenz schreibt H. die deutschen Knittelverse des 16. Jh.
ab, die unter einem Doppelbilde der beiden sächsischen Reformationskurfürsten von
Lucas Cranach stehen (S. 99). Sonst aber ist mehr von eigenen, freilich kaum ernst
gemeinten poetischen Plänen die Rede als von den Poesien anderer. Auf dem
Comersee macht H. Verse (S. 61); in Tirol plant er ein Hoferdrama, in Rom eine Tra-
gödie „Raphaels Braut", deren Idee er uns ausführlich ausbreitet (S. 125 flf.); und in
einem Satanidenroman „Merhn", dessen teuflischer Held zuletzt Papst werden und der
die Entwicklung, des römischen Katholizismus darstellen soll — ein Plan, lange vor
Gutzkows „Zauberer" gefasst — will er sogar mit Miltons, Klopstocks und Goethes
Teufeln wetteifern (S. 134 if). Bei der Abreise von Sicilien, 23. Mai 1830, brechen die
Briefe ab. — Die „Annalen meines Lebens" -21), die mit dem 18. Juli desselben Jahres
einsetzen und bis zum Tode reichen, tragen ein ganz anderes Gepräge. Sie bestehen
Selbstbiograpliien. K. Hase, J. Fröbel: PrJbb. 67, S. 264—78. (Kennzeichnet Hase als e. im Grunde anpolitischen Geist.) —
219) X Karl v. Hase, Jngonderinnerungen. Ideale u. Irrtömer. (3. Abdr.) (= Ges. Werke. XI, 1.) Leipzig, Breitkopf
& Kartei. 1890. XIV, 230 S. M. 5,00. |[Rich. Weitbrecht: BLU. N. 15; F. Bienemann: ib. N. 26; SchwabKron. N. 72;
P.: N&S. 57, S. 151; C. S.: DK. II, 252 f.; S.: DRs. 1890/1, S. 317.]| — 220) X id., Erinnerungen an lUlien in Briefen an d.
künftige Geliebte. (= Ges. Werke. XI, 1.) ebda. 1890. IV, 272 S. M. 6,00. - 221) (IV 6 : 113; S. 45 über sein Kommers-
bHch; S. 69 d. alte Schelling erinnert ihn an d. zweiten Teil d. Faust; S. 92 BegrOssung durch Bansen in London; S. 116
Auflilliruiif,' il „lluldiKung d. KUu.-le' 'n Weimar 1854; !S. 149 l'orliner Univeroitltsjubillum ; S. 355, 259 warmes Lob FrommeU :
S. 3;{5 Über Uahus „Gelimer".) |LKith. Weitbreoht: BLU. N. 52; P.: NiS. 59, 424; Gesellsch. S. 1689; DBs. 1891/2. I,
IV 1: 222-227. G. Roethe, Allgemeines des 18.' 19. Jahrhunderts.
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aus kurzen Jahresübersichteu, die H. bis 1888 selbst regelmässig nach seinen Tage-
büchern angefertigt und die der Sohn ergänzt hat aus den zahllosen Briefen des
Nachlasses: die Briefe, die H. von seinen fast alljährhchen Reisen an die Gattin schrieb,
die Briefe an die Kinder bilden dabei den Grundstock. Der redigierende Sohn, Karl
Alfred von Hase, ergreift niir für die letzten Tage des Vaters kurz das Wort. Ist der künst-
lerische Reiz dieser ,,Annalen" geringer, der Reiz der Persönlichkeit ist es nicht. Dass
Universitätsverhältnisse eine grosse, uns minder interessierende Rolle spielen, ist selbst-
verständlich ; die Beziehungen zu Weimar bieten doch manches Anziehende. H. besucht,
fast beklommen, Goethe, auch seine liebliche junge Frau wagt es mutig und mit gutem
Erfolg (S. 4 f., 16 ö".; vgl. Goethes Gespräche 8, S. 141 ff.). An Goethe erinnert ihn Jac.
Grimm, der ihn in Jena besucht und sein ganzes Herz gewinnt (S. 36). Einem Anderen der
Sieben, Dahlmann, hält H. den Abschiedstoast, als jener nach Bonn berufen ist (S. 47).
Als er den litterarischen Nachlass Karolinens v. Wolzogen durchblättert, da rührt es
ihn zu sehen, wie entsagend die feinfühlige Frau die zärtlichen Worte, die Scliiller in
seinen Briefen auch an sie gerichtet hq,tte, für den Druck alle auf Lotte überträgt
(S. 77). Auf seinen italienischen Reisen sieht er durch München fahrend oft Paul
Heyse (S. 128, 185): er rühmt seine „Thekla", in der nach dem ursprüngliciien Plane
Paulus selbst, nicht sein Jünger Tryphon, das Herz deß Mädchens gefangen nahm, und
billigt die Aenderung des Vorwurfs (S. 133). Den goldnen Doktor feiert ein präch-
tiges Carmen saeculare Geroks (S. 253). Einer der letzten grossen Momente dieses
reichen Lebens ist eine Unterredung mit Bismarck in Gastein im Aug. 1886 (S. 338 £). Von
der Ecclesia militans wird H. durch Herzensmilde und ästhetischen Geschmack ferngehalten;
ohne den Kampf zu scheuen, lebt er doch im Innern Frieden mit der Welt, die sein kluges
Auge weithin überschaut. — Derselbe friedliche Geist spricht zu uns, aber freilich aus der
Enge des ländlichen Pfarrhauses, in Hagenmeyers^S-*) schlichten Jugenderinnerungen, die
uns namentlich von der Bildungsanstalt der Brüder Paulus auf dem Salon bei Ludwigs-
burg erzählen, und aus der prächtigen Familiengeschichte Z arn ckes 2-'3). die uns
nicht nur in die revolutionären Schreckenstage von Bützow, sondern weiter mit Z.s
Vater über die Universitäten Rostock und Göttingen bis in die stille Pfarrwohnung
von Zahrenstorf führt. Beide Bücher sind auf den Ton des genrehaften Idylls ge-
stimmt. — In eine andere, mipder frische Luft ziehen uns die Erinnerungen Imm.
Hegels 224)^ (Jes langjährigen BerHner Konsistorialpräsidenten. Wie sein Vater, der
grosse Philosoph, die Anmassung des subjektiven Meinens missbilligte, so thut das der
Sohn der Kirche gegenüber. In streng orthodoxem Sinne sucht er auf das kirchliche
Leben Berlins einzuwirken, das in dem Heftchen ausführlicher dargestellt wird. Uns
geht hier höchstens an, was er über seine Stellung als vortragender Rat Bismarcks er-
zählt. — Ergiebiger sind uns die Erinnerungen des Hegel in seinen kirchlichen An-
schauungen nahe stehenden Luthardt ^25). Sie sind schriftstellerisch von entschiedenem
Reiz. Von den Stätten seiner Kindheit, Schweinfurt und Nürnberg, giebt er hübsche
Skizzen; die Schilderung seiner Gymnasialzeit veranlasst ihn, für einen christlichen
Humanismus einzutreten und Einsprache zu erheben gegen den thörichten Satz: „Nicht
Griechisch, sondern Kegelschnitte". In Berlin führt er uns in Schellings Kolleg (S. 69)
und in Rankes Hörsaal, dessen Verurteilung des modernen Konstitutionalismus ihm da-
mals noch nicht gefiel (S. 93 ff.) ; die Romantik, für die er schwärmt, sucht er bis in
die Häuser des massiv gläubigen Eschenmayer und des selor viel naturwissenschaftlicher
vorgehenden Justinus Kerner auf (S. 108 f.); in seine theologische Entwicklung spielt
Lessings Frage, wie weit Geschichtswahrheiten der Beweis für notwendige Verininft-
wahrheiten seiti können, stark hinein (S. 119) und führt ihn ebenso zur höchsten Wert-
schätzung der Geschichte, in der ihn das Studium Joh. v. Müllers bestärkt (S. 159),
wie zu der paradoxen Würdigung Lessings als eines Apologeten des Christentums; in
München tritt er in Rohmers Nähe und erzählt hübsche Aussprüche Schwinds, hat
von Lasaulx und Schubert warme Eindrücke und tritt dem Kinderdichter Friedr. Gull
freundschaftlich nahe (S. 158). Aber das sind Einzelheiten. Das Beste an dem Buche
ist die Gallerie theologischer Charakterköpfe, die es mit grossem Geschick, wenn auch
nicht tendenzlos schildert. Da ist Dav. Friedr. Strauss, der L. merkwürdig steif und
im Grunde platt scheint (S. 151 f.), da der Erlanger Theologe Harless mit seiner An-
lage zum Kii'chenfürsten, von dem L. ein eigentümlich archaisches Lied mitteilt, da sein
College Hofmann, auch er zugleich Poet (S. 54 ff.), neben den er den gleichfalls dich-
S. 394; Gegenw. 40, S. 398.]|. — 222) K. Hagenmeyer, Jugenderinnerungen. Karlsruhe, ReifF. 39 S. M. 0,25. —
223) [Zsrncke], Aus d. Leben d. Grossvaters u. d. Jugendleben d. Vaters. D. Geschwistern erzählt v. Bruder Ftiedrioh.
Als Ms. gedr. Leipzig, llreitkopf & HSrtel. XII, 224 S. j[A. Schroeter: BLÜ. N. 37 ; Spielhageu empfohlen, damit er rechte
Bilder v. mecklenburg. u. pommorschen Pfarrhaus zeichnen lerne.]| (S. 157 launige Verse d. Cand. theol. Zarnoke.) —
224) Iram. Hegel, Erinnerungen aus meinem Leben. Bprlin, Vorl. d. Christi. Zoitschriften Vereins. 56 S. M. 1,00. —
225) Chr. E. Luthardt, Erinnnrungen ans vergangenen Tagen 2. vielfach verm. Aufl. Mit d. Bildnis d. Vf. Leipzig,
Dörflling & Franoke. VI, 373 S. m. Bildn. M. 5,00. — 226) (IV 6 : 122.) ILSchwabKron. N. 161. jL — 227; K. Lorinser.
80« Gt' Roethe, Allgemeines des 18./19. JahrhundJerts. IV 1: 228-231.
tenden originellen Philosophen v. Schaden stellt; da Schleierraacher, der ihm zu dialek-
tisch vorkommt (S. 95), da der mystische Pfarrer Blumhardt (S. 98), da der Dichter
und Philolog Ebrard (S. 337), da vor allem Vilmar (S. 352 ff.) Und fast noch feiner
zeichnet L. die katholischen Theologen, denen er auf Reisen und sonst begegnet. Es
ist charakteristiscli, dass Döllinger (S. 244 ff.) dabei lange nicht so gut fortkommt wie
manch kleinerer; der grosse Gelehrte hat dem strengen Lutheraner viel zu viel von
einem Erasmus. Der Vergleich liesse sich hören, wäre er nur nicht tadelnd gemeint. —
Die Erinnerungen an Döllinger, die Luise von Kobell^^) wesentlich aus den Gesprächen
mit dem ausgezeichneten Manne zusammengestellt hat und die uns so mit seinen
eigenen Worten in manche Gedankenreihen seines Alters einführen, erhellen freilich
das Interieur seines späteren Lebens, sichten aber leider allzu wenig das Wichtige vom
Gleichgültigen, die alte Anekdote vom neuen Bonmot; das schädigt den erasmischen
Eindruck. Von Dichtern steht für D. Dante begreiflich besonders hoch; die berühmte
Fauststelle: „Das Drüben kann mich wenig kümmern" usw. missbilligt er nicht als
Theologe, sondern weil sie unlogisch sei. Er erzählt, wie Zschokkes „Stunden der
Andacht" in seiner Jugend von der katholischen Geistlichkeit als ein Werk des Satans
verfolgt wurden: ihm schienen andere Dinge dieses Prädikats erheblich würdiger. Be-
sonders widerwältig ist ihm die Zeitungskrittelei, die selbst eine so herrliche Gestalt
wie die Bismarcks nicht verschont und dadurch der Jugend den Enthusiasmus schmäh-
lich verkümmert: D. wird warm, da er auf den Kanzler zu reden kommt. Voll Be-
wunderung spricht er von Rankes Objektivität, merkwürdig freundlich vom Staelbuch
der Lady Bleiuxerhassett, der wohl seine seltsame Vorliebe für England zu gute kam.
Eine hübsche psychologische Kritik wendet er (S. 117 f.) auf die von Brentano aufge-
zeichneten Visionen der Katharina Emmerich an. — Lorin 8er227j hat gewiss, wenn er
diese Kritik gelesen haben sollte, sich bestärkt gefunden in dem Gefühl, das er
schon 1841 D. gegenüber hatte, dass dieser Mann „zum mindesten ein Genie, vielleicht
sogar" usw. sei. Die Aufzeichnungen des Breslauer Domkapitulars „Aus meinem Leben"
werfen ein unbeabsichtigt scharfes Schlaglicht auf die geistige Atmosphäre, die in ge-
wissen ultramontanen Kreisen brütet. Der, wie es scheint, nicht einmal ganz talentlose
Vf., Sohn eines Arztes, der an die Heilkraft der Reliquien glaubt, und einer renegaten
Protestantin, kennt nur ein Lob: korrekt katholisch; der Famulus von Görres, Dr. Sepp,
erscheint ihm alsbald als verlorene Seele, weil er — das Buch Esther für apokryph
hält. Nicht leicht unterlässt er uns mitzuteilen, ob die Person, die er uns schildert, im
Frieden mit der Kirche gestorben sei, vielleicht dem Herrn Pfarrer gar die Hand geküsst
habe, oder nicht. Nur wer sein R. i. p. mitbekommt, darf auf freundliche Beurteilung
rechnen: von protestantischen Gelehri-en findet eigentlich nur Heinr. v. Schubert eine
wohlwollende Schätzung. Schon bei der Schilderung der Oppelner Gymnasialjahre tritt
die instinktive Abneigung des XJltr amontanen gegen Goethe hervor: Schiller und
Shakespeare fahren viel besser, wahrscheinlich ihres angeblichen KryptokathoKzismus
wegen. Von dramatischen Darstellungen hat nie eine so stark auf L. gewirkt wie
das Oberammergauer Passionsspiel. In München, wo er studiert, verkehrt er ganz be-
sonders in Konvertitenkreisen: da treten Phillips, Jarckeu. a.ims in gloriosem Nimbus entgegen.
Der enthusiastische Bericht, den L.von den geschieh tsplülosophischen Vorlesungen des alten
Görres giebt, ergänzt die meist voreingenommen ungünstigen Schilderungen, die wir
sonst von diesen Vorlesungen haben: für L. überragt Görres den Durchschnitt der
Universitätsprofessoren so wie der Himalaya alle anderen Gebirge; hätte er nur von
Görres, dessen „Rheinischen Mercur" er doch einmal rühmt, etwas mehr Vaterlandsliebe
gelernt! Die fehlt ihm ganz: unglaublich sind seine Aeusseruugen z. B. über den
Kölner Streit; neu war mir, dass man auf italienisch damals Bunsen zu Ehre ein Zeit-
wort bunsare „schwindeln" gebildet habe. Die interessanteste Gestalt des Buches ist
für uns Clemens Brentano, der in jenen Konvertitenfamilien den genialen Sonderling
sjiielt (I, S. 373, 378; II, S. 77) und sich mit L.s Vater über Katharina Emmerich unter-
hält; sie hat seinen Gedankenkreis offenbar auch damals noch ganz beherrscht. —
Abseits von den Miinchener Konvertiten stand schon in den Motiven seines
Schrittes Geo. Friedr. Daumer, von dessen mächtiger philosophischer Wirkung uns der
aus Ansbach stammende Schauspieler Schultes^ss) berichtet, mit dessen kiu^ien
biographischen Erinneningen" ich die Reihe dieser Selbstbiographien229-23i^ abschliesse.
S. dachte allen Ernstes daran, Philosophie lieber bei Daumer als in Leipzig zu stu-
Aus meiuem Leben. Wahrheit u. keine Dichtung. 1. Bd. (1821 — 1841). 2. Bd. (1841—1844). RegensburK, Yerlagsanst ronn.
Mani. IV, 404, 562 S. H. 4,00. — 228) C. Schnltes, Aus meinen Erinnerungen I— II: Oegenw. 40, S. 216/7, 232 4. —
229) X Carl Theod. Hermann. Erinnerungen: BaltMscLr. 38, S. 1—23, 81—93. (Aus d. Leban e. Haus-, spKter Gymnasial-
lehrers in d. Ostseeprovinzen 1798—1804; d. Vf. lernt Frau t. Krtldener Tor ihrer geistl. Periode kennen ; ftthrt •. Frl. t. Vieting-
lioff in d. Atsvh Litt, ein durch Schiller, Goethe u. — Benedicte Naubert; berührt d. GrOndung u. d. Anfinge d. Unirersitat
üorpat.) — 230) XX Breitschwert, Lebenserinnerungen. Stuttgart, Hettler. M. 1,00. — 231) XX J- KOstlin, E.
Autobiographie. (= Dtsch. Denker u. ihre QeistessehOpfungen. Her. r. 0. Wild«. Heft 9— lä.) Dantig, Hinstorff. 264 S.
JkhrMbariohte für neuer« deateohe Litteratuxgeeohiohte II is>. 5*
IV 1: 232. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 80b
dieren; erst Ludwig Peuerbach, der den Tink der schmachtenden Nachtigall vorzog,
brachte ihn davon ab. In seiner Vaterstadt lernt S. auch den armen Poeten Georg
Scheurlin kennen, der mit Daumer an Caspar Hauser herumerzog. In München findet
er Massmann als Turnlehrer am Kadettenkorps. Die Leipziger Mimen und Kritiker
werden skizziert; die Aufzeichnungen schliessen mit der Schilderung eines Besuchs, den
S. in Begleitung von Ernst Keil dem verkommenen, in unglaublichen Verhältnissen
vegetierenden poetischen Genie F. Marlow (d. i. Wolfram) macht. —
Wie die Selbstbiographien, die ich durchmusterte, uns in diesem Zusammen-
hange zumeist anziehen durch die biographischen Einzelheiten, die ihren Verfasser in
Berührung mit anderen Männern der Litteratur zeigen, so beschäftigen uns hier die
Briefsammlungen, die im Jahre 1891 neu publiziert worden sind, in gleicher Weise
weniger um ihrer Schreiber selbst willen als durch den Gewann an zerstreutem litte-
rarhistorischem Detail, den sie bieten. Manches hier übergehend, was an geeigneterer
Stelle in diesen Berichten seinen Platz finden wird, beginne ich meinen Ueberblick mit
den 34, von 1745 bis 1786 sich erstreckenden Briefen an Ramler, die F. Wilhelm 232)
aus dem Nachlasse seines Vaters mit ausreichenden Erläuterungen veröffentlicht hat.
Sie zeigen Ramler als den unbegreiflich verehrten Meister der Form, von dem Christ.
Felix Weisse alles Ernstes voraussetzt, dass er in seiner „Lyrischen Blumenlese" etliche
Lieder zu Meisterstücken umgeformt habe, „die vorher so elend und nichts bedeutend
waren, dass sie die Vergessenheit verdient hätten" (S. 248). Dem entspricht es, dass
Weisse selbst seinen ,,Calas", Sam. Gotth. Lange seine Gedichte (S. 42) Ramler zur Ver-
besserung schickt, dass Knebel für Dierickes „Ode über die Vergänglichkeit" (S. 238)
Ramlers „Hebammendienste" in Anspruch nimmt und meldet, wie selbst der Dichter
der „Nachtfeyer" stolz sein würde auf solche Förderung, dass der Petersburger
V. Nicolay ihn zum „Pflegevater seiner Muse" macht (S. 259), ganz zu schweigen von
den Bitten um sein Urteil, mit denen ihm Sal. Gessner (S. 234 f.) und gar der spröde
Joh. Heinr. Voss (S. 250) ihre Arbeiten zusenden. Aber auch dieser poetische Schul-
meister xar' i^oxn'v findet seinen Orbilius: Joh. Arn. Ebert korrigiert bei aller volltönenden
Bewunderung sowohl in einem Briefe an Ramler selbst (S. 241 ff.) wie in einem an-
hangsweise beigefügten Schreiben an Lessing (S. 260 ff.) ganz munter an Ramlers Oden
herum und enthält ihm die bittere Anekdote nicht vor, dass Friedrich der Grosse diese,
ihm von Quintus Icilius unterbreiteten Oden „als unverständlich weggelegt hätte".
Neben dem poetischen Korrektor Ramler tritt auch der Redaktor in den Briefen stark
hervor: wir erfahren in Sulzers Brief vom 10. Juli 1750 von den Nöten, die ihm seine
„Critischen Nachrichten" machen (S. 53); als er sie aufgegeben hat, weiss Spalding
bald von Plänen zu einer neuen Monatsschrift (S. 67), und der bekannte grosse Plan
einer XJebersetzungsbibliothek, die Ramler leiten wollte, kommt namentlich in Briefen
Gleims (S. 57 f.), Schuldheiss' (S. 69), Joh. Joach. Ewalds (S. 229 fi.) zur Sprache; es
zeigt sich, dass das Unternehmen nicht zum wenigsten daran scheiterte, dass nicht nur
Klopstock, sondern auch die dii minorum gentium es grossenteils vorzogen, selbst über-
setzt zu werden, statt zu übersetzen. An den Uebersetzer Ramler appelliert Garve, der
gerne eine, . nicht näher bezeichnete, englische Philosophie of Rhetoriks von ihm
übertragen und umgearbeitet sehen möchte (S. 251). Dass andere Zeitschriftenredak-
teure, wie Voss, Wieland, Boie, mit dessen Musenalmanach Knebel die Verbindung
vermittelt. Ramlers Hilfe oder Rat in Anspruch nehmen, ist selbstverständlich (S. 237 ff.,
241, 247, 250). Der bis zur Eifersucht sich steigernde Freundschaftsenthusiasmus tritt
namentlich in einigen sehr tändelnden Briefen Gleims (S. 71 ff.) und in einer über-
schwänglichen Epistel Joh. Andr. Cramers (S. ' 59 ff.) hervor ; Klopstocks um Liebe
werbende Zeilen (S. 48) verleugnen nicht die imposante Würde, die dem gefeierten
jvmgen Dichter eignete. Von ihm ist in den früheren Briefen besonders viel die Rede.
Gleim, der im Frühjahr 1750 in Halberstadt seine Bekanntschaft gemacht hat, schildert
ihn neben seinem ausgelassenen Vetter Schmidt, der Ramler gleichfalls um Freundschaft
bittet, als immerhin „ein bisgen gesetzter als wir kleinen Poeten Amors" (S. 48); aber
er rühmt doch, dass er „kein so ernsthafter Gesellschafter als Dichter" sei. Sulzer, der
damals in Magdeburg weilt und diese Landschaft als die schönste Gegend preist, ist
Zeuge der Magdeburgischen Triumphe des Messiasdichters, der ihm ein „allerliebster
Mann" ist, aber doch sichtlich als ,, galanter Leipziger" auffällt (S. 52). Einem Briefe
Gleims über dieselben Magdeburger Festtage entnehmen wir, dass in Klopstocks Kopfe
damals unter Sacks Anregung der Plan zu einem Epos „Joseph" auftauchte (S. 57).
Von Zürich aus berichtet Sulzer im Aug. 1750 ganz in Bodmers Sinne über Klopstocks
befremdendes Wesen (S. 63), während der verständige und vorurteilslose Joh. Geo.
Schuldheiss sehr herzlich über ihn schreibt und nur von allzu Ernsthaften die epische
Grösse und messianische Ernsthaftigkeit an ihm vermissen lässt (S. 65). Aber freilich,
mit Portr. Jede! Heft U. 0,60. — 232) Friedr. Wilhelm, Briefe au K. W. lUmler: VLG. 4, S. 41-79, 220—63. (Ausser
80c G. Roethe, AUgeineinea des 18./19. Jahrhunderts. IV 1:833,
SchuldheiKH, der Verehrer Kleists (S. 04), sieht auch mit eigenen Augen, ist entzückt
von dem sage vohiptuoux Hagedorn, der dem weisen Salomon mutig ein „Sanitas sani-
tatum sanitas" ontgegenrief, redet von den biblischen Epen, die Bodmers „fertige
Muse" so reic'hhVh in die Welt setzte, recht lau und hält Naumanns „Nimrod" für eine,
freilich zu langatmige, Parodie der neueren Epiker (S, 05, ß!> f.); ein eigener „Joseph"
von Schuldheiss ist kaum über den ersten Hexameter hinaus gekommen. Wie sehr
Klopstocks Gestalten damals die Phantasie beherrschen, lehrt auch ein Brief Sucros vom
Sept. 1752 (S, 7<)). Von Klopstofk selbst hat W. ausser jenem kurzen Freundschaft^-
angebot nur einen fragmentarischen, daher undatierten Empfehlungsbrief mitzuteilen
(S. 253). lieber die, zum Teil anonymen Jugendarbeiten Wielands hören wir von Schuld-
heiss' (S. 70 f.) und namentlich auch von Gessner (S. 227) sehr warme Worte. An
litterarischen Urteilen sind die Briefe überhaupt reich: Gleim hat an Ewalds Oden viel
auszusetzen (S. 58), Knebel wartet mit kritischen Bemerkungen über ßoies „Schnee-
fiöckchen" und andere Göttinger Dichtungen auf (S. 240), Weisse urteilt mit höchster
öchnödigkeit über die Lenzschen ,, Soldaten" ab (S. 249) usw. Auch zum Vertrauten
eigener Pläne wird Ramler gemacht: so küTidigt sich ihm Clodius als künftigen Fabel-
dichter an (S. 236); Göckingk und PfefFel erzählen ihm von künftigen Ausgaben ihrer
Dichtungen (S. 255, 258). Von der Entrüstung über Ramlers eigenmächtige Schul-
meisterei ist in diesen Briefen nichts zii hören : er steht da als das anerkannte kritische
Orakel eines mindestens sehr achtbaren litterarischen Kreises. — Kein Wunder immerhin,
wenn man ausserhalb dieses Kreises die entzückten Lobeserhebungen der
veiTamlerten Dichter für eitel Ironie hielt! So ging es dem Grafen Friedrich Leopold
v. Stolberg, der allerdings dem ganzen Ramlerianismus und Berlinismus grimmig feind
war, im Juli 1789 mit dankenden Aeusserungen PfeflFels, die gewiss ernst gemeint
waren. Aber Stolbergs L'rtum ist um so begreiflicher, als seinen Freunden schon Boie
ein zu eigenmächtiger Herausgeber war. Das erfahren wir aus S. 35 und 222 der neuen
vollständigen Ausgabe von Stolbergs Briefen an Voss, die Hellinghaus 233) nach den
in München liegenden Originalen sorgfältig veranstaltete und durch die nun die früheren
Einzel- und Teilpublikationen einiger Briefe weit überholt sind: auch aus den Briefen
von Voss ist manches üngedruckte den überflüssig ausführlichen Anmerkungen einverleibt
worden. Die reichste Ausbeute gewähren die Briefe natürlich für die Kenntnis des
Schreibers und des Empfängers: beider Dichtungen wandern hin und her, zumal die
Iliasübersetzung, in der Voss Stolbergs frühem Versuch weit überholt, giebt zu umfäng-
lichen und scharfen Erörterungen Anlass; der Götthiger Bund und sein Erbe, der
Göttinger Musenalmanach, machen Stolberg kaum mindere Sorge als dem näher be-
teiligten Voss. Es weht durch die Briefe so warm der Hauch eines liebevollen, ehrlich
freundschaftlichen, dabei phantasiereichen und begeisterungsfähigen Gemüts, dass wir
es dem Herausgeber nachfühlen, wenn er in der Einleitung sehr entschieden und immer-
hin etwas einseitig die Partei Stolbergs gegen den Vernunftmenschen Voss nimmt.
Jene Begeisterungsfähigkeit kommt anfangs namentlich Klopstock zu gute, der, so
wenig dieser originalitätssüchtige „Sohn der Natur" sein Jünger heissen will, doch als
der Dichter an sich erscheint. Aus den Gesprächen, die Stolberg mit dem Meister über
den Bund führt, war schon das Meiste bekannt. Findet er Klopstocks „Oden" auch zu
dunkel (S. 12), so ist er voll grenzenloser Bewunderung für Gelehrtenrepublik (S. 17)
und Bardiete (S. 84, 94, 120) erfüllt. Immerhin bekommt das beharrliche Betonen der
ewigen Jugend Klopstocks allmählich einen leise spöttischen Beigeschmack (S. 202).
Aber noch den zerschmetterten Wittwer tröstet Klopstocks „Psalm" (S. 213), und es
schmerzt Stolberg besonders, dass gerade nur er und Voss von seinem verehrten Lavat«r
nichts wissen wollen (S. 178). Die Schätzung dieses Mannes, dessen mystische Schwächen
er nicht verkennt, liegt ihm sehr am Herzen und führt zu starken Reibungen mit Voss
(S. 164 ff., 168, 173, 177 u. ö.). Riecht dieser überall Jesuiten, so spielen für Stolberg
die Illuminaten dieselbe Rolle (S. 164, 290), obgleich sein Freund Halem zu ihnen gehört,
dessen Gedichte er als „Näpfe klares Wassers" charakterisiert (S. 187). Dass er über-
haupt auch an den Freunden die poetische Schwäche sieht, zeigt sein Urteil über
Cramer (S. 6), der ihm nicht bundeswert scheint. Dagegen empfiehlt er für den Bund
Schönborn und Bürger (S. 5), von dem er an anderer Stelle eine dithjTambisch kotige
poetische Einladung zum Göttinger Musenalmanach mitteilt (S. 73). Von Hahn erwartet
er viel (S. 8, 17), von Leisewitz' kleinen Dialogen redet er warm, nur dass er ihm den
„Besuch um Mitternacht" am liebsten absprechen möchte (S. 24). Sein Verhältnis zu
Gerstenberg, den er auch dem Bunde empfiehlt (S. 34), ist nicht gleichbleibend: seine
„Minona" widerstrebt ihm in vielem ('S. 120), und die Freundschaft hat sich 1787 bis
zur Kälte herabgestimmt (S. 186). Mit heftiger Schärfe fällt er über den alten Göttinger
dem im Text Erwähnten unbedeutende Briefe Bürgers, Mendel ssolias, Friedr. Nicolais; Phil. Eman. Bach verhandelt
wiederholt ttber den ron Ramler rerfassten Text d. Cantate ,D. Auferstehung u. Himmelfahrt Jesu".) — 233) Briefe
5a»
IV l: 234-235. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 80 d
Ueltzen her, gegen den er auch Voss reizt (S. 200). Auf den Hallenser Eberhard (S. 79),
auf Alxinger (S. 103), den Genieapostel Kauffmann (S. 116), den Humoristen Müller
(S. 167) sausen ein paar beiläufige Jagdhiebe nieder, während Klinger eine bedingte,
der Dichter und Musiker Kaiser eine freundliche Anerkennung findet (S. 35) und er zu
seiner eigenen Ueberraschung in Förster, dem Kollegen Lichtenbergs, dem „Spiessgesellen
der Kröte", einen bescheidenen und interessanten Mann kennen lernt (S. 113). Lessings
Spinozismus konstatiert er, halb befriedigt, dass der ihm offenbar wenig sympathische
Mann sich zu dieser kompromittierenden Weltanschauung bekannt habe (S. 145, 147).
Er ahnt offenbar nicht, dass sein zweiter poetischer Abgott nach Klopstock, dass
Goethe auf den gleichen Bahnen wandelte. Die unbeirrt herzlichen und enthusiastischen
Aeusserungen über Goethe thun wohl und zeigen jedenfalls, dass Klopstocks Misswollen
über Stolbergs Seele nie Macht gewann. Das Entzücken explodiert zuerst beim „Werther"
(S. 25) und tönt voll aus unter den Eindrücken der Weimarer Reise 1784, bei der
Wieland ganz zurücktritt und selbst Herder so problematisch erscheint, dass zu seinen
Gunsten geltend gemacht wird: „Göthe, der die Wahrheit selber ist, der Herdern so
lange kennt, liebt ihn wie seine Seele" (S. 107). Die Schilderung dieser Reise, die
Stolberg auch mit Gleim und Jerusalem zusammenführte, bildet wohl die Krone des
Brief bandes. — Stolbergs Eindrücke stimmen ganz zu den Versicherungen, die Wieland
in einem Briefe an Zimmermann giebt, den Linckelmann 234) aus Zimmermanns jetzt
im Besitz der Frau Staatsrätin v. Mädler befindlichen Nachlasse publiziert hat (22. Juli
1776): „Glauben Sie nicht leicht, wenn Sie was absurdes und schlechtes von Weimar
hören. Ich bin zwar blosser Spectator von allem was passiert; aber Sie können mir
glauben, es geht so gut als möglich". Derselbe Nachlass enthielt auch einen Brief der
Frau Rat (16. Febr. 1776), der für „das Zeugnüs von Wielandt Liebe" gegen ihren
Sohn dankt, und vor allem ein wichtiges Schriftstück Herders (26. Juni 1776), das
Zimmermanns „Aus Herders Nachlass" II, S. 373 abgedruckten Brief dahin beantwortet;
„Als ob ich Schildträger der Weltverwüster wäre, die Sie Kraftgenies nennen"; ihm
war Weimar damals nur ein (vergilisches) Creta, eine Uebergangsstation. — Zimmermanns
weitverzweigte Korrespondenz streckte doch besonders viele Arme nach der schweizerischen
Heimat aus. Noch im vorigen Jahre erst wurden seine Briefe an den Berner Päda-
gogen und Staatsmann Phil. Alb. Stapfer bekannt, aus dessen gleichfalls äusserst um-
fänglichem Briefwechsel diesmal Luginbühl ^-^5) eine, zwei starke Bände füllende,
Auswahl nebst Excerpten aus den übergangenen Briefen mitgeteilt hat. Stapfer, auf der
Grenzscheide deutscher und französischer Art zu Hause, fühlte sich besonders berufen, den
litterarischen Vermittler zu spielen (I, S. CXX f.). Seine litterarischen Interessen treten
namentlich zu Tage in dem Briefverkehr mit Friedrich Cäsar Laharpe, der neben Paul
Usteri sein fleissigster und wichtigster Korrespondent ist. Wir beobachten, wie Stapfer,
ein rechter Sohn der Aufklärung, schon durch die Revolutionsereignisse, w^eiter durch
Amt und Ehe mehr und mehr auf das französische Geistesgebiet hinüber gezogen wird.
Das würde stärker und schneller der Fall gewesen sein, wenn nicht der ausgezeichnete
Charles de Villers, der bekannte Verehrer deutschen Geisteslebens, dem ein Gegen-
gewicht gehalten hätte. Villers' litterarische Unternehmungen, seine Schicksale in
Göttingen, seine Beziehungen zu Frau Rodde (Dorothea Schlözer) kommen oft zur
Sprache (I, S. XX, LXXXVI, 233, 267, 275, 325. II, S. 6, 10): die Freunde sind besonders
einig in der Verehrung Kants (I, S. 80), den den Franzosen mundgerecht zu machen
ihnen doch nicht recht gelingen will (11, S. 336): Ancillon erkennt Stapfers Bemühungen
dankbar an (I, S. XLV), der Franzose Salverte aber gesteht ehrlich sehie Verständnis-
losigkeit (I, S. LXXXVII). In verwandtem Streben nimmt Stapfer teil an der „Biographie
universelle", in der er z. B. den Artikel „Bürger" benutzen wollte, um an diesem Dichter-
talent den Unterschied der beiden Nationen aufzuzeigen (I, S. XI): aber die Redaktion
strich ihm das Wichtigste. Er ist im Redaktionsrat einer ,, Revue germanique" (I, S. XVII)
und interessiert sich für eine Bibliotheque germanique, die in Paris gegründet werden
soll (I, S. LXXXI). Vor allem aber übersetzt er, zumal Historiker: Heeren, den er und
F. L. Grafen zu Stolberg u. d. Seinigen an J. H. Voss. Nadi d. Originalen d. MUncliener Hof- u. Staatsbibl. mit Einl., Beil.
«. Anmerk. her. v. 0. Hellinghaus. Münster i. W., Aschendorff. XVI, 524 S. M. 8,00. {S. 91 ungedr. Ei.igramiu Stolbergs
„Anfrage"; S. 101 Italien. Sonett Stolbergs; S. 170 Bürgers Bemühungen um e. Aemtchen; S. 1% Beneckes „Jahrbuch für d.
Menschheit"; S. 222 Graf Finckensteins „Arethusa" u. a.) — 2341 Linckelmann, Aus d. Briefwechsel d. Leibraedicus J. G.
Zimmermann aus Hannover: AZg». N. 128. (E. Brief Herders v. 21. Juni 1776 bittet Zimmermann, e. nicht v. d. Akademie ge-
krönten Aufsatz unter seiner Adresse in Rückempfang zu nehmen; Wieland ersucht am 22. Juli 1776 d. berühmten Arzt um o.
kurze Biographie d. Vesalins für d. „Tentschen Merkur".) — 235) Aus Phil. Alb. Stapfers Briefwechsel her. v. Rud. Lugin-
bühl. (= Quellen z. Schweiz. Gesch., her. V. d. allg. geschichtforschenden Gesellschaft d. Schweiz. Bd. XI— XII.) Basel, Geering
(Schneiders Enkel). CXLIl, 401; 523 S. M. 20,00. (Friederike Brunn schickt Stapfer 1822 ihre „Griechischen Lieder", da
Hellas d. Losungswort verwandter Seelen sei I, S. IL; Eynard-Eynard meint 1889, Goethe schildere d. Hypochondrie Zimmermanns
zu schwarz I, S. LVIll ; Briefwechsel Stapfers mit d. Humboldts I, S. LXIV, LXV ; Jens Baggesen wirbt, namentlich auf d. Parthen»is
hin. um d. helvetische Bürgerrecht 1, K. 98; über F. H. Jacobis Antrittsrede in München 1, S. 230; politische Parodie d. Lavaterstlien
Teilliedes I, S. 313; UberKotzcbue als Historiker I, S. 324, 333; über A. v. Humboldts Reisebeschreibung 11, S. 109; St apfernteht in
d. religiösen Exegese Herder nahe II, 248; Karl Folien flieht nach Amerika II, 821; Arbeiten d. jüngeren Alb. Stapfer üb«r
80 e G. Roethe, AllgemeineH des 18./19. Jahrhunderts. IV 1: 2W-287.
Laharpe liesonders schätzen (I, S. 224, 228); dann Eichhorns Litterärgeschichte. Sie
freilich macht ihm viel Verdruss, nicht nnr wegen Verlagsschwierigkeiten, sondern
nanientlidi weil das Werk ein KoUüctaneenmagazin ohne eigentliche geschichtliche Ver-
arbeitinig sei (I, S. 182, 188, 218, 25()). Dieser Grundfehler deutscher Gelehrten, dass
sie vor lauter Gründlichkeit Resultate und Form bis zur Barbarei vergessen, wird noch
viel schärfer von Rengger (I, S. 199) und von Laharpe (II, S. 18, 20) gerügt, z. B. au
Bouterwek (I, S. 230, 234 f.). 8tapfer schiebt die Schuld auch auf die Vielschreiberei,
wie er denn Wielands „Diarrhöe littöraire" an der Uebersetzung der Briefe Ciceros kon-
statiert {I, S. 241). Litterarische Höhepunkte Deutschlands sind ihm neben Klopstock,
Goethe und Herder auch Engel und Garve (I, S. 241); in der Sorge um die herein-
brechende Barbarei fällt ihm Ramlers Ode an die Könige ein (I, S. XXIV); Eschen-
burg und Lichtenberg wären ihm die liebsten ShakespeareObersetzer (I, S. XXXI). All
das ist charakteristisch. Die jüngere romantische Richtung, als deren Repräsentanten
er neben Schlegel (A. W. ?) auch Goethe einmal nennt, scheint ihm ein litterarisches
delire (I, S. 231 f.), sie ist ihm obendrein zu abstrakt und unpopulär (II, S. 3.57 f.). Er
berichtet, wie ein Baron von Eckstein mit Materialien aus (F.) SchJegelscher und Schel-
lingscher Schule die Theokratie verteidigen will (II, S. 338), führt Zach. Werner spöttisch
als romantischen Religionsstifter in Coppet vor (1, S. 242) und hasst niemanden so
leidenschaftlich, wie den politischen Romantiker Haller, den er sogar aus den „Göttinger
Gelehrten Anzeigen" herauszubugsieren nicht verschmäht (I, S. 202. 11, S. 22, 56). Da-
gegen wird es hell in seiner Seele, wenn er Autoren wie Garve, Mendelssohn und Lessing
zu Händen nimmt (II, S. 357), und dem widerspricht es nicht, dass Laharpe 1804 Weimar
etwa in den warmen Farben der Frau von Stael malt (I, S. XXXIII). Die „Corinne"
dieser Dame betrachten sich die Freunde daraufhin, wie weit Schlegel, Constant, Bon-
stetten u. a. da durchschimmern (I, S. 205); auch ein Brief Eichhorns bedauert, dass
A. W. Schlegel unter dem Namen der Frau von Stael seinem Geifer gegen einige Deutsche
Luft gemacht habe (1, S. LVII). So erscheint denn Schlegels Name nicht in der Liste
der guten deutschen Uebersetzer neben Voss und Schleiermacher (I, S. 312). Gerne
machen sich die Schweizer klar, welch gi'ossen Anteil die Schweiz an der deutschen
Litteratur gehabt habe (I, S. 377). Zwar Albr. v. Haller dankt nach Stapfer wesentlich
seiner ,,Körperlichkeit" den Zunamen des Grossen (I, S. LVIII). Aber auch Gessner,
Sulzer, vor allem Joh. v. Müller, sind Schweizer. Stapfer und Laharpe sind darin einig,
dass ihnen MüUei-s Stil zu künstlich taciteisch ist (I, S. 244, 249); sie bedauern beide,
durch Villers' recht rückhaltslose Aeusserungen (I, S. 287 f.) bestärkt, des grossen
Historikers Charakterschwäche (I, S. 310): dennoch sähen sie sein vaterländisches Ge-
schichtswerk gerne zu einem schweizerischen Volksbuch umgearbeitet (I, S. 283). Von
anderen namhaften ScliM'eizern spielt Lavater, der sich selbst einen Feind der Toleranz
nennt, bei Stapfer natürlich keine massgebende Rolle (I, S. XXXH, LXX, LXXI, 5);
der Wahlschweizer Zschokke beruft sich für den Wert seiner „Denkwürdigkeiten der
schweizerisclien Staatsumwälzung" auf den Beifall von Klopstock und Archenholtz
(I, S. 180) und wirbt um Stapfers Mitarbeit an seinen „Miscellen" (I, S. 243);
Leonh. Meister wird als liederlicher Schmierer oft, einmal mit Schillers Xenion,
venirteilt (I. S. 302); im Vordergrunde der Stapferschen Interessen stehen Fellenberg
und Pestalozzi. — Es ist äusserst interessant zu vergleichen, wie anders sich die
schweizerische Geisteswelt malt in den Briefen des kosmopolitischen französierten Auf-
klärers Sta])fer und des gläubigen, national konservativen Theologen Johann Georg
Müller, des Bruders des berühmteren Historikers. Die beiden sehr verschiedenartigen
Brüder haben von 1778 bis zu Johannes' Tode 1809 einen überaus regen Briefwechsel
geführt, aus dem bisher nur ein beträclitlicher Teil der Briefe des Geschichtsschreibers
in dessen Werken abgedruckt worden war. E. Haug -86-237) hat jetzt begonnen, auch
die Briefe des anderen Bruders in verständiger Auswahl zu veröffentlichen, zugleich in
einem Anhang manches früher Uebergangene aus den Schreiben Johannes von Müllers
nachtragend; schade, dass sonstige Erläuterungen fast ganz fehlen. Der erste Halb-
band reicht von 1789 bis zur Wende des Jahrhunderts: die älteren Briefe Johann Georgs
sind nicht mehr vorhanden. Unzweifelhaft stehen die Briefe des jüngeren Bruders hinter
denen des älteren nicht zurück, und seine Furcht, ein boshaftes Bonmot Rabeners könne
auf ihn, den unberühmten Bruder des grossen Gelehrten, zutreffen, ist sehr unbegrtindet.
Denn er hat vor Johannes genialer, aber sjiringender Begabung die ruhige Stetigkeit
eines einfachen Gemütes, die beneidenswerte Sicherheit des fest gegründeten Cliarakters
voraus. Bei aller bescheidenen Liebe zu dem grossen Bruder verkennt er seine
Goethe IT, 8. 327, 346; Ober Forsters Briefwechsel II. S. 371 f.; nber heWetische gelehrte Gesellschaften II, S. 4ä0.) — 236)
(IV 6 : 126: Ober d. schldlichen Einflusi d. deiatischen Trenkschen Lebenggeschiehte S. 6, 7; fiber d. allgeneine deatsehe
Itibliothek S. 15; Über Mesmer S. 48; Über ThOiomels , Reisen' S. 55; warmes ürt«il aber Schlosser S. 61 ; Ober BOtttger S. 214.
Anh. S. 66.) i[Hau8 MUUer: BLU. N. 8 (hebt d. Ueberlegenheit durch Charakter u. Verstand bei d. titeren Bruder J. Georg
Müller gegenüber dem allen Eindrucken preisgegebenen jUngeren herTor).]| — 237) X Sohweiser Briefe «üb d. Berolutionsteit:
k
IV 1: 238. G. Roethe, Allgemeines des iSJ'id. Jahrhunderts. 80f
Schwächen, zumal senie politische Talent- und Haltlosigkeit nicht, die ihn bis zur
blanken Phrase verlockt; er ruft ihn immer wieder, bald mahnend, bald schmeichelnd,
auf sein eigentliches Feld, die Geschichtsschreibung, zurück, und seine Schuld war es
nicht, dass dies reiche Leben in so jämmerlicher Disharmonie schloss. Die Brüder
verstehen sich, beide Schüler der Alten, recht gut bei aller Verschiedenheit. Charakte-
ristisch ist es schon, wie sauber Johann Georg seine Briefe ausarbeitet, dadurch oft
höchst prägnante Wendungen erreichend, wie schnell andererseits und wie übereilt oft
Johannes seine Sätze hinwirft. Bis 1797 überwiegen litterarische und sonstige geistigen
Interessen: von da an breitet sich die Politik, zumal die Not des engen Vaterländchens
Schaffhausen, in den Briefen vorherrschend aus. Uns interessieren also vorzugsweise
die früheren Jahrgänge der Korrespondenz. Den Theologen verleugnet Johann Georg
nicht; aber der Historiker hatte natürlich nichts dagegen, wenn jener die Aufklärung
scheel ansieht. So gehen Johann Georgs Urteile und Sympathien zumeist gerade nach
der entgegengesetzten Seite wie die Stapfers. Pur ihn ist der ,,Pestaluz", den Jo-
hainies höher schätzt (Anh. S. 10), ein höchst gefährlicher Schwärmer, der nur Unheil
anrichtet und obendrein die rechte volkstümliche Redeweise, die Luther traf wie kein
anderer, gar nicht zu finden weiss (z. B. S. 148, 154). Dagegen urteilt er sehr freund-
lich über den jüngeren Haller, der die Grundsätze der Revolution gründlich keime
(S. 177), und einen Ehrenplatz in seiner Liebe hat Lavater. Nicht dass er seine
Schwächen übersieht. Zwar dass er die Schlangenklugheit dieser Welt nicht besitzt,
ist ihm keine Schwäche (S. 8). Aber er bedauert Lavaters redselig eitle Korrespon-
denz (S. 24), eine unaufrichtige captatio benevolentiae gegen Herder (S. 26), beklagt,
dass er gross und klein so wenig zu scheiden wisse wie Bodmer (S. 5.), ärgert sich
über das kindische Misstrauen seiner Sekte (S. 13), ist von seinen sententiösen Werken
wie dem „Menschlichen Herzen" und den ,, Worten Jesu" nur massig erbaut (S. 17, 42)
und bekennt, dass er seine „Messiade", der er den ,, Joseph von Arimathia" vorzieht, zu
lesen immer ausser stände gewesen sei (S. 25^ 29); freilich geht es ihm mit Klopstock,
den er tief unter Milton stellt, nicht viel besser: der Himmel habe das Gelingen der
Messiaden offenbar nicht begünstigt; sie können ihm alle mit dem himmlischen Kanzlei-
stil des Matthäus nicht wetteifern. Aber über die kritischen Bedenken gegen den
Schriftsteller Lavater siegt weitaus die herzliche Liebe zu dem Menschen, auf dessen
Freundschaft er stolz ist, den er bewundert als mutigen Prediger und Politiker, und
dessen Lob, einmal in Hexametern vorgetragen (S. 4), ihn beglückt. Und auch ausser
der Schweiz bevorzugt Müller Männer von ähnlicher geistiger Physiognomie. So ist
ihm der Pater Sailer sehr lieb (S. 28, 30, 31); den alten Joh. Arnd' nimmt er gegen
eine vorlaute Aeusserung des Bruders energisch in Schutz (S. 35); er rühmt Friedrich
Stolbergs Stellung zum Christentum in der Vorrede seines Plato (S. 61), preist des
alten Moser christliche Gesinnungen (S. 73) und redet herzlich über Jung - Stilling,
dessen apokalyptische Schriften freilich eine nur allzu glühende Imagination verraten,
der aber es verstehe, dem Dämon des Zeitalters scharf ins Auge zu schauen (S. 217).
Natürlich sagt ihm Hamann ausserordentlich zu, in dessen Briefe ilim Herder Einblick
gestattet hat (S. 63). Herder ist der Mann seines Herzens unter den litterarischen
Grössen Deutschlands. Ihm gegenüber ist Müllers Kritik selbst noch schüchterner als
gegen Lavater. Er ist dankbar entzückt von seinen herrlichen Briefen (S. 9), fürchtet,
als er lange schweigt, ihn unwissend gekränkt zu haben (S. 6), ist betrübt, als Jacobi
seine Anmerkungen gegen Herder richtet (S. 3), sieht in Herders Freundschaft ein
wahres Kleinod seines Lebens (S. 136). Aber auch hier ist er nicht blind. Herders
Aufsatz „Tithon und Aurora" scheint ihm auf einem seichten Wortspiel zu basieren
(S. 37), seine Humanitätsbriefe wollen ihm wenig bedeuten (S. 45). Dagegen enthält
ihm die Schrift „Vom Sohne Gottes" entzückende Stellen (S. 76); am grössten aber
erscheint ihm der grosse Freund in seiner ,, Ältesten Urkunde", deren grosse Ent-
deckungen nur nicht deutlich genug formuliert seien (S. 142). Am liebsten sähe er
ihn diese Arbeiten wieder aufnehmen, wie ihn Johannes, der durch Böttger mit Herder
verkehrt, zur hebräischen Poesie, zu Ossian und den Volksliedern zurücklocken möchte.
Daher sind beide Brüder kühl gegen Herders Metakritik (S. 215, Anh. 56). Freilich
nicht darum, weil sie Kant den Angriff missgöimten. Ueber ihn spricht Joh. Georg
überraschend verständnislos (S. 15), und er vermag sicii selbst über Nicolais ,, Reisen"
Bd. XI zu freuen, weil sie „über den albernen Unfug der Kantianer herziehen" (S. 65).
Sonst freilich ist er Nicolais Freund nicht, schon weil dieser kein Christ ist. Von der
Entwickhnig der Skepsis, die das Christentum zum Deismus modeln will, giebt er eine
zusammenhängende Darstellung, die in eine scharfe Spitze gegen Bahrdt ausmündet:
zumal die Göttinger Kritiker sind ihm ein Greuel, und gegen sie führt er gar Lessing
ürenzb. 50, II, S. 559-07. (Rof. ttb. N. 236.) - 238) B. Cordt, Joh. v. Müllers Briefe a. Karl Morgenstern: AltprMschr. NF,
80g Ci- Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. IV l: 239-241.
iuH Feld (ö. 49 f., 54). Goliathe wie Goethe und Wieland, die Jesu Geschichte einfach
als poetische Einkleidung auflösen, machen ihm keinen Eindnick (S. 35); über des „un-
stäton Weichlings" Wieland „l'eregrinus Proteus" spricht er bitterböse Worte (S. 45),
und auch Goethes „Xenien" möchten die Brüder nicht gemacht haben (S. 73). Die Kritik ist
Joh. Georg Müller immer sehr verdächtig, ja verhasst (S. 34), und ihn erbossen geradezu die
„klapperdürren Kritiker", die den Homer zerpflücken wollen wie die Bibel (S. 72).
Wenn er Zimmermami als blendenden philosophischen Autor mit Voltaire vergleicht,
so soll das kein unbedingtes Lob sein (S. 18). Aber auch ein berufloser Poet wie
Miilthisson ist nicht sein Fall (S. 46); von dem „Genie" Baggesen, der ihn an Georg
Förster oritniert, erziihlt er spottend ein albernes pium desiderium (S. 143), und das
schnöde Urteil, das Lavater über das kometenhafte ,, Genie" Schubart fällt, wird mit
Behagen berichtet (S. 10). Merkwürdig gut kommt Schiller weg, den er freilich nur
als Prosaiker erwähnt: von seiner ,, Geschichte des Abfalls der Niederlande" ist er voll,
wenn er auch die mangelhaften Quellenstudien nicht verkennt (S. 14). Die Romantik
spielt in den Briefen des Halbbandes noch keine Rolle: nur Joh. v. Müller erwähnt
eine ungünstige Kritik seiner Schweizergeschichte im „Athenäum", mit Lessing sich
tröstend (Anh. S. 32), und empfiehlt Gentz" ,, Historisches Journal" als kaltblütig und wahr-
haft (S. 51). Das Unsichere und enthusiastisch Schwankende seiner politischen Haltung
luacht schon in dieser Zeit dem Bruder manchen Verdruss; zumal den kindischen
Glauben an die Fähigkeit des Volkes zu eigener Meinung wehrt er zuweilen beinahe
ungeduldig ab. Li die schlimmeren politischen Sünden der Prüfungszeit nach lb06
führt ims dieser Halbband noch nicht hinein. — Dagegen gehören eben in diese Zeit die
Briefe, die Joh. v. Müller vom Sept. 1805 bis in den Jan. 1809 an den Dorpater Pro-
fessor Morgen.stern sandte: Cordt ''^•''^) hat sie aus der 18 Quartbände umfassenden Kor-
respondenz dieses eifrigen Briefschreibers herausgegeben. Die Freundschaft wird ge-
schlossen dank einer Rede Morgensterns über Winckelmann, die Müller so enthusiasmiert,
dass er dem Gesinnungsgenossen sofort die exaltierteste Herzenshitze entgegenträgt:
hat Lessings „Erziehung des Menschengeschlechts" Recht, so glaubt er mit Morgenstern
einst Arm in Arm am Cephissus gewandelt zu haben. Ist ihm noch im zweiten dieser
Briefe Bonaparte ein Attila, vor dem er am liebsten nach Russland entwiche, ist er
noch im fünften der „Ahriman der Menschheit", gegen den das Vaterlandsgefühl, wie
es der Dichter Frhr. v. Sonnenberg schildert, hoch gehalten werden muss, so ist schon
im siebenten Brief „der Fürst des Zeitalters" aus ihm geworden, und er beruft sich in
begreiflicher Verlegenheit auf das Lob, das Hufeland seinem berühmten, den Abfall pro-
klamierenden Academie-Discours sur la gkäre de Frederic gespendet habe. — Die Nicht-
preussen zumal trösteten sich damals merkwürdig leichten Herzens. Die von Holstein^sö)
verjöffentlichten Briefe K. L. Fernows an Böttiger, die ihm Details über die Schlacht
bei Jena und namentlich über die Weimarer Zustände nach der Schlacht melden, zeigen
grosse Gemütsruhe: „fuiuuis Borussi, aber nicht fuimus Germani". Der Glaube an den
deutschen Geist, an deutsche Sprache und Bildung stand dem Weimaraner wohl an. —
Befremdlicher wirkt die fast unpatriotische Gleichgiltigkeit, die der bekannte Göttinger
Dichter Ernst Schulze in Briefen an seinen alten Celler Jugendfreund Fritz v. Bülow
an den Tag legt. Sie tritt \im so peinlicher hervor, als Bülow selbst von Herzen Preusse
ist. Die von Franzos240) herausgegebenen Briefe setzen schon vor der Katastrophe,
1805, ein und reichen bis 1811. Bülow schildert den dumpfen Katholizismus der
Münsteraner: als „Haupttriebfeder der PfaflFenränke" erscheint ihm die familia Sacra,
d. i. der Gallitzinsche Kreis, zu dem ihm auch Friedrich Leopold von Stolberg gehört.
Von anderen Münsterschen Eindrücken sind die Vorträge des Dr. Gall ihm nrr komisch
gewesen. Preussens Sturz wird Anlass, dass Bülow nach Berlin geht, wo er den Sinn
fiir Kunst und Wissenschaft ganz geschwunden findet: im Theater verbieten die Fran-
zosen die ernstere Kost, z. B. den „Don Carlos"; F. A. Wolf findet keine Zuhörer;
zum Besuche der Vorlesungen Fichtes über den Zeitgeist fehlt Bülow leider das Geld.
Aber die })atriotische Poesie der Zeit tritt ihm näher: in seinem Kllub ist er mit Friedr.
Kühna\i zusammen, dem Dichter „Deutscher Wehrlieder". Sehr betrübt schreibt Bülow
über die kläglichen Universitätsverhältnisse Frankfurts a. 0.: da mochte es ihn immerhin
trösten, wenn er durch Schulze hörte, der westfälische Minister Simeons beabsichtige,
den Etat von Göttingen auf 2000 Thaler herunterzusetzen. — Aus einer früheren glück-
licheren Zeit dieser Hochschule stammen die von P. Schwenke 2*i) publizierten Briefe
(1788 — 90), die der Studiosus Wilhelm von Humboldt, den Verkehr mit geistvollen Frauen
in Göttingen anfangs schmerzlich entbehrend, an seinen geheimen Berliner Bundeszirkel
sendet, dem namentlich Henriette Herz angehört und Karl von Laroche, der Sohn
Sophiens. Abstrakte Ueberfeinerung des Gemüt8lel>ens, pathetische Empfindsamkeit und
I
. S. 108—40. — 239) II. Hotstoiii, ZeitgenOtfs. Briefe aus Weimar Üb. d. SchUcht bei Jena u. Auerstadt: MagdebZgb.
&2. — 240) K. E. Franzos, Aus Briefen Ernst Sebulzes u. Fritr t. BQIows: VZgs. N. 10, 12, 14. — 241) P. Schwenke,
IV 1: 242-248. G. Roethe, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. 80 h
schemenhafte Unklarheit kennzeichnet diese Periode Humboldts. Er bleibt dem Berliner
Kreise nicht treu: schon seine Wärme für Therese Förster erweckt die Eifersucht jener,
und als erst Karoline von Dachröden, Humboldts spätere Gattin, und ihre Freundin
Karoline von Beulwitz auch in den Bund getreten sind, da neigt sich Humboldt sehr
entschieden den beiden Karolinen zu. Mit der Geliebten wechselt er ostensible und
geheime Briefe, wobei er ihren Erzieher, den bekannten Pädagogen Rud. Zach. Becker,
dankbar rühmt. Dass Laroche, Wilhelms Nebenbuhler in der Gunst seiner Lina, Humboldts
Pläne zur freieren Umwandlung- des alten Bundes ablehnt, führt diesen den Berliner
„Weibern" immer femer und tiefer in die Kreise Schillers hinein. An Karoline von
Beulwitz, die seine Verlobung trotz allem seinem Zögern zu stände bringt, berichtet er im
Okt. 1789 von Bern aus über Pariser Eindrücke, die ihm leider durch die lästige Reise-
gesellschaft, den naiv bewundernden Aufklärer Campe, verkümmert wurden, weiter über
einen Besuch bei Försters in Mainz und bei Lavater in Zürich. — Der dortige Stadt-
bibliothekar J. J. Horner (1773 — 1831) hat allerlei interessante Briefe hinterlassen, die
H. Blümner 2*2) aus dem Nachlasse des Sohnes in Auswahl bekannt gemacht hat. Neben
ungünstigen Aeusserungen Scheuchzers über Schopenhauers Berliner Lehrthätigkeit vom
April 1820 ziehen uns namentlich vier Briefe A. W. Schlegels aus den Jahren 1811 — 12 an,
die ihn uns mitten in altdeutschen Studien zeigen. Er wünscht im März 1811, dass die
Nibelungen in den Schulen gelesen werden, womit freilich nicht ganz stimmt, was
Friedr. Tieck schon Mai 1812 von Schlegels ungünstiger Ansicht über die litterarische
Bedeutung jenes Epos berichtet. Dass es ihm früher Ernst mit seinem Enthusiasmus
gewesen ist, geht auch daraus hervor, dass er den Erzieher im Fellenbergschen Institut
für jene Schullektüre zu gewiimen sucht. Im April 1812 stellt er über die Zeit des Anno-
liedes scharfsinnige Untersuchungen an, die jedesfalls zeigen, dass ihm die Schwierig-
keit des Problemes ebenso klar war wie späteren Forschern. Die Grimms schätzt er
als gelehrte und tüchtige Arbeiter; „aber bis jetzt war mir alles unerfreulich, das
von ihrer Hand kommt". Unter den übrigen Korrespondenten Horners befindet sich der
Historienmaler Ludw, Vogel, der erkennt, dass ihm Schillers „Teil" für seine Bilder
aus der schweizerischen Historie wenig nütze, weil das im Schauspiel Wirksame darum
noch lange nicht im Bilde wirke; ferner der Freiherr von Lassberg, der die für ihn
charakteristische Aeusserung thut, für eine Minnesingerausgabe sei jemand nötig, dem
das Alemannische von vornherein an der Wiege gesungen wurde. — Eine kleine, von
Guglia 243) besorgte Auswahl von Briefen des alternden Gentz an die anziehende, un-
glücklich verheiratete Gräfin Fuchs, mit der er von 1812 — 1831 in freundschaftlicher
Korrespondenz stand, hat ihren eigenen Reiz in der anspruchslosen Unmittelbarkeit,
mit der hier auch die kleinsten Kleinigkeiten des täglichen Lebens nicht verschmäht
werden: insofern erinnern diese Briefe immerhin von weitem an den Briefverkehr
Goethes mit Frau von Stein. Freilich nur insofern. Die Interessen des Schreibers
sind doch eben sichtlich verflacht in dem Capua der Geister. Was er über seine
Lektüre, über den Tod der Frau von Stael äussert, geht alles nicht tief; Grazie und
Leichtigkeit ist das, wonach der Weltmann am meisten strebt. Als er dann mit später
Leidenschaft in die Macht einer Königin der Grazie gerät, als ihm seine resigniert
glückliche Liebe zu Fanny Elssler beschert ist, da bleibt die Gräfin, die selbst eine
frühere Liebesanwandlung Gentz' mit liebenswürdiger Anmut abgewehrt hatte, seine gute
Vertraute: doch tönen die in edler Prosa geschriebenen Briefe aus dieser Periode nicht
so voll aus wie die gleichzeitigen Briefe an Rahel: möglich, dass reichere Mitteilungen
den Eindruck steigern würden. — Unzweifelhaft ist eine gesunde Auswahl die einzige
Art, in der uns die unübersehbaren Briefschätze vergangener Tage fruchtbar zugänglich
gemacht werden können. Aber für ganz unratsam halte ich es, dass dabei die Briefe
in einzelne geistreiche oder sachlich interessante Sätze zerpflückt und diese „Licht-
strahlen" mit dem verbindenden Texte des Herausgebers zu einem Brei zusammen-
gerührt werden, wie das durch Trost 244-248) ^it den Briefen König Ludwigs L von
Bayern an seinen Sohn, König Otto von Griechenland, gemacht worden ist. Die
Chronologie, die Individualität des einzelnen Briefes sollte bei Publikationen neuen
Materials nie vernachlässigt werden. Was T. aus den von 1822 — 1867 vorhandenen
Briefen aushebt, ist wesentlich Familiengeschichte und Politik: der verzwickte Stil des
Aus W. T. Humboldts Studienjahren. Mit ungedr. Briefen : DRs. 1890/1, II, S. 258—81. — 242) H. B 1 tt ro n e r , Aus Briefen an J. J.
Homer (1773-1881): ZUricherTb. S. 1-26. - 243) E. Guglia, Gentz u. d. Gräfin Fuchs. Mit ungedr. Briefen: NFPr.
N. 9651/2. — 244) L. Trost, KOnig Ludwig I. v. Bayern in s. Briefen an s. Sohn, d. KOnig Otto v. Griechenland. Bamberg,
Buchner. XU, 202 S. M. 6,00. |[M. G. C[on rad]: Gesellsch. S. 998; PrJbb. 07, S. 282.] | - 245) X A. v. Mens i, Köni^ Ludwig I.
V. Bayern in s. Briefen an s. Sohn: SchlesZg. N. 421. (Ist sehr einverstanden mit d. Art d. Publikation u. bringt AuszUge
wesentlich politischen Inhalts.) — 246) X C. Ettmayr, König Ludwig I. v. Bayern in s. Briefen an s. Sohn, d. König Otto
V. Griechenland: AZg». N. 81. (Betont d. schöne Familienvprhttltnis in d. königl. Hause.) — 247) X Aus d. Briefen zweier
Könige: BLÜ. N. 17. (Findet, dass Trosts Ausgabe d. Briefe Ludwigs I. an König Otto e. wichtiges polit. Verhältnis allzusehr
unter d. Qesiehtswinkel Wittelbachscher Familiengemütliohkeit betrachtet.) — 248) X Martin Greif, König Ludwig I. in s.
80 i G. Roetko, Allgemeines de» 1^./19. Jahrhunderts. I\' I: -mi' :;••»
Köni^K tritt hier so wenig hervor, diiss der Verdacht HtilJHtischer Modelung leise "ii^-
steigt. Ein Gedicht „An meine verklärtem 'J'herese'- vom 10. Febr. 1858 macht mehr
dem Gatten als dem Dichter Ehre, Des Königs Kunstliebe kommt bei T. ei-st in den
Briefen nach der Thronentsagung zum Ausdruck (8. 28 ff'.); von litterarischen Inter-
essen verraten diese Excerpte nichts. — Dass solche Interessen in den Münchener
Künstlerkreisen überhaupt nicht voran .standen, scheinen die Reisehriefe Wilhelm Kaul-
hachs an seine Braut und Frau zu bestätigen, die Hans Müller 240-25i^ als Vorschmack
der künftigen Biographie veröffentlicht hat. Ungemein belebt und anziehend schmücken
sie sich genie mit (^itaten aus den von Kaulbach illustrierten Dicht-ern. Wenn er sich
im Gegensatz zu der Düsseldorfer Schide bemüht, die Menschen zu zeichnen, wie sie
sind-, so benift er sich auf Shakespeare, und als er Frankfurt kennen lernt, da steigt
in ihm wie in so vielen anderen die Frage auf: Wie war es nur möglich, dass in
dieser Stadt ein Mann wie Goethe auferstehen konnte? Sonst aber kommen diese
Briefe, in denen das Scharfe, Pessimistische des Kaulbachschen Wesens gar nicht
durchschimmert, auf irgend welclie dichterischen Interessen nicht zu sprechen: doch
wird dabei \uid bei der genrehaften Haltung der Briefe auch die Person der Empfängerin
mitgespielt haben. — Spröder, aber viel tiefer wirkt auf uns der Briefwechsel zwischen
Rauch und Rietschel, den uns Karl Eggers' 2''2-267^ Sorgfalt in zwei stattlichen Bänden
vorgelegt hat. Durch 28 Jahre tauschen Lehrer und Schüler ihre ktinstlerischen Ein-
drücke und Erfalu'ungen aus: der Lehrer in treuer Mitfreude am Gedeihen, in herz-
licher, hilfsbereiter Teilnahme an den schweren Sorgen Rietschels; der Schüler in un-
wandelbarer, besclieidener Dankbarkeit dem greisen Meister ergeben. Gewiss ein
menschlich und künstlerisch schönes Bild! Dennoch ist der Vergleich mit dem Brief-
wechsel Goethes und Schillers, den freilich eine Aeusserung Rauchs (II, S. .S86) nahe
legt, eine unerlaubte Ueberschätziuig. Nicht nur darum, weil die Briefe der beiden
Bildhauer schriftstellerisch nicht besonders hoch stehen! Aber Iteide Männer sind so
voll von dem Technischen ihrer Kunst, dass sie sich über ihre Scliöpfungen hinaus
kaum hinaufschwingen wollen : und ausserdem spielt das Pex'Sönliche eine Rolle, die
bei den von Bestellungen und Konkun*enzen lebenden Künstlern wohl begreiflich ist,
die aber doch die Parallele jenes in der rein.sten Jlöhenluft der Kunst einherschreiten den Brief-
wechsels der W'eimarer Dichter ausschliesst. Selbst die gegenseitige Kritik der Werke
tritt bei Rauch und Rietschel zurück: Photographien und Aehnliches konnten eben nie
ein zum Urteil berechtigendes Bild der plastischen Schöpfung gewähren. Uns inter
essieren hier besonders die zahlreichen Erörterungen über die Dichtei bilder, ^lit denei^
sich die Briefschreiber beschäftigen. Gleichzeitig arbeiten beide an einem Lessiiig, Rauch
für das Relief des Friedrichstandbildes, Rietschel für Braunschweig; sie tauschen ihre
Ansichten über die zu benutzenden alten Bilder aus (11, 8. 302, .304). Dann quält sich
später Rietschel mit dem Schillor-Goethe-Standbild in W'eimar weidlich ab, und Rauch
neigt zu der An.sicht, dass zwei Einzelbilder doch vorzuziehen seien (11, S. 393, 397,
422, 424 ff.). Rauch wünscht, dass Rietschel Ludwig Tieck verewige, aber so „lieroisch", wie
wenn er den Shakespeare vorlese (I, S. 247 ff., 203, 2G5); Rietschels Sympathien iVu-
Tieck sind wohl minder gross; besonders unzutrieden ist er damit, dass der von ihm
sehr geschätzte Böttiger i)n „Gestiefelten Kater", den er als neu anzusehen scheint, so
verletzend karikiert wurde (II, S. 130). Selu- warm urteilt Rauch über Rietschels Büste
der Schröder-Devrient, deren Romeo seinem plastisch geschulten Auge ein solcher Genuss
war, dass fer darüber den Gesang der anderen vergass (II, S. 133). Bei der Sorgfalt,
die sie beide ihren Dichtermonumcnten widmen, empört sie die Flüchtigkeit des Schwan-
thalerschen Goethe (II, S. 171), und Rietschel fühlt sich durch Davids luigeheuerlicb.e
Kolossalbüste Goethes geradezu beunruhigt (11, S. 9j. Das dämonisch überhetzte Kunst-
treiben König Ludwigs in München ist Rietschel so unheimlich, dass er eine Au.ssicht,
nach München zu kommen, schmerzlos schwinden sieht (I, S. 298). Das künstlerische
Ideal, die Antike, wird nicht oft ausdrücklich betont: aber es ist der selbstverständliche
Bri«feii an König Otto: NFPr. 9762. - 249) Hans Müller (Berlin), Aus W. Kaulbachs Werdeieit: AZg». N. 211 4. — 29» X
id., E. Badereise W. Kaulbacbs nach Ems im J. 1846. Mit ungedr. Briefen: ML. 60, S. 500 3. 522 4, 633 6, 569 70. (HSbich«
Plaudereien in Briefen an ». Frau, aber ohne litterarhist. Interesse; auch e. lustiger Brief t. Oiiido OOrres.) — 251) X id.,
^rerdruckt K. M.), Aus Kaulbachs Biographie. Kaulhach in Mülheim : ih. S. 791 3, 804 7. (Proben aus d. künftig erscheinenden
Biographie, wieder wesentlich anziehende u. belebte Briefe an a. Frau.) — 2S2) Briefwechsel zwischen Rauch n. Rietschel,
her. T. K. Eggers. Erster Band. Mit e. Lichtdruck d. BOste, d. Phutotypie e. Briefes Kauchs u. mehreren Hochltzungen.
Zweiter Band. Mit e. Lichtdruck d. Profllbildes, d. Phototypie e. Briefes Bietschi'ls n. mehreren Hochltxungen. Berlin,
FonUne. 1890' 1. XVII, 526; X, 608 S. M. 20,00. [[Gesellsch. S. 4;»7; Orenib. II, S. 538—40.] - 253) X «*««•» "•
Rietschel: DRs 1890/1, S. 317—20. (Nutzt N. 252 aus vorsngsweiae zu d. Charakteristik lUuohscher üenkmftler.) — 254) X
L. Geiger, Rauch u. Rietschel : Nation». S. 775 7. (l'eber N. 252. - 265) X W. Pn't'g. I>- Briefwechsel xwieohen Reuch
u. Rietschel: BLU. N. 7. (Rühmt iu Btat,i.<ir l'eberschatzung, wie hier weniger noch d. Künstlerische als d. rein Menschliche so
gewaltig wirke, wie in d. vertrautesten Aeusserungen keine CharakterblOsse herrortrete. Dann folgen Excerpte. u. a. fttr d.
Frage, ob d. Btthne d. plast. Kunst Anregungen bieten kOnn«.; — 256) X M. S.. Briefwechsel zwischen Rauch n. Rietschel : N*8.
57, S. 282. (Beobachtet richtig, wie Rauchs Stil immer krauser, der Rietschels l^.iipr freier u. tiefer dich entwickelt.) —
257) X W. Lttbke, Rauch n. Rietschel: AZg«. iN. 157. -^ 25«) X -"^K. Briefe Hehns an Wichmann: BaltMschr. 38, S. 691 8.
IV 1: 259-V'f G. Roetlie, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts. ^^ 80k
Untergrund, Rauch warnt den Schüler einmal vor romantischen Phantasten wie Schubert
und Kreuzer (I, S. 88), und Rietschel wird bei einer Antigoneaufführung durch Mendels-
sohns unantike Musik gestört. Goethe taucht öfters in Rauchs Gedanken avif, der
z. B. bei der merkwürdigen anatomischen Schärfe, mit der die Glieder im Gasteiner
Wasser erscheinen, an jenen denken muss (I, S. 95); Rietschel bekennt sich zu Hegel
und Feuerbach (II, S. 353). Das hindert ihn aber nicht, aus voller Seele einzustimmen
in den flammenden Zorn, den Rauch angesichts der Revolution von 1848 empfindet:
der alte Hen- kann sich garnicht genug thun in grimmigen Reden über die „Gemein-
heit höchster Potenz", die dank der Demokratie über die Geschicke Preussens zu Rate
sitzen darf (II, S. 307). Und wiederum steigt in ihm der Zorn auf, wenn er hört, wie
„Zopf" und ,, zopfig" als verächtliches Prädikat gedankenlos gebraucht wird, und wenn
er dabei denkt, dass die Schöpfungen Glucks, Winckelmanns, Mozarts, Lessings, Goethes
im Zeichen des Zopfes entstanden, ,, wogegen uns die heutigen Bartherren wie aufge-
blasene Schläuche vorkommen" (II, S. 304). So haben denn beide mit den Wortführern
der modernen Litteratur wenig Fühlung, wenngleich Rietschel 1857 von Auerbach und
Gutzkow angetoastet wird (II, S. 548); und den Selbstmord der Frau Stieglitz beurteilen
sie beide als ein jämmerliches Ergebnis des Unglücks, dass keine irdische Beschäftigung,
keine häusliche Not sie von der Beschäftigung mit ihrem Ich abzog; das Theatralische
dieses Todes ist ihnen beiden gründlich zuwider, zumal Rietschel, der den Segen der
Prosa, der Lebensnot gerade vor dieser Leiche tief empfindet (I, S. 280, 282 f.). Sie
urteilen also in ähnlicher Stimmung wie Ranke (s. o. N. 212). — Ueber dessen Briefe, wie über
die Moltkes (N. 138), Dingelstedts (N. 196), Hases (N. 220) habe ich schon früher be-
richtet: Hehns Briefe an Wichmann (JBL. 1890 IV 1 : 55) haben auch in diesem
Jahre die Kritik 258-263^ nicht zur Ruhe kommen lassen. Ich verkenne gewiss nicht,
dass die Offenherzigkeit dieser Briefe eine ungekürzte, so schnelle Veröffentlichung hätte
verbieten sollen. Aber ihr köstlicher Gehalt ist so gross, der Zauber der Unmittelbar-
keit wird durch Hehns gelegentliche Ueberschärfe so sehr verstärkt, dass ich die Indis-
kretion nicht zu bedauern vermag. Mir ist von diesem herrlichen Menschen, den
Schrader264) leider als das Glied eines scheidenden Geschlechtes feiern muss, jede
Zeile so wert, dass ich seinem Biographen besonders dankbar bin für die mancherlei
Auszüge und Mitteilungen aus verscholleneu und minder bekannten Arbeiten Hehns,
mit denen er das Bild des nur auf kurze Strecke stärker bewegten Lebens des einsamen
Gelehrten geschmückt hat. Helm selbst hat ja leider an eine Sammlung und Sichtung
seiner versprengten kleineren Aufsätze nie gedacht. Andere sind sorglicher gewesen
gegenüber ihren Geisteskindern. — .
Litter aturg es Chi chte N. 1. — Anthologien X. 9. — Äluianache N. 21. — Stammbücher N. 28. — Moderne
Litteratur N. 33. — Geschichte geistiger Strömungen des Jahrhunderts: Allgemeines N. 42. — Theologie N. 47. —
NationalgefUhl N. 48. — Politische Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts N. 51; einzelner Epochen N. 57. — Samm-
lungen von Biographien N. 64. — Die preussischen Könige N. 67: Friedrieh der Grosse N. (18; Friedrich Wilhelm II. N. 92;
Friedrich Wilhelm IIL N. 93; Friedrich Wilhelm IV. N. 95; Wilhelm 1. N. 96; Wilhelm II. N. 98. — Bismarck N. 101. —
Moltke und Roon N. 118. — Selbstbiographien und Tagebücher: von Fürsten N. 159; von Diplomaten und Politikern
N. 162; von Dichtern und Schriftstellern N. 188; von Historikern N. 209; von Theologen N. 218; von Schauspiölern N. 228. —
Briefsammlungen N. 232. —
(Schluss folgt).
(Sehr gerühmt, weil sie Hehns gelÄutert-konservative Anschauung, seine Achtung vor d. bist. Gewordenen enthüllen.) —
259) X Briefe von V. Hehn: Grenzb. 50, II, S. 342/6. (Verständige Besprechung d. Wichmannschen Briefpublikation.) —
260) X Gegenwart 40, S. 255. — 261) X ^, V. Hehn in seinen Briefen: NFPr. N. 9529. (Sympath. Besprechung.) — 262) X
Erich Schmidt: DLZ. S. 1539. (Bedauert d. taktlose Publikation.) - 263) X G. D., Privatbriefe u. publizistische Korre-
spondenzen V. V. Hehn: AZg». N. 56. (Schliesst e., überwiegend anerkennenden, Beurteilnng d. Wichmannschen Publikation
einige Briefe Hebns über russische Verhaltnisse au, die er in d. J. 1862/5 für d. BaltMschr. schrieb.) — 264) (IV 6 : 145'6.)
llBgn.: BaltMschr, 38, S. 597.]| -
81 F. Muncker, Epos des 18./19. Jalirhunderts. IV 3: 1-7
IV,3
Epos.
AllK«m*ine Theorie und Gesuhichto des Romans N, 1. — l'itl>oln und poetlacbe Erzthlnngon N. 12. — KomiKehe
Ueldengodichte N. 18. — Erastos Epos N. 10. — Kloputock N. 20. — Wielund N. 29. — AelUre Roman« N. 38. — Klinger
N. :!8. — HUrger und Voss N. 41. — Tiedge und andere /eitgenoasen der klaaMiHchen Periode N. 45. — Hebet nnd Zachokk«
N. 60. — Christoph v. Schmid N. 60. — Jean Paul N. 73. — E. T. A. IIofTinonn N. 81. — Chamluo N. 83. — Oleichaeitige
iiud wenig spatere Novellen- und Romandichtor: Hauff, Immorinann, (icrstäcker, Mosen u. a. N. 84. — Fritz Beuter N. 114. —
Auerbach und süddeutsche Dorfgeschichtendichter N. 122. — Gottfried Keller N. 139. — K. F. Meyer N. 157. — Redwitz
N. 161. — F. W. Weber N 170. — Hamerling N. 173. — Hchoffel N. 182. — Ferd. Olelchanf, Titos Ullrich, Aug. Becker
N. 189. — Raabe N. 192. — Schwoichol N. 202. — Rodenberg N. 204. — Oeschichte des Erstlingswerks N. 207. — Mnnehener
Dichter N. 217. — J. B. Muschi N. 221. — Wiener Romanaatoren N. 222. — Fontane N. 220. — Frenzel N. 230. — A. Olaaer
N. 234. — .Die Moderne" N. 230. —
Zu allgemeineren Untersuchungen auf dem Gebiete der neueren Epik hat
im Jalire 1891 die Theorie und Geschichte des Romans am meisten angelockt;
(loch ist dabei nur wenig wissenschaftlich Förderndes geleistet worden. Aus Klinck-
siecks 1) zwar nicht erschöpfender, aber fleissiger, lehiTeiclier und Oberall anregender
Charakteristik der vier Hauptvertreter des Realismus in Frankreich, Balzac, Flaubert,
Daudet, Zola, kann die deutsche liitteraturgeschichte nur mittelbar Nutzen ziehen. —
Fast wertlos wird dagegen durch leidenschaftliche Uebertreibung, was L. Grego-
rovius^) gegen den historischen Roman voi'bringt. Es zeugt mehr von schulmeisterlich-
pedantischer Berechnung als von künstlerischem Verständnis, ermangelt der nötigen
Konsequenz, da der Vf. wohl im Roman, aber nicht im eigentlichen Epos und im Drama
die plumpste Realistik fordert, luid ist überdies oft in einem höchst ungehörigen Tone
ausgesprochen. G. sucht hauptsächlich an den „Ahnen" von G. Fi-eytag, der nach
seinem Urteil nur ein bedeutender Schriftsteller, aber kein Dichter ist — während Scheffel
zwar kein grosser, aber ein wirklicher Dichter genannt wird — , die nahezu unüberwind-
lichen Schwierigkeiten bei Benutzung historischer Stoffe im Roman nachzuweisen. Ein
poetisch nebensächliches Moment, das äussere Gewand der Erzählung, das nur die
Voraussetzung und die Mittel für die Entwicklung der Handlung, für die Darstellung
mensclilichen Empfindens, Denkens und Erlebens bieten soll, erheische im historischen
Roman eine ungebülniiche Beachtung; hinwiederum aber könne auch der allererfahrenste
Kulturhistoriker nicht alle Einzelheiten des jeweiligen geschichtlichen Kostüms richtig
txeöen. Personen einer vergangenen Zeit dürften keine modernen Ausdrücke brauchen:
der Autor müsse also seine natürliche Sprache modifizieren, verliere dadurch die Un-
mittelbarkeit des Ausdrucks und werde fast rettungslos zur Manier getrieben. Aber
auch das ganze innere Wesen, die Geistes- und Gemütsbildung der Menschen sei früher
anders als heute gewesen; der moderne Erzähler dlirfe also nicht mit der gesamten
Fülle seines Denkens und Empfindens Personen einer älteren Zeit beleben. So aul
manche Weise durch den historischen Charakter seines Stoffes beschränkt, suche er
Ersatz in der poetischen Verwertung von Elementen, die im Lichte modemer Verhält-
nisse nicht einmal angedeutet werden dürften, wie z. B. Freytag in dem mystischen Zu-
sammenhang der Charaktereigenschaften und Ereignisse in den verschiedenen Romanen
seines Cyklus (wobei G. auch ein paar Einwände gegen missverstandene Wort« Goethes
einmischt). Vor allem aber verderbe das selbständige Interesse, das der historische Stoff
hervorrufe, den Geschmack der Leser (dazwischen eine" überaus thörichte Bemerkung
über Goethes „Tasso" als klassisches Beispiel, wie einem an sich ungeeigneten Stoff
auch die Kraft des grössten Dichters keine Anziehungskraft zu verleihen vermöge!) und nicht
minder das Urteil der Autoren selbst, die nun nationale oder politische Tendenzen in
ihren Romanen verfolgten und so den verkehrtesten Cham-inismus pflegten. Einzelne
dieser Gedanken sind ja gewiss an sich nicht völlig unberechtigt; aber auch bei ihnen
ist die weitere Ausführung dem Vf. in der Regel ganz missglückt. 3-ß) — Die früher er-
schienenen Werke von E. Morsier, H. Mielke und K. Rehom (JBL. 1890 IV 3 : 1 — 2) über
den Roman des 19. Jh. zogen noch die kritische Aufmerksamkeit Zollings ^) iind
Hardens 7) auf sich. Der letztere verbindet damit eine meist verurteilende Besprechung
I) F. Klincksiecls, Z. Entwicklungsgesch. d. Realismus im franxe.<>. Roman d. 19. Jh. E. litt. -hi.st. Versuch. Marburc
Elwert; Paris, Klincksiock V,56S. M. 1,20. [J Sarrazin: Franco-Oallia 8. 8. 77.]; — 2) (I 3 : 140.) [Grenzb. H. .-<. 39«i ^i„bend).r -
3) (I 3 : 138.) — 45) O XX Lucac, De nederlandsche sentimenteele roman en lijne terugwerking. Amsterdam Priem
VI, 116 Bl. Fl. 1,23. — 6) (I 3 : 137.) — 7) M. Harden, D. Alten u. d. Jungen im dtsch. Rom«],: pzg, jj, liOIL —
Jahresberichte fUr neuere deutsche Litteraturgeschiehte II cai. a
IV 3: 8-12. F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 82
zahlreicher neuer Romane von schreibenden „Damen" und anderen Anhängern der alten
Richtung (E. Wiehert, A. Becker), von halbmodernen Talenten (J. Niemann, K. Tel-
mann) und von ganz modernen, technisch merkwürdig sicheren, aber der Individualität
und wahrer Kunst ermangelnden Verfassern (F. Holländer, Th. Wolff); ungeteiltes Lob
hat er nur für W. Kirchbach. — An einen neueren Roman anknüpfend, verfolgte
R. M. Meyer ^) die Gestalt des nüchternen Antiidealisten, der über alles Grosse und
Poetische platt abspricht oder im satirischen Tone vermeintlich pfiffig spottet, in unserer
Litteratur von den Lügenmärchen des 10. Jh. an durch die Schwanke Eulenspiegels,
die Sittenlehren des „Grobianus", die Aufschneidereien Schelmuffskys hindurch bis ziir
Jobsiade, Hebels „Kannitverstan", Immermanns Karl Buttervogel und Gaudys Schneider-
gesellen. — Von einem anderen modernen Werke, Bellamys „Rückblick", gingen
von Hertling 9) und von Grotthuss ^*^) aus, um ältere und neuere Staatsromane
der deutschen und noch mehr der französischen und englischen Litteratur, so Th. Morus'
„Utopia'', Campanellas „Sonnenstaat", Vairasses „Geschichte der Sevaramben", Cabets
„Reise nach Ikarien" und J. H. Mackays „Anarchisten", Ch. Kingsleys „Alton Locke",
zu besprechen. — Weniger ausschliesslich auf die Geschichte des Romans beziehen sich
die zusammenfassenden Arbeiten, die der Epik des 18. Jh. gewidmet sind. An erster
Stelle ist hier Goetzes Neubearbeitung von Goedekes^) „Grundriss" zu verzeichnen,
dessen vierter Band eine neue, in den allermeisten Eällen sehr zuverlässige Grundlage
für das Studium unserer Litteratur von Bodmer bis Goethe bildet. In ihm behandelt
§ 210 die Fabeldichter, § 214 die Verfasser komischer Epen, § 225 die Autoren von
Rittergedichten, komischen Erzählungen, burlesken Romanzen, Parodien, Travestien und
Schwänken. Die drei Paragraphen sind mit Benutzung der Vorarbeiten Goedekes von
Goetze selbst ausgearbeitet und zeigen gegenüber den dürftigen Angaben der ersten
Auflage des „Grundrisses" eine ungemeine Vermehrung des zugleich viel gründlicher
im einzelnen geprüften und übersichtlicher geordneten bibliographischen Materials. In
§§ 210 und 214 handelt es sich fast nur um ganz untergeordnete Schriftsteller, da die
bedeutenderen Dichter, die sich in Fabeln und komischen Epopöen versuchten, in an-
derem Zusammenhange selbständig besprochen sind; aber gerade bei jenen sonst wenig
bekannten geringen Autoren war es oft recht mühsam, doch auch doppelt dankenswert,
die Titel ihrer Schriften möglichst vollständig zu verzeichnen und zugleich sichere Mit-
teilungen über die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens zu bringen. In § 225 treten
•leben geringfügigeren Poeten auch einige wichtigere und bekanntere Namen hervor:
Kaiserin Katharina IL, L. F. v. Nicolay, J. ß. v. Alxinger, R. E. Raspe, D. Schiebeier,
J. A. Blumauer, K. A. Kortum, G. Ch. Lichtenberg, A. F. E. Langbein. Bei ihnen ist
auf Grund mannigfacher neuerer Specialforschung die Bibliographie ausserordentlich
leichhaltiger und genauer geworden und namentlich wurde auch, so weit es vorderhand
möglich war, eine Aufzählung der von ihnen bekannten Briefe versucht. In gleicher
Weise ist der von Muncker neubearbeitete § 216 über Klopstock nach allen Seiten
iiin um mehr als das Doppelte vermehrt worden, besonders dvirch ein Verzeichnis der
Briefe des Dichters und zahlreicher neuer Arbeiten über ihn sowie der Uebersetzungen
seiner Werke; sonst wurde vornehmlich die Bibliographie der Einzeldrucke von Ge-
sängen des „Messias" und von Oden und die Streitschriftenlitteratur, die der „Messias"
Iiervorrief, vervollständigt, natürlich zum grossen Teil mit Hilfe der Vorarbeiten Cropps
'm Hamburger Schriftstellerlexikon. Noch viel bedeutender hat sich § 223 über Wieland
erweitert, in der ersten Auflage allerdings einer der dürftigsten Abschnitte des ganzen
„Grundrisses". In der neuen Auflage ist ihm, gleich den übrigen grösseren Dichtern
unseres Volkes, eine eng gedrängte Darstellung seines äusseren Lebensganges nebst
kurzer Charakteristik seiner litterarischen Bedeutung von Muncker gewidmet; daran
schhesst sich eine ungemein reichhaltige Bibliographie, das Werk Goetzes, dem dabei
aber eine Zusammenstellung Redlichs und überaus fleissige Kollektaneen-B. Seufferts
vorlagen. Hier sind z. B. aus den vier ein halb Zeilen, die in der ersten Auflage zur
Aufzälalung der Schriften über Wieland dienten, mehr als vier eng bedruckte Seiten
geworden, eben so viel aus den fünf Zeilen, die früher seine Briefe verzeichneten. Mit
der gleichen Sorgfalt ist jede noch so geringe Dichtung und jeder Prosaaufsatz von
selbständiger Bedeutung samt der etwa sich daran knüpfenden kritisch -polemischen
Litteratur angemerkt. Dasselbe Lob verdient der von Müller-Fraureuth bearbeitete,
den vorgoethischen Romanschriftstellern des vorigen Jh. gewidmete § 224. Auch hier
sind zahlreiche neue Namen und Titel hinzugekommen ; mehrere Werke, dereii Ursprung
früher noch im Dunkeln gelassen war, sind nun ihren Verfassern zugewiesen; alles ist be-
richtigt, bereichert und vervollständigt. Viele Autoren von geringerem Range werden
8) B. M. Meyer, D. Ahnen d. Fiirailio Buchholz: Nationn 8, S. M2|5. — 9) Q. Prhr. v. Hertline, Ueber alte u. nene
Staatsromano. Vortr : Hausschatz 17, S 199—203, 21-.'/5, 231/4. — 10) J. E. Frhr. v. Grotthuss, D. Zukunftsstaat im
Spiegel d modernen Romans: UZ. II, S. 498-512. — llj (IV 1:1.) — 12) X Neuer Fubelschatz. Mit Text in Versen nach
83 F, Muncker, Epos des 18./19, Jahrhunderts. IV 3: 13-28.
dabei besprochen, mit ihnen abei* auch einige verhältnismässig bedeutendere, ThOmmel,
Hermes, Bode, Schummel, Sophie v. la Roche, Musäus, Meissner, Pestalozzi, Knigge, in
ihrer ganzen schönwissenschaftlichen Thätigkoit behandelt. —
Mehrere Veröffentlichung(!n mahnen an die Bedeutung, die man im 18. Jh. der
Fabel und der poetischen Erzählunj^ bcnmass, insbesondere an Lafontaines Einfluss
auf unsere Fabeldichtung '2-I8). — Mendhcim ^*) schildert das Leben und die Schriften des
in der Weise Gellerts dichtenden Joh. Frd. Seidel (1749 — 1836) in einem kurzen,
guten Aufsatze. — In Pfeffols Erzählung „Die Tabakspfeife" möcnte Sprenger **) in
V. 2 nach dem Druck in „Des Knaben Wunderhoni" lieber „Blumenkopi" lesen;
Puls '6) verteidigt und erklärt die in PfefFels eigenen Ausgaben überlieferte Lesart
„Blumentopf", sicherlich mit Recht. — Von Langbeins i') humoristischen Erzählungen
sind vier Bände wiodergedruckt worden. —
Den komischen Heldengedichten widmet E. Petzet 1^) eine grtlndliche und
im einzelnen ergebnisreiche Studie. Er charakterisiert kurz Tassonis „Geraubten Eimer",
Boileaus „Chorpult" und Popes „Lockenraub" (mit besonderer Rücksicht auf einzelne
darin enthaltene Nachahmungen Homers und Vergils) und schildert dann die deutschen
Epen, zumal in ihrer Abhängigkeit von Boileau und Pope, so Rosts „Tänzerin" (1741),
Pyras „Bibliotartarus" (1741) und den von diesem beeinflussten „Renommisten" Zachariäs
(1744), mit dem das komische Epos in Deutschland den ersten Höhepunkt erreicht und die
der Fremde entlehnten Elemente wirklich deutsch werden. Darauf bespricht P. die
späteren, stets schwächer werdenden Dichtungen Zachariäs, die „Verwandlungen" (1744,
nach Ovid), das „Schnupftuch" (1754, darin schon direkte Parodie Homerischer Stellen),
den „Phaeton" (1754, Parodie Ovids) und „Murner in der Hölle" (1757, Parodie von
Hom. Od. XI, 51 — 83), und verweilt wieder länger bei dem zweiten Meisterwerke dieser
Dichtungsgattung, Uz' „Sieg des Liebesgottes" (1753), dessen Wert nicht auf der mini-
malen, von Zachariäs „Verwandlungen" etwas abhängigen Handlung, sondern auf den
anmutigen Einzelzügen der Darstellung und auf der kräftigen, echt deutschen Satire be-
ruht, die nun aber auch auf die NachäiFung englischer, nicht bloss französischer Sitten
\uid auf litterarische Verhältnisse in weiterem Umfange ausgedehnt wird. Kürzer be-
handelt P. die ganz von Pope abhängigen, dabei auch vielfach zur Parodie verschiedener
Dichter neigenden Versuche von Dusch, das „Topp^e" (1751) und den „Schosshund"
(1756), femer Schönaichs „Picknick" (1753, durch den ,, Renommisten" mitbestimmt), neu
und originell in seinem Hinweis auf Friedlich IL, den sofort J. F. Löwen in seiner
„Walpiu-gisnacht" (1756) nachbildet. Zeigt dieses Werk mit seinem Mangel an Hand-
lung schon den Uebergang zur reinen Satire, so bekunden Zachariäs „Lagosiade" (1749)
und „Hercynia" (1763) und Thümmels „Wilhelmine" (1764) den Uebergang zum ko-
mischen Prosaroman, der ja zum Teil unmittelbar an die „Wilhelmine" anknüpft, und
zur humoristischen Idylle Jean Paids. Andererseits mündet das komische Heldengedicht
auch in die komischen Erzählungen Wielands und in die Travestien von Michaelis und
ßlumauer aus. —
Die Geschichte des ernsten Epos im 18. Jh. beginnt wirklich erst mit dem
Einfluss Miltons auf unsere Dichtung; einige recht brauchbare Andeutungen darüber,
besonders auch über das Verhältnis Klopstocks zu Milton, gibt A. Köster'®) in einer
kurzen, völlig verurteilenden Besprechung von G. Jennys Schrift über jenes Thema. —
Ueber Klopstock selbst hat das Jahr 1891 wenig Neues gebracht. L. Frän-
kel 20-22) besprach neben Muncker-Pawels kritisch-historischer Ausgabe der Oden einige
im vorigen Bande der JBL. behandelte Werke der Klopstocklitteratur für die Schule.
— Eine verspätete, umfangreiche Kritik des Munckerschen Buches über Klopstock
von Weissenfeis 23) enthielt nichts nennenswertes Neues. — Der JBL. 1890 IV 7 : 2
besprochene Vortrag von Tschirch 24-25) wurde, wie es scheint, nunmehr ausführlicher
mitgeteilt. 26) — Ueber Klopstocks vielverspotteten Nebenbvdiler v. Schönaich veröffent-
lichte Jentsch27) einen ungenügenden, ohne Kenntnis der neueren Forschungen ab-
gefassten Aufsatz. — Von einem späteren Freund und Schüler Klopstocks, H. W. v. Gersten-
berg, teilte von Weilen 28) Verse aus hs. erhaltenen Idyllen mit, die hernach in dem
„Gedicht eines Skalden" verwertet wurden. —
Viel reicher war die Ausbeute für die Erkenntnis Wielands, namentlich des
Lafontaine v. Geliert, Qleim, Hagedorn u. a. Mit 6 Bildern. Leipzig, Opetz. 16 8. M. 0,50. — 13) X M. F. Mann, F. St«in,
Lafontaines Einfluss auf d. dtsch. Fabeldiolitung d. 18. Jh. Aachen 1889.: ZFSL. 13, 11, S. 64/6. — 14) M. Mendheim, Joh.
Friedr. Seidel: ADB. 33, S. 620/1. — 15) R. Sprenger, Zu Pfeflfels «Tabakspfeife": ZDU. 6, S. 56. — 16) A. Puls, Noch
einmal zu PfefFels „Tabakspfeife", t. 2: ib. S. 209— 10. — 17) A. F, E.Langbein, Humoristische Erzählungen. Bd. 1—4.
Leipzig, Schumann. 12«. 135, 144, 128. 13« S. je M. 0,60. — 18) E. Petzet, D. dtsoh. Nachahmungen d. PopAsohen Loeken-
raubes: ZVLR. NF. 4, S. 409-33 - 19) A. K Ost er, O. Jenny, Miltons verlomos Paradies in d. dtsch. Lift. d. If». Jh.: ADA.
17,8.259—60. — 202) L. Frankel, Neue Klopstocklitt. fUr d. t^chule: ZDO. 5, S. 124— 30. — 23) R Weissenfels .
F. Muncker, F. G. Klopstock, Gesch. s. Lebens u. s. Schriften: LBlGRPh. 12, S. 114—22. — 24 5) Q 0. Tsehirch, E.
Angriff auf Friedrich d. Gr. in Klopstocks Gelehrtenrepublik: FBPG. 4, S. 586—91. — 26) O X (Gleim über Klopstoek):
Bühnen-Genossenschaft 20, S. 430. — 27) Jentsoh, Christ. Otto Frhr. t. SchOnaich: ADB. S2, S. 263/4. — 28) A. t. Weileu,
6*
IV 3: 29-30 ^- Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 84
in Zürich zu allmählicher Selbständigkeit heranreifenden Dichters. L. Hirzel^») gab
im Anschluss an das, was er selbst und B. SeufFert schon früher in Schnorrs „Archiv"
und in der „Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte" über pädagogische Pläne und
Arbeiten Wieiands veröffentlicht hatten, die nur halb vollendete ,, Geschichte der Gelehrt-
heit" heraus, die der junge Dichter 1757 einigen Privatschülern diktierte. Sie fand sich
nebst einem andern, doppelt so umfangreichen, noch ungedruckten Diktat, „Grund-
legung der christlichen Religion" betitelt, im Nachlass der Schreiber Joh. Kaspar und
Konr. Ott, ein überaus wertvolles Denkmal aus einer psychologisch und litterar-
geschichtlich merkwürdigen Periode in Wielands Leben, obgleich der Inhalt der Schrift
grossenteils unselbständig aus älteren gelehrten Werken geschöpft ist. Hie und da
zeigen sich aber auch beachtenswerte Spuren von Wislands eigenem Geiste, besonders
Spuren davon, dass er bereits im Uebergang von der schwärmerischen, mystisch-aske-
tischen zu einer liühleren, weltlich-sinnlichen Denkweise begriffen war. Aeusserlich fällt
die bunte Sprachmengerei am ersten auf. H. druckt das Schriftchen buchstabengetreu
ab, ohne erklärende Anmerkungen, mit Ausnahme einer kurzen Schlussnote, weist aber
in der Vorrede in aller Kürze dem Werke den Platz an, der ihm geschichtlich zu-
kommt. — Bedeutender noch ist L. Hirzels^o) Arbeit über Wielands Verhältnis zu
den Geschwistern Künzli, überall auf das sorgsamste Studium gegründet und darum
auch für die ganze Zeitgeschichte, um die es sich handelt, für die Erkenntnis Bodmers,
Wasers und anderer Schweizer, gelegentlich auch Klopstocks und seiner Freunde und
Gegner, ergebnisreich. Den Kern des Buches bilden 16 Briefe Wielands vom 17. Sept.
17B6 bis zum 5. Juni 1759, davon 11 an Martin, 5 an Regula Künzli gerichtet, jene
voll freundschaftlicher Achtung und manchmal ein wenig nüchtern, diese in einem
herzlich anmutenden Plaudertone geschrieben, ziemlich alle litterarische Andeutungen
enthaltend. Dazu gesellen sich in den mannigfachen Zuthaten eigner Forschung, mit
denen H. jenen Kern seines Buches umgibt, mehrere Briefe der schweizerischen Freunde
über Wieland und allerhand sonst Ungedrucktes oder Vergessenes. Schätzbare Nach-
richten werden uns über die Familie Künzli geboten: .Martin (1709 — 17G5), seit 1749
Geistlicher und Lehrer in Winterthur, von wo ihn ein Ruf an die Universität Herborn
1753 nicht wegzulocken vermochte, war auch schriftstellerisch thätig als Pliilologe,
Theologe und Philosoph, als Kritiker und Satiriker unter dem Einflüsse Bodmers,
Sulzers und besonders seines Freundes Joh. Heiur. Waser (1713—1777), des Ueber-
setzers von Butler, Swift und Lukian. Sein Verhältnis zu Klopstock, den er 1750
kennen gelernt hatte, wurde ganz und gar durch Bodmers Beziehungen zu dem Dichter
bestimmt; mit Wieland wurde er 1753, in demselben Jahre, das ihn auf einer längeren
Reise nach Frankreich, England, Holland imd Deutschland führte, flüchtig bekannt, seit
Ende 1754 näher befreundet. Er wie überliaupt der Winterthurer Freundeskreis spielte
eine gewisse Rolle in der bissigen Satire Bodmers „Edward Grandison in Görlitz", als
deren Vf. nach aussen hin die jüngeren Genossen des Züricher Meisters gelten sollten,
insbesondere Wieland, der wohl auch einen inneren Anteil daran hatte. Ein Neu-
druck der seltenen und bedeutenden Schrift, über deren Geschichte und Lihalt H, vor-
läufig mit reiclilichen Citaten ausführlich berichtet, wäre sehr erwünscht. Künzli ver-
suclite aber auch 1755 die durch Lessings und Mendelssohns Spott bekannte Preisfrage
der Berliner Akademie nach Popes philosophischem System in einem für Leibniz un-
bedingt günstigen Sinne zu lösen, unterlag jedoch trotz Sulzers Bemühen einem leiden-
scliaftlichen Gegner der Leibnizschen Lelire. Diesen unerwarteten Bescheid der
Akademie geisselten Waser und Wieland durch die 1757 zu Frankfurt und Leipzig (in
der That zu Zürich bei Orell u. Comp.) anonym erschienene „Beurteilung der Schrift,
die im Jahre 1755 den Preis von der Akademie zu Berlin erhalten hat. Nebst einem
Schreiben an den Vf. der Dunciade für die Deutschen" (24 Seiten 4o). Sehr geschickt
entdeckte H. an einem in den Briefen an Künzli erwähnten Druckfehler Wieland als
den Vf. des „Schreibens", das er daher buchstabengetreu wieder abdruckte. Künzli
vergalt dem Freunde den Dienst, indem er vor allem 1758 einen nach seiner Ueber-
zeugung unwürdigen, viel zu weit gehenden Widerruf Wielands verhütete, der in der
zweiten Auflage seiner „Empfindungen eines Christen" alles, was er in der ersten gegen
Uz gesagt hatte, zurücknehmen wollte; diesen Vorgang deckten fast gleichzeitig, aber
beide unabhängig von einander, Sauer (Vorrede zu Uz' Gedichten) und H. auf. Nicht
weniger nahe stand Künzlis Schwester Regula (1718 — 1800) dem jungen Dichter, mit
dem sie als Freundin der beiden Damen Grebel wohl 1754 bekainit und bald innig
vertraut wurde: für sie zuerst bestimmte er 1757 das Ms. von „Araspes inid Panthea".
VLU. lid. 2-3: ZUG. 42, S. !l02/4. - 29) Oesch. d. Ge'olirt.ieit v. C. M. Wieland seinen Sclililorn diktiert. Uor. v. L. Hirzel.
(= Hibl. ttlter. Scliriftwerko d. dtsch. Scliwoiü, her. v. .1. lillchtold u. F. Vetter. II. Serie, 3. Holt.) Fraueiifeld, Huber.
XII, 81 S. M. 2,00. — 30) L. Hirzel, Wioland u. Martin u. Ecgula KUnzli. Ungedr. Briefe u. wiederaufgefundene Akten-
stücke. Leipzig, Hirzel, VlI, 240 S. M. ."i.OO. |[II. F. ( 11 oniiaiin I' iscli er?) : AZg". N. 80; H lUidmer: NZUrcliZg. N. 132;
0. V. Widinann: Bund N. 105 (.uiigescliickte Kritik); F. Seliger: NZg. N. 615 u. 617; A. Cliuquet: KCr. 32. S. 457/9;
85 F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderte. IV 3:»i-40».
Etwa ein Jahr später scheint das Verhältnis zu den Geschwistern infolge der Pläne-
schmiederoi und der flatterhaften Haltlosigkeit Wieläiids, sicherlich auch wegen seiner
fortschreitenden Abwendung von Bodmer, erkaltet zu sein. 1759 verliess er Zürich,
ohne persönlich von den Freimden in Winterthur Abschied zu nehmen. Was man über
ihn aus Bern hörte, über seine Lehrthätigkeit bei den Kindern Frd. v. Sinners, über
seine Liebe zu Julie Bondeli, verstimmte gleichfalls. Auf der Fahrt von Bern nach
Biberach berührte er 17G0 zwar Winterthur, suchte aber Ktinzli nicht auf. Dessen
Interesse erlosch zwar auch an dem leichtfertigen Schriftsteller der Biberacher Periode
nicht; von freundschaftlicher Teilnahme jedoch oder gar von brieflichem Verkehr war
längst nicht mehr die Rede. — Ein Hauptwerk dieser Biberacher Zeit, die „Komischen
Erzählungen" untersuchte Sittenberger 3*) zunächst auf ihren Stil hin: eine sehr
HeiHsigo Arbeit, reich an feinen Bemerkungen, die nur dann und wann, weil jede leise
stilistische Schattierung in eine bestimmte Rubrik gebracht werden soll, allzu spitz-
findig werden, während die Hauptergebnisse durch massenhafte Beispiele sicher be-
gündet sind. Im „Urteil des Paris" findet S. nirgends höheren epischen Ton, abgesehen
von den seltenen und wenig charakteristischen Fällen epischen Details. Auch der ein-
fache Ton des Erzählers ist nicht rein gewahrt, die Erzählung vielftiehr in überaus
hoheni Masse von rhetorischen Elementen durchsetzt. Dagegen ist in „Diana und Endymion"
trotz einzelnen störenden rhetorischen Elementen in der Hauptsache der erzählende
Ton festgehalten; einiges weist sogar bedeutsam auf den höheren epischen Stil hin. In
„Juno und Ganymcd" wechselt sowohl im grossen Zuge der Erzählung als im einzelnen
das rhetorische Element mit dem epischen, ohne dass eines von beiden überwiegt, aber
auch ohne dass beide harmonisch vereinigt sind. Dies ist erst in „Aurora und Cephalus"
geglückt: diese Erzählung ist in den Grundzügen episch, gesellt aber dem blossen Fort-
schritt der Handlung auch Charakteristik zu und weist daher auch im Einzelnen viele
rhetorische Elemente auf, denen auf der anderen Seite wieder viele Kennzeichen epischen
Tones entgegenstehen. Einige metrische Bemerkungen schliessen vorläufig die Unter-
suchung ab. — So ziemlich über die ganze Zeit von Wielands Leben und Wirken ver-
breitet sich ein noch keineswegs erschöpfender, aber recht hübscher Vortrag Weiz-
säckers ^2) über das Verhältnis des Dichters zur antiken Philosophie und Kunst. Er
erörtert seinen geistigen Gang von den durch Bayle ihm nahe gerückten antiken Skep-
tikern zu Epikur und Lucrez, dann zu Piaton, von da zum Sokrates des Xenophon, zu
Lukian und schliesslich zum Sokratiker Aristipp. Aus seinem frühzeitigen, zuerst rein
litterarischen Interesse an der antiken Kunst erwuchs ihm die Frage nach der Idee der
Schönheit, dann die Unterscheidung von Schönheit und Anmut. J. C. Füessli vermittelte
ihm den Einfluss Winckelmanns. Noch galt ihm die moralische Schönheit als die einzig
wahre; aber bald verwandelte der platonische Eros sich in den Eros der sinnlichen
Liebe. Gerade in den Diclitungen, die diesen Umschwung am deutlichsten zeigten,
suchte Wieland mannigfach griechisches Leben und griechische Bildwerke zu schildern,
griechische Schönheit überhaupt zu verklären. Nun aber verlangte er zum Ideale der
Schönheit vornehmlich auch das Charakteristische, das Seelenvolle, Schönheit verbunden
mit Reiz, mit dem bewussten Streben zu gefallen. Das antike Gewand blieb auch den
meisten seiner spätem Werke, wenn gleich diese den Interessen seiner eigneia Zeit
näher traten. Von ihnen hebt W. nur noch „Alceste." und die „Walil des Herkules",
hier abhängig von Seufferts Einleitung zum Neudruck des Goetheschen Faustfragments,
die Uebersetzungen, einige Aufsätze tiber die bildende Kunst der Griechen und die
„Göttergespräche" hervor. —
Von den Verti'etern des älteren Romans, die sich hauptsächlich am empfind-
samen und humoristischen Roman der Engländer '^•*) schulten, haben Joh. Gottl. Schummel
und sein Schüler Fried. Scluüz, der Vf. des „Firlifimini", durch Hippe^*) und Brummer**)
eine kurze, mehr biographisch als litterargeschichtlich befriedigende Darstellung ge-
ftuiden^ö). — Aus dem „psychologischen" Roman „Anton Reiser" von dem den Stürmern
nahe stehenden K. Ph. Moritz hat J. V. Widmann^?) nach einer kurzen Anzeige des
von L. Geiger besorgten Neudruckes umfangreiche Auszüge abgedruckt. —
Kling er s Faustroman wurde noch verschiedentlich erörtert^^^); zur Lebens-
geschichte seines Vf. teilte Obser**') aus den Karlsruher Kabinetsakten einen Brief des
A. Hermann: BLU. S. 499.]| — 31) 11. Sittenberger, Untersuchungen Über Wiolands „Komisvhe Erzählungen": YLQ. 4,
S. 281—317, 40()— 39. — 32) WoizsScker, Wieland u. d. Antike Vortr. bei d. LandesTersamml. d. Vereins d. Lebror an d.
liumanist. Anstalten Württembergs, Cannstailt d. 13. Juni 1891: KBIGKW. 189:2, Heft 6 u. 6, S. 1—19. — 33) X L. J'rilnkel,
'/: Gesch. d. neueren dtsch u. engl. Litt.: BLÜ. S. 344. (Ueber M. Gassmeyer, S. Richardsons Pamela, ihre Quellca u. ihr
Kinfluss auf d. engl. Litt.) — 34) M. Hippe. J. «i. Schummel: ADB. 33, S. 59—61. — 35) F. BrBmmer, Friedr. Schuli:
ib. :!2, S. 742,44. — 36) X Carstens, Joh Friedr. ScliUtze: ib 33, .s. 145. (WortUi.--.) — 37) J. V. W[idmann], Leiden
0. Knaben (Auszüge aus K. Ph. Jloriti* „Anton Reiser'): Bund, N. 63/4, 67—72, 74f9, 81;4, t^fi, 88-90. - 38) X 0. Erdmann,
G. J. Pfeiffer, Klingers Faust (1890 IV 3 : 9): ZDPh. 23, S. :j81'2.) - 39) X W , O. J. Pfeiffer. Klingers Faust: HambCorrS.
N. 2. — 40) K. Obser, Friedr. Eng. v. Württemberg n. Klinger: VLG. 4, S. 596/6. — 40a) F Meyer t. Waldeck, Zu
IV 3: 41-60. F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 86
Herzogs Friedrich Eugen von Württemberg an Schlosser mit, worin er von den Schritten
spricht, die er zu Gunsten Klingers gethan habe. — Meyer von Waldeck ^Oa^ beschrieb
den Teil der Klingerschen Bibliothek, der nach dem Tode des Dichters der Universität
Dorpat zufiel, darunter einige Werke Goethes mit eigenhändigen Widmungen des Vf. —
Noch näher heran an die klassische Periode führen uns Bürgers 4^) Versuche
einer Homerübersetzung, mit denen sich Lücke *2) sorgfältig beschäftigt hat. Ge-
stützt auf die bekannten gediegenen Vorarbeiten über den deutschen Homer im 18. Jh.,
sie aber selbständig ergänzend, hat er zugleich einen schätzenswerten Beitrag zur Ge-
schichte Bürgers und zur Erkenntnis von Homers Bedeutung für jene ganze Zeit ge-
liefert. L. schildert zuerst chronologisch genau Bürgers verschiedene Bemüliungen, die
Tlias in Prosa, dann in Jamben und endlich in Hexametern zu übertragen, die Hinder-
nisse, die das Werk störten, und den Umschwung, den die gleichzeitigen Versuche
anderer Dichter und die öffentliche Polemik in Bürgers theoretischen Anschauungen über
den Vers bewirkten. Darnach prüft er ästhetisch-historisch den Wert der Uebersetzungen
Bürgers, wobei er streng methodisch die iambischen und hexametrischen Proben (be-
sonders lehrreich mit Rücksicht auf die Homerischen Beiwörter), aber auch Bürgers,
Stolbergs und Vossens ^^-44^ Verdeutschung des griechischen Epos mit einander ver-
gleicht. Den Grund, warum die Arbeit Bürgers erfolglos blieb, erblickt L. in seiner
Unfähigkeit, die eigene Individualität zu Gunsten seines Originals ziu-ückzudämmen, und
in seinem Bestreben, Homer in der altertümlichen Sprache vergangener deutscher Zeit-
alter zu übersetzen, zum Schaden für die Naivität des echten Dichters und für die
Einheitlichkeit seines Stils, und überdies mit der Sprache auch das ganze Wesen des
Griechen zu verdeutschen, aus dem ionischen Sänger einen „altdeutschen Barden" zu
machen. Dazu kommt noch seine despotische Vergewaltigung unserer Sprache bei neu-
gebildeten Wörtern. Auch seinen hexametrischen Versuchen, die immerhin einen Fort-
schritt zu grösserer „Homerheit" bekunden, haften jene Mängel noch allzusehr an. —
An einen früher hochgepriesenen Zeitgenossen, wenn auch nicht Geistes-
gefährten unserer Klassiker, an Tiedge, erinnerte Ph. Stein 45-46) bei Gelegenheit seines
50. Todestages; er betonte den Zusammenhang Tiedges mit dem Gleimschen Kreise
und charakterisierte kurz seine poetisch unbedeutenden, aber sitthch tüchtigen vater-
ländischen Gedichte, sein Hauptwerk, die „Urania", und einige seiner späteren, minder-
wertigen Versuche. — Auf einen anderen, wohl mit mehr Recht vergessenen Dichter
jener Zeit, G. A. F. Salchow, dessen Hauptwerk, das Heldengedicht „Numantias" (1819
bis 1821) in einer stark gekürzten und modernisierten Ausgabe*'') neu erschien, wies ein
anonymer Aufsatzes) hin: Salchow, am 8. Nov. 1779 zu Meldorf geboren, studierte in Kiel,
Jena und Göttingen Theologie, geriet dabei aber in ein wüstes, unstetes Treiben, aus
dem er sich erst völlig und für immer befreite, als er 1803 Lehrer in Altona wurde.
Er war ein warmer Verehrer Arndts, mit Jahn innig befreundet, überall geachtet tuid
gehebt. Aber von seinem Berufe' nicht befriedigt und durch traurige persönliche Schick-
sale tief erschüttert, verfiel er in Schwermut und endete am 11. Nov. 1829 durch Selbst-
mord. Ueber den künstlerischen Charakter seines Werkes sagt der Vf. eben so wenig
Brauchbares, wie Needler^^^ über ein gleichzeitiges, wie es scheint, spätromantisches
Epos, das unter dem Titel „Richard Löwenherz" (Berlin 1819) in sieben Büchern aller-
hand fabelhafte Abenteuer erzälxlt. Ausser diesem sehr mangelhaft charakterisierten
Gedichte weiss N., der mehrere proven9alische, französische, englische und italienische
Verherrlichungen des tapferen englischen Königs der Reihe nach vornimmt, in der
ganzen deutschen Litteratur nur noch Konrads von Würzburg „Turnei von Nantheiz"
zu nennen. Nicht einmal Körners „Rosamunde" und Marschners Oper „Templer und
Jüdin", Text von W. A. Wohlbrück, fielen ihm ein, um von unbekannteren Werken, wie
Grillparzers Fragment „Rosamunde Clifford" und Balladen oder lyrischen Gedichten,
in denen Richard Löwenherz und Blondel eine Rolle spielen, ganz abzusehen. Freüich
brauchte er nicht auf jede Erwähnung Richards in unserer Litteratur sich einzulassen;
aber Worte wie z. B. die Saladins in Lessings „Nathan" mussten angeführt werden,
wenn der stolze Titel der Schrift nicht blosse Prahlerei sein sollte. —
Zu einigen recht guten Arbeiten gab J. P. Hebel Anlass, insbesondere sein
„Rheinländischer Hausfreund", dessen stilistische Form Willomitzer^o) sehr fleissig unter-
suchte. Er gelangte zu dankenswerten Ergebnissen, wenn er auch die sprachliche Er-
klärung öfters bei einer genaueren Kenntnis der jetzigen oberdeutschen Mundarten
Klinge« Bibliothek: AZg». N. 168. — 41) X Wunderbare Reisen n. Abenteuer d. Frhrn. v. MttnchhauBen. Nach G. A. BUrger.
Mit 4 Buntbild. Berlin, Liebau. 120. no s. M. 1,00. — 42) 0. Lücke, Bürgers HomerUbersetzung. Progr. d. Kgl. Gymn. zu
Norden. Berlin, Gaertner. 4°. 39 S. — 43) (I 7 : 34.) — 44) (1 7 : 33.) — 45) Ph. Stein, D. Dichter d. „Urania" (Chr. Ä.
Tiedge, gest. 8. März 1841): Didaskalia N. 56. — 46) id., Z. Erinn. an e. Fastvorgessenen (Chr. A. Tiedge gest. 1841): KielZg.
N. 14175. (Verkürzter Abdr. v. N. 45.) — 47) O G- A. Salchow, Numantias. E. Heldengedicht in 12 Gesftngen, neu her. v.
6. H. Hamburg, Crone & Martinot. 1890. VUI, 888 S. M. 6,00. —48) E. vergeaseLer holslein. Dichter u. sein Werk: KielZg.
N. 14157. — 49} G. H. Needler, Eichard Coeur de Lion in litorature. Leipzig, Fock. 1890. 70 S. M. 2,00. - SO) (18: 28.) —
87 F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. IV 3: 61-78.
(z. B. auch des Bayrisclien und Fränkischen) noch weiter hätte fördern können. Er
behandelt zuerst die mundartlichen Bestandteile in der Sprache des „Hausfreundes",
die sich hier noch viel reichlicher finden als in dem daraus hervorgeffangenen, aber für
weitere Kreise Deutschlands berechneten „Schatzkästlein": Wörter, die nur im Dialekt
vorkommen oder in ihm allein ihre alte Bedeutung erhalten haben, einige wenige
Abweichungen des Lautstandes vom Hochdeutschen, zahlreiche volkstümliche Redens-
arten, besonders Euphemismen und Fremdwörter, die sich hau[)t8ächlich der Bürgersmann
angeeignet hat, volksmässige Formenbildungen in Flexion und Konstruktion, Diminutiva
und Verstärkungen, Ausfall von grammatikalisch nötigen, aber logisch entbehrlichen
kleinen Wörtern im Satzbau, Konstruktionen nach dem Sinn und nicht nach dem Wort-
laut, lockere oder ungewöhnüche Wort- und Satzstellung, Konstruktionsweclisel in Ana-
kolüthen und ElHpsen, Chiasmus, Zwei- und Dreiteilung der Rede u. dgl. Dann führt
W. den Humor inid die Anschaulichkeit seines Dichters vornehmlich auf seine bestän-
dige Individualisierung zurück: Hebel personifiziert das Unpersönliche, deutet innere
Empfindungen durch äussere Gebärden, abstrakte Begriffe durch sinnhche Zeichen an,
strebt nach bestimmten Ortsangaben, liebt Gleichnisse und Bilder, bemüht sich weniger
um die epische, objektive Darstellung der Begebenheit als um die Charakterzeichnung,
braucht möglichst oft die Form des Dialogs und entwirft überhaupt gern eine
dramatisch bewegte Scene; auch seine subjektiv reflektierenden Zusätze zur Erzählung,
die sich meistens aus dem Charakter des Volksschriftstellers erklären und echte Perlen
edelster Spruchweisheit enthalten, dienen mitunter zur Vermehrung der Spannung oder
ähnlichen künstlerischen Zwecken. W. scliliesst mit einem kurzen Wort über Hebels
Wirkung auf die Dialektdichtung und volkstümliche Erzählungskunst des 19. Jh. — Von
den im „Hausfreund" behandelten Stoffen fand J. Keller •''') mehrere, als deren Quelle
bisher nur das „Vademecum für lustige Leute" galt oder deren Herkunft überhaupt
unbekannt wai*, auch in Zschokkes „Schweizerboten" verwertet, besonders 1804, doch
auch gelegentlich früher und wieder 1807. Im Anschluss daran suchte K. die Vermutung
zu erweisen, dass Hebel 1805 sein Gedicht auf Zschokkes Hoclizeit nur auf Veranlassinig
des mit üinen beiden befreundeten Buchhändlers Sauerländer verfasst habe, ohne bis dahin
mit Zschokke selbst persönlich näher bekannt zu sein ; auch beleuchtete er die Stellung, die
beide Dichter zu Napoleon und seinen Gegnern, besonders Andreas Hofer, einnahmen.
— Meidel^^) und Sprenger ö3^ ergänzten diese Untersuchung durch den Nachweis,
dass der Stoff von Hebels „Kiudesdank und Undank" auch schon in altfranzösischen,
altitalienischen und altdeutschen Erzählungen (meist von v. d. Hagen, Gesamtabenteuer,
Bd. 2 und 3, und von W. Grimm, Kinder- und Hausmärchen, Bd. 3, N. 78, erwähnt)
sowie in Langbeins Gedicht „Die Rossdecke" begegne. — Von Zschokkes Schriften er-
scluen eine kärgliche, aber sonst nicht üble Auswahl^) in vier Abteilungen (Bruch-
stücke aus der „Schweizergescliichte", der „Selbstschau" und den „Stunden der An-
Andacht", sowie die Novellen „Der tote Gast" und „Das Abenteuer in der Neujahi-s-
naclxt"), der Rob. Weber eine knappe, biographisch-litterargeschichtliche Einleitung mit
einigen thörichten Phrasen gegen die „mannigfachen Verirrungen des ästhetischen For-
malismus" unserer „sogenannten Klassiker" und ihrer Epigonen vorausschickte. — Noch
eiji zweites Mal wurde die in der psychologischen Entwicklung nicht bedeutende, aber
lebhaft vorgetragene Novelle „Der tote Gast" gedruckt, zusammen mit zwei anderen
volkstümlichen Erzählungen („Eine Hochzeit" und „Auf Wiedersehen") von Goldammer
und der „Marzipan-Lise" von Halm^). —
Auch von dem Jugendschriftsteller Christoph von Schmid sind zahlreiche Ge-
schichten, manche in mehreren Ausgaben wieder gedruckt worden 56-6^); selbst an neuen
Uebersetzungen ins Französische 6*) und Italienische •"*) hat es nicht gefehh. — Ferner sind
Ludwig Bechsteins sämtliche Märchen ß'') mit Illustrationen neu erschienen. "^^-'S) —
51) J. Keller, J. P. Hebel u. U. Zschokke: ZDU. 5. S. 225-42. — 52)Meidel, Zn Zschokkes u. Hobels Erslhlang t. undank-
baren Sohn: ib. S. 644/5. — 53) R. Sprenger, Z. Erzahlang v. undankbaren Sohn: ib. S. 779—81. — 54) H. Zschokke. Aasfew.
Schriften. Neue Originalausg. Aarau, SauerlSndcr. 84, 79, 144, 7:{ S. — 55) H. Zschokke, L. Goldammer, K. Halm:
D. tote Oast n. andere ErzUliIungeu. tlit 8 Illustr. Weimar, Schrifteuvertriebsanstalt. 192 S. M. 1,00. — 56) Christ
T. Schmid, Heinr. r. Eichenfels u. and. Erzähl. Mit 5 Bild. Wesel, DUms. 72 S. M. 0,50. — 57) id., D. Wasserflut am Rheine.
D. Eierdieb. Mit 5 Hild. Ebda 72 S. M. 0,50. — 58) id., D. beste Erbteil. Titas u. seine Familie. Mit 5 Bild. Ebda.
72 S. M. 0.50. — 59) id., Jugendfreund. Auserles. Gesch. Mit 16 Bild. Ebda. 72, 72, 72 S. M. 1,50. (Enthllt N. 56/8.)
-- 60) id.. Waldüiiiir. V:\u\ Arnold. D. Himbeeren. D. Wasserkmg. Mit ßildnrn. Neue Stereotypausg. Reutlingen, Ensslin t.
Laibliu. 1(>U a M. 1,5U. — 61) id., wie N. 60. Nene Ausg. Ebda. l'^. KM) S. M. 0,50. — 82i id., 11 au^erw. Erathl. fUr d.
Jugend. Mit 5 Bild. Stuttgart, Loewo. 40. III, 115 u. 115 S. M. 5,00. — 63) id., Ausgew. Erzühl. Mit Bildern. Neuchatel,
Attinger. 4". 51 S. H. 3,00. — 64) Ansgew. Erslhlungen u. MSrchon för Kinder, her. r. C. A. Deiponbrock. Bdchen 1-7. Danilg,
Kafemann. l(>o. 65, 92, 75, 148, 100, 90 u. 78 .S. Jedes Hdclmn. M. 0,25. (Enthllt vor allem Vieles r. Ch. t. SchniM, auch
Mehreres v. Herder, Campe, Hebel, Zschokke, Krummacher, Anderson. Jer. Gotthelf, Weissflog, Ludw. Beehstein, Stöber, PrOhle,
Frd. Hoffmann u. a., besonders auch von den Brüdern Grimm.) — 65) Christ, t. Schmid, wie N. 63. FrantOs. Ausg. Neuehatel,
Attinger. 4*. 51 S. M. 3,00. — 66) O 'd., [Neue Uebersetiung seiner Erzählungen ins Italienische.] 29 Itdehen. Milano,
Battezzati Succ. - 67) L. Beehstein, Samtl. Märchen. Mit 67 n. 5 Bild. Berlin, Fontane. 352 S. M. 3,00. - 68-72) X
Aasgew. Erzähl, u. Märchen fOr Kinder, her. t. C. A. Deipenhrock. Bdohen 8 u. 9. A. Gillwald: Aus h«rt«n Zeiten, 3 hist.
Erzähl.; Azuma, hist. Erzfthl. aus d. Zeit d. Entdeckung Mejikos. Danzig, Kafemann. 16". 92 n. 74 S. Je M. 0,25 —
rv 3: 73-84. r. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. Sö
Für einen der grösseren Romane Jean Pauls, „Siebenkäs", wurde durch
seinen Enkel B. Förster '3) der ernst gemeinte und hoffentlich nicht vergebliche Ver-
such unternommen, den krausen Humoristen für das heutige Publikum lesbarer zu
machen. Trotz aller aufgebotenen Pietät musste freilich der eigenartige Stil und Text
Jean Pauls, der eben von seinen Fehlern unzertrennlich ist, zerstört werden. — Mit Recht
betonte L. Geiger''*), dass das Bedenkliche und Veraltende im „Siebenkäs" nicht nur in
den Einzelheiten, sondern in der ganzen Anlage des Romans liege. — In keiner Weise
veraltet sind hingegen verschiedene Aphorismen, die aus Jean Pauls ungedrucktem
Nachlass bekannt wurden ''5), geistvolle und witzige, manchmal auch sarkastische Aus-
sprüche über allerlei im Leben und in der Kunst, besonders über Genie und Kritik,
daneben das litterargeschichtliche Bonmot: „Hippel war ein heiliger Geist, in den der
Teufel gefahren war. Aber er gehört unter die Autoren, die man aufschlägt, wo man
will, und fortliest." ''6) — Jean Pauls liebevolle Begeisterung für Musik besprach
A. Bock'''). Dem Dichter fehlte freilich die fachmännische Bildung eines E, T. A.
Hoffmann, so dass er einzig seine Phantasie spielen lassen musste, die sich auch hier
ins Unendliche verlor. Und doch entzückte er am Klavier phantasierend seine Zuhörer,
und sein Wunsch, dass endlich Apoll einem und demselben Meister die Gabe der Poesie
und der Musik verleihen möge, war echt. — Eine glücklich das Notwendige zusammen-
fassende Gesamtcharakteristik des Menschen und Schriftstellers Jean Paul knüpfte
Paetow''^) an eine ausführliche, ablehnende Kritik von Nerrlichs Buch an. Zugleich
wies er auf Jean Pauls grössere Nachfolger Gottf. Keller und Dickens hin, die ihn durch
Schärfe der Sprache und der Charakteristik weit übertreffen, während uns von ihm
gerade die mühsame Breite seiner Darstellung, die erdrückende Fülle seiner Redeweise,
die unkünstlerische oder sonderbare Form abhält; auch Farina und W. Raabe hebt P.
als direkte Schüler Jean Pauls hervor. — Trefflich charakterisiert diesen H. Conrad ''9) nach
den Andeutungen des mannigfach von dem deutschen Humoristen beeinflussten und um
seine Einbürgerung in England bemühten V£ von „Sartor resartus": stosse auch sein
Stil und der Bau seiner Bücher zuerst ab, so ziehe hingegen sein unübertroffener Humor
als Blüte, Duft und reinster Ausfluss einer tiefen, schönen und liebevollen, mit sich
selbst harmonischen und mit der Welt ausgesöhnten Natur, sein rührendes Pathos, sein
Geist, sein Sinn für Natur, die Eigenart seiner Charakterzeichnung mächtig an. Aber
C. vergisst auch die von Carlyle verschwiegene Affektation und oft geschmacklose
Manieriertheit Jean Pauls nicht. In ihr sieht er nur „einen geistig, wissenschaftlich,
stellenweise auch gemütlich vertieften Euphuismus", der Jean Pauls ganze Dichtung
durchsetzt und die poetische Wirkung immerfort tötet, noch zum Glück aber n\ir an
der Form haftet und den Wert ihi-es Innern Gehaltes nicht antastet, ^o) —
Halb und halb durch Jean Paul wurde E. T. A. Hoffmann in die Litteratiu-
eingeführt; Erinnerungen an ihn, die uns meist nach Bamberg weisen, über sein Ver-
hältnis zu dem Arzte Dr. Markus, über Hoffmanns Frau und über seine Julia manches
Hübsche enthalten und für die Entstehungsgeschichte der Kreisleriana wichtig sind,
teilt Amely Godin^i), die Tochter seines Bamberger Freundes Dr. Friedrich Speyer,
aus Gesprächen ihrer Eltern mit. — Pröhle^a) weist in ziemlich schwerfällig- verworrener
Darstellung den wiederholt gegen Hoffinann erhobenen Vorwurf zurück, es habe ihm ai
Vaterlandsliebe gefehlt und er habe als Kriminalrichter rücksichtslos die deutsche Jugend
verfolgt; P. erinnert dabei namentlich an ein vergessenes Aktenstück, dass er schon
1855 im Anhang zu seinem Leben Jahns herausgegeben hat, Hoffmanns Bericht im
Hauptprozesse gegen F. L. Jahn (1820). —
Mit einem Freunde Hoffmanns, Chamisso, hat sich Walzel^s) ein-
gehend beschäftigt. Als wertvolle, sehr fleissige Vorstudie zu seiner 1892 erscliienenen
Ausgabe des Dichters bot er eine gründliche Untersuchung seiner Prosaerzählungen,
besonders des „Peter Schlemihl", forschte der Enstehung, den Quellen für die einzelnen
Züge des Märchens nach und deutete es auf Chamissos eigene Unbehilfliclikeit in der
Kunst, auf sein Gefühl der Unzulänglichkeit seines Lebens und Schaffens, aus dem ihn
wie Schlemihl erst das Studium der Naturwissenschaft rettete; nvir nebenbei spiele die
Vaterlandslosigkeit herein. Den dichterischen Wert der Erzählung mit ihrem reichen
allegorisch-menschlichen Gehalte suchte W. durch eine Vergleichung mit Chamissos
fitiherem Märchen „Adelberts Fabel", mit den Märchen seiner Vorgänger und Nach-
7») Jean Paul, Siebenkas. Bearb. v. e. Enkel d. Dichters. 2 Bde. Stuttgart, Dtseh. Verlagsanst. XI, 2.39 u. VI, 208 S.
M. 4,60. ICHambNacbrö. N. 24; J. R. (wohl Julius Riff ert): LZg». N. 105; X. Y. Z. : Gesellsohaft I, S. G92.]i - 74) L.Geiger,
Jean Paul in verjüngter Gestalt: MUnchNN. N. 235. — 75) Aphorismen. V. Jean Paul. (Ungedr. Naehl.): DDichtung 10,
S, 17, 50 u. 78. — 76) X Jean Paul über d. Korrektoren: Nation». 8, S. 538. (Nur e. Citat aus d. Flogeljahren, 4. Bdchen.,
N. 59.) — 77) Alf r. Bock, Jean Pauls Verhältnis z. Musik : AZg". N. 165. — 78)W.Paetow, Jean Paul u. sein Biograph. I.-II.:
VZgS. N. 28/9. -. 79) Herrn. Conrad, Carlyle u. Jean Paul: Gegenw. 39, S. 309—11. — 80) X 0. GUnther, Jean Pauls
Flucht aus Leipzig. (Abdr. aus LeipzTBl.): Hausfreund N. 97. (Lebendig nach bekannten Quellen geschildert.) — 81) A. Go di n,
Erinnerungen an E. Tb. A. lloifmann: MUnchNN. N. 3«. — 82) U. Pröhle, Z. Elirenrottung E. Th. W. Hoffraanns: Grenzb. L
S. 121/8. — 83) 0. F. Walzel, Chamissos Prosa-ErzÄhlungen: AZg". N. 179-80. — 84) F. Kummer, Johanna H. Sehopen-
89 F. Muncker, Epos des 18719. Jahrhunderts. IV 8: 85-i04
ahmer Tieck, Aniim, Fouqu6, E. T. A. Hoffmann, F. Förster zu bestimmen und prüfte
schliesslich noch die spätere satirische Geschichte „Haimatochare" auf ihre Echtheit:
W. bestreitet dieselbe, glaubt aber, dass Chamisso einen nicht unbedeutenden Anteil an
ihrer Erfindung habe, —
Von den gleichzeitigen und wenig späteren Novellen- und Roman-
dichtern wurde die von Goethe hochgeschätzte Johanna Schopenhauer (1706 — 1838), die
Begi'ünderin des Entsagungsromans, durch Kummer**) gut, der unter dem Pseudonym F.
Laun schreibender. Aug. Schulze (1770 — 1849) gleichfalls durch Kummer «5) oberflächlicher
charakterisiert; Theod. Schwarz (1777—1850) wurde von Pyl**) mehr nach seinem
Leben als nach seinen Werken, K. Ludw. Seidel f 1788— 1844) von L. Fränkel»') mit
vielem Fleisse, aber nicht scharf genug eindringenclem litterargeschichtlichen Urteile ge-
schildert. — Sehr dürftig sind die Aufsätze von Carstens^) über Anna Schoppe
(1791—1858) und von BäumkerS») über den Tiroler Schriftsteller Joh. Schuler (1800 bis
1856), besser der von Schlossar^) über Friedrich Fürst Schwarzenberg (1800—1870)
ausgefallen, während ein zweiter Artikel Schlossars *i) über einen andern öster-
reichischen Novellisten Andr. Schumacher ri803 — 1868), der sich auch als Uebersetzer
mit Erlbig versuchte, recht unbedeutend geolieben ist. — Ein ungleich grösserer Ueber-
setzer, der neben vielem andern Rabelais' „Gargantua" ausgezeichnet verdeutschte, J. G.
Regis (1791 — 1854), wurde uns an seinem 100. Geburtstag *2) wieder ins Gedächnis ge-
rufen. — Von Hauffs Werken besorgte Flaischlen*'*) eine neue, mit biographischer
Einleitung und Anmerkungen versehene, reich illustrierte Ausgabe. — Auf eine bisher
wenig beachtete Seite in den Schriften des liebenswtirdigen Erzählers wies Mendheim**)
hin. — „Lichtenstein" wurde von Raida^^) als romantische Volksoper bearbeitet. —
Einem zwar aus deutscher Familie stammenden, seinem Wirken nach aber mehr in die
fi'anzösische Litteratiu'geschichte gehörenden Schweizer Schriftsteller, R. Töpffer (1 799 bis
1846), dessen erste satirisch-humoristische Zeichnungen und Schilderungen Goethes leb-
liaften Beifall fanden, wie deini auch seine spätem Skizzen und Novellen mehrfach
in deutschen Uebersetzungen vei'breitet wurden, widmete Glöckner ^*^) eine liebevoll
eindringende, gründliche und manches Neue liefernde Studie, — Mein* dem deutschen
Wesen neigte sich ein anderer Vermittler zwischen dem Deutschtum und Franzosentum
zu, Ludwig Spach, dessen elsässischer Roman „Henri Farel" (1834) von Hermann
Ludwig (von Jan)'-") in einer verkürzenden, deutschen Uebersetzung herausgegeben
wurde, von S. Haiismann^^) als ein getreues Spiegelbild der Doppelnatur seines Vf.
charakterisiert. — Von Immermanns „überhof^' besorgte Carel^^) eine Schvdausgabe,
die namentlich die kulturgeschichtlichen Schilderungen Westfalens ganz und von dem
Uebrigen hervorragend schöne Bruchstücke enthält, überhaupt aber ungleich mehr aus
der ersten als aus der zweiten Hälfte der Erzählung mitteilt. Eine kurze Biographie,
hauptsächlich Jugendgescliichte, des Dichters leitet das Buch ein; sehr wenige An-
merkungen zm- Erklärung westfälischer Wörier schliessen es ab. — Einzelne Romane
von Spindler 'OO) ^nd von Rellstab ^^i) erschienen in peuen Ausgaben. — Die drei letzten
Bände der zweiten Serie von ausgewählten Werken Gerstäckers, herausgegeben von
The den 102)^ enthalten den zweiten Teil der etwas breit und salopp, aber flott und an-
regend erzählten Reisen, die kulturgeschichtlich weniger anziehenden Streif- und Jagd-
züge diu-ch Amerika und den spannenden Roman „Im Eckfenster", dessen hübsche
Scenen und gute, nur bisweilen etwas übertriebene Schilderungen socialer Verhältnisse
uns gern über manche Oberfläcldichkeit der psychologischen Moti\'ierung, über den
Gebrauch sensationeller Effekte und über den etwas altmodischen Aufbau des Ganzen
hinwegsehen lassen. Jedenfalls darf diese neue „Volks- und Familienausgabe" mit Dank
begrüsst werden. — Ueber den bedeutenderen Vorgänger Gerstäckers in der Darstellung
amerikanischen Lebens, Karl Postl (Charles Sealsfield), veröffentlichte Brummer i^^s)
einen biographisch guten, im Litterargeschichtlichen und ästhetischen Urteil jedoch ganz
unselbständigen Aufeatz. — Sehr gewissenhaft ergänzte Zschommler i<^) die reizenden
haner geb. Trosiener: ADB. 32, S. 346/9. — 85) id., Friedr. Aug. Schuhe: ib. S. 768/9. — 86) Pyl, Theod. Schwan : ib. 33,
251/3. - 87) (1 3 : 17.) — 88) Carstens, Anna E. S. K. Schoppo R^b. Weise: ib. 32, S. 368/9. — 89) W. Baamker, Joh.
Schuler: ib. S (176. — 90) A. Sohlossar, Friedr. Fürst Schwarzonl»>rg: ib. 3.S, S. 290,5. — 91) id.. Amir. Schumacher: ib.
S. 29-30. —92) (J. Elias,) J. G. Kegis (lOd. Geb.): VZgS. N. 17. —93) O XX Hauffs Werke. Mit mehr als 300 llluslr., her.
V. C. Flaisehlon. 2 Bde. (,In etwa 40 Lioff.) Stuttgart, Dtsch. Verlagsanst. Je 0,50. [NatZg. 21. Juli; LZg. N. 276:
HambNachrs. N. 51; BLÜ. 8. 270.]i — 94) O (M.) Mdh. (= Mendheim), Verherrlichung d. DenUchen in Paris bei W. Hauff:
LZgB. N. 8«,— 95) IlambCorr. N. 312. — 96) G. Glöckner, Kod. Töpffer, sein Leben o. seine Werke. Progr. d. Franciaceum.
Zerbst, Schnee. 40. 39 S. — 97) Ileinr. Farel. E. elsHss. Roman v. L. Spach. Dtsch. bearb. ▼. Herrn. Ludwig (t. Jan). 2 Bde.
Stuttgart, Dtsch. Verlagsanst. XIV, 302, 240 S. M. 6,00. l[Schw»bKronik N. 102; r. g.: DDichtg. 10, 8. 180.]| - 98) S. H. (S.
Ha US man II), E. elsSss. Roman: SchlesZg. N. 85. — 99) (I 7 : 37.) — 100) K. Spindler, D. Jude. Dtsch. Sittengemllde ans
d. 1. Hllirtd d. 15. Jh. Illustriert. 4 Bde. Tes.-hen, Prochaska. 12«. 224, 224, 224 u. 84 S. M 2.40. — NN) L. Rellstab,
1812. E. hist. Roman. 5 Bde. Tesehen, Prochaska. 12«. 90, 224, 212, 224 n. 122 S. M. 2J0. - 102) F. GersWckers «usgew.
Werlce. 2. Volks- u. Familienausg. Neu durchges. u. her. t. D. Theden. 2. Serie. Bd. 10'2. Jena, Costenoble. 624, 527,
Vni,b24S. Je M. 1,80. -.103) F. BrUmmer, Ch. Sealsfield (K. Postl): ADB. 3.3. S. 499—502. — KM) M. Zschommler,
Beitrr. zu Jul. llosens Erinnerungen. JB. d. kgl. G;mn. Plauen i. V., Nenpert. 4". 34 S. M. 1,50. |A. Schroeter:
IV 3: 105-152. r. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 90
„Erinnerungen" Mosens aus Akten, Briefen und aus den Papieren Eduard Aemil Mosens,
des erst 1884 verstorbenen Bruders des Dichters. Das Neue, das sich dabei ergiebt,
besteht freihch nur in äusserlichen Kleinigkeiten, einigen Jahreszahlen, Personalangaben
und dergleichen, ist aber für einen künftigen wissenschaftlichen Biographen Mosens
sehr wertvoll. Die Kinderjahre, die Schul- und Universitätszeit des Dichters — bis zu
ihrem Abschluss (1824) reicht die Schrift — werden uns durch sie viel klarer, namentlich
der Charakter seines Vaters, dessen von Z. abgedruckte Briefe eine HauptquelJe dieser
neuen Beiträge sind. Geringer ist ihre Ausbeute für die litterargeschichtliche Erkenntnis
im eigentHchen Sinne, da Z. leider von den später unterdrückten Jugendgedichten
Mosens, die ihm vorlagen, fast nichts mitteilt. 105) — Nahezu ein Altersgenosse Mosens
und gleich ihm auch im epischen Gedichte thätig war Gust. Schwetschke (1804 — 1881), der
Vf. der „Bismarckias" und „Varzinias", dessen Leben und Wirken Walth. Schultze 106-107)
in aller Kürze gut und gerecht charakterisierte. — Neue Mitteilungen über eine von den
filiheren Darstellern aus politischen oder amtlichen Rücksichten sehr flüchtig behandelte
Periode im Leben des Vf. von „Prinz Rosa Stramin", Einst Koch, bot H. Brunner ^^^) aul'
Grund einer eigenhändigen Eingabe, dieKoch 1846 an die luxemburgische Regierung richtete
und die das nichts weniger als korrekte Verhalten dieser Regierung gegen den Dichter
grell beleuchtet. — Amely Bölte^oo^ veröffentlichte einige Briefe von Fanny Lewald
aus dem Jalu"e 1848, die neues Licht über ihr Verhältnis zu A. Stahr verbreiten, auch
sonst manches Interesse erregen können. — Zum 80. Geburtstage der Verfasserin des
eben genannten Aufsatzes selbst erschien ein für ihre Lebensgeschichte aufschlussreicher
Artilcel mit einer kurzen Würdigung ihrer Werke, denen dabei weniger Phantasie und
poetischer Schwung als scharfe Beobachtung und Berechnung zuerkannt wurde ^^^). —
Das Leben einer etwas jüngeren, von der katholischen Kritik hochgerühmten Schrift-
stellerin, Maria di Sebregondi (1814 — 1882), schilderte Brummer m) gut nach hs. Mit-
teilungen (von wem?) ; die litterarische Charakteristik ermangelt jeglicher Selbständig-
keit. 112^ — Von dem Preund und Schüler der grössten deutschen Dichterin, Levin
Schücking (1814 — 1883), zeichnete Hüffer^i^) ein vortreffliches, ebenso sorgfältig aus-
gemaltes wie ähnliches Bild in engem Rahmen. —
Auf Grund hs. Mitteilungen versuchte Brummer ^i*) Karl Schramm (1810 bis
1888) von dem Vorwurfe des Denunciantentums zu retten, mit dem ihn sein Mitgefangener
zu Graudenz, Pritz Reuter, belegt hat. — Von Reuter selbst gab Gaedertz^i^j
einige Briefe, meist über seine Haus- und Gartenanlage bei Eisenach, die am 7. No-
vember mit einer Gedächtnistafel geschmückt wurde ^^^), an Ferdinand Jühlke heraus,
der, 1815 zu Barth an der Ostsee geboren, seit 1834 als akademischer Gärtner zu Eldena
wirkte, 1858 Direktor des Gartenbauvereins in Erfurt und 1866 Hofgartendirektor in
Sanssouci wurde (f 1893).ii'') — Um die Erklärung des Namens Nüssler in „Stromtid" be-
mühten sich neuerdings Puls ^^s), Glöde^'^) und Kohrs ^20")_ J)qy letztere wies, wie zum
Teil schon Glöde, nach, dass das fragliche Wort nichts mit dem hochdeutschen Nuss zu thun
habe, auch von Reuter gar nicht neu gebildet worden sei; sondern schon 1754 in
Richeys „Idioticon Hamburgense" kommt nüsseln (= zauderhaftig arbeiten) und Nüsseier
vor, ebenso in späteren niederdeutschen Wörterbüchern. — Eine allgemeine Würdigung
Reuters strebte A.Biese 121^ an. Kurz charakterisiert B. auch die plattdeutschen Nach-
folger Reuters, John Brinkmann und Felix Stillfried, dann den Erben des weltschmerz-
lich-tragischen Humors von Jean Paul, W. Raabe, ferner mehrere neuere erzäldende
Dichter und Dichterinnen, denen allen der Humor nicht fremd ist (Storm, Keller, Heyse,
Ilse Frapan, Isolde Kurz, Helene Bölilau, Hans Arnold, Gerhard Walter, Th. Justus,
Hans Hoffmann — warum fehlt F. Th. Vischer?), und namentlich Heinrich Seidel, den
feinsinnigen Umbildner des Reuterschen Humors, und seine Hauptfigur Leberecht Hühn-
chen, in der sich Jean Paulscher und Reuterscher Humor harmonisch vereint. Ergänzend
tritt dazu Seidels kurze Selbstbiographie im Anhange. —
Obwohl in gewissen Grundgedanken mit Biese einig, beurteilt doch Spiel-
hagen 122) in einem geistvollen Essay über Auerbach den deutschen Humor weit un-
BLU. S. 680.] I — 105) X (J) -8 (Elias), E. Mörike, Mozart auf d. Reise nach Prag. 3. Aufl.: Nation». 8, .«!. 28.5. —
106-7) Walth. Schultze, Gust. Schwetschke: ADB. 33, S. 440/2. — 108) H. Brunner, Ernst Koch, d. Dichter d. , Prinz
Rosa Stramin". (Mitteilt, aus seinem Lohen, aus d. Jahren 1840/6): CasselAZg. N. 244/5. —109) Amely Bölte, Neue Mitteill.
Uher Fanny Lewald: ML. 60, S. 756/9. - 110) M. Seh., Z. 80. Geh. Amely Böltes: SchlesZg. N. 696. — III) F. Brummer,
Maria di Sfthrogondi, verheir. Lenzen u. ten Brink: ADB. 33, S. 509—10. — 112) X D. Einsiedler im Walde, e. Weihnachtsgesch.
aus Amerika v. Ottilio Wildermuth Made practical by A. Albin Fischer. Philadelphia, Fischer" s school oflanguagos. 110 S.
(Z. Unterricht v. Amerikanern im Deutschen mit Worterklilrungen u. allerlei grammat. Uebungsfragen versehen.) — 113) II.
HUffer, Levin SchUcking: ADB. 32, S. 613/7. - 114) F. BrUmmer, Karl Schramm: ib. S. 445/6. - 115) K. Th. Gaedertz,
F. Reuter u. F. JUhlke. I. IL: NZgS. N. 18/9. — 116) HambCorr. N. 794. - 117) X ror. Reu-cr-Studien v. K. Th. Gaedertz:
WIDM. 69, 8. 290. - 118) A. Puls, Zu Ztschr. IV, 274 (3) flg.: ZDU. 5, S. 281/2. - 119) 0. Glöde, Zu Ztschr. Y, 4, 281:
„Jochen NUssler": ib. S. 416/8. - 120) H. Kohrs, Zu „Jochen NUssler": ib. S. 418/9. — 121) (I 3 : 130a.) — 122) F. Spiel
hagen, B. Auerbach (Gelogeutl. d. Briefe an s. Freund Jak. Auerbach). (= Aus mein. Studicnnuippe. S. 199—272.) (Vgl 1
91 F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. IV 3: i28-isi.
günstiger: bisher habe er sich noch nie aus der idyllischen Sphäre zu jenem Welthumor
erhoben, dessen sich die Engländer und Spanier rühmen können, und gerade, dass unser
gi'össter Humorist sich der Mundart bediente und alle mit ihr verbundenen geistigen
Schranken sich gefallen Hess, bestätige jenen Mangel am deutlichsten. Im Gegensatz
zu Reuter verwertete Auerbach den Dialekt in seinen Dorfgeschichten nur teilweise.
S. wägt die Vorteile inid Nachteile dieses sparsameren Gebrauchs der Mundart ab und
betont hier wie sonst Auerbachs angeborene und am Studium Schillers und Goethes
genährte Neigung zum Pathos, in das nach seinem eigenen Geständnis seine Lustigkeit
jedes Mal umschlug, wenn er etwas „Lachfrohes" machen wollte. Als einen Grund-
mangel Auerbachscher Erzälilungen bezeichnet S. das Reflektive und die Motivierungssucht:
die reine Thätigkeit der Phantasie wird durch das Hereinbrechen des nüchternen Verstandes
gestört und getrübt, was Auerbach in seinen grossen Romamen vergeblich dadurch zu
bessern sucht, dass er die Beobachtung des aktuellen Lebens bis zum Uebermass treibt,
und so Erfahrungsstoff auf Erfahrungsstoff häuft, ohne ihn künstlerisch verarbeiten zu
können. Stets spielt in seine Werke seine eigene Persönlichkeit nur zu sehr herein,
der reflektierende Dichter, der in Wahrheit grösser ist als seine Werke, bei aller
sonstigen Unähnlichkeit mit Jean Paul ihm doch verwandt durch den mächtig quellenden,
die Schranken der künstlerischen Fassung zeitweilig überstürzenden Reichtum von
Geist imd Gemüt. Liebevoll schildert S. Auerbachs Gemütswärme, den Fanatismus
seiner oft getäuschten und doch nie erlöschenden Menschenliebe, seinen Sinn für das
Volk und sein Streben, auch als Dichter das Volkstum darzustellen, seinen ethischen
LiberaHsmus, seinen Vermittlungseifer bei politischen, socialen, reHgiösen, wissenschaft-
lichen Gegensätzen, ausfülirHch endlich und mit rühmenswürdigster Objektivität seine
Stellun'g zur Judenfrage. — Einen kürzeren, warm geschriebenen Aufsatz widmet
Roseggeri23) dem Vf. der Schwarzwälder Dorfgeschichten als einem Dichter des
Ueberganges vom romantisch angehauchten Idealismus des philosophischen Jahrhunderts
zum Realismus unserer Tage; kein naiver, sondern ein Tendenzdichter, trat Auerbach
für Zucht und deutsche Sitte, für Humanität und Patriotismus ein, zwar bisweilen
harmlos eitel, aber stets warm und voll Glauben an menschliche Güte, stets Optimist. —
A. Bettelheim 124) stellt mit Rücksicht auf die mehrfach erhobene Anklage, Auerbach
habe in der „Frau Professorin" und im „Neuen Leben" die Liebe und die spätere Ehe
Jakob Henles mit Elise Egloff in unbefugter Weise dichterisch verwertet, den wirklichen
Sachverhalt fest: nur wenige Motive sind aus der Geschichte dieses Verhältnisses für
eine kleine Episode im „Neuen Leben" entlehnt; B. deutet aber zugleich auf den Zu-
sammenhang jener Ereignisse mit Gottfr. Kellers Erzählung von der armen Magd Regine
im „Sinngedicht" und nimmt scliliesslich für den Dichter energisch das Recht in An-
spruch, die Urstoffe seiner Poesie aus dem leibhaftigen Leben zu holen, ohne dass man
ihn eines Vertrauensbruches bezichtige. — Kohut^^s) teilt aus ungedruckten Briefen
Auerbachs an den Dresdener Scliriftsteller Dr. Willi. Wolfsohn (1850 — 1865) einzelne
Stücke mit, besonders klagende und grollende Worte über die rumänischen Juden-
verfolgungen von 1859, freudige Aeusserungen über Berliner Freunde, über Jakob Grimm,
„diesen herrHchen Menschen" (18G0), Urteile über den späteren Kaiser Wilhelm L, über
Jean Paul, Alexander v. Humboldt und Varnhagen v. Ense. Leider hat K. die Utterar-
geschichtHche Bedeutung seiner Publikation dadurch selir abgeschwächt, dass er sich
nicht getraute, kritische Urteile Auerbachs über zeitgenössische Dichter und Schriflb-
steller anzuführen. ^26) — Einem anderen jüdischen Dichter, L. Kompert, dem „Fürsprech
des Ghetto", ruft W. Goldbaum ^^oa) einige recht allgemeine, aber warme Worte über
das, was er für die Juden geleistet hat, in das Grab nach. — Unter den neueren
Dichtern süddeutscher Dorfgeschichten erfreuen sich Hermann Schmid'27) und
Maximilian Schmidt ^28) noch immer des Beifalls der Leser und Leserinnen ; dem letzteren
hat auch die Fortsetzung der über jedes i'ichtige Mass weit hinausgehenden Angriffe
Kreowskis 129)^ der ilm der mannigfaltigsten, plumpsten Plagiate beschuldigte, bei Un-
parteiischen und Urteilsfähigen wenig geschadet. Zu seiner Rechtfertigung wäre deshalb
seine stellenweise zur vollständigen Biographie erweiterte, übrigens durchaus über-
zeugende Selbstverteidigung 130) kaum in solchem Umfange nötig gewesen. — Den jung
verstorbenen elsässischen Novellisten Wilh. Sommer hat eine neue Ausgabe seiner Er-
zählungen seinen Freunden wieder ins Gedächtnis gerufen, i^i) — Blosse neue Ausgaben
3 : 76.) — 123) P. K. Bosegger, D. Andenken B. Auerbachs: BerlTBl. N. 384. — 124) A. Bettelheim, Aneibtch b. Hernie:
NationB. 9, S. 198/6. — 125) A. Kohut, Ans nngedr. Briefen B. Auerbaehs: AZgJudent S. 68/9. — 126) X H. Becker.
E. christl. Schulmann Aber B. Auerbach: ib. S. 132. (unbedeutendes, zw. Lob n. Zweifel schwankendes Urteil d. Sominar-
lehrers J. G. Zeglin zu Dramburg [1873]). — 126a) W. Goldbaum, Am Sterbetage Leop. Komperts: ib. S. 570 1. —
127) Herrn. Schmid, Ges. Schriften. Volks- u. Familienausg. 2. Aufl. 15.'— 26. u. 41.— 52. Lief. Leipzig, Keil. 12*. Je
M. 0,30. — 128) Maximilian Schmidt, Ges. Weike. 20.— 34. Lief Leipzig, Liebeskind. Je H. 0,50. — 129) E. Kreowski,
Hr. Maximilian Schmidt bei d. Arbeit. (Neue Beitrr. z. vergl. Litt.): Gesellschaft!, S. 648—50. — 130) Maximilian Schmidt.
Jinimerli|i)ikeiten in d. Mttnchener Schriftsteltorwelt. München, Lindaucr. 53 S. — 131) Wilhelm Sommer redirirus. (Enihl.
IV 3: 132-143. F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 92
von Anzengniberi32), Hackländer 133)^ Marlitt^^*), Roseggeri^S)^ Adelmanni36), sowie eng-
lische Uebersetzungen von G. Freytags „Verlorener Handsclirift" und „Erinnerungen" 137)
und eine italienische Uebersetzung von Storms „Immensee" ^^s) brauchen nur erwähnt
zu werden. —
Auch zwei Prachtnovellen Gottfried Kellers^39) wurden ins Italienische über-
setzt. — Kellers Tod gab noch immer Anlass zu verschiedenen Veröffentlichungen
über den unsterblichen Dichter. Von seinen gesammelten Werken kamen die Bände 4
bis 7 neu heraus, den ganzen Schatz seiner Novellen enthalten d^^o), — Eine sehr schöne
Gabe ward uns in Kellers Briefwechsel mit F. Th. Vischeri^^) geboten und zwar in der
bequemsten Weise, indem alles, was zum Verständnis erforderlich ist, sogleich den
Briefen selbst beigefügt ist, auch wenn es nicht eben schwer zu beschaffen wäre. Die
Briefe reichen vom 1. Okt. 1871 bis zum 20. Januar 1882 und beziehen sich zuerst
.auf die Herausgabe der „Sieben Legenden", von deren Titel Keller den ursprünglich
geplanten Zusatz „Auf Goldgrund" wegliess, da Vischer die Anspielung für allzu ironisch,
zu subjektiv erregt und erregend hielt. Dann werden einige Arbeiten des letzteren
(„Der Krieg und die Künste", das Schartenmayersche Heldengedicht über den deutschen
Krieg von 1870 — 1871) und besonders Kellers Plan, zu dem 1873 erschienenen sechsten
Heft der „Kritischen Gänge" eine ironisch-humoristische Skizze von einem fingierten
„Künstlerlein", das diese Essays liest, zu liefern, desgleichen Vischers kritischer Aufsatz
über Keller in der „Allgemeinen Zeitung" (1874) erörtert; gegen die wenigen Aus-
stellungen des Freundes verteidigte sich Keller brieflich nur in Nebensachen, änderte
später aber auch das nicht, worin er anfänglich den Einwänden seines Kritikers nach-
zugeben schien. Die folgenden Briefe drehen sich zum Teil um Vischers Roman „Auch
einer" und um das in ihn eingeflochtene Gedicht Kellers. Dann schlägt Vischer dem
Züricher Dichter neue Novellenstoffe vor, die Geschichte des Pfarrers Brechter in Bi-
berach mit dem bunten Hintergrunde, • den das Leben des jungen Wieland in der Schweiz
und in Schwaben und der Kreis des Grafen Stadion zu Warthausen darbieten würde,
ferner den Orden der Pegnitzschäfer in Nürnberg. Vorübergehend werden dramatische
Pläne Kellers erwähnt. Endlich fallen manche Worte über den zweiten Teil von
Goethes „Faust", die auf eine XJebereinstimmung beider Briefsteller auch in diesem Falle
schliessen lassen. Viel wichtiger- als diese htterarischen Einzelheiten ist übrigens das
Gesamtbild der beiden Freunde, das uns aus ihrem Briefwechsel entgegentritt: zwei
kernige, einfach-gediegene, durchaus echt und edel denkende Männer, die jedes leere
Wort und jede konventionelle Formel verschmähen. — Genau in demselben Lichte
lassen den Züricher Dichter die Aufzeichnungen erscheinen, die Adolf Freyi42-i43^ zu-
nächst in einer Zeitschrift und danach in erweiterter Form selbständig veröffentlichte.
F. verkehrte seit dem Frühling 1877 persönlich mit -Keller und stand dem von ihm
hochverehrten Meister freundschaftlich nahe wie nur wenige seiner jüngeren Bewunderer.
Ueber sein äusseres Wesen und Treiben, seine Charaktereigenschaften und seine oft
wunderlichen Eigentümlichkeiten, seine Versclilossenheit halb aus Trotz, halb aus Be-
scheidenheit, seine äusserliche Herbheit bei innerer Wärme und Milde, seinen Humor
und seine mit diesem wachsende Reizbarkeit bei längeren Gelagen, sein Feingefühl für
das Schickliche teilt F. allerlei Dankenswertes mit, indem er das, was die eigene Er-
innerung an den Umgang mit Keller ihm darbot, mit dem verbindet, was uns die Werke
des Dichters über sein Denken und Leben lehren. Als Grundzug seines Charakters ist
dabei überall die lauterste Wahrhaftigkeit zu erkennen, deren Kehrseite der unauslösch-
liche Hass gegen Lüge und leere Konvention war. Ein freundliches Licht verbreitet
F.s Darstellung über Kellers Verhältnis zu seiner Mutter und namentlich zu seiner
Schwester Regula, über seine von strengstem Pflichtgefühl und wärmster Vaterlandsliebe
zeugende amtliche Thätigkeit, über seine politischen Ansichten; auch eine trübe Er-
fahrung, die der fast fünfzigjährige Dichter in der Liebe machte, wird kurz, aber mit
schöner Pietät berührt. Kellers Anschauungen von der Kunst, seine Gedanken über
Schönheit und Wahrheit im Kunstwerk, über die Forderungen in Lessings „Laokoon",
V. W. Sommer. 1. u. 2. Bd.: Elsäss. Gesch. Basel, Schwalbe, 1892): StrassbPost N. 322. (Vgl. SchwübKronik N. 2%.) — 132) L.
Anzengruber, D. Kameradin. 2. Aufl. Dresden. Minden. VllI, 281 S. M. 3,50. — 133) F. W. Hacklander, Namenlose Gesch.
lilustr. 2 Bde. Stuttgart, Krabbe. VI, 548 u. VI, 449 S. M. 9,00. — 134) E. Marlitt, Ges. Romaue u. Novellou. 2. Aufl. (In
75 Lief.) Bd. 1 : D. Geheimnis d. alten Mamsell. Illustr. Leipzig, Keil. Je M. 0,40. — 135) P. K. Rosegger, Ausgew. Werke.
Mit 900 Illustr. (In 115 Lief, oder 6 Bdn.) Bd. 6 (Schlussbd.) Wien, Ilartleben. 552 S. Geb. M. 12,50 oder k Lief. M. 0,.50.
i[A. Schlossar: BLU. S. 494.]| — 136) A. Graf Adelmann, Ges. Werke. Bd. 3: Novellen u. Skizzen. Stuttgart, Dtsch. Ver-
lagsanst V, 327 S. M. 3,00. |[Schw!lbKronik, N. 296.]| — 137) G. Freytag, The lost manuscript: Ac. 39, S. 323. — 138) O
Teod. Storm, Immensee. Dal tcdeseo reeato in italiano da L. Ravasini, con la vita doirautoro. Potonza, Pomarici.
16". XIV, 72. L. 1,00. — 139) O f^offr. Keller, 1. Romeo e Giulotta nol villaggio ; 2. Spocchio: Riicconti rusticani. Version!
dal tedesco di G. StrafforoUo: Biblioteca universale, N. 208. Milaiio, Son/.ogno. IG». 109 S. L. 0,2.5. — 140) Gottfr.
Keller, Ges. Werke. Bd. 4-7. (Bd. 4-5: D. Leute v. Seldwyla. 9. Aufl.; Bd. 6: Ztiricher Novellou. 11. Aufl.; Bd. 7: D. Sinn-
gedicht. — Sieben Legenden. 10. Aufl.) Berlin, Hertz. 310, 356, 411 u. 427 S. M. 12,00. — 141) Briefwechsel zw. Gottfr.
Koller u. F. Th. Vischer. I-VII: DDichtung. 9, S. 181/3, 232/5, 306/7; 10, S. 27—31, 101/4, 177/9, 225/7. -
142) Adolf Frey, Erinnerungen an Gottfr. Keller. I— XII : DRs. 69, S. 100-20 u. 288—303. - 143) O XX iä-. Brinncr. i.u
93 F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. IV 3: 144-149.
seine Definition der Poesie als der mit grösserer Fülle vorgetrageneti Wirklichkeit und
sein Verliältnis zu den bedeuiendoreu Dichtern seiner und der früheren Zeit werden erörtert,
Aufschluss ühor seine eigene Art zu schaffen (meist nach langsamer Reife des Stoffes
in Einem Zuge „aus dem Gefühl aufgespeicherter Kraft heraus") und über gewisse
Lioblingsmotive seiner Werke gegeben, z. B, über die Bedeutung, die in ihnen das
Prol)]era der Erziehung gewinnt. Für mehi'ere seiner Erzählungen und Gedichte werden
die Quellen namhaft gemacht, vor allem aber sind einige dichterische Pläne erwähnt, die
Keller in Gedanken ganz genau ausgesponnen hatte, dann aber doch unausgeführt liess,
so mehrere epische Geschichten in gebundener Rede, deren Stoffe dem „Neuen Testa-
mente, mittelalterlichen Chroniken, der englis(^hen und der schweizerischen Geschichte
entnommen waren, der zweite Teil des „Martin Salander" u. a. — Viel unbedeutender ist,
was M. R. von Stern !•**) über einen Besucli bei Koller und dessen Abneigung gegen
die gewöhnliche moderne Auffassung der socialen Frage bericlitet. — Einen fast ver-
gessenen politischen Aufsatz Kellers aus dem Jahre 1860 druckten aus Scheuchzers
Buch über Saloraon Bleuler verschiedene Scliweizer Zeitungen wieder ab^^^). Es ist
ein Volksaufruf, in welchem Keller, unzufrieden mit der Stellung der Züricher Abgeord-
neten im Nationalrat zur Savoyer Frage, seine Landsleute kräftig mahnt, gegenüber der
„kleinlichen Schlauheit, welche der notorischen Verschlagenheit des gegnerischen Ge-
walthabers doch nicht gewachsen ist", wieder zum „guten altschweizerischen Volkstum"
ihre Zuflucht zu nehmen und die Kraft dieses Volkstums, „das einzig wirksame Mittel",
in die Wagschale zu werfen. — Eine bestimmte Seite in Kellex's Dichtungen ^'♦öj, seine
Darstellung der weiblichen Natur, beleuchtet Laura Marholm ^■*'') in einem mitunter
einseitig übertreibenden, aber geistvollen und überall anregenden Essay. Sie charakteri-
siert zuerst sein dichterisches Wesen überhaupt, wie er selbstgenügsam sich nur als
Schweizer fühlt, ohne auf das Ausland zu rechnen, keine Probleme sucht, sie aber
ha\ifenweise findet und dann ohne wichtig thuenden Ernst scheinbar nur mit ihnen
s})ielt, individuell bis in seine Sprache hinein, ganz unmodern, ganz naiv in seinem
ruhigen Gleichmut naturgegebener Gesundheit, ein „Freiluft-Einsamer", der sich ver-
traulich nur an „Freiluftgewohnte" wendet. So schildert er denii auch unter den Frauen
am liebsten Freiluftnaturen, keine Salondamen, keine Kulturprodukte, aber auch keine
idealisierten Landmüdchen, sondern lauter lebendige, geschaute Wirklichkeit, gesunde
Natur, wie sie vor ihm ausser Goethe noch keiner unserer Dichter so wahr und naiv
darstellte, g.anz frei von der durch den Einfluss Rousseaus in unsere Litteratur hinein-
getragenen bombastischen Sentimentalität. Das Kriterium eines tüchtigen Weibes ist
für Keller, dass sie ihren Manu zu finden vind zu halten versteht. Wie er aber die
Lebensersclieinungen überhaupt auf bestimmte, leicht zu variierende Grundformen zu
vereinfachen suchte, so setzt auch seine „treue und zuverlässige Psychologie des gesunden
Weibes" einfachere Verhältnisse und „unzusammengesetztere Persönlichkeiten" voraus,
als wir sie jetzt, fünfzig Jalire nach Kellers Jugend, selbst auf dem Lande finden. Auch
die indiv'iduell })hysiologischen Bedingungen des einzelnen Weibes schimmerten für ihn
stets diuTh, aber er vertiefte sich nicht speciell in das Studium des Physiologischen.
Er hatte jjene Misclmng von sinnlicher Bedürftigkeit und seelischer Hingebungsfähigkeit,
in der die Sinnlichkeit ganz von Seele durchdrungen, das Bedürfnis ganz sublimiert,
die seelische Hingebung selbst ganz vibrierende Sinnlichkeit ist". Daher seine Liebe,
seine klare Erkenntnis der Frauen, aber auch sein Hass aller Missformen am Weib, sein
Eifer gegen die „Greuel der herandämmernden Frauenemancipation". In seinem eignen
Verhältnis zu den Frauen, das die Verfasserin an den einzelnen Frauengestalten in
seinen Romanen \ind Novellen der Reihe nach betrachtet, liegt „ein gut Stück Sensitiva-
amorosa-Natur". — Poppenberg '*8) vergleicht Kellers „Eugenia" mit Calderons „El
Joseph de las mugeres" und fasst den Unterschied beider Meister in der Behandlung
des nämlichen Problems sehr gut in die Fonnel zusammen, dass Calderon als der aller-
christlichste Dichter alles sub specie aeternitatis sah, wälirend unserem Keller, dem
allermenschlichsten Dichter, alles sub specie humanitatis erschien. — Im schroffen
Gegensatze zu diesen erfreulichen Arbeiten steht die Schrift von Kambli^*^) über
Kellers Verhältnis zu Religion, Kirche und Geistlichkeit, eigentlich nur eine selbständige
Ausgabe mehrerer Aufsätze, die vorher in der „Protestantischen Kirchenzeitung"
standen. K. kennt Kellers Werke genau und hat sogar eine gute Portion philolo-
gischen Fleisses aufgewandt, um sich sein Beweismaterial möglichst reichlich zusammen-
zutragen; gleichwolil ist seine Arbeit wissenschaftlich fast unbrauchbar und sittlich
durchaus zu verwerfen. K. gehört selbst zu den Refonngeistlichen, die Keller un-
Gottfr. Keller. Leipzig, Haessol. III, 165 S. M. 3,00. - 144) M. R. v. Stern, Erinnerung «n GoUfr. Keller: BorlTBl. N. 184.
— 145) E. polit. Volksaufruf v. QoUfr. Keller.: Hund N. 39. (Au.s d. NZUricliZg.) — 146) O X Gottfr. Koller: Z. guten Stunde
7, S. 164/5. - 147) Laura Mar holra, Gottfr. Keller als Krauenschildorer. I-Ill: VZgs. N. 25/7. - 148) F. Poppenberg,
D. weibliche Joseph. E. litt. Parallele: Bund«. N. 45. (Wied-r ahgodr. ML. S 8i5/6.) — 149) C. W. Kambli, Gottfr. Keller
nach seiner Stellung zu Keligiun u. i hristeutuiu, Kirche, Theologie u. Geistlichkeit. St Gallen, Hasaelbrink. IV, 102 S. M. 1,C0.
IV 3: iBO-160. F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 94
erbittlich verfolgte ;" nun will er sich an dem Toten durch eine tendenziös-einseitige Dar-
stellung rächen, wobei es ihm auf ein paar perfide Verdrehungen mehr oder weniger
nicht ankommt. Mit erheuchelter Freude erkennt er an, dass der grosse Dichter immerhin
eine religiös angelegte Natur, wenn auch nicht dogmatisch gläubig war; dann unter-
sucht er verschiedene Aeusserungen Kellers über religiöse Grrundsätze und Einrichtungen
und vergleicht die beiden Fassungen des „Grünen Heinrich" und einzelner Gedichte, um
nachzuweisen, dass Kellers Stimmung gegen Christentum und Kirche und besonders
gegen Theologie und Geistlichkeit sich mit den Jahren verschärfte. Dabei identifiziert
er freilich die eigene Meinung des Dichters allzu sehr mit der seiner poetischen Gestalten
und zieht auch aus Aenderungen, deren Grund rein künstlerischer Art ist, Schlüsse auf
die kirchliche Gesinnung KeWers. Das künstlerische Verständnis des Vf. erscheint
überhaupt als ein ungewöhnlich beschränktes: den Schluss von „Romeo und Julia auf
dem Dorfs" findet K. z. B. cynisch und äussert den albernen Wunsch, das Liebespaar
sollte vor der Brautnacht gleich beim Besteigen des Heuschiffs untergehen! Auch sonst
wird er, wo sinnliche Motive in Frage kommen, thöricht bis zur vollkommenen Lächer-
lichkeit. In seinen Ausdrücken ist er, der so oft Kellers Worte auf der Goldwage
abwiegt, nichts weniger als wählerisch; Schimpfworte wie „blöd", „frivol", „boshaft und
gemein", „frecher Hohn" sind ihm recht geläufig. SchliessHch konimt er zu dem Urteil,
dass Keller eben in kirchlichen und theologischen Dingen immer ein blosser Dilettant
geblieben sei mit all den Fehlern, die er selbst am litterarischen und künstlerischen
Dilettantismus so scharf geisselte. Auch philosophische Studien seien nicht eben seine
Sache gewesen, liest K. ganz verkehrt aus einer Aeusserung Kellers über Vischers
Aesthetik heraus. Ihm ist es aber in Wirklichkeit gar nicht um das Studium Vischers
zu thun; sondern Alex. Schweizers Glaubenslehre und Biedermanns Dogmatik hätte
Keller nach seiner Ansicht studieren sollen. Die Herrschsucht des Pfaffen, die vom
Laien unbedingte Unterwerfung verlangt, guckt aus allen Ecken der Schrift hervor;
sie reisst denn auch K. von Ungerechtigkeit zu Ungerechtigkeit fort. — Mit Recht
haben ihm deshalb für seinen unehrlichen, feigen Angriff auf den Toten Schweizer Kri-
tiker sogleich nach Gebühr heimgeleuchtet, besonders von Greyerz ^^O') ^^(j {jj^ unmittel-
baren Anschluss an diesen J. V. Widmann i^i). — Nicht minder vinerquicklich als
Kamblis Verunglimpfung des Dichters ^^^^ war der Prozess, der, vom Nationalrat
Dr. Scheuchzer gegen Kellers Testament angestrengt, sich fast noch durch das Jahr
1891 hinzog ^53). Nachdem das erste Urteil des Bezirksgerichts Zürich, das den Kläger
am 1. November 1890 abwies, am 24. Januar 1891 vom Obergericht Zürich aufgehoben
worden war, wurde unter anderem durch das Zeugnis Böcklins i^*), besonders aber
durch ein ausführliches ärztliches Gutachten des Professors L. Wille ^^^) in Basel vom
25. August das Vorhandensein der nötigen Geistesklarheit und Willensfreiheit Kellers
bei Errichtung seines Testaments festgestellt und daraufhin am 19. November 1891 vom
Züricher Bezirksgericht Scheuchzers Klage endgiltig abgewiesen i^ß). —
Ueber Keller wurde sein Schweizer Kunstgenosse K. F. Meyer nicht vergessen.
Sein neuer Roman „Angela Borgia" wurde von Kellers jüngeren Freunden Adolf
Freyl^'') und 0. Brahm^s^) mit bewundernder Freude begrüsst. Der letztere konnte
dabei ein hübsches Wort des alten Meisters, die Erzähhmgen Meyers trügen ein Kleid
von kostbarem Stoff, von Brokat, auf die soHde Poetenarbeit ausdeuten, durch die sich
auch „Angela Borgia" wieder auszeichnet. — Eine allgemeine Charakteristik
Meyers versuchte M. R. v. Stern i^o)^ welcher in dem Vf des „Jürg Jenatsch" den
Träger einer noch nicht dagewesenen Kunst pries, der in sich — vielleicht vorbildlich
für die künftige Litteratur — deutsche Tiefe und welsche Eleganz vermählt und an
historischen Stoffen doch stets symbolisch modernes Leben darstellt. — Weniger
schimmernd, aber vielleicht gediegener ist ein umfangreicher Aufsatz Zabels i^^^) aus-
gefallen. Er hebt an Meyer, der sich nicht auf jedem Gebiete versuche, sondern als
Meister in der Beschränkung zeige, die Tiefe der Gedanken, die Sauberkeit der künst-
lerischen Darstellung, die niemals blendende, aber auch nirgends gezierte oder über-
ladene, einfache und vornehm-ruhige Sprache hervor. Wenn Keller, verschlossen-
zurückhaltend, durchaus schweizerischer Dichter ist und ganz in der Natur steckt, so
vereinigt sich bei dem liebenswürdig entgegenkommenden Meyer internationale Bildung
und strengste, bewusste Kunstanschauung. Z. betont den Einfluss der deutschen Kämpfe
[Bunds. N. 39 (vernichtend).]! — '50) 0. v. Greyerz, Besprechung v. Kamblis Buch: SchweizRs. Nov. (Z. T. in d. Eec. v.
N. 149.) — 151) J. V. W. (= Widmann), Gottfr. Keller in s. Vorhftltnis zu Religion, Kirche u. speoiell z. Refonntheologie:
Bunds. N. 314/5. — 152) X -s. Gottfr. Keller, Aristophanes u. d. Bildungsphilister: Gronzb. II, S. 52/4. (Gegen J. Mahlys
thörichte Aeussorungon Über Keller u. Aristophanes.) — 153) X Gottfr. Kellers Testament: FZg. N. 167. — 154) Böcklin über
Gottfr. Keller: FZg. N. 193. — 155) L. Wille, Aerztl. Gutachten betr. d. Geisteszustand d. alt. Staatsschreibers Dr. phil.
Gottfr. Keller v. ZUrich: NZUrchZg. N. 251. (Vgl. dazu NZUrchZg. N. 240, FZg. N. 248.) — 156) Testameutsprozess Gottfr.
Kollers: ib. N. 324. - 157) AdolfFrey, C. F. Meyers Angela Borgia: ib. N. 353. — 158) 0. Brahin, Neues v. K. F. Meyer:
Naüon„. 9, 8. 176/8. - 169) M. R. v. Stern, K. F. Meyer. Z. 11. Oktober: ML. 60, S. 641/3. - 160) E. Zabel, K. F. Meyer.
96 F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. rv 3: i«i-i80.
von 1866 bis 1871 auf Meyers poetische Entwicklung: vom Schwanken erlöst, fühlte er
sich von da an als deutscher Dichter von schweizerischer Lokalfarbe. Sein Thema war
regelmässig „der streitbar kämpfende Held und sein Vaterland". Unter seinen im
Einzelnen er()rterten Werken betrachtet auch Z. den „Jürg Jenatsch" als Meyers
Hauptschöpfung, als „die tragische Verklftnmg seiner Weltanschauung". —
Zahlreiche Artikel rief auch der T()(l 0. von Redwitz' hervor, der fast genau
ein Jahr nach dem Kellers im Juli 1891 erfolgte; mit den Arbeiten über den letzteren
können sich aber diese Aufsätze nicht messen. Es sind grossenteils kurz gefasste
Nekrologe, die den liebenswürdigen, sittlich tüchtigen Charakter des Verstorbenen mehr
als seine künstlerische Begabung preisen, den Gegensatz zwischen seinen älteren, in
spätroman tischer Weise krankhaft-empfindsamen luid katholisierenden Dichtungen und
seinen neiieren, liberalen und patriotischen Werken betonen, über die letzteren aber
mit Recht schneller hinweggehen, während sie bei der „Amaranth" verweilen. Die
meisten dieser Artikel sind objektiv gehalten •"'-i'^); tendenziös gefärbt ist Keitersi'^J
Nekrolog. — üeber das Durchschnittsmass ragt der Aufsatz von Neumann-Hofer***)
hervor. Er charakterisiert die geschichtliche Bedeutung der „Amaranth" knapp und gut
und schildert das Bestreben des Dichters seit seinem „Odilo", aus einem ultramontanen
ein moderner und liberaler Mensch zu werden. Aber trotz aller Mühe sei Redwitz auf
halbem Wege stehen geblieben. Eine eigenartige, in sich geschlossene Erscheinung
war Redwitz nur so lange, als er ultramontan und reaktionär blieb. — Im Grunde
dasselbe sagt in liübscher Fassung ein iingenannter Feuilletonist^ß'') von dem Verstorbenen:
sein Ruhm als Dichter sank, da er als Mensch gewachsen war; er verlor an Erfolgen,
je schöner und edler sich der Mann aus dem liebenswürdigen Schwärmer entwickelte.
— E. WechsleriGS) teilte einen dann mehriach wiedergedruckten Brief des Leidenden
vom 7. Januar 1886 mit, in welchem Redwitz sich, leider zu früh, seines vermeintlich
dauernden Sieges über den Morphinismus freute. — Auch ein haltloses Gerücht über
den, thatsächlicji durch Herzschlag veranlassten, Tod des kranken Dichters bedurfte der
ausdrücklichen Widerlegung in mehreren Blättern i^^). —
Die „Amaranth" ist vor anderthalb Jahrzehnten durch F. W. Webers „Drei-
zehnlinden" abgelöst worden, die 1891 in 50. und 51. Auflage erschienen i'^). — Den
Vf. dieser Dichtung preist Keiter^^i) überschwänglich in einer litterargeschichtlich
sehr mangelhaften, ästhetisch aber mitunter ziemlich tief eindringenden und nirgends
durch ihre Tendenz verletzenden Studie. Ueber die poetische Technik findet sich
darin manche feine Bemerkung. Das Lob Webers übertreibt K. zwar bis zur Lächer-
lichkeit, wenn er die- Kunst der Charakteristik bei seinem Dichter über die des
Sophokles erhebt; dagegen urteilt er pedantisch streng über die angeblich unreinen
Reime Webers, i''^^ —
Zwei Jahre vor Redwitz, eines vor Keller ist Haraerling gestorben, dessen
Andenken zahlreiche Schriften fast lebendiger als zu seinen Lebzeiten erhalten. Einzelne
seiner Dichtungen erschienen in neuen Ausgaben ^''^-^ ''**); aus seinem Nachlasse wurde
eine weitere Sammlung von geistvollen, oft satirischen und humoristischen, auch an
litterarischen Urteilen ergiebigen Aphorismen, Skizzen und Studien i''^) und ein ernstes
philosophisches Werk, die aphoristisch gehaltene, innerlich aber einheitlich systematisch
durchgeführte „Atomistik des Willens" i'^''), herausgegeben. — Aeltere Chai-akteristiken des
„Dichters der Schönheit" wurden aufs neue den Lesern empfohlen '^''-^''S). — Am wert-
vollsten sind die unter dem Titel „Lehi-jahre der Liebe" aus dem Nachlass veröffent-
lichten Tagebuchblätter und Briefe >'9-i80) aus den Jahren 1850—54 und 1862—63 mit
vielen neuen Gedichten von persönlichstem Charakter, vornehmlich in Sonettenform.
Sie zeigen uns zuerst den tändelnden \ind träumenden, vom Humanitätsstreben des
18. Jh. erfüllten, für Hermann, Gutenberg, Luther, Goethe und Hegel schwärmenden
E. litt. Portr.: WIDM. 70, S. 032-44. — 161) q— ., 0. v. Kedwitz, Nokroloff : AZgn. N. 168. — 162) W. Brachvogel. D. letzt«
Romantiker: MUiicliNN. N. 310. (Z. T. wieder abgedr. DidasValiu N. Iü2.) — 163) M. Brie, 0. v. Redwitx, e. Charaktfristik :
DZg. N. 7030. (Abgodr. im Bunds, n. :«.) — 164) 0. v. Kedwitz f: Kw. 4, S. 309-10. — 165) H. Keitor, 0. t. Bedwitz,
Nekrolog: Hausscbatz 17, S. 782/3. - 168) 0. N.-H. (= Neumann- Hofer), 0. v. Bedwitz f: BerlTBl. N. 341. (Z. T. abgedr.
Didaskalia N. 162.) — 167) 0. v. Kedwitz: KZg. N. iOl. — 168) E. Wechsler (Z. Leidensgesch. d. Dichters 0. t. Bedwitz):
NalZg. N. 415. (Al'gedr. StrassbPost N. 194; FZg. N. 198; Didaskalia N. 162.) - 169) 0. v. Bedwitz: FZg. N. 2u3. (Aus d.
AZg. abgedr.; gegen d. (ierUcht, R. sei durch Selbstmord umgekommen.) — 170) F. W. Weber, Dreizebniindea. 50. Aufl.
Jiibelausg. Mit Portrnt. Paderborn, Scböningli. 381 S. M. 8,00. (Dasselbe. 61. Aufl. ebenda. 12«. UI, 882 Ö. M. 5,00.) —
171) H. Keitor, F. W. Weber, D. Diihter V. „Dreizehnlinden". E.Studie. 3. rerm. Aufl. Mit e. Portr. Paderborn, SehOningh.
57 S. M. 0,60. — |[A. Hermann: BLU. S. 500.]1 — 172) O X F- Fischer, Plldagogisohes ans .Dreizehnlinden' : KathZEr-
ziehUnterr. 40, S. 251/6. — 173) R. Hamerling, D. KOnig v. Sion. Illustr. Hamburg, Verlagsanst. A.-G. 1690. Folio. 30 Lief.
Je M. 2,00. ![F. Bienemann: BLU. S 187.]| — 174) id., Amor u. Psyche. Illustr. t. P. Thumann. 8. Aufl. Leipzig, Titze.
hup. 4". 112 S. mit 8 TaMn M. 20.00. — 175) id., ,Pro-a". Skizzon, Gedfnkbl. u. Studien. NF. Bd. 1, 2. Hamburg. Ver-
lagsanstalt A.-G. III, 227; III, 214 S. M. 10,00. |[B. Mllnz: BLU. S. 70112; V.: DtschZg. N. 7129.]i — 176) id., D. Atomistik
d. Willens. Beitrr. z. Kritik d. modernen Erkenntnis. Hör. durch A. Harpf. 2 Bde. Ebda. XIX, 297, 269 S. XNZg.
6. Febr.]| — 177-78) E. M. Schranka, Schriften über Hamerling t. A. Polzer (1890 IV 3 : 124). K. E. Kleinert (ib.: 123),
A. Moser (ib : 127): BLU. S. 18(>/7. — 179-80) K. Hamerling, Lehrjahre d. Liebe. Tagebnehbl. u. Briefe. 3. Aufl. Hamburg,
IV 3: 181-192. F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 96
Studenten, der eifrig Philosophie und Philologie treibt, aber auch unter anderm schon
1850 diirch die Lektüre eines alten Trauerspiels, „Johann von Leyden" (Wien 1793)
zum ersten Gedanken an seinen viel spätem „König von Sion" angeregt wird, der als
Dichter im Genuss der Natvir schwelgt und in Gott nicht den Vater, sondern den
Bräutigam der Welt sieht: „Das Kind dieser höchsten Ehe aber wird die Schönheit
sein". Doch auch an kleinen und kleinlichen Zügen ist kein Mangel, und aus Miss-
trauen gegen sich und andere, aus selbstsüchtiger Bedachtsamkeit, die von echter, heisser
Leidenschaft nichts weiss, verscherzt er den Besitz eines Mädchens, das ihn warm und
voll innigster Hingebung liebt: die Geschichte dieses Verhältnisses zu Pauline (1853
bis 1854) liest sich wie eine trotz ihrer einförmigen Breite vortreffliche Novelle, die
dem Dichter Hamerling zu neuem Ruhme, dem Menschen aber, der darin sehr klein
erscheint, zur Anklage gereicht. Weniger anschaulich treten die späteren Freundinnen
des Vf., Marie Mösner und Antoinette Julius, hervor. Da wir von Hamerlings Be-
ziehungen zur Frauenwelt überhaupt nicht viel wissen, ist die Gabe, die uns hier
geboten wird, doppelt schätzbar. — In Roseggers ^s^) überaus pietätvollen und von
wärmster Liebe und üb erschwän glicher Bewunderung eingegebenen , anschaulich
geschriebenen, obwohl etwas zerfahren geordneten „Erinnerungen an Hamerling" tritt
mehr der Mensch als der Dichter und zwar mehr ein hebenswürdiger als ein grosser
Mensch hervor. R. erzählt mit treuem Ernste zu viel Nebensächliches; er stellt zu oft
Sonderlichkeiten des Verstorbenen dar, als ob es bedeutende Charakterzüge wären ;
er führt selbst unwichtige Beden gleich hohen Offenbarungen wörtlich an. Aber Eines
erzielt er allerdings auf solche Weise: wir gewinnen einen hellen Einblick in das
Gemütsleben des Dichters, und dabei wird er uns persönlich lieb und um seiner vielen
edlen Eigenschaften willen verehrungs würdig, während zugleich sein körperliches Leiden
unser herzliches Mitgefühl erregt. —
Von früher verstorbenen Dichtern der neueren Zeit hat Scheffel am meisten
Beachtung gefunden. Den Namen Audifax in seinem wiederholt neu aufgelegten
„Ekkehard" 1^2-184^ erklärte Sprenger ^85^ mit Hilfe des Schmellerschen Wörterbuchs
als „Erzfaxenmacher", Erzpossenreisser. — Ein Aufsatz Stöckles^se) über die Mettnau
bei Radolfzell handelt auch von ihrem Ankauf durch Scheffel (1876), seinem Hausbau und
seinem Prozess mit den unnachbarlichen Nachbarn, meistens auf Grund älterer Er-
innerungen an den Dichter von G. Zernin und Frau v. Freydorf, und berüjirt schliesslich
die Ansicht Scheffels, dass der Bischof Wolfgang von ßegensburg, d.em er die Berg-
psalmen in den Mund legte, aiif der Mettnau geboren sei. — In Heidelberg wurde am
11. Juli ein Scheöeldenkmal enthüllt, wobei Hausrat h i^'') mit- feurigen, von echtem
Verständnis zeugenden Worten Scheffel als deutschen Dichter, deutsch im Vers, in
seinen Gestalten, in seinem ganzen Wesen, als Dichter des studentischen Humors im
Gegensatz zur sogenannten Gesinnungstüchtigkeit des älteren Studententums und zum
modernen „Realismus", dann als grossen Lyriker und Epiker überhaupt pries. ^^^^ —
Dem Frankfurter Schriftsteller Ferd. Gl eich auf (1837—1880), der, zuerst
zum Ingenieur gebildet, dann in seinen litterarischen Studien von Laz. Geiger geleitet,
als Hauslehrer sich in Wien und Frankfurt durchschlug, Romane und Novellen, Ge-^
dichte und Dramen entwarf, bis er, von Krankheit vielfach heimgesucht, durch Selbst-
mord seinem Leiden ein Ende machte, widmete ein Frankfurter Blatt, das die Novelle
,,Zwei Künstlerseelen" von ihm abdruckte, eine kurze Biographie ^^9). — In hohem
Alter schied Titus Ullrich, 1813 geboren, der 1845 und 1847 die lyrisch-epischen
Dichtungen „Das hohe Lied" und ,, Victor" noch in der gährenden Stimmung des vor-
märzlichen Deutschland veröffentlichte, später jedoch als Dramaturg in Berlin unter der
Last der Berufsarbeiten von der eignen Htterarischen Thätigkeit mehr. und mehr abge-
halten und so von den Jüngeren allmählich ganz vergessen wurde ^^o). — 2u Eisenach
starb Aug. Becker (1829 — 91), der in lebenswalu-en und tragisch ergreifenden Er-
zählungen seine pfälzische Heimat darstellte, lange Zeit ein Mitglied des Münchner
Dichterkreises, bis sein Roman „Verfehmt" ihn daraus vei'trieb. In warmen Worten
schilderte Herzfelder ^^i) ^q Hauptmomente seines Lebens und Wirkens. —
Verlagsanst. A.-G. 1890. IV, 288 S. M. 5,00. |[E. M. Schranka: BLU. S. 186.]| - 181) P. K. Rosoggor, Torsönl. Er-
innerungen an'R. Haniorling. Wien, Hartleben. VI, 198 S. M. 2,50. [Boliemia N. 168; F. Lonim ermayor: NZg. 6. Juni ;
id. : BLU. S. 370/1; V.: DtschZg. N. 7073.]| - 182) J. V. v. Hclioftel, Ekkoliard. 2 13do. 5. Aufl. .Stuttgart, Bonz & Co.
XVIII, 294; V, 314 S. M. 10,00. - 183) X ScUeftels Ekkohard in 12 Originalillustr. v. IT. Jenny. Nene Ausg. 3. Aufl.
Hamburg, Kudolphi. 4». M. 6,00. - 184) O X E rnst Ackermann , ü. Heimat Scheffelscher Gestalten. Zeichnungen v.
E. WUrtonberger. Constanz, Meck. 12 Bl. M. 2,00. — 185) E.Sprenger, Zu SehefFels Ekkehard: ZDU. 6, S. 642. -
86) J. Stöckle, D. Mettnau bei KadolfzeU: SchriftenVGBodensee 20, S. 75—103. (S. 84-91 Über Schofiel.) — 187) A. Haus-
rath. Rede bei d. Enthüllung d. Denkmals Scheffels in Heidelberg geh.: PKZ. 38, S. G94/8. (Abgedr. auch NHJbb. 1,
8. 352-350.) - 188) X W. G., Schoffol-Reliriuien: NFPr. N. 9756. (Bospr. v. „Aus Ileimath u. Fremde", Stuttgart 1892.) —
l89)Dr. N., Ferd. Üleichauf. E. Nachruf u. Vorwort: Didaskalia N. 150. — I90)P. S [chlen thor], Dr. Titus Ullrich f: Mh. (iO,
S. 830/1. - 191) J, Herzfelder, Aug. Becker f: MUnchNN. N. 138. — 192) F. Muncker, Wilh. Raabs: ÜL&M. 65,
97 F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. IV 3: i»3-2i6.
Von den noch lebenden Romanautoren ist besonders Raabe bei Gelegenheit
seines 00, Geburtstages viel gefeiert worden. Schon früher hatte Muncker 1*2) (Jas
Verhältnis dieses Dichters zu seinen Vorgängern im humoristischen Roman, besonders
zu Jean Paul, den er jedoch an kCinstlerischem Stil übertreffe, kurz untersucht. — Mehr
auf eine ästhotisoho Betrachtinig der Werke Raabes, des gemütstiefen Darstellers des
deutschen Gemütslehens, dos geistreichen Humoristen von specifisch norddeutschem
Charakter, des Meisters im Stinnnungszauber, gingen die Festartikel aus'*^-***). Sie
betonten den wahrheitsliebenden Ernst des Dichters, dessen Ziel die Schönheit, aber
mehr die sittliche als die künstlerische Schönheit sei, die tragische Grundstimmung
seiner Erzählungen, die sich aus dorn Zwiespalt zwischen Ideal und Leben, zwischen
der Vergänglichkeit des äussern Glückes und dem ewig bleibenden Dasein des Guten
und Edlen auf Erden ergebe, die organische Entwicklung aller seiner Geschichten aus
Einem Keime: sie sind alle nach Raabes eigenem Wort „gewachsen". — Besondere Her-
vorhebung verdienen die Aufsätze von KoppeP'''^), Neumann-Hofer'"), Karl
Alberti'"^), der besonders Raabes Werke seit 1881 im Anschluss an einen früheren
Aufsatz von H. v. Wolzogen bespricht, und von Sträter'öO), der als das Thema aller
Erzählungen des Gefeierten den Sieg über den in die Gemütswelt seiner Helden ein-
brechenden luid iliren Seelenfrieden gefährdenden Schrecken bezeichnet. — Auch die
neuen Auflagen von Raabes früheren Werken und namentlich sein jüngster Roman
„Stopfkuchen" veranlassten beachtenswerte Charakteristiken des Dichters von Sträfer^oo)
und von einem Ungenannten 2oi). —
Seinen 70. Geburtstag feierte Schweichel, der Vorstand des Allgemeinen
deutschen Schriffstellerverbandes. Festartikel von E. Rosenfeld ■^<'-) und Kohut^os)
rühmten hauptsächlich seine Verdienste um die Förderung des Schriftstellerstandes;
unter seinen dichterischen Leistungen wurden vor allem seine echt volkstümlichen
Dorfgeschichten hervorgehoben, deren Vorbilder weniger bei Auerbach als bei Bitzius
und Balzac zu suchen seien. —
Als ausgezeichneten Feuilletonisten , in dessen sämtlichen Werken ein
feuilletonistisches Element durchbreche, begrüsste Paetow^o*) den Herausgeber der
„Deutschen Ruiidscliau", Rodenberg, zu seinem GO. Gebiiristage und erklärte diese
Eigenart seines schriftstellerischen Charakters an den Reiseskizzen, durch die der
wanderlustige Dichter sich zuerst seine Stellung in unserer Litteratur erobert habe. —
Auch Ziemssen-Oö) legte auf diesen „heiligen Geist der Wanderlust" bei Rodenberg
und auf seine liebevolle Hingabe an die Natur, an Geschichte, Volkssage und Volks-
dichtung allen Nachdruck 206). — Einen sehr hübschen Beitrag zur Geschichte seiner
Jugend spendete Rodenberg 207) gelbst, indem er von der Entstehung, Veröffentlichung
und Axifnahme seines ersten Werkes („Für Schleswig-Holstein. Geharnischte Sonette".
1850) offenherzig erzählte. —
Angeregt durch die von einer Zeitschrift gestellte Frage nach der Geschichte
des Erstlingswerkes sprach sich in ähnlicher Weise Graf 8chack ■^<'^) über Jugend-
eindrücke und poetische Jugendversuche sowie über seine Dichtung „Lothar" aus (zum
grossen Teil 1838 — 1840 in Aegypten, Syi-ien iu\d Spanien geschrieben); Roquette^o»)
berichtete, wne „Waldmeisters Brautfahrt", Marie von Olfers'-'O), wie „Frau Evchen"
und „Simplicitas" vollendet wiii-den; Georg Ebers 2ii) gab eine kurzgefasste, aber
inhaltsreiche Entstehungsgeschichte seiner „Aegyptischen Königstochter", und Dahn^i^)
wies auf sein kleines, unter verschiedenen Einflüssen älterer Dichter entstandenes Epos
„Hai-ald und Theano" zurück. 213) — Umständlich plauderte W. Jensen 2H) über seine
ersten, niir langsam aus der Nachahmung fremder Muster zur Selbständigkeit sich ent-
wickelnden Versuche, während E. Eckstein 215) ßber sein humoristisches Epos „Schach
der Königin" einen Essay lieferte, der fast den strengsten Ansprüchen modemer litterar-
S. 147-50. - 193) O X Wilh. Raab«: VZg. N. 417. - 194) X 0. Elster, D. Kleiderseller. E. liU. EnlhOllung zu d. 60. Ge-
burtstage Wilb. Raiibos (8. Sept.): DidasValia N. 209-10. (WeitschwoiHge Schilderung e. feucbtfr3hlicbi'n, d. Humor u.
unbedingter Walirheitsliobe huldigenden Gesellschnft in Braunschweig, deren Mit),'lied Raab« ist.) — ISS) X Wilb. Baabe:
FZg. N. 252. — 196) E. Koppel. Wilb. Raab«: N&S. 66. S. 20-30. (Z. T. ahgedr. KielZg. N. 14479.) - 197) 0. N-H.
(= Neuraann-Hofer), Deutschlands HungerpasU.r. Z. 60. Geb.: BerlTHI. N. 453. - 198) Karl Alberti, V. Krihenfelde bis
z. OdfoWe. Z. 60. Geb.: BayreuthUU. 14, S. 296—302. — 199) E. Sträter, Wilb. Raabe. Z. 60. Geb.: SchlesZg. N. 624. —
200) id., Wilh. Raabes neubs Huch (Stopfkuchen): Gegenw. 39, S. 3613. - 201) M. N. (= Moriti Necker?), Neues r. Wilb
Raahe: Grcnzb. II, S. 144-51. (t'eber ,Afu Telfan", „Christoph Pechlin* u. ,SU>pfkuchpn" ) — 202) Ernst Rosenfeld,
R. Schweichel. Z. 70. Geb.: KielZg. N. 14.380. (Auch Didaskalia N 160.) - 203) A. Kohut, R. Schweichel. Z. 70. Geb.:
VolksZg. N. 159. - 204) W. Paetow, .1. Rodenborp. Z. 60 Geb.: BerlTBl. N. 31.5. — 205) I.. Ziemssen, J. Rodenberg:
N*S. 58, S. 23—34. — 206) X J- Kodenberg Z. 60. Geb.: FZg. N 177. — 207) J. Rodenberg, Hein erster Waffengang.
(= D. Gesch. d. Erstlingswerks. Inter d. gleichen Titel auch N. 208-12, 214 5.): nUicht. ng 10, S. 196-200. — 208)A. F. Graf
V. Schack, Mein Erstlingswerk: „Lothar": ib. S. 171/5. (Vgl. N. 207) — 209) 0. Koquette, Mein Erstling: .Waldmeisters
Braulfahrt- : ib. S. 44. (Vgl. N. 207.) - 210) Marie t, Ol fers. Meine Erstling«: ib. S. 11». (Vgl. N 207.) - 21t) O. Ebers,
Mein Erstling: .E. ägyptische Königstochter": ib. S 15/7. (.Vgl. N 207.) - 212) F. Dahn. Mein Erstling: .Harald u. Theano":
Düiclitiing. (Vgl. N. 207.) — 213) X F- D»l"> n «^ Po»«i« : Grenil. It. ?>. l.M 2. — 214) W. Jensen, Was war mein
Erstling?: DDichtung 9, .<. 228—31. (Vgl. N. 207.) - 215) E. Eck st. in. M.iii Irstlii.g: .Schach d Königin" : ib. S. 27»— 88.
Jaltreslerichto für neuere deutsche Litteratargeschichte II r-'i. 7
IV 3: 216-227. F. Muncker, Epos des 18./19, Jahrhunderts. 98
historischer Forschung genügt. — Weniger zufrieden kann die Litteraturgeschichte
mit dem Aufsatze G. von Amyntors^is^ über Eckstein sein: ganz ästhetisch gehalten,
preist er ziemlich allgemein den Humoristen, den phantasie vollen Dichter, den Roman-
autor, den Darsteller weiblicher Charaktere und den Stilisten in Eckstein. —
In den Kreis Münchener Dichter führt ein Aufsatz über Jensen^n)^ dessen
Grundgesinnung der Vf. am klarsten aus seinen lyrischen Gedichten zu erkennen glaubt:
stets voll tiefen Ernstes mit den religiösen Fragen beschäftigt, der Prediger einer ,, weh-
mütigen Schönheitsreligion", voll echten Natursinns, kraftvoll und zugleich rein in der
Darstellung des Sinnlichen, kämpfe Jensen für Schönheit, Wahrheit und Menschenliebe.
Für die ,, Moderne" habe er unfreiwillig hie und da Bresche gelegt, vei-halte sich aber im
Ganzen zu ihr wie der Liberalismus der Bourgeoisie zur Socialdemokratie. — Von den übri-
gen Münchener Dichtern sindHeyse, den bei seinem 60. Geburtstag unter andern Muncker^is)
vornehmlich als Meister der sogenannten Problemdichtung und als formalen, besonders
an Goethes Muster gebildeten Künstler charakterisiert hatte, und Lingg. in dessen Poesie
gleichfalls Muncker 2i9) namentlich den Zug zu weltgeschichtlicher Betrachtung und
die Tiefe des Gedankengehalts hervorgehoben hatte, im Jahre 1891 nicht in den Kreis
ästhetisch-litterarischer Betrachtung gezogen worden. — Einem ehemaligen Angehörigen
dieses Kreises, H. Hopfen, sucht ein Ungenannter 220) bei Besprechung seiner neuesten
Erzählungen und des Dramas „Hexenfang" gerecht zu werden. Er rühmt Hopfens
Kunst, äussere Stimmungsbilder zu zeichnen, seine Gabe, sich schnell in allen Gegenden
und Lebenskreisen heimisch zu machen, tadelt aber etwas übertreibend, dass zu den
wenigen dichterisch geschauten Situationen die nüchterne Reflexion zu viel hinzugrübeln
müsse. So ergebe sich manches Unwahrscheinliche, Konventionelle, Gewaltsame, Ab-,
sonderliche; es fehle mitunter an Geschmack, an Humor, an einer wirklichen Welt-
anschauung. —
Einen andern in München geborenen Schriftsteller, J. B. Muschi, behandelt
Eligius Rihter22i) in einem besonderen Bändchen, das als Probeband einer neuen
Sammlung von Einzeldarstellungen zeitgenössischer deutscher Schriftsteller ausgegeben
wird. Eine stümperhafte Arbeit voll leerer oder irre führender Phrasen und thörichter
Bemerkungen über deutsche Verhältnisse, ohne wissenschaftliche Methode, ohne ge-
schichtliches Studium und wahre Kritik. Allein schon aus der beigegebeneri Blumen-
lese aus Muschis Werken liesse sich leicht ein viel besseres Bild des wirklich nicht
verdienstlosen Menschen und Schriftstellers gewinnen. Dafür macht der amerikanische
Vf. viel Wesens von der Mühe seiner Arbeit, die er durch ein ganz verkehrtes Prinzip
ohne Not vielfach lückenhaft lässt: er hält es nämlich für bedenklich, von den ge-
schilderten Autoren sich selbst Nachrichten über ihr Leben zu erbitten, und fragt des-
halb lieber ihre Verwandten, Freunde und Gegner, weil dies zuverlässiger sei. Gerade
Muschi wird aus der Fülle deutscher Dichter herausgegriffen als Führer der anhaltischen
Schriftsteller — bilden diese vielleicht eine besonders eigenartige Gruppe auf dem
deutschen Parnass? — , ferner als ein Autor, der sich auf allen Gebieten der Litteratur
und nirgends nur dilettantenhaft versuchte (wie noch mancher andere auch!), als ein
Mann, der in der zukünftigen Litteraturgeschichte eine wichtige Stelle zwischen dem
älteren Idealismus und dem modernen Realismus einnehmen dürfte oder wenigstens
sollte — in der That? — , endlich als ein Schriftsteller, der ein von Fremdwörtern reines
und schönes Deutsch schreibt — was man allerdings Herrn R. nicht nachrühmen kann. —
J. J. David 222) charakterisiert Emilie Mataja (Emil Mariot) als Vertreterin des
Wiener Realismus in der Erzählung, der bis auf Grillparzers „Annen Spielmann" zurück-
geführt wird, und hebt die sociale Bedeutung ihrer bürgerliclien wie ilirer geistlichen
Geschichten, die Kraft ihrer Charakteristik und die ,, innere Form" hervor, die bei ihr
für den äusserlichen Mangel an Stil entscliädige. — David selbst und andere aus Oester-
reich stammende oder hauptsächlich in Wien wirkende Schriftsteller, S. Fritz 223j^ Ferd.
V. Saar, Th. Zolling224) xand Ernst Ziegler, wurden nach ihren wichtigsten oder neuesten
Leistungen verschiedentlich besprochen, die „Ehegeschichten" des letzteren von
M. Schnitzer 225) schonimgslos verurteilt. —
Von äen älteren BerHner Dichtern Hess Fontane den Schluss der Gesamtaus-
gabe seiner Romane und Novellen 226) und einige neue Erzählungen 227) ersclieinen und
zwang dadurch selbst solchen, die sonst unserem Geistesleben ferner stehen, hohe
(Vgl. N. 207.) — 216) G. V. Amyntor, E. Eckstein: ib. S. 282/4. — 217) Wilh. Jensen: Gronzb. III, S. 295—306 u. 405-16. -
218) F. Muncker, Z. 60. Geb. Paul Heyses: AZg. 1890, N. 74. — 219) id., Z. 70. Geb. H. Linggs: AZg». 1890. N. 17. - 220) Altes
u. Neues v. Hans Hopfen: Grenzb. II, S. 373—381. — 221) Eligius Hihter, Jean Bernard Muschi. Darstell, s. Lebens u.
Wirkens, verb. mit e. Sammlung v. Gedanken aus s. Schriften. (= Zeitgenöss. dtsch. Schriftsteller Einzeldarstell. her. v
E. llihter. Bd. 18.) Philadelphia, Verlag d. Herausgebers. 70 S. (Koin.-Yorl. fUr Deutschland Langguth in Esslingen.) —
222) J. J. D»vid, E. Mariot: Nation". 8, S. 438—40. — 223) O Zwei Wiener Erzilhler (J. J. David — S Fritz): FreradenBl.
N. 193. — 224) O V. unseren Erzählern (Th. Zolling — F. v. Saar — J. J. David): ib. N. 347. — 225) V. Schnitzer.
E. Wiener Zola für Frauen: Gegenw. 40, S. 260/:l. — 226) Th. Fontnn.M gcs. lioiiiniin u. Novellen (33.- 4s. Lief). Bd. 9-12.
Borliii, FonUne. 319, 319, 324, 330 S. Je ler Bd. M. 2,U0. — 227) X «• S [iiiiioscli J , Tli. Fontanus n.ucto Romane: NZg.
99 -F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. IV 3: 228-286.
Anerkennung ab. T. de Wyzewa^ä») rühmte ihn als vollendeten T3rpu8 der preussischen
Rasse, als Naturalisten, der doch nie durch einen als Tendenz sich aufdrängenden Bruch
mit dem Konventionellen verletze und nirgends auf eine geheimnisvolle Poesie auch bei
der Darstellung des scheinbar Banalsten verzichte, und übersetzte ein Stück aus
„Kriegsgefangen". — F. Mauthner^ä») aber erhob die ewig frische, stilvolle, eigen-
artige Kunst Fontanes, indem er sie der nur äusserlich wirkenden, oft affektierten und
stilwidrigen Darstellung des geistig von Fontane und Vischer abhängigen Ernst v. Wol-
zogen gegenübersotzte. —
Von K. Frenzeis gesammelten Werken 280) traten die ersten fünf Bände ans
Licht, überall freudig begrüsst; sie enthalten eine streng geprüfte Auswahl seiner ge-
schichtlichen und kritischen Aufsätze zur Litteratur, Religion und Politik, sowie mehrere
seiner bedeutendsten Romane. — Zu den Erinnerungen aus seinem Leben, die besonders
der erste Band bringt, fügte K. Frenzel^ai) selbst ergänzend noch eine in dem schönen
Essay über die Eindrücke, die er 1854 — 1863 in Dresden empfing. Namentlich die Ge-
mäldegallerie und das Theater wirkten mächtig auf den jungen Schriftsteller ein, der in
Gutzkow einen freundschaftlichen Förderer fand; so treten auch neben diesem Dichter
die Gestalten der Rachel, E. Devrients und B. Dawisons am stärksten in diesen Er-
innerungen hervor. — Den späteren Romandichter Frenzel betrachtet Spielhagen 282)^
von einigen seiner reifsten Werke ausgehend, in einem an den allerfeinsten Bemerkungen
zur Kunst und Technik des Romans überreichen Aufsatze. Er betont dabei vornehmlich
den Gewinn, den die genaue Bestimmung des Lokals der Handlung dem neueren
deutschen Roman gebracht hat: nun erst kann er wirklich ein Spiegelbild des aktuellen
Lebens innerhalb eines festen Rahmens werden. Im Ganzen ergreift S. Frenzeis Werke
nur als den äusseren Anlass, um von ihren Einzelheiten wie von ihrem gesamten Bau
und Ideengehalt zu allgemein gültigen Aussprüchen über die deutsche Erzählungskunst
zu gelangen. — Bei Frenzel selbst bleibt mehr die etwas hymnusartige, aber liebevoll
in das Wesen des Dichters eindringende Darstellung E. Wechslers 2'J3)^ die kurz und
gut den positiven Wert der Kritiken Frenzeis bespricht, hauptsächlich aber dem nicht
blendenden, vielmelii- philosophisch tiefen und künstlerisch reifen, eigenartigen und
kraftvollen Romanautor sich zuwendet. W. nimmt in seinen Werken, unter denen er
„Vanitas" und namentlich die massvoll der jüngsten deutschen Schule sich nähernden
Romane „Geld", „Dunst" und ,, Wahrheit" am höchsten stellt, eine ganz eigentümliche
Mischung von Nihilismus, Antike, Voltairescher Laune, Berlinertum, Idealismus und
Rokoko wahr; sie predigen ebensowohl die Eitelkeit alles Irdischen, die Vergänglich-
keit des Erdenglücks wie die Bedeutung irdischer Schätze, den Wert des Geldes, den
Drang nach Genuss. —
Wechsler 234) gjebt auch bei einer Besprechung von A. Glasers gesammelten
Schriften von diesem Berliner Autor eine kurze, gute Charakteristik. Ihm ist
Glaser „eine Doppelnatur, halb Historiker, halb Tagesclu-onist, ein Grübler, an dem
die Jahrhunderte feierlich vorübergleiten, und ein aufbrausender Kämpfer um die Position
des Momentes, für die Forderungen der Gegenwart", massvoll in seinem Realismus und
von warmem Gemüt trotz vereinzelter pessimistischer Regungen. — Eine nicht eben
tiefe, aber im Ganzen gerechte, nur hie und da von dünkelhafter Keckheit zeugende
Studie von 0. Linke 235) behandelt nach einander Glasers Lyrik, seine Tragödien, deren
meiste Motive der Dichter später noch einmal novellistisch verwertete, seine Erzälilungen,
als deren Ginindstimmung L. einen kampffreudigen Optimismus erkennt, der das Heil
im Siege der Aristokratie des Geistes erblickt, und endlich seine Bearbeitungen nach
dem Holländischen, die gemäss Glasers geistiger Verwandtschaft mit dem holländischen
Wesen ihm vor allem gelingen mussten. —
Einige Parteihäupter der „Moderne" fanden reklamehafl übertreibende Würdi-
gung durch Parteigenossen, die sich den Anschein gaben, als sei unsere gesamte Litte-
ratur vor 1880 eitel Schund und die selige Marlitt die einzige von Publikum
und Kritik anerkannte Scliriftstellerin gewesen. An ihren Leistungen mass z. B.
Merian23C) die dichterische Kraft H. Heibergs, ohne zu merken, wie sehr er seinen
Autor durch einen solchen Vergleich erniedrigte, und brachte dann freilich selbst aus
den massig guten, wie viel mehr aus den besten Arbeiten Heibergs, deren Motive er
lieber auf Goethes „Wahlverwandtschaften" und ihre sonstigen Quellen hätte zurück-
verfolgen sollen, riesige Meisterwerke heraus, die er als göttlich, unerschöpflich, urdeutsch.
N. 533. („Unwiederbringlich" u. ,Quitf.) — 228) T. de Wyzew«, Fontane: RPL.S. 751/6. (Z. T. abgedr. ML. 60, S. 814.) —
229) F. Mauthnor, E. Meister u. sein Schüler (Fontene u. Wolxogen): ML. 60, S. 779—81. - 230) K. Frenzel, Ges. Werke.
Bd. 1-5. Leipzig, Friedrich. 1860 1. V, 480; IX, 515; VII, 567; 604; 597 S. Bd. 1 n. 2 je M. 4,50; Bd 3-5 je M. 6,50. |[TZg.
N. nr); WIDM. 70, S. 718/9.]t — 231) id., Dresdouer Eindrücke. E. Kapitel aas meinen Lehijahren: WIDM. 69, S. 130-43. —
232) F. Spielhagen, Karl Frenzel: Aus mein. Studieumappe. [I 3:76.] .S. 307—61. — 233) E. Wechsler, K. Frenzel.
Mit Portr. (= D. moderne Litt, in biograph. Einzeldarstellnngen Heft 1. Unter gleich. Titel N. 235/8.) Leipzig, Friedrieh.
55 S." M. 0,50. - 234) id., A Glasers ges. Schriften: NZg. N. 495. — 235) 0. Linke, A. Glaser. Mit Porti. (Vgl.
N. 233, Hofl ^) Leipzifc'. Friedriili 58 S. M. 0,76. — iÄb, 11. Merian, H. Heiberg. Mit Poitr (— Vgl. N. 238, Heft 2.) ebd*.
IV 3: 237-23». F. Muncker, Epos des 18./19. Jahrhunderts. LOO
Shakespearisch u. dgl. pries. Besser sind die ersten Partien seines Büchleins geraten,
in denen er das Leben und Schriftstellern Heibergs nach annehmbarer Methode an-
schaulich entwickelt; aber auch da bot er öfters nur Rhetorik statt objektiv-geschicht-
licher Charakteristik. — Am weitesten in hohler Khetorik und, noch dazu schlecht
stilisierter, Phrase ging 0. J. Bierbaum 237) J^ seinem Büchlein über Detlev v. Lilien-
cron, das in künstlich gemachter „Naturburschenhaftigkeit" bald stammelnd, bald briülend
sich an ganz unreife — oder langlaublich dumme Leser wendet, die es über das ABC der
gewöhnlichsten Kunstlehre, aber leider nicht über die schwierigeren, höheren Sätze der
Aesthetik belehrt. Von den litterargeschichtlichen Kenntnissen des Vf. giebt seine
Darstellung unserer „unlitterarischen Epoche neutrius generis" (S. 13) einen Begriff, die
nach ihm mit dem Ausgang Goethes, der Romantiker und Heines beginnt. In ihr weiss
B. neben der grossen Annette v. Droste-Hülshoflf, die jedoch angeblich niemand bei uns
auch nur dem Namen nach kennt, nur Gottf Keller, K. F. Meyer, Th. Fontane und
Th. Storm als „relativ grosse Dichter einer geistig kleinen Zeit" zu nennen; aber auch
ihnen fehlt der grosse Zug, sie haben alle etwas Bürgerlich-Behäbiges, ein kleines zier-
liches Zöpfchen. Das wahrhaft Grosse und Neue kam erst mit M. G. Conrad und
denen, die sich zu ihm gesellten. Ueber die einzelnen Novellen und Romane Liliv^ncrons
sagt B. manches Richtige; das eigentliche Urteil über sie muss sich der Leser aber aus
ihnen selbst oder allenfalls aus den zahlreichen Bruchstücken bilden, die B. citiert. Zu
einer wirklichen Würdigung seines Dichters trägt der Vf. viel zu wenig bei; je näher
er dem Schlüsse kommt, desto kürzer und dürftiger wird er. — Auf viel gründlicheren
Studien beruht die Schrift von G. Ludwigs 238) über W. Walloth, ist aber in einem
unsäglich geschraubten und vor lauter affektierten Abstraktionen fast unverständlich
gewordenen Deutsch abgefasst, das zu weiterer Verhüllung der Deutlichkeit wahrhaftig
nicht noch Neubildungen wie „der Untersuch", „der Bemerk", „die Geistreiche", „ihr
ursacht das Streben", statt: Untersuchung, Bemerkung, Geistreichtum, ihre Ursache ist
das Streben, nötig gehabt hätte. Davon abgesehen, liefert L. in der That brauchbare
Ergebnisse. Nach einer kurzen Biographie und Besprechung der Lyrik Walloths zer-
gliedert er seine Epik: ihr Problem ist der weibische Mann, in seinem Kernpunkt ge-
fasst ixnd auf die scln"ufPste Formel gebracht; ihm gegenüber steht die weibliche Heldin.
Das ist aber eigentlich das „Selbstproblem eines Lyrikers"; auch liegt Walloths Be-
gabung „gerade im specifisch Epischlyrischen", im „satten Lyrismus der Epik". Sein
„schneidigstes Charakteristikum ist die Seelentechnik in allen Modifikationen"; an Stelle
der Charakterzeichnung tritt die „Charaktermischung"; das sociale Milieu wird zum
„Stimmungsmilieu" geläutert. Allerlei Bemerkungen über die „Vermaterialisierung des
Seelenlebens", über die Mittel des Dichters zur „Plastifizierung seiner Epik", im einzelnen
Fall über Walloths maleiische Kunst, über sein „Bedürfnis nach Farbenglast und Glanz-
frische" und Aehnliches sollen hauptsächlich nur „vorbearbeiteten Stoff zur Experimental-
ästhetik geben" und auf den positiven Gewinn der ganzen Studie hinleiten, auf „die
gefundene Uebereinstimmung der psychophysischen Prinzipien der lyrischen Sprache, der
Plastik und der Empfindlichkeit". 23») _
IV, 4
Drama.
Alexander von Weilen.
Aeltere Zeit N. 1. — Sturm und Drang N. 8. — Dialektdiohtung N. 23. — Zeit der klassischen Litteratur N. 25.
— Körner N. 38. — H. v. Kleist N. 108. - Holtoi, Gutzkow, Dingelstodt, Gisoke N. 119. — Otto Ludwig N. 128. — Las.salle,
Horrig u. a. N. 133. — Oesterreichisclio Dramatiker: ScLröekingor u. a. N. 151; Halm N. 155; Hebbel N, 150; Nestroy und
Raimund N. 164; Bauernfeld N. 169; Anzongruber N. 171. - Volkäseliauspiel N. 183. — Oper N. 190. —
Das Berichtsjahr hat auf dem Gebiete der Geschichte des Dramas einige höchst
wertvolle grossere biographische Studien aus dem 19. Jh. gebracht, während die zweite
Hälfte des 18. Jh. nur sj)ärlich bedacht wurde. Für die ältere Zeit drehte sich die
80 S. M. 0,7.V |[G. Hoffmann: KicIZg. N. UM9, lobend.]] - 237) 0. .1. Hierbaura, Frhr. Detlev v. Liliencron. Mit
Portr. (=Vgl. N. 233, Heft 5.) cl.da. 111 S. M. 1,00. — 238) G. Ludwigs, Wilh. Walloth. Mit Portr. (= Vgl. N. 233, Heft 4.)
ebda. 103 S. M. 1,00, — 239) X Murgaretlie Halm (^•eb. v. Williolm). Z. Ti'.Hü.l: l.ittJbNonlwestbölimon n. dtsch. Grenz-
lan e. I. S. 1-2. —
101 A. V. Weilen, Drama des 18,/19. Jahrhunderts. IV 4:i-i6
Forschung um die bereits besin-ochenen Werke von Heitmüller >), dessen
Dissertation nunmehr unverändert im Buclihandol herauskam, und von Rentsch.
Minor 2) erwähnt in seiner Anzeige, dass J. E. Hcljlegels *) Manuskript der älteren
Fassung der „Trojanerinnen'' in den Besitz dos Arcliivrat« Könnecke in Marburg i. H.
übergegangen sei. — Als Vorläufer von Gootlu* „Iphigonie" erscheinen die Dramen von
Sclilegol und Derschau 1747 mit ihren französischen Quellen in dem Aufsatze von
Morsch*), der sich eingeh(uider auch mit Gotters „Orest und Eloctra" und „Merope"
in ilirer Einwirkiuig auf Goethes ,,Iphigenio" und „Elpenor" beschäftigt. — Ueber-
mässig lobt Häuf fon f*) Flaischlons Buch über Gemmingen; er trägt nur ergänzend
nacli, dasH der „Hausvater" in Bd. 153/4 der „Theatralischen Sammlung" (Wien 1791)
unter dem Titel „Die Familie" sehr umgestalfet erschienen und 1824 von Hcusser als
jjDer Vaterstand" frei bearbeitet worden ist. — Minors <>•) vortreft"liche Kritik würdigt
die bei Flaisohlen vernachlässigte ,, Mannheimer Dramaturgie", in der Gemmingen eine
Analyse des „Macbeth" giebt, den „Hamlet" foidert, wie er geschrieben ist, und auch auf
die Kosttimfrage nachdrücklich hinweist. — Wielands Drama ,, Clementina von Porretta"
wird von Ettlinger«) mit dem Vorbilde, dem Romane Richardsons verglichen. Die
A.bänderungen sind unglücklich, das ganze Werk besteht aus undramatischen Dialogen,
die meist wörtlich entlehnt werden. — In dieser Zeit blüht das lyrische Drama, ein
Ausdruck, den Köster '') in einem Vortrage für die verwirrenden Bezeichnungen Melo-
drama, Monodrama festgesetzt hat. Das eigenartigste Werk dieser Gattujig ist Rousseaus
„Pygmalion". In Deutschland nimmt das lyrische Drama seinen Au.sgang von der Kan-
tate, wie sie Ramler pflegte; es gab eine aufsteigende und eine absteigende Periode,
der Charakter blieb ein wesentlich lyrischer. Die Nachwirkung ist noch in der Tar-
tarusvision des Orest, in Schillers „Jungfrau von Orleans" (IV, 1) und „Maria Stuart"
(III, 1) deutlich zu spüren. —
Sturm und Drangt). Aus Papieren des dänischen Reichsarchivs hatBob^^)
interessante Mitteilungen zur Biographie H. P. Sturz' geschöpft, welche sich haupt-
sächlich mit .seinen Beziehungen zu Struensee beschäftigen, in dessen Fall er mit ver-
wickelt wurde. Abgedruckt werden Teile seiner Verteidigungsschrift und ein franzö-
sischer Brief an Carstens. — Leisewitz' 1°) „Julius von Tarent" ist in einer Schulaus-
gabe mit ziemlich dürftigen Anmerkungen von Lichtenheld i^) erschienen. — Gersten-
bergs ^2) Interesse für Musik zeigt sich in den von Chrys and er 13) mitgeteilten Texten,
die der Dichter einer Phantasie K. Ph. E. Bachs unterlegt, einem Monolog, der zu-
gleich mit dem derselben Musik durch Gerstenberg angepassten Hamlet-Monolog 1787
veröffentlicht wurde. Es ist ein Weg zum musikalischen Drama, der sich aus Gersten-
bergs Papieren noch weiter verfolgen Hesse. — F(ir Lenzi+) hat Froitzheim i^) seine
wenig erspriessliche Thätigkeit fortgesetzt. Man kann ab.schliessend sagen: F.s Beweise
sind Verdrehungen, mtissige Kombinationen, tendenziöse Gruppierungen. Er wiederholt
seine frühere Behauptung, dass Goethe der Vf. des „Prometlieus" sei, der Klätscher
Dehiet spielt dabei eine Rolle als „Kronzeuge". Im ersten Abschnitte „Lenz in
Strassburg" erhebt F. die „Anmerkungen über das Theater" zu einer Poetik des neueren
Dramas. Er versucht das Fragment „Zum Weinen" 1772 anzusetzen; mit Recht sieht
F.s Recensent Pniower Goetlies Schweiserreise von 1775 darin vorausgesetzt. Der
zweite Teil soll beweisen, dass Lenz von Ooethe nach Weimar gerufen worden. Seine
Worte „der lahme Kranich ist angekommen, Er sucht, wo er den Fuss lünsetze" sollen
eben so gut „als Quittung über einen empfangenen und vollzogenen Auftrag gelten, als
auf eine geplante Ueberraschung hindeuten" können. Goethes „neidische Missstimmung"
gegen Lenz wird aus der Stelle im Briefe an Frau von Stein : „Sie werden das wunder-
liche Ding sehen und ihm gut werden. Doch — Sie sollen, was Sie woUen, und wollen,
was Sie sollen" kühn gefolgert. „Es hiesse die Augen absichtlich verschliessen, wollte
I) F. Hei t in ulier, Hamburg. Dramatiker z. Zeit Gottscheds u. ihre Bexiehungen tn ihm E. Beiir. x. Gnsch. d.
Theaters u. Dramas im 18. Jh Dresden, Pierson. VI, 101 S. M. 2,40 |[IUmbNachr». N. 16; A. K Oster: DLZ. 12, N. 2C;
C{reizenach): LCBl. N. 51; L. Frttnkcl: BLU. N. 42.] (.IHI>. 18M IV 4 : «.) — 2) J. Minor, Rentsch. J. E. Schlegel
(JBL. 1890 IV 4 : 2): ZOG. 42, 8. 426/7. (Ausserdem auch B. .Seuffert: ADA. 17, S. 3389; 0. Ellfnijor: ASSS. 87,
S. 281/2; R. Kade: ZDU. 0, S. 126; RCr. N. 5; A. Leif/.mann: LBIGRPh. 12. S. 291.) - 3) XX K- Seeliger,
J. E. Schlegel: MVGMoigsen 2, S. 145—88. — 4) 11. Morsch. Aus d. Vorgosch. v. Goethes Iphigenic: VLG. 4, S 80—115.—
5) A. Hauffen, Fluischlen, Gommingen (JUL. 18!K) IV 4 : 9): DLZ. 12, N. 2ii. — 5a) J. Miaor, Flaischloo, Gemmin>;on (vgl
N. 5): ADA. 17, S. 147,9. (Ausserdem ,1. Ettliuger: AZg. N. 242; H. Jellinghau«: LRs. 17, S. 845; F. Uunckoi:
LlUGRPh 12, S. 370/2.) — 6) J. Ettlingor, Wielands Clemenfina v. Porretta u. ihr Vorbild: ZVLR. NF. 4, S. 434 9. -
J) A. Köster, Über d. lyrische Drama: VZg.iN.53. (Vortr. [Ref.] DLZ. 1.', N. 6 u. IterlTHl. y. 27. Jan.) — 8) X J- V. W[id-
mann], Malor MUller, Fausts Leben: Hund S. 63/4. — 9) X L- Bob«, H. F. Stur»' Lobensyeseh. : VLG. 4, S. 460— «5. —
10) X J. Minor, Leisewitz cd. R. M. Werner: ZOG. 42, S. 427. (Vgl. 0. Speyer: ASN.-^. 86, S. 817; WIDM. 69, S. 291.)
— II) Leisewitz, Jul. v. Tarent, her. v. A. Lichtenheld, s. o. I 7 : 47. — 12) X D. Or»b Gerstenbergs: HambCorr. N. 468.
— 13) eil ry Sander, E. Klavierphantasie v. K Ph. E. Bach mit nachträglich t. Oersteuberg eingefUgton Gesangsroelodien hi
2 vorschiodenen Texten: VMusikW. 7, S. 1—25. — 14) X C Qrottewit«, D. Dichter J. R. Lens nach soinor VorbMiiiiing t.
Weimar: LZg». N. 155. (Vgl. u. IV 9 b : 96) — 15) J. Froit«heim, Lenz u. Goethe. .Stuttgart, Dtech. ?erl«gs.%nst. VIIl. 132 S.
M. 2,50. |[0. Pniower: DLZ. 12, N. 41; C. Grottewitz: ML. 60. S. 640; S.: DR. «7, S. 214.]] (Vgl. u. IV 9b : »0» —
IV 4: 16-26. A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhunderts. 102
man in diesen Worten nicht eine Verstimmung Goethes über Lenzens Auszeichnung er-
kennen," Ebenso wenig haltbar ist die Behauptung, dass Groethe die Hand im Spiele
gehabt bei Lenzens Entfernung aus Strassbtirg im Zusammenhang mit der Hochzeit des
Frl. von Waldner. Mit der Ausnutzung des „Waldbruder", den F. ganz abdruckt,
wird die reinste Spiegelfechterei getrieben. Ebenso unerwiesen bleibt es, dass Einsiedel
Goethe wegen seines Benehmens gegen Lenz zur Rede gestellt habe. Einige Doku-
mente über Lenz als Vorleser (S. 33), ein Bericht seines Bruders über die Unter-
stützungen, die dem Kranken von Weimar aus zu teil wurden, der Anhang von Briefen
ßoederers , Lavaters und Lenz' werden in die Litteraturgescbichte hinüber gerettet
werden. — Einen Schildknappen hat Eroitzheim in P. Ealck^'^) gefunden, der Lenz'
„Anmerkungen über das Theater" panegyrisch als Offenbarung gegenüber der klassischen,
„das heisst antiquirenden" Periode der Litteratur preist und den Verfasser als „Pfadfinder
für Modernes" bezeichnet. Literessant ist eine bisher unbeachtete Briefstelle an Th.
Oldekop, Königsberg 18. Sept. 1770: „In der vorigen Woche las ich ßeichhardt meinen
Hofmeister vor. Es ist ein vaterländisches Stück wie der verwundete Bräutigam". —
R. M. Werner 1'') hat einen historischen Vorfall, der Läuffers Selbstentmannung ganz
ähnlich ist, aus einem Briefe Gülchers an Nicolai nachgewiesen, eine in religiösem
Wahnsinn verübte That des Rektors Reinbach zu Gemarke. Unmittelbarer Zusammenhang
ist jedoch nicht anzunehmen. — Ueber Lenz' Vater giebt Christian David, ein Nach-
komme der Familie ^^) Aufschlüsse, in denen sowohl seine höchst angesehene Stellung als
Superintendent in Livland wie die der anderen Söhne klar gelegt wird. Jacob war
für die religiös gesinnte Familie der verlorene Sohn, den sie vollständig von sich abzu-
stossen suchte. — Für H. L. Wagner i^) hat Froitzheim 20) einige biographische Daten
erbracht. Das Gedicht auf die Vermählung seines Freundes v. Türckheim bezieht sich
auf Johannes v. Türckheim, der am 2. Febr. 1778 heiratete, nicht auf Bernhard
Friedrich v. Türckheim, mit Elisabeth Schönemann am 25. August. F. weist Wagner
in der Strassburger Matrikel von 1760 ab nach; wegen seines Lebenswandels wird er
mehrfach mit Ermahnungen und Strafen belegt. Am 18. Sept. 1764 liess ihn sein Vater
nach Jena reisen, als ihn seine Gläubiger gar zu hart bedrängten; in der dortigen Ma-
trikel findet er sich nicht. Was F. aber hauptsächlich beweisen will: dass W.
preussischer Grenadier in Magdeburg gewesen, ist weder aus den Daten noch aus den
„preussischen Soldaten-Erinnerungen", die F. in den Gedichten erkennt, mit Sicherheit
erschliessbar. — Klingers^i) Bibliothek in Dorpat hat Meyer von Waldeck 22) durch-
mustert. Sie enthält viele Memoirenwerke, vier Shakespeare-Ausgaben und drei
Goethesche Schriften mit eigenhändigen Widmungen, so zur „Iphigenia": „dem edlen
ewigen Freunde Klinger unwandelbar Goethe. Weimar, 7. November 1825". —
Den von Goethe so freundlich begrüssten Elsässischen Volksdichter J. G. D.
Arnold 23) hat E. Martin 24) in einem Vortrage behandelt. Die erste elsässische Dialekt-
dichtung stammt aus dem Jahre 1687. Aus ihr entwickeln sich die Fraubasen-
gespräche; aber erst unter dem Einfluss Hebels und Voss' ersteht eine wirkliche
Dialektdichtung , deren Hauptvertreter Arnold ist. Seine Gedichte offenbaren
zunächst stark den Einfluss Schillers und Goethes. Der „Pfingstmontag" erschien
1816 zum ersten Male , wurde auch mehrfach gespielt. Manches ist allzu breit,
auch der Zusammenhang nicht recht übersichtlich. Das WesentKche der Handlung, die
Werbung eines fremden Jünglings um eine Strassburger Bürgerin, bietet eine gewisse
Analogie zu „Hermann und Dorothea". Ausgezeichnet ist die Charakteristik, der scharfe
Kontrast zwischen Deutschen und Franzosen. Das Werk ist ein Denkmal der Zeit und
der Sprache, ein lebendiges Idiotikon; meisterhaft ist der Alexandriner behandelt. —
Einen Frankfurter Dialektdichter führt Reuling24a) in Karl Malss, dem Direktor des
Frankfurter Stadttheaters, vor. Besonders gelungen ist sein Lustspiel „Der alte
Bürger- Kapitain oder die Entführung" (1821). Eine Familiengeschichte, flüchtig an den
„Richter von Zalamea" erinnernd, wird mit politischen Zügen aus dem Jahre 1814
verwoben. —
Ein Berliner dramaturgisches Journal aus der Zeit der klassischen
Litteratur hat L. Geiger 25) analysiert. Es umfasst die Zeit vom 1. April 1797 bis
29. April 1798. Vff. sind Friedr. Schulz, der Autor von „Firlifimini", und Nicolai
Sohn. Als erstes eigentlich theaterkritisches Berliner Blatt ist es eine achtungswerte
Leistung. Lessing steht im Vordergrunde, wenn auch „Emilia Galotti" nach dem
16) P. Palok, J.Lenz' Reformatorische Bedeutung in d. Litt: DUnaZg. N. 111/5. — 17) R. M. Werner, Zu Lenz' Hofmeister:
ZVLE. NF. 4, S. 113/6. — 18) E. L, Familiennotiz über J. M, B. Lenz: DK. 67, S. 154/7. - 19) J. V. W[idmann], H. L.
Wagners Kindermörderin: Bund N. 63/4. — 20) Froitzheim, Z. Jugendgesch. H. L. Wagners: StrassbPost N. 247. —
21) (IV 3 : 40.) - 22) F. Meyer v. Waldeck, In Klingers Bibliothek, s. o. IV 3 : 40a. - 23) X J- G. D. Arnold, D.
Pfingstmontag. Lustspiel in Strassburg. Mundart: Elsass. Volksschriften, Hft. 18. Strassburg, Heitz. XXI, 182 S. M. 0,80. —
24) E. Martin, Arnolds Pfingstmontag u. d. elsllss. Dialektpoesie. Vortr : Stras.sbPost N. 3:U. — 24a) Reuliug, Frankfurter
Dialektdichtnng: AZg. N. 91. - 25) L. Geiger, Berliner Dramaturgie 1797/8: YZg. N. 325. (Vgl. u. IV 5 : 72.) - 26) X
103 A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhunderts. IV 4: 27-8».
Muster F. Schlegels scharf mitgenommen wird. Goethe und Schiller werden tendenziös
ignoriert. Der echte Shakespeare wird gefordert, in Hinblick auf Schröders Hamlet-
bearbeitung. Wiener Possennichter wie Perinet, Vielschreiber wie Lafontaine erfahren
Zurückweisung, dagegen werden Lobeshymnen ftir Iffland und Kotzebue angestimmt.
Während die darstellenden Künstler ausführlich besprochen werden, erscheinen dramatur-
gische Fragen selten erörtert. Die Vff. fordern Volksbühnen und möchten für sie unbe-
suchte Kirchen zur Umwandlung empfehlen. Einen stattlichen Raum nimmt die Polemik
gegen Kritiker ein, besonders gegen jüdische, sowie gegen Böttiger und Tieck. — Unter
den Artikeln der ADB.20-30) verdient besondere Erwähnung die Arbeit von Walzel'»)
über Christ. Willi, v. Schütz (1770—1847). Sein rein formales Talent wird anerkannt.
„Lacrinias" ist eine Nachahmung des „Alarcos", unter romantischem Einfluss schreibt
er „Guiscardo und Gismunda". Schillers Nachahmer ist er in „Graf von Schwarzenberg"
und „Karl der Kühne". — Im Anschluss an seine noch nicht vollendete Biographie
hat Litzmann 32) clen Artikel über F. L. Schröder abgefasst. Er betont das Ve» dienst,
das Susanne Mecour um seine Entwicklung hat. Bei allem Schlendrian bleibt er bei
seiner Idee von der Grösse seiner Aufgabe. Als theatralischer Schriftsteller liefert er
meist Bearbeitungen 5^^'), nicht ohne litterarisches Verdienst, doch nicht bedeutend:
Iffland leistet da Besseres. — Schröders Bearbeitung des „Kaufmann von Venedig" hat
Hauffen34) im 16. Band der „Theatralischen Sammlung" (Wien 1791) aufgefunden.
Sie ist 1777 mit Beihilfe Gotters angefertigt worden. Auch sie charakterisiert das
Herabziehen ins Alltägliche. Jessica und Lorenzo sind gestrichen, ihre Erlebnisse
werden gelegentlich erzählt, die Handlung erscheint auf drei Tage eingeschränkt. Neue
Motive treten auf: dem Antonio, der als Bruder Bassanios figuriert, geht ein Kassier
durch. Schröder benutzt Eschenbarg, Wieland und Fischer. Seine Bearbeitung zählt
nur vier Akte, der fünfte ist einfach weggelassen und der Schluss gleich angeknüpft.
— Hauffen'*^) hat auch eine Uebersicht der vorzüglichsten Bühnenpraktiker der Zeit
mit passender Auswahl in Kürschners Nationallitteratur gegeben. Er charakterisiert in
der Einleitung das „niedre" Schauspiel 3^»). Gegen diese Bezeichnung hessen sich eben-
sowohl Einwendungen erheben als auch gegen H.s Ansicht, Stücke Bretzners und
Schröders wären noch auf der heutigen Bühne möglich. In der an O.Brahm angeschlossenen
Darstellung des Ritterdramas wird Paul Weidmann mit Franz Carl Weidmann ver-
wechselt. In richtiger Auslese unter den zahllosen Dramatikern giebt er Törrings
„Agnes Bernauer", Babos „Otto von Witteisbach", Henslers „Donauweibchen" (beide
Teile) und Bretzners „Räusehchen". Bei Hensler (mit falschen Geburtsdaten, vgl.
JBL. 1890 IV 4 : 99) wird ein hübscher Ueberblick über das Wiener Volkssttick gegeben,
die Bibliographie für Hensler (S. 186) ist unvollständig. Im zweiten Teile erscheint
Gemmingens „Hausvater" (1782, 3. Fassung). In der Einleitung heisst Flaischlens
Arbeit ein „Muster ihrer Gattung". Ferner Schröders ,, Portrait der Mutter", Ifflands
„Jäger" und „Hagestolzen", Kotzebues^sb-d) „Menschenhass und Reue", , .Indianer in
England", „Deutsche Kleinstädter". Den Beschluss macht CoUins^^) „Regulus"; warum
er hier angereilit wurde, begreife ich nicht recht. — Die dramatische Litteratur des aus-
gehenden 18. Jh. hat auch im vierten Bande des Grundrisses von Goedeke 3') zum Teil
Aufnahme gefunden. Manche Artikel, wie der § 230 über Geniewesen, von Sauer ausge-
arbeitet, der § 215, der einige Wiener theatralische Sammlungen verzeichnet, sind
geradezu neugeschaffen worden. Dagegen sind die Verzeichnisse der Wiener dramatischen
Autoren, die Bibliographien der Stephanies, Weiskern (so zu lesen für Weisker), Laudes,
Stranitzky, Prehauser recht dürftig ausgefallen. —
Aus Anlass des 100. Geburtstages Th. Körners ergoss sich eine wahre Sturm-
flut von Festartikeln, die sich nicht immer damit begütigten, den poetisch angelegten Jüng-
ling, der das für seinen Nachruhm unschätzbare Glück hatte, den verklärten Heldentod
zu sterben, und seine begeisterte und begeisternde Freiheitslyrik zu feiern, sondern auch
dem kindliclien Dramatiker überflüssige Zukunftshoroskope zu stellen versuchten. Ich
möchte sogar bezweifeln, dass er in Wien ein Bauemfeid geworden wäre, •vsde Schienther ^)
in seinem ausgezeichnet ruhigen Aufsatze fragend vermutet — Dem künstlichen Enthusias-
mus trugen auch die verschiedensten deutschen Bühnen durch Auffühnuigen, vor-
Benekc, Heinr. GotU. Sohmieder: ADB. 32, S. 20—30. — 27) X F. Pf äff, Fnns Jul. Borgias Schneller: ib. S. 165/7. —
28) X F. Kummer, Friedr. Aug. Schulze: ib. S. 768/9 — 29) X F- Brnmmer, Qust. Ant Frhr. t. Seckendorf: ib. 38,
S. 517/8. — 30) X id., Karl Sigm. Frhr. v. Seikendorft: ib. S. 518. — 31) 0. F. W»liel. Christ Wilh. ▼. SchOti : ib. S. 134/6.
— 32) B. Litimann. Friedr. Ullr. Ludew. Schröder: ib. 32, 8 606/12. — 33) X J- >Iinor. Brauns, D. SchrOdersche Be-
arbeitung d. Hamlet (vgl. JBL. 1890 IV 4 : 18 u. 1891 IV 7 : 39). ADA. 17. S. 175/6. - 34) A. Hanffen, Ueberd. SchrOder-
sche Bearbeitung d. „Kaufmann t. Venedig". Vortr. in d. Gesellsch. f. dtsch. Litt. lu Berlin (Bef.): DLZ. 12, N. 19. (TgL
BorlTKl. y. 19. Apr.) - 35) id., D.Drama d. klass. Periode: DNL. Bd. 138. 139, 1. 2. Stuttpu^ Union. XXIIV, 396, 385,
396 S. je M. 2,50. — 35a) X J- Edgar, D. bOrgerl. Schauspiel: DBtthneng. 20, S. 125/6, 133 4. — 35b) X Wie KotMbnes
Neigung fUr d. Schauspielkunst geweckt wurde: HambCorr. N. 240. — 35c) X Kotiebnes Briefe: ib. N. 104. — S5d) X A. Kotiebaa,
II casino di oampagna. Comedi in un atto. Nnora riduzione. Firente, C^chi. 1&'. 23 S. L. 0,16. — 38) X A. J. Weltner,
H. J. T. Collin. Z. 80. Todest. d. raterUnd. Dichters: Fremdenßl. N. 206. — 37) K. Goedeke, Grundriss s. o. IV 1 : 1. —
38) P. S[chlentherJ, Theodor Körner (= ThK.): VZg«. N. 38. — 39) X K.-Feier im Hamb. Stadttheater: HaabCorr.
IV 4: 40-103 A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhuaderts. 104
nehmlich des „Zriny" 39-41), in dem SpeideH^) das lokale und persönliche Element
schön hervorhob, und durch Festspiele ^3) Rechnung. Der Jubel ist verrauscht, und
übrig bleiben die Artikel, deren Masse wohl niemand vollständig überblicken kann ^^-os), —
Auch neue Ausgaben wurden veranstaltet. Ad. Stern 96) bringt im dritten Bande die
Fragmente 97-99) vervollständigt, so die Entwürfe: „Luther", „Themistokles", „Phrixus
und Helle", -r- Der verdienstvolle Peschel^oo) hat eine bibliographische Zusammen-
stellung der KörnerUtteratur geliefert. — Latendorf loi) tritt, nicht zum ersten Male,
der Glaubwürdigkeit E. Försters entgegen. Förster hat einen Brief Schleiermachers
gefälscht, ein Gedicht in Goethes Werken ruhig belassen, seine Begegnung mit Goethe
rhetorisch ausgeschmückt. Ebenso ausschmückend ist er mit Gedichten Körners hin-
sichtlich ilarer Datierung verfahren, auch mag ein oder der andere Brief durch Zusätze
erweitert worden sein. Doch gewinne ich nirgends die Ueberzeugung, dass Förster als
bewusster Fälscher zu brandmarken sei; auch ist des Vf. Ton allzu hitzig, und seine
Schlüsse aus der Stimmung der Briefe oder aus der Kürze der Zeit haben selten volle
Beweiskraft. Dass ein Deutscher Körner getötet hätte, wie der späte Bericht des
Schullehrers Schönborn andeutet, lässt sich wohl sicher zurückweisen ^^-). — Die wert-
vollste Gabe hat Brockliaus i^s) j^ seiner auch äusserlich formvollendeten Sammlung
von Briefen von und an Th. Körner gebracht. Neben zahlreichen Familienbriefen und
Jugendaufsätzen, kleinen Gedichten, finden sich auch litterarisch bemerkenswerte Stücke.
Ueber die Axifführung der „Toni" in Weimar 1812 schreibt Emma Körner: „Ich sehe Goethe
ordentlich, wie er sich in den Verzierungen derselben [der Dekorationen] gefallen, und es
muss Dir eine sehr angenehme Empfindung machen, dass ein Geist wie der seinige so
warmes Interesse an Deinem Produkte genommen." Caroline Pichler spricht am 18. Nov.
1812 über seine „Rosamunde". Von den zahlreichen Korrespondenten seien Castelli,
L. F. Huber, Cotta hervorgehoben. In Minna Körners Stammbuch findet sich Bode,
Bertuch, Herder, Elise v. d. Recke eingetragen. Die Anmerkungen orientieren zweck-
entsprechend. S. 177 wird der Nachweis geführt, dass Goetz in den „Geliebten
Schatten" in dem Briefe Schillers an Schwan vom 24. April 1785 aus Schwans Nach-
schrift den Satz: „Glücklich wäre Schiller mit meiner Tochter nicht gewesen" einfach
weggelassen hat. Im Anhange wird der Bericht, den Arnetli in dem für Freunde ge-
druckten Buche über die Beziehungen der Antonie Adamberger zu Körner nach ihren
Mitteilungen gegeben, dem grösseren Publikum zugänglich gemacht. Weisssteins An-
N. 672. — 40)XA. MUller-Guttenbrunn, TliK. in Wien: DeutschZg. N. 7083. — 41) X f*, D- K.feier im Hoftheater
(München) u. Berichte aus anderen Städten: AZg. N. 266/7. — 42) L. Speidel, Burgtheater. Zriny: NFPr. N. 9729. —
43) X G- Burchard, LUtzows wilde Jagd. E. dramat. Festsp. in 1 Aufz. Berlin, Fontan'>. 63 S. M. 1,00. |[Siegen:
BLU. S. 745.]| — 44) X B- Wöbbelin: KZg. N. 771. — 45) X A. W. Ernst, ThK. Z. lOOj. Geburtst. d. Dichters: Gegenw. 40,
S. 180|1. — 46) X K. Fellner, D. Dichter v. Leyer u. Schwert: NationB. 8. S. 793/4. — 47) X P- Franke, ThK.: LZgB.
N. 71. — 48) X B- George, ThK. e. dtsch. Dichterheld: Bär 17, S. 655/8, 672/4. - 49) X v. Hasenkamp, ThK.: KielZg.
N. 14505. — 50) X A. Hauffen, ThK. (= Samml. gemeinnUtz. Vortr. N. 159.) Prag, Ha-rpfer. 24 S. M. 0,30. |[J. Minor:
ADA. 18, S. 382 folg.; ML. 60, 8. 711/4.]| - 51) X Th. K., ThK: MagdebZg. N. 481. — 52) X K. Knebel, ThK. in
Freiberg: MFreibergAV. 27, S. 75/102. — 53) X A. Kohut, ThK. Sein Leben u. seine Dichtungen. Berlin, Slottko. X,
310 S. M. 4,00. j[A. Schröter: BLU. S. 110]j - 54) X id., ThK. in Berlin: VolksZg«. v. 20. Sept. — 55) X id., D. K.-
Museum in Dresden: Sammler 13, S. 136-40. — 56) X id., ThK.s Braut. E. Gedenkbl. z. ThKFeier: FremdenBl. N. 255. —
57) X E. Kreowski, ThK. Zu s. 100. Geburtst.: MUnchNN. N. 427. — 58) X G. Kreyenberg, ThK. Festschrift z.
100 j. Geburtst. Mit Bildn. u. Abbild. Dresden, Ehlermann.V, 71 S. M. 2,40. |[LZg. N. 215; DLZ. 12, N. 39.]| — 59) X
Kreyenberg, ThK.s Yater : Grenzb. 3, S. 557-68. - 60) X M. Landau, ThK. in Italien: AZg. N. 267. - 61) X E.
Lehmann, Familie K. in Dresden. Z. Gedächtn. an ThK.s 100. Geburtst. Dresden, Röhler. 39 S. M. 0,50. — 62) X P-
Lemmormayer, ThK.: WienLZg. N. 11. — 63) X F. Mauthner, Z. Körner-Tag: ML. 60, S. 618-20. — 64) X F- Mus-
oogiuri, ThK. Nel I. Centenario della sua nascita. Firenze, Nicolai. |[M. Landau: AZg**. N. 267.]| — 65) X M.
N(ecker), ThK.s Braut: Grenzb. III, S. 276—83. — 66) X K. Pröll, TtiK.: KielZg. N. 14494. [[FräukKurier. N. 472a.]| —
67) X Kogge, Körner-Litt: LZg. N. 216. — 68) X W. Schimmelbusch, Körnertago: Didaskalia N. 222, 225, 227, 229, 231.
— 69) X W. Schulze u. K. Wicklein, Z. 23. Sept. ThK. 15 Scliulgesänge. Nebst e. Biogr. u. e. Ausw. d. Gedichte.
Berlin, Oehmicke. 36 S. M. 0,25. - 70) X b. Seuffert, ThK.: GrazTBl. N. 23. - 71) X Ad. Stern. ThK. (z. 23. Sept.):
FZg. N. 266. — 72) X E. Straeter, ThK. zu s. 100. Geburtst. v. 23. Sept.: Post v. 22. Sept. — 73) X tz., Körnerfeier in
Zobten-Rogau: SchlesZg. N. 666. - 74) X A. V., ThK.: ib. N. 663. — 75) X T. V., Schiller u. Körner: AZg. N. 312/3. —
76) X W. .Urban, ThK: VolksZg. N. 221. — 77) X van der Velde, ThK.: SchlesZg. N. 663. — 78) X »• W., Original-
radierungen ThK.s: Sammler 13, S. 118. — 79) X v. W., E. SSnger u. e. Held (ThK.): SchwabKron. v. 23. Sept. — 80) X K.
Weinhold, Z. Erinn. an ThK.: AZgB. N. 222. - 81) X M. W[idmann], ThK.: Bund S. 262. — 82) X E. Wolff, Z. lOOj.
Geburtst. ThK.s: HambCorr. N. 669. — 83) (IV 1 : 30.) — 84) X ThK.: FZg. N. 190, 265, 266, 272. - 85) X Zu ThK.s Ge-
burtst.: Grenzb. III, S. 622/4. — 86) X E. italienische Körnerbiographie: HambCorr. N. 792. — 87) X ThK.: DeutschZg.
N. 7143. — 88) X Kranz-.Spende auf ThK.s Grab: HambCorr. N. 637. — 89) X E. Ms. ThK.s: DDichtung 10, S 204/7. —
90) X Siu ThK.s 100. Geburtst.: ib. S. 291/4. — 91) ThK. Zu s. 100. Geburtst.: FremdenBl. N. 250. — 92) X ThK. E Erinn.
z. 100. Wiederkehr s. Geburtst.: NorddAZg''. N. 38. — 93) X Festschrift anlässlich d. K.-Kommersos d. dtsch.-nationalen
Studentenschaft Prags am 17. Okt. Prag, Dominicus. 18 S. M. 0,60. — 94) X Vaterländische Erinn. ThK.: NorddAZgS.
N. 38. — 95) X Zu K.s 100 j. Geburtst.: StrassbPost N. 264.—- 96) ThK. Werke, her. v. Ad. .Stern: DNL. 146, 152 in 3 Tln.
Stuttgart, Union. (1890.) XXXII, 383; X, 443; VI, 402 S. je M. 2,50. — 97) X ThK. Sämtl. Werke. Illustr. Prachtausg.
Her. V. H. Laube. 36 Lief, Wien, Bensinger je M. 0,50. — 98) X ThK. Sämtl. Werke. 4 Bd. Stuttgart, Cotta. 211,
211, 252, 291 S. je M. 2,00. — 99) X ThK.s Werke. 2 Bde. Berlin, Friedberg u. Mode. VIII, 296; V, 530 S. M. 3,00. —
00) E. Fesch el , K.-Bibliographie z. 23. Sept. zusamraengest. Leipzig, Ramm u. Seemann. 53 S. M. 1,50. — 101) P.
Latendorf, Friedr. Försters Urkundenftlschgen z. Gesch. d. J. 1813 mit besonderer Rücksicht auf ThK.s Leben u. Dichten.
Poesneck, Latendorf. 89 S. M. 0,60. |[AZg". N. 272; Grenzb. IV, S. 197/8; J. Minor: ADA. 18, S. 382]|. — 102) Schilderung
V. ThK.s Tod, aus d. J. 1842: SchwäbMerkur v. 26. Sept. (Vgl. SchwabKron. v. 7. Okt.) — 103) K. Brock haus, ThK. Z.
105 A. V. Weilen, Drama des 18./1^. .Tnbrhuiirlfirts. IV 4: 1(H-128.
zeige, die auf Anklänge eines Körnerbriefes an Goethes (J.ssianübersetzung aufmerk-
sam macht, teilt auch ein Billet Antoniens an H. von CoUin mit (6. Sept. 1808). —
Straeterio*) veröffentlicht Briefe Körners zumeist an seinen Freund Karl Schmid,
aus Freiberg, Leipzig, Berlin usw., die meist im studentischen Tone gehalten sind.
Er bittet wiederholt um Volkssagen ; „Axel und Walburg" von Oehlenscliläger ist ihm
eine der schönsten Blüten neuerer Poesie. Aus Wien schreibt er am 4. Okt. 1811:
„Fleissig bin ich gewesen. Mehrere Opern, Lustspiele und Gedichte sind meiner Feder
entflohen. Ein Konradin von Schwaben soll mein erstes grosses Werk sein, auf das ich brav
losstudiere." Von Wien ist er begeistert: „Fünf Theater sind hier, drei davon vor-
trefflich. Welche Gegend, welche Mädchen!" Enthusiastisch lauten die Briefe über «eine
Braut. „Goethe hat mir recht väterlich und freundlich über meine Arbeiten geschrieben
und- mir grosse Hoffnungen erregt." Er bricht ab: „Was soll das dumme schreiben,
wenn die Herzen zusammenschlagen und ihren Donner durch das Weltall jauchzen!"
(16. März 1812.) — An die Berliner Zeit und die Verbindung mit der Familie Parthey
knüpfen vier Briefe aus den Jahren 1811 und 1812 an, die F. Jonas ^^) zum ersten Male
vollständig publiziert. — Den „Zriny" untersucht Bisch o ff i"«) auf seine Quellen. Er
macht die Berichte des Ortelius und Badena in erster Linie namhaft, auch Hormayrs
Biographie Zrinys erscheint benutzt. Von früheren Bearbeitern hat Werthes (17fX)), be-
sonders für die Frauengestalten und Liebesscenen, und Pyrker (1810) Einfluss gehabt.
Bei hübsch beobachteten Einzelheiten fehlt B. jeder Ansatz zu allgemeinerer Betrach-
tung und Charakteristik; die Berührungen mit Schiller sind ganz unvollständig ver-
zeichnet. Auch eine holländische Bearbeitung des Körnerschen Dramas wird erwähnt
Für Körners Lustspiele wäre wohl auch auf den Einfluss des beliebten Hutt liinzu-
weisen. S. 15 erhält Körners grosse Fruchtbarkeit Lobsprüche. Beachtenswert ist die
Zusammenstellung des ungedruckten Nachlasses im Körner-Museum. — Dass die „Berg-
knappen" in Karlsbad 7. — 10. Juli 1811 gedichtet sind, hat PescheU^T) festgestellt. —
Eine Charakteristik H. von Kleists 108-112) hatGnadn^) in populärer, wirksamer
Darstellung entworfen. Sehr hübsch sucht er die Peitsche im „Käthchen" zu recht-
fertigen, indem er in dem Aufbrausen des Gemütes eine Wallung sieht, die ebenso wie
im „Prinzen von Homburg" plötzlich in den Vordergrund tritt. Die „Hermannsschlacht"
macht ihm den ungetrübtesten Eindruck von Kleists Werken. — Aus der Dresdener
Abendzeitung von 1823 citiert Klee"*) eine äusserst unfreundliche Besprechung der
Weimarer Aufführung des „Prinzen von Homburg" vom 4. Sept. 1823. — Eine Stellung
zu seiner Zeit hatte Kleist, nach Rifferts^^) Ansicht, überhaupt nicht, weil sie ihn
nicht beachtete. Ich kann nicht finden, dass Goethes ungenaue Titelangabe „Der
Wasserkrug" etwas Verächtliches in sich schliesse. — Elchmann i^'^) versucht die
Konjektur Sprengers „blosses Hemd" (JBL. 1890 IV 4 : 27) diu-ch Hinweis auf v. 150
des „Guiscard" zu stützen, wo ebenfalls „blosses Hemd" steht, und bestätigt die Inter-
punktion in der „Hermannsschlacht" I, 3 v. 251. — Der Ausdruck, „Helmstvu-z" im
„Käthchen" I, 1 wird von Döhler^i^) richtig als „Visier des Helms" erklärt. —
Sprenger 11**) entdeckt in der Sprache Kleists manche niederdeutsche Elemente, —r
Unter den Dramatikern der Ne\izeitii9-i2ia) jgt hier zuerst Holtei zu nennen;
sein beliebtes Lustspiel „Sie schreibt an sich selbst" ist nach Mitteilung A. Rosensi22)
auf dem Wege fiber ein französisches Lustspiel aus dem polnischen Stücke des Grafen
Fredro „Mädchengelübde" hervorgegangen, ähnlich wie das „Original-Lustspiel" der
Hedwig Dohm „Vom Stamme der Asra" aus dem Stücke „Aus Liebe sterben" von
Marie Saphir (Alexander Bergen) entstand, das wieder seinen Ursprung in einem eng-
lischen Drama hat. — Gutzkows „Uriel" ist von Back 123) jn seinen liistorischen Grund-
lagen gezeichnet worden. — Sein Drama „Werner oder Herz und W^elt", verwandt
23. Sept. (Samml. v. Briefen v. ii. »n K.) Leipzig, Brockliaus. 4«. 198 S. M. 12,00. l[Chuquet: BCr. 82, S. .513/4; BLÜ.
S. 588—90; C. Fr.: LZg». N. 108; G. Weis.stein: NZr. N.525; J. Minor: ADA. 18, S. 381.]i — 104) E. Stmter. Freundes-
briefe 7. ThK. Neue ungedr. Briefe an Kart Schmid: Post v. 8. u. 10. Man. — 105) F. Jonas, ThK.8 Beziehungen tu
Berlin: VZgS. N. 50. — 106) H. Bisch off, ThK.s , Zriny" nebst e. allgem. UeberMcht über ThK. als Dramatiker. Leip«ig,
Fock. 90 S. M. 1,50. |LML. 60, S. 736; Qronzb. IV, S. 193; J. K.: LZg". N. 116; J, Minor: ADA. 18, S. 383.]i — 107) B.
Posohel: NFPr. t. 24. Apr. — 108) X H. v. Kloist. Ges. Schriften. Her. v. L. Ticck, rer., ergänrt u. mit Einl. vers. t.
J. Schmidt. Neue Stereotyp-Ausg. 2 Bde. Boriin, Reimer. XVI, 433, 644 S M. 3,00. — 109) X H. v. Kleist, Hermanns-
schlacht, her. V. K. Windol, s. o. I 7 : 41. (dUrtlig.) — 110) X R- Sprenger. Zu Kleists Prinzen t. Homburg: ZDU. 5,
S. 133, 207. — III) X R- Sprenger, Zu Windeis Ausg. t. Kleists Hermannsschlacht: ZDU. 5, S. 483. — 112) X E- BUl«* H-
V. Kleists: DDichtung 9, S. 253/4. — 113) E. Onad, H. t. Kleist: Litt. Essays 2. verm. u. Tsrb. Aufl. Wi. n, Konegen,
\I, 375 S. 5,00 M. .S. 301—35. |[0. F. Walzel: AZg". N. 292.]! — IM) G. Klee, Urteile über d. Primen t. Homburg n. Grill-
parzers Sappho: ZDU. 5, S. 419—20. — 115) J. Riffe rt, H. v. KleisU zeitgenössische Stellung. E. Gedenkbl. zu d. Dichters
Xodest.: LZg^. N. 139. — 116) G. Elchmann, Zu Kleists Robert Guiscard. Zu Kleists Hermannsschiacht: ZDU. 5, S. 131.
- 117) H. Döhler, Zu Kleists Käthchen 1,1: ib. S. 60. -118) R. Sprenger, Z. Sprache H. v. Kleists: ib. S. 133. - 119) X
R. Benodii, Haustheater. Samml. kleiner Lustspiele fUr gesellige Kreise. Bd. 1. 10. Aufl. Leipzig, Weber. VIII, 572 S.
W. 6,Ü0. — 120) X A. E. Brachvogel, Narciss. E. Tranersp. 7. Aufl. Jena, Costenoble. XVI, 80 S. M. 1,20. — ßl) X D-
Kaiisch, Doktor Peschke odfcr Kleine Leute. Posse mit Ges. in 1 Aufz. mit Benutz, d. Javetier: ÜB. N. 2838. Leipzig, Reclam.
40 S. M. 0,2«. — I2la) X Dantons Tod v. G. Bttchner: ML. 60, S. 134. (Notiz über Verurtei untt d Bed. Köster wegen Abdrucks.) —
122) A. Rosen, Lust piele u. ihre Schicksale: NFPr. N. 9607. — l23)o.Back, Elischaben Abbja-Acher, quelleumSss. dargest. Frank-
IV 4: 124-132. A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhunderts. 106
der „Stella", ist von Heibig ^24) in einer oberflächlichen Studie über das Problem des
Grafen von Gleichen in der Litteratur erwähnt. — Die Mitteilungen, welche Rodenberg i^s^
aus Dingelstedts Nachlasse machte, sind bereits (JBL. 1890 IV 14 : 53) gewürdigt
worden, Freundestreue hat sich hier über das Grab hinaus bewährt. Der allzu liebe-
vollen Charakteristik Hessen sich, wie A. von Weilens Anzeige andeutet, wohl dunklere
Lichter beimischen. Der Dramatiker Dingelstedt kommt wiederholt zu Worte, so schon
in seinen Tagebuchnotizen von 1826: R. bespricht das verschollene Drama „Das Ge-
spenst der Ehi'e" (I, S. 155) mit Beifügung von eigenen Bemerkungen des Dichters, die
Travestie der „Genoveva" Tiecks vom Jahre 1846; II, S. 95 werden interessante dra-
matische Entwürfe Dingelstedts mit Randbemerkungen Ed. Devrients und Hackländers
mitgeteilt; II, S. 194 der Prolog zur Bearbeitung des ,, Wintermärchens". — Eine Bio-
graphie des talentvollen, aber zerfahrenen Rob. Giseke hat GottschalP^e^ gegeben.
In allen seinen Dramen zeigt sich entschiedene Kraft. — Sein Drama „Johann Rathenow,
der Bürgermeister von Berlin" (1854), nach W. Alexis gearbeitet, fehlt in der frag-
wüi'digen Studie Friedrichs ^27) über HohenzoUerndramen. Der Vf. meint, dass wir
uns für Dramen des Mittelalters nicht erwärmen können ; erst von 1492 ab können vater-
ländische Dramen stofflich fesseln. Im ,,Philotas" „verewigte" Lessing E. v. Kleist.
Die Besprechung der Dramen Reinhards, Rambachs, Fouques usw. ist höchst oberfläch-
lich. An Kleists „Prinzen von Homburg" wird getadelt, dass ein somnambuler Prinz
statt eines verwegenen Reitergenerals erscheint. —
Die reichste Gabe des Berichtsjahres hat Ad. Stern ^28^ im Verein mit Erich
Schmidt durch die Gesamtausgabe Otto Ludwigs ^28a) (Jem deutschen Vaterlande beschert.
Im ersten Bande entwirft Stern auf Grundlage sorgfältigster Studien ein lebensvolles bio-
graphisches Bild, das uns zum ersten Male die Entwicklung des zwischen Musik und
Dichtung schwankenden Geistes wiedergiebt. ^29) Auszüge aus den Tagebüchern, per-
sönliche Erinnerungen in reicher Zahl geben der Arbeit einen besonderen Wert. Ftir
die ausgeführten Dramen im vierten Bande konnten die Hss., die jetzt die ihrer
würdige Stätte im Goethe-Schillerarchiv gefunden haben, zum Teil verglichen werden.
Verv^oUständigt werden die Mitteilungen aus den Vorarbeiten zu den ,,Makkabäem".
Zum ersten Male gedruckt erscheint „Hans Frei", Ludwigs älteste dramatische Arbeit.
So gut wie unbekannt geblieben war „Die Rechte des Herzens". Den „Scherbenberg",
die dramatischen Fragmente im fünften Bande, hat Schmidt mit einer Einleitung be-
gleitet, die einen Einblick in die Werkstatt des Dichters sowohl wie in die Mühen des
Herausgebers bietet. Ein ruheloses Umschaffen tritt als das Merkmal Ludwigscher
Arbeitsweise zu Tage. Aus den Tagebüchern lassen sich Pläne wie ,, Christus" u. a. ent-
nehmen. Abgedruckt ist das bekannte Vorspiel ,,Die Torgauer Heide", ferner „Der Jacobs-
stab", „Der Engel von Augsburg", ergänzt durch das neuentdeckte Bruchstück von 1859,
,, Genoveva", „Marino Falieri", „Die Freunde von Imola", ,,Die Kaufmannstochter von
Messina" und „Tiberius Gracchus". Einen Beitrag dazu bietet der sechste Band mit Be-
merkungen über dramatische Pläne, wie zum „Tollen Heinrich" (S. 244), ,, Marino Falieri"
(S. 238), „Tiberius Gracchus" (S. 244). Ludwigs Gespräche mit Lewinsky, zuerst in Edlin-
gers Litteraturblatt abgedruckt, hier aber erweitert, sind eine ebenso willkommene Bei-
gabe wie des Dichters Briefe an Ed. Devrient, Gutzkow, Julian Schmidt und Auerbach,
welche zahlreiche Bemerkungen zu den dramatischen Werken enthalten. Das Verdienst
Sterns, den fünften Band, die kritischen Schriften, in erster Linie die Shakespeare-
Studien, sozusagen neu geschaffen zu haben, kann hier nur kurz hervorgehoben werden.
Besonders seien auch auf einige interessante Besprechungen aufmerksam gemacht: Törrings
„Agnes Bernauer" (S. 342), „Waise von Lowood" (S. 351), Wolfsohns „Zar und
Bürger" (S. 362 vgl. 6, S. 373) und besonders der Ebner „Maria von Schottland" (S. 374).
— Jedenfalls hat diese Meisterausgabe ein ganz anderes Verdienst um Ludwigs Andenken
als zwei Versuche, die unabhängig von einander gemacht wurden, das „Fräulein von
Scudery" für die Bühne zu gewinnen. Besonders verfehlt ist E. von Wildenbruchs i'^*)
Gedanke, den Goldschmied im dritten Akte plötzlich wieder aufleben zu lassen, während
sich W. Buchholtz 1^2) begnügt hat, d-en fünften Akt teilweise bei Seite zu schaifen. —
fürt a. M., KanfPmann. 37 S. M. 1,00. - 124) P. Heibig, Z. Gesch. d. Problems d. Graf. v. Gleichen: ML. 60, S. 102/5, 120/2, 136/9.—
125) F. Dingelstedt, Blatter aus seinem Nachl. Mit Randbemerkungen v. J. Rodenberg. 2 Bde. Berlin, Gebr. Paetel.
Vn, 215 u. V, 242 S. M. 8,00. |[W.ßr.: ÄZg«. N. 243; H. S.: BLU. S. 492; A. v. Weilen: DLZ. 13, N. 34.] | - 126) R.v. Gott-
schall, Robert Giseke: SchlesZg. N. 52. — 127) Friedrich, Über HobenzoUom-Dramen. Progr. d. Real.jmn. Potsdam.
40. 16 S. — 128) Otto Ludwig, Ges. Schriften. 6 Bde. (Her. v. Ad. Stern u. Erich Schmidt.) Leipzig, Grunow.
319, 322, 648, •i68, 411, 549 u. 460 S. M. 28,00. |[G. E[lling6r]: NZg. v. 21. MHrz; HambNachrS. N. 6 ; AI. Reif ferse heid:
DWBl. 4, S. 252; SchwabKron. v. 25. März u. 22. Aug.; DeutschZg. N. 7009; Bund N. 272/3; A. Sauer: DLZ. 14, N. ll.]| —
128a) X A. Qoldschmidt, Otto Ludwig: Zeitgeist N. 11. — 129) X Ad. Stern, Otto Ludwig'in Leipzig: Grenzb. I,
8 3118 u. 81-90. — 130) X E. Schmidt, Über Otto Ludwigs dramatische Entwürfe. Yortr. (Ref.): VZg. N. 195. (ML. 60,
S. 259—62.) — 131) Otto Ludwig, D. Fräulein v. Scud6ry. Schausp. in 4. Aufz. bearb. v. E. y. Wildenbruch. | [ 0. Brahm:
FrB. 2, 8. 71; L. Hevesj: FremdonBl. N. 6; Harden: Gegenw. 39, S. 61/3; FZg. N. 7; M. Kont: Nation^. 8, S. 269;
M. Bernstein: MOnchNN. 44, N. 17; L. Speidel: NFPr. N. 9475.j| — 132) D. Fräulein v. Scudöry. Schausp. in 4 Aufz.
107 A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhunderts. IV 4: I88-155.
Lassalle als Dramatiker ist ein Aufsatz E. Bernsteins*''*) gewidmet. In
einem Briefe vom H. März Iböü spricht er sich tiber seinen Plan „Franz von Sickingen"
aus; es sei ein Stoff, der ihn bei der Lektüre Huttens mit unwiderstehlichem Zwange
zur Bearbeitung hingerissen. Ein grösserer Aufsatz, nur für Freunde bestimmt, zeigt,
wie unmittelbar er durch das Drama in die bewegenden Fragen der Zeit eingreifen
wollte. Sickingen ist der scheinbar kluge Revolutionsführer, der die geistige Bewegung
auszunutzen versteht und immer mit den vorhandenen Mitteln rechnet. So steht er
Hütten im dritten Akte unendlich überlegen gegenüber; aber mit dieser Einschränkung
hat er auch zugleich die Grösse der Idee aufgegeben und muss unterliegen. „Die
meisten Revolutionen sind au dieser Klugheit gescheitert. Die grosse iranzösische Re-
volution von 1792 siegte nur dadurch, dass sie verstand, den Verstand beiseite zu
setzen." Eine solche Verschuldung des Helden, die zugleich sittlich und intellektuell
ist, scheint bei Lassalle den tiefsten tragischen Konflikt zu bilden. Im fünften Akte er-
kennt Sickingen seinen Irrtum und schreitet zur sühnenden That. „Mit einem Fuss-
tritte seine diplomatischen Bedenklichkeiten und Listen hinwegschleudemd, spielt er sich
und das Land jetzt auf Schwertesspitze. Aber nun ist es zu spät und muss es, der
tragischen Idee nach, zu spät sein." In der grossen Scene des fünften Aktes steht
Balthasar dem Sickingen ebenso überlegen gegenüber, wie dieser im dritten Akte Hütten. —
Geibel als Dramatiker findet in einer überaus sorgsamen, von reicher Litteratur-
kenntnis des Vf. zeugenden Studie Andraes ^^*) über den Sophonisbestoff Erwähnung
und besondei'e Anerkennung. — Hans Herrig 136) hat einen orakelnden Apostel in
Fokke 136) erhalten. Für F. spiegelt sich in Herrig der ganze Geist der Zeit ab, der
sich in der Versöhnung der uns aus der Vergangenheit überkommenen Gegensätze
charakterisieren soll; Ibsen '37-138^ dagegen und seine Nachbeter treiben in Deutschland
„Zolaismus". Der Vf bespricht die Epen „Die Schweine" und „Der dicke König", die
Dramen „Nero", ,, Jerusalem", „Der Kronprinz Alexander", die nationalen Stücke
„Konradin", ,, Friedrich Barbarossa" und den ,,Columbus". — Ein neues Trauerspiel
J. V. Widmanns analysirt H. Feuerbach 139). Er bezeichnet die Verknüpfung der
Philoktetsage mit der Oenonesage als freie Erfindung des Dichters; da ist ihm aber
jedenfalls A. Frh. v. Berger in seinem einaktigen Drama „Oenone" schon längst voraus-
gegangen. — E. Wiehert ist zu seinem 60. Geburtstage von vielen Seiten sympathisch
begi'üsst worden 1*0— 143). — Wildenbruchs i^*) „Neuer Herr^' wurde von Tschirch^^^)
und G. Winter 14^) auf seine historischen Grundlagen untersucht. — Aus den
Artikeln der ADB., welche sich mit d'eutschen Dramatikern der Neuzeit beschäftigen i*'-***),
istrülim.end die Biographie Ludwig Schneiders von Wippermann i^o) herauszxxheben. —
Aus dem Kreise Bäuerles stammen einige von Schlossar i^i— 1^3) behandelte
österreichische Dramatiker: C. J. Schröckinger, den der Vf. in Uebereinstimmung
mit Goedeke als höchst begabten Bühnendichter schildert, und Andreas Schumacher,
dessen dramatische und besonders theaterkritische Thätigkeit noch eingehendere Beachtung
verdienen würde. Dasselbe gilt auch von J. G. Seidl, der allerdings für das Theater
eine geringe Bedeutung hat. Ein durch die politischen Verhältnisse unterdrücktes Talent
ist Tobias Gottfried Schröer (Oeser), dessen grosse Begabung für das Lustspiel Brum-
mer 154) hervorhebt. —
Zum Briefwechsel Halms undEnks von der Burg bieten die von Schachingeri^)
vorgelegten Briefe des letztgenannten an Ferd. Wolf eine willkommene Ergänzung. Enk
urteilt über Halm: ,,Erst so lange ich an der Entschiedenheit seines Talents und Kunst-
berufs zweifelte, war er mir sehr gleichgültig. Später hat er sich mir als sehr zuver-
lässig gezeigt, ich habe jetzt eine Verpflichtung gegen ihn, und sein Talent ist entschieden.
Eins braucht er noch, Sicherheit — und Reflexionstiefe eines grossen Schmerzes bedürft«
er oder einer ernsten Leidenschaft Und bald! Weiss Gott, ich würfe ihn der Kunst
zuliebe hinein, bis nahe ans Aufhängen." Viel wii'd mit Wolf über die Lope-Studien
verhandelt. —
V. 0. Ludwig. Neu bearb. fUr d. Btthne t. W. Buohholz. |[M. Bernstein: MOnohNN. N. 17; KZg. N. 30.]1 — BS)
E. Bernstein, Lassalle über d. Grundidee s. „Franz r. Sickingen": NZeit 9, II, S. 588 — 97. — 134) A. Andrae, Sopbonisbe
in d. franz. Litt, mit BerOcksicbt. d. Sopbonisbe-Bearb. in anderen Litt.: ZFSL. Snppl.-Hft. 6. Berlin, Oronaa. 114 S. M. 3,00.
— 135) X H. Herrig, Ges. Scbriften. Bd. 1. Luther. E. kirohl. Festp. 21. Aufl. Berlin, Lnckhardt XIV, 82 S. M. 1,80.-138)
A. Fokke, Über H. Herrig. Progr. Wilhelmshaven. Emden, Haynel. 40 S. M. 0,75. — 137) X O 6- Brandes. H. Ibsen
u. seine Schule in Deutschland: FZg. 1, 4, 10, 15. — 138) X Eugen Wolff, Sardou, Ibsen u. d. Zukunft d. dtsch. Dramas.
(= Dtsch. Schriften für Litt. u. Kunst. Hft. 1.) Kiel, Lipsins & Tischer. 40 S. H. 1,00. ][BLU. S. 542.]| — 139) H. Feuerbach,
E. neues Trauerspiel: AZg. N. 145. — 140) X E. Wiebert als Theaterdichter: DBUhneng. N. 11. — 141) X F. t. Zobeltitx,
E. Wichort. Zu s. 60. Geburtst. 11. Hftrz: ML. 60, S. 164/5. — 142) X £• Rosen feld, E. Wiehert E. GedenkbL zu seinem
60. Geb.: Didaskalia N. 58. — 143) X 0. Neumann-Hof er, E. Wiehert. E. Gruss xu seinem 60. Geb.: BerlTBl. r. 10. Xlrx.
— 144) X Pahncke, Wildenbruch als Dramatiker: DEBU. 16, S. 113, 172. — 145) 0. Tschiroh, ,D. neue Herr'. E. hiat
Studio: BerlTBl. v. 10. Apr. — 146) G. Winter, „D. neue Herr" auf seiner gesch. Grundlage: ÜZ. I, S. 227—38. — 147) X
Hackermann, G. J. W. Schnitter: ADB. 32, S. 75. — 148) X F. BrUmmer, Bemh. Scholl: ib. S. 227,'8. — 149) X id.,
Wilh. Schumacher: ib. 33, S. 38/9. — 150) H. Wippermann, Ludw. Schneider: ib. 32, S. 134-42. — 151) A. Schlossar,
C. J. Schröckinger: ib. S. 501/2. — 152) id., Andr. Schumacher: ib. 33, S. 29—30. — 153) id., .loh. Gab. Seidl: ib. S. 633 9.
— 154) F. Brttmmer, Tob. tiottfr. Sohröer: ib. 32, S. 551/3. — 155) R. tiehaohinger, U. Enk t. d. Barg an Ferd. WolL
IV 4: 156-168. A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhunderts. 108
Die Veröffentlichung von Hebbels Briefwechsel hat noch andere Arbeiten nach
sich gezogen 166-158). Gr. Karpeles 1^9) hat im Anschluss daran das Verhältnis Hebbels
und Heines gezeichnet. Auch so grundverschiedene Naturen begegnen sich, besonders
in der Auffassung der Judith, wie Heines Interpretation eines Gemäldes von Horace
Vernet zeigt. Hebbels Freundschaft steigt und sinkt, je nach der Anerkennung, die
ihm Heine zollt; sie vereinen sich im Hass gegen Gutzkow. K. hat eine Stelle aus
einem Briefe Heines an A. Meissner in seiner Ausgabe des Heineschen Briefwechsels
wegen eines allzu schroffen Urteils über Bamberg unterdrückt. Auch die Politik gewann
für Hebbel eine poetische Seite, wie seine Artikel für die Augsburger Allgemeine
Zeitung beweisen i^'O). Er sollte Redacteur der Wiener Donavizeitung werden; er war
der Sprecher der Deputation, die 1848 dem Kaiser in Innsbruck die Adresse der
Stadt Wien überreichte. Immer schrieb er enthusiastisch für die Verbindung Oester-
reichs und Deutschlands und trat den slavischen Sonderbestrebungen entgegen. — Einer
neuen Ausgabe der Werke Hebbels durch Krumm i^i) weist R. M. Werner grobe
Fehler in der Textgestaltung nach. — Eine persönliche Begegnung mit Hebbel schildert
S. Schlesinger 162) sehr anziehend, der als junger Bursche ein mit Nissel gemeinsam
verfasstes Trauerspiel dem Dichter überreichte. Hebbel erklärt eine dramatische Compagnie-
arbeit für ebenso unmöglich, wie dass sich zwei Männer zusammenthun könnten, um
ein Kind in die Welt zu setzen. — Hier möge auch ein Aufsatz M. Burckhards i^"^)
über die modernen Bearbeitungen der Sigfriedsage Erwähnung finden, der Raupach,
Geibel, Hebbel, Wilbrandt, Jordan und Wagner höchst oberflächlich im Gymnasiasten-
stile mit allerlei allgemeinen Moralisationen behandelt. —
Zwölf Bände Nestroy! 16*-165) Drei Bände Raimund! i^e-ies) Schon diese Zu-
sammenstellung lässt Bedenken gegen eine in diesem Masse durchgeführte Veröffent-
lichung der Nestroyschen Dramen natürlich erscheinen. Eine Volksausgabe konnte
schon wegen des solchem Umfange entsprechenden Preises nicht geschaffen werden,
und dem Kenner erwächst aus der von den Herausgebern allzu eilfertig
unternommenen Arbeit nur die volle Ueberzeugung, dass die überwiegende Mehrzahl
von Nestroys dramatischen Arbeiten Dutzendproduktionen sind; er wird der eintönig
wiederholten Situationen, des aus der sichtbaren Ferne sich nähernden Wortwitzes herzlich
müde. Einzelne zu ihrer Zeit ganz abgefallene Possen, von denen der Autor selbst nie mehr
etwas wissen wollte, werden da vor den kritischen Richterstuhl der Nachwelt gestellt,
während doch eine Reihe Nestroyscher Arbeiten in dieser „Gesamtausgabe" nicht zu finden
sind. So z. B. der „Tod am Hochzeitstage", „Moppels Abenteuer"; andererseits ist die Zu-
gehörigkeit eines Stückes wie ,,Der gemütliche Teufel" sehr zweifelhaft. Und wo bleibt
die ausgezeichnete Tannhäuserparodie? Ein Prinzip für die Anordnung existiert nicht;
bunt sind die Stücke durcheinander geworfen, sogar die Jahreszahlen sind nirgends
beigesetzt. Eine Auswahl hätte hier bessere Dienste geleistet, so interessant und
dankenswert auch manches erscheint. In letzter Stunde ist Neck er eingetreten, um die
versprochene Biographie für den zwölften Band zu liefern. Mit diesem Umstände muss
man rechnen, um das Geleistete anzuerkennen. Dass N. untersuchen kann, zeigt
die vortreffliche Besprechung des „Lumpaci", der ein Jahr vor dem ,, Verschwender"
auf der Bühne erschien ; so erledigen sich die Ansichten über seine angebliche parodistische
Tendenz. Aus Nestroys Tagebüchern, aus Censurbemerkungen und Direktionsakten wird
fleissig geschöpft. Ein volles Bild konnte nicht entstehen: es fehlt jeder Versuch einer
Quellenuntersuchung, es fehlt vor allem der Unterbau, der nur auf der Geschichte der
Wiener Posse aufzuführen wäre. Dass der Vf. sich vielfach auf Zeitungsberichte stützt,
ist nicht zu beanstanden, wohl aber, dass die Bäuerlesche Theaterzeitung fast seine
ausschliessliche Quelle ist und dass Zeitschriften wie der ,, Humorist" des Witzbolds
Saphir, der auch als Seitenstück Nestroys im damaligen Wien für Nestroys litterarische
Persönlichkeit wohl zu beachten wäre, unberücksichtigt bleiben. Auch in einzelnen
Angaben fehlt es nicht an Irrtümern, die sich leicht weiterverpflanzen. „Die Gleichheit
der Jahre" (S. 150) wurde nicht am 5. Dez. 1834, sondern am 8. Okt. zum ersten Male
aufgeführt. Von „Zampa" fand die Erstaufführung am 22. Juni 1832 statt; die des
E. Beitr. z. Gesell, d. dtsch. Litt.: ZOG. 42, S. 577—82. — 156) X M. Koch, Hebbels Briofweclisol (JBL. 1890 IV 4: 134):
LCBl. N. 22. — I57j X 0. E, Hartleben, F. Hebbel u. Elise Leiising: Zeitgeist v. 26. Jan — 158) X Fechner, Hi^bbels
Leben u. Dichten: SchlZg. N. 229—32. — 159) G. Karpeles, Hebbel u. Heine: FZg. N. 106/7. — 160) F.Hebbel als Politiker:
AZgB. N. 292. — 161) F. Hebbel, Säintl. Werke (her. v. J. II. Krumm). Neue Ausg. in 12 Bd. Hamburg, Hoffmann & Campe.
1 Hlbbd. 128 S. M. 0,50. | [J. R. : LZg«. N. 116; F. Lemmermayer: BLU. S. 675; E. M. Werner: DLZ. 13, N. 28.]| -
162) S. Schlesin ger, Zwei Besuche bei F. Hebbel : Bohemia N. 83. (Auch in Wittmanu u. Band, Wiener KBnstler-
decaraerone. Wien, Bergmann. 384 S. Fl. 3,00. S. 359—63.) — 163) M. Burckhard, Moderne Bearbeitungen d. Sigfricd-
Sage: AZg». N. 227/8.— 164) J. Nestroy, Ges. Werke, her. v. V. Chiavacci u. L. Gangbofer (vgl. 1890 IV 4 : 107). Bd. 6—12.
Stuttgart, Bonz. 306, 298, 246, 287, 221. 258,218 S. d. Bd. M. 8,00. j [F. Kummer: BLU. S. 102/3, 362.] i (Im Bd. 12. Biographie
Nestroys v. M. N ecker.) - 165) X M.Necker, Nestroy-Studion: AZg». N. 216/7. — 166) X F- ßain»»u<l, Dramat. Werke, her. v.
C. QlosBy u. A. Sauer. 2. Aufl. 3 Bde. Wien, Koncgen. Vll u. 380, III u. 380, III u. 324 S. M. 6,00. |[F. Mauthuer:
ML. 60, S. 380/2.JI — 167) X A. MUller-Guttenbrunn, Raimunds Bauer als Millionllr: DeutsohZg. N. 7160. — 168) X F- Vogel,
109 A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhunderts. rv 4: i69-i80.
„Lumpacivajjjabundus" am 11. April 1833, nicht 10. April. Das unmittelbare Vorbild
dieses Stückes fvgl. S. 133, Anm.), „Schnoidor, Sciilosser und Tischler", ist von Gleich,
Raimunds Schwiegervater, verfasst, Nidezki ist nur Komponist —
Persönliche Erinnerungen an Buuernfeld teilt Ad. Stern im-170j mj^^
charakteristisch ist des Dichters Missmut bei der Arbeil der Shakespeareübersetzung,
die or als blosses Handwerk trieb. —
Der Ausgabe Anzengrubers "'■^'') hat Bettelheim "•) die Biographie folgen
lassen. So rasch sie entstanden ist, giebt sie doch ein treues Bild inid macht dem
Freund wie dem Schriftsteller Ehre. Aus persönlichem Verkehre und hs. Aufzeichnungen
schöpfend giebt B. ein Lebensbild, das durch eine ausführliche Charakteristik des
Vaters''''') eingeleitet wird. Die bitteren Komödiantenjahre zeitigen doch eine Frucht
wie 4ie satirisch-politische Komödie ,, Mephisto", von der Fragmente gebracht werden,
und d«!n parodistischen ,,Raub der Sabinerinnen". Der erste Gedanke des „Pfarrer
von Kirchfeld" wird ihm durch seine Kollegen entgegengebracht; hübsch weist B. den
Zusammenhang dieses Dramas mit der geistlichen Bewegung in Oesterreich nach. Aus
der äusserlich ruhigen Wiener Zeit tritt ein Plan ,,Timon" neu hervor. Eingestreut
sind zahlreiche Briefe, die in ihren bald markigen, bald milden Tönen manchmal an
Luther gemahnen. Wenn man ein Bodenken geltend machen darf, so richtet sich dies
gegen die vom Vf. nach französischem Vorbilde durchgeführte Dreiteihnig: „Der Mann
— Sein Werk — Seine Weltanschauung"; es entstehen daraus kleine Unregelmässig-
keiten wie in der Besprechung des „Pfarrer von Kirchfeld". Die litterarische Charakteristik
ist eine vortreffliche. Otto Ludwig wird oft herangezogen, das schauspielerische Moment
nachdrücklich hervorgehoben. Ausgezeichnet ist auch der Ausblick auf die Geschichte
der Wiener Volksbühne. Dass der Vf. sich sein ruhiges Urteil bewahrt hat, zeigen
seine Aeusserungen über die nicht immer sichere Technik der Scenenfühi'vnig und die
Schwäche des Gegenspiels; auch fiel ja auf Anzengrubers glänzendes Können zuweilen
der leichte Schatten einer gewissen Roheit, so z. B. in dem falschen Geständnis der
Gattin in den „Kreuzelschreibern", noch mehr aber in einer vor Jahren in einem Wiener
Blatte veröifentlichten, geradezii brutalen Erzählung, in welcher der Gatte sein Weib ver-
stösst, weil sie als Kind unschuldig das Opfer eines W^üstlings geworden. — Im
Freundeskreise Anzengiiibers tritt Rosegger ^''S) besonders hervor; dieser hat auch
selbst über seine persönlichen Beziehungen zu dem Wiener Dichter Mitteilungen gemacht''''*),
die mit zahlreichen Stellen aus Briefen geschmückt sind. Auf den Vorwurf, seine
Gestalten seien zu Anzengruberisch, erwidert Anzengruber einmal kurz: „Ich schaffe sie
so, wie ich sie brauche!" — Aus geschäftlicher Verbindung entwickelt sich ein inniger
Verkehr mit dem Buchhändler Rosner i''ö), der in seinen , Erinnerungen" auch Manches
über die Bühnenschioksale der Dramen beibringt, so z. B. (S. 38) den Rohstoff des
„Vierten Gebots". Anzengruber lehnt es ab, Korrekturen eines älteren Stückes für den
Druck zu lesen: „Ich komme heraus, so bald ich eine ältere Melodie in meine neue
spielen höre." — Für die Gedanken des „Vierten Gebots" findet R. M. Werner'^) Ana-
logien bei Abraham a St. Clara. —
Nicht viel zu berichten ist fiber das Volksschauspiel •ö3-i8ßa^- zu Worms
wurde ein Festspiel von Henzen „Die heilige Elisabeth" auf dreigeteilter Bühne auf-
geführt i^'^-i^'^). — Die schauspielerische Thätigkeit der Laufner Schiffer hat R. M.
Werner 1**^) zum Gegenstand einer LTntersuchung gewählt. Höchst interessant sind die
Aktenauszüge, die sich kritisch über die wanderndeii Truppen und ilu*e Berechtigung
äussern. Das Repertoir der Spieler umfasst neben neueren dramatischen Erzeugnissen
auch Reste der Haupt- und Staatsaktion, wie der „Johann von Nepomuk" zeigt, der
t
Baimund-Donkmal : KunstfAlle 6, S. 77. — 169) Ad. Stern. E. r. Bauornfpld: WIDM. 70. S. 194-211. — 170) X B. Stern,
Erinn. an Bnuotnfeld: NorddAZp. N. 37'J/4. — 171) X L- Anzenp-uber, D. vierte Gebot. Volksst. 2. Aufl. Stuttgart, Colt«. 104 S.
M. 2,40. - 172) X '^- Anzengruber, D. Meineidbauer. Volks.st. m. Gesang. 3. Aufl. ebda. 98 S. M. 3,00. — 173) X
P. Sclilenther, Anzengrubors „Doppelselbstmfird": FrB. 2, S. 2fi4 (i. — 174) X *'• Necker, L. Anzengruber: Grentb. II,
8. 34—49. — 175) X A. Bett ellieim , Anzen^rriibcr u. d. Bur^lhoator: AZg. N. 177. — 176) id.. L. Anzengruber. (= FOhrende
Geister. H*r. v. A. Bettelheim. Bd. 3.) Dr-sd.'n, Eblormann. 245 S. M. 2.00. |[0. Brahin: FrB. 2, 8. 41/4;
A. SchloKsar: ULI". S. 124; Erich Schmidt: DLZ. 12. N. 10.1| - 177) X J- Anzengruber. Berthold Schwan, Trauer-
sviel. (= DIsch.-Osterr. Nat.-Bibl. 93'5.) 127 S »I.O.(iO). f[N»ti n». 8. S. 6H9.] - 178) P. K. Rogegger, Erinn. an L. Anzengruber:
ML. 60, S. 1-2 u. 117—20 (Vgl. BerlTBl. v. 0. ,Jiin.) — 179) L. Bosnor, Erinn. an Anzengruber. Leipzig, Klinkhardt 120.
61 S. M. 1,20. llErich Schmidt: DLZ. 12. S. 349-52; Orenzb. I. S 480; A. Schlossar: BLU. S. 124.1| — 180) R. M.
Werner, Anzengruber u. d. Kanzel: ML. «0, S. i;H2,'4. — 181) X E. Madich, D. Tragödie d. Menschen, Obers, v. Lndw.
Döozi. Stuttsmrt, Coita. 200 S. M. 4,00. |[AZg". N. 110; DBllhneng N. 25.)| (Musterhaa) — 182) X Mad4ch.
D. Tragödie d. Menschen libers. t. A v. Sponer. Leipzig, Wignnd. XXVI. 181 S. M. 3,00. [J. Minor: DLZ. 12, N. 44.
(Kurze Charakteristik.)]! — 183 1 X A. R.. ,Gu>tav Adoll^ v. 0. Devrient. Neues Volksschansp. in Jena: AZg. N. 212. — 184) X
F. Meyer, D. Sfrnlauer Fisthzng auf d. Berliner Opernbuhne u. d. Dichter Jul. v. Voss: Bar 17. S. 607—10 u. 623 4. — I8S)
X E. Schloz, n. Meistertrunk zu Rothenburg. E. Sang v. d. Tauber. Rothenburg. Trenkle. 12«. X, 52 S. M. 0,50. — 186)
X J- Stutz, n. Luftschlösser. LHst^p. iu Zfrcher Mundart. Neue Ausg (= Schweizer Volksbühne N. 2.) St Gallen. 28 S.
M. 0,50. 186a) (.IV 5 : 28.) — 187) X F. Soldan. D. Volksschauspiel in Worms: AZg. N. 133. — 188) X S. C. D. heil.
Elisabeth im Festspielhuuse zu Woims: HambNachrg. N. 40. iVgl. DBnhnengm N. 2t.) — 188) R. M. Werner, D Laufner
Don Juan. S. o. III 4 : :>2. [E. Kiliaii: AZgB. N. ItS; A v. Weilen: Dl.Z. 13. N. 21; Tgl. B. M. Werner: DLZ. 13, N. 30.J|
IV 4: 190-223. A. V. Weilen, Drama des 18./19. Jahrhunderts. 110
sich an den Weissschen Text anlehnt. Zur Bestimmung der aufgeführten Stücke hat
Weilens Recension einiges beigebracht, Werner selbst hat nachträglich das Drama
„Hunrich und Heinrich" als identisch mit dem ,, Rechtmässig gestraften Heinrich" erkannt,
der im Nürnberger Repertoir 1710 erwähnt ist. Abgedruckt ist der „Don Juan". Nach
W.s Erörterungen geht er auf die Wiener Haupt- und Staatsaktion zurück und bietet
einen getreueren Text als die Puppenspiele. —
Einen Beitrag zur Dramaturgie der Operi90-i9i) liefert das encyklopädische
Werk Neitzels ^92)^ (Jas in den vorliegenden Teilen Gluck, Mozart, Beethoven, die
musikalische Romantik, Kreutzer, Lortzing, Nicolai undMotow umfasst. — Einen berühmten
deutschen Musiker des 18. Jh., Anton Schweizer, den musikalischen Bearbeiter der
Wielandschen „Alceste" hat Schletterer 1^3) unter Beigabe eines Verzeichnisses seiner
Werke behandelt. — Die Feier der hundertsten Wiederkehr von Mozarts Todestag fand
ihr Echo in zahlreichen populären Aufsätzen und Brochüreni94-200^^ unter denen wohl
nur die Arbeiten von Marsop^oi) und Welti202) (Jen Versuch machen, neue Gresichts-
punkte in der Beurteilung des Künstlers zur Geltung zu bringen 203). — ^^^f einem teil-
weise neuen Aktenmaterial fusst Engls^o*) Darstellung der Familiengeschichte und des
Salzburger Aufenthaltes. — Für den berühmten Liebesbrief Beethovens 205 j^ (Jer in
neuerer Zeit vielfach umstritten war, hat A. C. Kalischer ^o^) mit voller Berechtigung
wieder die Gräfin Guiccardi als Adxessatin namhaft gemacht und ihn in das Jahr
1801 oder 1802 verlegt. — Aus den Konversationsbüchern Beethovens hat Kalischer 207)
Unterredungen mit Gerhard von Breuning mitgeteilt, dem Beethoven die Spitznamen
,, Ariel" und „Hosenknopf" beilegte, um die Anhänglichkeit des Knaben zu kennzeichnen.
Unter ,,Pischtien", das K. mit einem Fragezeichen versieht, ist jedenfalls das ungarische
Bad Pisztyan gemeint. • — Fortschritte hat die JBL. 1890 IV 4 : 139 gewürdigte Ausgabe
von Operntextbüchern C. F. Wittmanns208-2io^ gemacht: er bringt in sorgfältig gereinigtem
Texte Webers ,,Oberon", hier nach der Uebersetzung Heils kürzend und zusammen-
ziehend, so dass eigentlich eine Bearbeitung entstanden ist. Der Textdichter Planche
benutzt Wieland mit Zusatz Shakespearescher Elemente. Ferner die „Jüdin", wo der
Text Scribes^ii) nach Lichtensteins und der Ellmenreich Uebersetzung wiedergegeben
ist, undLortzings2i2) ,, Wildschütz". Die letztgenannte Ausgabe bringt zum ersten Male
eine nachkomponierte Arie des zweiten Aktes. — Meyerbeers Leben ist durch Kohut2i3^
in populärer anekdotenhafter Darstellung erzählt worden; auch sonst wurde des Kom-
ponisten 100. Geburtstag zur Abfassung von Artikeln 21^-^16) benutzt, in denen ebenfalls
lediglich Anekdoten und die hergebrachten ästhetischen Schlagwörter zu finden sind. — ;
Richard Wagner einhält naturgemäss den Hauptanteil 2 i''220a^. ]y[it grösster Freude ist es
zu begrüssen, dass neben wüsten Ausgeburten 221-222") kritikloser Schwärmerei auch eine
auf echten litterarischen Studien begründete Biographie entstanden ist. Man mag mit
dem Vf. Munck er 223-225^ über seine Ansichten rechten, dass Wagner das deutsche
— 190) X E. Krause, Abriss d. Entwicklnngsgesch. d. Oper s. u. IV 5 : 74. — 191) X A. Hub er, D. Behandl. d. Tonkunst
am Ausg. d. 19. Jh. Erfurt, Bacmeister. 120. 27 S. M. 0,50. — 192) 0. Neitzel, D. Führer durch d. Oper d. Theaters d.
Qegenw., Text, Musik u. Scene erl. 1. Bd. Dtsch. Opern Abt. 1. 2. Leipzig, Liebeskind. 1890. VI, 286. VI, 260 S. M. 8,00.
|[H. Welti: DLZ. 12, N. 9.]| —193) H. M. Sehletterer, Änt. Schweizer: ADB. 33, S. 371/3. - 194) X M. Zenger, Mozart:
AZgB. N. 294/6. — 195} X Mozart: StrassbPost. N. 337. — 196) X L. d'Aar6ne, Mozart-Reminiscenzeu : KielZg. N. 14452. —
197) X L- Ä. Franki, Mozarts Manen. Zu Mozarts 100. Todestage. Wien, Daberkow. 16 S. M. 0,50. — 198) X A. Buff,
E. Erlebnis d. Ahnen Mozarts: AZg. N. 194. — 199) X R- Hirsch feld, Festrede z. Mozart-Centenarfeier 1891 zu Salzburg.
Salzburg, Kerbei. 22 S. M. 0,70. — 200) X C. Krebs, Mozart: VZgg. N. 49. — 201) P. Marsop, Zu Mozarts Gedächtnis:
Gegenw. 40. S. 357/9 u. 375/8. - 202) X H. Welti, Z. Mozartfeste: Nationn- 9, S. 148-50. — 203) X F. Grandaur,
D. Text zu Mozarts Zauberflöte u. J. G. K. Giesecke: NZMusik 87, S. 526/8, 538/9, 551/2. - 204) J. E. Engl, D. Mozart-
Centenarfeier in Salzburg am 15.— 17. Juli. Salzburg, Dieter. 123 S. M. 2,00. — 205) X C. Gerhard, L v. Beethoven in
seinen Beziehungen zu berühmten Musikern u. Dichtern. Dresden, Damm. 30 S. M. 0,80. — 206) A. G. Kalischer, D. un-
sterbliche G. liebte Beethovens Giulictta Giuccardi oder Therese Brunswick. Dresden, Bertling. IV, C>7 S. M. 2,00.
(Vgl. VZgs. N. 344, 355.) - 207) X id., Beethovens „Ariel" u. „Hoseuknopf : VZg» N. 259. - 208) C. M. v. Weber, Oberon,
Romant. Oper in 3 A. Dichtung v. J. E. Planch6 (Th. Hell). Vollst. Buch, her. v. C. F. Wittmann. (= OpernbUcher
Bd. 14. = ÜB. N. 2774.) Leipzig, Eeclam. 77 S. M. 0.20. — 209) J. F. Hal6vy, D. Judin. Oper in 5 A. Dichtung v. E. Scribo.
Vollst. Buch. Her. v. C. F. Witt mann. (= OpernbUcher 16. Bd. = ÜB. N. 2826.) ebda. 108 S. M. 0,20. — 210) A. Lortzing,
D. Wildschutz Kom. Oper in 3 A. Vollst. Buch, her. v. C. F. Wittmann. (= OpernbUcher 13. Bd. = ÜB. N. 2760.) ebda.
118 S. M. 0,20.- 211) X K. Frenze], Zu Scribes Gedächtnis: KielZg. N. 14663; Dida.skalia N. 301. - 212) X R- G. Kruse,
Lortzings Erstlingsopern: DHühneng. N. 20. — 213) A. Kohnt, Meyerbeer. (= Musiker-Biogr. Bd. 12. = ÜB. N 2734.) Leipzig,
Reelam. 95 S. M. 0,20. — 214) X G. A. Braggi, Meyerbeer: NAnt. 35, S. 337 ff. — 215) X H. Röckner, Z. Erinnerung an
Meyerbeer: Gegenw. 40, S. 147-51. — 216) X M. Zenger, Z. Säkularfeier v. Meyerbeers Geburtstag: AZg». N. 207. — 217)
X H. Ritter, R. Wagner als Erzieher. E. Volksbuch u. zugleich Begleiter zu d. Bayreulher Festspielen. WUrzburg, Stahel.
IV, 81 8. M. 1,50. — 218) X P- Marsop, Tannhäuser-Sludien: AZg. N. 296, 299, 301/2. - 219) X H. Bulthaupt.
Lohengrin u. d. Zeitgeist: WesorZg. N. 16088. — 219a) F. Muncker, D. Dichtung d. Lohongrin: ZGymn. NF. 26,
S. 647/8. - 219b) A. Heintz, B. Wagners Opern. E. Abhandl. aus d. J. 1850 v. Uhlig: MliMusikG. 23, S. 388-91. - 2l9c)
W. Golther, Urspiung u. Entwickig. d. Sage v. Perceval u. v. Gral: BayreuthBll. 14, S. 201-18. — 220) X C. Ehrenfels,
R. Wagner u. d. Naturalismus: FrB. 2, S. 337 — 41. — 220a) K. Landmann, R. Wagner als Nibelungondichter: ZDÜ. 5.
S. 447—60. — 221) X C- Fr. Glasenapp, Wagner-EncyklopÄdie. Haupterscheinungen d. Kunst- u. Kulturgesch. im Lichte
d Anschauung R. Wagners. In wörtl. Anführungen aus seinen Schriften dargost 2 Bde. Leipzig, Fritzsih. XXX, 502
u. 422 S. M. 16,00. — 222) X IL v. Wolzogen, Wagnerianer-Spiegel. E. Charakteristik d. wirkl. wagnerian. Geistesarbeit
u. Welliiusihiiiainf,'. darg. st. dunh ICO .'\ussiirliclio aus d. Schriften d. namhaftasten Wagnoiianor llanuovor, Ocrtel. VII 72 S.
iM. 1,50. — 223) F. Muncker, B. Wagner. E. Skizze seines Lebens u. Wirkens. Zeichnungen v. H. Nislo (= Bayr. liibl.
111 A. V. Weilen, Drama d. 18./19. Jahrhunderts. IV 4: 224-231.
Drama geschaffen, nach dem ein Heinrich von Kleist vergebens gestrebt; man mag es
bezweifehi, dass er die Entwicklung des Dramas abgcsclilossen — der Litterarhistoriker
M. hat sich meist ein ruhiges, klares Urteil bewahrt und die Gestalt des Meisters in
seiner schriftstellerischen Entwicklung scharf erfasst. Der Einfluss der Romantik, E. T.
A. HoffinanuH, Tiecks und Immermanns ist in der Jugend ein mächtiger. Für den
„Holländer" wäre entschieden auf Marschners „Hans Helling" hinzuweisen, speciell für
die Mädchenügur, welche zwischen einen überirdischen und einen menschlichen Freier
gestellt wird. Die mittelalterlichen Dichtungen werden für die späteren Opern
entsprechend herbeigezogen. Für den „Tannhäuser" gaben Heine, Hoifmann, Tieck
Anregung. Die Verbindung mit dem Wartburgkriege wurde durch die Ausgabe des
Liedes von Lucas geschaffen. Für den ,,Lohengrin" kommt auch „Euryanthe" in
Betracht, sowie Immermanns „Merlin." Die germanistischen Studien spiegeln sich in
den „Nibelungen" und in „Tristan", nach anderer Richtung in den „Meistersängem"
wieder. Man wird die einzelnen Nachweise mit Vergnügen studieren, wenn man auch
nicht wie der Vf. in der Sprache der Tetralogie alles von Wagner bis dahin Geleistete
übertrofien sieht oder die ,, Meistersinger" ein „wirkliches Lustspiel von hinreissender
Frische" nennt. Im „Parsifal" gehen die Blumenmädchen auf Lamprechts „Alexander"
zurück. Alles in allem bleibt M.s Schrift ein Werk, das der Wagnerlitteratur bisher
gefehlt hat. — Der Sammelfleiss Oesterleins ^-'') hat einen umfangreichen dritten
Katalogband des Wagnermuseums zu stände gebracht, ein wahres Nachschlagebuch der
Wagnerlitteratur, das auch den Litterarhistoriker durch Mitteilungen aus Briefen inter-
essiert. — Fast wie „Tischreden" muten die persönlichen Erinnerungen H. von Wol-
zogens2-'f) an, die manch schönes Wort zu Tage fördern. Die mystische Richtung,
die Wagner mit der litterarischen und musikalischen Romantik teilt, offenbart sich in
seiner Auffassung des Chi'istentums, das ihm fast zur ,, Vergottung" der Seele wird.
Die klassische Walpurgisnacht im „Faust" ist ihm das künstlerisch Vollendetste, was
Goethe geschrieben. Kaum hat je ein Musiker dramatischer gedacht als Wagner, der
jeden Opernkomponisten erst nach seinem Libretto, dann erst nach der Partitur fragt:
„daran erkenne ich, ob der Mensch Sinn für djamatische Poesie hat". Auch die musi-
kalischen Urteile sind oft von schlagender Schärfe, z. B. wenn er im Hauptmotiv der
Sommernachtstraum-Ouverture von Mendelssohn nicht Elfen, sondern Mücken tanzen
hört. — Schuberts Opern fehlt nach Weltis 228) Urteil teils die dramatische Schlagkraft,
teils der entsprechende kongeniale Text. — Unter dem erstgenannten Mangel leidet auch
Schumann, dessen Faustkomposition von Wasiliewski 229j als krankhaft bezeichnet. —
Nesslers letzte Oper, „Die Rose von Strassburg", knüpft an Fischarts „Glückhaft
Schiff" an 230-231). _
Theatergeschichte.
Paul Schienther. Heinrich W^elti.
Dmniatischo Uill'skUnste N. 1. — Gescliäftlicho Einrichtun^on N. 2. — Thealergebaudo und äussere Scene N. 4.
— Repertoir und Publikum N. 14. — Praktische Reforraversuclio N. 23. — Laienbühnen N. 26. — Schauspielkunst N. 30. —
Einzelne Scliauspielor N. 36. — Theatergeschichte einzelner Städte: Wien N. 62; Weimar N. 63; Frankfurt N. 71; Berlin
N. 72. — Theaterkritik N. 73. —
Lokalgeschichte der Opernauftuhrungen N. 74. — Bayreuther lliihnenfestspiele; ,JiOhengrin' in Paris N. 82. —
Sanger und Sängerinnen N. 89. —
Im vorigen Bande der JBL. musste die Geschichte des Theaters als ein Anhang
zur Geschichte dos Dramas behandelt werden. Man kann zweifelhaft sein, ob dies
nicht auch für die Zukunft das richtigere wäre; denn sofern die Theatergeschichte z\ir
her. V. K. t. Reinhards töttner u. K. Trautmann. Bd. 26.) Bamberg, Buchner. VI, 130 S. M. 1,60. |[KZg. N. 619;
E. Heichel: ML. 60, S 623/4.]! — 224) id, R Wagner. A sketc'i of his life and work*. Translated from Ihe Gennan by
D. Landman. Illustrati.m.s by H. Nisle. ebda. 112 S. M. 2,00. — 225) id, D. Dichtung d. Lohengrin n. ihre Quellen:
AZgB. N. 123. — 226) N. 0 esterlein, Beschreibendes Verzeichn. d. R. Wagner-Museums in Wien. E. hibliogr. Gesamtbild
d. kiilturgesch. Erscheinung R. Wagners. 3 Bde. Leipzig, Breitkopf. 18S1-1891. .\XX. 321, XXX, 352, XXI, 512 S. M. 35,00.
— 227) H. T. Wolzogen, Erinneruugen au R. Wagner. Neue . . . Aosgabe. (= ÜB. N. 2831.) Leipzig, Reclam. 77 S.
M 0,20. — 228) H. Welti, Franz Peter Schubert: ADB. 32, S. 614-28. - 229) W. J. v. Wasielewski, Roheit Schumann:
ib. 33, S. 44—55. — 230) Nosslers letzte 0[er: ». Roso v. Stras.>I urjj: StrassbPost N. 67. — 231) X Zu Victor Nesslers Ge-
daclitn. am 60 Geb.: ib. N. 28. -
IV 5: 1-2. P. Schienther. H. Welti, Theatergeschichte des 18./19. Jahrh. 112
Litteratxorgeschichte gehört, ist sie nichts weiter als die Geschichte solcher litterarischer
Erzeugnisse, die ihrer Torrn nach für eine Aufführung im Theater bestimmt sind. Die
Möglichkeit einer derartigen Auffühi-ung hängt allerdings nicht allein vom litterarischen
Erzeugnisse selbst ab, sondern es gehört dazu ein Dramaturg, der das Ganze in Scene
setzt, es gehören Schauspieler, die den einzelnen Gestalten des Dramas Körper und
Seele geben, es gehört ein Gebäude mit zweckmässigen Einrichtungen dazu, das nicht
nur Raum für die Scene und ihre Ausstattung giebt, sondern auch Raum für das.
PubHkum, dem mit Hilfe all dieser Theatervorrichtungen das dramatische Litteraturwerk
entgegengebracht werden soll. Und diese unlitterarischen, keineswegs unkünstlerischen
Theatervorrichtungen sind in ihrer Summe so wichtig, dass neben ihnen die litterarische
Leistung des Dichters fast nur als ein Bestandteil unter vielen Bestandteilen erscheinen
könnte, und die Frage entsteht, wie weit das auf der Bühne und durch die Bühne
dargestellte Kunstwerk in seiner Totalität noch der Litteraturgeschichte unterzuschieben
ist, ob es nicht vielmehr eine Kunst für sich umgreift? Die Leistungen des Dramaturgen,
der ein Buchdrama zumeist durch den Blaustift bühnengerecht zu machen sucht, des
Regisseurs, der es in Scene setzt, der Schauspieler, die es darstellen, des Dekorateurs,
der die Bühne ausstattet und die Kostüme besorgt, diese Leistungen pflegt man als
Hilfsarbeiten für den Dramatiker anzusehen, etwa wie der Schriftsetzer, der Korrektor
und die Druckmaschine ein Buch herstellen oder der Pianofortefabrikant erst die
mechanische Möglichkeit schafft, dass ein Klavierstück zum Gehör dringe. Aber jene
scenischen Uebermittelungen sind doch zumeist etwas Anderes als blosse gewerbs-
technische Hilfsarbeiten, sie sind mehr als nur Maschinen und Instrumente. Sie sind
ebenso wie die Arbeit des Dichters freie Schöpfungen der Kunst. Durch den Theater-
bau tritt die Kunst des Architekten, durch die Darstellung treten Künste des bildnerischen
Sinnes, des stummen Gemtitsausdrucks, des lauten Redens, der plastischen Bewegung
usw. in den Dienst des Dichters: lauter Künste, die sich aus der Willensäusserung und
persönlichen Kraft einzelner Individualitäten entwickeln. Sie geben in ihrer Harmonie
für die künstlerische Wirkung des Ganzen so entschieden den Ausschlag, dass eine
Definition des litterarischen Erzeugnisses (sofern wir uns überhaupt mit Definitionen
quälen und bornieren wollen) weder hin- noch herreichen würde, um erschöpfend und
bestimmend das anzuzeigen, was auf dem Theater schliesslich geboten wird. Es wäre
darum so übel nicht, wenn man das Theater ganz aus der Litteratur entfernte und ihm
ein eigenes selbständiges Kunstgebiet anwiese; es würde sich dann in der Geschichte
der freien Künste dasselbe wiederholen, w^as sich in der Geschichte der Wissenschaften
als notwendig herausgestellt hat: wie sich die Geographie durch ihre Annäherung an
die Naturforschung vom Historischen emancipiert hat, so dürfte sich das Theater durch
seine Annäherung an Künste aller Art vom Litterarischen emancipieren. Das ist eine
prinzipielle Erage, deren Beantwortung für die Praxis des Theaterwesens (und im
Theaterwesen ist alles Praxis) wenig oder nichts bedeutet. Desto wichtiger ist sie für
den Theoretiker und somit auch für den, der in einem litterarhistorischen Jahresbericht
den Stoff zu sichten, zu verteilen, zu bearbeiten hat. —
Was in der dramatischen Kunst rein litterarisch ist, das in Schrift und Druck
niedergelegte Erzeugnis des Dichters, haben litterarhistorische Fachmänner in den mit
„Drama" bezeichneten Kapiteln abgehandelt. Was zu thun noch übrig bleibt, sind vom
rein litterarischen Standpunkt aus Allotria, deren Bedeutung sinkt, je weiter wü- uns
von der Gegenwart in historisch gewordene Zeiten entfernen ; wenigstens wird das Bild
jener sog. dramatischen Hilfskünste immer undeutlicher, je weiter wir zurückgehen,
immer schwerer lässt sich ihre historische Entwicklung verfolgen. Je genauer wir uns
aber im modernen Kunstgetriebe umsehen, desto mehr treten gerade diese Hilfskünste,
wie ich sie vorerst noch nennen will, in den Vordergrund eines allgemeinen refor-
matorischen Bedürfnisses; und beispielsweise gehört ein hervorragender Dekorations-
techniker wie Franz von Seitz in München, dessen Biographie H. Holland i) geschrieben
hat, ebenso hierher wie Schauspieler und dramatische Dichter. —
Aiich im Berichtsjahr ist gerade an eine Reform der äusseren und inneren
Scene vielfältig gedacht worden. Schon in der Frage, wie ein Theater geschäftlich
eingerichtet und verwaltet werden soll, stösst man auf verschiedene Meinungen. Den
Hofbühnen ist längst der Krieg erklärt. Auch den Pächtern ist man nicht sehr hold,
weil sie die Kunst zum Erwerbszweig erniedrigen. Vielfach neigt man dahin, das
Aktienunternehmen vorzuziehen, wobei die angesehensten Bürger des Ortes als Aktionäre
auftreten und der artistische und dramaturgische Direktor ihnen zugleicli künstlerisch
verantwortlich ist: eine Form, an die man schon vor hundert Jahren gedacht hat, als
Th. Döbbelin den Plan hegte, in Posen ein Aktientheater zu gründen. Er erUess am
ü. Sept. 1796 in der polnisch geschriebenen „Südpreussischen Zeitung" einen Aufruf,
I) H. Holland, Kranz v. Seitz: ADB. 33, S. 657- -62. — 2) Fr. Scliwartz, Döbbolin Plan e. Aklinitlieatera in
113 P. Schienther, fl. Welti, Theatergeschichfe des 18,/19. Jahrh. IV 5: » i«-
wonaoh Aktien im Betrapjo von 25, 50, 75, 100 Thalern gezeichnet werden konnten,
die zu vier Prozent verzinst werden sollten. Ueber diesen vereitelten Plan berichtet
F. S eil wart z 2) und giebt dadurch eine willkommene Ergänzung zu Ehrenbergs Ge-
schichte des Theaters in Posen. — Ebenso ist auch unsere Verkehrsart zwischen Publikum
und Theater nicht neu, und eine von 1795 stammende, durch Gaedechens^) aufge-
fundene „Einlassmarke" zum englischen Theater unterscheidet sich nicht gar so sehr von
xniseren Theaterbillets. —
Mehr als über Theaterbillets oder (unseren Puristen sei das deutsche Wort
ans Herz gelegt) über Einlassmarken zerbricht man sich gegenwärtig den Kopf über die
zwcckmässigste Einrichtung des Theatergebäudes und der äusseren Scene. Man
will d(!m lieutigen „Guckkastenbau", den man auf romanischen Ursprung zurückführen
möchte, den Garaus machen, und unter dem Einfluss des Bayreuther Reformversuches
wird allerlei Neiics angestrebt. Die Münchener Bemühungen des Frhrn. von Perfall, in
klassischen Stücken durch die mit Unrecht sogenannte Shakespearebühne den leidigen
Zwischenvorhang zu vermeiden , hat fortdauernd lebhafte Debatten hervorgerufen.
Kilian *) spricht sich gegen diese Reform aus. — Zwischen L. Hartmann ^) und dem
Schauspieler Dracli entstand ein Meinungsaustausch, H. glaubte in der Münchener
Reform eine wohlthätige Reaktion gegen die sog. Meiningerei zu erkennen. Dagegen
verfocht D., selbst ein alter Meininger, die gewiss unantastbaren Verdienste des Herzogs
mid seines verstorbenen Regisseurs Ludwig Chronegk, dessen Tod übrigens Veran-
lassung zu Nekrologen ö-'") gegeben hat. — Als das Münchener Beispiel im Deutschen
Volkstheater zu Wien bei der Vorstellung von Grillparzers „König Ottokars Glück und
Ende" nachgeahmt wxirde, fand es die freundliche Anerkennung wienerischer
Theaterfeuilleton i stell wie E, Schütz '*) und Hevesi'2). Beide halten die Reform für
entwicklungsföhig, deuten auf die Aehnlichkeit mit der alten Tieckschen, von Laube
ohne Glück im Wiener Stadttheater einst wieder aufgenommenen Sommernachtstraum-
bühne vergleichsweise hin und begi-üssen ebenso wie Hartmann anerkennend die Abkehr
vom Ausstattungsübermass. S, verweist beiläufig auch auf Sparvorschläge Schinkels in
Berlin und schildert zum Vergleich mit der Müiichener Imitation Philipp Henslows Fortuna-
theater in London. — Vielfach sind die Gedanken an scenische Reformen auch durch
Oberammergau in Fluss gekommen. So liat sich A, Clausius^'') für die Oberammer-
gauer Scene der Kreuztragung begeistert und möchte nun auch auf der modernen
Bülme ähnliche Wirkungen erzeugt sehen. Zu diesem Ziel entwirft er den Plan einer
Bühne, die sich in Hufeisenform um den ganzen nur aus Sperrsitzen bestehenden Zu-
schauerraum herumschlängelt. Und er verspricht sich für das Publikum einen Reiz der
Abwechslung, der darin besteht, dass die Leute zeitweilig auf ihren Sesseln den Körper
bald nach rechts und bald nach links zu wenden hätten, um dem Spiel, das um sie her-
umgeht, zu folgen. C. illustriert seinen Vorschlag durch Abbildungen und Pläne und
wartet nur darauf, dass jemand Neigung hat, seine Ideen nocli gründlicher anzuhören. '3«) —
So vag die Reformvorschläge über den scenischen Bau sind, so doktrinär und
unerspriesslicli ist das, was über die künstlerische Verbesseruiigsbedürftigkeit gesagt
wird. Allgemein anerkannte Schäden werden noch einmal beklagt, oline da.ss es irgend-
wie zu praktisch durchführbaren Entwürfen käme. So verlangt Eugen Wolff'*)
Jahresgehälter für Dramatiker und daneben eine Bereicherung des Repertoirs durch
die seltener aufgeführten Stücke Goethes; für den zweiten Teil des „Faust" empfiehlt
er dabei seltsam genug die Dresdener Bearbeitung von Wollheim-Markus. — TrolP^)
sieht Keime zum Bessern im Wiener Deutschen Volkstheater, in der Berliner Freien
Bülme, im Wormser Festspielhause. — Sehr üpjng in Anträgen ist Lammers •♦'), der
im Anschluss an die grassierenden Lutherspicle und an Bayreuth ein Reichsgesetz zur
Gründung eines allgemeinen deutschen Eeiclisbühnenfonds verlangt, dessen Quelle eine
kleine Besteuerung des Theaterbesuchs bilden soll; über die Verwendung dieses Fonds
entscheide ein Bühnenrat, der auch für Schausjiielerakademieen und Versuchsbühnen
zu sorgen habe und, kurz und rund, die „Oberherrschaft über das ganze deutsche
Theater" an sich reissen solle. — L. Lier i'-is) bedauert den Mangel an einem Publikum;
Posen i. J. 1796: ZHGPosen 6, S. 228-31. — 3) C. F. Gaedechons. E. Einlassmiirke z. Englischen Theater in Ilamhurg:
MVHamburgG. 13, S. Ol, 74/5. — 4) E. Kilian, E. Wort i. Mllnchener Reform d. SchsaspielbUhne: Gesellschaft 7. II,
liuaw. i.;nronegit: «Ki'r. N. 5«kx.>, vii);>o. — ii| r. ^cnulz, luscn. voiKS-ineaier. (= j>. aii« u. a. neue »enau8iiieitiunne):
NFPr. N. 9487. — 12) L. Hevosi, E. noii« ItlilineneinrielitunR: FremdenBl. N. 20. — 13) A. Claasins, Nene dramat.
Wirkungen auf Grund «. neuen BUhnenfonn. München, Albort & Co. 8 S. m. 1 Abbild. M.0,50. | [Oeselltichaft II. S. 167:V4.]| —
öa) X ß. Lechner, Theater-Dekorationen. I.Abt. :1 Serien. Berlin. Hesslin«; * Spielmeyer. 4». 15, 12, 14 Tafeln.
M. 60,00 (1. Zu „Kätchon". 2. Zu ,Lear'. 3. Zu .Faust".) — 14) Eugen Wolff, E. Spielplan für d. dtsch Theater: Kw.
4, S. 145/7. — 15) Q. Troll, D. dtn-h. Volk.sbUhne: Gesellschaft 6, S. f>9f>. — 16) H. Lammers, Zwei Festspiele d. var-
gangenen Sommers: Gogcnw. 40, S. 278—80. — 17) L. I. ier. Volksbuhnen auf Volksfesten: Grenib. III. S. 416. — 18) id. .
.Tahresbericlite fllr neuere deutsche Lilternturgeschicht« 11 ii. 8
IV 6: 19 32. P. Schienther. H. Welti, Theatergeschichte des 18. 19. Jahrh. 114
besonders in Berlin entscheide zum Nachteil der Kunst der Geldadel, die Klique,
über deren Kreis auch die Bedeutung der Freien Bühne wenig hinausreiche. Die Berliner
Verhältnisse, vor deren Einfluss er nachdrücklich warnt, kennt der Vf. allerdings weniger
aus eigener Beobachtung als aus „Socialen Briefen" des Herrn von Leixner. Vermisst
er für die höhere Kunst das rechte Publikum, so vermisst er für das niedere Publikum,
wie es sich auf Volksfesten verlustieren will, die rechte Kunst. Er geht den Ring-
kämpfen und Tingeltangeln hart zu Leibe, die zur Verrohung der Menschen beitrügen
und das Volk der schönen Kunst entfremdeten. L., der an eine Denkschrift der
Münchener „Gesellschaft für modernes Leben" anknüpft, gelangt auf seinem idealistischen
Wege zu der leider unbezweifelbaren V^ahrheit eines neueren Berliner Coupletverses,
der einem Matador des Ringkampfs gilt: „Bei Ibsen ist es leer, bei Absen ist es voll."
Aber ob es nicht von jeher so war auf Jahrmärkten und in Schaubuden? Ob hier im
Getriebe der Volksfeste der günstigste Boden ist, das Volk auf Höheres zu richten? —
Von allen diesen unerspriesslichen Klagen unterscheidet sich vorteilhaft ein gedanken-
reicher und vortrefflich geschriebener Aufsatz von Ad. Voigt i^")^ (jgj. nach dem Vor-
bild der Wagnergemeinde das Publikum 20) organisieren möchte und der dem mit Un-
recht verspotteten Wort „Wenn Sie wollen, so haben Sie eine Kunst" die rechte, auf
das Allgemeine gerichtete Bedeutung giebt.^i) — Gegen die Beschränkungen der Volks-
bühnen durch eine Censur wendet sich Lauenstein 22). —
Unter den praktischen Versuchen, neue Eormen für die dramatische Kunst
zu gewinnen, haben nächst . der Münchener Perfallbühne das Wormser Festspielhaus
und trotz Lier und Leixner die Berliner Freie Bühne das weiteste Interesse gefunden.
Mit Worms beschäftigt sich u. a. H. R. Fischer 23)^ der allerdings im wesentlichen
nur ein Fiasko zu bezeugen hat und es sich daraus erklärt, dass sich Dichter wie
Wilhelm Henzen nicht entschliessen können, aus dem Mittelalter zu den socialen Fragen
der Gegenwart heimzukehren. — Diesen socialen Fragen, soweit sie dramatisch be-
handelt worden sind, hat nun die Freie Bühne ihr besonderes Interesse gewidmet.
Neben zahllosen leichten und seichten Ausfällen gegen sie fand sie eine eingehende
Würdigung bei Röber^*) und namentlich bei Hessen 25), der sich durch einen vor-
urteilslosen Standpunkt und durch kluge Bemerkungen über die einzelnen auf der
Freien Bühne versuchten Stücke auszeichnet. Er sieht die Freie Bühne an als das,
was sie ist und stets nur sein wollte: als ein „ästhetisches Laboratorium". Wenn die
Redaktion der „Preussischen Jahrbücher" in einem einschränkenden Nachwort von
„leidenschaftlichen Angriffen" fabuliert, die sich die Leiter der Freien Bühne gegen
die vorbildliche Geltung unserer Klassiker erlauben sollen, so genügt zur Entkräftung
dieser Behauptungen der Hinweis auf die litterarhistorischen Arbeiten derselben Männer. —
Einerseits das von der Freien Bühne und ihren Dichtem ausgegangene Be-
streben, den Stil der Schauspielkunst natürlicher zu gestalten, andererseits die Beachtung,
die im Sommer 1890 Oberammergau gefunden hat, haben ein näheres Augenmerk auf
die Laienbühnen der nordalpinen Dörfer und Marktflecken gerichtet. Panizza26)
und 0. J. Bierbaum 27) schildern die Bauernbühne von Oberdorf im Allgäu, wo Andreas
Hofer der dramatische Held ist und die B. scherzweise, weil sie sich dem freien Himmel
öffnet, „die freieste aller freien Bahnen" nennt, während P. in ihr die beste Veranschau-
lichung der alten Mysterienbühne wiedererkennen will. — Keiter28) beschreibt das
Mosesspiel in Erl bei Kufstein, und Schienther 29) knüpft an eine Darstellung des
Ganghofer-Neuertschen „Herrgottschnitzers" durch Bürger von Tölz allerlei Bemerkungen
über das Verhältnis von Kunst und Natur bei schauspielerischen Leistungen. —
Diese Dilettantenspiele, seit alter Zeit beliebt mid besonders in kunstfremden
volksttimliclien Kreisen gern gepflegt, bieten ein reiches Beobachtungsmaterial für Pro-
bleme der Schauspielkunst. Solche Probleme sind im Berichtsjahr wenig oder gar
nicht berülirt worden. Rullmann^O) wärmt wieder die alte unfruchtbare Streitfrage
auf, ob der Schauspieler empfinden solle, was er darstellt, oder ob er innerlich kühl
über der Situation zu stehen habe. R. führt schauspielerische Selbstbekenntnisse für
und wider das Mitempfinden an und lässt die Frage so ungelöst, wie sie war. — Auch
was Neumann-Hofer 31) von der Naturseite der Schauspielkunst sagt d. h. von der
äusseren Persönlichkeit und den stimmlichen Mitteln der Darsteller, vor deren Ueber-
nützung er mit Recht warnt, ist durchaus zutreffend, aber nicht neu. — Und vollends
Dramn u. Publikum: ib. II, S. 426. - 19) Adolf Voigt, D. Organisation d. Tublikums': Kw. 4, S. 225. — 20) X P- B-.
Theateriiublikum : HSr 17, S. 375. — 21) X F. Kuiinncr, H. Kaatz, I). Frago d. Volksbühnen. 1890: BLÜ. S. 102. (Recens.
auch NationB. 8, S. 2.54; PrJbb. 67, S. 122.) — 22) A, Lauenstoin, Tenden/.theator: Gegouw. 40, S. 76/7. — 23) H. R.
Fischer, D. stildt. Spiel- u Festhaus in Worms: Gegonw. 40, S. 121/2. — 24) F. Roeber, D. Freie Bühne u. d.
Naturalismus: Grenzb. 111, S. 814—21. — 25) K. Hessen, D. Berliner Freie BUhno: Pr.lbb. 07. S. 14—29. — 26) 0. Panizza,
Andrea« Hofer. E. schwSlb Baunrnspiol aus d. Allgttu: Gesellschaft 7, S. aS&. — 27) 0. J. Bierbaura, 1). BauernbUhiie v.
Oberdorf: Didaskalia N. 192. — 28) E. Koiter, Tiroler Bauern als Komödianten: FremdeiiBl. N. 250. — 29) P. Schlenther,
TOlzer Siiiolo: VZgH. N. :»2. — 30) W. Rullmann, E. unlösbares Fragen: FrllnkCourier N. 519. (Auch MllnchNN. N. -161.) —
31) 0. Neuniann-Ilofer, 1). „Naturseit«" d. Schauspielkunst: DBlUinong. N 5. — 32 K. Biltz, Mime oder Schauspielfr:
115 P. Schienther. H, Welti, Theatergeschichte des 18./19. Jahrh. IV 5: 83-66.
Biltz82) bleibt ^än/lich unklar in seinen Bemerkiui^en über die Art, wie auf heutigen
Bühnen Shakespeare gespielt wird. Seiner dunklen Meinung nacli scheinen den
ShakespeareRchen Charakteren die Empfindungen des modernen Menschen nicht genügend
angepasst zu werden. Gegenüber dem Grundsatz liistorischer Treue vertritt B. einen
ganz wunderlichen Gegenwartsstandpunkt, der sich allerdings von den realistischen
Bestrebungen der modernen SchauHpielkunst selir unterscheidet. — Diese Bestrebungen
werden im Anschluss an ein Berliner Gastspiel Sonnenthals von Mauthner**) fein und
richtig dargelegt luid mit den modernen litterarischen Bewegungen in Zusammen-
hang gebracht : Ibsen fordere vom Schauspieler eine andere Kunst als die, in der
Sonncnthal gi'oss ist, dessen Leistungen Schienther 84) charakterisiert. — Dass dieser
neuen Kunst ein Schauspieler wie E. Reicher entspricht, behauptet Bahr^^) teils mit
Recht, teils unter panegyrischen Uebertreibungen, durch die der Streitfall nicht klarer
und schärfer beleuchtet wird. —
Weit ausgiebiger als die Schauspielkunst an sich .sind die Entwicklungsgänge
einzelner ScliauH})ieler dargestellt worden. Wo es sicli um selbst beobachtete Ge-
nossen der Zeit handelt, sollte es aber nicht so flach und lobhudlerisch geschehen, wie
es R. Löwenfeld ^ö) bei Georg Engels oder gar A. M. Witte ^7) bei Marie Kahle
und Anna Versing-Hauptmann •■'^) bei ihrer früh verstorbenen Schülerin, der Prager
Tragödin Helene Wewerka gethan haben. Einen Schauspieler, den man selbst oft ge-
sehen hat und den man für bedeutend genug hält, um überhaupt von ihm zu redeu,
sollte man so scharf und treu wie möglich fixieren. Nur so kommt sein Künstlerbild
einigennasscn richtig aiif die Nachwelt, nur so wird es späteren Generationen möglich,
dies Bild historisch zu sichern. Es i.st freilich ein überaus schwieriges und wenig dank-
bares Geschäft, das aber unternommen werden muss, wenn wirklich eine Geschiclite der
reinen Schauspielkunst entstehen soll. — Versuche nach dieser Richtung zu machen und
Material für eine solche Geschichte zu liefern, dazu bietet die ADB. fortgesetzte Ge-
legenheit. So versuchte hier Schienther ^''■•♦') von dem zwischen Neubers und Acker-
manns vermittelnden Prinzipal Schcniemann, von Sophie Schröder und von Anton
Schwartz (Hamburg und Königsberg), dem Schüler F. L. Schröders, ein Bild zu geben. —
Den grossen Schröder selbst behandelt auch hier Litzmann ^2)^ dessen ausgezeichnetes
Werk fiber diesen ersten deutschen Schauspieler leider noch nicht vollendet ist; aus-
führlichere Bes])rechungen des ersten Bandes (JBL. 1890 IV 4 : 1G6) gaben Fellner^^'),
Minor "**), Schienther *^) und ein Recensent mit halbgeschlossenem Visier *ö).
Letzterer ermahnt, die späteren Bände von gelehrter Zuthat zu Gunsten der theater-
geschichtlichen Forschung zu entlasten und sich auf das Bedeutende zu beschränken;
Litzmann wird sich hoffentlich nicht dadurch verleiten lassen, auf das gerade hier ausser-
ordentlich interessante Detail zu verzichten, das den ganzen Menschen und seine Art
und Kunst oft schlagender beleuchtet und oft mehr bedeutet als das sogenannte
„Bedeutende". — Ueber den Wiener Komiker luid Nestroj'genossen Wenzel Scholz hat
von Weilen^''), über Louis Schneider Wippermann "♦**), über F. K. J. Schütz,
den Gatten der Hendel-Schütz, L. FraenkeH^) geschrieben. — Der Hendel-Schütz
selbst widmet Holstein ^o) ei,,e Betrachtung, welche namentlich die von Schütz 1819
herausgegebene Blumenlese aus dem Stammbuch der grossen Pantomimikerin be-
nutzt, wo die hervorragendsten Männer der Zeit vertreten sind. — Ueber die Jugend-
jahre der Neuberin und ihre erste Liebschaft mit Zorn hielt Spindler ^i) einen Vortrag,
der sich auf Prozessakten im Zwickauer Ratsarchiv stützt. — Ueber den starken Mann
Eckenberg und besonders über seine Wirksamkeit in Schwaben, wo er neben dem alten
wüsten Repertoir 1746 sehr eifrig saxch die damalige Kunst Gottscheds inid Gellerts
pflegte, giebt Sittard -^2) neue Aufschlüsse. — Ein gereimtes Pamphlet über Döbbelins
Bewerbung um die Berliner Konzession wird mitgeteilt '•'*), ferner eine lahme Anekdote
von Unzelmann erzählt^*). — Mehr in neuere Zeit führt uns der sammelsin-iale Kohut**),
der aus dem Nachlass Karl Grunerts Briefe von Laube, Kotzebue, Raupach abdruckt. —
Philipp Zöllner, ein deutsch-ungarischer Komiker aus der Mitte dieses Jh., wird bei
Wurzbach '^*5) behandelt. — Und wer über Julie Rettich mehr Lebensdaten als eine
Neue Beitrr. (I 3 : inO) S. 229-36. — 33) F. Mauthnor, Alte n. nouo Schauspielkunst: ML. 60, S. 236'6. — 34) P.
Schlenfher, Sonnentlial u. sein Uerliner Gastspipl: VZg. N. 173. — 35) H. Bahr, D. Entwickle d. modernen Sehiu.«piel-
kunst: ML. CO, S. L51/3. - 36) R. LOwenfeld, Georg Engels: ZgutSiunde 7. S 819-24. — 37) A. M. Witte, Marie Kahle-
Kossler: Bär N. 30. — 38) Anna Versing- Hau ptniann. Etwas v. alten Niklivstheater in Prag: Bohemia N. 174. — 39) P.
Schlontlier, .7. F. Schönimann : ADB. 32, S. 289—91. — 40) id., Sophie Schrfder: ib. S. 525. — 41) id., Anton Schwartz:
ib. 33, S. 22«. —42) B. Litzmann. F. U. L. Schröder. .'^. o. IV 4 : 3?. — 43) R. Follner, Litimann, i^chröder. I: NatinnB.
8, N. 7. — 44) .T. Minor, Litzmann, Schröder. I: ADA. 17, S. 232,5. — 45) P. Schienther, Lit<mann, Schröder. I: VZg».
N. 24. — 46) B. S[euffert ?], Litzmann. Schröder. I: DRs. i'.fi, S. 474 5. |[Tgl. Gronzh. L S. 44/6.] | — 47) A. v. Weilen
Wenzel Scholz: ADK. 32, S. 230. — 48) Wippermann, Ludwig Schneider: ib. S. 134-42. — 49) K Fraenkel, F. K. J.
Schutz: vgl. IV (■>: 176. —50)11. Hols tp i n . Aus d. Stammbuch d. Henriette Hendol-SchUtz: MagdebZgn. N. 113. — 5|i Spindler:
MAVZwickau 3, S. VIll. (Vortf. Rot.) — 52) .1. Sittard, Z. Gösch, d. Musik u. d. Theaters am Württemberg. Hofe.
Stuttgart, Kohlhammor. 2. 1 d. Vlll, 220 S. M.3,00 (Bes. S. 15-25.)— 53) E. K(ilian ??]: B«r S. 530. - 54)M.L.: ib.S.558.—
55) A. Kohut, Hintor d.Coulissen: DBUhneng. N. 34/5. — 56) C. Wurzbaeh, Ph. Zöllner: Biogr. Lexikon d. Kaisert. Oesterr. 60,
8*
IV 5: 57-68 P. Schienther. H. Welti, Theatergeschichte des 18./19. Jahrh. 116
künstlerische Darstellung sucht, findet, was er braucht, bei "Weltner 6'^). — Aus den
Tagebüchern Charlottens von Hagn macht L. Geiger 58) einige Mitteilungen, die sich
auf ihre Beziehungen zu Ludwig I. von Bayern und a\if ihre Liebe zu einem Prinzen
(August von Leuchtenberg?), auf Urteile über Raupach als Dichter und Menschen sowie
auf ihren Konflikt mit den Damen Stich beziehen; den Kaiser Nikolaus von Russland
bezeichnet ihr Kennerblick als den schönsten Mann der Welt. — Ihren im März 1838
mit Klara Stich ausgefochtenen Streit um die Gretchenrolle behandelt als Coulissen-
klatsch auch M. Frey 59)j und Kohut^o) teilt aus dem Nachlass Gustav Kühnes zwei un-
gedruckte Briefe Charlottens mit sowie das Empfehlungsschreiben, das Karl Blum ihr
1837 an Kühne nach Leipzig mitgab. — Alle diese Veröffentlichungen aber an Feinheit
der Form und Anschaulichkeit des Inhalts weit übertreffend, giebt F. Uhlßi), neben
Speidel und Valdek der scharfsichtigste Burgtheaterkritiker neuerer Zeiten, seine per-
sönlichen Erinnerungen an Schauspieler, Direktoren und Dichter des Wiener Burgtheaters
der vierziger, fünfziger, sechsziger Jahre zum besten. Hoffentlich wird aus diesen losen
Zeitungsblättern ein Büchlein. —
Man wendet sich in Deutschland mit Vorliebe der Theatergeschichte ein-
zelner Städte, einzelner Bühnen zu; zusammenfassende Monographien der Art aber
hat das in jeder Hinsicht für uns dürftige Berichtsjahr nicht aufzuweisen. Es ist auch
hier ein Haufe loser durch einander wirbelnder Blätter, der auf uns niedergeht. Sie sind
zumeist in feuilletonistischer Absicht und an feuilletonistischem Platze entstanden und
haben ihrem ursprünglichen Zweck genügend gedient, wenn sie dem grossen Publikum
ein Weilchen angenehmer Belehrung verschafften. Dass in die Feuilletons der Tages-
blätter imd Wochenschriften nicht allzu schweres litterarhistorisches oder theater-
geschichtliches Geschütz hineingefahren wird, ist begreiflich und gerade vom Standpunkt
der Wissenschaft aus auch wünschenswert; denn nichts hat Vorurteile gegen die
Litteraturgescliichte so sehr gefördert wie die Sucht gewisser Pedanten, für jeden
Papierschnitzel das allgemeine Interesse des grossen Zeitungspublikums anzuschreien.
Dieselben Pedanten sind es dann wieder, die jedes leicht und gefällig hingeworfene
Theater- und Litteraturfeuilletoii als unwissenschaftlich in Acht und Bann thun, als hätte
es jemals andere als feuilletonistische Zwecke verfolgt. Allerdings, was es dem Zei-
tungsleser angenehm macht, macht es für die Wissenschaft und also auch für die JBL.
zumeist wertlos. Dass sich freilich auch in feuilletonistische Formen ein reiches Ma-
terial für die Theatergeschichte fassen lässt, hat in unvergleichlicher Weise Laube ^2)
mit seiner jetzt neu aufgelegten Geschichte des Wiener Burgtheaters wahrhaft klassisch
bewiesen: für den praktischen Dramaturgen wie für den Theaterhistoriker ist dies Buch
eine unerschöpfliche Fundgrube an Belehrung und Anregung, und es bedeutet für die
Schauspielkunst nicht viel weniger als Lessings „Dramaturgie" für die dramatische
Litteratur. Im grossen und ganzen ist es ein Rechenschaftsbericht über Laubes eigene
viel zu früh abgebrochene Direktionsthätigkeit. Aber auch die vorangeschickten histo-
rischen Kapitel wiegen manchen dicken Leib theatergeschichtlicher Studien auf. —
Es ist eine Gerechtigkeit des Schicksals, dass die vornehmste deutsche Bühne
auch die vornehmste und feinste Darstellung ihrer Vergangenheit gefimden hat. Im
übrigen beschäftigte man sich diesmal am meisten mit Weimar, weil das 100 j. Jubi-
läum des Hoftheaters die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese klassische Stätte lenkte.
Alberti63), Art. Goldschmidt 64), Schienther 6^)^ L. Stettenheim 66) u. a.67)
haben mit mehr oder minder starker Polemik gegen Goethes Schauspielerregeln, mit
mehr oder minder grosser Anerkennung für seine theatergeschichtliche Mission bekannte
Thatsachen zusammengefasst. Auch diese Arbeiten haben mehr feuilletonistischen als
wissenschaftlichen Wert, sofern sie überhaupt Wert haben. — Derselbe Jubilävimsanlass
begünstigte die Publikation von C. A. H. ßurkhardt 68), der aus archivalischen Quellen
das Repertoir des Weimarischen Theaters, so lange es unter Goethes Leitung stand,
zuerst in chronologischer, dann in alphabetischer Reihenfolge der Stücke zusammen-
gestellt hat. Abgesehen von dem gegen das heutige Weimar griesgrämig voreinge-
nommenen Düntzer war leider auch A. Köster genötigt, den Registern den Vorwurf der
UnZuverlässigkeit zu machen. — Das Werk erinnert übrigens in seinem statistischen
(s. 0. I 1 :55) S. 231/2. — 57) A. F. Woltner, E. UnstorWicher d. Burgtheaters: FrenidenBl. N. 99. — 58) L. Geiger, Aus
d. Blütezeit d. Charlotte v. Hagn: BerlTBl. N. 213. — 59) M. Frey, Zwei Rivalinnen: Bltr S. 557/8. — 60) A. Kohut,
Z. Erinnnrg. an Charlotte v. Hagn: Gegcnw. 39, S. 328/9. — 61) F. ITlil, Theatorerinnerungen: FremdenBI. N. 265, 272, 27C,
279, 283, 288. — 62)Heinr. Laube, D. Burgthoater. E. Beitr. z. dtscli. Theatorgesch. 2. Aufl. Leipzig, Hassel. VI, 427 S.
M. 4.00. — 63) C. Alberti, D. Weimarer Hoftlieator: KielZg. N. 14271. (Auch SammlorA. N. 5(5.) — 64) Art. Goldschmidt,
Weimars klassische Theaterzeit: ML. CO, N. 18. (Vf. heisst nicht Lothar Schmidt, wie im ML. irrtümlich steht.) — 65)
r. Schlenther, D. Weimarer Hoftheater: VZgS. — 66) L. Stettenheim, Z. Weimarer Theaterjubiiaum:
VolkaZgS. N. 18. — 67) D. Weimarer Festtage: FZg. N. 129. — 68) C. A. H. Burkhardt, D. Repertoir d. Weimarischen
Theaters unter Goethes Leitung 1791 — 1817. (= Tlieatorgescliichtliche Forschungen her. v. B. Litzmann. Bd. 1.) Ham-
burg, Voss. XI, 152 S. M. .3,50. |[H. nilntzer: Grenzb. II, S. 175-85; A. Köstor: ADA. 17, ?. ?25;7; L. Lier: LZgr.
117 P. Schlenther. H. Welti, Theatergeschichte des 18./19. Jahrh. IV 5: 69-76.
Zweck an die heutigen Theaterchroniken, wie sie Richard "•) für Meiningen veröffent-
licht hat und wie sie die Souffleurs anderer Bühnen alljährlich bringen 'O). —
Nächst dem Weimarer Theater hat auch das Theater von Goethes Vaterstadt
Beachtung gefunden. Elisabeth MentzeP') hat sich um die Frankfurter Theater-
geschichte dadurch ein neues Vordienst erworben, dass sie neben der dortigen Bühnen-
geschichte der öchillorschen Jugonddramen aucii ein Charakterbild des einheimischen
Theaterdichters H. W. Seyfried in ilirer knappen und anschaulichen Art entwirft. —
Ziu- Theatorgeschichte Berlins lieferte L. Geiger ^2) einen Beitrag, indem er
auf ein 17'J9 bei Nicolai dem Sohn erscliienenes zweibändiges Buch hinwies, das
Theaterkritiken über die Jahre 17J)7 und 1798 enthält. Die Recensenten sind Nicolai
selbst und Friedrich Schulz, die nacli Geigers Meinung dadurch die Berliner Kritik be-
gründet haben. Echt nicolaitisch werden einerseits Lessing, andererseits Kotzebue ge-
lobt, hingegen Goethe und Schiller, wo man sie nicht totscliweigt, getadelt. G. zieht
daraus folgende Nutzanwendung auf Gegenwart und Zukunft: „Wie viele Stücke, die
damals mit lautem Jubel aufgenommen wurden, bestehen heute noch? Auch ihre Ver-
fasser galten als Träger einer neuen Richtung, auch sie und ihre Bewunderer hielten
das Vergangene für besiegt, das Gegenwärtige für allein herrschend, — nach kurzer
Zeit mussten sie das Einstürzen ihrer für stark gehaltenen Hocliburgen erkennen und
den Sieg des ewig geltenden Schönen und Grossen mit ansehen, das sie erstorben ge-
wähnt hatten." Das ist G.s Nutzanwendung. Die meinige ist genau entgegengesetzt.
Was .damals Lessing war, sind heute neben Lessing auch Goethe und Schiller. Was
damals Kotzebue war, heisst heute Blumenthal und Eduard Jacobson. Und als Träger
einer neuen Richtung konnten 1797 nur Schiller und Goethe gelten, denen gegenüber
man Lessing in eine unwürdige Genossenschaft mit Kotzebue brachte, ganz ebenso wie
die Nikolaiten von heute Schiller im Bunde mit Schönthan gegen Ibsen, Zola, Tolstoi,
anpreisen. —
Wenn dies theaterkritische Buch von vor hundert Jahren in unseren
Bericlit hineingebort, so könnten mit ähnlichem Recht alle diejenigen mehr oder minder
kritischen Urteile und Referate hier verzeiclmet werden, die über schauspielerische
Leistvnigen und theaterkritische Darstellungen der Neuzeit in Blättern und Blättchen
stehen. Aber es ist so schwer, hier aus der Spreu die wenigen Weizenkörner zu
sondern, dass wir dies Wagnis einer späteren Zeit überlassen müssen. Erwähnt seien
hier nur noch die kurzen „Jahresberichte", welche Ad. Rosenberg im Supplement-
bande zu Meyers Konversationslexikon über theatralische Ereignisse der Jalu-e 1883 — 90
giebt. Diese könnten als ein Vorläufer unseres eigenen Unternelunens gelten, wenn sie nicht
doch zu kurz gefasst wären und wenn sie zuverlässiger wären; R. sagt den theaterge-
schichtlich ungemein aufschlussreichen Tagebüchern des alten, bereits 1837 verstorbenen
Burgschauspielers Costenoble denselben feuilleton istischen Charakter nach wie einer
Kompilation Kohuts und einer Tagesstreitschrift Müller-Guttenbrunns. —
Zur Geschichte der musikalisch-dramatischen Aufführungen in Deutschland sind
im Berichtsjahr ebenfalls nur einzelne kleinere Beiträge erschienen, eine zusammen-
fassende Arbeit, wie sie die Bedeutung des Stoffes verlangt und wie sie den Anforderungen der
Wissenschaft genügt, bleibt immer noch zu wünschen. Das einzige weiter angelegte Büchlein
von Emil Krause''*), der es versucht, einen Abriss der Entwicklungsgeschichte der
Oper zu geben, kommt über die Anführung der landläufigsten Daten und über die
Wiederholung der gewöhnlichsten Urteile und Redensarten nicht hinaus. — Dagegen
haben wir für die Lok algeschichte der Opernaufführungen in Stuttgart, Lübeck
und Darmstadt aufschlussreichere Berichte erhalten. Sittard 'S) verfolgte die Geschichte
der Musik und des Theaters am württembergischen Hofe in den Jahren 1458 — 1793 und
förderte aus archivalischen Quellen manches Wissenswerte zu Tage, lässt aber bei
der Nachlässigkeit seiner Darstellungsweise und der Unzuverlässigkeit seiner Angaben
eine sorgfältige Nachprüfung wünschenswert erscheinen. Als Datum der ersten Stutt-
garter Opernaufführung bezeichnet er das Jahr IGGO, eine stehende Oper weist er von
1697 an nach. Den wertvollsten und zuverlässigsten Abschnitt des Buches bildet das
Kapitel über Nicolo Jommelli und die Glanzzeit der italienischen Oper am schwäbischen
Hofe (1753 — 1769), während über die Anfänge des deutschen Singspieles in Schwaben
N. 138; J. Edgar: DBOhneng. 20, S. 113.]| (Tgl. u. IV 9a: 73.) — 69) Panl Riohard, Chronik samtl. Gastspiele d. herzogt.
Sachs.-Meiningenschen Hoftheaters wahrend d. J. 1874— 90. Leipzig, Conrad. 111, 164 S. M. 2,00. — 70) C. Raunholrer,
J. Philipp!, L. Manuel, J. Braun. Jb. d. k. k. Hofburgtheaters fBr d. J. 1891. Wien, Selbstverlag. 4«. 52 S. M. 1,60. — 71)
E. Mentzol, Schillers .Tugenddramon zum ersten Male auf d. Frankfurter BUhne: AFrankfG. 3, S. 2.38—300. — 72)
L. Geiger, Berliner Dramaturgie 1797/8 : VZg. N. 325. — 73) (Ad. Rosenberg): WKL. 18, S. 206/7, 315/6, 916'8. — 74) Emil
Krausf, Abriss d. Entwieklungsgesch. d. Oper mit litt. Hinweisen. Hamburg, Verlag.anstalt A.-G. VIII, 130 S. M. 2,00.
[H. lleimaun: BLU. S. 423/4; AMusikZg. S. 183/4, 195/6; LCDl. N. 40.]; - 75) S. o. N. 52. — 76) (. . Stiel, Musikgesch. d.
IV 5: 77-93. P, Schien th er. H. Welti, Tlieatergeschichte des 18./19. Jahrh. 118
eingehendere und sicherere Angaben erwünscht wären, — Axis der kleinen Schrift von
Stiel ''6) mag als einzig wichtiges Datum hervorgehoben werden, dass die erste Opern-
vorstellung in Lübeck am 5. Juni 1746 stattfand. — "Weitaus am sorgfältigsten ist das
umfängliche Werk von KnispeH''), das die Schicksale des Grossherzoglichen Hof-
theaters zu Darmstadt schildert. Der Vf. verzeichnet vollständig das Repertoir von
1810 — 1890 und leistet dadurch für die Operngeschichte mehr als alle schöngeistigen
Betrachtungen. Als erste Oper führt er an ein „Triumphierendes Singspiel der wahren
Liebe" von Wolfgang Carl Briegel (1626 — 1709) aus dem Jahre 1673. Von demselben
Tonsetzer ist eine Komposition zu Andreas Gryphius' „Verliebtem Gespenst" in
Darmstadt aufgeführt worden. — Eine mehr die Geschichte des Männergesanges
betreffende Abhandlung von Paudler'is) zeigt, wie rasch in der vormärzlichen
Zeit die bürgerliche Lustspieloper Lortzings auch im nördlichen Böhmen '^^-^o^ Eingang
fand. — Eine wichtige Episode deutscher Operngeschichte „Spontini in Berlin" hat
Ph. Spitta^^) nach archivalischen Quellen gründlich und vorurteilsfrei dargestellt. —
Ziemlich reich war natürlich die Litteratur über die Bayreuther Bühnenfest-
spiele ^2-85^ und das wichtige Ereignis der Aufführung des „Lohengrin" in Paris ^^-^'').
— Eine gute Zusammenstellung der auf die Begründung der Eestspiele bezüglichen
Thatsachen gab C. Heckel^^)^ —
Zum Kapitel der Geschichte von Sängern und Sängerinnen liefert den
wichtigsten Beitrag das breit angelegte zweibändige Werk von 11. S. Holland und
W. S. Rockstro *^9) über die Bühnenlauf bahn der Jenny Lind (1820 — 51). Der deutschen
Operngeschichte gehört dies erfolgreiche Künstlerleben 1844/7 an. Zur Kenntnis der
Meyerbeerschen Opernepoche und des Leipziger Konzertlebens zu Mendelssohn Zeit
spenden die Vff. schätzenswerte Beiträge. — Kürzere Lebensabrisse bieten die
während des Berichtsjahres erschienenen Bände der ADB^o-os), Allen diesen Arbeiten,
auch den besseren, mangelt es an jener Lebensfülle und Anschaulichkeit, die allein
durch eine möglichst vollständige Kenntnis des in Theaterarchiven und alten Zeitschriften
vergrabenen Quellenmaterials erlangt werden kann. — Wir glauben diesen Bericht nicht
besser schliessen zu können als mit dem Wunsche, die nächste Zeit möge uns recht sorg-
fältige Veröffentlichungen über die Spielverzeichnisse und das Personal der einzelnen
Bühnen bringen. Das wäre die erste Vorbedingung zu einer wissenschaftlichen Be-
gründung der Geschichte des recitierenden wie des musikalischen Dramas und ihres
theatergeschichtlichen Teils. —
Stadt Lübeck nebst e. Anhange Gesch. d. Musik im Fürstentum Lübeck. Lübeck, Hartmann. 116, IV S. M. 2,00. — 77)
H. Knispel, D. Grossherzogl. Hoftheatcr zu Darmstadt v. 1810 — 90. Mit e. gesch. Rückblick auf d. dramat. Kunst zu Darm-
stadt V. 1507—1800. Darmstadt, Zernin XIV, 570 S. M. 14,00. — 78) A. Paudler, Sängers Lust im Vormärz. E. Beitr. z.
Gesell, d. Städte Leipa u. Haida: MNordböhmExkursiousClub 14, S. 1—11. — 79) X Kud. Frhr. Prochazka, Musik u.
Theater während d. Krönungstage in Prag vor 100 J.: Bohemiau. N. 258. — 80) X C. Teuber, D. Prag. Krönungsoper: ib.
N. 240. — 81) Ph. Spitta, Spontini in Berlin: DRs. 66, S. 363—79. — 82) X H. Reimann, Naohkl. v. d. diesj. Festspielen
in Bayreuth: ML. 00, S. 098-700. — 83) X id.. Kritisches u. Unkritisches über Bayreuth: UZ. U, S. 418—31. — 84) X
G. Hörn, Bayreuth: WlüM. 71, S. 216-34. — 85) X Bayreuth: Kw. 4, S. 353/4. — 86) X Lohengrin in Paris: ML. 00,
S. 620/2. - 87) X R- Sternfeld, Lohengrin in Paris: DWBl. 4, S. 452. — 88) X C. Heckel, D. BUhuenfestspiele in
Bayreuth. Authent. Beitr. z. Gesch. ihrer Entstehg. u. Entwickig. Leipzig, Fritzsch. V, 78 S. M. 1,50. (Vgl. Brief R. Wagners
AMusikZg. 18, S. 423.) — 89) H. S. Holland u. W. S. Rockstro, Jenny Lind, ihre Laufbahn als Künstlerin 1820—51.
Aut. dtsch. Uebersetzung v. Hedwig J. Schoell. Brockhaus, Leipzig. XXII, 392, XIII, 418 S. M. 18,00. |[E. Hanslick:
NFPr. N. 9607/8, 9611.]| — 90) H. M. Schletterer, C( rona Schröter: ADB. 32, S. 660. — 91) id., Schröder-Devrieut:
ib. S. 534. — 92) H. Welti, Caroline Seidler: ib. 33, S. 641. — 93) id.. Josephine Schulze: ib. S. 75L —
119 R. M. Meyer, DidHktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 6: i-u.
1V,6
Didaktik.
Richard M. Meyer.
Einleitung, DispoHiti on, AllgemuinoB N. 1. — Didaktinche Litteratur: Hallor N. U; Geliert
N, 2; Kabener N. 7; Tfeffel u. a. N. 8; Hophi» Schwarz N. 16; Uobbd N. 16; Hieron. Lonn N. 18; Marie t. Ebner-EüclieobMli
N. 27. — Popultlrphilonphio: Wieland, I.iclitonberg, Forstor, Hippel, Zsdiokke N. 2«. — Philosophie: AllgemoineM N. 85;
Erste Anhänger und Gognor Kants N. ;tHf; Ficht« N. 45; Schelling N.48; Schopenhauer N. 51; Herbart N.83; Feuorbach N. 87;
NietiHcho N. 96. — Theologin N. 100: liavater N. 101a; Selileierraacher N. 107; K. llaao N. IIU; Marteuaen N. 117; DOllinger
N. 121. — Geschichte: Joh. v. Mllller N. 126. Uanko N. 132; Duncker, Sybel N. 134; Biehl, (iregoroviuH N. 137. — Philo-
logie: Klassische Philologie N. 138; Uehersotzer N. 142; V. Hohn N. 146. — Kunstlehro: Kunsthistoriker N. 147; Maler
N. 151. — Kritik N. 157. — Andere Disciplinen N. 168. — Journalisten N. 175. — Politiker: Aurklttrung, Re-
volution, Reaktion N. 178; Vormärz N. 187; Achtundvierziger N. 189; Staatsmänner dor neuesten Zeit N. 199; Uismarck
N. 200; Lassallo N. 203. — Uni vorsitaton N. 207. — Schulmänner und Pädagogen N. 211. — Volkserziehan g
und Zeitkritik N. 223. -
Einleitung. Es ist über die Unbestimmtheit der in den JBL. verwandten Rubrik
„Didaktik" Klage geführt worden. Indessen fasst dieser Ausdruck doch wolil mit genügender
Deutlichkeit alle diejenigen litterarisclien Leistungen zusammen, bei denen niclit die
künstlerisclie Gestaltung als solche, sondern die Absicht belehrender Wirkung das Haupt-
augenmerk des Autors bildet. Riclitig ist ja, dass gerade für das pädagogische 18. Jh.
diese Definition manches einschlingt, was allenfalls auch der Epik und Lyrik zugewiesen
werden köimte (Fabeln, geistliche Ennahnungslieder) ; solche Kompetenzkonflikte sind
ja aber kaum irgendwo völlig zu vermeiden und lassen bei wichtigeren Werken durch
eine mehrfache Beleuchtung von verschiedenen Standpunkten sich vorteilhaft lösen. —
Von der rein chronologischen Disposition meines Vorgängers will ich mit Rücksicht
auf das stark angewachsene Material zu einer nach Eächern und Zeiten sondernden
Einteilung übergehen. Ich beginne mit der im eigentlichen Sinne didaktischen Litte-
ratur: Lehrgedicht, Eabel, Satire. Von hier macht die Populäi-philosophie den Uebergang
zu den Wissenschaften, die sie in pädagogischem Sinne auszubeuten strebt. Als die drei
stärksten Wurzeln der deutschen Volkspädagogik stelle ich Pliilosophie, Theologie und
Geschichte voran,, denen weiterhin, je nach dem Grad ihrer allgemein-didaktischen
Benutzung, Philologie, Kunstlehre und Aesthetik, Naturwissenschaften folgen. Vom
Boden der reinen Theorie vermitteln dann Politik und Nationalökonomie den Uebergang
zur praktischen Pädagogik: zur Volkserziehung durch die Staatsmänner luid Politiker,
zur Einzelerziehung in Universität und Schule (in welch letzterem Teil ich freilich zu
Gunsten des besonderen Berichterstatters [1,GJ weichen muss), bis wir endlich, um
mit der höchsten Stufe der Didaxis zu schliessen, mit der über den nationalen Rahmen
hinaiis greifenden Zeitkritik „den Anfang mit dem Ende sich in Eins zusammenziehen"
lassen. — Den grössten Gewinn hat die didaktische Litteratur im allgemeinen aus
der Neubearbeitung von Goedekes *) Grundriss gezogen. Die §§ 204 (Haller, Hage-
dorn und Lehrdichter), 205 (Liscow, Rabener, Kästner und Satiriker), 207 (GeUert), 210
(Fabeldichter), 220 (Winckelmann), 222 (Populärphilosophen), 225 (Lichtenberg und
Humoristen), 228 (Hamann, Hippel, Jung-Stilling, F. H. Jacobi) haben an der reichen
Ernte von Nachträgen und Berichtigungen, die wir den Herausgebern und Bearbeitern
der zweiten Auflage verdanken, ihren voll gemessenen Anteil. Man braucht nur ganz
äusserlich den Umfang der Artikel in der ersten und zweiten Bearbeitung zu vergleichen,
um des starken Wachstums inne zu werden und damit des lüngebenden Fleisses, dem
er verdankt wird. So ist gleich in § 204 die Zalil der biographischen Arbeiten über
Haller von eins zu sechs gestiegen, wozu noch meln-ere Nummern über Tagebücher,
Briefe, imiere Entwicklung kommen. In jeder der bleibenden Nummern smd sodann
der Umfang, für die zweite Auflage der Schweizergeschichte die Besprechung in Gott-
scheds Beiträgen, und sonst mancherlei nachgetragen. Die Ersetzung der arabischen
Zahlen im Datum durch römische erhöht leider die Uebersichtlichkeit nicht — Ungemein
hat die Bibliographie für Hagedorn, beträchtlich die der Fabeldichter, am stärksten die
Gellerts zugenommen. Für Geliert ist an Stelle der Daten Goedekes die berichtigt«
Selbstbiographie eingerückt worden. Für Liscow konnte die Lebensbeschreibung wesent-
lich verbessert, für Trömer (in der ersten Auflage Trömel) und andere sehr bereichert werden.
Einzelne Daten sind überall zugefügt. Neue Autorennamen sind vor allem in § 204
(Lehrdichter) und § 222 (Populärphilosophen) eingestellt, so dass namentlich dieser
i) (IV 1 : 1.) — la) G. Bondi, D. Yerhaltnis r. Hallers philoa. Gedichten z. Philosophie seiner Zeit Diss-
IV 6: 2-6a. R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. 120
letztere sehr bedeutende Artikel ein ganz neues Ansehen gewonnen hat. Im übrigen
versteht es sich von selbst, dass hinsichtlich der Disposition sowohl als auch der
Auffassung die Bearbeiter sich durch Goedekes Grundlagen eingeengt fühlen mussten.
Da nun seiner entschieden volkstümlich gerichteten Art gerade die hier behandelten
Männer unendlich ferner standen als ein Hans Sachs oder gar ein Luther oder Schiller,
da er gegen das philiströse Element in all diesen Aufklärern, Lehrern und Moralpredigern
eine geheime Abneigung verspürte, so fehlt in der Charakteristik oft und in der An-
ordnung fast durchweg hier die glückliche Hand, die dem 16. Jh. so unvergleichliche
Dienste leistete. Dabei musste es nun sein Bewenden haben, und Moser behält seine
wenig geeignete Umgebung nach wie vor, Lichtenberg verliert sich unter den Kortum
und Langbein, und für Abbt findet sich auch jetzt noch kein Wort, das die Eigenart
unseres ersten mit Bewustsein und Absicht wieder „elegant" schreibenden Prosaikers
hervorhebt. Nur Winckelmann ist in eindringender Weise neu charakterisiert worden
und zwar von seinem grössten Kenner, K. Justi. Die treffliche Bearbeitung des in
seiner Art einzig dastehenden Werkes hat also an seiner Individualität nichts geändert:
nach wie vor bleibt jeder einzelne Artikel für die Specialforschung unschätzbar, nach
wie vor ist es unmöglich, aus Goedekes Kapiteln oder Charakteristiken allein von einer
Richtung oder einer Persönlichkeit ein treffendes Bild zu gewinnen. —
Das Interesse an der didaktischen Litteratur erscheint sonst im Berichtsjahr
auf den Namen Gellerts nahezu beschränkt. Vielleicht ist in der eigentümlichen
Mischung von Frömmigkeit und Frivolität, die den Leipziger Klassiker charakterisiert,
etwas, das die psychologische Gourmandise unserer Zeit reizt, wie ähnlich die Ironie der
Romantiker wieder in Aufschwung kommt. Doch ist es mehr der traditionelle als der
wirkliche Geliert, der zur Darstellung gelangt, und mehr der Form als dem Inhalt gilt
die Teilnahme. Woran liegt es also, dass Haller und Hagedorn ganz hinter Geliert
zurücktreten? Zwar über Haller handelt eine interessante Dissertation von Bondii»).
Im Gegensatz zu Frey und Hirzel sieht B. in Shaftesbury den eigentlichen philosophischen
Inspirator der Lelu'gedichte Hallers; und wenn auch nicht jede Einzelheit bestehen
bleibt, in der B. Abhängigkeit des schweren, strengen Schweizers von seinem eleganten
Vorbild annimmt, so ist doch der Beweis des in jenen Gedichten mächtig nachwirken-
den Einflusses Shaftesburys unzweifelhaft geführt. Lehrreich ist besonders die Ver-
gleichung der ältesten Texte mit den späteren Ausgaben, die Erörterungen über Begriffe
wie „Natur" und „Gott". Wie viel Irrtümer der litterarischen Anschauung z. B. über
Goethe beruhen lediglich auf Missverständnis individuell gebrauchter Termini solcher
Art! (Vgl. auch S. 21 Anm. 2 über „Wahngespenst"). —
Auf eine Vergleichung der ersten Ausgabe mit den späteren beschränkt sich
auch fast völlig die einzige wissenschaftlich fördernde Arbeit über Geliert. Im An-
schluss an Erich Schmidts Behandlung von Gellerts Fabelstil (ADA. 2, S. 54 ff.) untersucht
Handwerck 2) 1) die Anlage im ganzen, 2) den Ausdruck im einzelnen, 3) die
charakteristischen Erscheinungen des Satzbaues, 4) Färbung der Sprache usw., 5) stilistische
Beeinflussung. Die sorgfältige Arbeit hat sich in die Ursachen der Verbesserungen
verständnisvoll eingefühlt, obwohl gelegentlich vielleicht die führende Kraft der
metrischen Aenderungen über inhaltlichen Motiven unterschätzt wird. Besonders mache
ich auf die Beseitigung von zweigliedrigen Ausdrücken aufmerksam; ferner auf die
Wiederaufnahme mit „dieser" — fast eine Erneuerung altgermanischer Stilgewohnheiten
— und den Gebrauch der Interjektionen. — Gellerts Dichtungen sind ferner vollständig 8)
und in Auswahl *) erschienen und ebenso ist sein Leben in freier Bearbeitung vorgeführt
worden, teils in Auswahl ^), teils vollständig, durch den litterarhistorischen Jugendroman
von Stein-Nietschmann ^), dem man entschiedenes Geschick nachrühmen muss; fasst
man einmal Geliert als den christlichen Musterknaben, der er immer sein wollte, so
kann man ihn kaum anschaulicher vor die Augen stellen, als hier geschieht. Von den
inneren Kämpfen dieser von Begehrlichkeit zur Entsagung strebenden Seele erfahtt man
freilich hier so wenig wie sonst; wie der christliche Sokrates die Gefahren bedenklicher
Neigungen überwand und doch nicht ganz überwand, wie der stete Konflikt von Sinn-
lichkeit und Tugend ihn zu einem Gegenbild der Helden Wielands macht, das wird ver-
schwiegen und wäre in Gescliichts- und Lebensbildern für die Jugend wolil auch nicht
am Platze. Sehr gelungen ist die Zeichnung des Ehepaars Gottsched; auch gegen das
Wort „Vogelscheuchenhaftigkeit" (S. 30) haben wir nichts einzuwenden. Dagegen ist
Rabeners gar nicht uninteressante Persönliclikeit zu konventionell gehalten, und auch
die Audienz bei Friedrich dem Grossen kommt nicht zu ihrem Recht ''*). —
Leipzig. 40 S. M. 0,76. — 2) H. H a n d w e r c k , Studien ttber Gellerts Fabelstil. Marburjrer Diss. Leipzig, Fock. 4«. 43 S.
M. 1,00. — 3) Chr. F. Gollcrt, Diebtungen, kritisch durchgeseh. u. orlllut. her. v. A. Schullerus. Leipzig, Bibliograph. Inst.
VI, 28 u. 385 S. m. IMldnis u. Fksra. Geb. M. 2,00. — 4) id., Ausgew. Fabeln u. Erzählungen. Lahr, Schauenburg. 10". 94 S.
— 5) O P- Wurster, Segen d. Wohlthuns (CharakterzUge ans Gellerts Leben). Z. Aufführung hauptsächl. in
Jünglings- u. a. christl. Voreinen. 2. Aufl. Heilbronn, Scheurlen. 27 S. M. 0,30. — 6) Armin Stein [H. Nietschniaun],
Chr. F. Geliert. (= Dtsch. Gesch.- u. Lebensbilder XVIII.) Halle, Waisenhaus. VII. 203 S. m. l Bild. M. 2,40. — 6a) X M. K.,
121 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 6: 7-20.
Rabener ist von R. Vetter') behandelt worden. Für seine pädagogischen
Grundsätze seien bezeichnend die Betonung des Deutschen, die Förderujig des Nachein-
ander im Unterricht statt vei-wirrender Gleichzeitigkeit, die Hervorhebung der Geschichte,
und neben diesen Ratschlägen für die Schule das nachdrückliche Verlangen nach Reform
der Erziehung in der Familie. —
Für Pfeffol liegen neue Mitteilungen ®-9) und, als Beweis seiner Popularität,
ebenso wie von Gellorts ausgewählten Fabeln eine Miniaturausgabe als Reklame für
ötollwercks Chokolade vor***). — Für Seb. Sailer ist von P. Beck '2) dio Bibliograpliic
zuHJimniongOHtellt worden. — Sein protestantischer Amtsgenosse als Geistlicber und Volks-
scluiftsteller, Ilebel '^-1*), sei hier nur erwähnt, da er an anderer Stelle (IV,13) besprochen
wird. —
In die Epoche, in der die alte philanthropisch-erzieherische Litteratur von der
individualistischen Selbsterziehung der Romantiker abgelöst wurde, führt uns Diederichs''^)
Lebensbild der Sophie Schwarz, der Freundin der Elise von der Recke, die uns als
Sophie Becker vielleicht besser bekannt ist. Ihr interessantes Reisetagebuch macht
sie füi- die Litteraturgeschichte wichtiger als ihre Verse, für die nach D. Göckingk,
Gleim und z. T. Klopstock Vorbilder sind. —
Von hier gelangen wir dann in das Fahrwasser des ausgeprägtesten Individualismus
mit Hebbel, von dessen Sprüchen Emil Wolff^^) eine hübsche und ganz geschickte
Auswahl veranstaltet hat. — In Hebbels Umkreis führt Schlossars •') Biographie des
Fürsten Friedrich Schwarzenberg, des als Vf. von originellen Aphorismen bekannt<*n
„Landsknechts". —
Ein anderer Wiener Schriftsteller von durchaus individualistisch-pädagogischer
Richtung, Hieronymus Lorm, hat am 9. August IHÜI seinen siebzigsten Geburtstag
gefeiert, bei welcher Gelegenlieit die Deutschen auf ihre Dichter aufmerksam zu werden
pflegen. Die verschiedenen dieser Feier geweihten Artikel 18-24) bringen wenig Neues,
sie gelten überwiegend mehr dem allerdings bewunderungswürdigen Heros des Duldens
als dem philosophiHchen Lyriker, der doch manchen eigentümlichen Ton angeschlagen
hat und neben den feuilletonistisch- bizarren Weltschmerzdichtern Heinescher Schule,
Grisebach und Genossen, mit den einfachen rührenden, sich selbst singenden Tönen
gewisser Klagelieder einsam dasteht, gleichsam ein Dichter atheistischer Kirchenlieder.
Selbst Lorms-^-2*5) Selbstbetrachtung zersplittert mehr in einzelne Bemerkungen über
Naturalismus und Pessimismus, als dass sie in das Innerste des eigenen Wesens hinein-
stiege. Das freilich hebt Lorm selbst wie mehrere der Gratulanten hervor, wie der
Weltschmerz gerade infolge seiner individuellen Verschärfung zum „grundlosen Opti-
mismus" umschlug, zu einer Art Verzweiflungsoptimismus, der die Welt als schön
gelten lässt, weil man all ihr Elend doch nicht erfassen könne. Der Versuch zu prüfen,
wie weit die körperliche Organisation des seit langen Jalu-en blinden und tauben
Dichters auf seine poetische Gestaltung eingewirkt hat, ist nirgends gemacht worden. —
Leichter als der Sprung von massloser Verzweiflung zum „unvernünftigen
Sonnenglanz" ist die Verbindung von Humor und Verzweiflung. Deutschlands be-
rühmtester Humorist ist unter die Didaktiker gegangen; doch besprechen wir sein
Werk, als Fabel in aphoristischer Art schon hier zu erwähnen, besser unter dem Ab-
schnitt „Zeitkritik" (S. u. N. 227). Als eine schöne Gabe der Didaktik ist aber hier die
neueAusgabe der „Aphorismen" von Marie von Ebner-Eschenbach^') anzufülu-en. Auch
sie bewahrt durch pessimistische Tönung hindurch unbeirrt den Glauben an die Kraft
des Guten. Es wäre schlimm, wenn auf den reichen Schatz kunstvoll geformter Weis-
heit, den diese Sprüche darstellen, mit weiterer Empfeldung erst noch verwiesen werden
müsste. Es ist ein Werk, von dessen Kenntnis auch die genaueste Vertrautheit mit
Skandinaviern und Russen keinen Deutschon dispensieren darf. • —
Wenden alle diese Autoren sich an die litterarischen Kreise überhaupt, so setzt
die Populärphil o Sophie immer schon einen esoterischen Kreis voraus. Direkt an
Schüler wendet sich Wielands „Geschichte der Gelehrtheit"'^*^), über die an anderer Stelle
berichtet ist. — In unserer Zeit scheint den Populärphilosophen das Publikum gänzüch
zu fehlen. Der bedeutendste von ihnen, Lichtenberg, ist immer noch ein vergessener
Chr. F. Geliert Über d. Juden: AZgJudont. S. 588. — 7) (I 6:21.) — 8) O J- Bathgeber, 12 ungedr. Briefe y. PfefFel:
JbUElsLothr. 7, S. 128-40. - 9) Q. K. Pfeffels Fremdenbuch: AZgß.N. 298. — iO) G. K. Pfeffel, Biographie e. Pudels.
Lahr, Schauenburg. 16«. 64 S. — 11-12) P. Beck, Bibliographie lu Seb. Sailer: Alemannia 1», S. 36-42. — B) X
P. Diehl, J. P. Hebel: EvMBl. 11, S. 161-71 (vgl. 273/4). - 14) X Schlegel, Noch einmal Hebel: ib. S. 215. — 15)
Diederiohs, Sophie Schwarz: ADB. 33, S. 249-51. — 16) Em il Wolf f , SprUche v. F. Hebbel. Aus d. TagebOchem u. Briefen
ges.: HambCorr». N. 11. — 17) A. Sohlossar, FUrst Friedr. Schwarzenberg: ADB. 33, S. 290/5. — 18) H. Lorm: NFPr. v.
20. Aug. — 19) R. L., H. Lorm: VolksZg. v. 9. Aug. — 20) U. Frank, H. Lorm: BerlTBl. t. 8. Aug. — 21) H. Ganz,
H. Lorm: FZg. N. 220. - 22) Kl. F-t, H. Lorm: ib. N 227. — 23) A. L. Wolf, H. Lorm: AZgJudent. S. 375 7. - 23«)
Ph. Stein, H. Lorm: Didaskalia v. 9. Aug. — 24) id., H. Lorm: KielZg. N. 14429. — 25) H. Lorm, Danksagung: FZg,
N. 225. — 26) id., E. Selbstbetrachtung: NFPr. t. 9. Aug. — 27) Marie v. Ebner-Eschenbacb, Aphorismen 3. Aufl.
Berlin, Paetel. 1890. 196 S. M. 5,00. |tC. L : DLZ. S. 12ö3.]| — 28) ,1V 3 : 29.) - 29) P. Diehl, LesefrUcht« aus Lichten-
IV 6: 30-38f. R. M. Meyer, Didaktik des 18. '19. Jahrhunderts. 122
Klassiker, aus dessen Schriften Lesefrüchte zurecht gemacht werden, so jetzt von Diehl -^)
und E.Reichel so)^ weil niemand das Original liest. — Für LichtenbergsFreundForster hat
Leitzmann^i) die Mitteilungen aus Briefen (1890 IV 6 : 43) fortgesetzt. Der Mit-
begründer der Völkerpsychologie und wissenschaftlichen Ethnographie hat für uns noch
ein besonderes Interesse, weil seine Berichte über englische Litteratur zu den klassischen
Vorgängern unserer JBL. gehören. Aus Wilna hat er freilich über neuere Litteratur
nichts zu melden; im Gegenteil verzweifelt er über die Schwierigkeit, mit der neueren
Produktion sich in Verbindung zu halten (S. 165). Er spricht über Nicolais Wiener
Aufenthalt (S. 131), über den Tod Friedrichs des Grossen (S. 179), teilt mit, dass er
von Klopstocks Prosa nichts gelesen habe (S. 190), stichelt auf den Archimagus
Wöllner (S. 207) ; aber diese vereinzelten Bemerkungen über litterarische Zeitgenossen
verschwinden in der Flut der Klagen (besonders beweglich S. 174) und des Zorns über
die polnische Wirtschaft (S. 136, 139). Noch mögen ein paar Worte über seine Fa-
milie (S. 212) herausgehoben werden. — Nur Miscellen betreffen Hippel 32) und
Zschokke33)j soweit er hierhergehört, in dessen Freundeskreis Pag eis 3*) Biographie
des Arztes Schmutziger einführt. Zschokke hat ihm „Addrich im Moos" zugeschrieben
und ihn auch sonst liebevoll erwähnt. —
In den rein wissenschaftlichen Betrieb der neueren Philosophie leitet Kuno
Fischers 35) bekanntes, in neuer Auflage erschienenes allgemeines Werk ein. — Ueber
den gegenwärtigen Stand orientieren Falckenbergs Rede und Jodls Bericht. Um die
Antrittsrede Falckenbergs ^6) zu würdigen, muss man wohl Fachmann sein; anderen
scheint sie nur eine oberflächliche Klassifikation der bekanntesten Namen. Nietzsche
wird natürlich ignoriert wie vormals Schopenhauer. Die Hauptaufgabe des Vortrags
ist, die „Unaufgebbarkeit der Metaphysik" zu verkünden, wofür besonders Wundts
Rückfall in die Bildung lückenloser Systeme beweisend sein soll. — Lehrreicher ist
Jodls ''3) Referat, aus dem wenigstens über die grossen Stromrichtungen der gegen-
wärtigen deutschen Philosophie ein Bild zu gewinnen ist. Doch scheint dem energisch
positivistischen Autor volle Unparteilichkeit für fremde Bestrebungen zu fehlen.
Dazu kommt ein verdriesslicher Ton, der sich bis zu der Behauptung versteigt, nirgends
in den grossen civilisierten Ländern habe wirkliches Freidenken so wenig Fuss gefasst
wie in Deutschland (S. 272) ; vermutlich soll England das Musterland wahrer Aufklärung
vorstellen. — Vom entgegengesetzten Standpunkt atis überschaut der Jesuit H. Gruber^S)
die neuere Entwicklung der Philosophie. Sein schwerfälliges Bixch ist reich an Material;
auch die Versuche zu praktischer Ausgestaltung philosophischer Forderungen im öffent-
lichen und privaten Leben zieht er heran. Im übrigen ist seine Methode die übliche,
die Philosophen gegenseitig durch ihre Kritik aneinander aufzureiben. — Ueber den
Begriff des Positivismus handelt mit unklarer Disposition und in ungelenker Sprache
Schleimer 38a). Er fasst den Positivismus als Philosophie des Socialismus und sucht
ihm damit eine eigentümliche Stellung zu sichern, den Mangel einer selbständigen
Ethik zu entschuldigen und Zweifel an der philosophischen Geltung des „Comtismus"
zurückzuweisen. Indem er die Vermischung anderer Standpunkte mit dem eigentlich positivis-
tischen abwehrt, kann er sich doch von beständiger Rücksicht auf dieselben nicht fernhalten.
Schliesslich beruht seine Beweisführung doch eigentlich nur auf dem Zirkelschluss, dass
das Kriterium des Positivismus (S. 24) erst aus Comte geholt und dann nirgends anders
gefunden wird. — Den Versuch, eine positive Weltanschauung^ auf dem Materialismus
aufzubauen, machte Strecker 38b). — Im Gegensatz dazu haben' mehrere Theologen wie
Luthardt38c)^ Gottschick 38d-)^ Beyschlag38e) sich gegen die modernen Weltanschau-
ungen und ihren Ausdruck im Staatsleben mehr oder minder polemisch gestellt. —
Einzeldarstellungen betreffen vorzugsweise Kants erste Anhänger und
Gegner sowie seinen „Vollender" Schopenhauer. Abseits steht nur Mendels-
sohn, in dessen persönliche Verhältnisse zwei kleine Mitteilungen einführen: in seine
Jugend die von D. Kaufmann 38f) gegebene Biographie eines Mitschülers seiner
bergs vermischten Schriften: EvMBl. 11, S. 232/8. — 30) Eug. Reichel, Lichtenbergs polit. Meinungen: Zeitgeist v. 6. Juli.
— 31) A. Leitzmann, Beitr. z. Kenntnis G. Forsters aus ungedr. Quellen IIL: ASNS. 87, S. 129-21(1. - 32) E. V. Zencker,
Hippel u. d. Frauenfnige : AZg". N. 26. — 33) O E. Satire auf Zschokkes Stunden d. Andacht: PastoralHlRottenburg 9, S. 40. —
34) Pagel, H. Schmutziger: ADB. 32, S. 65. — 35) O Kuno Fischer, Philos. Schriften I. Einl. in d. Gesch. d. neueren
Philos. 4. Aufl. Heidelberg, Winter. IV, 163 S. M. 4,00. — 36) B. Falckonberg, üeber d. gegenwärtige Lage d. dtsch.
Philos. Akadem. Antrittsrede. Leipzig, Veit & Co. 1890. 30 S. M. 0,60. |[M. Krononberg: Nation", v. 3. Sept.]| — 37)
F. Jodl, German Philosophy in the 19 Century: The Monist. Chicago. 1, S. 263—77. — 38) Horm. Gruber S. J., 1). Posi-
tivismus V. Tode Comtea bis auf unsere Tage (1857—91). (= Erganzungshofto zu StML. N. 52.) Freiburg i. B., Herder. VII,
194 S. M. 3,25. |[D: LCBl. S. 1485; K. Hermann: BLU. S. 635(6; 0. Noumann-Hofer: Gegenw. 39, S. 134/6.] | — 38a)
A. Schleimer, D. Positivismus. E. krit. Studie. Diss. Leipzig, Fock. 31 S. M. 0,80. — 38b) W. Streck e r, Welt u. Mensch-
heit V. Standpunkte d. Materialismus. Nebst e. Einführung v. L. Büchner. Leipzig, Spohr. XV, 243. M. 3,00. - 38c)
C. E. Luthardt, D. modernen Weltanschauungen u. ihre prakt. Konsequenzen. Vortr. über Fragen d. Gegenw. (= Apologie
d. Christentums. 4. Tl., 3. Aufl.) Leipzig, Dörfi'ling & Francke. XII, 286 S. M. 6,00. - 38 d) (15: 456.) — 38 e) W.
Beyschlag, Welche Entwicklung hat d. Yerhallnis v. Staat u. Kirche in Preussen im 19. Jh. genommen u. welcher Ver-
besserungen ist es fähig u. bedürftig? Ref. Halle, Strien. 25 S. M. 0,40. — 38 f) D. Kaufmann, Aus M. Mendels-
123 R. M. Meyer, Didaktik des 18,/19. Jahrhundert«, Iv 6: 38g.««b.
jüdischen Lehrer, in sein Alter ein von Kayserling'*^«) veröffentlichter Brief seiner
"Witvte. — Maimon wird von C. A. Fischer 3«) inid Platner von Wreschner*®)
und P. Bergemann *^) behandelt; Liebmann*-) brachte die Lebensgeschichte eines
eifrigen Anluingers, des Philosophen Schultz, und Pagel*'') die eines entscliiedenen
Gegners von Kant, des berühmten Arztes Seile, femer Kühnemann**) die von
Aonesidomus- Schulze, der als Lehrer Schopenhauers noch eine besondere Bedeutung
bcaiispruciit. Er hat auch in der Dissertation Wreschners eine besondere Berück-
sichtigung gefunden. —
Von Fichte werden ungedruckte Briefe an den Theologen Schmidt in Giessen
durch A 1fr. Bork*^) voröfFentlicht. Zum Teil betreffen sie den Atheismus-Streit. Notiert
wurden mag Fichtes Erklärung: Fichtianer kenne er nicht; sie würden ihm aber noch
mehr als die Kantianer zuwider sein. — In neuer Auflage erschien A. Baiers**)
Denkrede auf Fichte. — Aus Krauses unerschöpflichem Nachlass wurden durch Hohl-
feld und Wünsche*'') wieder zwei Bände herausgegeben, den rührenden Enthusiasmus
des Uebermenschen-Predigers wie seine Verworrenheit und Unzugängliclikeit von neuem
illustrierend. —
lieber Schelling nach der Schlacht bei Jena werden ein paar schon bekannte
Briefstellen zusammengetragen*»); sein Briefwechsel mit König Maximilian von Baieni
(JBL. 181)0 IV 6:63) fand zahlreiche Besprechungen, förderlich besonders durch
Heigel *'^). — Sein Schüler, der Naturpliilosoph G. H. v. Schubert, ist von Hess»)
charakterisiert worden. —
Derjenige Philosoph, der am meisten von allen der eigentlichen Litteratur
angehört: Schoj)enhauer, hat mehr Behandlung gefunden als die übrigen zusammen.
Für dieADB. hat Liepmann^') ein Lebensbild verfasst, klar und verständig, fem von
der mystischen Verzückung der Anbeter des „modernen Buddha". Nur den Ausdruck,
der ewig Grämliche habe ein „heiteres Alter" gehabt, möchten wir beanstanden. Klar
ist auch die Darstellung des Systems, zu nüclitem vielleicht: die orientalisierenden,
mystischen Züge treten zu stark zurück. Für die Gesamtbeurteilung des Philosophen
stellt L. gewiss mit Recht seinen Mangel an jeglicher Erziehung in den Vordergrund;
sie zeigt sich auch in dem eigensinnigen Abweisen alles zu vorgefassten Meinungen
nicht passenden Lernens, die kaum ein Philosoph in so starkem Grad wie Schopenhauer
zeigt. — In die Verhältnisse seiner Jugend leuchten auch Kummers ^2) und Brum-
mers ^3) Biogi-aphien seiner Mutter und seiner Schwester herein, der Freundin Goethes
und der Freundin Annettens von Droste. — An ein paar Einzelfragen behandelnde Auf-
sätze5*-56^, von denen wir Rud. Lehmanns ^'-^s) Vortrag über die litterarhistorische
Stellung Schopenhauers hervorheben, schliesst sich die Fülle der Ausgaben: Gesamt-
ausgaben von Frauenstädt^'') und M. Brasch «O), vor denen Grisebachs ß«) sich aus-
zeichnet, Auswahl aus sämtlichen Werken f^'^), Ausgaben einzelner Werke '»^-''Sb). Besonders
beliebt ist aber in unserer für Extrakte schwärmenden Zeit die Form des philosophischen
Mosaikspiels. Was Schopenhauer über einen bestimmten Punkt gesagt hat, wird neben-
einander gesetzt, nicht etwa — was sehr dankenswert wäre — in Form einer dokumentierten
sohus FrUhzeit: AZgJudent. S. 476/8. — 38g) M. Kayserling, E. ungcdr. Brief Fromet Mendots8ohns: ib. S. 106. — 38)
(1 6:308; S. 61—72.) — 40) A. Wrosclinor, E. Platners n. Kants Erkenntnistheorie in. bes. Beröcksirhtigung Ton Tetcns n.
Aenosideinus. Diüs. Boriiu. 25 S. M. 0,üO. — 41) P. Horgeniann, Ernst Platner als Moralphilusoph u. sein Verhtütnis t.
Kantseben Ethik. Hallenser Diss. Leipzig, Fock. 56 S. M. 1,00. — 42) Liebmann, Joh. Scbulti: ADB. 32, S. 716/7. — 43)
Pagel, Chr. G. Seile: ib. 33, S. 682/4. - 44) E. Kühnoniaun, G. E. .Schulze:ib. 32, S. 776-80. — 45) Alfr.Bock, Ungedr.
Briefe an Fichte: DDichtung 10, S. 203/4. — 46) A. Baier, J. G. Fichte. Akadom. Festrede. = Aus d. Vergangebheit
[I 3 : 7—8] S. 93—129. — 47) K. C. F. Krause, Anschauungen oder Lehren n. EntwQrfe i. Höherbildung d.
Menschheitlebcns. Aus d. hs. Nachl. d. Vf. her. v. P. Hohlfeld u. A. WOnsche. 2. Bd. Leipzig, 0. Schulze.
Vlll, 220 S. u. IV, 389 S. M. 8,50. Bd. 1 u. 2 M. 13,00. l[-8s— : LCBI. S. 1778.]| — 48) F. G., Schelling nach d. Schlacht
bei Jena: WUrttStaatsanzn. S. 158. — 49) Maximilian 11. v. Bayern u. Schelling. Briefwechsel | IVZg*. N. 169; J. Kreyen-
btlhl: NZUrchZg. S. 169-71; H. Porges: MUnchNN. N. 18 u. 22; Heigel: HZ. 67, S. 102— 10; Heigel: DLZ. 12, 8.131;
D.: LCBI. S. 36.]| — 50) W. Hess, Gotthilf Heinr. v. Schubert: ADB. 32, 8. 631/5. — 51) H. Liepmann, Schopenhauer:
ib. S. 333-46. —52) (IV 3:84.)— 53) F. BrUmmer, Adele Schopenhauer: ADB. 32, S. 332/3. — 54) A. Schopenhauer n. seia
Denkmal: FZg. N. 50. — 55) L. Hofnor, A. Schopenhauer u. d. Kunst: WIDM. 71, S. 140/3. — 56) E. B. Richard
Müller: Balth. Gracian u. Schopenhauer: VZgs. N. 20/1. — 57) Kud. Lehmann. D. litterarhist. Stellung Schoponhauera.
Vottr.: VZg. N. 115. — 58)E. Ms. Schopenhauers: NFPr. v. 24. Mttrz. — 59) Schopenhauer, Stmtliche Werke her. t. J. Frauen-
städt. 2. Aufl. Neue Titel-Ausg. 6 Bde. Leipzig, Brockhaus. H. 18.00. — 60) id., Werke. Mit Einl., Anm. u. Charakteristik
in Ausw. her. v. M. Brasch. 2 Bde. Leipzig, Fock. XXXll, 740 u. VI, 781 S. M. 10,00. — 61) id , Sämtliche Werke her.
V. E. Grisobach. Leipzig, Reclam. ILDDichtung v. 24. Febr.; Eh.: LCBI. S. 1030; Bud. Lohmann: DLZ. 12, S. 843.]i — 62)
id., Lichtstrahlen aus seinen Werken. Mit e. Biogr, n. Charakteristik v. J. Frauonstidt. 7. Aufl. Leipzig, Brockhaua. 12".
XXIII, 232 S. M. 3,00. — 63) id., D. Welt als Wille u. Vorstellung. 8. Aufl. Her. t. J. Frauensttdt. 2 Bde. ebda. XXXVI,
633 u. VI, 743 S. M. 6,00. — 64) id., Parerga u. Paralipomena. 7. Aufl., 2 Bde. ebda. XV, 532 u. VI, 696 S. M. 6,00. —
65) id., D. beiden Grundproblemo d. Ethik. 4. Aufl. ebda. XLll, 276 S. M. 2,00. — 66) id., üeber d. rierfach« Wnnei d.
Satzes V. zureichenden Grunde. 5. Auti. Her. v. J. Frauenstidt. ebda V, 100 S. M. 1,50. — 67) id., üeber d. Willen in
d. Katur. 5. Aufl. Her. v. J. Frauenstadt, ebda. XXXIl, 147 8. M. 1.50. — 68) id., Parerga n. Paralipomena, B. 2, mit
Einl. n. Anm. her. v. R. v. Koeber. Berlin, M. Boas. VI u. 664 8. M. 7,20. |[NZg. t. 7. Okt.]] — 68a)
id., Aphorismen z. Lebensweisheit (= Meyers Volksbücher 845/8.) Leipzig, Bibliogr. Inst. 160. 255 S. M. 0,40. — 68b) id.,
Parerga u. Paralipomena 111. Aphorismen z. Lebensweisheit. (=: Bibl. d. Gesmmtlit. N. 469— 70.) Halle, Hendel 476 S. kl. 0,50. —
IV 6: 69 87. R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. 124
Entwicklungsgeschichte seiner Meinungen, sondern lediglich in halb lexikalischer Form 6ö-73^,
Der „konzentrisch-schaligen Natur der Schopenhauerschen Schriftstellerei" entspricht das
wohl weniger als dem Bedürfnis unfleissiger Schopenhauerianer, die nun bloss nachzu-
schlagen brauchen, um zu wissen, auf welches Wort des Meisters sie zu schwören haben. —
Die Ausgabe von B rasch ''4- ''S) hält zwischen einer kommentierten Neuausgabe und
einer durch inhaltliche Gesichtspunkte bestimmten Neuordnung die Mitte. Die Erläute-
rungen sind auf den Mindestfordernden berechnet; für die litterarische Urteilsfähigkeit
des Kommentators stehe die Probe, dass er Samuel Smiles neben La Rochefoucauld
stellt. — Eine dritte Sammlung von Schopenhauer-Heften hat erst begonnen ''9). — Wie
diese Hochflut der seit 1890 aus Brockhaus' Verlegermonopol entlassenen Schriften
wirken wird, steht dahin 80-82^j f^j. (\[q j^j.^^ ^jg -y^jj. unsere berühmten Autoren behan-
deln, liefert ihre Gesamterscheinung jedenfalls kein glänzendes Zeugnis. —
Die streng wissenschaftliche grosse Ausgabe der Werke Herbarts von Kehr-
bach ^3) schreitet fort. — Sein Gedenktag ist mehrfach gefeiert worden; uns sind zwei
Aufsätze zugegangen: eine meisterhafte Charakteristik von Seiten seines berühmten
Schülers Steinthal ^4) und ein populärer Zeitungsartikel 85). — Ausserdem ist auch seine
Aesthetik von Hostinsky^e) auf dem eben charakterisierten Wege des Mosaiks aus
Sätzchen und grösseren Abschnitten hergerichtet und mit einer knappen Einleitung ver-
sehen worden. —
Viel bedeutender ist das Werk, das Bolin *^'') über F-euerbach geschrieben
hat. Aber den enthusiastischen Urteilen der meisten Recensenten vermag ich mich auch
hier nicht anzuschliessen. Wenn statt eines geschlossenen Werkes über den merk-
würdigen Mann nur eine Reihe einzelner Kapitel gegeben werden, die streifenförmig
nebeneinander hängen, so erklärt man : der Autor habe eben nicht mehr geben
wollen. Aber ein gewollter Kunstfehler bleibt ein Kunstfehler, und wie das Werk nun
vorliegt, berechtigt es das Urteil Barbey d'Aurevillys, statt Bücher zu geben, gäben die
Deutschen nur Vorbereitungen zu Büchern. Wenn die von Feuerbachs Tochter dem
nordischen Gelehrten zur Verfügung gestellten, höchst interessanten Papiere des Philo-
sophen zu einer partiellen Verarbeitung reizen konnten, warum komite der Herausgeber
nicht auch den letzten Schritt thun und alle Materialien zusammennehmen, um endlicli
die wahrhaftige Gesamterscheinung Feuerbachs zu zeichnen? Aber auch hier bleibt
es bei mühsamem Mosaik, das, durch keine geistige Bindung zusammengehalten, für den
Leser in lose Steine auseinanderfällt. Oder soll man das ein geistiges Band nennen,
dass diesem tapferen Bilderstürmer ein Götzendienst geweiht wird, der ihn als den Gott
ohne Fehl, jeden Andersgläubigen als verstockten Sünder erscheinen lässt? Man braucht
wirklich weder fromm noch reaktionär zu sein, um diese Art pfäfflsch zu finden,
pfäffisch wie nur irgend eine der von B. verketzerten Gegenschriften es gewesen sein
kann. D. F. Strauss, den ich wahrlich nicht liebe, dem aber doch wohl jeder Partei-
gänger der religiösen Aufklärung Achtung schuldet, tritt völlig zurück hinter Sternen
sechszehnten und siebzehnten Ranges, die wegen ihrer Bekenntnistreue zu Sonnen
erhoben werden. Ligersoll wird uns angepriesen, dieser. Klassiker der Platitüde, der in
dicken Büchern mit etwas Witz und viel Behagen beweist, Moses habe es versäumt,
bei Lyell und Darwin in die Schule zn gehen. Aber er hat an Feuerbachs Tochter
geschrieben, er verehre ihren Vater. Man kann ja die persönliche Tapferkeit eines
Bradlaugh und Foote loben; aber Fanatismus gehört dazu, in diesen Mäiniern Vertreter
philosophischen Fortschrittes zu sehen. Und gar Schüler Feuerbachs, Vollender seiner
Lehre! Gerade der Kern von Feuerbachs Lehre fehlt ihnen ja: die Erkenntnis der
psychologischen Genesis des Christentums; ihnen ist die Religion nichts als ein unge-
heurer vom Himmel geschneiter Irrtum. Ich wäre auf diesen Punkt des vielgelobten
Buches nicht so ausführlich eingegangen, wenn er nicht bewiese, wie B. innerlich zu
seinem Helden steht. Für das Positive in ihm hat er nicht das mindeste Verständnis.
Da er ihn aus allen Zusammenliängen herausreisst, ist Feuerbach ihm nur — der
69) id., UeLer Religion u. Schicksal. Leipzig, Brockhaus. 120. VII, 171 S. M. 2,00. |[D.: LCBl. S. 1036.]| — 70) id., Ueber
d. Goistersehen. ebda. 12». VII, 127 S. M. 2,00. |[D. : LCBl. S. 1035.]| — 71) id., Philosophie d. Kunst. 2 Bdchen. ebda.
120. VII, 168 u. V, 253 S. M. je 2,00. |[D.: LCBl. S. 1035.]| — 72) id., Ueber Genie, grosse Geistor u. ihre Zeitgenossen.
E. Samml. v. Stelion aus s. Werken, ebda. 12«. VII, 151 S. M. 2,00. - 73) id., Ueber Urteil, Kritik, Beifall, Ruhm, Wahr-
heit u. Irrtum. E. Samml. v. Stellen aus s. Werken, ebda. 120. VII, 151 S. M. 2,00. — 74) id., Z. Lebensweisheit. Ab-
handlgn. Her. m. Einl. v. M. B rasch. 2. Aufl. Leipzig, Fock. IV, 96 S. M, 1,00. — 75) id., Ueber Religion. Her. v. M.
Brasch. 2. Aufl. ebda. 35 S. M. 0,50. — 76) id , Z. Aesthetik d. Poesie, Musik u. d. bild. KUnste. Her. v. M. Brasch.
2. Aufl. ebda 43 S. M. 0,50. — 77) id., Genie u. Wahnsinn. Her. u. erl. v. M. Brasch. 2. Aufl. ebda. 30 S. M. 0,50. -
78) id.. Kleinere Aufs. Tormischten Inhalts. Her. m. Eiul. v. M. Brasch. 2. Aufl. ebda. IV, 107 S. M. 1,00. — 79) id.,
Z. Metaphysik d. Geschlechtsliebe. (= Samml. Fried. Bd. 4). Berlin, Fried & Co. 157 S. M. 1,00. — 80) M. Kronenberg,
Neue Schopenhauer Ausgaben: Nation". 8, S. 563|4. — 81) W. Gwinner, Schopenhauers Werke in neuer Gestalt: AZg".
N. 142. — 82) Schopenhauerus redivivus: Gronzb. II, S. 22-33. — 83) (I 6 : 33). — 84) U. Steinthal, D. Philosoph J. F.
Horbart: Zeitgeist v. 17. Aug. — 85) F. W., J. F. Herbart: KielZg. N. 14453. — 86) (I 3 : 12.) — 87) W. B olin, jL. Feuer-
hach, sein Wirkon n. s. Zeitgenossen. Mit Benutzung ungedr. Materials dargest. Stuttgart, Cotta. X, 353 S. M. 6,00.
IL. Weis: BLU. S. 711/3; Ch. S.: SchwttbKronik N. 179; Th. Zioglcr: Nation«. 9, S. 22; F. .lodl: DLZ. 12, S. 1700.]| —
125 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhundert«. IV 6: 88 102.
Bekäniijfer seiner Gegner. Aber Fouerbadi ist positiv wie nur Einer, Theolofjf ist er
von Haus aus, religiöser liefonnator. Jene gewahige Bewegung trägt ihn, die das
müde offizielle Christentum zu verjüngen strebte. Wie Kierkegaard in ethischer, La
Mennais in socialer Hinsicht, so geht er in |)hilosoj)hischer Weise auf die Grundlagen
des Christentums aus. Luther war bis zu den Schriften gegangen; er geht bis zu der
Grundlage der Schriften, zu dem Menschen selbst. Auch hierin steht er nicht allein.
Lichtenberg hatte schon jenes Wort gesjn-ochen, das die Wendung der Theologie zur
Anthropologie bedeutet: der Mensch iiabe Gott nach seinem Bilde geschaffen; Goethe
liatto nicht nur gesagt, wie einer sei, so sei sein Gott, sondern er hatte schon 17H1 an
Lavater die Grundformel des „Feuerbacliianismus" geschrieben: „Wohl saget ihr, dass
der Mensch Gott und Satan, Himmel und Erde, alles in einem sei; denn was sind diese
Bcgrifto anders als die Concepto, die der Mensch von seiner eigenen Natur hat" (Briefe
Weimarer Ausgabef), S. 1U8). Alles das wird verschwiegen. Ja, als wenn B. jedes tiefere Urteil
über seinen Heros prinzij)iell sclieuen wollte, wird unter den vielen „Aniiängern" weder
Dülu'ing mit seiner meisterhaften Charakteristik noch Brandes mit seinem glänzenden
Hymnus erwähnt, die Feuerbach doch näher stehen als viele dort genannte; auch auf
die Dichter wird keinerlei Kücksicht genommen und weder Herweghs begeisterte Zu-
stimmung noch Gottfr. Kellers witzige Ablehnung erwähnt. — Zwei kürzere Aufsätze, der eine
ebenfalls von Bolin***^), der andere von Th. Ziegler ^^), entwerfen von dem Philosophen
von Brück berg jedenfalls ein zutreffenderes Bild als der breite Panegyrikus. — Beide aber
scheint mir ein gegen Bolin polemisiere:ider Artikel von Valbert (d. i. Cherbuliez)'''') zu
übertreffen, der auf das Dichterische in Feuerbach verweist und des Philosophen Hsuss
gegen platten Eationalismus seinen diese Wege einschlagenden Verehrern vorhält. Es
ist überhaupt nicht selten in neuerer Zeit, dass die vielberufene Gründliclikeit auf
französischer Seite mehr zu finden ist als auf deutsclier. In p.sj'chologischer Hinsicht
meine ich; in bibliograpliischer übertrifft uns niemand. — Anekdoten über unseren
Denker bringt ein anonymer Zeitungsartikel^'). — Als ein Zeichen, dass für die Bewe-
gungen der vierziger Jahre sich erneutes Interesse zu regen beginnt, sei der Neu-
(Iruck der bekannten Agitationsschrift von Weitling "2) genannt, die etwa La Mennais'
Anschauungen zum Ausdruck bi'achte. — Der akademischeOptimismusCarriöres^*-^3k^ hat
eine neue Auflage erlebt"*). — Grosses Interesse erregte Hamerlings autodidaktische
Philosophie ö^*), wie zahlreiche meist mehr das dilettantische als das poetische Element
betonende Recensionen bezeugen. —
Ueber einen grösseren Einsamen unter den Philosophen hat aus eingehender
persönlicher und litterarischer Kenntnis Lo\i Andreas-Salome ^ö-"^) gehandelt, ohne
doch dem künstlerischen Schaffenstrieb Nietzsches, seinem Verlangen nach unablässiger
Gedankonproduktion , nach iniaufhcirlichem Umformen des eigenen Geistes gerecht zu
werden. — Lorm"**) liat ihn als einen Pfuscher abgekanzelt; die alte Geschichte: Prusias
hält dem Hannibal einen Vortrag über Strategie 0**»). — Mehr als Historiker der Philosophie
denn als Philosoph hat Schwegler Bedeutung, dem der grösste Teil der studierenden
Jugend Deutschlands alles verdankt, was er von Philosophie weiss. Sein Lebensbild
von Teuffei 0'') zeigt einen in Theologie, Geschichte und Philosophie rastlos sich bemühen-
den Mann, der sich früh zu Tode gearbeitet hat. —
So wären wir bei der Theologie schon angelangt '"O). Es sind vorzugsweise
Vertreter der liberalen Theologie zum Gegensfand der Untersuchung gemacht worden.
Semler ist von Tschackert '"') dargestellt — Mehrfach wui-de das Bindeglied zwischen
Broad Church luid High Church der klassischen Periode behandelt: Lavater.
Funck""») erzählt in glatter Form Lavaters Verhältnis zum Markgrafen Karl Friedrich
von Baden grossenteils auf Grinul ungedruckter Quellen; für die theologische Thätig-
keit des „Propheten" ist dies Verhälfnis sehr lehiTeicIi; auch seine „faustische" Stellung
zu weisser und schwarzer Magie erfährt neue Beleuchtung 'o*-). — Wichtiger als- die an
drei Stellen, dreimal zu oft, abgedruckte Skizze des unheimlichen Vielschreibers
88) id., Z. EhrenKPdHchtnis L. Feuerbai- lis : Nationn. 8, S. 545/7. — 89)Tlieob. ZioRler. Ludw. Feoerbach: ib. 9, S. 22/S.
— 90) Q. Valbert, L. Feuorbach: KDM. 107, S. 215—26. — 91) Dr. H.. Erinnorungcn an L. Feuorhacli: NFPr. 29. ApriL —
92) W. Weitling, D. Evangelium o. armon SUndors. Köln, Teubner. 13.< .•^. M. 3,«0. — 93) O M. Carripre, D. sittl. Welt-
ordnung. 2. erwoit. Auil. Leipzig. HrockUus. XIV, 468 S. M 8 00. !|R. Eueken: DLZ. 12, S. 809.1| — 93«) Ad. Lasgon.
M. Carri^res „Sittliche Weltordnung": NatZg. N. 2<)6. — 94) I.. HUchner. Antwort an Herrn M. Carri^re: DR, 16, I,
S. 246— 50. — 95) (IV 3:176.) p. v. Hartmann: Gegenw 39. S. 5-8; Ed. Graf I.ameian: NAS.59. S. 212-25; B. MOni: ÜZ.2.
S.69-68;Grenzb lI,S.470-^0; K Lasswitz: DLZ. S. 1371 ; Eli.: LCHI. S. 106»; c». KZg. N. 18.]; — 96) L. Andreas-Salom«,
F. Nietzsche: VZgS. N. 2-4. — 97) id., Z.Bilde F. Nietzsche. E. i>sjchologisclie .Studie. I-Ul : Fr». 2, S. 64/8,88—81.109—12.
— 98) H. Lorm, Naehtrllgl. Über F. Nietzsche: Gegenw. 39. S. 409-11. — 98«) X Georg Adler, F. NietMcbe, d. Soxial-
Philosoph d. Aristokratie: Ni.."-*. 50, .^. 224—40. — 99) W. S Teuffcl. Alb. .'J.hwegler: ADU. 33. S. 327/8. — 100) O P»»*-
kowski. n. Bedeutung d. theolog. Vorstellung fUr d. Ethik. Berlin. Mayer & »lUller Vlll. 92 S. M. 2.20. ;[M.: LCBL 8.
l.'>77.]| - 101) P.Tsohackert.Joh.Sal.Semler: A DB. 33, S. 698-704. 101«) Heinr. Funck, J. K. Lavater u. d. Markgraf Karl
Friedr. V. Baden. Freibnrg i. B.. Mohr. VI, 58 S. M. 1,00. |(AZgB. N. .342 ; Ed H.: HZ. 68. S. 120fl; NZg. 189J,
N. 269; LCBl. S. 1366.]] - 102) Ed. Hang, E. Beitrag zur Biogrophi« J K. Laraters: AZgB- N- 289. —
IV 6: 103-124. E. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. 126
Kohut^o^-^) ist die von dem bekannten Jesuiten Baumgartner lOß) gegebene Würdi-
gung, die durchaus massvoll und überwiegend sympathisch die Unklarheiten in Lavaters
Wesen zeigt, ohne ihm übrigens eigentliche moralische Schwächen zur Schuld zu
legen. —
Schleiermachers christliche Sittenlehre hat einen neuen Abdruck erfahren ^07),
Nur mit einer kurz gehaltenen Vorbemerkung, ohne jede Einleitung, ohne jedes herz-
liche Begleitwort wird der Text hingeschoben; die unfreundliche Art thut uns gleichsam
in die Seele des Mannes hinein weh, der für des Lebens schmückende Kleinigkeiten einen so
warmen Sinn hatte. lO''^) — Alfr. Bockio«) veröffentlicht drei Briefe Schleiermachers
an denselben Professor Schmidt, der auch die von ihm mitgeteilten Briefe Fichtes
erhielt; sie malen Schleiermachers Interesse für die neue Universität Berlin, aber auch
seine Vereinsamung unter den ersten Amtsgenossen, lo^-iio) — Mit kräftiger Hand zeichnet
G.Frank i") das charakteristische Bild des „Zopf-Schulz", des„Aufklärungsdragoners" von
Gielsdorf. — Recht im Gegensatz zu diesem streitbaren, hartnäckigen Kämpfer steht ein
späterer Vertreter der liberalen Theologie, der sanfte, von Sander ^12) geschilderte
Lücke, als Freund der Brüder Grimms schon aus seinem Briefwechsel mit ihnen bekannt. —
Von dem anerkannten Haupt des liberalen Protestantismus, Karl Hase^i^-ii*),
erschienen posthum zwei weitere biographisch wertvolle Bände der Gesamtausgabe. —
Ihm reiht der Verfechter derselben Richtung, K. Schwarz, sich an, dessen Lebensbild
Tschackert 11^) zeichnete. —
Links von diesen Theologen, die er die ,, Halben" schalt, steht Strauss^^ß),
rechts Martensen ii''), der in die deutsche Theologie kräftig herüberwirkte. Seinein
neuer Auflage erschienene Selbstbiographie it-t als Ganzes wertvoll durch ihr Zeugnis
von der damals fast unbedingten Abhängigkeit des Nordens von der deutschen Theo-
logie und Philosophie; im einzelnen führt sie zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten in
interessanter Schilderung vor: Daub und Marheineke, Tieck und Baader; Schleiermacher
sehen wir unter seinen dänischen Verehrern, Schelling im Kolleg, die beiden alten
Poeten Tiedge und Eberhardt auf ihrem Altensitze. Mit Lenau w^ar M. eng befreundet
und vergleicht seinen „Faust" vom specifisch christlichen Standpunkt mit dem Goethes.
Doch kennt er auch Goethe gut (eine kleine Verwechselung in dem Citat S. 68) und ist
überhaupt ein charakteristischer Vertreter des in deutscher Bildung sich erhebenden
Dänenthums. — Noch weiter rechts stehen Delitzsch und v. Hofmann, deren Briefwechel
Volckiis) herausgab. —
Auf die Grenzscheide zwischen Protestantismus und Katholizismus führen uns
D. A. Rosen thals n^) katholische Konvertitenbilder; aber auch die von D. Erdmann 120)
entworfene Biographie des ersten seit der Reformation zum evangelischen Glaviben
übergetretenen katholischen Bischofs, etwas zu ausführlich geraten. — Leicht
kommen wir von da zu dem ehrwürdigen Bilde Döllingers, von dessen Akademischen
Vorträgen der letzte Band J-i) erschienen ist, klar und gelehrt, aber auch etwas kühl luid
nüchtern wie die vorigen. Von litterarhistorischem Interesse ist speciell der Aufsatz
über die Litteratur Nordamerikas. — Luise von Kobell i--) schildert den Greis aus per-
sönlicher Kenntnis in einem liebenswürdigen, mehr den Menschen als den Gelehrten
uns vor Augen führenden Büchlein, aus dem HeigeP^s^ geschickt das Wichtigste aus-
hebt. ^23 a-c) — XJm endlich einen Theologen auch aus dem Lager des Alten Testa-
ments anzuführen, verweise ich auf das im tiefsten Sinn fromme, gehaltreiche Werk
Stein thals 124)^ clas ich seines auch in den nicht biblischen Vorträgen immer zur Bibel
in engen Beziehungen stehenden Inhalts wegen an dieser Stelle aufführe. — Als wilde
103) A. Kohut, J. C. Lavater: BerlNN. v. 15. Nov. — 104) id., J. C. Lavater: SammlerA. N. 137. — 105) id., J. C. Lavator:
Didaskalia v. 15. Nov. — 106) A. Baumgartner, J. C. Lavater: Welzer u. Weites Kirclienlexikon 7, S. 1550/4. — 107) F.
Sclileierraacher, Christi. Sittenlehre in Vorlesungen (Wint.-Kein. 1822/3) aus Naehschr , her. v. L. Jonas 1843. (= Bibl. theolog.
Klassiker Bd. 87/8.) Gotha, Perthes. 265 u. 204 S. Je M. 2,40. — 107a) id., Ueber d. Religion. (= Meyers Volksbücher
877—81.) Leipzig, Bibliogr. Inst. Ifi". 375 S. M. 0,50. — 108) AI f r. B ock , 3 ungedr. Briefe Schleierniaehers : Zeitgeist
30. Nov. — 109) O V. Borgen, Aphorismen aus Schleiermaehers Lehre v. d. Taufe: ThZSchw. 8, S. 50. — 110) O M. Maass,
Wie dachte F. Schleieniiaclier über d. Fortdauer nach d. Tode: JPTh. 17, S. 40. — III) G. F rank. Job. Heinr. Schulz: ADB. 32,
8.745/7.- 112) O (1 2 : 7) |[|9ig: LOBl. S. 809; K. Benrat h : DLZ. 12, S. 1048; K. Sallmaiin: BLU. S. 10/2.]|— 113) Karl v.Ha.se,
Ges. Werke 22. Halbbd. (= Annalen meines Lebens). Her. v. K. A. v. Hase. Leipzig, Broitkopf & Hftrtel. VIII, 3.56 S. mit
Bildn. M. 6,00. — 114) id., Ges. Werke 23. Halbbd. (= Vaterland. Reden u. Denkschriften 1. Abt.) ebda. IX, 317 S.
M. 5,00. — 115) P. Tschackert, K. Schwarz: ADB. 33, S. 242/0. — 116) 0. Moldonhauer, Begegnungen mit D. Fr. Strauss:
DB. 16, 1, S. C5'8. — 117) IJ. M arten sen. Aus meinem Leben. Deutsche v. Vf. selbst her. 2. vorb. Aufl. Berlin, Reuther.
VIII. 396 S. M. 4,00. |[G. Heinrici: DLZ. 12, S. 180.]| — 118) O W. Volck, Theolog. Briefe d. Prof. Delitzsch u. v. Hofmann.
Her, bevorwort. u. mit Register vers. XIII, 233 S. M. 5,60. \\ßi;: LCBl. S. 1265.]| — 119) Dav. Aug. Rosenthal, Konver-
litenbildor aus d 19. Jh. 1. Bd. 2. Abt. Deutschland II. 3. Aufl. Regensburg, Verlagsanstalt. VIII. 610 S. M. 6,30. — 120)
D. Erdmann, Graf L. Sedlnitzky: ADB. 33, S. 531-.53. — 121) J. J. J. v. Olillingor, Akademische Vortrr. Bd. 3. Mlinchpn.
Beck. X. 353 S. M. 6,(X). HLCHl. S. 1186; AZg». N. 235.]|. — 122) L u iso v. Kob el 1 , Ignaz v. Döllinger Erinnerungen.
Mllnchen, Beck. IV, 140 S. m. Holiograv. M. 2,80. |[M. Bornstein: ML. 60, S. 575/0; DLZ. 12. N. 51; AZgii.
N. 143; R.: DR.16,IV,S. 126.]| - 123) K. Th. Heigol, Z. Erinnerung an Döllinger: MUnchNN. N. 2.58. - 123a) E. Michael,
nr.llinger: ZKTh. 16, S. 401 ff.. 677 tf. — 123b) id., Aus Drtllingers Korrespondenz: ib. S. 763 if. — I23c) M Necker, J.v. DHl-
linger: Grenzb. III, 163/0. — I23[l) l!-r.. Neues v. u. ULor Dolliuger: NFPr. N. 96.32. - 124) H. Stointhal. Zu Bibel u. Ke-
127 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 6: 124»-136.
Nebenschösslinge der Theologie gliedere ich zwei Wunderthäter an, halb Theosophen und
halb Charlatans (wenn Schrepl'er nicht das letzere ganz war): Christoph Kaumiann'24»)
und Schrepferi2*'*), den schweizerischen Satyros und den Leipziger Cagliostro. —
Zahlreich und lehrreich sind die litterarhistorischen Arbeiten zur Geschichte
in unserem BerichtHJahr. Im Gegensaty. zu den unter „Philosophie" zu verzeichnenden
Schriften liegen hier in grösserer Zahl auch abgerundete, in sieh litterarisch wertvolle
Werke von zum Teil grosser Bedeutung vor. Wenn Bodnier mehr in gesunden Plänen
und zum Teil sehr verständiger Kritik als in eigener Geschichtsschreibung sich aus-
zeichnet ^25^^ go treffen wir in seinem Landsmann Joh. von Mtiller den ersten Historiker,
der die deutsche Geschichtsschreibung wieder auf litterarische Höhe hob. Den Brief-
weclisel mit seinem Bruder, Herders Hausfreund, beginnt Haug'26) herauszugeben. —
Als ein Pionier wenigstens für bessere Darstellung der Geschichte muss der von
Wegele'-^) mit einer Skizze bedachte Michael Ignaz Schmidt genannt werden, der
lange schlechtweg „der Geschichtsschreiber der Teutschen" hiess. — Archenholz, der
„Geschichtsschreiber von Friedrichs Ruhm", verdiente wohl wieder weiteren Kreisen
näher gebracht zu werden; sein interessantes „Gemälde der preussischen Armee" ist in
einem billigen Neudruck erschienen'-''»), der durch einige, leicht zu gewinnende, sachliche
Berichtigungen im Wert noch gestiegen wäi-e. — Auch der Vater der neueren wissen-
schaftliclien Kircliengeschichte, J. M. Schröckh, hat seine Biographie durch G. Frank >2«)
erhalten. '-'*'- 1='") — In Schoopflin, den Wiegan d '•^') behandelte, verehren wir den ersten
schulbildenden Lehrmeister, gleichzeitig auch den Begrtinder einer an berCihmten, wenn
auch nicht immer gesegneten Schülern (wie Montgelas, Cobenzl, Mettemich: S. 365)
reichen Diplomatenschule. —
Kein Historiker aber kann an Wirksamkeit sich dem Altmeister Ranke ver-
gleichen. Die von Dove"^-) heratisgegebenen Briefe, Notizen, Abhandlungen „Zur
eigenen Lebensgeschichte" bilden einen kostbaren Besitz nicht bloss der Wissenschaft,
sondern der dexitschen Nation. Auch über Zeitgenossen wie Gentz und Bunsen bringt
das Buch Urteile des feinsinnigsten Psychologen unter den Historikern. Mit einer gewissen
inneren Opposition steht er Goethe gegenüber (S. 573). Seine tiefsten Anschauungen
giebt das „Bekenntnis" (S. 639), aucli in der Form eine Perle deutscher Prosa. —
Manche Nachträge sind von Freunden und Mitarbeitern an dem grossen Werk geliefert
worden I32a-u^; wichtig und lehrreich sind besonders Wiedemanns '=*2d^ Mitteilungen
aus Rankes Werkstatt. — Rankes Verhältnis zu Gentz, den er so merkwüdig milde be-
urteilte, bespricht Guglia^32e), — Wie wir hier den konservativen Politiker durch den
Histoi'iker durchfühlen, so zeigt sich sonst oft der fromme Protestant in dem
Forscher'-^-*). All das hat in den Lebenserinnerungen neue anschauliche Lebendigkeit
erlangt: all die Unterströmungen dieses in majestätischer Ruhe dahinfliessenden Stromes
werden sichtbar. — Diesen Schatz hat 0. Lorenz i'^^^ gleichsam in Bewegxnig zu setzen
versucht. Indem er einige Worte, in denen Ranke von Generationen spricht, mit seiner
eigenen Theorie voii den jedesmal zu einer Einheit sich zusammenschliessenden drei
Generationen gleichstellt, bringt er sich in die Lage, für seine eigenen Meinungen den
Geist des Meisters ins Feld zu führen. Wird aber diese seltsame und gefährliche
Theorie auch nicht viel Anhänger finden, so bliebe doch die ungemein anregende Kritik
des historischen, und auch des pliilologischen, Betriebes unserer Zeit ein Ferment von
grosser Kraft. Insofern L. — wie Goethe — das Recht der künstlerischen Gestaltung
in der Historik bis zur Kanonisierung von Legenden, wie der Tellsage, flihrt, greift
er in eine eminent litterarische Frage ein und zeigt aufs neue, wie unentbehrlich uns
Philologen die Kenntnis d(ir Nachbarn ist. —
Meisterhaft wurde das Leben eines zu Ranke in bestimmtem Gegensatz
stehenden Historikers, Max Duncker, von Haym '•■'^) beschrieben. — Historiker und
Politiker wie er ist Sybel, dessen, mir nur aus einem Referat bekannte, Familien-
gescliichte ^'^) Mitteilungen über das Urbild von Immermanns Hofschulzen enthält. — In
ligionspliilosopliie. Vortr. u. Abliandlgn. Bnrlin, Reimer. 1890. IV. 237 S. M. 4,.V). If-ss-: I.CRI. S. 1778.1! — 124«) Q
Noch Einiges v. ii. über d. Apostel d (ieniozi>it, Cliristopli Kuuriiiaiin v. Wiiitertliur: ZUrchTb. NF. 14. S. 148-74. — I24II) G.
Wustmann, Gtorg Schrcpfor: ADH. M, S. 490 U - 125) (Ml .■> : 19.) — 126) C Ed. Haug, üriefwochsel d. BrBder J. H.
Möller u. J. V. Müller 1789-1809. 1 Halbbd : 17S9— 99. FmiicnMd. Huber. XU, 218 u. 57 S. M. 5,00. Hl.CBI. S. I:l89;
G Tübler: DLZ. 12, S. 991.1; — 127) Wogele, M. J. Sclimidt: ADB. 32. S. 6-8.- I27a) J. W. t. Archenhoii, Gemllde d.
preuss. Armee vor u in d. 7j. Kritge. (:= Mey»-rs Volksblk-lier N. 480.) Leipzig. Itibliogr. Inst. 16*. 32 S. M. 0.10. —
128) G.Frank, Joli Mntlli. S.brJickli: APB. 32. S. 498 501 — 1£9) Otto F. M n II.' r, D. Henneberger Geschichtsschreiber J. A.
V. Schulthess: NKGHennoberg. Lief. 9. 41 S. mit Pnrtr. — 130) M. .'^tiiger, D frlink. GeschiihUschreiber P. Ignaz Gropp.
.IB. d. Realschule. Bad Kissingen, Schaihenmajer. 36,21 S. m. 4 Beil. —13!) W.Wiegand. J. D. Scboepflin: AI'B. 32, S. 359-68.
— 132) L. V Ranke. Z. eigenen Lei ensgesih. Her. v. A. Dove. Leip««g. Duncker & Humblot. 1890. XII, 731 S. M. 15,00.
— 132a) E. Guglia, Aus Rankes Jugendzeit: FZg. 5.-G. Wsrz — 132b) O I' «ioiger, iu Uankea Selbstbiogr.: MOnchNN.
N. 85, 91. — I32c) Fr., Erinnerung an L. v. Ranke: Sihle.«Zg. K 247. 2f.O. — I32d) Th. Wiedemann. 16 Jahre in d. Werkstatt
L.v. Rankes: DR. 16, IV, S. 164-79, 322— 39. - I32e) E. Gu gl ia. Ranke u. Gentz: Grenzb. 50, 1. S. 409-17. — I32f) E. Protestant.
Urteil Über Ranke als Hist. : HPBll. 107, S. 398-400. — 133) (I 1 : 27.1 — 134) H Haym, I). Üben M?x Hnnckers. Berlin,
Gärtner. VIII, 470 S. m Portr. M. 10,00. i[LCBI. S. ISör.; Baumgarten: PLZ. Ii. S l\)Jf,.]\ — |3S) O *'• L- K. ▼. Sybel.
IV 6: 136-143. R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. 128
die Kreise Rehmers und der „Titanen von 1840" führt E. Rehmers i^e^ Biographie von
H. Schulthess, dem Begründer des Gescliichtskalenders. —
Charakterköpfe aus seinem eigenen Umkreis zeichnet der Kiilturhistoriker
Riehl 13''), der ja schon als Novellist selbst der Litteraturgeschichte verfallen ist; ich
hebe vom speciellen Standpunkt der JBL. aus hervor „Ein vormärzlicher Redakteur"
und „Eine Rheinfahrt mit V. Scheffel". Andere Aufsätze beschreiben jenen berühmten
Münchener Kreis, in dem Heyse, Geibel, Bodenstedt neben Liebig und Windscheid,
Cornelius und Klenze glänzten. — Eine eigenartige Stellung nimmt unter den Histo-
rikern ein anderer „Neu-Münchener" ein: Ferdinand Gregorovius, der seine Lebens-
tage der Stadt Rom, den Abend eines arbeitsvollen Lebens München gewidmet hat.
Der Tod des grossen Künstlers auf dem Gebiet des litterarischen Historienbildes hat
zahlreiche Nachrufe von Berufenen i37a-c) ^nd Unberufenen i37d-g^ veranlasst, unter denen
jedoch eigentlich nur die Aufsätze von S. Münz I37h-ij zur Charakteristik des merk-
würdigen Mannes Neues bringen. Im allgemeinen wird aber nur der Historiker gewürdigt;
die interessante lit'terarhistorische Stellung des Schriftstellers empfängt bloss karge Seiten-
blicke. Und doch ist ein lebendiges Stück Litteraturgeschte im grossen Stil mit dem
letzten Meister der in unserer Prosa nicht stark, aber glorreich vertretenen Psychologie
der Landschaft ausgelöscht, der sogar mit seiner Vorliebe für die Liseln in ihrer ein-
samen Individualität (Capri, Corfu, Corsika) ein Erbe der Otahaitischwärmerei Forsters
und Chamissos war und der zugleich als einer der letzten direkten Schüler Goethes von
.dem „Wilhelm Meister" seine litterarische Laufbahn begann, um dann die „Wanderjahre"
in Italien nachzuschreiten und schliesslich in „Athenais" und der „Geschichte der Stadt
Athen im Mittelalter" dem dritten Akt des zweiten „Faust" eine historische Untermauerung
zu geben. —
Die Philologen, für die Litteraturgeschichte doppelt wichtig als berufene
Hüter des Stils und der sprachlichen Kultur, sind durch ein paar charakteristische Ge-
stalten vertreten: Lessings Freund Reiske, dem Rieh. Förster i'^S) einen an anderer
Stelle besprochenen Aufsatz widmete, dann drei verschiedene Typen des klassischen
Philologen im 19. Jh., die uns aus drei Beiträgen von Baumeister i^o-HO) und
Schöin^i) zur ADB. entgegentreten, Schneidewin, in stiller Zurückgezogenheit,
gegen das öffentliche Leben verbittert, nur seinen Büchern lebend; Schoemann, ein Ver-
treter der priesterlichen Auffassung unserer Wissenschaft, überall dem religiösen Kern
zugewandt, an der Prometheusfrage innerlichst mitarbeitend; endlich G. A. Schoell 1*1),
einer der Wenigen, denen das öfters missbrauchte schöne Wort „goethereif" in seiner
vollen Geltung zuerkannt werden darf. Mit rastlosem Eifer schreitet der Philologe allen
Interessen Goethes nach, sucht aus allen Dichtern Goethe und aus Goethe alle Kunst
in ihrem Wesen zu erfassen, formt in seiner Schule seinen Stil und bleibt nur die
grosse Biograpliie seines grossen Meisters der Nachwelt schuldig. Wie der erste den
philologischen Stoff als solchen, der zweite seine tiefere Deutung, der dritte seine
Genesis zu begreifen sucht, vertreten sie drei Stadien in der Geschichte aller Philologie
und aller Litteraturgeschichte insbesondere. —
Ein Mann von kaum minder grosser Vielseitigkeit, Regis, ist uns Deutschen
der berufene Uebersetzer der grossen Satiriker Rabelais und Swift geworden i*-). — An
seinen Namen knüpfen wir eine tiefgreifende Untersuchung über die für alle Philologie
und Litteraturgeschichte fundamental bedeutsame Frage: „W^as heisst übersetzen?"
U. vonWilamowitz-Möllendorff 143) hat seine Uebersetzung vonEuripides',.Hippolytos"
mit der Beantwortung dieser Frage eingeleitet. Seine Urteile über die deutsche Ueber-
setzungskunst sind weder von Härte noch von Willkür frei: die Leistung des vossischen
Homer wird entschieden unterschätzt, und ich mindestens kami nicht finden, dass
Heyses Giusti in höherem Grad italienisch ist als Mörikes und Geibels Uebersetzungcn
antik sind. Was aber prinzipiell über die Wiedergabe fremder Dichtungen, z. T. im
Anschluss an M. Haupt vorgetragen wird, das scheint so klar gesagt wie inhaltlich
unangreifbar. Auf die innere Form soll man das Hauptgewicht legen, nicht auf die
äussere; wo dieselbe - metrische Form in verschiedenen Sprachen ein verschiedenes
Ethos hat, da wird die äussere Treue zur Preisgebung der inneren Wahrheit. Dieser
Satz, der sich z. B. auch an den verschiedenen Uebersetzungen Molieres trefflich
illustrieren lässt, wird von W. mit eigenem Beispiel erhärtet, indem er Lachmanns
Nachr. über d. Soester Farailio Sybel 1423-1890. Mltnclion, Oldenbourg. 1S90. IV, 189 S. m. 6 Tab. M. 3,00 |[NZg. v. 6. Feb.]| —
136) E. Robmpr. H. Scliultlmss : AHB. 32, S. 69-6. — 137) (I 5 : 418.) — 137a) F. Rllhl, F. Gregorovius. Gcd.-Rede geh. in
d. Kgl. Dlsch. (iosellscb. in Künigsborf,'. Klinigsborg, Härtung. 16S. — 137b) O K. Kru in baclier, F. Gregorovius: UZ. I, S. 561-72.
- 137c) C. M II b 1 i n g, F. Grogoroviüs : KZg. N. l.'ö. — I37d) F. Gregorovius: ib. N 122. — I37e) V. Walile , F. Grogoroviu«: ML. 60,
H. 312/4. — I37f) F. Grogoroviüs t (Aus KZg.): Didiiskalia N. lO.'i. — 137g) A. Dresdner, Gregorovius' letzte Scbrilt :
Gegenw. N. 22. — 137h) S. Mllnz, F. Gregorovius: Nation«. S. 523/6. — I37i) id., Erinnerungen an F. Gregorovius: NFI'r.
N. »697.— 188) (IV 1 : 87.) - 139) A. Baumeister, F. W. Schneidewin: ADB. 32, S 150. — 140) id., G. F. Scboemann: ib.
S. 2:1,5. — [4lj (I 2 : M.) - 142) flV 3 : 92.) — 143) H v. Wilamo wi t7.-MfiI londorf f. Enripi'les' Hippolytos. grieoh. n.
129 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19, Jahrhunderts. IV 6: 144-I68
Wiedergabe eines Stücks der Ilias in mittelhochdeutschen Versen mit dem Gegenstöck
einer homerischen Wiedergabe von Nibehmgenstrophen versieht, besonders aber, indem
er mit virtuoser Gewandtlieit Goethes „Ueber allen Gipfeln ist Ruh" in zwei ver-
schiedenen Stilfbrmen wiedergiebt. Eine höchst interessante, obwohl gelegentlich etwas
zu energische Beleuchtung deutscher Dichtungen nach ihrer inneren Form schliesst sich
an: „Es ist für den, der die Griechen kennt, belehrender als die modernen Poetiken,
wenn mau sich die Analogien überlegt. Man sieht, wie alle die Grenzen der Gattungen,
selbst die von Prosa und Poesie, in der Luft stehen. Der Gang nach dem Eisenhammer
wird ein Epyllion in alexandrinischem Stile: das muss aber die Hochzeit des Mönchs
auch werden. Die Braut von Korinth zu übersetzen, ratisste man Rhadina und
Eriphanis lesen können. Pater Brey wird ein Mimos, Minna von Barnhelm muss sich
in Trimeter kleiden, während für den Nathan der Sokratische Dialog besser passt.
Wahrhaft erschreckend ist, auf wie viel sog. Poesie die Rhetorik ihre Hand legt.
Heines Nordseebilder und Gellerts Kirchenlieder, den ganzen Scheffel und den ganzen
Scherenberg holt die zweite Sophistik, die Aristides und Lukian, die Philostratos und
Longos. Und belehrend ist doch auch, dass die stilisierte Stillosigkeit, die menippische
Satire, ein weites Reich erhält: Jean Paul z. B. verfällt ihr rettungslos." Man wird
nicht all diese Urteile unterschreiben; wichtig für die litterarhistorische Würdigung der
besprochenen Dichtungen sind sie ausnahmslos. — Bei den nahen Beziehungen zwischen
Litteraturgeschichte und Sprachwissenschaft muss man hier auch wohl anführen, dass
für die letztere G. von der Gabelentz 1*^) ein neues, grosses und wohl für längere Zeit
abschliessendes Lehrbuch verfasst hat. (Ueber W. v. Humboldt S. 28; über Sprach-
darstellung S. 81 ; Sprachschilderung S. 457.) Das Problem, die Sprache eines einzelnen
Autors aus der seiner Zeit vuid seiner Vorgänger abzuleiten, das £üt den Litterar-
historiker (z. B. bei Würdigung der Neologismen von „Sturm und Drang") so oft wichtig
wird, ist ja im Ginind ein rein linguistisches. —
Ein Meister der pliilologischen Methode, Pfadfinder in einer neuen Anwendung
derselben, ein ausgezeichneter Stilist, ein Kritiker von Bedeutung, steht V. Hehn vor
uns, auch er, wie Schoell, ein Philolog, dem Goethe zum Leitstern ward auf allen
Wegen, dabei nicht ohne romantische Neigungen, Verehrer Schellings, für Italien in
Eichendorffscher Art schwärmend, ein wütender Feind aller Philister. 0. Schra-
ders ^*ö-i'*^) Lebensbild ist mehr durch Mitteilungen aus unbekannten Jugendschriften
als durch Eigenes wichtig. (Ueber Goethe, Hegel und Schelling S. 8; Hehns Verhältnis
z\i Vischer S. 10, 41; Berliner Umgang S. 64 f.). —
Greift die Philologie mehr in die Litteraturgeschichte ein, so sind dafür die
Beziehungen der Kunstlehre zur Litteratur selbst um so enger. Persönlich waren
diese Beziehungen bei einem Kunthistoriker wie L. v. Schorn, dem H. Holland 1*'') sich
zuwandte, loser als bei Schnaase, dessen Bild von Donop^^) lieferte: er gehörte
nicht bloss dem Düsseldorfer Kreise der Immermann und Uechtritz an, sondern er
musste auch einmal in das Leben eines Lyrikers „mit rauher Hand" eingreifen: als
Oberprokurator leitete er die Verfolgung Ereiligraths wegen des Gedichtes „Die Toten
an die Lebenden", vnid seine Freisprechung hatte dann Schnaases Fortgang von Düssel-
dorf zur Folge. D. brauchte das nicht so ängstlich zu umschreiben. — Springer,
der glänzendste Redner Unter unseren Kunsthistorikern, wird im nächsten Jahrgang
ausführlicher zu behandeln sein i-*^-i49a^. — Als einen interessanten Beweis, wie die
Nachbarwissenschaften selbst in iliren Verirrungen sich ähneln, erwähne ich hier das
berüchtigte Buch von Lautner ^S"), in welchem eine Shakespeare-Bacon-Frage für
die Kunstgeschichte insceniert wurde. —
Verschiedene Maler sind als Didaktiker zu nennen. Moriz von Schwind, den
der unermüdliche Biograph Münchener Kunst, Holland ^si) für die ADB. zeichnete, hat
zwar nur gelegentlich, etwa im Briefwechsel mit Mörike, sich über Kunstfragen schriftlich
geäussert; doch ist er hier schon wegen des Planes, Goethes Philistratische Gemälde-
galerie auszuführen (S. 458), zu erwähnen. — Aber Schnorr v. Carolsfeld '62) hat mehr-
fache kunsttheoretische Aeusserungen hinterlassen (S. 189), und Adolph Schrödter, den
M. G. Zimmermann 1^3^ behandelt, hat nicht nur an einer berühmten politischen Satire
Anteil genommen, nicht nin- mit seinen unsterblichen „Trauernden Lohgerbern" einen
wirkungsvollen „Triumph der Empfindsamkeit" geliefert, nicht nur die volkstümlichsten
Gestalten der Weltlitteratur als Zeichner populär gemacht, sondern auch gut Goethisch
dtsch. Berlin, Weidmann. 244 S. M. 8,00. — 144) G. v. d. Gabelentz, D. Sprachwijsenscliaft. Leipiig, Weigel Nackf.
XX, 502 S. M. 14,00. i[G. M.: LCBl. S. 1728.]| — 145/6) 0. Scbrader, Victor Hehn. E. Bild s. Ubens u. s. Werke: S.-A.
aus Jw. V. Mullers Biograph. Jb. f. Altertumskunde. Berlin, Calrary. 76 S. M. 3,00. |[W. Streitberg: ladogForsch. An«. 1.
S. 87; 0. Seeck: DLZ. J3, N. 10.]| — 147) H. Holland, L. v. Schorn: ADB. 32, S. 379-82. - 148) t. Donop, K. Sehnaase:
ib. S. 66-73. — 149) Anton Springer: WeserZg. v. 12 Juni. — 1498) Anton Springer: FZg. v. 3. Juni. — 150) M. Lantner, Wer ist
Rembrandt? Breslau, Kern. VIII, 470 S. mit 7 Tafeln. M. 11,(0. |[W. Bode: DLZ. 12, S. 1504,5.]; — |5|) h. Holland, Morix
V. Schwind: ADB. 33, S. 449-69.— 152) F. Sthnorr v. Carolsfeld, J. fchnorr t. Carolsfeld: ib. 32, S. 182/9. — 153) M. G.
Jahresberichte fUr neuere deutsche Litteraturgeschichte 11 («|. Q
IV 6: 154-169. R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. 130
über „das Zeichnen als ästhetisches Bildungsmittel" geschrieben. — Anselm Feuerbach,
als hervorragender Schriftsteller längst durch sein „Vermächtnis" bekannt, wird von
Speidel J5*) als Humorist geschildert; wir gestehen, in der mitgeteilten Rede über
Makart von Humor wenig zu finden, viel aber von packendem Pathos. — Endlich ein
Mann, der vom bildenden Künstler zum Lehrer grössten Stils ward, Semper^^^) hat
längst auch auf die Litteraturgeschichte mit der Tiefe seiner Auffassung gewirkt. —
Sehr lehrreich ist ein Schriftchen von Laban i^^), welches an einem einzelnen Beispiel
zeigt, wie sehr die Beurteilung der Kunstwerke von der allgemeinen Zeitstimmung ab-
hängig ist. Die Analogie z. B. auf die verschiedenen Auffassungen des Hamlet, des
Taust liegt auf der Hand. —
Damit sind wir schon bei der Kritik angelangt. Die litterarische Kritik sehen
wir in einer Reihe charakteristischer Gestalten sich vor unseren Augen entwickeln. Von
J. J. Schwabe, dem Schildknappen Gottscheds, den Waniek ^^'') etwas sehr gründlich be-
handelt, und von Gottscheds siegreichem Gegner Bodmer, dessen kritische Zeitschrift
Th. Vetter 15''*) sorgfältig herausgegeben und dessen in beständigem Wechsel altdeutsclie
Arbeiten und Bodmersche Poesie verzeichnendes Tagebuch Bächtold ^^Tb^ veröffent-
licht hat, kommen wir zur lessingianischen Kritik Gerstenbergs is^) ; Schütz, den
Ho che 159) besprach, begründet die Recensieranstalt der klassischen Periode, während
gleichzeitig auch Stephan Schütze in Weimar, dessen Biographie Pröhlei^o) verfasste, die
Kritik vertritt. — In zwei Stadien stellen Schubarthi"i) und Grillparzer die auf Goethe ge-
gründete Litteraturkritik dar. Poglars^''^) Mitteilungen enthalten manches interessante
Urteil Grillparzers, besonders über Theater und Drama (Hebbel S. 35, Th. Körner „be-
sass das gewisse Schwunghafte" S. 37; Raimund S. 41; Halm S. 42, 66; Kotzebue
S. 46; ferner Herder S. 30; Lenau S. 43). — Die Kritik der Bildungsaristokratie finden
wir in den Briefen der Pamilie Mendelssohn 163-I63a^^ ^{q wieder in neuen Ausgaben er-
schienen.— Wir schliessen zwei Musikkritiker an, die von Wasiliewski i*^*) und L. A.
Prankl ^^^) würdigten: Robert Schumann, als Schriftsteller ein talentvoller Schüler von
Jean Paul und E. Th. A. Hoffmann, und Becher, der als Opfer der Revolution von 1848
gefallen ist. — Wesentlich auf die Weltanschauung des Politikers ist die Kritik Ludwig
Pfaus begründet. Der siebzigste Geburtstag des trefflichen Lyrikers und originellen
Kritikers hat neben dem unbedeutenden Artikel von Sauli^Sa^ den vortrefflichen
von Hör th 165b) gezeitigt, der von dem geistigen wie von dem allgemein menschlichen
Habitus dieses echten Landsmanns der Ühland und Vischer ein anschauliches Bild ent-
wirft. Mich wundert nur, dass beide Aufsätze dieselben beiden Gedichte Pfaus bringen,
die mir doch weder besonders schön noch besonders charakteristisch scheinen wollen.
Ich weine der Zeit, in der die Anthologien blühten, sonst keine Thräne nach, aber eine
gewisse Sicherheit im Herausstechen guter Proben brachte sie doch zuwege, und gar
Sammlungen wie Storms „Hausbuch" oder Scherrs „Bildersaal" können darin immer
noch gute Dienste leisten. Pfaus Wirkung blieb fast ganz auf Süddeutschland be-
schränkt; einen Dienst aber hat er der Lesewelt, soweit die deutsche Zunge klingt, ge-
leistet, der seine geistreichen Kritiken gewiss und seine sinnigen Gedichte wahr-
scheinlich überleben wird: er hat uns Claude Tilliers ,, Onkel Benjamin" geschenkt, diesen
prächtigen Franzosen, den er fast zum deutschen Klassiker gemacht hat. Und er hat
auch zuerst Millets „Angelas" nach seinem Werte gepriesen: wie viel Kritiker können
sich zweier solcher Funde rühmen ?i''5c^ — Allgemeine Erörterungen über die neuere
Kritik bringt Giemen i66)j er analysiert besonders einige jungnordische Kritiker. 1^7) —
Aus den anderen Disciplinen heben wir nur den berühmten Anatomen
Henle hervor, dem Merkel 1^9) eine grosse Darstellung widmete. Er gehört der Litte-
ratur in doppeltem Sinn an; einmal aktiv durch seine vortrefflichen ,, Anthropologischen
Vorträge", die zu dem Besten gehören , was wir an populärwissenschaftlichen Schriften
besitzen, wenn sie auch von einer in Carus Sterne schwelgenden Zeit vergessen sind;
dann aber passiv, zwar nicht durch die mit Unrecht auf seine Liebesgeschichte zu-
rückgeführte „Frau Professorin" Auerbachs, wohl aber durch G. Kellers prächtige Schil-
Zimm ermann, Adolph Schrödter: ib. S. 545/8. — 154) L. Sp[eidel], Maler Feuerbach als Humorist: NFPr. r. 3. Mai. —
155) H. S., Gottfried Semper: ADB. 33, S. 706-17. — 156) F. Laban. D. GemUtsausdruck d. Antinous, e. Jh. angewandter
Psychologie auf d. Gebiete d. antiken Plastik. Berlin, Spemann. 92 S. M. 3,00. [T. S : LCBl. S. 1432.]! — I57j (I 3 : 5.) -
167a) (HI 5 : 18.) — I57b) J. Bachtold, Bodmers Tagebuch (1752—1782): Turicensia S. 190—216. - I58j H. W. r. Gersten-
berg, Briefe Über Merkwürdigkeiten d. Litt., ed. Weilen.: F. Speyer: ASNS. 86, S. 315/7; WIDM. 69, S. 291/2; Greuzb. II
8. 492; Fr: ML. 60, S. 175. — 159) B. Hoche, Chr. G. Schutz: ADB. 33, S. 1115.-160) H. PrOhle, Stephan Schutze: ib.
8. 14e/7. — 161) (1 3 : 15.) — 162) Ad. Foglar, Grillparzers Ansichten Über Litt., Bühne n. Leben aus Unterredungen. 2. venu.
Aufl. Stuttgart, Göschen. VI, 71 S. M. 2,00. - 163) .s. Hensel, D. Familie Mendelssohn. Berlin, Behr. XV, 383 u.
V, 400 S. M. 12,00. - I63a) F. Mendelssohn-Bartholdy, Reisebriefe aus d. J. 1830/2. (= Meyers Volksbücher 882/5.) Leipzig,
Bibliogr. Inst. 160. 259 S. M. 0,40. - 164) v. Wasiliewsky, Rob. Schumann: ADB. 33, S. 44. - 165) (IV 1 : 62). -
165«) D. Saul Ludwig Pfau. Zu s. 70. Geb.: FZg. N. 237. - 165b) 0. Hörth, L. Pfau. Zu s. 70. Geb.: NFPr.
N. 9696. — I65c) O Kl. Flltn, Ehrungen L. Pfaus: FZg. N. 239. - 166) P. Giemen, Z. Gesch. d. modernen Kritik: Gegenw.
40, S. (10/2. - 167) O X M. G. Conrad, Gelüftete Masken. Leipzig, Friedrich. 1890. V, 312 S. M. 5,00. - 168) A. t. Hum-
boldt, Ansichten p». Natur. (.= Meyers Volksbücher 834 9). Leipzig, Bibliogr. Inst. W. 435 S. M. 0,60. - 169) F. Merkel,
131 R. M. Meyer, Didaktik des 18.'/19. Jahrhunderts. IV 6: Hol»,
dening im,,Grüneii Heinrich". "") — Ganz eigentlichzurLitteraturistauchFechnerzu rechnen,
der geistvolle Humorist und Schüler Jean Pauls: ihn behandelt Achelis '"), — Seinen
Arbeitsgeiiosson W. E. Weber schildert E. Krause "2). — Er hat ferner von dem grössten
Physiker der Gegenwart ein Bild entwt)rfen''3^, dessen siebzigsten Geburtstag auch
sonst mancher Zeitungsartikel nach Gebühr feierte"*). Alle diese Artikel treten zurück
vor der ebenso einfachen als sicheren Selbstcharakteristik, die bei der Feier im No-
vember 1891 der grosse Gelehrte — uns ja schon wegen seines Anteils an der Goethe-
forschung wert — gab, und die wir erst im nächsten Jahrgang analysieren dürfen. —
Ein paar Journalisten leiten zur Politik über: Schubart, dem es so schlecht
bekam, zu den Vätern der politischen Journalistik in Deutschland zu gehören, und
dessen von Wohlwill"*) gezeichnetes Lebensbild allzu sehr die charakteristischen
Züge schwäbisch-biedermännischer Derbheit vei-wischt; F. K. J. Schütz, der Sohn des
Begründers der Litteraturzeitung, Gatte der Hendel-Schütz, Vielschreiber und Journalist,
von L. Fränkel"") behandelt; endlich, damit wir in der absteigenden Klimax journa-
listischer Ehrenhaftigkeit die tiefste Stufe erreichen können, Saphir "'), die greuliche
Verkörperung seelenloser Witzelei, dessen „Werke" zur Unehre des deutschen Publikums
in einer neuen „Klassiker-Original-Ausgabe" erscheinen können. —
Eine Anzahl von Artikeln der ADB. schildern hervorragende Politiker und
Staatsmänner aus der Zeit der Aufklärung in Preussen "^-isi) und Süddeutsch-
land 182183)_ Hervorzuheben sind H. Th. von Schön, den Maurenbrecher "^j behan-
delt, auch als einflussreicher Staatsschriftsteller, und Schuckmann, von Wipper-
mann i^)) dargestellt, jener an der Einrichtung der Berliner Universität beteiligte Minister,
um dessen politische Mitarbeit ein Goethe und ein Humboldt warben. i**) — Von dem
Hintergrund der Mainzer Revolutionstage, in die Forster und Caroline sich ver-
wickelten, hebt sich die düstere Gestalt des Eulogius Schneiderest). — Die Reak-
tionszeit der Heiligen Allianz schildert in ihrem berüchtigten „Schutzengel", Juliane
von Ki'üdener, der wohlwollende Artikel Strebers '^5*). — Die Restauration ver-
körpert der durch seine Censurmassregeln von denen Ilwofi^ß) ergötzliche Proben
mitteilt, berühmte österreichische Polizeimiuister Sedlnitzky. —
Von hier schreiten die frommen Publizisten der vormärzlichen Zeit vor: der
Katholik W. v. Schütz, den Walzel i*^') zeichnete; der Protestant Bunsen, neben Radowitz
schriftsteUerisch der hervorragendste Vertreter der entschieden christlichen Politik.
Bunsens hundertster Geburtstag hat eine Reihe ven Besprechungen veranlasst, die in
erfreulicher Weise zeigen, wie die Gerechtigkeit dem einst viel verspotteten „Gesandten
für Jerusalem" gegenüber sich gehoben hat. An einer einzelnen Episode beleuchtet
G. von Bunsen es^y die politische Stellung seines Vaters, besonders sein Verhältnis zu
Russlaud. — Auch Wald. Hornlos») und von Hohenthal i^Sb) schildern vorzugsweise
seine politische Laufbahn, während B. Münz 'ös<=) das Bild des ganzen Menschen zu geben
sucht. i88d-e) — Merkwürdig tritt der eigentümliche Mann in seiner Individualität da hervor,
wo er, in einem Aufsatz von T. von Bunsen ^^sf)^ neben einer vielfach ihm verwandten
Natur, Arndt, erscheint. —
Bedeutend ist die Gruppe der Achtundvierziger. Mit dem eigenartigsten
unter ihnen, Lothar Bucher, ist der deutschen Litteratur ein verlorener Schriftsteller
von nicht geringer Bedeutung durch von Poschinger i^^) wiedergeschenkt worden.
Jene Mosaikmethode, die wdr bei den Philosophen nicht loben konnten, ist hier berechtigt.
Denn die einzelnen Schriften und Aufsätze sind nirgends aufzufinden, zu einer neuen
Gesamtausgabe aber ist entschieden ein Bedürfnis nicht vorhanden. So lernen wir in
P.s geschickter Auswahl und gewandter, wenn auch zuweilen etwas tendenziöser Dar-
stellung eine durchaus originelle Persönlichkeit kennen. Bucher, von Haus aus eine
zarte, „einsame" Natur, ist ein Nachkomme der grossen Indi\ädualisten unserer
klassischen Epoche. Wie Herder, wie Görres, wie E. Th. A. Hoffmann hasst er mit
ganz persönlichem Hass die ungeheiire, aller Eigenart feindliche Maschinerie des Staates.
J. Henle. Brannschweig, Vieweg. XII, 410 S. M. 10,00. [[Wiedershaim: DLZ. 12, 8. 1016/7.]| — |70) Q Oedenkbl. z.
Kerner Feier (Anton Kerner, Ritter v. Marilaun) am 12 Nov., her. Tom Comit*. Wien, Dentieke. 25 S. M. 0,60. —
171) Achelis, G Th. lechner: NiS., SlSrz. - 1721 O E. Krause, Wilh. Ed. Weber: WeeerZg. N. 16004. — 173) O »d-, H
V. Helmholti: ib. N. IfiOCS. — 174) Helmholtz: VZg. N. 35. — 175) Ad Wohlwill, Chr. Schubatt: ADB. 32, S. 588W. — 178) L.
Frankel. F. K. J. Schütz: ib. 3:1, S. 117-20. — 177) M. G. Saphir, Schriften. Kla.«!siker-Orig.-Au!>g. BrBnn, Karafiat. 85 Liefgen.-
je 56 S. M. 25.00. — 178) W. Maurenbrecher, H. Th. t. Schtin: ADB. 32. S. 781-92. — 179) G. Krause, F. L. v. S<hroelter: ib.
S. 579-82. — ISO) id.. K. W. Frhr. v. Schroetter: ib. S. 583 5. - 181) Wippermann, K. F. ▼. Schuckmann: ib. S. 647-50. -
182) Renn er. F. K. v. Schönborn: ib. S. 268-74. - I83i id.. Job. Phil. F. v. Sohöuborn: ib. S. 277-80. —184) O J- Gebele.
l'eter t. Osterwald .... E. Beitr. z. Oexch. d. Aufklarung in Bayern. HUnrhen, Kellerer. V, 136 S. mit 1 Bilde. M. 1,50.
— 185) (I 3 : 11) — 185a) Streber, Juliane v. Krüdener: Wetzer u. Weites Kirchenlexikon 7, S. 1229—31. — 186) Ilwof,
J. Graf Sedlnitzky: ADB. 33, S. 528 ff. — 187) 0. F. Walzel. W. v. Schütz: ib. S. 134/6. — 188) 0. t. Bunsen, Christian G.J.
Bunsen, geb. 25. Aug. 1791: Nation". S. 725/7. — 188a) Wald. Hörn, Josias v. Bunsen. Z. Erinnerung an seinen 100. Geb.:
DIdaskalia N. 198. — 1881]) F. von Hohenthal, Kitter Bunsen. E. Säkular- Erinnerung: KielZg. T.20.Ang. — I88c) B.Manx,
Christian C. .1. Bunsen: VZgs N, 34 .".. — I88d^ Chr. K. J. v. Buusen: FrSnkMerkur N. 433. — 188») Kohlschmidt, Zu
HuMsens (iedilditnis: PKZ. N. 38. — I88f T.r. Buusen, Arndt u. Bunsen: DB. S. 44-68, 169— 82. — 189) U. t. P osohinger,
9*
IV 6:190-203. R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. 132
Zuerst tritt ihm diese in der Bureaukratie der Restaurationszeit entgegen. Natürlich
ist sein Platz unter den Liberalen und kraftvoll hält er Reden, die, wenn endlich einmal
in Deutschland auch die mündliche Beredsamkeit litterarhistorisclie Beachtung finden
wird, ihm einen hervorragenden Platz in ihrer Geschichte sichern. Von der Reaktion
vertrieben, geht er nach England, das damals vielfach den Liberalen als Musterland
galt. Aber wie der moderne Geist des uniformierenden Mechanismus ihn vorher in der
preussischen Staatsverwaltung erschreckt hatte, grinst er ihn nun aus der philiströsen
„öffentlichen Meinung" Englands an. Krämergeist, religiöse Heuchelei, gelehrte Un-
ehrlichkeit verletzen ihn. Er wird bitter, ungerecht gegen England, dem er schliesslich
nur eine Tugend zuerkennt: Reinlichkeit; und die sollen sie von den Indern gelernt
haben! Faraday habe nie selbst etwas geleistet, wie die englischen Gelehrten überhaupt
von deutschen Gedanken lebten. Die Türken mit ihrer Langsamkeit, ihrem eigenartigen
Kunstgewerbe, der Orient überhaupt zieht ihn mehr an als alle Kultur Englands: am
Ganges nur giebts Menschen! Nun kehrt er zurück, eine gewaltige Individualität tritt
ihm entgegen, und der Steuerverweigerer von 1848 wird Bismarcks rechte Hand. Aber
das selbständige Leben des geistreichen Journalisten hat damit ein Ende. Bucher
schreibt nicht frei von Aflfektation; er hat mehr als gut von Börne gelernt. Man lese
z. B. die Schilderung der englischen Dame beim Essen 1, S. 244. Seine Beschreibungen
sind zu witzig, um anschaulich zu sein; der Markt von Aylesbury 1, S. 275, auch die von
P. gerühmte Schilderung der Küste von Sandgate 2, S. 93 macht keine Ausnahme.
Aber er ist ein Meister des Bonmots, ein Virtuos in packenden Sentenzen und ein ganz
vortrefflicher Psycholog, der Leben und Zeiten mit wenigen Worten zu charakterisieren
versteht, oft ungerecht, aber immer wirksam. Goethe steht dieser durchaus auf poli-
tische Wirkung gerichtete Mann fremd gegenüber; für Schiller schwärmt er (2, S. 122,
202). Begeistert spricht er vom „Teil". Seine Jugendgeschichte, in Märchenform er-
zählt (2, S. 217), ist für die Mischung von Romantik und scharfem Wirklichkeitsgefühl
besonders bezeichnend; und gerade dies mag ihm auch Lessings einziges halbromantisches
Produkt, die „Erziehung des Menschengeschlechts", besondert wert gemacht haben
(2, S. 174). — Ein anderer politischer Journalist, bei dem die Entwicklung vom „roten
Demokraten" zum gouvernementalen Offiziösen selbst in der Darstellung seines Sohnes
nicht gerade so „organisch" scheint wie bei Bucher, ist R. Schramm ^^^), der an Buchers
Wiederanstellung im Staatsdienst lebhaften Anteil nahm. Seine feurigen Reden in der
Nationalversammlung gehören zu den wenigen, die im Ohr des Lesers bleiben; seine
litterarische Thätigkeit war weniger bedeutend. : — Schulze-Delitzsch, von Eheberg '^')
behandelt, interessiert uns schon als angeblicher Autor der „Hussiten vor Naum-
burg", Schwetschke ^^") als vielseitiger origineller Satiriker und Lobsinger des Eürsten
Bismarck. ^^^) —
Mehrere Staatsmänner der neuesten Zeit nach 1848 haben wohl als
Redner, aber nicht als Schriftsteller Bedeutung 194-196^ ^ doch ist AI. v. Hühner i^''), der
ultramontane Diplomat, schon als geschmackvoller Reiseschilderer bekannt. —
Während Segesser, von Meyer von Knonau^^S) besprochen, der Schöpfer der ultra-
montanen Partei in der Schweiz, in Agitationsschriften ein reges Treiben entfaltete,
verbarg in Berlin Louis Schneider, den Wippermann ^^g^ schildert, seinen, wie
vielfach behauptet wird, nicht geringen politischen Einfluss und trat nach dem Konflikt,
in dem er zum Teil die schriftstellerische Hand König Wilhelms gewesen war, nur noch
mit mancherlei dankenswerten historischen Gaben an die Oeffentlichkeit. Seine „Er-
innerungen aus dem Leben Kaiser Wilhelms" sind an charakteristischen Zügen reich
und für das Verständnis des Gründers unseres Reiches so unentbehrlich wie für das
seines Vaters das Buch des Bischofs Eylert. ^^^aj —
Den grössten Staatsmann der neueren Zeit endlich haben nach seiner rhetorischen
Erscheinung zwei Schriften behandelt. Während Blümner 200) mit philologischer Gründ-
lichkeit nur über den bildlichen Ausdruck in den Reden des Pursten Bismarck handelt,
fasst das ganz ausgezeichnete Schriftchen von Gerlach 201) alle Eigenheiten des
gewaltigen Redners in knapper Charakteristik und vorzüglich gewählten Beispielen
zusammen. — Bismarck nimmt mit vollem Recht auch in der Auswahl rednerischer Prosa eine
Centralstellungein, die Wych gram 202 j z^m erstenmal für Schulzwecke hergerichtet hat. Die
Auswahl ist vielleicht etwas zu modern ausgefallen: nur Goethe und Schleiermacher vertreten
die ältere Zeit, während Schelling und Fichte, Uhland und J. Grimm ganz fehlen.
E. Achtundvierziger, L. Buchers Leben u. Werke. Berlin, Hennig. 1890/1. VIII, 308, 302 S. je M. 3,00.-190) Rud. Schramm,
Rud. Schramm: ADB. 32, S. 446-50. - 191) K. Th. Eheberg, H. Schulze-Delitzsch: ib. 33, S. 18-29. — 192) (IV 3 : 106/7). —
193) X vEisenhart, Wilh. Sohulz-Bodmer: ADB. 32, S. 762/3. — 194) H. Granier, Graf Schwerin-Putzar: ib. 33, S. 429. —
195) V. Zeissberg. Fürst Felix Schwarzenberg : ib. S. 266-90. — 196) K. v. Heigel, K. Frhr. v. Schrenck: ib. 82, S. 48.5. —
197) (IV 1:173; F. : LCBl, S. 1308; 0. Lorenz: DLZ. 12, S. 1648/9.) — 198) Meyer v. K non au, Segesser: ADB. 33, S. 594-605. -
199) Wipperra an n, Ludwig Schneider: ib. 32, 8. 134-4.5. — 199a) X J. v. Schwarze, Fr. v. Schwarze: ib. 33, S. 25.1/6. - 200)
(IV. 1 : 117.) - 201) (IV 1 : 116.; -202) (I 7 : 36). - 203) Ferd. Lassalle, Tagebuch. Her. u. mit e. Einl. vera. v. P. Lindau.
138 R- M. Meyer, DiMaktik deH 1H./19. .TalnlnnidertB. IV 6; ao4>2i4
Auch ist die Predif^t zu stark herücksicJiti^t; es liätton aus der parlamentarischen ßeredt-
samkeit wohl einige politisch in jeder Hinsicht ungefährliche Meisterstücke etwa von
Bonnigsen den Reden von Bismarck und Moltke beigefügt werden können, während das
gänzliche Fehlen der forensischen Beredtsanikeit durch deren Stand in Deutscliland
sich zur Genüge erklärt. Dagegen hätte die bei uns blühende Kunst der Vereins- und
Weihreden wohl durch irgend eine glückliche Probe gekennzeichnet sein können : Schülern
steht gerade diese Art der Beredtsainkeit am nächsten. Im übrigen ist die schwierige
Auswahl mit üescliick getroffen. Natürlich liätte jeder sie anders gemacht (ich hätte
z. B. statt Goethes Rede auf Anna Amalia lieber die auf Wieland gedruckt); aber ein
triftiger Grund, eine der gewählten Reden fortzuwünschen, liegt nicht vor. Gescliickt
hat W. gerade solche Stücke gewählt, die besonderer Kommentare nicht bedürfen,
wenigstens schriftlicher: mündlich wird der Lehrer wohl doch nachhelfen müssen. —
Eine Beredtsamkeit ganz anderer Art, i)rickelnd, aufreizend, nicht die Beredt-
samkeit des Staatsmannes, sondern des Agitators ist Bismarcks berühmtem „Nachbarn"
Lassalle eigen. Das Tagebuch des Knaben, von P. Lindau 203) mit unmotivierter
Ehrfurcht behandelt, zeigt in dem unausstehlichsten aller vorlauten Schuljiyigen doch
schon die selbstbewusste Kraft, zu imponieren, zu verachten und zu hassen. Listruktiver
ist selten ein „document humain" gewesen; unerfreulicher auch. Die Partei wird an
dem grossen Agitator deshalb nicht mhider festhalten 204-5a). — Ein ganz lesbares,
übrigends nirgends neue Gedanken oder Thatsachen bietendes Lebensbild Lassalles gab
Kätzler 205b^_ — Einen socialdemokratischen Eülu-er von selu- viel liebenswürdigerer Art,
freilich auch von sehr viel geringerer Bedeutung schildert das hübsche Buch von Theodora
Wedde205c). Johannes Wedde, ihr Bruder, ist merkwürdig diu-ch den ausgesprochen
nationalen Charakter seiner politischen Entwicklung: für die Socialdemokratie wird er
nicht, wie fast alle anderen, durch die Macht internationaler Propaganda oder zeitloser
Abstraktion gewonnen, sondern aus einer leidenschaftlicheii Verehrung altgermanischen
Wesens erwächst ihm der Hass gegen all die Gewalten, die dies zu verdunkeln und zu
hemmen scheinen. So erklärt sich das Wunder, dass ein als socialistischer Agitator
ausgewiesener Mann in seinen Schilderungen altsächsischen Bauernwesens an Moser
erinnert, dass der Bekämpfer der Reaktion wie ein Romantiker der Restaurationszeit
für die alte Mythologie schwärmt und sogar mühevoll in mittelhochdeutschen Strophen-
formen dichtet. Eine in harter Schule des Lebens und Leidens gestählte Lidividualität
tritt überall hervor, die über dem Kämpfen das Lieben nicht verlernt hat, die selbst in
dem grössten Gegner die Grösse zu ehren weiss, wie Weddes Urteile über Bismarck
zeigen, und die von dem traditionellen Bild des Berufsagitators jedenfalls weit genug
abliegt, um schon deshalb Beachtung zu fordern. Für den Litterarhistoriker ist die
geistige Nahrung eines solchen Mannes merkwürdig. Dass er Schiller verehrt, ist
wie bei jedem idealistisch gesinnten Politiker, wie bei Bucher oder F. A. Lange so
bei Wedde selbstverständlich. Aber eine tiefe Versenkung in den Geist Eckarts, eine
Empfängliclikeit für alle religiöse Vertiefung des germanischen Geistes, eine begeisterte
Nachfolge Goethes (S. 66) würde man nicht von vornherein erwarten. Dass ein aus all
diesen Quellen genährter Geist mit seinen klar und still geschriebenen Aufsätzen sich
die dankbare Verehrung weiter Kreise erwerben konnte, bleibt jedenfalls ein schöner
Beweis dafür, wie gründlich die flache Volksrednerei (in allen Parteien) das Bildungs-
uud Begeisterungsbedürfnis gerade der niederen Volksklassen unterschätzt. Dadurch
wird das Buch für den Litterarhistoriker ein unverächtlicher Beitrag zur „Lehre vom
Publikum". — Grubers 206) grosser Artikel über den Liberalismus bietet für die politische
Litteratur der neueren Zeit reichhaltiges, nicht ungeschickt geordnetes Material. Sonst
bringt er wenig Neues; dass der Liberalismus zwar die Hauptirrlelire unserer Zeit ist,
aber bereits vom Sündenfall datiert, ist schon längst bekannt. —
Drei hervorragende Universitätskvu-atoren führen von den Staatsmännern zu den
Pädagogen über: W. von Humboldt, von dem Carriere^o?) einen Brief mitteilt und
dessen Ruhestätte J. Löwenberg 208) schildert, Johannes Schulze^**^), der berühmte
„Minister der Hegeischen Angelegenheiten", lange Jahre geradezu der Regent der
preussischen Universitäten, und Seebeck 2i0), der gefeierte Kurator von Jena. —
Wir kommen zu den Schulmännern und Pädagogen. Zwei Berichte über
die Prüfung auf dem Philantliropin wurden neugedruckt 21 i-i3)^ mit ausreichenden An-
Breslau, Schles. Verlagsansi 250 S. mit 1 Bild. M. 3,00. — 204) X >d., Beden u. Sohrifteii. Nene Oesamtausg. Her. im
Auftr. d. Vorstandes d. socialdemokrat. Partei Deutschlands v. Ed. Bernstein. Berlin, Verlag d. .Yorwlrts". 1 Lief. 48 S.
M. 0,20. - 205) O XX id., Ausgew. Keden u. Schriften. (In 20-2.5 Lfgn.) 1 Lfg. Leipzig, Pfau. 64 S. M. 0,40. —
205a) O A. Kennard, F. Lassalle: lO"- Century 30, S. 361 ff. — 2056) G. KStzler, F. Lassalle: VZgs. N. 34/6. —
205C1 Theodora Wedde, Jf>h. Wedde. Gedenkbll. v. g. Schwester. Mit 2 Lichtdruckbildern. Hamburg, Grttning. IV, 188 S.
M. 1,20. — 206) H. Grub er, Liberalismus: Wetzer & Weites Kirclienlexikon 7, fS. 1898-1944. — 207j H. Carriöre, E. Brief
W. T. Humboldts Über Gescliichtsschreibung: AZg". N. 242. — 208) J. Loewenberg, D. Campo Santo im Schlosspark cn
Tegel :VZg.T. 7. Juli. -209) (I 6 : 106.) — 210) (I 6 : 77.) - 211/3) (1 6 : 24.) - 214) M. Hippe, J. 0. Schummel: ADB. 33
IV 6: 215-225. R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jalirhunderts. 134
merkungen; der Vf. des zweiten, Schumuiel, der bekannte Vielschreiber, ist von Hi})i)e-i4
behandelt worden. — F. Jonas 215) hat einen seiner Vorläufer ins Licht gerückt, Christoph
Semler, den Begründer der ersten Kealschule. — W^ie die pädagogischen Grundsätze der
klassischen Periode praktisch galten, sucht an einem geeigneten Beispiel, Vater und
Sohn Kömer, Gr. Kreyenberg 216) zu zeigen; viel Eigenartiges kommt eben nicht zum
Vorschein. — Pestalozzi ist in Weiss' ^17) Weltgeschichte verhältnismässig breit geschil-
dert. ^^^) — Sein Gönner Schulthess hat in Hunziker^is) einen Biographen gefunden. —
Hunziker2i9a) j^at auch Pestalozzis erstes Bild veröifentlicht sowie die Briefe seines
Jugendfreundes Blunschli, die in ihrer Begeisterung für Rousseau und Entrüstung über
Wieland (S. 129), in der naiven Zudringlichkeit pädagogischen Ereundschaftseifers und in
ihrem zürcherischen Lokalpatriotismus sehr charakteristisch sind. — Knecht 220) giebt
eine Geschichte und Kritik der Kindergärten, die das Spielerige und Pedantische in
Fröbel scharf hervorhebt, das Sinnige und Gesunde übersieht. — Als trefflicher Pädagog
tritt G. Schwab in Herrn. Eischers^ai) liebevoll anschaulicher Schilderung hervor. —
Und ein Pädagog besonderer Art darf nicht vergessen werden: Schreber, der im gesun-
den Körper, den gesunden Geist aufbauend die „Erziehung zur Schönheit" predigte und
mit seinen ärztlich-pädagogischen Schriften weiten Kreisen, besonders des „zu sesshaften
Gelehrtentums" ein wirklicher Wohlthäter geworden ist. Sein Leben und Wirken hat
Brummer 222) beschrieben. —
Indem wir nun endlich letztens zu den Versuchen kommen, der ganzen Rich-
tung und Strömung der Zeit entgegenzuarbeiten, die Volksseele in ihren entschiedensten
Trieben zu erziehen, müssen wir auch an diesem Ort des grössten Meisters der Volks-
erziehung und Zeitkritik gedenken. Als Volkspädagogen und Zeitpädagogen im
grössten Stile kann man Goethe erst beurteilen, seit W. von Biedermanns 223) Sammlung
seiner Gespräche abgeschlossen vorliegt — ein Unternehmen, das statt nationaler Dank-
barkeit nur lauem Lobe begegnet ist. Gewiss könnte manches anders gemacht sein,
und vor allem brauchten die Erläuterungen nicht gar so dürftig auszufallen. Aber es
ist doch weiten Kreisen ganz neu die Möglichkeit geschenkt worden, über Goethes
mündliche Urteile sich zu befragen; prachtvolle Unterredungen, die unzugänglich waren,
die mit Luden z. B., sind jetzt jedem Zuhörer geöffnet; charakteristische Be-
gegnungen, wie mit Mickiewicz, mit dem Ritter v. Lang, mit Victor Cousin, kann
jedermaini jetzt beobachten. Als der unvergleichliche Lehrer und „Befreier" steht der
Olympier vor uns und macht Geibels schönes Wort von Platen zur Wahrheit: Ich
deutete mit jeder leisen Wendung, Ein Fackelträger, nach dem Reich des Schönen. —
Von Goethes Mitarbeitern haben wir Humboldt schon erwähnt. Zum zweiten Mal
müssen wir auch Basels*) nennen, dessen höchst charakteristische Reden mit ihrem
Kultus der frommen Vernimft, mit ihrem warmen Patriotismus und ihrem Schwung die
Sclmle Eichtes deutlich verraten. — Ein Volkserzieher in grossem Stil — darin lässt
am besten sich auch die Charakteristik E. A. Langes zusammenfassen. Eine Pracht-
natvir, antik im höchsten Sinne mit seiner Vereinigung von PhilosopJiie und Politik,
Turnlehrer und socialer Agitator zugleich, ein vortrefflicher Geschäftsmann, dabei erfüllt
\on tiefer Ehrfurcht vor dem Schönen, wie Lothar Bucher auch er ein begeisterter
Verehrer Schillers und auch selbst Dichter. Für den Litterarhistoriker bietet Langes
lieben noch ein specielles Interesse, insofern er während seines Züricher Aufenthalts der
politische Antagonist G. Kellers wurde; denn der Staatsschreiber von Zürich war -ein
überzeugter Anhänger jenes Alfred Escher von der Linth, den Lange so heftig bekämpft
hat, und jene „Verleumdungsseuche", die Keller in wuchtigen Liedern angegriffen hat
und die er durch das Oelweiblein im „Verlorenen Lachen" parodierte, fand Mitai'beiter
bis in die nächste Umgebung Langes hinein. Davon erfährt man aber nichts bei
Ellissen 225^1 er bringt iür die lockende Aufgabe dieser Lebensbeschreibung nichts mit
als warmen Eifer. So ungeschickt wird der Stoff disponiert, dass dies höchst interessante
Leben in der Biographie zuweilen langweilig wird. Während jeder Brief Langes ein
stilistisches Denkmal ist, kommt bei E. das Buch als Ganzes nicht über die lockerste
Form hinaus. Dazu zeigt, er sich in den Materien, die Lange bearbeitet, so wenig zu
Hause, dass er für die Philosophie auf jedes eigene Urteil überhaupt verzichtet. Karl
Matthys Leben von G. Freytag hätte hier ein prächtiges Pendant finden können; statt
dessen müssen wir das Buch mit Bolins Feuerbach vergleichen, das es zwar durch Höhe
der Anschauung übertrifft, von dem es aber in schriftstellerischer Kunst weit über-
S. 69-61. — 215) F. Jo n» 8, Chr. Semler: ib. S. 694/8. - 216) G. Kreyenb erff.D. Pädagogik in d. Körnersohen Familie: BhBllEU. 65,
S. 481— 601. — 2I7J J. B. V. Weiss, Lehrb. d. VVeltgesch. Bd. 9. 2 Hälfte. Graz, Styria. VI, 1508 S. M. 10,00. (Hier vgl.
S. 1108-16.) — 218) O Pestalozzi u. d. Beichte: PastoralBlRottenburg 9, S. 52 if. — 219) (I 6:28.) - 219a) 0. Hunziker,
Beitr. d. Festalozziinuins in Zürich: Turiciusia S. 104—89. — 220) Knecht, Kindergärten: Wetzer u. Weites Kirchenlexikon 7,
.S.462— 71. — 22l)Herm. Fischer, Gust. Schwab: ADB 33,8.152/5.-222) F. BrUmmer, D. G, M. Schreber: ib. 32, S. 464/5.
— 223) Goethes Gespräche, her. von W. v. Biedermann. 9. Bd., 1. u. 2. Hälfte (Register, u. Erläuterungen v. 0. Lyon.
Leipzig, V. Biedermann. 124, 280 S. H. 6,85. — 224) (I 5 : 98.) — 225) 0. A. Ellissen, F. A. Lange. £. Lebeusboschreib.
13Ö R. M. Meyer, Didaktik den 18,/19, Jahrhunderts. IV6:22»»-227. IV7:i.
troifeu wird.'--^»-'') — Auch Wustmanu -'^"^ versucht VolkKerzieher zu «ein; die Sprach-
duminheiteii sind ihm nur Exponenten tieter Hegender Zeitfehler. Darin dürfte er recht
haben, weniger schon in dem übertriebenen Anteil, den er dem JoumalismuH »chuld
giebt. Unsere Zeitungen schreiben im ganzen jetzt besser als vor dreissig Jalu'en; und
dass man mit solch einem „Stil", wie ihn Gutzkow aufweist, heut Klassiker wird, scheint
gerade durch die weiter verbreitete Strenge undenkbar. Ganz und gar nicht ver-
mögen wir mit dem neuen Gottsched zu gehen, wo er diktatorisch Abhilfe schaffen
will: gerade weil die Sprachdummheiton nur ein Symptom sind, ein Symptom der all-
gemeinen Formlosigkeit, der Nachlässigkeit, der geschäftlichen Nüchternheit — gerade
deshalb wird von diesem Buche, so aiu'egend und überwiegend heilsam es auch einen
Augenblick gewirkt hat, eine dauernde Besserung nicht zu erhoffen sein. Denn wie soll
man von einem selbst formlosen Lehrer Form, von einem oft so willkürlichen Gesetz-
geber innere Gesetzmässigkeit, von einem sich als alleinige Autorität aufspielenden
Meister Ehrfurcht vor den höchsten Mustern lernen? — Der Zeitkritik hat auch
W. Busch --'') ein seltsames, nachdenkliches Büchlein gewidmet, von Witz und Menschen-
kenntnis voll, ziellos über alle Fragen dahinfahrend, den Geschäftsgeist der Zeit, den
Socialismus, den medizinischen Unfehlbarkeitsdünkel und tausend andere Dinge streifend.
Hat man alles gelesen, so bleibt es immer — ein Traum. Immerhin hätte das geist-
reiche Werkchen wohl mehr Beachtung verdient. Litterarhistorisch haben wir es in das
Gefolge der zeitkritischen Dichtungen einzureihen, wie besonders Voltaire sie kultiviert
hat; auch das jetzt so beliebte Mittel, in Märchenform lehrhaft zu sein, verdient Be-
achtung. Und so knüpfen wir an den Anfang mit dem Ende an, indem wir aus den
mannichfachen didaktischen Anregiuigen der Gegenwart zurückdeuten auf die grosse Zeit
der Lelirdichtung im Zeitalter der Voltaire, Pope und Haller. —
IV,7
Lessing. 1890, 1891.
Erich Schmidt.
Aug(faben N. 1. — Briefe N. 10. — Leben N. 13. — Bilder N. 25. — Werke: Allgemeines: .Letzings
Plagiate" (Kleinigkeiten — Sars) N. 27. — Theater N. 28. — Einzelnes: Sinngedichte. Tarantnla N. 33. — Henzi, Sara
N. 35. — Thomson, .Sbakespeare N. 38. — Fabel N. 40. — Minna v. Bamhelm N. 44. — Faust N. 50. — Laokoon, Archaeologie
N. 61. — Haniburgische Dramaturgie N. 68. - Emilia Galotti N. 62. — WolfenbUtteler Beiträge N. 68. — Nathan N. 73. —
Philosophie N. 76. —
Lessing eröffnet die Reihe der Klassiker, die Jahr für Jahr eine neue papierene
Mauer uinschliesst. Diese Menge zeigt freilich, wie unnütz immer wieder in Artikeln
und Programmen dasselbe Stroh gedroschen wird, und der Bericht muss gerade hier
energisch bei Seite schieben, was durch kein Ergebnis, keinen Gedanken, keinen Reiz
der Form ausgezeichnet ist. So mancher trägt Beobachtungen, Zweifel, Einfälle ohne
Rücksicht auf die zugänglichste Litteratur vor. Zahlreiche Schulausgaben werden mit
ganz unselbständiger Büchermacherei , pädagogisch und litterarhistorisch gleich un-
Ihichtbar, an der Hand landläufiger „Erläuterungen", d. h. öder Paraphrasen des Dichter-
wortes mit ärmlichen Fussnoten, hergestellt und ofl von ernsteren Arbeiten Frankreichs,
Englands, Amerikas beschämt. Demgegenüber hat der Referent die Pflicht des Schweigens
nach dem Martp'ium des Lesens. —
Ausgaben. Von Munckers i) sorgsam revidiertem und vermehrtem Neudruck
des Lachmannschen Lessing sind di-ei weitere Bände erschienen. Der 5. hatte die Vor-
rede zur Voltaireübersetzung nachzutragen und gemäss dem Vorgange B. A. Wagners
und Boxbergers die Tageskritiken seit 1752 reichliclier auszubreiten, wobei denn zweifel-
liafte Stücke lieber gebucht als weggelassen wurden: Naumanns Nimrod, Börners
Wurmsamen, Acoluthus' Heinrich VII., Chariton, Gesners Chrestomathie, Anatomisch-
Leipiig, Baedeker. VI, 271 S. M. 4,60. |[LCB1. S. 1748; F. J. Schmidt: Gegenw. 40, 248/8, 264/6.]| - 225«') XX P-
de Lagarde, Deutsche Schriften Gesamtausg. letzter Hand. 2. Abdr. GötUngon, Dieterich. 420 8. M. 4,00. — 225b) XX
C. Gurlitt, P. de Lagardes. Dtsih Schriften: Gegenw. 40, S. 386,'9. - 226) (I 8 : 59). — 227) W. Busch, Eduards Traum_
München, Bassenuann. 85 S. M. 2,00. —
I) G. E. Lessings sHmtl. .><chrif'teii Her. v. K. Lfchinaun. 3., auf« neue durchges. u. rermehrte Aufl. Her. t.
F. Munoker. Bd. 5-7. Stuttgart, Göschen. .\1X, 456 S., IX, 448 S, XV, 479 S. je M. 4,60. ILErich Schmidt: ADA. 17,
XV 7: 2-12. Erich Schmidt, Lessing. 1890, 1891. 136
chirurgisches Lexikon, Crusius' geistliche Abhandlungen, Darnmanns Judenpredigt,
d'Argens' Philosophie du bon-sens, Abels Halberstadt u. a. Wir billigen die Weit-
herzigkeit, während im 6. Bande (Theatralische Bibliothek, Vorrede zu Mylius, Pope ein
Metaphysiker) sich starke Bedenken gegen den von Lachmann über bloss verdeutschte
Abschnitte, sowie über Auszüge aus Riccoboni und Dubos verhängten Bann erheben
und M. die mehrmals verlassenen Schranken des Meisters freier hätte sprengen sollen,
statt die verspätete Erkenntnis, die abgedruckte Analyse der Montianoschen Virginia sei
wirklich bloss dem Hermilly entlehnt, zu bedauern. Nur äussere Gründe können die
Uebersetzungen Lessings insgesamt ausschliessen. Dass offenbare Nicolaische Arbeit
keinen Eingang finden darf, ist klar. Leichthin hat M. sich nirgends entschieden und
in der Textbehandlung auch da nur in ein paar Kleinigkeiten geirrt, wo Lachmann
recht eilig verfahren war. Beträchtlich vermehrt erscheint der 7. Band. Ob es nun die
Vossischen „Knaben alle" sind, wird auf dem unsicheren Boden kaum endgiltig festzu-
stellen, aber mit scharfer Stilkritik zu fördern sein, unter Beachtung des richtigen
Winkes, dass der führende Berliner Journalist Schule machte. Bei der Nicolaischen
„Bibliothek" rechnet M. vorsichtig mit den Kriterien Danzels und Redlichs, dessen
Sorgfalt weiterliin dem Logau frommt wie Proschs rühmliche Ausgabe den Eabel-
abhandlungen am Schlüsse. Das Vorwort giebt zwar die von Redlich erhärtete Unecht-
heit des Sinngedichts 1,49 (Leyding) zu, sucht aber diesen Verlust durch den Gewinn
zweier kleiner Prosanummern aus denselben Sammlungen Gleimscher Kriegslieder wett-
zumachen: 7, 114 — 116, unglücklich, wie Schüddekopf des nähern beweisen wird; denn
die Uebereinstimmung mit Lessing entspringt Plagiaten des Nachdruckers. Sonst zeigt
gerade dieser Band den erheblichen Vorsprung. — Daneben laufen, sauber gedruckt,
die für ein grösseres Publikum bestimmten Göschenschen 2-5) ^ind Cottaschen ß) Ausgaben
fort. — An die ersten sechs Bände Munckers hat Erich Schmidt, zugleich auf Sauers gehalt-
volle Anzeige ZOG. 39, S. 36 ff. verweisend, allgemeine und specielle Bemerkungen
geknüpft, den Mangel genauer Beschreibung der Hss. und knapper Anführung der Quellen
bloss eingedeutschter Nummern betont, Kompositionen verzeichnet, die Bedeutung der
Voltaireübersetzung hervorgehoben und die Lachmannsche Methode, nur eine Auswahl
hs. Varianten mitzuteilen, bekämpft, auch nach einem Hinblick auf die „Emilia" die
Mss. der „Matrone" und besonders des Nathanentwvirfs nach verglichen. — Muncker '')
selbst giebt, leider ohne nähere Beschreibung der Blätter und ohne erschöpfen zu
wollen, hs. Lesarten zu den Prosaoden an Mäcen, Orpheus, Gleim, Kleist; soweit ich die
teilweise schwer lesbaren Breslauer Papiere kenne, mit scharfem Auge. — Haltlos ist
Distels 8) Versuch, noch ein Meissner Gelegenheitsgedicht auszugraben und das von
. den adeligen Inspektoren nach einem Sturm gegen den Oekonomen Walter (22. Sept.
1743) eingesandte Gnadengesuch an den König (12. Nov.): „Wie? dürfen wohl vor Dich
auch frecheKinder treten", dem SekundanerLessing zuzusclnreiben, der laut Untersuchungs-
bericht im Dresdener Archiv zu der Katzenmusik mitgelaufen war, aber nicht ge-
schrieen und bombardiert hatte. — Boxb erger 9) hat die „Collectaneen", den pliilolo-
gischen Nachlass, das italienische Tagebuch, das Projekt „Leben und leben lassen", die
„Selbstbetrachtungen" usw. mit knappen Fussnoten ausgestattet und vor der Biographie
(s. u. N. 13) Berichtigungen zu den früheren Bänden geliefert, darunter auch ein Eabel-
register und eine Anekdote („Lossii narrationes jocosae") a\is den Breslauer Papieren.
Wozu S. 439 ein Dillersches Apokryphum? —
Zu den Briefen sind gekommen: durch Redlich^o)^ aus Maltzahns dunklem
Nachlass in C. R. Lessings Besitz übergegangen, die Korrespondenz mit Jacobi
revidiert und um drei Schreiben Eriedrich Heinrichs (1. Aug., 23. Juli, 28. Nov. 1780)
vermehrt nebst genauen Erläuterungen, ferner ein bescheidener Brief v. Breitenbauchs
(Bucha 10. März 1764) über seine poetischen „conatus", mit knapper Skizze des Lebens
und Dichtens und Abdruck einiger Verse auf Lessing aus den „Bukolischen Erzälüungen " ;
durch Erich Schmidt^i): Lessings Bücherbestellung an J. A. H. Reimarus 22. Aug. 1769,
Gleim an Lessing 28. Dez. 1777 mit Auszügen aus anderen Gleimbriefen, auf Lessing bezügliche
Blätter Leisters, Kästners, Jerusalems, ein interessantes Schreiben Goezes über sein
Theaterbuch; durch F. Wilhelm^^); Ebert an Lessing 15. Dez. 1770 (Bodes Verlangen
nach Beiträgen zum „Wandsbecker Bothen"; über Ramler, dem Lessing deshalb den
Brief schickte). —
S. 136— 46.] j — 2) id., Werke mit e. Auswahl aus s. Briefen n. e. Skizzo s. Lebens. Her. v. Goedeke -Muncker. 12 Bde.
Stuttgart, Gösc.lion. geb. M. 26,00. — 3) id., Werke gos. in 6 Bdn. ebdii, M. 6,00. - 4) id., Ausgew. Worke. 2 Tle. in 1 Bd. ebda.
M. 1,80. — 5) id.. Poetische Schriften. 2 Bde. ebda. M. 2,fc0. — 6) id., Ausgew. Werke in 6 Bde. 2-3. — Cottasche Volks-
bibl. 15 u. 24. Stuttgart, C'ottaNachf. 255, 194 S. je M. 0,80. — 7) F. Muncker, Lessingischo OdenentwUrfe in d.hs. Uoborlieferung:
Bomanische Forscliungon 5. Bd. Festschrift fUr Koorad Hofmann z. 70. (ieburtstage. S. 280/4. — 8) Th. Distel, Gedicht aus
Lessings Seknndancrzeit. E. Gedonkblatt z. Wiederkehr d. 150. Jahrestages s. Eintritts in d. FUrstenschnle zu Moisscn
21. .luni 1741. Pirna, Eberlein. 4«. 4 S. — 9) R. Boxberger, Lessings Werke. 14. Tl. Les.sings Nachl. 2. Tl. Stuttgart,
Union. 672 S. M. 2,50. — 10) C. Redlich, Briefe v. u. an Lessing aus W. Maltzahns Nachlass: VZg«. N. 273. — II)
E. Schmidt, Lessingiana; VLG. 4, S. 263-81. — 12) Fr iedr. Wilhelm, Briefe an K. W. Ramlor: VLG. 4. S. 226—263.
137 Erich Schmidt, Lessing. 1890, 1891. IV 7: is-2i.
Löl)cii. Buxbergers'-^) Biogi-aphio, z. T. in engem AnschluKS an die von
ihm besorgte zw^^ite Auflage des Danzelschen Werkes, mit einem seitenlangen Vergleich
zwischen Lessing und Sokrates eröffiiet, strebt nicht nach neuen Gesichtspunkten und
geht von sachlichen Daten und Auszügen zu gern in begeisterte Deklamation über, die
z. B. den Berliner Lessing zum deutschnationalen Franzosenfeind macht und die Bedeu-
tung Voltaires ganz in den Wind schlügt. F. H. Jacobi von einem unermüdlichen
Litterarhistoriker S. 15') zu den „untergeordneten Geistern" gerechnet zu sehen, muss
ebenso befremden, wie dass Moses ohne Lessing eine Null (S. 522) geblieben wäre, der
„allein poetisch ebenbürtige" Kleist aber mit Lessing „sein Jahrhundert in die Schranken
gefordert" hätte (S. 544). Der Zeit bis 17')') sind einige (Jü, den Jahren 1755 — 1'<81
nur 40 Seiton gewidmet. Ausser Portiaitholzschnitten ist ein Faksimile des Briefes an
Eschonburg vom 81. Dez. 1778 beigegeben. — Hoogstraten'*) als holländischer Partei-
gänger der Hatfner inid Baumgartner protestiert gegen üpzoomers Aufschrift „Leasing»
(ie Vriend der Waarheid" und will sich, „om Lessing onpartijdig te beoordeelen, op een
zeer hoog standpunt plaatsen: Dat standpunt is alleen te vinden in de katholische kerk",
wonach denn li., der Schüler Bayles und Voltaires, im Gegensatz zu Leibniz als Revo-
lutionär und Freibeuter, als Trinker „uit den giftbeker des ongeloofs", der „Nathan" als
Freimaureridol erscheint und die bewundernden Analysen des „Laokoon", der „Dramaturgie"
doch in eine Verdammung des Glaubenslosen umgebogen werden: „de positieve gods-
dienstleer des ciiristendonis was heni een dwaasheid", deshalb war sein Schönheitsideal
eitel, seine Aesthetik ohne „hersclieppende kracht". — In der neuen Auflage
von GoedekeslS) Grundriss ist die Lessinglitteratur ungemein vermehrt worden; man spürt
überall den kundigen Revisor, dessen Anordnung freilich manchmal etwas Zufälliges hat
und die Benutzung, abgesehen von unvermeidlichen Lücken oder ein paar überflüssigen
Nimnnern, erschwert. — Den Vater will van Hoffsi^) auf Grund kleiner Danzelscher Citate
zum Sprachreiniger stempeln. — Einen die grosse Reise betreffenden Brief von Mylius an
Hallor (Berlin 2(5. Sept. 1752) teilt L. Geiger''') mit. — Auf des jungen Wieland Verhältnis
zu Lessing wii'ft Hirzel'8) neue Streiilichter: S. 38, 132, 141 Litteraturbriefe und
Philotas, S. 74 „Grandison in Görlitz" von Bodmer (vgl. überhaupt Bächtolds Schweize-
rische Littcraturgesdiichte), S. 108 ff., 201 ff. die Berliner Preisaufgabe über Pope:
Künzli bewirbt sich vergebens, Reinlxard siegt; Bericht über den ganzen Verlauf. —
Rahbeks Anekdote von Klingers Zusammentreffen mit Lessing in Wolfenbüttel wieder-
holt Minor'^). — Den Bibliothekar K. v. Cichin und seine Geldnöte zeichnet
0. V. Heinemann20). — Gegen eine Stelle dieser Abhandlung beweist Riegel-^), dass
durch Lessing, dem Heinemann einen Verstoss gegen seine Amtspflicht aufgebürdet habe,
Stiche und Handzeiclniungen nicht eigenwillig, sondern auf herzoglichen Befehl nach
Braunschweig ausgeliefert worden seien. — Darauf stellt von Heinemann^-) sein Urteil
klar und zeigt die Unvereinbarkeit des Befehls mit Bestimmungen im Testament Augusts
d. J. — Des kurpfälzischen Kabinetsekretärs v. Stengel Bericht über Lessing in Mann-
heim und Heidelberg, über Hompesch (Maler Müller, Morgenblatt 1820, N. 48 — 50),
über Pater Franks Wühlerei gegen den hochfahrenden Eindringling, über freie Station
und Reise, Geldgeschenk, Goldmedaillen hat Heigel^s) nach dem ersten Abdruck in
der Zeitschrift für allgemeine Geschiclite 1887, Nr. fi f wiederholt (E. Schmidt 2, S. 803). —
Hübsche Mitteilungen v. Dörings an Gökingk über den Verkehr mit Lessing, die Arbeit am
„Nathan", die Andeutung eines mit Goeze verwandten Patriarchen, die Krankheit beschert
L. Geiger24). _
Zu den Bildern kam eine Silhouette, im Stammbuch M. L. Rodowes unter
Terenzversen (Leipzig 20. Febr. 1775) nachgetragen: sie wurde 1890 von Herrn Kil.
Steiner in Stuttgart ei-worben. — Das Marmordenkmal von dem Urgrossneffen Otto
Lessing mit bronzenen Genien, den Medaillons Kleists, Mendelssohns, Nicolais, wurde
im Berliner Tiergarten am 14. October 185K) eingeweiht und gab zu zahlreichen Artikeln
Anlass-^). Die Festrede hielt Erich Schmidts«). —
Werke. Allgemeines: Lessing als dem Meisterdieb und Erzplagiarius aller
Zeiten ein Schandmal zu emchten, unternahm der Anatom Prof. Dr. med. et phil.
Albrecht 27) in einem riesig angelegten aber schon 1891 abgebrochenen, sehr spendid
(Darin «rief an Lessing S. 260/3.) - 13) (S. o. N. 9.) - 14) P. F. Tli. T»n Hogstraaten, Ord. Praed., Studien en Kritiken
Eorste Doel. Nijmegen. Malmbug. („Leasing" S. 188—276.) — 15) (IV 1:1, S. 129^54.) — 16) F. T»n Hoffs:
ZADSprV. 5, S. 129. - 17) (JI 5:21.) - 18) (IV 3:30.) — 19) J. Minor: Aus d. SchillerarchiT (1890 IV 12:2. .s. 36). —
20) 0. V. Heinemann, Les.^ings Amtsgenosse in WolfenbUttel : Gronib. 49.11. S. 252—67. — 21) H. Riegel. Lessing, die
WolfenbUttler Bibliothek u. d. Mu.seum in Braunschweig: VZgS. 1390, N. 42. — 22) 0. t. Heinemann: ib. N. 4."». — 28) K.
Th. Ueigel, Quellen u. Abhandlungen z. neueren Gesch. Bayerns, NF. München, Rieger. 1890. 424 S. M. 10.00. (S. 341t)
— 24) L. Geiger, E. WolfenbUttler Genosse Les.«ings: FZg. 1890, N. 324. — 25) Ueber d. Denkmal: L. Pietsch: VZg.
14. Okt. 1890; AZg. N. 288; C. Gurlitt: Gogenw. N. 43; lUZg. N. 2470; ÜUj-M. 65, N. 6; P. Schienthor: VZg. N. 41; C.
Bössler: Post N. 283f.; F. Mauthnor: Deutschland 2, S. 55; Grenib. 49, IV; FrB. 1, S. 1017. — 26) K. Schmidt. Fest-
rede z. Enthüllung d. Lessingdenkinals zu Berlin: VZg. u. KZg. 14. Okt 1890, (Auch separat 4 S.) — 27) P. Albrecht.
Leszings Plagiate. Selbstverlag Hamburg u. Leipzig. 1890 f. 1— VI l»: S. 144—2494 (fehlt Vorwort u. Heft IV 3>), jed«s
IV 7: 27. Erich Schmidt, Lessing. 1890, 1891. 138
gedruckten Werk, das links mit ungeheuren Spatien die Plagiate, rechts die Plagiomena
und ihre Sippen (auch Faksimiles — wozvi S. 192 aus B. Mencke?) vorführt; die unei'hörte
Ausgeburt einer erstaunlich belesenen, schwer gelehrten Monomanie. Die Forschimg soll
weder lachen noch zürnen, sondern den Wust siebend von dem furchtbaren Lessingo-
mastix zu lernen suchen. Es wäre auch trotz alledem schade, wenn die übrigen Sammel-
haufen für immer unterdrückt blieben und keine Hand Spreu und Körner darin sonderte.
A., an dessen wunderliche Griechheit man sich gewöhnen muss, scheidet zwa,r Ortho-
plagiat, Stenoplagiat, dikrenisches Plagiat, Euryplagiat usw., macht aber nicht den ge-
ringsten Unterschied zwischen Gleichheit, freier Anlehnung, blossem Anklang, zwischen
bewusster \ind unbewusster Erinnerimg. Ihm ist Motivgeschichte, zu der Lessings oft
musivische Arbeitsweise auffordert, nur ein Arsenal gegen den aller „autokephalen"
Gedanken baren Stehler, den Slaven und Juden (S. 567), den Bestochenen der Amster-
damer Hebräer. Er fragt sich nicht, welch ein Meister der Kombination der sein müsste,
der aus ein paar hundert verschiedenartigster Fetzen und Fäden ein Gewand wie „Minna
von Barnhehn" weben könnte, sondern berechnet im Prospekte, dass „Minna" aus 319,
„Sara" aus 436, „Emilia" aus 499, „Nathan" aus 340 Diebstählen zusammengestoppelt
sei. Der „Furtimagister" war nach ihm Weisse, beutete aber als der Langsame den
gemeinsamen Hamsterbau, das [xvoUvov später aus. Der Eest des Leipziger Diebs-
magazins liege in den, allerdings durchweg geborgten, „Comischen Einfälle nund Zügen"
vor. Die Einleitung ist nicht erschienen. So muss der Leser zunächst selbst prüfen,
Mdeviel für die naturgemäss ergiebigsten Epigramme Haug und Genossen vorgearbeitet
liaben. Die Ueberfülle der Parallelen bestätigt nur, dass die antike Erbschaft und die
ihrerseits sehr abhängige Produktion seit der Renaissance ein Gemeingut war und dass
bei Lessing alle Grade der Aneignung vom treuen Dolmetschen bis zur freiesten, oft
geistreichen Fortbildung vertreten sind, A., den wir für die Dramen genauer ausbeuten
wollen, hat nichts von Haug unbesehen angenommen: z. B. nicht Jacob, sondern
Stephanus Paschasius (Pasquier) ist der Gewährsmann des „Avar". Zum „Fell" citiert
er die gi'ichische Anthologie, 12 Neulateiner, 2 Franzosen; zu ,,Im Essen bist du schnell"
die Anthologie, 10 Lateiner, 1 Franzosen; zur ,,Galathee" die Anthologie und 10 Lateiner.
Epigrammatiker wie N. Grudius treten hervor. Die Menagiana werden ausgebeutet.
Plutarch und J. B. Rousseau, Shakespeare (so früh gewiss unmöglich) und Haller (S. 133
,, Alexander"), die Bibel — der hebräische Text, die Septuaginta, die Vulgata und Luther
werden nacheinander citiert — und Hagedorn müssen herhalten. A. verschmäht das
formal und inhaltlich Entfernteste nicht, wie z. B. das Plagiomenon zur ,, Beate" oder
gar S. 371 die Devise „Tout perdu fors l'honneur" als im „Verlust" bestohlen lehrt.
Zum „Taback" 8 beliebige Tabackcarmina; zu den 8 Zeilen ,, Paradies" 6 Seiten du
Cerceau und 5 Seiten Hagedorn ohne jede nähere Beziehung; ziim „Niklas" ausser den
]iaar von M. Bernays als unmittelbare Quelle entdeckten französischen Reimen 3 Seiten
H. Bebel, H. Sachs, Frey, wie denn die Frage, was das eigentliche Plagiomenon sei,
trotz der Leidenschaft für Stammbäume oft gar nicht gestellt wird. Das Lied „Phillis"
(im Drama „Vor diesem" auch bei Weisse) ist wörtlich der Mlle. Bernard entlehnt.
Ä. macht Lessings Vertrautheit mit Vergiers „Parodies Bachiques" wahrscheinlich. Wer
zum übersetzten ,, Orpheus" 7 S. fremde Texte zuviel findet, wird sich die 15 zu „Dem
über uns" als Beitrag zur vergleichenden Litteraturgeschichte eher gefallen lassen und
gern Lessings Schwanke bequem neben Poggio, H. Bebel, N. Frischlin, Kirchhof lesen;
so zum ,, Eremiten" — der „Messferkelei"! — Poggio (schon von R. M. Meyer nach-
gewiesen) und d'Argens (bereits bei Danzel), zur ,, Brille" einen Scherz der Menagiana. —
Die Prosafabeln wuchern mit altüberliefertem Pfunde; wie geistreich, manchmal wie
innig, das müssen wir uns selbst sagen. A. behandelt nur eine Auswahl und stellt etwa
zu den ,, Furien" ausser dem Lemma des Suidas eine schwerlich irgendwie benutzte
Stelle der „Foire St. Germain" des Theätre Italien. — Unergiebig ist die Musterung der
Lehrgedichte, denn die langen Stellen der „Religion" L. Racines liefern nur leise An-
klänge, und bei ähnlichem Aufl)au ist der Rückblick auf die Kindheit, die Selbstprüfung
ganz anders behandelt. — S. 582 beginnt mit dem „Jungen Gelehrten" die Zerfaserung
der Dramen gemäss dem Leitfaden der Werke, so dass „Dämon", „Die alte Jungfer",
die Bruchstücke fehlen. Voran immer ein oder mehrere Plagiatschemata. Einen Teil
der krausen Terminologie (Erodramen mit heterosexuellem Hauptpaar usw.) muss man
sich einprägen: Egli (Prinz), Ella (Emilia), Paregli (Appiani), Parella (Orsina), Hypegli
(Werner), Hypeila (Franziska). Auf Titelplagiat und Personenplagiate — die genealo-
logische Wichtigkeit der Lessingschen Namen ist ja seit Danzel geläufig — folgen die
Textplagiate, wobei dem Dieb auch ein „Hören Sie" oder ein „Exit" nicht geschenkt
wird. A. ignoriert, ob L. dies oder das überhaupt kennen konnte, z. B. Marlowes Faustus
(S. ()75 mit einem Seitenblick auf ,,von Goethes" Diebstahl und der, nicht ganz neuen,
Etymologie fifjnföifikog: Freund des S02-Schwefligsäureanhydringottes). Es giebt keinen
Unterschied zwischen Dieberei und behender Nachbildung französischer Gesprächs-
\:\9 Erich Schmidt, Lessing. 1890, 1891. IV 7:27.
tecluiiU; ja die flüchtigste Aiial«)^it3, »las <^»Miifiiistt) ,,'J'licHtiüktema", der Anklang 1.1 an
(>in(! physiologische Beiuerkniig von Mylius wird ebenso streng gebucht wie das au8
Holbergs Betrogenem alten Freyer (\bernominene Latein , die wörtliche Uebersetzung
H,!') zweier Sätze des Destoiiches in einer überhaupt dem Envieux nachgeahmten Sceiie.
Unbestreitbar gehört A., der seinen Lessing auswendig weiss, das Verdienst, den Irre-
solu, Envieux, auch Ligrat, den Erasmus Montanus u. a., dazu Plautinisches, einiges
bei Moliero und im Th^Atre Italien als vorbildlich oder verwandt erwiesen und
sclilagondo Parallelen (z. B. S. 719 zur Wahl: Mönch oder Ehemann) beigebracht zu
haben. S. .")89 — G-'i;') ein langer, nicht unfruchtbarer Excurs über Holbergs „Plagiat«",
wobei auch für Weisse einiges abfallt. Li den ,, Juden", einem ,,/9di/*trihypomimi8chen
p]r6drama", sollen Gandinis „Boh^miens" geplündert sein, die, wenn damals zugänglich
nur eine leichte Anregung liefern konnten. In dies „Generalplagium" seien Einzel-
motive eingeschmuggelt, von denen nur folgende beachtenswert scheinen: dsw Gauner-
])aar in Holbergs „Arabischem Pulver": die Dialogtechnik oder Redefigur Sc. 2, vgl.
„Bourgeois gentilhomme" 3,19; das Epigramm Sc. 10 „Lustspiele zum Weinen, Trauer-
s})ielo zum Lachen" nach Regnard und J. B. Rousseau; der Spass Sc. 11 vom Fechten
mit silbernen Dosen, vgl. Mostellaria 3,1. — „Der Misogyne" sei plagiiert aus La Mott«:
L'amante difficile, St. Foix: La Veuve ä la raode, Molieres Avare, Misantrope, Malade
imaginaire, Regnards Vendanges, Schlegels ..Geheimnisvollem" und „Triumph" (daher —
der Chronologie zum Trotz — Hilaria in Mannskleidern; aber „unter dem Namen Lelio"
aus Le [)rince travesti von Marivaux). 1,2 „eine Frau . . . ein nothwendiges Uebel" aus
Menander; 1,5 die Geschwister sind nur nach der Tracht unterscheidbar, vgl. die „Ca-
landra"; 2,5 Solbists Steckenbleiben, vgl. Diafoirus im Malade imaginaire 2,7. S. 984 ff. (dazu
S. 993 t^itat aus der Megere amoureuse) findet man Abbildungen aus neuen illustrierten
Ausgaben und dagegen aus dem Theätre italien zum Beweis, dass der „Hermaphroditoid"
3,9 auf der einen Seite männlich, der anderen weiblich gekleidet sein müsse, nicht mit
einem Mischkostüm. — „Der Freygeist": 2,1 und 5,4 Beide Teile haben Recht, vgl.
Poggio 110 (Bourgeois gentilhomme 1,2, Der politische Kannegiesser 5,3); 2,4 Bedienten
die Affen der Herren, vgl. Schlegels „Geheimnisvollen" 2,2, darunter zu dummen Worten
Martins 2,5 über höllische Atheisten ein langes Dantecitat! aber S. 1053 findet Martins
Bild vom Wechselbalg eine frappante Parallele bei Tertullian De haereticis — deshalb
müsse Lessings Uebersetzung vor 17.55 entstanden sein; 2,5 Bekkers Bezauberte W^elt,
vgl. nicht eine, sondern 2 Stellen Holbergs bezw. 4, da A. stets den Urtext und die
alte l^ebersetzung zitiert; 5,6 Geständnis der Mittellosigkeit, vgl. du Freny Le faux
sincere 4,2. — „Der Schatz": nicht einmal, wo er nur Bearbeiter sein will, darf Lessing
für etwas anderes gelten als einen „für" und „trifur" am Plautus. Immerhin ist der
Paralleldruck bequem und Irrtlimliches bisheriger Forschung verbessert, Lückenhaftes
ergänzt worden; mindestens zu erwägen, was A. für die von Lessing geleugnete Ver-
trautheit mit Destouches' Tresor cache vorbringt, und unter den schwachen Argumenten
für die „Dote" des Cecchi der Name Camilla zu beachten. Sc. 11 Ri])s Raps, vgl. Die-
derich Menschenschröck 7 (Weisses „Projektmacher"; „Wo Lessing stiehlt, stiehlt auch
Weisse": „par nobile furum"); Sc. 9 vgl. Lessings Excerpt „Octave-Peter" aus dem
Theätre italien in den „Comischen Einfällen"; Sc. 15 f. vgl. Fourberies de Scapin 3,11
und Holbergs „Masqueraden" 3,3 u. 18 (12); Sc. 17 zur komischen Retardation vgl.
auch L'amour medecin 1,6. S. 1229 wird ein Felder in der a\is dem „Arlequin misan-
trope" übersetzten Nummer der „Comischen Einfälle" III angemerkt. — Zur „Minna
von Barnhelm" sei aus den ungeheuren Anklageakten, ohne Rücksicht auf die haar-
sträubende Verknüpfung der Namen mit den englischen Orten Barn-Elms (einem „Huren-
winkel") und Telham, ohne Rücksicht auch auf allerlei gewiss rein zufallige, doch
fesselnde Aehnlichkeiten, folgendes als neuer, mindestens diskutabler Erti'ag verzeichnet:
(S, 1273 über K. G. Lessings „Wildfang"); S. 1278 ff. die scenische Einrichtung der
„Ecossaise" Voltaires (so sei ,.Emilia Galotti" nur Diebsvariante des „Droit du seig-
neur"); Liebesprobe d\u-ch Vorspiegelung von Enterbung (S. 16.33) und Armut (S. 1640)
iu\d eine Ringchicane" (S. 1717 und 1758) vgl. La Motte L'amante difficile (S. 1725
Weisse, Grossmuth für Grossmuth); eine Liste komischer Spieler S. 1285 und die Bildung
des offenbar nur angemassten Adelsprädikates nach Crispin de la Crispiniere, Arlequin
Seigneur de TArlequiniere im „Tresor" des Destouches: S. 1318 ff. Data für den von
Haus aus adeligen, 1750 als östeiTeichischer Rittmeister in preussische Dienste tiber-
getretenen Paul v. Werner, mit Portrait; zur Marloffscene vgl. Gellerts Armen Schiffer
(Löwen, Ich habe es beschlossen 3,3) und das Zerreissen des Wechsels in der Schwe-
dischen Gräfin 4, S. 385: 1,8 „für seinen Hemi betteln und stehlen" vgl. Wycherlej' Plaiu-
dealer 3,1 „for at worst, I could beg or steal for you" in ganz ähnlicher Situation: nach
S. 1427 hatte auch Kleist „eine chronische traiunatische Parese des rechten Ai-mes'*
(Minnas Scherz über die Blessur soll auf des N. Ragot de Grandval zotige „Agate"
zielen!); 1,12 „verti'inken, verspielen, ver— " vgl. Quistorp Der Hypochoudrist 5,3,
IV 7: 28-29. Erich Schmidt, Lessing. 1890, 1891, 140
Lessing an Ebei-t 7. Mai 1770; 1,12 ,, Packknecht . . nicht Soldat" vgl. Xenophon Kyropädie
IV 2,25 a? (f TovTo nouoi' ovxiT fa'r,Q ianu, aXkcc axtvo(f>ÖQog ; 2,2 zur Ringgeschi eilte Vgl.
auch Regnard Joueur 5,6; 2,0 und 3,1 f. ,, Schwester" vgl. das Spiel mit ,,cousin" in
Farquhars Constant couple IL V., aus dem viel von früheren Torschern Verglichenes
gleich Scenen Goldonis, Regnards umständlich abgedruckt ist; 2,9 ,,Ich wüsste auch
nicht, was mir an einem Soldaten nach dem Prahlen weniger gefiele als das Klagen"
vgl, Otway The soldier's fortune 4,1 ,,I would as soon choose to hear a soldier brag,
as complain"; 3,2 die Anrede ,, Jungfer" vgl. Lazarillo de Tormes 2, Kap. 9, Holbergs
Bramarbas 3,10; — S. 1648 — 1711 betreffen nur die Riccautscene und geben Brauch-
bares für die allgemehie Geschichte der Motive, aber u. a. ellenlange Citate aus Trömer;
,,8ang royal" vgl, Mrs. Centlivre The gamester 3,1 ,, Royal blood" (ebenda IV ,,I must
home for Recruits too"); Diderot Les bijoux indiscrets 1, Kap. 6 „J'ai joue d'un guignon
qui n'a point d'exemple"; Franziskas Vorwürfe nach dem Abgang Riccauts vgl. Lesage,
Turcaret 1,2 f.; — S. 1737 über den Dragonermajor Anton Rvidolf Marschall von Bieber-
stein (Citat aus Neumanns Geschichte Lübbens 1,143); 4,(5 ,,Ich liebte Sie iim dieser
That willen . . . Mohr von Venedig" vgl. Othello 1,3. — Vom Heft IV 3 fehlt der
Mitteltheil, der die Einleitung zur „Miss Sara Sampson" bringen soll. Wir müssen uns
mit S. 1871 — 2494 begnügen! Kein Wunder, da alle erreichbaren älteren Medeastücke
eingeschlachtet sind. Gar manches in diesen Excerpten ist anregend, wenn auch nicht
für „Leszings Plagiate" ; bequem die freilich masslosen Abdrücke aus den von Danzel
und mir gemusterten Engländern und darüber hinaus. A. zeigt, dass nicht bloss die
Namen Norton, Betty, Arabella usw., sondern auch Beiford, 4,8 Dorkas, Moor von
Richardson stammen. 1,2 der zweideutige Wirt will sein Haus nicht „in einen übeln
Ruf bringen" lassen, vgl. die Sinclair und die Rowlands in der Clarissa (den Triks in
Weisses Amalia); 1,5 „die erste Thräne" vgl. Zaire 5,8; 1,5 „Verzögerung einer Cere-
monie" vgl. Clarissa Letter III 56 ,,postpones that ceremony"; 1,7 Travim vgl. Clarissa
II 39 (Crisp, Virginia S. 26); 1,7 Reflexionen über die Ehe vgl, Clarissa VI 11, 55, 57,
82 u. ö.; 1,9 vgl. Congreve The way of the world 4,15 ,,the superscription is like a
woman's band , . . By heaven! Mrs, Marwood's"; 2,1 vgl. Medea 776 f^okövTt d'ahrip
fxakd^axovg Af'^w Uyovc; 2,3 „das schöne Landmädchen" vgl. die häufige Bezeichnung
,,country girl" dgl, bei Richardson; 2,3 ,,Ich will Sie an den ersten Tag" . . . vgl. The
way of the world 4,12; 2,6 „die Schande ihres Geschlechts" vgl. Lillo IV „the scandal
of her own sex"; 2,7 keine Erinnerung mehr an Unschuld vgl. Beaumont und Eletcher
The maid in the mill 5,2, Steele The -funeral 5,1; 2,7 der Teufel als Verführer luid An-
kläger vgl. Hill The fatal extravagance 1, S. 303, Lillo IV ,,The worst" etc.; 2,7 „Ich
will es nicht gestorben sehen; sterben will ich es sehen" vgl. Seneca, Thyestes V 907
miserum videre nolo, sed dum fit miser (Theatral. Bibl.); 2,7 „jeden ähnlichen Zug"
vgl. Corneille Medee 3,3, Ch. Johnson Medaea 4,1; 2,7 zu der Rachevision wird ausser
gleichgiltigen Flüchen bei Otway und Banks gut die Hamburgische Dramaturgie Stück 46
citiert; 2,7 Entwaffnung vgl. Lillo IV Millwoods Pistole, Grandison IV 24 Olivias Dolch;
2,8 und 4,6 Abreise am nächsten Morgen vgl. Euripides 338 ff. Seneca 285 ff. u. a. ;
2,8 (4,6) Verwandtenbesuch vgl. Lovelace, der frühere Maitressen als Tante und Base
einführen will, Clarissa Letter V 30 VI 45 f. ; 2,8 „dass unsere Kräfte nicht so gross sind,
als unsere Wut" vgl. Scarron, Jodelet duelliste 1,3 ,,que n'ay-je de la force au gre de
ma furie; 3,3 vgl. Ch. Johnson, Caelia 3,1; 4,3 Furcht, Abreise der Feindin vgl, Cor-
neille, Medee 4,2; 4,4 „anständiges Auskommen" vgl, Euripides 461 f.; 4,8 Marwoods
Erzählung über Mellefont vor Sara vgl, Mrs, Termagants Erzählung über Beifond vor
Isabella: Shadwell The squire of Alsatia 4,1; 4,8 Vogelfang vgl. Clarissa L. III 56
IV 4; 4,8 „verdriesslich . , , verstanden" vgl, Pamela „as the Poet (wer?) says, They
blush, because they understand; 4,8 über Freundschaft mit Untugendhaften vgl, Clarissa
Vni 48; 4,9 Schmeicheleien Gift für Frauen vgl, Clarissa 172 „complimental nonsense,
the poison of female minds"; 5,5 „Plagio-plagiomenon: Racheschrei des Egli gegen die
Parella" vgl. Euripides 1316, Seneca 979, 996, Corneille 5,6, Johnson 5,1; 5,8 nicht mit
des Vaters Fluch sterben , , , vgl. Clarissa VII 8 „my father has withdrawn that heavy
malediction , . , what child could die in peace under a parent's curse; 5,9 Vater, Tochter,
Diener vgl, das Wiedersehen zwischen Tochter Caelia, Vater Lovemore, Diener Meanwell
in Ch. Johnsons Caelia V, auch Grandison Letter VII 38, —
„Lessings Theater" behandelt R, M, Meyer^s). Lessing erkenne niir die Be-
handlung des Themas als litterarisches Eigentum an, modernisiere alte Stoffe von innen
und aussen und maclie sie zum Vehikel gegenwärtiger, persönlicher Interessen, Er
übertrage die festen Rollenfächer der Komödie auf die Tragödie, „Die Juden" gelten
als erstes Beispiel der Verjüngung: Parabel vom Samariter? Philotas, Tellheim, Tempel-
herr eine Trias waffenloser Offiziere; Tellheim eine Hypostase des Philoktet? Lisette-
Heft M, 2,00. — 28) B, M. Meyer, Lessings Theater: VLG. 3, S. 208-323. — 29) K. Heiuemannn, Vorhang u. Drama:
141 Erich Schmidt, Lessing. 1890, 1891. rv 7: ao-o.
Franziska sei nach einem Winke Geliert« (Pro ooraoedia commovente, Lachinann-Maltzahn
4, S. 152) idealisiert. M. verfolgt die stsigende moderne Charakteristik his zu Virginius-
Odoardo, wo der Wandel der von der Staatflumwälzung losgelösten Figur alle anderen
Gestalten vind Motive bestimme. Er vergleicht die egoistische Opferung der Tochter
durch Jephthah und Agamemnon. Marinellis Zudringlichkeit gegen Appiani erinnere an
Klotz. Die Verschmelzung der Ringparahel mit Lessings altem Thema der Religions-
vergleichung sei dm-ch den Handel Lavater-Mendelssohn gegeben, primär nur die beiden
Oharakten» der Parabel8cei>e, alle (ibrigen zu ihrer Exposition geschaffen, das Stück aus-
gestaltet \niter dem Eintluss der in Lessings Kunstlehre und Philosophie mächtigen
Lifiblingsidee von der Verwandlung willkürlicher in notwendige, künstlicher in natür-
lich«^ Mittel: hier die psychologische Erklärung der Kraft des Rings, die Blutsverwandt-
schaft. ■ — Leichter ist, es, die in K. Heinemanns^^) für das deutsche Theater des
17. und 18. Jahrhunderts wichtigen Aufsätzen nach langer historischer Einleitung speciell
auf Lessing zielenden Beobachtungen knapp zu formulieren: 1. auch für Lessing war
noch Entfernung aller Personen am Aktschluss Erfordernis (vgl. Hamb. Dramat. S. 13);
er endigt keinen Aufzug bei voller Bühne, doch ohne stets eine innerliche Begründung
des Aufbruchs und des beliebten „Komm" zu finden; 2. er begründet gern, aber nicht
ausschliesslich das Auftreten im neuen Akt und \äB::t das inzwischen Vorgefallene er-
zählen; 8. er verändert den Schauplatz hi der „Sara" und dem „Nathan" auch inner-
halb des Aktes. Sein Verfahren ist französisch und stammt wesentlich aus einer Zeit
ohne Zwischen vorhang (aber mit Mitteigard in 3). Den grossen Gegensatz zeigen Schillers
weder verklingende noch anstückelnde, sondern stark accentuierte Schlüsse. —
lieber den geistigen „liberateur" und die Litteratur ist Le vy-Bruhl-"'") orientiert,
bringt aber in dem ci tatenreichen Abschnitt nichts Neues. — Frenzel'**) wiederliolt
seinen Aufsatz „Zu Lessings Gedächtnis". — Veraltetes der Sprache zählt Lode-
man^-) auf. —
Einzelnes. Ein vermeintes Sinngedicht Lessings citiert, nach einer Mit-
teilung Frensdorffs^^), Werlhof an Haller 18. Aug. 1765 „I remember an epigram of
Lessing, I think. Virgil hats längst gesagt, dem niemand widerspricht „Wer Bodmers
Noah liebt, hasst Naumanns Nimrod nicht". — L. H. Fischers^) Aufsatz über Marpurg
streift auch die „Tarantula" gegen Agricola und wiederholt Spaziers Mitteilung, dass
der muntere Greis von „Lessings Gemeinschaft an seinen Streifereien ins Gebiet des Jocus
und der Venus Vulgivaga sehr gern und viel erzählte". —
Zu den historischen Grundlagen des „Samuel Henzi" bringt Maag^S) neues
bei. — Mittelbar für die „Sara" zu beachten ist Brandls^«) Studie über Lillos
Merchant usw. und H. W. Singers^^) streng chronologisch vorschreitende Arbeit über
die bürgerlichen Tragödien Englands, die Bibliographisches und Inhaltsangaben verbindet:
5. 85 A. Hill, S. 89 Lillo, S. 103 Moore. —
W^egen Lessings Thätigkeit für Thomson sei G. Wenzels^*) Abhandlung er-
wähnt. — Ins Blaue wurde von Brauns^'*) geraten. Lessing habe 177G für Schröder
Shakespeares Monolog „To be or not to be" übersetzt. —
Die Theorie der Fabel legt Edler^O) eilig, Alb. Fischer*') ausführlich
und in manchen Punkten fördernd dar; weiter führen die reichen selbständigen Beigaben
von Proach"*2) zu seiner, korrekten Ausgabe, der 1887 ein guter Druck der Abhandlungen
mit Anhängen aus Phädrus, La Fontaine, Lessing zu Schulzwecken vorausgegangen ist.
P. giebt einen trefflichen Abriss der ganzen Fabeldichtung, eine klare Analyse der
Lessingschen Theorie und der ihr gewidmeten Kritiken, mit Baumgart auf Hamann
eingehend, und hinter dem Text nach gut gewählten Proben anderer Theoretiker und
Fabulisten drei Abhandlungen Herders, endlich Textkritisches und reiche Anmerkungen.
Sein Buch wird die Grundlage weiterer Forschmig sein.*3) —
Von der „Minna von Barnhelm" wiu-de am Tage der Enthüllung des Berliner
Denkmals ein stilvoller, mit Eilers' Stich des Graffschen Portraits und einem Faksimile der
Hs. (Riccautscene) gezierter Prachtdruck vom Geh. Justizrat C. R. Lessing^) verschenkt, —
Grenzb. 49, I, S. 459-68 n. r>20,'7. - 30) L. L6 vy-Bruhl, L'AlIemtgne depnis Leibnix. (1890 IV 1 : 22). S. 136—50. — 3i)
K. Frenze), Erinnerungen u. Strtfmungen. = Ge:«. Werke I. Leipzig, Friedrich. 1890. S. 2.'>8 ff. — 82) O X A. Lodeman.
Forms and phrases now obsolete from Lessing: ULN. 5, N.T. — 33) F. Frensdorff, Briefe iweier hannoTeracher Aerzt« an
Albrecht v. Haller: ZHVNiedersachsen S. 103—198. (Hierfür vgl. S. 153.) — 34) L. H. Fischer, Aus Berlins VergangenhAit.
S. 82-91. Berlin, Oehmigke. 205 S. M. 2,00. - 35) A. Maag, Z. HenziverschwOrung in Bern 1749: ASchwG. 21, S. 85ff. —
36) A. Branäl, Zu Lillos Kaufmann von London: VLO. 3, S. 47—62. — 37) H. W. Singer, D. bürgerliche Trauerspiel in
England (bis z. J. 1800). Diss. Leipzig, O.Schmidt. 130 .<:. — 38) O.Wenzel, Kritiseh-Isthetische Studien aber James
Thomsons Tragödien: ASNS. 84, S. 26—70. — 39) C. W. E Brauns. D. SchrOdersche Bearbeitung d. .Hamlet' n. e. Termutlich
in ihr entlialtenes Fragment Lessings. Breslau, Freund. 1890. 35 S M. 1,00. |LL. O(eiger): AZg". 1890 N.158;J. Minor: ADA. 17,
S. 175/6.]i — 40) (1890 I 3 : 10; 1891 I 3 : 10.) — 41) All). Fischer, Kritische Darstellung d. Lessingschen Lehre v. d. FabeL
Hallenser Diss. Berlin, Haack. 47 S. — 42) F. Frosch. G. E. Lessing. Abhandlungen Ober d. Fabel. Mit Einl., Anm. «.
Textbeil. her. Wien, Gräser. 1890. LVH, 224 S. Fl. L-W. — 43) O X Lessing, Choix de fablen, contenant des notes gramroaticalea
et littiraires . . . par A. Kirsch. Paris, Bolin. 1890. 11, 86 S. — 44) 0. E. Lessing, Minna von ItArahelm oder d. SoldatenglUek.
rv 7: 45-65. Erich Schmidt, Lessing. 1890, 1801. 142
Düntzers'*'^)Koinmentar erfreut sich derfünftenAuflage,\vorinneuereNachweisez.T. benutzt
erscheinen, doch kann die genaue Kollation dieser Hefte niemandzugemutet werden. Kliigiiche
Lehrer, die solche Hilfsmittel in Schwung bringen, arme Schüler, die derlei gar aus zweiter
Hand empfangen ! — Während das Drama aucli in Frankreich ^6) und Amerika ^'i) eifrig
gepflegt wird, sucht R. Buchholz ^^) seinen Knaben den Zvigang in Dichters Lande
durch platte moralisch-politische Anklagen gegen die falsche Ehre Teilheims, die ün-
zartheit Minnas, die sclüechte Komposition und Motivierung zu sperren, will aber selbst
bis zum Erscheinen des zweiten Teils geschont sein. In den Dornenkranz sind lyrische
Blütchen und antiquarische Strohbhimen eingeflochten. Keineswegs gemeint, einem
gedankenlosen Götzendienst das Wort zu reden, halten wir derartige Schulprogramme
gerade in Zeiten des Niedergangs ästhetischer Bildung für höchst unpädagogisch, ganz
abgesehen von der Unfähigkeit dieses Richters, mit künstlerischen Massstaben zu han-
tieren. — Nicolai ^s) an Grerstenberg, 21. März 1767, kündigt die „Minna'' an. —
Zum Vorspiel des „Faust" verweist Holthausen ^o) auch aufHonorius' „Spe-
culum ecclesiae". —
Oosacks öl) sorgfältige Ausgabe des „Laokoon" behauptet sich in vierter Auflage
neben der grossen Blümerschen. — Eine OUa potrida tischt P. Cassel^ä) auf; das
von Lessing in Bezug auf Winckelmann gebrauchte Wort ,,Krokylegmus" bestimmt
endlich Blümner 53); Schmeichelei durch Aufmutzen eines winzigen Fehlers. — Zur
weiteren Archäologie: Lipperts Biographie giebt Loose^*); Gerstenberg ^s), an
Nicolai 27. April 1768, schilt Klotzen einen ,,gul" (Tropf), einen „petit maitrisch frisirten
Scioppius"; dem Versuch von Weilens^ß), eine grosse Hamburgische Recension gegen
die Reformationsgeschichte des Klotzianers Hausen Lessii g zuzuschreiben , hat
Erich Schmidt ö'') eine Abwehr unmittelbar nachgeschickt (Leister?). —
Für die Hamburgische Dramaturgie ist in Cosacks^s) vermehrter zweiter
Auflage die wissenschaftliche Litteratur nicht hinlänglich berücksichtigt worden, und es
wird dabei bleiben, dass Inhaltsangaben ungekannter Dramen zu lesen viel weniger
fruchtet als die Prüfung Lessingscher Urteile an einzelnen französischen Werken selbst. —
Den Unterschied der auf poetische Wahrheit zielenden, im Gegenstande gesuchten Natur-
gesetze und der Goetheschen Kunstregeln für Schauspieler legt Schienther ^9) scharf
und beredt dar. — A. C Kali seh er 6") hat ältere Aufsätze über Lessings Verhältnis
zur Musik in einem willkommenen Heft zusammengefasst. Für die Meropekiitik kommt
Schlössers bei Gotter zu besprechende Abhandlung in Betracht. — Die Gelehrigkeit des
Juliendichters Heufeld zeigt L. Geiger *5i) an einer späteren Ausgabe. —
L. Volkmann 62) will, die Schuldtheorie von der „Theatralischen Bibliothek"
bis zur „Dramaturgie" skizzierend, auf sehr abstraktem Wege, der nie zu künstlerischen
Thaten führt, darthun, dass Lessings aristotelische Ansicht ein schuldloses Leiden, sein
modernes Bewusstsein aber ein schuldiges verlangte und er diesen Zwiespalt sophistisch
durch Verwandlung schuldloser Hamartia in schuldiges Hamartema zu überwinden suchte;
fiat applicatio auf die Emilia: sie schweigt schuldlos, empfindet jedoch diesen Schritt
„nach geschehenem Unglück als Verführung von Seiten ihrer Mutter" und glaubt nun
der Verführung überhaupt nicht mehr gewachsen zu sein.63) — Unbefangen erörtert
S. Schott ö*) das nachgebende Wesen Emilias dem Prinzen gegenüber in einem gut ge-
schriebenen Aufsatz, freilich mit dem falschen Schein, als spreche er das erste lösende
Wort; er zieht auch Seckendorffs ödes Orsinastück heran und lässt sich zum Ueberfluss
von 0. V. Heinemann bestätigen, dass die Branconi Lessing nicht vorschwebte: wertvoll
sind zwei Zeugnisse, worin P. Heyse und G. Keller übereintrefFend Emilias so oft ver-
kannte Stimmung charakterisieren, Keller mit dem Zusatz: Shakespeare oder Schiller
würde das durchsichtiger dargestellt haben. Die von Bertling 1888 mit Beispielen für
„Die Unwahrheit in Lessings Schriften" vorgetragene Meinung, Emilia sage eine edle
Lüge vor ihrem Vater, hatte Jeep 1889 triftig abgelehnt, wogegen Bertlings 6°) morali-
1890. 4». VIII, 264 S. — 45) H. Düntzer, Erläuterungen zu d. deutschen Klassikern. 32 Bdchen. Leipzig, Wartig. 1890.
171 S. M. 1,00. — 46) X ö. B. Lessing, Minna v. Barnhelm, publie6 arec une notiee, un argument analytique et des uoles
en franfais, par B. L6vy. Paris, Hachette. 16". VIII, 151 S. — 47) X 'd-. Minna v. Barnhelm . . . witlt an introduction
and notes by S. Primer. Boston, Health. 12". 245 S. — 48) R. Buchholz, Bedenken Über d. Fuhrung d. Handlung in
Lessings Lustspiel Minna v. Barnhelm. 1. T.: D. Exposition u. d. Haupthandlung. Gymn.-Progr. Kössel, Kruttke. 4". 24 S.
— 49) R. M. Werner, Gerstenbergs Briefe an Nicolai nebst e. Antwoit Nicolais: ZDPh. 23, S. 43—67. (Vgl. hierfür S. 52.)
— 50) F. Holthausen, Zu Lessings Faustrorspiel : VLG. 4, S. 167. — 51) W. Cnsack, Lessinifs Laokoon filr d. weiteren
Kreis d. Gebildeten u. d. oberste Stufe höherer Lehranstalten bearb. u. erl. Kerlin Haude & Spener. 1890. -XXIV, 212 S.
M. 2,00. — 52) P. Cassel, Laokoon in Mythe u. Kunst. Berlin, Bibliogr. Bureau. 1890.20 S. M. 0,80.-53) H. Kitiraner, Zu
Lessings Laokoon (Krokylegmos): VLG. 4, S. 358—60. — 54) W. Loos«, l.ebens'äufe Meissner Künstler: MVUMeissen. 2,
S. 202/3. — 55) (N. 40.) Hierfür vgl. S. 61. — 56) A. v. Weilen, Lessings Beziehungen z. Hamburgischen Neuen Zeitung:
VLG. 3, S. 398—412. — 57) E. Schmid t, Beilage (Lessing u. d. Hamburgische Nene Zeitung): ib. S. 412/6. - 58) W. Co sack,
Materialien zu G. E. Lessings Hamburgischer Dran-aturgie. Paderborn, Schöningh. V. 458 S. M. 4,80. — 59i P. Selil en tlier.
Lessing u. Goethe über Schauspielkunst: VZg». 1890, N. 13. — 60) A. C. Kalischer, 0. E. Lessing als Mu^ikästhetike^.
Dresden, Oehlmann. 1889. 42 S. M. 0,9»'. — 61) L. Geiger, Wirkung p. I.e-singschen Korrektur: VLG. 3, S 502/3. — 62) L.
Volkmann, D. tragische Hamartia bei Lessing. Festschrift z. Feier d. 25j. Be-tehens d. Gymnasiums. .S 35—52. .lauer,
Quercke. — 63) O X Studien zu Emilia Galotti: DBllhiioiipeno-sci.scljalt N. 4» f - 64) S. .>^,liott, Studien z. Emilia
Galotti: AZg». 1890. N. 42, 44. — 65) Berti ing, l'eberredet Emilia lialotti ihicn Vuler «Uirrli Wahrheit oder Uurcli eine
14,} Erirh SnhmifU, Lessing. 1H90, 1891. IV 7: M.78
siereüde DupUk nicht aufkommt. — Verschollene phrasenhafte Trteile in den „Billetten
der Madame F. luid Madame H. über die öchuchische Schaubühne" 2. Aufl. Danzig 1775
macht Schienther ""i wieder zugänglich. (Ueber das Lachen in Aufflihrungen der
„Emilia" Stolberg an Voss 18. Juni 1785.J — Nachgetragen sei, obwohl nicht in unseren
Zeitraum fallend, die vom Erbprinzen Bernhard von Meiningen*') mit feinem Stil-
gefühl (soweit wir ein Urteil wagen dürfen) vollzogene Uebersetzung ins Neugrieclüsche,
die den iambischen Nathanüborsetzungen von Rangab^ und Vlachos folgt; doch hat der
athenische Korrektor Fehler nachgetragen „und namentlich die charakteristische Sprache
der Orsina, die ihm zu vulgär erschien, verwässert und verschlimmbessert" (voraus-
gegangen war von demselben Vf. die I^ebertragung des „Fiesko"^; nur die niedem
Personen reden die lebendige Umgangssprache, alle andern die übliche Büchersprache. —
Dass die vielberufenen Worte über Mikrologie im „Zweyten Beytrag aus der
Wolfenbütteler Bibliothek" 1773 (Hirschau; den Frankfurter Gelehrten Anzeigen
177B, N. 1") heimleuchten, bemerkte 0. Hoffmann *®); diese Recension Bahrdts trug Erich
Schmidt'"') nach. —
„Nathan". Eine langatmige Kapuzinade Brunners'"), der gegen Strauss, Düntzer,
„Erich", gegen Juden und Judengenossen wettert und den ganzen Lessing in die Pfanne
haut, macht den Eindruck, al.s ob der joviale Alte es gar nicht so bös meine; das Er-
gebnis ist in jedem Sinne null, eine Diskussion ganz unfruchtbar. — Letzteres gilt auch
von dem Geschling P. Cassels") der u. a. „Lessing" von „lass" ableitet, nach Be-
merkungen über das Rauchen Ringsymbolik treibt, „Saladin und Sittah und Hassan"
für verkleidete Christen, das Stück für durchaus christlich erklärt. — Während der
verstorbene Pfarrer Langhans "2) ganz mit dem landläufigen Liberalismus segelt und
endlich das Drama der Schule empfiehlt, wohin es nicht gehört, zeichnen sich einige
vom positiv-christlichen Standpunkt geschriebene Aufsätze Portigs'^i durch Form und
Gedanken, auch durch feine Beobachtung alttestamentlicher Züge und ihres Widerspiels
aus, obgleich die Tendenz des \'f. die Tendenzen Lessings, namentlich der Parabelscene,
gewaltsam umbiegt. — Die Wahl eines jüdischen Helden nennt Litzmann '■•; einen
aus hoclientwickeltem Gerechtigkeitsgefühl erklärlichen entschiedenen Missgriff; die
Ringj)arabel sei keineswegs Lessings religiöses Bekenntnis. — Schillers Theater-
bearbeitung hat A. Köster'^) eindringlich und übersichtlich geprüft mit stilistischen
und metrisclien Beobachtungen: äussere Gründe der Entbehrlichkeit (5,1 f.), der Länge
und Wiederholung, der Unverständlichkeit; innere der Abneigung gegen zu viel Raison-
nement (Klosterbruder, unglückliche Ersatzverse für AI Hafi), wodurch Recha die Philo-
sophie einbüsst und die Schwärmerei behält; etwas mehr „Würde"; Verdeutlichung des
Anschlags vor der Parabelscene. — Wir wollen nicht mit Besprechung vorläufig in
Zeitungen abgedruckter Stücke aus Büchern K. Werders und Erich Schmidts dem nächst-
jährigen Bericht vorgreifen. —
Philosophie. Welche Autorität Lessings „Erziehung des Menschengeschlechts"
fortbehauptet, lehren ohne näheres Ergebnis für die inhaltschweren Paragraphen selbst
die von der Leipziger Jennystiftung gekrönten Preisschi iften von W. Friedrich'*)
und vonHauffe"), der im Verlauf seiner Darstellung auch eine Fidle von Citaten aus
Dichtern und Denkern bringt. — Hoops'^) erweckt erst durch eine anfechtbare Dar-
legung, Lessing sei schon 1753, ja von Leipzig her mit dem Spinozismus bekannt ge-
kannt gewesen, den Schein, als wolle er die oft hin und her behandelte, schwierige und
überhaupt nicht so blank zu beantwortende Frage kräftiger bejahen, kommt aber weiter-
hin zu dem Resultat, dass Les^ing sich zunächst mit Spinoza nur im Gedanken der
Einheit von Gott und W^elt berühre, erst in der Breslauer Zeit ihn richtig erfasse und
mit genialer Neubegründung der christlichen Theologie und des Leibnizianismus auf
spinozistisch-pantheistischer Grundlage endgiltig Stellung zum Spinozismus nehme, aber
gegen die eine absolute Substanz die Selbständigkeit der Individuen walire. Lessing,
kein spinozistischer Determinist, glaube an eine sehr beschränkte Selbstbestimmung,
und die vervollkommnende Seelenwanderung zeige die Kluft zwischen Lessing und
Spinoza. Jacobis Bericht scheint zu skeptisch beurteilt, der abschhessende Hinweis auf
die persönliche Verschiedenheit Lessings und Spinozas unerheblich. —
Unwahrheit?: NJbbPh. 142. S. 5Ü3/8. — 66) P. Schient her: VZg». N. 33. - 87) BfQfttQdos H^iyxtjtp Juidoxos r^f
JSu^Mt'iag-Mäiviyyfi', roiioq^^Qiöov 'Eq ()(('( fi Aiaatyy At/uvhä fnAörr« TQuyiodia */f nQÜ^ftg Ttirrt
yqcttfiiau iv im 1772 jutTc<(fQaa9-flaa fx Tr,s rfgunftx^s dg rijy ' Eki.riy$xi]y yJaücaar. Athen. Hesti».
1889. 124 .'^. — 68) 0. Holfinann. Notiz zu Le.<!sing: VLG. 3, S. 199. — 69) (X. 7.) - 70) ^^. Brunner, Lessingiasis u.
Nathanologie. E. Religionsstörung im Lessing- u. Nathan-Kultus. Paderhorn, SohOningh. 1890. VIII. .170 S. M. 3,60. — 7ll
P. Cas sei, Nathan d. Weise. Litt. Skizze in e. Vortr. t. 21. Febr. 1890. Guben (Berlin, H»ack). 12«. 15 S. II. 0,5(>.
— 72) Ed. Langhaus e. Zeuge d. 6ei;>tesf eiheit. Aufsitze. Vortrage, Ueisebriefe. Bern, Schmid, Franck« A Co. XLII, 3M
S. M. 3,20. S. 1—13.— 73) G. Porlig: LZgB. 1890. N. 111, 124, 126, HO. - 74) B. Litim»nn, G. E. Lessing. Vortr.
im Gewerbeverein: JenaZg. 1890. N. 300 2. —75) A. KOster, Schiller als Dramaturg (IV 10:17), S. 129, 308. - 76) W. Frie-
drich, l'eber Lessings Lehre t. d. ^^eelenwanderung. Leipzig, Mutze. 1890. II, 114 S. M. 2,00. — 77) G. Uau,ffe, D.
Wiedergeburt d. Menschen. Ahbdig. Über d. 7 letzten Paragraphen v. Le.s8ings Erziehung d. Menacheugeschlechts. Borna-
Leipzig, Jahuke. o. .1. 300 S. M. 3,u0. — 78) J. lioops, Lessings Verhtltnis zu Spinoza: ASNS. 86, S. 1—28. —
IV 8: 1-9. E. Naumann, Herder. 144
IV,8
Herder.
Ernst Naumann.
Allgemeines N. 1. — Briefe N. 4. — Leben N. 7. — Nationale Bedeutung N. 8. — Spradie N. 9. — Werke-
Philosophische Gedichte N. 10; Schulreden N. 11; Gesamtausgabe N. 12; Hebräische Poesie N. 13; Cid N. 14. —
Eine zusammenfassende allgemeine Uebersicht über den gegenwärtigen
Stand der Herderforschung verdanken wir Suphans und Redlichs unermüdlichem Eleisse.
Suphan i) verfolgt in einer knapp und klar gehaltenen Darlegung die litterarischen
Eädeii, welche sich durch Herders Leben hindurch ziehen, und stellt dabei jedes einzelne
Werk an den Ort, den es im Zusammenhange der schriftstellerischen EntMÜcklung seines
Verfassers einnimmt; Redlich 2) schliesst daran eine Bibliographie der Werke und aller
auf Herder bezüglichen Forschungen, ein Verzeichnis von einer Vollständigkeit und
Zuverlässigkeit, wie es bis jetzt über Herder noch nirgends vorlag. —
Eine Reihe von Briefen ergänzt das Material, aus dem wir Herders
Lebensbild 3) schöpfen. Diederichs *) giebt uns den in den „Erinnerungen" als ver-
misst bezeichneten, in den Rigaer Politischen Blättern von 1811 allerdings mehr ver-
grabenen als veröffentlichten Brief vom 9. Mai 1767, durch den Kant seine Beziehinigen
zu Herder neu knüpft. Die Urschrift findet sich in einem Manuskriptenbande der Morgen-
sternschen Bibliothek, jetzt zu Dorpat. Aus derselben Quelle stammen zwei kleine
Zettel von Herders Hand aus Riga, der eine mit Notizen über seinen Lebensgang;
zwei irrtümliche Angaben sind daraus in das Tagebuch des Oberpastors von Essen über-
gegangen; der andere enthält einige litterarische Bemerkungen. Auch die Briefe
Weisses an Herder werden durch zwei vermehrt. — Vier Biefe an Lavater, aus denen
Bruchstücke schon hier und da mitgeteilt sind, veröffentlicht H. Eunck ») vollständig,
drei aus Bückeburg voll begeisterter Teilnahme für die „Aussichten in die Ewigkeit"
und mit Seitenblicken auf die ,, Greuel unserer Zeiten", aber auch mit dringender Bitte,
aus seinen Briefen nichts mitzuteilen; über Lavaters ,, Abraham"; der vierte stammt aus
Weimar und enthält unter anderem eine kurze Schilderung des dortigen Kreises. —
Ein Briefchen an Jean Paul giebt J. Elias 6) bekannt, er datiert es vom 10. Dez. 1798. —
Ueber Herders Leben und Werke gewährt R. Eranz '') auf Grund der vorhan-
denen Forschungen einen knappen Ueberblick, welcher der vielseitigen litterarischen
Thätigkeit Herders durch sorgfältige Aufzählung seiner Schriften und durch Lihalts-
angabe der Hauptwerke gerecht wird. Kurzgefasste üebersichten über den Lebensgang
bieten auch die unten zu erwähnenden Sonderausgaben einzelner Werke. —
Ueber Herders nationale Bedeutung spricht Kieser ^) in einem Vortrag.
Er geht sein Leben durch und sucht aus einer Reihe von Werken nachzuweisen, dass
in Herder der lebendigste Volksgeist eines seiner höchsten Werkzeuge, ja einen bis
dahin unübertroffenen Typus seines Wesens geschaffen. Das grosse, frei angelegte
Ideal der Humanität nimmt K. als einen Bestandteil des deutschen Nationalcharakters
in Anspruch; zu diesem Ideale habe in Herder auch Griechenland beigetragen, aber
seine höchste Ausbildung habe es erhalten durch das Vorbild des Menschensohnes. Als
Theolog habe Herder seine eigenen Kunstanschauungen gehabt, aber er habe sich be-
kannt zum Prinzip der Reformation ; in ihm habe, wenn auch sein Standpunkt nicht frei
von Einseitigkeit gewesen sei, der Geist der Freiheit den gewaltigsten Zeugen gefunden. —
Die Sprache Herders, als eine Seite seiner geistigen Entwicklung, hat Längin ^)
aus den Jugendwerken bis 1769 zum Gegenstand seiner Forschung gemacht. Wie der
Inhalt der Schriften, so könne auch die äussere Form derselben, die Sprache, die viel-
seitigen Beziehungen der Verfasser widerspiegeln. Es komme dazu das besondere
sprachliche Interesse für die Entwicklung unserer Schriftsprache; so entwickele sich ein
neues Bild, eine neue Aufnahme von der Persönlichkeit der Schriftsteller. Bei dem
sprachlich so feinfühlenden Herder müsse eine ausgedehnte Behandlung der Sprache
besonders fruchtbar sein; vorliegende Arbeit soll zv. diesem Gebäude der Sprache einen
kleinen Beitrag liefern, sie soll die Stellung Herders in der Entwicklung der neuhoch-
deutschen Schriftsprache darlegen. Stil und Syntax bleiben dabei ausgeschlossen, da-
gegen wird Bezug genommen auf den Sprachgebrauch der Zeitgenossen. Der Stoff ist
I) K. Goedeke, Qrundriss z. Gesch. d. dtsch. Dichtung (vgl. IV 1:1) S. 274-82. - 2) ib. S. 282-299. -
3) X HambCorr. N. 814; FZg. N. 323, 329. (Herders Geburtshaus sollte am 21. Jan. 1892 gerichtlich versteigert werden.) —
4) V. Diederichs, Zu Herders Briefwechsel. S.-A.: AltprMschr. 28, Hoft 3-4. 16 S. — 5) H. F un ck, Briefe Herders an
Lavater: AZgR. N. 264/5. — 6) J. Elias, E. Schreiben Herders an Jean l'aul Kr. Richter: VLG. 4. S. 167/8.— 7) (I 7 : 35.) -
8) 11. Kieser, Ueber Herders nationale Bedeutung. Vortr.: DEBII. Ui, S. 789— SIO. — 9) Th. Lilngin.D. Sprach.' d. jungen
145 E. Naumann, Herder. IV 8: in
nach sprachwissenschaftlichen Grundsätzen behandelt, die einzelnen Erscheinungen sind
mit zahlreichen Beispielen belegt; allgemeine Folgerungen, die nach den einleitenden
Worten erwartet werden durften, sind nicht gezogen. —
Von Herders Werken fanden zunächst diejenigen Gedichte Be-
achtung, in denen sich seine philosophischen Anschauungen widerspiegeln. Sie sind
in der Form weniger vollendet als die rein lyrischen, besonders die dem Altertum nach-
gebildeten, aber dem Inhalte nach bedeutender, Kronenberg*®) unterscheidet nach
Anleitung der letzteren drei Entwicklungsstufen, eine Sturm- und Drangzeit, in der Herder
den Menschen der Natur besingt in dem Gedicht „Der Mensch"; eine kurze Periode der
Mystik, in der die^ Welt als eine Form des Daseins erscheint, in welcher Gott am
meisten gegenwärtig ist, vgl. „Die Schöpfung, ein Morgengesang"; und schliesslich eine
Periode der Reife, eine Zeit, in der ihm nicht mein- das eigene Ich im Mittelpunkt der
Schöpfung zu stehen scheint: das Ich erstirbt, es wird aufgegeben zu Gunsten der
gesetzmässigen Einheit der Natur, ohne dass jedoch die Persönlichkeit verloren geht.
Die Gedichte ,,Das Ich" und „Das Selbst" ziehen diese Summe am kürzesten und
schärfsten. —
Von den Weimarer Schulreden legt E. Niemeyer*') die beiden lateinisch
geschriebenen „Ueber die verkehrte Gowolinheit, die Schule vor der Zeit zu verlassen",
gehalten beim Examen 1778, und „Ueber die Würde, den Nutzen und die Heiligkeit
des Schulamts", gehalten bei der Einführung des Konrektors Schwabe am 20. Febr.
178G, in deutscher TJebersetzung vor. —
Zu der Erneuerung von Herders Werken steuert Suphans'^) monumentale
Gesamtausgabe den lange erwarteten fünften Band bei. Eine inhaltsreiche Gabe!
Aus den schriftstellerisch so ertragreichen Jaliren 1770 — 75 gesellen sich liier die historisch-
pliilosophischen Schriften zu den schon früher, Bd. 6 und 7, veröffentlichten Werken
theologischen Inhalts. Die Abhandlung über den Ursprung der Sprache, die „fliegenden
Blätter" von deutsclier Art und Kunst, Auch eine Philosophie der Geschichte zur
Bildung der Menschheit, Ursachen des gesunkenen Geschmacks, Wie die Alten den Tod
gebildet, und einige kleinere Abhandlungen erhalten wir in einer von allem Staube der Zeit
gereinigten Gestalt wieder. Die in den Anhängen zu einzelnen veröifentlichten Proben
aus vorausliegenden Bearbeitungen geben einen klaren Einblick in das allmähliche Aus-
reifen der letzten Fassung; besonders dankbar müssen wir dem Herausgeber sein für
die ausführlichen Mitteilungen aus den älteren Gestalten der Ossianbriefe und
des Shakespeareaufsatzes. Letzterer ist im ersten und zweiten Entwürfe aufgenommen und
durch wertvolle Bruchstücke aus einer Shakespeareübersetzung vermehrt, welche
wiederum ältere Gestalten der unter die „Volkslieder" aufgenommenen Stellen bilden.
Den mittleren Teil des Bandes nehmen die Recensionen ein; zu den 22 Nummern aus
Nicolais „Allgemeiner deutscher Bibliothek" fügt der Anhang einen Entwurf der „Barden-
recension" sowie drei nicht zum Abdruck gelangte andere lünzu; von den Recensionen
aus den ,, Frankfurter Gelelirten Anzeigen" sind nur diejenigen aufgenommen, die nach-
weislich Herders Eigentum sind; die Beweisführung ist schwierig, da äussere Anhalts-
punkte fehlen, an handschriftlichem Material hat sich nichts erhalten ; die Rechtfertigung
der Auswalil wird in einem besonderen Aufsatze verheissen. Eine Recension im „Wands-
becker Boten" war zweifellos von Herder. Es ist bekannt, dass der Herausgeber bei
Mitteilungen von Ungedrucktem äusserst vorsichtig verfährt und nur das Notwendigste
zulässt: dieser Band enthält in der Abhandlung „Caroli M. progenies, principes ceterum
belli gloriaeque cupidi, quare solio Regio citius deiecti, quam, quae Clodovaeum seque-
batur, ignaua imbellisque familia?" ein bisher unbekanntes Dokument für Herders
Geschichtsbetrachtung. Es ist ein Aufsatz, deutsch in Gedanken und Darstellmigsfonn,
mit der vorangehenden Darlegung, ,,Wie die deutschen Bischöfe Landstände wurden",
stofflich verwandt; das lateinische Gewand steht nicht überall gut, ist dem Vf. aber
nirgends zu eng geworden und zeugt von ausreichender Herrschaft über die fremde
Sprache. Beide Abhandlungen dienten auch an ihrem Teile Herder als Studium über
die Entwicklunj^sgescliichte der Menschheit. —
Unter den Sonderausgaben ist diejenige des Werks „Vom Geist der Ebräischen
Poesie" zuerst zu erwäluien. Fr. Ho ff mann *3) bietet damit den nur in der Recht-
schreibung veränderten Text der Suphanschen Ausgabe mit Kürzungen in den An-
merkungen; die Einleitung berichtet über Herders Leben und Schriften, besonders über
die theologischen. —
Mehrfach ist der „Cid" herausgegeben worden, jedesmal mit bedeutenden
Kürzungen. Holdermann **) lässt, abgesehen von gelegentlichen Streichungen, die
Herder in ihrem YerhaltDis z. Schriftsprache. Freiburger Diss. Tauberbischofgheim, Lang. 108 S. H. l,50(Tgl. r 18:26). — 10) M.
Kronenberg, Herders philosoph. Gedichte. Kation». 8, S. 327—30. — II) E. Niemeyer, D.Weimarer Schulreden Herders : COIBW.
19,8.274—87. — 12) B. Suphan, Herders samtl. Werke. Bd 5. Berlin, Weidmann. XXXI, 732 S. M. 9,00. - 13) J. 0. Herder.
V. Geist d. Ebräischen Poesie, I— II, her. v. Fr. Hoff mann. (= Bibl. theoing. Klassik. Bd. 301). Gotha, Perthes. 1890. 295
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiehte II <t). \\)
IV 8: 14-16. IV 9a: i-s. E. Naumann, Herder. 146
Eomanzen 39 — 47, 57 — Gl ganz fort, Hamann ^^) tilgt nur etwa 40 Verse, behandelt
aber den Text ohne Sorgfalt, so dass sicli sogar metrische Verstösse eingeschlichen
haben. — Mit grösserer Genauigkeit in dieser Hinsicht geht E. Groth^^) zu Werke, er
bietet indessen einen sehr lückenhaften Text; abgesehen von zahlreichen kleineren Vers-
gruppen, lässt er umfangreiche Stellen in Romanze 16, 41, 43, 45 und 54 und die
Romanzen 12/3, 19, 20, 33/6, 47, 53, 55—61, 64/6 und 68 fort, teils aus Rücksicht
auf Mädchenschulen, teils um überhaupt zu kürzen. Wie weit jene Kürzungen
vom pädagogischen Standpunkte aus bei der Keuschheit Herderscher Darstellung gerecht-
fertigt erscheinen, ist hier nicht der Ort zu untersuchen; eine vollständige Kenntnis von
Hei'ders Cidromanzen lässt sich aus den genannten Ausgaben nicht gewinnen. Alle
drei enthalten in der Einleitung geschichtliche Vorbemerkungen, in der letzten findet
sich am Schluss Gelegenheit, auch einiges aus Herders Vorlagen anzuführen. —
IV, 9 \
Goethe.
a) Allgemeines.
Veit Valentin.
Bilder N. 1. — Denkmäler N. 4. — Erinnerung^stättoii N. 11. — Verein« N. 22. — Feiern N. 28. — Einwirkuni?
auf Zeitt,enossen N. 34. ■ — Aeusserungen und Urteile über Goetbe N. 60. — Briefe N. 66. — Tüeater N. 73. — Bildende Kun-t
N. 79. — Musik N. 93. — Religicm N. 100. — Philosophie N. 104. — Naturwissenschaft N. 107. — Sprache N. 115. — Werke
Ausgaben N. 119; Darstellungen N. 122. — Stellung zur Weltlitteratur N. 126. — Goethe als Uobersetzer N. 136. — Goethe-
forscher N 138. —
So wie Goethe seine Mitwelt durch die Erscheinung seiner Persönlichkeit be-
zauberte, so möchte sich auch die Nachwelt diesen Eindruck erhalten. Mit unermüd-
lichem Eifer werden daher zur Eesthaltung und Wiederherstellung dieser äusseren Er-
scheinung ihre Nachbildungen aufgesucht und veröffentlicht. So bringt K. Heine-
mann ^) das seit vielen Jahren für verschollen gehaltene Bild des Knaben Goethe, wie
er auf dem von J. C. Seekatz 1762 gemalten Eamilienbild erscheint. Dieses Bild ist
beim Tode der Frau Rat Eigentum Bettinas geworden und befindet sich jetzt ini Besitze
Herman Grimms. Es stellt Herrn und Frau Rat in Schäfertracht in idealer Landschaft
dar: neben ihnen ist der Sohn beschäftigt, einem Lamm ein rotes Band umzulegen,
während Cornelia dabeisteht. — Aus dem Jahre 1776 bringt das von L. Geiger 2) her-
ausgegebene Goethe-Jahrbuch als Titelbild die Nachbildung einer dem Goethe-National-
Museum aus dem Nachlass der Schwester Joh. Jacobys geschenkten Bleistiftzeichnung,
die G. M. Kraus als Vorlage zu Chodowieckis Stich im 29. Band der Nicolaischen
„Allgemeinen deutschen Bibliothek" anfertigte. — Aus viel späterer Zeit stammt die
Zeichnung von Delacroix, nach der im Anschluss an einen Vortrag Aldenhovens •^) eine
Nachbildung veröffentlicht wurde. Im Besitze des Freien Deutschen Hochstiftes befindet
sich das von J, J. Schmeller 1826/7 gemalte Bild von ,, Goethe in der Laube", ein
Kniestück in Lebensgrösse. Für den Verleger der Stapferschen Uebersetzung des „Faust"
(1828) Hess Goethe von Schmeller eine Kopie des Bildes skizzieren. Delacroix zeichnete
sie auf Stein, ohne eine gegenseitige Zeichnung zu machen: so giebt die Lithographie
das Spiegelbild von Schmellers Skizze. In der vorliegenden Nachbildung ist die
ursprüngliche Ansicht wiederhergestellt, die die Uebereinstimmung mit dem Oelbild
nun deutlicher erkennen lässt, zugleich aber auch Zarnckes Urteil, die Schmellersche
Zeichnung sei durch Delacroix ins Wilde umgeschaffen worden, auf das richtige Mass
zurückführt: in dem Blicke tritt eine grosse Energie hervor, von Wildheit ist aber
nichts zu spüren. —
810 S. jo M. 2,40. - 14) (I 7 : 67.) — 15) (I 7 : 29.) - 16) D. Cid. Nach span. Romanzen besungen v. J. G. Herder, her. t.
E. Groth. Bielefeld u. Leipzig, Velhagen u. Klasing. X, 97 P. M. 0,50 —
I) K. Heineraann, Goethes Mutter. S. u. IV 9b : 63. ilLZg. N. 76.] | — 2) Goethe- Jahrbuch. Bd. 12. Her.
V. L. Geigor. Frankfurt a. M., Litt Anstalt. IV, 359 S. M. 10,00. [LP. Schienther: VZgS. N. 22; G. Phulstan:
Didaskalia N. 142; F. M[authner]: ML. 60, .=:. 368; W. Buchner: BLU. S. 436-40; M. Koch: BFDH. 7, S. 426f.;
B.: NederlandSpectator S. 323f.]| - 3) C. Aldenhoven, Eugöue Delacroix: BFDH. NF. 7, S. 65/9. (Hiernach d. Notiz
147 V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 9a: 4-i6.
Jenen grossen Eindruck der äusseren Erscheinung Goethes wiederherzu-
stellen, ist die Aufgabe der nicht mehr nach der Natur schaffenden Künstler, besonders
dann, wenn Goethe in monumentaler Grösse und Bedeutung lebendig gemacht werden
soll, öo weist K. J. Schröer*) im Anschluss an das für Wien geplante Denkmal**)
darauf hin, „dass seit der Enth<\llung des Berliner Denkmals durch die Bemühungen
um Erforschung von Goethes äusserer Erscheinung, parallel neben der zunehmenden
Erkenntnis seines Wesens wie seiner Weltanschauung, ein neues Bild von Goethe sich
uns im Geiste gestalten will, das nach Verkörperung verlangt". Er wünscht daher „ein
Bild, nicht vom jungen Goethe, — mit vierzig Jahren ist man nicht mehr jung — , aber
von Goethe auf der Höhe des Lebens, wo seine Erscheinung sein ganzes Wesen dar-
stellt in voller menschlicher Schönheit und Grösse". Er verlangt ein stehendes Bild:
das beste Material biete besonders das Bild von G. 0. May von 1779 und das grosse
Bild von Tischbein (1788) im Städelschen Institut zu Frankfurt a. M.; er möchte
wünschen, „diese Gestalt erhebe sich, lege den Hut ab, und wir hätten das herrlichste
Goethestandbild". — Zu gleichem Ergebnis gelangt Schröer 5) in anderem Zusammen-
hange, nachdem er Goethes Universalität, seine Methode in der Wissenschaft und seine
Art zu dichten geschildert liat. — Auf eine Veröffentlichung Schröers ^) gleichen
Inhalts antwortete A. Bettelheim '), man solle das freie Schaffen des Künstlers für
das Wiener Denkmal nicht von vornherein binden: , jeder dieser Goethetypen, der
Dichter von „Werthers Leiden", von „Hermann und Dorothea", vom zweiten Teile des
„Faust", hat Heimatrecht in Deutschösterreich". „Anders liegt die Sache wohl an
Orten, die in Goethes Lebensgeschichte dauernde Bedeutung gewonnen haben." Zur
Erinnerung an die 20jährige Wiederkehr der Erneuerung der Strassburger Universität
schlägt B. für Strassburg ein Denkmal des ,jugendlichen Strassburger Studenten" vor.
— In einem Wiener 8) Vortrage rühmt Schröer^) den Wert eines Goethedenkmals: es
„erhebt uns aus dem Zeitalter der Nationalität in das der Humanität"; es dient „als"
Symbol für den Zusammenhang unseres Geisteslebens mit den höchsten Erscheinungen
der Kultur". — Wirklich errichtet worden ist ein Goethedenkmal zu Philadelphia: eine
überlebensgrosse Statue von Harry Manger wurde als Geschenk der Deutschen in
Philadelphia der Stadt am 29. Mai übergeben i^). —
Das Interesse an Goethes Persönlichkeit selbst erweitert sich auf die
Erinnerungsstätten, die mit ihr enge zusammenhängen. Dahergeht Schröer ") „auf
Goethes Spuren" und erzählt von seinen Eindrücken in Frankfurt, Leipzig, Strassburg,
Weimar, während L. Blume ^2) Goethegedenkstätten in Italien aufsucht: er stellt fest,
dass das Haus der römischen Goethekneipe mit der im besten Zustande befindlichen,
von Ludwig I. von Bayern gestifteten Gedenktafel nicht mehr Via di monte Savello 75,
sondern infolge baulicher Veränderimgen auf der Piazza Montanara zu finden ist. —
Ueber die Erhaltung des Frankfurter Goethehauses, seine Wiederherstellung und Aus-
stattung sowie die Erweiterung seiner Sammlungen berichtet die Goethehauskommission 13)
des Freien Deutschen Hochstifts. In ihrem Auftrage werden genaue Pläne des HauseS
sowie Zeichnungen aller Räumlichkeiten und ihrer architektonischen und ornamentalen
Beschaffenheit hergestellt, die, auf dem Stadtarchiv aufbewahrt, eine getreue Wieder-
herstellung des Gebäudes in allen seinen Einzelheiten ermöglichen würden. Die römischen
Prospekte sind wieder auf dem Vorplatz angebracht worden, das Gemäldezimmer des
Herrn Rat liat durch zwei Bilder des Frankfurter Malers J. Juncker eine Bereicherung
erhalten. Durch Schenkungen sind die vortrefflichen, von H. Junker im Auftrage des
Hochstiites nach den Weimarer Originalen angefertigten Kopien des Ehepaares Willemer
in die Sammlung gekommen; ferner als Gegenstück zu dem im Besitze der Familie
Heuser-Nicolovius befindlichen Kölner Pastellbilde der Frau Rat, von dem das Hoch-
stift eine sehr gute Kopie besitzt, ein von H. Junker auf Grund des Medaillons von
Melchior geschaffenes Pastellbild des Herrn Rat, ausserdem flinf schon von H. Pall-
mann (BFDH. 1890, S. 299 ff.) veröffentlichte Briefe des Grafen Thoranc und ein Brief
Goethes vom 1. Juli 1814. Die sämtlichen Akten der von dem jungen Rechtsanwalt
Goethe geführten Prozesse sowie das von ihm eigenhändig gesclu-iebene Gesuch um
Zulassung zur Advokatur hat der Magistrat von Frankfurt dem Goethehause zur Auf-
bewahrung übergeben i'*-!^). — Goethes gänzliche Lossagung von seinen äusseren Be-
ziehungen zu Frankfurt hat R. Jung ^^) klar gelegt. Der Gehässigkeit Rüppels entgegen,
GJb. 14, S. 354 zu berichtigen.) — 41 K. J. Schröer, Goethes nassere Erscheinung u. Goethe-Standbilder: Nation". 8, N. 42.
(= ChWGV. S. 38, 40/2.) — 4a) X D. Goethe-Denkmal in Wien: FZg. N. 170. — 5) K. J. SchrOer, Zu Goethes Leben u.
Wirken: ChWGV. 6, S. 14/6, 1 8 '20, 22 '4. — 6) id., Goethes äussere Erscheinung n. Goethe -Standbilder: Nationn. 8, S. 646'7. —
7) A. Bettelheim: ib. S. 669. — 8) X D. Goethe - Denkmal in Wien: NFPr. N*. 0812. — 9) X A. Ilg, V. Wiener
Goethe-Denkmal: FZg. N. 281. — 10) ChWGV. 6, S. 33 i[HambCorr. N. 475.]| — 11) K. J. Schröer. Auf Goethes Spuren:
ib. S. 34, 37/8. — 12) L. Blume, Goethe-Gedenkstitten in Italien: ib. S. 9. — 13) Bericht d. Goethehaus-Komm. an d. Haupt-
versammlung: BFDH. NF. 7, S. 79—82. — 14) X H. Becker, Goethes Vaterhans. Mit 2 Abbild.: D. int«mat. elektrotechn.
Ausstellung 7.u Frankfurt a. M., Heft 6, .*<. 209—11. — IS) J. Gr.. E. Besuch d. Goethehanses in Frankfurt: LZgB. N. 102.
Sehr eingehend.) — 16) K. Jung, D. Ehrenbürger d. Reichsstadt u. d froien Stadt Frankfurt a. M.: AFrankfurtü. 3,
10*
IV 9a: 17-24. V. Valentin, Goethe: Ä.llgemeines. 148
der im Archiv für Fiankfurts Greschichte und Kunst (7, S. 55 ff.) die Frage be-
handelt hat, warum man Goethe nicht zum Ehrenbürger seiner Vaterstadt mache,
schliesst er sich an eine „kleine Darstellung" des Rates Fritz Schlosser an, der selbst
den Austritt Goethes aus dem Frankfurter Bürgerrecht schwer empfand. Mit sprechen-
den Zahlen beweist er, wie schwer auf Goethe die Geldopfer mitlasteten, die seit der
französischen Revolution das Frankfurter Gemeinwesen zu tragen hatte. Den ersten
Schritt, die drückende Last abzuschütteln, unternahm er 1812, wohl auf des haushälterischen
Sohnes Veranlassung. Der Grossherzog von Frankfurt, Karl von Dalberg, wollte die
sehr hohen Abzugsgelder aus eigener Tasche zahlen und auf Goethe eine Medaille
schlagen lassen. Ehe er dazu kam, hörte das Grossherzogtum auf, und Goethe musste
für 1813 und 1814 wieder 750 Gulden hergeben. Nach Einführung der Freizügigkeit
ohne Abzugsgelder that Goethe den entscheidenden Schritt, und die Entlassung erfolgte
„in kaltverständiger, formenhafter Weise". Dagegen ernannte die Polytechnische Ge-
sellschaft Goethe 1817 zu ihrem ersten Ehrenmitglied; der 70. und der 80. Geburtstag
wurden festlich begangen, und der immer lebendiger werdende Wunsch, das Versäumte
nachzuholen, fand in der Anfrage Mariannens v. WiUomer ihren Ausdruck; Goethe wäes die
Auszeichnung als verspätet zurück. Um so pietätvoller ehrte und ehrt man das
Gedächtnis des Toten. — Ein Badearzt in Marienbad i'') berichtet über das ehemals
„Zur goldenen Traube", jetzt Goethehaus genannte Gebäude in Marienbad, das der
Dichter 1821/3 bewohnt hat. In einem alten Hausbuch findet sich unter den Wohn-
parteien verzeichnet: „1. Juli bis 20. August Herr Johann Wolfgang von Goethe,
Staatsminister aus Weimar." Der Berichterstatter giebt Notizen über die Wohnung,
ihren Preis, sowie über andere Bewohner des Hauses. — Das Goethehaus zu Weimar,
das „Goethe-National-Museum", hat, wie Ruland i*^) hervorhebt, durch die Ausdehnung
der ständig zugänglichen Ausstellung auf die Räume des Dachstocks, wo die Porträte
der Zeitgenossen, Handzeichnungen, Stiche aufgestellt sind, erhöhtes Interesse für die
Besucher erhalten. Von den reichen Schenkungen seien neben zwei Junkerschen
Kopien der Bilder von Goethes Eltern (vgl. o. N. 13) erwähnt das Porträt Goethes von
G. M. Kraus (vgl. o. N. 2), eine von Junker früher verfertigte Kopie des jetzt ver-
schollenen, von Julius von Egloffstein gemalten Porträts Augusts von Goethe, das
einzige in Bronze gegossene Exemplar der von Schadow über Leben geformten Maske
Goethes, ein Faksimile des von Schmeller 1829 gezeichneten Goethebildnisses, das
wahrscheinlich von H. Lips gezeichnete Bildnis der „Euphrosyne" Christiane Becker.
— Ferner meldet Ruland^^)^ dass ein von Moritz von Bethmann dem Grossherzog
Karl Friedrich überreichter Bronzeabguss des Schwanthalersclien Medaillons des Goethe-
denkmals zu Frankfurt jetzt dem Goethe-National-Museum überwiesen worden ist. —
Eine Schilderung der Kunstschätze des Goethe-National-Museums entwarfen Helferich 20)
und eingehend W. Lübke^i). —
Weit mehr noch als die Persönlichkeit Goethes selbst ist das, was wir ihrer
Eigenart an Schöpfungen verdanken, Gegenstand unablässiger Behandlung und Er-
fahrung, llu' haben sich Stiftungen und Vereine gewidmet, von denen als älteste das
Freie Deutsche Hoclistift zu Frankfurt a. M. seine Gründung am 10. Nov. 1859 gehabt
hat. Seine Aufgaben sind zwar sehr umfassender Art und durchaus nicht auf das aus-
schliessliche Ziel der Goetheforschung beschränkt: wohl aber bildet diese einen sehr beträcht-
lichen Teil seiner Thätigkeit. Ueber diese giebt der, der wissenschaftlichen Seite des
Hochstifts vorstehende Akademische Gesamtausschuss jährlich in vier Heften einen Be-
richt22) heraus: die seit der Neugestaltung des Hochstiftes 1885 erscheinenden Berichte
bilden deren „Neue Folge". In ihrem ersten Teile geben sie, meist dem Wortlaute
nach, die in den satzungsgemäss zu Goethes und Schillers Geburtstagen veranstalteten
Gesamtsitzungen gehaltenen Vorträge. Der zweite Teil bringt die Berichte aus den
„Fachabteilungen", der dritte „liitterarische Mitteilungen", darunter auch den berich-
tenden Abschnitt über „Neuere Goethe- und Schillerlitt eratur" von Max Koch 23).
Daran schliessen sich geschäftliche Notizen und ein ausführliches Register. Fast zu jedem
Bande werden Kunstbeilagen gegeben, so diesmal ausser Goethes Porträt (s. o. N. 3)
Schattenrisse von Klinger, Kaiser und Agnes Klinger. Die Münchener „Zweigstiftung"
des Hochstiftes steht mit dem Hochstifte zu Frankfurt nur in losem äusserem Zusammen-
hang und bethäiigt sich unter eigener Verantwortlichkeit. — Ausschliesslich auf Goethe
lenkt ihre Thätigkeit die Goethe-Gesellschaft, die ilrren von Ruland24) erstatteten
Jahresbericht dem Goetlie - Jahrbuch anfügt. Dieser beleuchtet den Verlauf der
Generalversammlung der Goethe - Gesellschaft am 31. Mai 1890, die geschäft-
S. 136—41. — 17) KZg. N. 659. — 18) C. Ruland, ß. JB. d Gootho-Gos.: GJb. IL'.^Anhang S 12/4. — 19) id., Aus d.
Goethe-National-Museum 7.u Weimar: WeimarZg. 1890, 27. Dez. (Vgl. Didaskalia N. 13; FZg. N. 15.) — 20) H. Helferich,
D. Museum in Weimar: Kw. 8. 123/4. — 21) W. LUbke, Altes u. Neuo.'^. Studien ii. Kritiken. Breslau, Schles. Vfrlagsanst.
VII, 522 S. M. 8,00. S. 1—29. — 22) Berichte d. Fr. Dtsch. Hochstifts zu Frankfurt a. M. Bd. 7. Frankfurt, Gebr. Knauer.
VII, 75-, 487 S. M. 6,00. - 23j M. Koch. Neuere Goethe- u. Schillorlitt : BFDU. 7, S. 161 ff.,395ft'. —24) C. Ruland, 6. JB.
140 V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV Da: 25-30.
lifheii Verhältnisse, die Beziehungen zur fjuglisclien Goethe - GeHcllschaft
sowie die gfuistige finanzielle Lage und die ansehnliche Erweitenuig der Bibliothek
durch Kauf und Sclienkung. — Daran schliessen sich, von Suphan"''*) mitgeteilt, die
Nachrichten des Goethe-Schillerarchivs an, das sich immer mein* zu ein«5r umfassenden
Sammlung des Nachlasses deutscher Dichter und dadurch zu einer künftigen Central-
stätto der wissenschaftlichen Bearbeitung der neueren deutscjjen Litteratur erweitert.
Statt wie früher auf der Grossherzoglichen Bibliothek sind jetzt im Archiv auch zu
finden der Nachlass von Heinricli Meyer mit 47G Briefen Goethes an Meyer, ferner
F. W. Jacobis Nachlass in Abschrift. Die Briefsammlung ist durch 13 Briefe Goethes
an Oeser, Friederike Oeser und durcli Stücke des Briefwechsels mit Schiller bereichert
worden. Sodann sind Schiller, Herder, Wieland, v. Einsiedel, Lenz, Winckelmann und
in hervorragendem Masse Knebel vertreten. Aus einer Reihe bedeutsamer Schenkungen
von Handschriften stellt die Tendenz einer Ausdehnung auf die gesamte neuere
Litteratur besonders die Gabe Julius Rodenbergs dar: sie umfasst die Hss. der letzten
grossen Arbeiten von Gottfried Keller, sowie Briefe von ihm, ferner Manuskripte von
B. Auerbach, Geibel, Anastasius Grün, Heyse, Storm. Auch Bücher und Drucke wurden
in stattliclier Zahl dem Archiv geschenkt. Das Schillerarchiv sowie die Sannnlung der
Hss. Wielands stehen der wi.ssenschaftlichen Forschung frei: einschränkende Be-
stimmungen bestehen nur für die Benutzung des Goethearchivs im Interesse der Arbeiten
für die Goetheausgabe. Der Plan für die zunächst ersclieinenden Bände wird in dem
Berichte mitgeteilt. — Ausserhalb Deutschlands, aber auf deutschem Boden, bethätigt
sich der Wiener Goethe-Verein, dessen Chronik von K. J. Schröer^«) herausgegeben
wird. Der Jahresbericht legt besonders von den Bemühimgen des Vereins um die Her-
stellung des beabsichtigten Goethedenkmals in Wien Reclienschaft ab und bericlitet sodann
über die „Goethe-Abende", die Entwicklung der Chronik, der Bibliothek sowie über
die geschäftlichen Verhältnisse. — In nichtdeutschem Lande hatte die englische Goetlie-
Gesellschaft (The English Goethe-Society) zu Anfang des Berichtsjahres mit grossen
Schwierigkeiten zu kämpfen : es wurde sogar der Antrag auf Auflösung der Gesellschaft
gestellt: in Deutschland verbreitete sich schon die Nachricht, die Gesellschaft habe sich
aufgelöst (vgl. JBL. 1890 IV IIa: 50). Der Antrag wurde jedoch nicht angenommen.
Es fand vielmelu- durch die eifrige Thätigkeit eines Zwischenausschusses eine Neu-
gestaltung der Gesellschaft statt, durch die der Zweck der Vereinigung in einer für das
Fortbestehen in einem fremden Lande jedenfalls sehr günstigen und vernünftigen Weise
erweitert wurde. Nachdem sie 1880 „for tlie purpose of promoting the study of Goethes
work and thought" gegi'ündet worden war, ist jetzt ihr Ziel dahin gerichtet „that, while
always keeping Goethe as the central figure, the attention of the members might also be
directed to other fields of German literature art and science". Die Gesellschaft verfolgt
dieses Ziel „by means of meetings, discussions, the publication of transactions, and any
other mode w^liich may from time to time seeme advisable to the governing body".
Von Juli bis Dezember wurden ^'ier Sitzungen gehalten, in denen Goethe in folgenden
Vorträgen behandelt wurde: Dr. Lange, On Goethe and Kosegarten, introducing original
unpublished letters of Goethe; Mrs. Coupland, On Goethe and Jena; R. G. Alford, On
English Criticism of Goethe. Abhandlungen über Goethe bringen die von Oswald-^)
herausgegebenen „Publications", im Bande des Berichtsjahres: H. Schütz -Wilson, The
second part of „Faust"; F. F. Cornish, „Der junge Goethe"; Tomlinson, A critical exami-
nation of Goethe's Tasso ; C. H. Herford, Goethe's Epic Poetry: R. G. Alford, Englishmen
at Weimar. —
Eine Persönlichkeit wie die Goethes regt naturgemäss dazu an, sie zu feiern,
zumal an Tagen, die für sie wichtig waren und für die Erinnerung an sie bedeutungs-
voll sind. Ein recht altes Beispiel solcher Feiern erwähnt K.J. Schröer^S). Sie fand
in Tivoli in der Villa d'Este statt: unter den grossen Cypressen las Herder der Herzogin
Amalie und ihrem Hofstaate Scenen aus „Tasso" vor. Diesen Augenblick hat Georg
Schütz in einem die einzelnen Teilnehmer porträtmässig wiedergebenden Bilde vereinigt,
von dem S. dem Wiener Goethe-Verein eine Photographie vorlegte. — Mit Vorliebe
veranstaltete man von jeher die Feier des Geburtstages: eine stattliche Sammlung von
Gedichten, Reden u. ä., die zu solchen Festlichkeiten verfasst und gedruckt
wurden, hat Renner 2«) der Goethebibliotliek des Frankfurter Hochstiftes geschenkt. —
Goethes Todestag wird vom Wiener Goethe-Verein gefeiert: die Festrede hielt diesmal
Frhr. von Berger 30) über eine juridische Frage aus Goethes Faust. — Die Goethe-
d. Goetlie-Ges.: 63h. 12, Anbang S. 1-7. — 25) B. Saph an, Bericht d. Ooethtt-Schiller-Arohires Ilirer K. H. d Fran Gross-
lierzugin v. Sachsen: ib. 19, Anhang S. 8—12. — 26) Chronik d. Wiener Goethe-Vereins. Im Aaftr. d. Wiener Goethe-Yerefns
her. V. K. J. Schröer. Jahrg. 6. N. 1—12: 46 S. 4». — 27) Publications of the Engli>h Goethe-.Society ed. hy E. Oswald. Bd. 6.
18901. 134 S. 12 sh. 6 d. (Posifrei erhältlich von Mr. A. Xntt. As.M.stant Secretary of the English Goethe-Society London'
270. Strand, W.C.) — 28) K. J. SchrOer, Unter d Cypressen d. Villa d'Este: ChWGV. «. S. 39. — 29) J. F. Ch. Renner,'
Sammlung v. Festgedichten u Festredeo zu Goethes Geburtsfeiern: BFDH. NF. 7, S. 73. — 38) A. Ton Berger, E. jurid.
IV 9a: 31-46. V. Valentin, Goethe: Allgemeines. 150
Gesellschaft verbindet ihre Feier mit ihrer Generalversammlung: am 7. Mai sprach
Valentin ^1) über die Einheit der Goetheschen Faustdichtung und ihren Schlüssel, die
klassische Walpurgisnacht; die Namenzusammenstimmung brachte ein Witzblattes) zu
der Frage, ob „Valentin" sich von einer gewissen Animosität Faust gegenüber frei-
halten könne ; sicherlich habe er über den Verkehr im Schwertleinschen Hause manches
Neue und für Goetheforscher sehr Interessante beigebracht. — Das Freie Deutsche
Hochstift feierte den Geburtstagi: die Festrede hielt Siebeck^s) über die Grundzüge zu
Goethes Lebensphilosophie. —
Besonders erfolgreich ist das Bestreben, Goethes unmittelbare Einwirkung
auf Zeitgenossen in der Sammlung seiner Gespräche zu erhalten. Sie unermüdlich
aufgespürt und ganz vortrefflich zusammengestellt zu haben ist das hohe Ver-
dienst W. von Biedermanns 3*), dessen ebenso mühevolles wie schön gelungenes Werk
nun abgeschlossen vorliegt und sich ungeteilten Beifalls erfreuen darf. 0. Lyon weist
in seinen „Erläuterungen" darauf hin, wie alle Aeusserungen Goethes nur im Zusammen-
hange mit seiner ganzen Person und seinem ganzen Wesen, niemals vereinzelt und aus
ihrem Zusammenhang herausgerissen zu betrachten sind. „Viele seiner Aussprüche
stellen nur einen Durchgangspunkt seiner Entwicklung dar, alle sind nichts Anderes,
als aus dem jeweiligen Zustande seiner lebendigen Persönlichkeit herausgewachsene Ge-
danken und Erfahrungen." — Wie Goethe auf die Entwicklung bedeutenderer Zeitgenossen
eingewirkt oder gar massgebend in sie eingegriffen hat, zeigt ein Blick auf die
Lebensabrisse, wie sie in den beiden dem Berichtsjahre angehörenden Bänden der
Allgemeinen Deutschen Biographie vorliegen. Muncker^o) berichtet über die Be-
ziehungen F. Schlegels zu Goethe; von Waldberg^ß) erzählt von F. W. V. Schmidt,
wie er den Plan einer umfassenden beurteilenden Geschichte der romantischen Poesie
mit Dante und Shakespeare als Mittelpunkt gehabt habe : bedeutende Anregungen gingen
ihm für diesen Plan von Goethes „Propyläen" zu. W^enn auch dieses Werk nicht zu-
stande kam, so tritt der Einfluss jener Studien doch bedeutungsvoll in anderen Schriften
Schmidts hervor. — Pröhle^'?) beschreibt eingehend Leben und Werke des märkischen
Naturschilderers Schmidt von Werneuchen: „eine Kritik Tiecks über den „Almanach
der Musen und Grazien in der Mark" scheint Goethes Spottgedicht auf Schmidt ver-
anlasst zu haben". — G. A. Scholl findet durch R. Scholl ^s) eingehende Behandlung:
seine grosse Bedeutung für die Goethelitteratur ist nur Eine Seite seines reichen
geistigen Lebens, das allein die ihm eigentümliche Behandlungsweise litterarischer
Denkmäler durch die überall vorhandene Verschmelzung historischer und ästhetischer
Betrachtung ermöglichte: in ihr vollstes Licht traten diese Vorzüge in seinen Arbeiten
über die neuere deutsche Litteratur, unter denen die über Goethe obenan stehen:
„Goethes Briefe an Frau von Stein" und „Goethe in Hauptzügen seines Lebens und
Wirkens", 1882 kurz vor seinem Tode erschienen. — M. Koch 39) berichtet über G. F.
E. Schönborn, der, mit Klopstock, Gerstenberg, H. P. Sturz, den Brüdern Stolberg be-
freundet, dem nordischen Litteraturkreis angehörte: ihn sowie Gerstenberg und Goethe
versprach Klopstock 1774 dem Haine zu verbinden. Zu seiner Beurteilung sind wir
auf seine Freunde, darunter auch Goethe, angewiesen, die alle sowohl seinem Charakter
wie seinen Fähigkeiten hohes Lob zollen. — F. Kummer ^O) schildert die persönlichen
Beziehungen von Johanna Schopenhauer zu Goethe: eine Beschreibung der Gemälde
Goethes, Schillers, Herders und Wielands von Kügelgen war ihre erste litterarische
Arbeit. K. teilt Goethes Urteil über ihren berühmtesten Roman: ,, Gabriele" mit. —
Ihres grösseren Sohnes Beziehungen zu Goetli^ behandelt H. Liepmann*!): als
Frucht des persönlichen Verkehrs verfasst Schopenhauer seine Abhandlung ,,Ueber
das Sehen und die Farben", in der er für Goethe gegen Newton eintrat. — Der
Astronom H. L. F. Schrön beschäftigte sich, wie S. Günther ^2) erwähnt, auf die An-
regung seines Gönners Goethe, an der Sternwarte zu Jena mit Meteorologie: ,,der grosse
Dichter rühmte mehrmals die ungemeine Schärfe der Wolkenbeobachtung des jungen
Gelehrten". Die älteren Jahrgänge seiner mit höchstem Fleisse angestellten Witterungs-
beobachtungen vermochte Schrön nur dadurch zu veröffentlichen, dass Goethe die Re-
gierung veranlasste, die Druckkosten zu übernehmen. — Schletterer *3) giebt ein ein-
gehendes Bild des Lebens der Corona Schröter und ihrer Beziehungen zu Goethe. In
Frage aus Goethes „Faust": ChWGV. 6, S. 17/8. (Vgl. u. IV 9e:117). — 31) V. Val entin , D. Einheit d. Goetheschen Faustdichtung:
DDichtung 10, S. 126/8, 143/7, 175/7. (Vgl. u. IV 9e : 84.). — 32) Kladderadatsch 44, N. 20. — 33) H. S ieheck, GrundzUge zu Goethes
Lebensphilos. |[FZg. N. 243.]| — 34) W. v. Biedermann, Goethes Gespräche. S. u. IV 9b : 22. |[W. Büchner: BLU.
8. 1/2; S. 789—40; W. K[awerau]: MagdebZg. N. 554; H. C. Kellner: LZg». N. 23 u. 135; 0. Lyon: ZDU. S. 588-607.]|
— 35) F. Muncker, F. Schlegel: ADB. 33, S. 737—52. (Vgl. u. IV 11.) — 36) M. v. Waldberg, F. W. V. Schmidt:
ih. 82, S. 14/6. — 37) H. Pröhle, F. W. A. Schmidt gen. Schmidt v. Werneuchen: ib. S. 24/6. — 38) R. Scholl, G. A.
Scholl: ib. 8. 218—24. — 39) M. Koch, G. F. E. Schöiiborn; ib. S, 'J80/1. — 40) F. Kummer, Johanna Schopenhauer: ib.
S. 346|9. — 41) H. Liepmann, Arthur Schopenhauer: ib. S. 333—46. — 42) S. Günther, L. F. Schrön: ib. S. 555/6. —
43) Schletterer, Corona Schröter; s.o. IV5:90. — 44) D. Jacoby, K. E. Schubarth: ib. S. 606-12.-45) F. BrUmmer,
151 V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 9a: 4«-5s.
der Beurteilung von Goethes Heirat steht er noch auf dem Standpunkt A. Stahrs; so
sympathisch uns auch die edle Gestalt Coronas erscheint, so berechtigt sie doch nicht
zu einer solchen Verdammung Christianens, über die das Urteil doch allmählich ein
recht anderes geworden ist. — D. Jacoby**) schildert den philosophischen und ästhe-
tischen Schriftsteller K. E. Schubarth, der ,, durch Goethes IVilnahme der Vergessen-
heit für immer entrissen" worden ist. Durch eine kleine Schrift „Zu Goethes Beurtei-
lung", die späterhin zu einem zweibändigen Werk erweitert wurde: „Zur Beurteilung
Goethes, mit Beziehung auf verwandte Litteratur und Kunst", trat Schubarth dem
Dichter nahe, der von nun an nicht müde wurde, für ihn zu sorgen: er erlebte noch
die Freude, ihn ,,in das bürgerliche Tagesleben eingeführt zu sehen", als Schubarth
1830 an das Gymnasium zu Hirschberg kam. Der letzte Brief Goethes an ihn ist fünf
Wochen vor des Dichters Tode geschrieben. ,,Kaum begegnet man einmal Schubarths
Namen bei den Goetheerklärern . . . Goethes Persönliclikeit mit ihrer vollendeten Har-
monie zwischen Geist und Natur, mit ihrer Geschlossenheit und Ganzheit war sein Vor-
bild geworden . . . Indem er dei\ Zusammenhang in Goethes Werken nachwies . . . indem
er besonders ein richtigeres Verständnis des ,, Faust", vor allem der Gestalt Mephistos
zu verbreiten suchte, ward Goethe ihm, nach seinen eigenen Worten, gleichsam das
Symbol des Wahren und Falschen, das er an der modernen Natur anerkennen oder
ablehnen musste." — F. Brummer 45) hebt den Einfluss Goethes auf die Dichtungen
von August Schumacher hervor; KFränkel^^) berichtet ausführlich über den Vf von
„Goethes Philosophie" und anderen Arbeiten über Goethe, F. K. J. Schütz; Pröhle*')
erzählt von dem Weimarer Original, Dr. Stephan Schütze, der mit Goethe im Hause
der Schopenhauer verkehrte, aber Goethes Haus selbst nicht besuchen wollte. Schütze
lernt Goethe dort 1800 kennen und gewinnt seine Gunst durch ein Gespräch über das
Erscheinen Klärchens am Schlüsse des „Egmont". Seiner Begeisterung für Goethe pflegte
er an den Geburtstagen durch ein Carmen Ausdruck zu geben; dennoch scheint er an
Goethes höherer Richtung keinen sehr lebhaften Anteil genommen zu haben. —
R. Jung*8) schildert den geistreichen Erklärer von Werken Goethes, Konrad Schwenck,
Th. Schön ■*'>) den durch seinen Verkehr mit Goethe, Schiller, Herder zu einer Ueber-
setzung der „Blüten gi-iechischer Dichter" angeregten Freiherrn Leo von Seckendorff. —
D. Jacoby^o) weist darauf hin, wie Friedrich v. Sallet seine Zeit genau kennt und
scharf beurteilt: die Poesie sei die Verkündigung der echten, d. h. geistig verklärten
Wirklichkeit. Goethe, ,,der einzige, der es in Deutschland gewusst und durch die That
gezeigt hat, ist vielfach pfäffisch verketzert und unrein verehrt worden". — H. A. Lier**)
giebt über die Heldin des Goetheschen Gedichtes „Johanna Sebus" Mitteilungen. — )
R. Keilö2) verwendet eine Reihe von Gedichten, um an sie biographische Erläuterungen
über Goethes Beziehungen zu Käthchen Schönkopf, Friederike, Lili, Frau von Stein,
Corona Schröter und die schöne Mailänderin zu knüpfen. K. hebt das Bestehen eines
Liebesverhältnisses Goethes zu Corona Schröter hervor, das von 1776 — 81 gewährt
habe. Die heftige Eifersucht der Frau von Stein, die den harmonischen Abschluss
jenes innigen Verhältnisses zu verliindern wusste, hätte dann die endliche Entscheidung
der Beziehungen Goethes zu ihr hervorgebracht: „Als der Frau von Stein im Jahre
1781 Goethes Neigung zu Corona Schröter der Verlust des Geliebten drohte, verlor ihr
Liebesverhältnis zu ihm den früheren platonischen Charakter." Hieraus würde sich
dann weiter Goethes Bestreben, diesem ungesunden und auf die Dauer unmöglichen
Verhältnisse zu entgehen, begreifen lassen: seine Flucht nach Italien wäre nur die
äussere Ausführung einer wohl schon längst im stillen sich vorbereitenden Zurück-
ziehung, aus der die Eifersuchtsausbrüche der Frau von Stein zu verstehen wären.
Goethes Reise sei nicht nur eine Bildungsreise, sondern eine Befreiungsreise gewesen
zur „Befreiung aus dem Hofdienst, aus der Enge des deutschen Kleinstaates und dem
wesenlos gewordenen Verhältnis zu Frau von Stein". So wird er in Italien fl\r die
Reize der schönen Mailänderin empfänglich, durch die ihn ein wertlierähnliches Schicksal
traf: sie war bereits Braut. — K. J. Schröer ^3) erzählt von dem Zusammentreffen des Dänen
Oehlenschläger mit Goethe 1806 : er fand die beste Aufnalime, und Goethe beabsichtigte,
Dramen von Oehlenschläger aufzuführen, was durch die kriegerischen Ereignisse unmöghch
wurde. Bei einem zweiten Besuche 1809 fülilt sich Oehlenschläger durch die Zurück-
sendung eines unleserlichen Manuskriptes, die Goethe mit dem Wunsche begleitete,
die Handschrift bald gedruckt zu sehen, so gekränkt, dass er von Goethe mit Eklat
Abschied nahm. S. veröffentlicht aus der ersten Zeit ein Briefchen Oehlenschlägers an
Aug. Schumacher: ib. 33, S. 30/1. — 48) L. Frank»!, F. K. J. Schütz: ib. S. 117-20. — 47) H. PrOhle, Stephmn SchBtx«
ib. S. 146 7. - 48")R.Jutip, K. Schwende: ib. S. 377. — 49) Th. Schön, Fr. K. Leopo"d Frhr. t. Seckendorff: ib. S. .M». —
50) D. Jacoby, F. v. Sallet: ib. S. 717-27. — 51) H. A. Lier, .Johanna Sebns: ib. S. 510 1. — 52) K. Keil. E. Goethe-
Strauss. Jugendgedichte Goethes nach d. Hs. d. Dichters v. 17H8 biogr. erl. Stuttgart, Dtsch. Verlagsanst. 1% S. U. 5,00
(Mit 10 Illnstr. u. e. £ubigen Lichtdruck: D. schone Hmiltuderin. Vgl. o. IV 9c : 12). — SS) K. J. SohrOsr, Oo«the n.
IV 9a: 47-67. V. Valentin, Goethe: Allgemeines. 152
Riemer, worin die Begeisterung sich kräftig ausdrückt. — Schröerß-*) berichtet ferner
von einem Besuche, den der Komponist und Sänger Johann Carl Gottfried Loewe als
Student bei Goethe in Halle 1820 machte ^5). — Bei Gelegenheit der Grillparzerfeier
schildert K. J. S ehr ö er »6) in einem Vortrage ausführlich die Beziehungen Grillparzers
zu Goethe im Anschluss an die in Grillparzers Selbstbiographie gegebene Erzählung.
— Den Brief, in dem Grillparzer über diesen Besuch an Katharina Fröhlich geschrieben
hat, veröffentlicht das Grillparzer- Jahrbuch &''), während Max Koches) Grillparzers
Beziehungen zu Goethe vom litterarhistorischen Standpunkt im Zusammenhange mit der
Gesamtentwicklung des österreichischen Dichters betrachtet 5^). —
Aus unmittelbaren persönlichen Beziehungen hervorgegangene Aeusserungen
und Urteile über Goethe finden sich in Briefen von Zeitgenossen. Wieland warnt
am 22. Juli 1776 in einem durch Linckelmann ^o) mitgeteilten Schreiben den Leibmedikus
Zimmermann: „Glauben Sie nicht leicht, wenn Sie was absurdes und schlechtes von
Weimar hören. Ich bin zwar blosser Spectator von allem, was passiert: aber Sie können
mir glauben, es geht so gut als möglich." Er beruft sich darauf, dass Zimmermann ihn
„und Goethen und die Höfe und die Höflinge und die dethronisierten Hofmeisters und die
Menschen überhaupt" kenne. — Friedrich Leopold von Stolberg, dessen Briefe an Voss
Hellinghaus ^^) vorlegt, giebt 1784eine warm gehaltene Charakteristik vouGoethe, „der die
Wahrheit selber ist", und betont dessen Verehrung für Lavater. — J. G. Müller
tadelt an einer Stelle seines durch Hang 62) veröffentlichten Briefwechsels mit Joh.
Müller Goethe wegen der „Xenien" : „Wir sind berufen aufzubauen, nicht zu zerstören."
— Auch Gräfin Schimmelmann will, wie wir durch B o b e ^^^ hören, von den „Xenien"
nichts wissen und freut sich, dass Schiller ihr schreibt, man brauche solche Waffen
nur einmal, um sie dann für immer niederzulegen; im übrigen ist sie für Schiller wegen
seines Verkehrs mit Goethe besorgt, wie sie denn besonders Misstrauen hegt gegen
,,dies Weib, welches die Mutter seines Sohnes ist": sie freut sich jedoch, dass dieser
Sohn gut erzogen wird, und erkennt an, dass Goethe in dem jungen von Stein das
Muster eines Jünglings erzogen hat. — Weit schärfer urteilt Stapfer, der Vater des
Eaustübersetzers, in einem durch Luginbühl^*) bekannt gemachten Schreiben über
Goethe, durch dessen Einwirkung die deutsche Litteratur zwar noch nicht im Verfall,
wohl aber im Delirium sei. Er, die Schlegel, andererseits die Ultrakantianer, hätten
die Sprache zur Entartung gebracht und die Geister auf eine falsche Bahn gelenkt. —
Am schlimmsten erscheint aber Goethe in der Schilderung eines „Denkers"
unserer Tage, namens Mügge^^), der sein Elaborat schon mit einem aufregenden Titel
ausstattet. Das Problem von Goethes Geist ist „von jetzt ab ein für alle Mal gelöst",
,,wenn wir den Schlüssel seiner geistigen Welt in der Sinnenwelt suchen". ,, Goethe
war gar kein Poet. Das, was man gewöhnlich für Naivität zu halten pflegte, war
raffinierte Schamlosigkeit, und sein letztes Atom Naivität bewusste Heuchelei," Sie
erscheint besonders in Tasso, der „höchsten Gattung der treulos-polygamisch-sinnlichen
Poesie". Von einem Gedankengang ist bei M. keine Rede, eine Variation des Grund-
themas löst die andere ab. Im zweiten Teile wird der verderbliche Einfluss Goethes auf
Schiller dargethan. Der Vf. erzählt, dass eine vorhergehende Arbeit, der der halbe Grimm-
preis der Berliner Universität zu teil wurde, ,,auch nach ihrer totalen Umarbeitung von
dem Herrn Geheimrat (Herman Grimm)" für den Druck abgelehnt wurde: M. darf
sehr bedauern, dass eine so wohlthätige Hand niclit auch über dieser zweiten Arbeit
gewaltet hat. —
Den unmittelbarsten schriftlichen Ausdruck der Persönlichkeit geben die
Briefe. Eine möglichst vollständige Sammlung der Briefe Goethes giebt die Weimarer
Ausgabe seiner Werke. Von E. von der Hellen*'*^) herausgegeben, ist der siebente
Band erschienen: er enthält die Briefe vom 1. Jan. 1785 bis zum 24. Juli 1786. Bei
diesem wichtigen Abschnitt, dem Tage der Abreise nach Italien, halten die Herausgeber
zunächst ein, um die ganze erste siebenbändige Sammlung mit einem umfassenden
Register auszustatten sowie Nachträge und Berichtigungen zu geben. Der Band bringt
fünfzehn bisher ungedruckte Briefe (2067, 2102, 2126, 2198, 2200, 2228, 2260, 2275
öhlenschläger : CLWGV. 6, S. 14, 25/6. — 54) id., Loewe bei Goethe: ib. S. 43/4. — 55) X F. C. Arnold: Neue Cristoterpe
S. 138-76. — 56) K. J. Schröer, Grillparzer bei Goethe: ChWGV. 6, S. 4-8. — 57) JbßrillparzerG. 1, S. 106/7. — 58) Max
Koch, F. Grillparzer. E. Charakteristik. (.= Schriften des Freien Deutschen Hochstiftes.) Frankfurt a. M., Gebr. Knauer.
40 S. M. 1,00. (Vgl. u. IV 13.) — 59) (IV 9b : 72—114.) — 60) Dr. Linckelmann, Aus d. Briefwechsel d. Leibmedicus
J. G. Zimmermann in Hannover: AZg". N. 128. — 61) Briefe F. L. Grafen zu Stolberg u. d. Seinigen an J. H. Voss. Nach d.
Orig. d. Münchener Hof- u. Staatsbibl. mit Einl., Beil. u. Anm. her. v. 0. Hellinghaus. Münster i. W., Aschendorff. LV,
524 S. M. 8,00. — 62) D. Briefwechsel d. Brüder J. Georg Müller u. Joh. Müller 1789-1809, her. v. E. Hang. 1. Halbbd.
1789—99. Frauenfeld, Huber. XII, 218, 57 S. M. 5,00. — 63) L. Bobö, Ernst u. Charlotte Schimmelmann in ihrem Verh.
BU Schiller: Nation". 8, S. 575/8. (Vgl. u. IV 10.) — 64) Aus Ph. A. Stapfers Briefwechsel. Her. v. R. Luginbühl. 2 Bde.
(= Quellen z. Schweizer Gesch. 11/2.) Basel, Geering. V, CXLII. 400, 522 S. M. 20,00.— 65) R. MUgge, U. Brandmal d, Seele
oder Schiller u. Goethe. Bromberg, Gruenauersche Buchdr. 64 S. M. 71.00. (6 Exemplare M. 300,00 — ; unbemittelten Künst-
ern, Jungfrauen, Studenten u. Schülern gratis gegen VorgUtigung von 20 Pf. Wert in Briefmarken v. Vf.) |[Gesellsch. II,
S. 1687j8]|. — 66) Goethes Werke. IV, 7 her. v. E. v. d. Hellen. S. u. IV 9a : 2. - 67) Goethes Werke. Her. im Auf-
153 V. Valontin, Goethe: Allgemeines. IV 9a: «8-73.
teilweise;, 2350, 235K, 215a, 345a, 4«1 a, K)Ha, 203i>a). Die mit Sicherheit datierten
Briefe ^elien bis 2347. An sie t-cliliesst sich als besondere Gruppe eine Anzahl von
undatierten Briefen, die jedoch alle in die Zeit vor der italienischen Reise fallen (234H
bis 2489). Auf den kritischen Apparat folgt ein Anhang, der für alle sieben Bände
Nachträge sowie Berichtigungen zu Text und Lesarten bietet. Das Personen- und
Ortsregister enthält sämtliche Namen mit Nachweis aller Stellen und durch besondere
Schrift angedeutet di^ Nummern der Briefe sowohl bei den Namen der Empfänger wie
bei den Namen der Orte, von wo aus sie gegeben sind. — Gleichfalls von E. von der
Hellen*^'') herausgegeben ist noch ein zweiter Band Briefe erschienen, der neunte in
der Gesamtfolge. Er umfasst die Nummern 2657 — 292H und damit die Zeit vom
18. Juni 1788 bis zum 8. Aug. 1792. Bisher ungedruckte Briefe enthält er zwanzig
(2(>58, 2687, 27ü7, 274(5, 2767, 2789, 2H08, 2811, 2827, 2838, 2847, 2852, 2K55, 2871,
2883, 2884, 2899, 2921, 2922). Mit 2756 hören die Briefe an Charlotte von Stein auf;
neue Beziehungen, teils ktinstlerischer, teils wissenschaftlicher Art, kntipfen sich an.
Den Lesarten sind noch die „Poslreclniungen" angefügt, wie sie sich in zeitlicher Folge
aus einer Zusammenfügung der vierteljährigen Abrechnungen des Kaiserlichen und des
sächsischen Postamtes sowie der Notizen der Ausgabebttcher Goethes und seiner Diener-
schaft ergeben. Den Abschluss macht für die Jahre 1790 und 1791 ein
grösstenteils eigenhändig von Goethe geführtes „Briefverzeichnis", zum Teil mit kurzer
Inhaltsangabe. — Eine bedeutsame Vennehrung der Briefe Goethes bringt Steig*®)
durch Veröffentlichung der nach Umfang und Gegenstand der Behandlung ein in sich
geschlossenes Ganzes bildenden Korrespondenz zwischen Therese v. Jakob (Talyj) und
Goethe über die Uebersetzung, Druckfertigstellung und Drucklegung der serbischen
Volkslieder. Dieser wertvolle Beitrag entstammt dem Goethe- und Schüler-Archiv:
Suphan hat den Text für die Herausgabe hergerichtet und zu den Goethebriefen
meist auch die textkritischen Noten angefügt. Der Herausgeber hat den ganzen Brief-
wechsel mit erläuternden Anmerkungen versehen. Besonders bemerkenswert ist der
Plan der Reihenfolge der Dichtungen, durch den Goethe Talvjs Absicht einer rein zeit-
lichen Folge ersetzt hat (vgl. Brief 10): er ist besonders lehrreich für die Frage, wie
Goethe eine solche Aufgabe betrachtete, und gestattet Rückschlüsse auf sein Verfahren
bei seinen eigenen Gedichtsammlungen. — K. J. Schröer^^) veröffentlicht unter Dar-
legung der Beziehungen Goethes zu dem Altgrafen Hugo Franz zu Salm das Antwort-
schreiben Goethes auf seine von diesem bedeutenden Mann unterzeichnete Ernennung
zum Ehrenmitgliede der kaiserlich-königlichen mährisch-schlesischen Gesellschaft des
Ackerbaues: Goethes Schreiben ist vom 20. Juli 1817 datiert und erwähnt die ihm jetzt
gegönnte „Absonderung und Müsse", womit seine Zurückziehung von der Theaterver-
waltung angedeutet ist. S. schliesst die Veröffentlichung eines bisher unbekannten
Briefes Carl Augusts an, der vielleicht an Goethe gerichtet ist. — Heuer '<') benutzt
bisher unbekannte, im Besitze eines Enkels von Kaysers Schwester Christine, Herrn
B. Reges zu Frankfurt a. M., befindliche Briefe: ausser zahlreichen Schreiben Kaysers an
die Seinigen sind zwei bisher unbekannte Briefe Goethes, einer der Grafen Stolberg,
mehrere von Klinger sowie viele Sclu-eiben der Barbara Schulthess dort erhalten. Die
Briefe Goethes, der Stolberg sowie ein Brief Philipp Seidels und verschiedene Briefe
Klingers sind abgedruckt. — Ruland''') veröffentlicht Goethes Antwort auf
den gleichfalls abgedruckten Brief Seebecks über Farben phänomene und weist auf zwei
weitere Schreiben Goethes an Professor Schweigger wegen der entoptischen Farben
hin. Diese Briefe sollen in der Weimarischen Ausgabe veröflfentlicht werden '2). —
In unmittelbare Berühnuig mit der Litteratur tritt Goethes persönliche Thätig-
keit durch seine Uebernahme der Leitung des Weimarischen Theaters im Jahre 1791.
Z\xr Jubelfeier dieses Ereignisses schildert C. A. H. Burkhardt ^■*) das Repertoir des
Theaters unter Goethes Leitung bis 1817. Er legt die Hauptzüge der Geschichte dieser
Leitung mit besonderer Berücksichtigung der materiellen Seite dar und giebt eine Ueber-
sicht über die Filialen des Theaters, durch die die materielle Existenz des Haupttheaters
lange Zeit hindvirch erst ermöglicht wurde: die Gesamtgastspiele wurden auf Lauch-
städt, Rudolstadt, Erfurt, Halle und Leipzig ausgedehnt. B. hat mit grosser Mühe und
Sorgfalt ein genaues Verzeichnis aller sowohl in Weimar wie in den übrigen Städten
aufgeführten Dramen hergestellt und diesem chrunologischen Verzeichnis ein alphabetisches
beigefügt, das zugleich die Aufführungstage angiebt: ein sehr wertvolles Material für
trage der Grossherzogin Sophie v. (wachsen. IV, 9 (t. E. t. d. Hellen.) Weimar, Bohlao. XII, 397 S. M. 4,20. — 68) B.
Steig, Briefwechsel zwischen Goethe u. Therese 7. Jakob. S. u. IV 9b : 4. :[M. Koch: BFDH. 7, S. 428 f.) |. — 69) K. J.
Schröer, Altgraf Hugo Franz zu Salm u. Goethe. S. u. IV 9b : 13. — 70) 0. Heuer, Ph. Chr. Kayser, Goethe u. Elinger.
S. u. rv 9b : 7. ^ 71) C. Kuland, Zu Goethes naturwissenhcbaftlichen Forschungen. S. u. IV 9b : 5. — 72) V. Valen-
tin: BFDH. 7, S. 206.'7. — 73) C. A. H. Burkhardt. P. Repertoir d. Weimar. Theaters. S. o. IV 5 : 68. I[1I. Koch:
I;FDH. 7, S. 439; R. Gen6e: NZg. N. 169; E. Kiiian: AZ?». N. 102; Didaskalia N. 109; A. t. Weilen: DLZ. 12, S. 1682;
PrJbb. 67, S. 714;ö; DR. 16, 3, S. 12S; M. Roediger: ASNS. S7, S. 55; HambCorr. N. 331; BambNaehrS. N. 10; J. Minor
IV Pa: 74-79. V. Valentin, Goethe: Allgemeines. 154
litterarhistorische und ästhetische Forschung. Zunächst fällt die Vorurteilslosigkeit auf,
mit der Goethe den Bedürfnissen des Publikums durch Vorführung der Tageswerke
entgegenkommt, um dadurch freiere Bewegung für die Erreichung seiner ästhetischen
Ziele zu gewinnen. — Auf der so geschaffenen Grundlage lassen sich fortführende
Einzeluntersuchungen weiterbauen. So hat C. Heine ^4) die in Weimar aufgeführten
ausländischen Dramen zusammengestellt und mit dem Anteile des Auslandes am Berliner
Spielplane verglichen. 's) — W. von Biedermann 76) -y^Teist darauf hin, dass „eine gründ-
liche Darlegung von Goethes Wirksamkeit als Bühnenleiter eine noch zu lösende würdige
Aufgabe" ist. Er giebt die Quellen zu einer solchen Arbeit an und vermehrt sie durch
einen bisher ungedruckten Brief Goethes an Kirms, teilt sodann einige Ergebnisse einer
Nachprüfung des Burkhardtschen Buches und seiner Quellen mit und bietet schliesslich
zur „Eeier des Jubeltages" „ein paar ungedruckte Aktenstücke". Sie beziehen sich auf
den in Weimar zuerst aufgetretenen Sohn der Schauspielerin Unzelmann, wobei Goethes
Verhältnis zu der herzoglichen Kommission klar gestellt wird, sowie auf den Eintritt
der Frau Genoveva Weber, der Mutter Carl Marias, in das Hoftheater zu Weimar. 77) —
Einen Ueberblick auf Grund des bis dahin vorliegenden Materiales giebt Wähle 78) in
seiner dem Hoftheater zum 7. Mai 1891 gewidmeten Festschrift. Er geht von den Zu-
ständen der deutschen Bühne im 18. Jh. aus und stellt dem gegenüber die Bedeutung
der Gründung des Hamburger Naiionaltheaters und der weimarischen Hofbühne. Hatte
jenes das Verdienst, eine Reform der Theaterzustände angebahnt zu haben, so nahm
von Weimar aus das neue Ideal des Dramas und das neue Ideal der Schauspielkunst seinen
Ausgang. Nach einer Schilderung der theatralischen Vergangenheit Weimars zeigt W.
besonders das Verdienst der Herzogin Anna Amalia um die Förderung des Theaters
bis zum Schlossbrand 1774. Da ist es dann Goethe, mit dessen Eintritt in die Weimarer
Kreise das Interesse an der Bühne neue Nahrung erhält: er ist die Seele des Lieb-
habertheaters, das auf ihn selbst einen bedeutenden Einfluss ausübte: sein bisher
mehr allgemein-ästhetisches und dichterisches Interesse am Theater erhielt die ent-
schiedene Richtung aufs Praktische. Nachdem inzwischen auf Antrieb der Herzogin Anna
Amalia ein neues grosses Haus gebaut worden war, wo die Bellomosche Gesellschaft
bis 1791 spielte, übernahm nun Goethe selbst die Leitung des Theaters: „Der 7. Mai,
an dem das weimarische Hoftheater eröffnet wurde, ist epochemachend in der Geschichte
des Theaters sowohl als in der Geschichte unserer Litteratur." W. stellt in grossen
Zügen dar, was Goethe im Vereine mit Schiller diesem Theater und damit zugleich dem
ganzen deutschen Theater geworden ist. Beigegeben sind Abbildungen Carl Augusts.
Goethes, Schillers, der Christiane Neumann, der Jagemann, Graffs und Pius Alexander
Wolffs, endlich die Ansichten des alten Theaters (1779 — 1825) und des neuen Theaters
soMde eine Nachbildung des Zettels vom 7. Mai 1791 („Die Jäger" von Iffland). —
Den Einfluss der griechischen Bühnendichter auf Goethes eigene Bühnendichtung stellt
Morsch 78a) (llar. Der Zweck seiner Arbeit ist „zunächst weiter nichts als eine möglichst
vollständige Zusammenstellung alles dessen, was Goethes Verhältnis zu den griechischen
Dramatikern erläutert: Stellen aus Goethes Werken, Briefen, Unterredungen usw.,
welche seine eigenen Studien, Urteile, wie mitunter die seiner nächsten auf ihn ein-
wirkenden Umgebung enthalten, dann natürlich Verse, Scenen aus seinen antikisierenden
Dramen, verglichen mit solchen der alten Dichter." M. begleitet Goethes dichterische
Entwicklung unter diesem Gesichtspunkt von seiner frühesten Bekanntschaft mit der
griechischen Dichtkunst bis zu der am 3. März 1832 gethanen Aeusserung Goethes, er
wolle sich noch einmal an den „Phaethon" des Euripides machen. Beachtenswert für
den Charakter der Arbeit ist der Gesichtspunkt, unter dem M. die angeführten Parallel-
stellen betrachtet: „mit ihrer Anführung soll nicht etwa gesagt sein, dass Goethe jede
einzelne Stelle vor Augen gehabt hat, vielmehr soll nur gezeigt werden, wie er, grössten-
teils unbewusst, den richtigen Ton zu treffen versuchte." —
Unter den reichen Beziehungen, die Goethes umfassende Persönlichkeit zu be-
gonderen Lebensrichtungen unterhalten hat, steht die zu Kunst und Künstlern obenan;
in erster Linie kommt die bildende Kunst in Betracht. In seine früheste Zeit
geht das Verhältnis zu J. K. Seekatz, dem Maler in Goethes Vaterhaus, zurück: ihm widmet
Katzenstein 7ö) eine Lebensübersicht, bei der das Verhältnis zu dem Goetheschen
Hause indessen nur sehr spärlich erörtert wird. Für das Kunstiuteresse des Studenten
Goethe legt der Eintrag Zeugnis ab, den in Verbindung mit „Dr. Schlosser aus Frank-
furt am Majm" „Goethe aus Frankfurt am Mayn" in dem Fremdenbuch des Richterschen
GGA. S. 682/4; Nation». 8, S. 608; Grenzboten II, S. 346/7.] I — 74) C. Heine, D. ansland. Dramen im Spielplan d. Weimar.
Theaters: ZVLB. NF. 4, S. 319 ff. — 75) X I'ina Schneider, Goethe als Tooneeldirecteur: NedorlSpectator S. 188—90. —
76) W. V. Biedermann, Am 7. Mai 1791. S. u. IV 9b : 8. — 77) XX Goethe als Thoaterdirektor: SammlorA. N. 58. (Be-
richt Über Suphaiis Vortr. [1892 gedruckt] ) — 78) J. Wähle, D. Weimar Hoftheater unter Goethes Leitung. Z. Feier d. 100.
Jahrestages ». Gründung Braunschweig, Westermann 4«. 29 S. M. 1,50. |[PrJbb. 67, S. 715'6.]| (S.-A. aus WIDM. 70,
S. 390—415.) - 78a) H. Morsch, Goethe u. d. griech. Bühnendichter. Leipzig, Fock. 1890. l«. 53 S. M. 2,50. — 79) L.
155 V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 9a: 80-88.
Kabinettes gemacht hat: J. Vogel *">) theilt in seiner Beschreibung der Leipziger Kunst-
sammlungen ein Faksimile davon mit. Der in „Dichtung und Wahrheit" bei der Stelle
„Einer Stadt kann kein grösseres Glück begegnen ..." (W. A. 27, S. 162) erwähnte
Kunstfreund F. W. Kreuchauff, der Vf. des Katalogs der Winklerschen Sammlung,
„das geistige Oberhaupt der ganzen Kunstgomeinde, ihr Berater und sachverständiger
Lenker" wird dabei ausführlicli geschildert, V. weist darauf hin, dass der von Goetlie
dort gebrauchte Ausdruck ,,Kiuists(»cietät" keineswegs ein allgemeiner Begrüf ist, dass
vielmehr die ,, Errichtung einer Societät von Gelehrten, schönen Geistern, Künstlern und
Kunstbeförderern" ausdrücklich bezeugt wird. Diese von Richter begründete Gesell-
schaft hielt regelmässige, vielseitig anregende Zusammenkünfte ab, durch die auch an-
gehenden Künstlern die weitest reichende Unterstützung ihrer Studien zu teil wurde.
— Ueber J. G. Schütz, ein Mitghed der Frankfurter Kttnstlerfamilie, den Goethe in
Rom kennen lernte, berichtet Stricker 8'); den in Rom 178G ermordeten Medail-
leur und Siegelstecher Josef Schwendimann, dessen mitten in aufstrebender Thätigkeit
jah hereingebrochenen Tod Goethe tief beklagte, schildert Th. von Liebenau^). —
Massgebend eingegriffen hat Goethe in die Entwicklung der Malerin Luise Seidler,
deren Leben und Schaffen H. A. Lierö-') erzählt, während H. Holland 8*) in seiner
ausführlichen Schilderung des Lebens und Schaffens von Moritz von Schwind auf die
„wahre dithyrambische Anerkennung" hinweist, mit der Goethe den jungen Künstler be-
grüsste. — Besondere Seiten solcher Beziehungen hebt Bechstein^^) im Anschluss an
Harnacks „Nachgeschichte der italienischen Reise" hervor: er giebt einzelne Berichti-
gungen und Erläuterungen und spricht ausführlich über das dem Baroccio zuge-
schriebene Bild. — Noll 86*) weist in seiner verdienstlichen Arbeit über Hundeshagen,
der „in der verhältnismässig kurzen Zeit, die zwischen seinem Dasein (1784 — 1858) und
heute verstrichen ist, fast ganz der Vergangenheit anheimgefallen", darauf hin, dass
Goethe in dem regen Verkehr mit ihm und Sulpiz Boisser^e in Wiesbaden 1815 eine
günstigere Ansicht über die altdeutsche Kunst gewonnen hat: er nimmt einen Teil des
Verdienstes, Goethes Anschauungen speciell zu Gunsten unserer mittelalterlichen Bau-
kunst modifiziert zu haben, für Hundeshagen in Anspruch: Goethe gedenkt selbst rühmend
der Verdienste Hundeshagens um den Palast Friedrichs I. zu Gelnhausen. —
J. Bayerns) will nachweisen, „dass das künstlerisch fachmännische Verhältnis Schinkels
zur Gotik im allgemeinen imd ganz speciell znr Dombaufrage in Köln ein ähnliches war
wie das nur beurteilende und beschauende Veihältnis Goethes in derselben Angelegen-
heit". Zu diesem Zweck wirft er einen Blick auf Goethes Beziehungen zur Gotik in
seiner Strassburger Jugendzeit^') und dann wieder, nach der Anregung durch die Brüder
Boisseree, in späterem Alter. Schinkel und Goethe hielten sich gleichmässig fern von
der „patriotisch-religiösen Erregung der Gemüter" und vermengten die künstlerische Be-
deutung des Stiles nicht mit der kirchlich-symbolischen. Beide standen daher einem
Weiterbau des Kölner Domes kühl gegenüber und erklärten sich für Erhaltung des Be-
stehenden. Ganz besonders aber war die Verpflanzung der Gotik in die Gegenwart,
der gotische Neubau, durchaus nicht im Sinne Goethes. — Noch vollendeter ist die
Uebereinstimmung Goethes mit Schinkel zum Ausdruck gekommen, wo beide auf dem
ihrer innersten Natur am meisten zusagenden Gebiete, dem Anschluss an die Antike,
zumal in Griechenland, sich begegnen. Eingehend und treffend schildert Dobbert^)
dies Verhältnis. Von einem Gegensatze zwischen Schadow und Goethe ausgehend, der
durch ein Urteil Goeihes über die Berliner Kunst veranlasst war, legt D. den allmählich
eingetretenen Ausgleich zwischen dem Kritiker und dem Künstler dar und zeigt .sodann,
wie ein schönes persönliches Verhältnis, veranlasst durch die unter Goethes Ober-
leitung ausgeführte Arbeit an dem Blücherdenkmal für Rostock, sich gestaltete und seit
1806, als Schadow nach Weimar kam, sich befestigte. Damals modellierte Schadow
des Dichters Profil in Wachs, eine Arbeit, die später einer Medaille zu Grunde gelegt
wurde; auch Goethes Gesicht wurde abgeformt: darnach schuf sodann Schadow die
Marmorbüste, die jetzt in der Nationalgalerie sich befindet. Die Uebereinstimmung des
Bildkünstlers und des Dichters ist jetzt so gross, dass die von Schadow für das
Blücherdenkmal gewählte antikisierende „heroisch-dichterische Bekleidung" nicht dem
Bildkünstler von dem Dichter aufgezwungen ist, sondern von ihm selbst herrührt: nur
die symbolisch-allegorischen Motive der Sockelreliefs sind auf Goethe zurückzuführen.
Die Zusammenkunft beider im J. 1820 wurde durch die Teilnahme Rauchs, "F. Tiecks
Katzenstein, J. K. Seekatz: ADB. 33, S. 674/5. — 80) J. Vogel, Leipziger KansUammlangen d. vor. Jh. Mit Abbild.:
ZBK. NF. 2, S. 123/7; 146/9. - 81) W. Stricker, J. G. Schütz. AD3. 33. S. 108. — 82) Th. t. Liebenan, J. Schwendi-
mann: ib. S. 401/3. — 83) H. A. Lier, Luise Peidler: ib. .S. 642'5. — 84) H. Holland, Moritz von Sehwind: ib. S. 449—«».
— 85) B[echstei]n: RostockZg N. 15. — 85.') J. NoU, H. B. Hundesbagen n. seine Stellang i. Bonumtik, nebst zwei B«iL
(Briefen J. Grimms) rrograinm N. 378. Frankfurt a. M., Enz n. Rudolph. 4«. 45 S. — 86) J. Bayer, Goethe,
SiJiiiilcol u. d Gothjk: NZg. 44, N. 226, 229. — 87) X T. V., Z. inneren Gesch. d. „gotischen Tendenzen" d. jungen Goethe:
HambNachry. N. 24/5. — 88) E. Dobbert, Goethe u. d. Berliner Kunst. Rede geh. am Geburtstage S. M. d. Kaisers in d.
IV 9a: 80-93. V. Valentin, Goethe: Allgemeines. 156
und des Staatsrats Schultz verschönert. Die hedeutsamen, von Goethe gewonnenen An-
regungen ermutigten Schinkel, auf seinem Wege weiterzugehen: entsprach doch die Art,
wie Schinkel hei seiner ersten, seinem Genius angemessenen architektonischen Aufgabe,
der Schaffung des Berliner Schauspielhauses, die von ihm in ihrer feineren Eigentüm-
lichkeit erkannten Formen griechischer Baukunst den modernen Bedürfnissen anzu-
passen wusste, so ganz Goethes Kunstidealen. Aber auch zu Rauches) wurden die
persönlichen Beziehungen zugleich mit der Uebereinstimmung auf dem Kunstgebiete
immer engere. So war es Goethes Wunsch, sein in Frankfurt schon seit 1819 ge-
plantes Denkmal möchte von Rauch ausgeführt werden. Allein weder der Entwurf zu
einer Kolossalbüste gelangte zur Verwirklichung, noch der von Goethe günstig beur-
teilte Entwtirf zu einer Statue. Von der herzlichen Freundschaft zeugt der Brief-
wechsel, besonders der Brief Goethes von 1827, den A. v. Humboldt als einen der
schönsten Briefe bezeichnete, die er je gelesen habe. In diesem Zusammenleben zeigt
sich, wie sich das Urteil Goethes über Berlin allmählich umgewandelt hat: hatte er
früher die Musen und Grazien in der Mark verspottet, dann die Engherzigkeit des
künstlerischen Schaffens getadelt, so erkennt er jetzt die Bedeutung Berlins für Kunst
und Wissenschaft im höchsten Grade an und sagt: „ich lebte dort mehr als ich sagen
kann." — Ein jüngerer berühmter Bildhauer steht zu Goethe dadurch in Beziehung,
dass er ein Goethedenkmal geschaffen hat: es ist Schwanthaler, dessen Leben und
Schaffen H. Holland 9^) eingehend schildert. — Die Geschichte der Entstehung des
Frankfurter Goethedenkmals erzählt E. Jung'-*!). Schwanthaler hatte die Ausführung
des Modells unentgeltlich übernommen und den grossen Teil einer Ehrengabe den
Stadtarmen geschenkt: da ernannte ihn der Senat zum Ehrenbürger. — Ein anderes be-
sonderes Gebiet behandelt A. Heusler^^). Er verfolgt Goethes Beziehungen zur
italienischen Kunst von den ersten, durch den Vater vermittelten Jugendeindrücken an
und zeigt die Entwicklung dieser Beziehungen, indem er zunächst auf Oesers bedeut-
samen Einfluss hinweist, der einen Bruch mit dem herrschenden Kunstgeschmack, der
Freude am Rokoko und am Zopfstil, herbeiführte. Im Sinne Winckelmanns verweist Oeser
auf das Altertum und lässt von neueren Meistern nur die gelten, in denen das ihm
als das charakteristischste Merkmal des Altertums Erscheinende, die „edle Einfalt", die
sich hier als Grazie und Glätte der Form äusserte, am meisten hervortrat: die Eklektiker
von Bologna. Goethes gesunde Natur verhinderte ihn aber nicht, in Dresden Gefallen
an den Niederländern zu finden, in denen er die ihm bekannte Natur wiedererkannte,
und ebenso versteht er die Grossartigkeit des Strassburger Münsters nachzuempfinden.
Aber diese Begeisterung für die Gotik ist nur ein Intermezzo. Er wendet sich in
Weimar den Studien der Renaissancebaukunst zu, liest mit Frau v. Stein R. Mengs und
kommt so nach Italien, das er nicht mehr in fieberhaftem Schwelgen, sondern ruhig
und sicher beurteilt. Seinem Volkmann und den von diesem vertretenen Zeitgeschmack
gegenüber macht er sich frei, ohne von dessen Führung unbeeinflusst zu bleiben.
Goethes Interesse wendet sich der antiken Baukunst zu: der modernen nur, insoweit
sie denselben Gesetzen folgt wie diese. In der Malerei teilt Goethe die Vorliebe seiner
Zeit für die Eklektiker, gewinnt sich aber ein eigenes freies Urteil über Michelangelo
und Raffael. Die moderne italienische Skulptur, die gar nichts Antikes bietet, übergeht
er mit Schweigen. Bedeutsam ist sein treffendes Urteil über Mantegna. Dennoch bleibt
der Einfluss der italienischen Kunst auf Goethe so beschränkt, dass „neben der
Bedeutung, welche die antike Kunst als Ausdruck antiker Lebensstimmung für Goethes
Denken und Dichten gewann, sich von einem „Einfluss" der italienischen Kunst kaum
sprechen lässt". Was ihn von der Kunst selbst eines Michelangelo und Raffael trennte,
war „ihr specifisch christlicher Inhalt". Er findet überall „immer Leiden der Helden,
nie Handlung": der rein menschliche Gehalt kann ihn freilich hier und da über diesen
Mangel hinaussetzen. Goethe hat sich selbst als Kunstforscher bewährt: im „Cellini",
in der „Reise am Rhein" und in anderen Aufsätzen fiber Kunst. Aber jetzt erscheint er
nicht mehr als einer, der kennen lernt und in eigener Person urteilt: er lässt eigene Vor-
liebe, eigene Abneigung nicht mehr hervortreten. — Von Goethes eigener bildnerischer
Thätigkeit liegen unveröffentlichte Zeugnisse vor. Heuer 92a) teilt die Nachbildung von
drei Silhouetten mit, die aus der Kayserschen Familie stammen. In ganzer Figur erscheint
Kayser selbst, von Klinger dagegen und seiner Schwester Agnes nur die Köpfe. Auf
der Rückseite dieser letzten Silhouette steht von einer Frauenhand des vorigen Jh.
der Vermerk: „A. Klinger, nachherige verehelichte Anthäus, von Wolfgang Göthe ge-
fertigt." Die beiden anderen Silhouetten nennen ihre Urheber nicht: Kayser hat die
seinige mit seiner eigenhändigen Unterschrift versehen. — R. Keil^^b) veröffentlicht das
Akad. d.KUn8teani27.Jan.:NZg.44, N.69, 71. — 89) X W. L tt bke, Altes u. Neues. S. o. N. 16. S.397-407. — 90) H. Holland,
F. Schwanthaler: ADB. 33, S. 191-204. - 91) R. Jung, 1). Ehrenbürger d. Stadt Frankfurt. S. o. N. 16. — 92) A. Heusler,
Goethe u. d. iUl. Kunst. Basel, Keioh. 41 S. M. 1,00. | [Kw. S. 204 f.] | - 92a) S. o. N. 70. - 92 b) S. o. N. 52. - 93) H.
157 V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 9a: M-ios.
von Goethe selbst ausgeführte Bild der schönen Mailänderin, Signora Pa . . . S . . , z:
F. Preller rühmte davon, dass jeder noch so bedeutende Künstler sich die Arbeit zur
Ehre rechnen köinit(5. Goethe hatte das Aquarell mit anderen italienischen Zeich-
nungen und A(juarc]len in ein besonderes Paket gelegt, wo sie alle siebenunddreissig
Jahre ruhten. Als sein ehemaliger Privatsekretär, der Bibliothekar Rat Kräuter, ihn
früh morgens am 28. Aug. IH'25 beglückwünschte, machte er das Paket „seinem ersten
(intulanten'' zum Geschenk. Durch Erbschaft ist das Bild der schönen Mailänderin in
den Besitz K.s gekommen, der es nun in erfreulicher Weise allgemein bekannt ge-
macht hat. —
Goethes Beziehungen zu einer anderen Kunst, zu der Musik, werden mehrfach
erwähnt. Wolti ^•') schildert Goethes EinHuss auf Schubert: „Der Wecker dieses Liebesfrüh-
lings war Goethe." — öch letterer "*) giebt Nachricht von Anton Schweizer (Schweitzer),
dem Komponisten von „Erwin und Elmire". — Wasielewski 'ö) berichtet über Schu-
manns Kompositionen Goethescher Dichtungen 9*). — Max Friedländer^') veröffent-
licht unter Beigabe treffender Erläuterungen eine Reihe von Musikerbriefen, die teils an
Go ithe gerichtet sind, teils zu der Autographensammlung Goethes gehören. Die erste
Reihe bilden neun Briefe von Felix Mendelssohn an Goethe von 1822 bis 1831, die
drei letzten von grossem Umfang und besonderem Interesse; sodann ein Brief Schuberts,
der von Goethe freilich nicht beantwortet wurde, ein Schicksal, das er mit dem weiter-
hin veröifentlichten Briefe von Berlioz teilt: die von beiden Künstlern übersandten
Kompositionen konnten dem Geschmacke Goethes in der Musik nicht zusagen. Hieran
schliessen sich aus der Handschriftensammlung Goethes zwei Briefe Mozarts, ein
deutsch und ein italienisch geschriebener. ^'8-99^ —
Goethes Stellung zur Religion ist in einigen wenig erquicklichen Arbeiten
erörtert worden. J. Friedrich'^) reiht an Auszüge aus Vilmar und Lewes Auszüge aus
Goethes Werken selbst, die bekanntesten Stellen, die irgend welche Beziehung zum
Christentum haben. Nicht einmal ein Schlusswort wird gegeben, das etwa das Ergebnis
im Zusammenhange darstellte, so dass zur Kundgebung der Wertlosigkeit des Schrift-
chens für die Wissenschaft nichts fehlt. — Julia H. Gulliver i^ij untersucht vom
Standpunkt des gläubigen Christentums, ob Goethe an einen persönlichen Gott geglaubt
habe oder nicht. Sie verwirft die Auffassung, dass Goethe kein Christ gewesen sei
und hält an Goethes Auffassung von der Gottheit als einem individueDen Wesen fest.
Sie giebt jedoch zu, dass Goethes „teaching on this point is shadowy, vague, unsatisfactory",
entschuldigt dies aber damit, dass Goethe mehr dem 18. als dem 19. Jh. angehöre:
Goethe konnte das Wunder noch als „a blasphemy against the great God and his reve-
lation in Nature" halten: „to regard miracles as violations of inviolable law is to-day
an inexcusable anachronism." Dieser Anschauung gemäss trägt die Abhandlung den
Charakter einer frommen Betrachtung, nicht einer wissenschaftlichen Untersuchung, die
für die Weiterforschung in Betracht käme '0ä-i02a^. — Ein ungenannter Verfasser '^3) stellt
dagegen Goethe dar als eine Hauptquelle des „significant and widely-extended movement
in our time, which has been called te New-Paganism". Er geht von der grossen
geistigen Bewegung des 18. Jh. aus, in dem der Prophet der Gottheit Jean Jtacques
gewesen sei. Drei Pilgrime ziehen nach Rom, um mit Hilfe von Statuen, Gemälden,
Ruinen die Vision der längst vergangenen Zeit wachzurufen: Winckelmann, Lessing,
den der Vf. seinen „Laokoon" schreiben lässt, nachdem er dort „Laocoon face to face"
gesehen hatte, und Goethe. Au sie schloss sich eine Fülle von „Humanisten", aber
keiner „will compare, in breadth of influence or large achievement, with Goethe". Im
Anschluss an Spinoza lernte Goethe „to diride between light and dark": aber er wie
Schiller wendet sich der Lichtseite als Künstler zu: „the immortality in which they
believe is a visible endurance of the form of things . . . not a second world to restore
the balance of the first". Goetlie hat sich zwar anerkennend über das Christentum
ausgesprochen, aber seiner Toleranz ist es doch nur „a form of art" : „Religion itself is
but a dialect; and the Christian hero-worship a variety of that dialect". In Goethes
Ueberzeugung „it was a principle that ,Humanity' atones for all sius"; die Folge ist,
dass „the heart of existence for man is man himself". —
Eine ganz andere Beleuchtung der Frage nach Goethes religiösen Ueberzeugungen
giebt eine Veröffentlichung, die Goethes Verhältnis zur Philosophie klärt und fördert:
Welti, Schubert. S o. IV 4 : 228. — 94) Schletterer, Anton Schweiier: ADB. 83, 8. 371/3. — 95) W»si«lew»ki,
Schumann. S. o. IV 4 : 229. — 96) X ChWGV. 5, S. 4;J. (Vortrag Loewesoher Kompositionen an e. Gtoethe-
abend.) - 97) M. FriedUnder, Musikerbriefe. S. u. IV 9b : 23. IM. Koch: BFDH. 7. S. 428.] | —
98) X H. Helferich, Goethe u. Mozart: Kw. S. 124. — 99) X A. Heim, Einige Ausspruche Goethes x. Bechtfertignug
d. Oper als Kunstwerk: AMusikZg. 18, S. 7. — 100) J. Friedrich, D. GUube Goethes n. Schillers. Halle, Kaenunerer.
87 S. M. 2,00.— 101) Julia H.Gulliver, What ralue has Goethe's thougt of God for us?: Andorer Beriew 16,3.133—45. —
102) X V. W., Goethe u d. Bibol: HambCorr. N. 590. 102a) X Max Müller, Phisical Religion: Nation«. 9, 3. 59—60. —
103) Neo-Paganism (Goethe: S«mmtliche Werke. Berlin, 1873. F. Schiller: Briefwechsel mit Goethe. Stuttgart, 1881, u. a.):
IV 9a: 104-109. V. Valentin, Goethe: Allgemeines. 158
Suphani04) veröif entlicht und kommentiert ein von Wähle aufgefundenes Manuskript,
das , von Charlotte von Stein geschrieben, zugleich das grösste Schriftstück
von ihrer Hand im Archiv ist. Nach S.s überzeugenden Nachweisungen ist
es nach Goethes Diktat hergestellt und giebt ein wichtiges Zeugnis von den
Arbeiten, von denen Goethe sagte: „wir schreiben daran, wir schreiben weiter." Das,
wie es scheint, in zwei Sitzungen hergestellte Manuskript enthält im ersten Teil „eine
bedächtig von Punkt zu Punkt fortschreitende, auf das oben Gesagte mehrfach zurück-
weisende Entwicklung" Spinozistischer Gedanken, während in dem zweiten Teile, der
auch in der Ausdrucksweise mehr Goethesohes Gepräge hat, ein „bei aller Gemessenheit
doch den inneren Anteil mehr verratender freierer Schwung" zu erkennen ist. Nach S. ist
der Aufsatz eine Parallele zu dem, was Goethe besonders im Widerstreit zu Jacobi und
seinem „extramundanen Gott" sich gedrungen sieht als sein fV xcd nav nachdrücklich zu be-
kennen 105). — Auf den besonderen Zweig der Philosophie, die Aesthetik, geht Sieb eck ^o«)
in einer Besprechung einer Steinerschen Schrift ein. Er erkennt die „feine und bei
aller Kürze klar durchgeführte Erörterung eines Prinzips der Aesthetik" an, das
„schon in Schillers Untersuchungen nahegelegt, bei Goethe in mehr gelegentlichen
Aeusserungen, aber scharfer Beleuchtung hervortritt": das Schöne „ist eine sinnliche
Erscheinung in der Form der Idee". S. w^eist darauf hin, dass die Behauptung Steiners,
eine „Aesthetik, die von der Definition ausgeht, das Schöne ist ein sinnlich Wirkliches,
das so erscheint, als wäre es Idee", existiere noch nicht, nicht richtig ist: schon bei
Aristoteles liegt sie den Darlegungen der Poetik zu Grunde ; dann ist es aber nicht korrekt
Goethe als „Vater einer neuen Aesthetik" zu bezeichnen. —
In Bezug auf Goethes Beziehungen zur Naturwissenschaft untersucht
Dennert^OT) ^{q Trage nach dem Verhältnis Goethes zum Darwinismus. D. kommt in
seiner geschichtlichen Darstellung des Entwicklungsganges der Descendenztheorie von
den ältesten Zeiten und Völkern bis in die Gegenwart zur Darlegung des Grundge-
dankens Goethes, dessen Stellung er dahin bestimmt, dass Goethe im Sinne St. Hilaires
sich ausspricht. „Als Vorgänger des eigentlichen Darwinismus hingegen lässt sich Goethe
nicht benutzen". — Im unmittelbaren Anschluss an Goethe knüpft R. Steiner 1^8) an
den durch die Publikationen des Goethe- und Schiller- Archivs zu Tage geförderten
Reichtum an, der für Goethes Beziehungen zur Naturwissenschaft gewonnen worden ist.
Er untersucht die wahre Bedeutung des Begriffes Erfahrung, Empirie, imd kommt zu
dem Ergebnis, dass die Auffassung der Welt durch die Sinne nur die Hälfte der Dinge
uns kennen lehrt, dass die Anwendung der Vernunft auf die Betrachtung der Dinge
nicht ein Ueberschreiten der Erfahrung, sondern nach Goethes Anschauung nur die Ent-
faltung aller unserer Erkenntniskräfte ist, die uns die andere wichtigere Hälfte der
Dinge kennen lehren, nämlich die sie zur vollen Klarheit bringenden Ideen, die gleich-
falls ein Ergebnis der Erfahrung sind. „Von dem Augenblick an, da Goethe durch
Schiller gedrängt wurde, doch über den Charakter der Erfahrungen nachzudenken, wurde
ihm immer klarer, dass sein ganzes Streben nur ein Suchen nach Ideen ist, als den
höchsten Formen, in denen sich die Wirklichkeit ausspricht." Gerade bei der Durch-
sicht von Goethes hinterlassen en Papieren zeigt sich dies: „da bleibt keine Beobachtung
einzeln stehen: stets werden weitere verwandte an sie gereiht um über das
„Was" zum „Wie", über das Einzelne hinaus zum Ganzen zu kommen, um von der
Kenntnisnahme zur Anschauung aufzusteigen." Der Idealismus ist daher mit der Er-
fahrungswissenschaft durchaus vereinbar; denn der Idealismus ist nichts Anderes als die
ganze Erfahrung, während das, was die Empiriker gewöhnlich zum Gegenstande ihrer
Wissenschaft machen, nur die halbe Erfahrung bleibt, die Summanden ohne die Summe.
Diese Darlegungen beruhen auf den gründlichen Studien S.s über Goethes Stelhnig zu
der Naturwissenschaft, wie er sie früher in seinen vortrefflichen Einleitungen zu Goethes
naturwissenschaftlichen Schriften, in Kürschners Nation allitteratur, niedergelegt hat. —
So mussten gerade unter seiner Hand die Schätze des Archivs die rechte Prägung ge-
winnen können: zur Bearbeitung der naturwissenschaftlichen Abteilung der W^eimarer
Goetheausgabe berufen, giebt Steiner 109) zunächst eine Abhandlung, in der er in
grossen Zügen auf den Gewinn hinweist, der durch das Goethearchiv für das Ver-
ständnis von Goethes naturwissenschaftlichen Arbeiten zw erlangen ist: mit dem neu
aufgefundenen Material werden die bisher bemerkbaren Lücken in Goethes Schriften
ausgefüllt, ganz besonders aber wird die Art seines Forschens und ihre methodologische
QR. 172, 8. 273—304. — 104) B. Suphan, Aus d. Zeit d. Spinoza-Studien Goethes 1784|5: GJb. 12, S. 3—12. |[M. Koch:
BFDH. 7,8. 430.]| — l06)XM.Groeben, Melzer, Goethes ethische Ansichten (JBL. 1890 IV lla:ll): BLU. S. 552/3. (D.Buch
sei nur e. Groppierung Goethescher Äusserungen.) — 106) U. Sieb eck, K. Steiner, Goethe als Vater einer neuen Aesthetik:
LBlGRPh. 12, S. 9-10.— 107) E. Dennert, D. gesch. Entwickl. d. Descendenztheorie. (= Zeitfrag«n d. christl. Volkslebens,
her. V. E. Frhr. TOn U ngern-S ternber g u. H. Dietz. Bd. 15, Heft 8.) Stuttgart, Belsor. 48 S. M. 1,00. — 108)
R. Steiner, Gedanken zu d. hs. Nachlasse Ooethes: ChWGV. 6, S. 10i2. — 109) id.. Über d. Gewinn unserer An-
schauungen V. Goethes naturwiss. Arbeiten durch d. Publ. d. Goethe-Archivs: GJb. 12, S. 190—210. [[M. Koch: BFDU. 1,
159 V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV9a: iio-iu.
Rechtfertigung sowie Goethes ganzes Verhalten zur Natur in ein neues Licht gerückt.
Goethe fasste die Morphologie ausser in einem engeren auch in einem weiteren Sinn:
in diesem Sinne; strebt sie nach einer TotalaufFassung des Lebens, die sich nicht damit
begnügt, mit Hilfe der Einzel Wissenschaften, Naturgeschichte, Naturlelire, Anatomie,
Chemie, Zoonomie, Physiologie, alle Seiten des organischen Seins zu begreifen, sondern
die lebendige Einheit, die dem Ganzen zu Grunde liegt, zu erkennen strebt, also „die
Betrachtung des organischen Ganzen durch Vergegenwärtigung aller dieser Rücksichten
und Verknüpfung derselben durch die Kraft des Geistes". — Diese Erkenntnis giebt
den Grundsatz für die von Steiner""^ besorgte Anordnung der den nunmehr ersten
Band der „Morphologie" bildenden teils bereits gedruckten, teils noch ungedruckten
Aufsätze: es soll aus dieser Anordnung ersichtlich werden, dass Goethe eine Lehre von
den organischen Wesen als Morphologie begründen wollte. Diese ist dabei als Universal-
wissenschaft des Organischen gedacht, die als solche auch Physiologie und Entwick-
lungsgeschichte umfasst. So kommen hier zum ersten Male Goethes morphologische
Leistungen in ihrem vollen Umfange zur Anschauung. Demgemäss vereinigt S. mit dem
Aufsatz „Versuch, die Metamoi*phose der Pflanzen zu erklären", der 1790 erschien, alles
das, was der Ergänzung, Erklärung oder noch tieferen Begründung der dort vorge-
tragenen Anschauung dient. Nur der Aufsatz S. 312/9 ist vor 1790 geschrieben:
er wurde dennocli hier eingefügt, weil er eine Seite der alle Arbeiten Goethes be-
henschenden Methodik in so scharfem Gepräge zeigt, wie es sonst nirgends wieder
hervortritt. Die ungedruckten Arbeiten erscheinen, soweit dies möglich war, in der
Anordnung, in der sich die einzelnen Teile in ein „System der Morphologie", wie es
Goethe gedacht, einreihen würden, und zwar 1. Zur Morphologie der Pflanzen im allge-
meinen, die Prinzipien enthaltend. (S. 279 — 322); 2. Specielle Eragen und Beispiele zur
Metamorphosenlehre, Ausführung des Grundgedankens an konkreten Beispielen (S.323 — 44);
3. Naturphilosophische Grundlagen und Konsequenzen der ganzen Lehre (S. 345 — 61);
4. Auf Grenzgebiete zwischen Morphologie und Aesthetik Bezügliches (S. 361/3). — Die
wissenschaftliche Metliode Goethes bei seinen naturwissenschaftlichen Studien wird in
dem grösseren Zusammenhange einer Spinozastudie von M. Berendt und J. Fried-
länder m) dargelegt. Die Vff. zeigen zunächst, wie die ratio Spinozas nichts Anderes
als die naturwissenschaftlich-mathematische Erkenntnis der Dinge ist, wie aber Spinoza
eine zweite höhere Betrachtungsart der Dinge kennt, die jedoch immer auf der Natur-
wissenschaft als der festen Basis ihres Wesens ruhen bleibt. Es ist die Intuition, die
die Walirheit unmittelbar, mit einem Blick, uno intuitu, erkennt: sie hat nichts mit jener
Art höherer Eingebungen zu thun, die in der Philosopliie oft eine so berüchtigte
Rolle gespielt haben. Es tritt vielmehr auf Grund exaktester Untersuchung und Einzel-
forschung ein durch inneres Schauen gewonnenes Erkennen ein, das plötzlich und ohnfs
dass der Weg zum Bewusstsein gekommen wäre, eine grosse Anzahl von Einzel-
erscheinungen auf ein gemeinsames oberstes Gesetz zurückführt. Eine solche intuitive
Erkenntnis wird indessen, die geniale Anlage vorausgesetzt, dennoch niu- bei dem ein-
treten, der sich im zureichenden exakten Erforschen so befestigt hat, dass er beim
genial-instinktiven Schauen nie vom Boden der Wirklichkeit abirrt. Hierher gehören
Goethes Entdeckung der Metamorphose der Pflanzen sowie seine anatomischen Erkennt-
nisse der Einheitlichkeit des körperlichen Aufbaues. Es ist mit dieser Darlegung zu-
gleich der massgebende Gesichtspunkt festgestellt, der bei Beurteilung von Goethes
naturwissenschaftlichen Leistungen nie ausser Acht gelassen werden darf: in ihm tritt
zugleich die enge Verwandtschaft der Art seines wissenschaftlichen Forschens mit der
Art seines dichterischen Schaffens hei'vor. — Ueber die Hilfsmittel, mit denen Goethe
arbeitete, und ihre jetzige Aufstellung im Goethe-Nationalmuseum berichtet Ruland >'-):
„erstaunlich ist die Anzahl von Hilfsmitteln zur Erforschung der Farben- und Lichtfrage,
an Prismen jeder Art und Grösse, Polarisationsapparaten, Glaswürfeln uud Platten für
die entoptischen Versuche u. a. m. Wer in Zukunft mit Goethes Stellung in und zu
der Naturwissenschaft sich beschäftigt, wird an diesen Schränken nicht vorübergehen
dürfen". — Auch der verhältnismässig neueste Zweig der Naturwissenschaft ist Goethe
nicht fremd geblieben: unter den historischen Stücken der grossen „Internationalen
elekti'otechnischen Ausstellung in Frankfurt a. M." fesselte in hervorragendem Masse
die Aufmerksamkeit die vom Goethe-Nationalmuseum dort ausgestellte Elektrisier-
mascliine Goethes: an sie knüpft Schimmelbusch"'*) an, um einen Ueberblick über
Goethes Beschäftigung mit der Elektrizität von seiner frühen Jugend an bis ins Greisen-
alter zu geben. — Die gleiche Aufgabe stellt sich Heuer ii*), der seine Betrachtung
S. 43I.]| — 110) Goethes Kuturwiss. Schriften. 6. Bd. Z. Morphologie I. Teil (.her. t. R. Steiner). (=: Goethes Werke.
Her. im Auftrage d. Gro-shorzogin Sophie v. Sach eii. II. Abt. 6. Bd.) Weimar, Böhlau. VIII, 452 S. M. 4,60. — III)
M. Berendt u. J. Friedlünder, Spinozas ErkeiintniKlehre in ihrer Beziehung x. modempn Naturwissenschaft n. Philosophie.
Herlin, Ma>er & lUlllIer. XIX, 31.5 8. M 5.00. — 112) S. o. N. 71. — 113) W. Schimmelbnsch, Goethe» Beochftftigang mit
d. Elektrizität. E. zeitgomils&e Betrachtung za d. Dichters 142. Geburtstag: Didaskalia t. 28. Aug. — IM) 0. Heuer, GoethM
IV 9a: 115-117. V. Valentin, Goethe: Allgemeines. 160
mit den prophetischen Worten Goethes schliesst, die in Frankfurt an Goethes Elektrisier-
maschine zu lesen waren: „Die Elektrizität ist das durchgehende allgegenwärtige Element,
das alles materielle Dasein begleitet; man kann sie sich unbefangen als Weltseele
denken." —
Neben Goethes Behandlung der Gegenstände selbst hat auch die Form der
Sprache, die er in seinen Schöpfungen anwendet, Beachtung gefunden. Olbrich ii^)
untersucht Goethes Sprache in seinen Dichtwerken mit Bezug auf die in ihr hervor-
tretende Nachahmung der klassischen Sprache in Wortstellung und Wortgebrauch. Er
geht dabei von dem Gedanken aus, dass mit der inhaltlichen Beeinflussung einer
Litteratur durch eine fremde stets die Aneignung sprachlicher Eigentümlichkeiten
verbunden ist. Er zeigt dies an Beispielen anderer Sprachen, geht sodann auf die
Entwicklung der deutschen Sprache seit dem Einflüsse der Schweizer im Gegensatz zu
Gottsched genauer ein und legt dar, wie Klopstock und Voss in ihrem Verdienst um
die deutsche Sprache ebenbürtig dastehen, wie die Kritiker, besonders Herder, fördernd
eingreifen. Während früher die Antike vorzugsweise durch das Lateinische wirkte,
stellt sich jetzt, seit Homer in seiner Bedeutung mehr und mehr erkannt wird, das Griechische
als dem Deutschen kongenialer mehr in den Vordergrund. In diese Bewegung tritt
Goethe ein, jedoch nicht als Nachahmer von Nachahmungen: der Einfluss der Antike ist
bei ihm unmittelbar. Herders Forderung der Rückkehr zu älteren Formen und die
neugestaltende Weiterbildung erweisen sich bei ihm nebeneinander wirksam. Von seinem
Vater mehr auf das Lateinische hingewiesen, folgt er später, auf die Belehrung Herders
hin, den griechischen Originalen, Pindar und besonders Homer. Nach einem Ueberblick
über den Einfluss des Griechischen auf die Sprache der Goetheschen Dichtungen und
der Betonung der fördernden Beihilfe des üebersetzungseifers im vorigen Jh. will 0.
zeigen, wie Goethe, beeinflusst von der antikisierenden Sprache seiner Vorgänger und
Zeitgenossen, von seiner Natur auf praktisches Reproducieren des Empfangenen hinge-
wiesen, auch seiner Sprache „Brosamen von dem reichen Tische der Alten" einverleibt.
Diese Thatsache steht fest, aber die Einflüsse der Antike auf Goethes Wortfügung,
Wortverwendung und Wortbildung sind noch nicht eingehend behandelt. Bei der Be-
sprechung soll einerseits auf Klopstock, Bodmer, Voss, Ramler u. a. (warum nicht auf
Lessing?), andererseits auf die peinlich am Alten festhaltende Grammatik Rücksicht
genommen werden. Gelegentlich wird die Sprache Schillers, Hölderlins, H. von Kleists
(„Penthesilea") herangezogen, von den Griechen besonders Homer und die Tragiker.
0. behauptet nicht, dass Goethe absichtlich bestimmte Wendungen habe nachbilden
wollen, auch will er nicht alle Einflüsse für ausgemacht halten: das Urteil über solche
Fragen nennt auch er stets bis zu einem gewissen Grade subjektiv. Im einzelnen be-
handelt er 1. Wortstellung und zwar die Stellung des Adjektivums, des attributiven
Participiums, des abhängigen Genitivs, der Apposition, der Prolepsis des Subjektes und
des Objektes, die Inversion der einzelnen Satzglieder, die Inversion abhängiger und
relativer Sätze, die Attraktion der Adjektiva in Relativsätzen; 2. dem Wortgebrauch
und zwar die Kürze des Ausdrucks, die Steigerung der Adjektiva , den Gebrauch des
substantivierten Neutrums der Adjektiva, den Gebrauch der Adjektiva und Adverbia für
andere Bestimmungen, die Nachahmung der Antike im Gebrauche des Kasus, den Ge-
brauch der Participia und der zusammengesetzten Epitheta. Es ergiebt sich u. a., dass
von verschiedenen Lesarten bestimmte Stellen vorliegen, wo an die Stelle der einfachen
ursprünglichen Wendungen stark antikisierende getreten sind. Der gi'osse Wendepunkt
in der Sprache Goethes, der 1775 eintritt, ist wesentlich die Folge der Einmündung
dieser antikisierenden Strömung. — Auch Morsch ^i^*) behandelt den Einfluss der
Eigentümlichkeiten der antiken griechischen Ausdrucksweise auf Goethes Sprache und
zwar speciell in den antikisierenden Dramen, zu denen er hier auch „Tasso" und die
„Natürliche Tochter" heranzieht. Er legt ein besonderes Gewicht auf die Paronomasien
oder Wortspiele, von denen er aus „Elpenor" und „Iphigenie" eine grosse Reihe von
Beispielen giebt. Aber auch z. B. die Verwendung von Attributen, Wortzusammen-
setzungen, Wortwiederholungen, bildlichen Bezeichnungen werden herbeigezogen. — Auf
die ästhetische Behandlung der Sprache durch Goethe geht W. von Biedermann i^ß)
im Anschluss an Brunnhofers Behauptung ein, „dass in Goethes Gedichten die Ver-
erbung auf die Dichtung der Indier und der Arier zurückzuführen sei". Nach B. ist
der „sogenannte Atavismus nichts anderes als der Wiedergebrauch der urersten rier
sprachlichen Formen der Dichtung, der Wiederholung" : Goethes Dichtungen liefern eine
Reihe von Beispielen dafür. B. unterlässt aber nicht, zum Schlüsse weitsichtig darauf
hinzuweisen, dass die sprachlichen Formen der Goetheschen Dichtung die allermannig-
elektriache Stadien: Elektrizität. Offizielle AusstellungaZg. d. internat. elektrotechn. Ausstellung zu Frankfurt a. M. S. 39-40.
— 115) C. Olbrich, Goethes Sprache u d. Anlik«. S o. I 8 : 27. |[M. Koch: BFDII. 8, S. 267f.l| — IlSa) S. o. N. 78a. —
116) W. V. Biedefmann, D. Wiedorholuug als Urform d. Dichtung hei Go"tho: ZVLK. NR 4. S. 2(57-73. — 117) M Kocli,
Igl V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 9a: us-iM».
faltigsten sind. — Den Einfluss inid die Bedeutung, die Goethe selbst der Sprache und
der Litteratur zusclirieb, betont M. Koch"'), wenn er hervorhebt, wie Goethe daran
gedacht hat, dem Fürstenkongress zu Erfurt eine Versammlung deutscher Männer
entgegenzusetzen., um die Bande der Kultur fester zusammenzuziehen. Zu demselben
Zweck plante Goethe durch Schaffung eines liistorisch-reHgiösen jLiederbuches für das
Volk den Deutschen einen geistigen Nationalbesitz in die Hand zu geben. —
In der Herausgabe der gesammelten Werke Goethes schreitet die Weimarer
Ausgabe rüstig fort. Mit den bereits erwähnten Bänden (vgl. N. 68, 69, 110) 'sind im
Berichtsjahr acht Bände erschienen '1«)^ über die im einzelnen anderweitig berichtet
wird. Die Kürschnersche Sammlung hat zwei von Witkowski"^) bearbeitete Bände
gebracht: sie enthalten Aufsätze zur Litteratur und zwar in streng chronologischer An-
ordnung und mit zahlreichen Anmerkungen versehen. Der erste Band umfasst die Zeit
von 177G— 1821, der zweite 1822—1831. Dieser zweite Band giebt zum Schluss ein
systematisches Verzeichnis der Aufsätze. ^20-121^ —
Von darstellenden Arbeiten über Goethes Werke kann, da sie bei der Einzel-
betrachtung zur Erwäluiung kommen, hier nur Einzelnes behandelt^^werden, soweit es
allgemeineren Charakter hat. Grisebach ^"^J will das ['„Goethesche Zeitalter der
deutschen Dichtung" zeichnen. Nach ihm hat Herder „die von Lessing im Laokoon
entwickelte Kunstansicht so gründlich widerlegt, dass von dem stolzen Gebäude auch
nicht ein Stein auf dem andern blieb" ; desgleichen hat er seine anfängliche Begeisterung
für Klopstock so überwunden, dass sowohl die „Odenseuche Klopstocks" wie der „Messias"
für ihn nicht mehr vorhanden sind. Dennoch war er für den wahren Messias nur der
Johannes. Als Goethe bald nach dem 12. Sept. 1770 Herder in Strassburg kennen
lernte, begann die neue Epoche, die mit der Entwicklung Preussens in innigem Zu-
sammenhange steht, „denn die vollen Wirkungen der nationalen Grossthaten Friedrichs
auf die Litteratur vermochten erst nach Beendigung des 7j. Krieges hervorzutreten".
Lessing und Klopstock gehörten zu der von Friedrich freilich allein ins Auge gefassten
absterbenden Epoche uivd haben „die in den ersten siebziger Jahren anhebende neue
Epoche" absolut nicht eingeleitet: sie stehen ihr feindlich gegenüber. Andererseits hat
Goethes eigene epische wie lyrische Dichtung nicht das geringste gemein mit Klopstock :
ihm hat er so wenig zu verdanken wie Lessing, obgleich Goethe selbst in der von G.
angeführten Stelle aus den Gesprächen mit Eckermann seine Verpflichtung ausdrücklich
hervorhebt. Aber auch Herder hat nur die Anregung gegeben: in seiner weiteren Ent-
wicklung stellte er sich Goethes Werken feindlich gegenüber. Nichtsdestoweniger
„bleibt er der alleinige Grund- und Eckstein, auf welchem sich der Bau der neuen
Litteratur erhebt, und wenn das Goethesche Zeitalter der deutschen Dichtung mit dem
Jahre 1770 anhebt, so ist es, weil in dieses Jahr Herders persönliche Einwirkung auf
den jungen Goethe fällt". In diesem Zeitalter treten nach G.s individueller Auffassung
die Dichter der sinnlichen und der phantastisch-schwärmerischen Richtung in den
Vordergrund. Schiller muss von den ihm gewidmeten dreizehn Seiten noch recht viel
nicht nur an Goethe, sondern auch an seine Nachfolger abtreten : die eigentlichen Helden
sind Bürger, Heinse, Blumauer, Brentano, Heine. Das Schlussergebnis ist, dass das
Goethesche Zeitalter noch nicht abgeschlossen „und noch kein Anfangspunkt einer neuen,
nach einem grösseren Nachfolger zu taufenden Epoche auch niu- von fem sichtbar ge-
worden ist". — In scharfem Gegensatze zu Grisebach möchte Düntzer 123-12S») ^^dje
vuiglaubliche Abhängigkeit, in die man neuerdings den jungen Goetlie von Herder zu
setzen sich nicht gescheut hat", die „verwirrende Vorstellung von dem übermächtigen
Einfluss Herders auf den genialen jungen Dichter bei seiner Auffassung des grossen
britischen Dramatikers" bekämpfen. Der Fülle von Ergebnissen der Einzelforschung
kann und braucht hier nicht nachgefolgt werden, nachdem der Hauptgesichtspunkt her-
Nationalitftt u. Nationallitt. S. o. I 1 : 61, — 118) Goethes Werke. Her. im Auftrage d. Grosshersogrio Sophie r. Sachsen.
Weimar, Böhlau. I. Abt., 4. Bd. Gedichte, 4. Teil, lier. t. G. t. Loeper, XX, 370 S. M. 3,00. Ohne Lesarten n. Paralipoinena ;
9. Bd. „Laune d. Verliebten", her. t. G. Roethe; D. Mitschuldigen, her. v. F. Schnorr v. Carolsfeld; D. Geschwister,
her. r. K. J. SchrOer; D. Wette, Romeo u. Julie, her. v.J. Wähle; Hahomet, Tanered, her. v. 0. Hoffmann. III, 623 S.
M. 4,00; 29. Bd. Dichtung n. Wahrheit, 4. Teil, her. t. J. Baechtold. III, 255 S. H. 2,00; 4«. Bd. Winckelmann, her. r.
A. Michaelis; Philipp Hackert, her. t. 0. Harnack. III, 414 S. H. 3,20; IIL Abt. 4. Bd. Tagebllcher s. u. IV 9b : 1. |[H.
DUntzer: ZDPh. 23, S. 294—349. (Über I. Abt.. Bd. 1, 2, 6, 7, 14, 15, 1 u. 2; III. Abt. 1. 2; IV. Abt, 1-3; Nachschrift:
1. Abt., 8, 10, 26, 27; HI. Abt, 3, 4, 5).]| — 119) Goethes Werke. Her. t. G. Wi tkowski. (= Dtsch. Nationallitt Her. t.
J. Kürschner.) Stattgart, Union. Bd. 31 XIX, 393 S. mit 2 Abbild.; Bd. 32: 421 S. je M. 2,60. — BO) X Goethes Werke.
Her. V. L. Geiger. Neue Ausgabe. 5. Aufl. Berlin, Grote. 1. Bd.: CXVII, 665; 2. Bd.: XXX, 634; 3. Bd.: XXXII. 486;
4. Bd. : LXXIII, 544; 5. Bd. : LXX, 602; 6. Bd.: XXXI, 682; 7. Bd. : XL, 576; 8. Bd. : XVI, 618; 9. Bd.: XXXVin, 461; 10. Bd : XIII, 510 S.
— 12!) X Goethes ausgew. Werke in 12 Bdn. (= Cottasche VolksbibL 29, 31, 33, 35, 36, 38.) Stuttgart Cott*. 12<».
208, 208, 260, 200, 298, 236, 203, 220. 267, 268, 192, 268 S. mit 1 Bildnis. Geb. in 6 Bdn. M. 6,00. — 122) E. Grisebach,
D. Goetliesihe ZeiUlter d. dtsoh. Dichtung. S. o. IV 1 : 3. |[M. Koch: BFDH. 7, S. 183f; K. J. Schröer: ChWQV. S. 33f.]|
— 123) H. Düntaer, Herder u. d. junge Goethe in Strassburg. == Z. Goetheforschong. Neue Beitr. Stuttgart, Dtsch. Ver-
liigsanst VII, 436 Ö. M. 6,00. |[L. Geiger: Nation». 9, S. 165 f.; TglRs. N. 275.] | S. 77—142. - 123«) id., Shakespeare
Jahresberichte fttr neuere deutsche Litt«r»targe8ohichte II (t|. 2^
jy Qa; 124-139. V. Valentin, Goethe: Allgemeines. 162
vorgehoben ist. — Einen Ueberblick über die Arbeiten, die Goethe nach irgendeiner
Seite hin zum Gegenstande haben, giebt L. Geiger 124-12^^; ^^ {^^ diesjährigen Bande
des Goethejahrbuchs der Raum für die vollständige Wiedergabe des reichlichen Materiales
gefehlt hat, so ist die Goethebibliographie in vollständiger Fassung besonders ausgegeben.
Sie o-liedert sich in drei Hauptabteilungen: Schriften, Biographisches, Verschiedenes,
deren jede wieder eine Reihe von Unterabteilungen hat, so dass sich eine leicht erkenn-
bare Uebersicht ergiebt. In sehr vielen Fällen sind Inhaltsangaben, zum Teil recht aus-
führliche, geboten. — Der Bibliographie des Goethejahrbuchs ist als Anhang eine „Englisch-
Amerikanische Bibliographie" von H. S. White i25a) mitgegeben: sie lässt einen Blick
in die Bedeutung thun, die Goethe auch für das geistige Leben anderer Völker er-
langt hat. —
Goethes Stellung zur Weltlitteratur wird auch durch einige Arbeiten des
Berichtsjahrs angedeutet, zn denen noch die in den folgenden Kapiteln genannten Ueber-
setzungen Goethescher Werke gestellt werden müssten. Ueber Goethe in England
liegen ausser den oben (N. 27) genannten Studien eine Reihe von Schriften 126-132-) yor,
die freilich für England grössere Wichtigkeit haben als für Deutschland: sie vermitteln
in dankenswerter Weise die Ergebnisse deutscher Forschung den englischen Freunden
Goethes und der deutschen Litteratvir. — Ueber Goethe in Italien hat LoceUa,^'^^) bei
der vorjährigen Goethefeier im Freien Deutschen Hochstift gesprochen. Er geht von
dem Drange aus, der Goethe nach Italien treibt. Goethe sieht dort die Natur und die
Antike. Die damalige italienische Dichtung lässt Goethen unberührt, ebenso noch die
Gelehrtenwelt trotz bedeutender Männer, die sie in sich schloss. L. giebt einen Ueber-
blick über die Entwicklung der italienischen Litteratur von 1575 — 1750 und schildert
den Beginn der Romantik mit Ugo Foscolo vuid Manzoni. Trotz Goethes Verkehr mit
Monti werden erst seine Beziehungen zu Foscolo und Manzoni von grosser Bedeutung:
einerseits treibt Goethes Anteil an Manzoni das Studium der neueren italienischen
Litteratur in Deutschland an, andererseits beginnt auch Italien mit Goethe sich zu be-
schäftigen ; in besonderem Masse ist dies seit Italiens politischer Wiedergeburt der Fall.
So hat Goethe für Italien dauernde Bedeutung „als einer der wichtigsten, gewiss der
berühmteste Vermittler italienischen Geistes in Deutschland", und es gebührt ihm die
dankbare Erinnerung der heutigen Italiener. — Wie andererseits Goethe selbst in seiner
Dichtung von der Weltlitteratur beeinflusst gewesen sei, will Pnioweri34^ durch den
Einfluss des Hohen Liedes auf Ausdruck und Einzelheiten bei Goethe nachweisen. —
Einen eingehenden Bericht über die wichtigsten Erscheinungen auf dem Gebiete der
Goethelitteratur des Inlandes und des Auslandes liefert Max Koch^^^): in ruhig ab-
wägender Weise will er nicht nur über den Inhalt der Arbeiten berichten, sondern
auch über ihren Wert ein begründetes Urteil geben. —
Wie Goethe selbst zu der Weltlitteratur in Beziehung trat, zeigen seine Ueber-
setzungen: eine bis jetzt noch unbekannte, Bruchstück gebliebene Uebersetzung, ver-
öffentlicht Suphani36) aus dem Goethe- und Schiller-Archiv. Es handelt sich um ein
englisches Trauerspiel „Bertram" von Maturin. Eine Uebersetzung und der Original-
text war Goethe von dem Uebersetzer Iken zugeschickt worden. Goethe antwortete
nur indirekt, schrieb aber eine Anzeige des Trauerspiels und übersetzte selbst einige
Stellen. Anzeige wie Verdeutschungsproben blieben ungedruckt. S. teilt ausser der
Korrespondenz den Inhalt des Diamas mit und veröffentlicht und kommentiert sodann
Goethes Aufsatz und seine Uebersetzungsproben. Das Drama selbst ist schwach, aber
„wie Lessing findet Goethe es als verdienstlich, das Beste aus schlechten Büchern zu
geben". — Ueber Goethes Uebersetzungskunst teilt K. J. Schröer^^?) ^[q Titel einiger
früher erschienenen Schriften mit, die in Jahresberichten österreichischer Schulen
enthalten sind. —
Wir können diesen Bericht nicht schliessen, ohne mit einem Worte der Klage
des Mannes zu gedenken, der im Berichtsjahre dem Kreise der Goetheforscher in
unerwarteter Weise entrissen worden ist: Gustav von Loeper ist am 13. Dez. 1891
u. d. junge Goethe. = Z. Goetheforschung (s. N. 123) S. 380—486. — 124) L. Geiger, Bibliographie: GJb. 12, S. 275—328.
— 125) id., Bibliographie d. Goethe-Litt. ITlr 1890. Mit e. Beitr. O. v. Loepers u. Mitt. v. Fachgenossen. Erweit. Abdr. aus
GJb. 12. Frankfurt a. M., Litt. Anst. 80 S. M. 1,20. — 125) H. S. White, Englisch-Amerikanische Bibliogr. : GJb. 12,
S. 327|8. — 126) X A. W. Ward, Goethe and Bürger. Essay read before the Manchester Goethe-Society: Ac. 39, S. 18. —
127) X id., Goethe's Egmont. Address before the Manchester Goethe-Society: ib. S. 191. — 128) X F- E. Cnrnish, Goethe
and Frau von Stein: ib. S. 238. — 129) X James Tait, The Literary Influence of Goethe's Faust in England 1832-52
with special reference to Mr. P. J. Baileys Festus: ib. S. 398. — 130) X »• G. Alford, English Critics of Goethe. Essay
before the Manchester Goethe-Society : ib. 40, S. 411. — 131) X F- F- Co"""' sh, Torquato Ta.sso in its relations to Goetlie"s early
life at Weimar and his Italian journey: ib. S. 507. — 132) X M. Kaufmann, Faust and modern thought: ScottishReview 18,
S. 143—74. — 133) Q. Locella, Goethe u. Italien: BFDH. NF. 7, S. 28*— 46*. - 134) 0. Pniower, Ein«, d. höh. Liedes auf
Goethe. Vortrag in d. Ges. tUr dtsdi. Litt. (Ref.): BerlTbl. v. 3..]uni. — 135) S. o. N. 23. S. 161-99, 39.''.— 442. — 136) B. Snphan.
Anzeige d. Trauerspiels ,Bcrtr»m'* nebst Proben e. Uebers. (= Mittoilungen aus d. Goetho- u. Schillor-Archiv B.): GJb. 12,
S. 12-82. — 187) K. J. SchrOer: ChWGV. 5, S. 37. - 138) Gustav v. Loeper: MagdebZg«. N. 62. - 130) (I 2 : 43.) —
163 V. Valentin, Goethe: Allgemeinefl. IV 9a: im. IV 9b: i-2.
gestorben i^'^-l^"). Von der frühesten Jugend an mit leidenschaftlicher Neigung den
Goethestudien ergeben, ist er einer der hervorragendsten Keiuier und Förderer der
Werke Goethes durch Kritik und Erläuterung geworden. So hat er schliesslich eine
hervorragende Stellung als stellvertretender Vorsitzender der Goethegesellschaft, als
Mitherausgeber und Redaktor der Weimarer Goetheausgabe eingenommen. Auch diese
Berichte sollton sich mit seinem Namen und seiner Thätigkeit schmücken dürfen —
nun bleibt ihnen nur übrig, ihm das treue Angedenken wahren zu helfen, das ihm seine
eigene Trefflichkeit bereits gesichert hat. —
b. Leben.
Ludwig Geiger.
Qn eilen: Tagebücher N. 1. — Briefe Ton Goethe N. 2. — Oespriche N. 21. — Briefe an Ooethe N. 2S. —
Dichtung und Wahrheit N. 28. — Darstellungen: Allgemeine« N. 33. — Einielheiten N. 40. — Vorfahren nnd Nachkommen
N. 50. — Beziehungen zu anderen Personen: Napoleon N. 72; Herder N. 8C; Klinger N. 88; Lern N. 90; Wagner N. 97;
sonstige Beziehungen N. Ö8. —
Die wichtigsten Quellen zu Goethes Leben sind diejenigen, die er selbst hinter-
lassen hat: Tagebücher, Briefe, autobiographische Schriften, sodann auch die Briefe,
die er empfing. Der jetzt veröffentlichte, hauptsächlich von Wähle i) besorgte vierte
Band der Tagebücher, der die Jahre 1809 — 12 umfasst, bleibt dem Charakter der Vor-
gänger treu. Er liefert Notizen über Besuche, Briefe, gelesene Bücher, nennt die
Themata der Gespräche, ohne sie auszuführen, giebt die wichtigsten Daten über di«
Arbeit an einzelnen Gedichten und grösseren Werken. Politisches, Naturwissenschaft-
liches wird gestreift, Vorfälle in der eigenen Eamilie sind berührt. Unter den Werken,
die damals entstanden, sind die „Wahlverwandtschaften", Stücke der „Wanderjahre"
und die ersten Bände der Autobiographie die wichtigsten; für sie und andere kleinere
Arbeiten, z. B. das Lustspiel „Die Wette", erhält man genaue Zeitangaben, durch die
man die allmäUiche Entstehung leicht erkennen kann. Aus ihnen ergiebt sich z. B.,
dass das Gedicht „Das Tagebuch", das man bisher nach Riemers Zeugnis dem Jahre
1810 zuwies, dem Jahre 1808 zugeschrieben werden muss. Allgemeine Sentenzen sind
verhältnismässig selten, sie sowie die kurz angeführten Gegenstände der mit den ver-
schiedensten Personen gepflogenen Unterhaltungen beweisen aufs neue die Vielseitigkeit
von Goethes Interesse. W.s Anmerkungen sind, wie durchaus zu billigen ist, reichlicher
als die zu den früheren Bänden: die Tagebtlcher in ihrer aphoristischen Form, in ihren
Andeutungen und kurzen Hinweisen würden sonst wenig geniessbar und schwer benutz-
bar sein. So wird unter Zugrundelegung der Schätze des Goethe-Schiller-Archivs
manche Erklärung gespendet: der Hinweis auf den im Auftrag des Sous-Präfekten von
Keverberg gemachten Bericht der Frau von Vemi^oul über die That Schön Suschens,
die Goethe auf Bitte der Berichterstatterin zum Gegenstand einer Ballade machte.
Einzelne Briefe an Goethe, z. B. von v. d. Hagen, Steffens, Niebuhr, Klinger, Trebra,
werden bruchstückweise gedruckt; die Ausleihebücher der Grossherzoglichen Bibliothek
gaben die Mögliclikeit zur sicheren Feststellung von Goethes Lektüre; die Karlsbader
Kurliste lieferte Material zur genaueren Bezeichnung einzelner nur kurz genannten
Persönlichkeiten. Aus Kalendern und Notizbüchern werden gelegentliche Bereicherungen
zum Inhalt der Tagebücher geboten. —
Für das innerliche Leben bedeutender als die Tagebücher sind Goethes Briefe.
Der die Jahre 1785/G umfassende Band der Weimarer Ausgabe ist von E. von der Hellen 2)
mit grosser Sorgfalt bearbeitet. Er unterscheidet sich von den früheren zunächst dadurch,
dass er ein auf sie alle bezügliches zweiteiliges Register, das eine über Personen und
Orte, das andere über Goethes Schriften enthält, sodann dadurch, dass er einen Anhang
der während des Drucks der bisherigen Bände zugänglich gewordenen ungedruckten
Briefe mitteilt. In diesem Anhang und in dem Korpus des vorliegenden Briefbandes
werden im Ganzen 28 bisher nicht veröffentlichte Briefe geboten, von denen die an den
Minister von Fritsch Hervorhebung verdienen, meist amtiiche Schreiben; an Graf und
I) J. W. V. Goethe, Werke her. im Auftr. d. Grossheriogin t. Sachsen. III. TagebBcher. 4. Bd. 1809—12 (her. t.
J. Wähle.) Weimar, Böhlau. IV, 431 S. M. 4,40. 1[L. Gfeiger]: AZgB- N. 238.]! — 2) J. W. t. Goethe, wie N. 1 ; lY,
11*
IV 9b: 3-16. L- Geiger, Goethes Leben. 164
Gräfin von Brühl, liebenswürdige, vorzugsweise französisch abgefasste Plauderbriefe, die
hübsche Beiträge zur Selbstcharakteristik des Schreibenden enthalten. Auch die Briefe,
die früher schon bekannt waren, z. B. an Karl August, Knebel, den Komponisten. Kayser
enthalten anziehende Zusätze , wenn auch die Aenderungen und Berichtigungen der
Briefe an den Herzog nicht so einschneidend sind, wie man früher gelegentlich ver-
mutet hatte. Sehr interessant ist die an Knebel gesandte, bis ins einzelste ausgeführte
Reiseroute für die Schweiz. Die Anmerkungen, welche ungedruckte Briefe an Goethe,
besonders auch die amtlichen Akten der Grossherzoglich Weimarischen Archive und
endlich Knebels Tagebücher benutzen, enthalten ausser den eigentlichen Lesarten Be-
gründung der Datierung, wichtige Sacherklärungen und biographische Notizen über die
erwähnten Personen. — Briefe Goethes aus dem Schüler-Goethe-Archiv wurden auch
im Goethe-Jahrbuch gedruckt. Der eine, an J. H. Menken gerichtet (1817), betrifft
dessen Zeichnungen zu Casti und Ikens Uebersetzung von Maturins „Bertram", dem
Goethe dann auch seinerseits seine Uebersetzerthätigkeit zuwandte; ihn hat Suphan ■^)
mit Stücken eines Briefes von C. J. L. Iken an Goethe und reichhaltigen erklärenden
Bemerkungen abgedruckt. — Sieben Briefe (1824) an Therese Jacob , nebst zehn
Schreiben der Adressatin durch Steig *) vorgelegt, beziehen sich auf die von ihr her-
rührenden Uebersetzungen serbischer Lieder, machen Vorschläge über deren Anordnung
und Ausgabe, äussern einzelne Anmerkungen und Bedenken, und weisen auf ähnliche
Erscheinungen hin. — Aus dem Goethe-National-Museum steuerte Ruland 5) einen
Brief an Seebeck (v. 23. Febr. 1815) bei, die Antwort auf ein gleichfalls mitgeteiltes,
sehr ausführliches Schreiben, das Seebecks Arbeit über Spiegelung und Brechung des
Lichts erläutert und ergänzt und Goethe als Beitrag zu seiner Farbenlehre höchst will-
kommen war; dazu je einen dieselbe Angelegenheit berührenden Brief von Hegel und
Schweigger. — Endlich druckte F. Arnheim 6) aus des Schweden J. J. Björnsthal
1782 erschienenem Tagebuch ein französisches Billet Goethes (9. April 1774) ab, in dem
Goethe sich erbietet, dem Schweden die Frankfurter Bibliothek zu zeigen. — Von
Heuer'') wurde ein Brief an Kayser (1784) veröffentlicht; er bezieht sich auf gemein-
schaftliche Arbeit; ferner ein Brief an Kaysers Schwester (1788), wo über des Bruders
Befinden gesprochen wird. — W. von Biedermann 8-9) druckte neben Notizen und
kritischen Bemerkungen zur Weimarer Theatergeschichte einen Kontrakt mit der Schau-
spielerin Weber (1794) und zwei Briefe an Kirms (9. Aug. 1808 und 20. Mai 1815)
ab, von denen der eine die Effekten des Theaterschneiders Eimann, der andere das
ungebührliche Fortbleiben des Schauspielers Unzelmann betrifft; ausserdem ein
Billet Goethes an Frau v. Brösigke (1. Juni 1822), die Ankündigung seines
Besuchs enthaltend, und Notizen der Herzogin von Kurland (18., 23. Mai 1820) über
Goethes Aufenthalt in Karlsbad. — Ein Brief an Friederike Unzelmann (11. Juli
1804) wurde von Franzosi**) den früher veröffentlichten hinzugefügt; Briefe der cchau-
spielerin (1804 — 1813) enthalten ausser persönlichen und Familiennachrichten interessante
Notizen über Berliner und litterarische Angelegenheiten. — Gaedertz 11-12) gab als
Ergänzung zu seinem früher erschienenen Büchlein über den Maler Kolbe einen Brief
(1804) an diesen, in welchem Goethe den von dem Maler erlangten Preis übersandte
und um Nachrichten über Düsseldorfer Künstler bat; er teilte ferner sechs Briefe (1801
bis 1817) an Voigt, Lorsbach (nicht Diez, wie G. vermutet), von Münchow (den Namen
des Adressaten wusste G. nicht anzugeben), Eichhorn und Witzleben mit: Danksagungen
für Mineralien, Begleitworte zu litter arischen Sendungen, einzelne amtHche und persön-
liche Meldungen. — K. J. Schröer^^) publizierte ein Schreiben Goethes an H. F. zu
Salm (1817), worin Goethe sich für die Ehrenmitgliedschaft einer mährisch-schlesischen
Gesellschaft bedankt, Valentin 1*) das Fragment eines höflichen Briefes an einen
Unbekannten (30. Aug. 1785). — Dass Brief 175 der Weimarer Ausgabe an Kestner
nicht im Oktober, sondern am 25. Dez. 1773 geschrieben ist, wies Goetze^^) nach.
— Nur ganz beiläufig darf angeführt werden, dass in den meisten Autographenkatalogen
Stücke gedruckter und ungedruckter Briefe Goethes zum Abdruck gelangten. Auch
darauf sei nur kurz hingewiesen, dass die dem Umfange und Inhalte nach vielleicht
7. Bd. Briefe. 1. Jan. 1785 bis 24. Juli 1786 (her. v. E. v. d. Hellen.) Ebda. 478 S. M. 4,50. - 3) B. Suphan, Anzeige
d. Trauerspiels „Bertram" nebst Proben e. Uebersetzung. (= Mitt. aus d. Goethe- und Schillerarchiv B.): GJb. 12,
S. 12—32. (Goethes Brief S. 16/7.) — 4) E. Steig, Briefwechsel zw. Goethe u. Therese v. Jakob. (Mitt. aus d. Goethe- u.
Schillerarchiy C): b. S. 33—77. — 5) C. Ruland, Zu Goethes naturwiss. Forschungen: ib. S. 152—74. — 6) F. Arnheiui,
Goethe u. BjOrnsthal 1774: ib. S. 266/7. — 7) 0. Heuer, Ph. Chr. Kayser, Goethe u. Klinger: BFDH. NF. 7. S. 443-59.
(D. Brief S. 448/9.) - 8) W. Frhr v. Biedermann, Am 7. Mai 1791: LZg". N. 54. — 9) id.. Zu Goethe in Böhmen:
LJbCOINordböhmen 2, S. 132/5. — 10) K. E. FraiizoK, Aus Goethes Briefwechsel mit Friederike Unznlmann-Bethmann:
DDichtung 9, S. 254-00. - II) K. Th. Gaedertz, Goethe u. Maler Kolbo: AZg. N. 15«. — 12) id., E. kleiner Goethefund
in d. Kgl. Bibliothek zu Berlin.: ML. 60, S. 561/3. {B. im Text erwähnten Berichtigungen sind mir v. W. v. Biodermann
mitgeteilt.)- 13) K J. S o li röo r, AHgraf Hugo Franz zu .«alm \i. Goethe: ChWGV. 5, S. 29-31. (D. Ehrenmitglied-
Pil>lom d. k. k. mllhriBch-schlesischen Gesellschaft d. Ackerbaues ahge.lruckt S. 86.) — 14) V. V aleii t i n, Eifioiihändiger liriel'
Goethes: BFDH. NF. 7, S. 206/8. - ISJ Edm. G oetze. Zu Goethes Briefen: VLQ. 4, S. 511/2. - 16) X Goethes Briefe au
IHf) L. Geiger, Goethes Leben. IV 9b: n-3i
hodeutendste Sammlung von Briefen Goethes, die Briefe an Charlotte von Stein, von
den Erben verkauft werden sollte "^-'8), dass sich aber, auch als statt der zuerst gefor-
derten ungeheuren Summe ein viel geringerer Kaufpreis genannt wurde, trotz des
nationalen Wertes, den Schimmelbusch i^) betonte, kein Käufer fand.20) —
W. von Biedermanns achtbändige Sammlung von Goethes Gesprächen,
bereits im vorigen Berichtsjahr wesentlich abgeschlossen, ebensowohl ein unterhaltendes
Lesebuch wie ein unentbehrliches Nachschlagewerk für den, der sich in Goethes mannig-
fachen Lebensbeziehungen unterrichten will'-'), eine Sammlung, die bei der ungeheuren
Zerstreutheit des Materials von einem Einzelnen kaum zusammengebracht werden kann,
wie denn auch der unermüdlich thätige Herausgeber demnächst einen Nachtrags-
band bieten wird, erhielt eine Ergänzung, und zwar ein reichhaltiges, auch die Quellen
umfassendes Register, das W. von Biedermann 22) bearbeitete, und einen Kommentar
besonders über die in den Gesprächen berührten Gegenstände, der von 0. Lyon her-
rührt. Das Mass solcher Erläuterungen ist weniger eine wissenschaftliche als eine
Taktfrage; im allgemeinen traf L. das richtige Mass, indem er das Nötige gab, ohne
überflüssige Gelehrsamkeit zu zeigen. —
Die Briefe an Goethe erfuhren eine wesentliche Bereicherung durch Musiker-
briefe, je einen von Schubert und Berlioz (1825 und 1829) und neun von Mendelssohn-
Bartholdy. Dienen diese Briefe auch nicht gerade dazu, unsere Meinung von Goethes
Stellung zur Musik zu verändern oder auch nur die bestehende zu festigen, so zeigen
sie doch einerseits die musikalische Anregung, welche bedeutende Meister, der erste durch
des Dichters Lieder, der zweite durch seinen „Faust", erfuhren, und lassen andererseits
aufs neue das schon bekannte herzliche, aus wahrhafter Bewunderung und kindlicher
Zärtlichkeit gemischte Einvernehmen erkennen, in dem Felix Mendelssohn mit Goethe
stand. Einzelne Reisebriefe Mendelssohns aus München, Luzem, Rom über Bilder und
sonstige Kunstwerke, über Land und Leute beweisen von neuem die Kunst des Brief-
schreibens, die Felix und die Seinen besassen; auch von seinen Eltern, Abraham und
Lea, wurden einige Briefchen an Goethe abgedruckt. Alle diese Briefe sind äusserst
sauber mit Benutzung des ganzen einschlägigen Materials von Max Friedländer 23)
herausgegeben und riefen vielseitiges Interesse 24-25) nicht bloss in Musikerkreisen
hervor. 26-27) _
Goethe hat bekanntlich nicht gewartet, bis andere aus diesen Quellen sein
Lebensbild schufen, sondern selbst die wichtigsten Beiträge zu seiner Biographie ge-
liefert. Unter diesen ist „Dichtung und Wahrheit" der ausführlichste und köstlichste.
Der ehemals lebhaft geführte Streit um die Glaubwürdigkeit des Werkes ■wurde im
Berichtsjahr glücklicherv^'eise nicht wieder entfacht, freilich um später nur desto heftiger
zu entbrennen. Vielmehr ist mit Genugthuung zu bemerken, dass man sich in und
ausserhalb Deutschlands des Werkes voll erfreut. Dies geht aus der Thatsache hervor,
dass in Frankreich Auszüge des Werkes für Schul- und Prüfungszwecke durch zwei
Gelehrte veranstaltet wurden, von denen der eine, L. Schmitt 28)^ schon durch frühere
pädagogische Arbeiten sich bewährte, der andere, Cart29), seine Vertrautheit mit Goethe
durch eine Untersuchung über den italienischen Aufenthalt bekundet hatt« und nun
einer verständigen Auswahl sachgemässe Bemerkungen beifügte; femer daraus, dass
Courtheoux 30) eine erste italienische und Oxenford^') eine neue englische Ueber-
setzung lieferte. Die letztere, die in den vorliegenden zwei Bänden die ersten elf
Bücher enthält, zierlich ausgestattet, ist ein bischen zu amerikanisch in ihren Seiten-
aufschriften z. B. bei der Klopstock-Recitation : „a great uproar" oder bei der Schilde-
rung von Herders Einfiuss: „a great impression". Ausser diesen Ueberschriften hat 0.
den einzelnen Büchern nur ganz kurze Inhaltsangaben beigefügt. Die Uebersetzung ist
für die elf Bücher vollständig und liest sich leicht; Kleinigkeiten wären hervorzuheben,
wie etwa „wonderful relation", womit gewiss „in einem wunderbaren Verhältnis" (Weim.
Ausg. 26, S. 111, 15) nicht richtig'^^ wiedergegeben ist. — Statt die Einzelheiten des auto-
I
Fren T. St«iii: FZg. N. 49. — 17) X Goethes Briefe an Fran t. Stein: ib. N. 206. - 18) X D. Originalbriefe Goethes «n Fn»
V. Stein: HambCorr. N. 538. — I9)W. SchimmelbQsoh.E. Nationalschatz im Handel: Didaskalia N. 185. — 20) O ^*^-
entdeckte Goethe-Briefe: HambCorr. N. 629. — 21) X 0. Lyon, Goethes Gespriohe: ZDU. 5, S. 588—606. (Uebertriebene
Charakteristik d. Biedermannsohen Werks.) — 22) W. Frhr. ▼. Biedermann, Goethes Oesprtebe. 9. Bd. I. HIfte : Register.
2. Ulfte: Erlant. zu Goethes Gesprächen v. 0. Lyon. Leipzig. Biedermann. VI, 123, 280 S. V. 12.00. — 28) Max Fried-
lander. Mnsikerhriefe. (Mitt. aus d. Goethe- u. Schillerarchiy D.): 6JK 12, S. 77—132. - 24) X ^. Langhans.
Mnsikerbriefe an Goethe: NBerlinMnsikZg. 45, S. 360/3. — 25) X A. Heintz, F. Hendelssohns Briefe an Goethe: AMusikZg.
23, S. 416/8, 439-41, 457/8. — 26) X R.M.Werner. D. neueste Gabe d. Goetheuesellsch.: NZg. N. 17. (0. Harnacks Nachgesch.
d. Ital. Reise.) — 27) X L- Geiger, Goethes Beiiehungen zu lUlien 1788—1790. Nation^. S. 262/5. — 28) L. Schmitt,
Goethe, Extraits de Tautobiographie, pröc^d^s de denx notices et annot^s. Classe de troisiöme. 2. Mition. Paris, DeUgrare.
VIII, 76 S F. 1,50.— 29) Thöoph. Gart, Goethe, Poesie et ▼«ritö. Extraits publica avec une introdnction et des notes.
Paris, BeMn fr^res. XVI, 224 S. — 30) A. Courtheonx, Goethe, Autobiografla. Poesia e reriti, prima
versione italiana. Vol. 2. (= Biblioteca unirersale N. 206/7.) Milano, Sonzogno. ief>. 196 S. L. 0,50. — 31) J. W. r. Goethe,
Boyhood and Touth. Being books I to XI of the antobiography ,trath and poetry from my own life*. Trmnslated fh>m the
IV 9b: 32-39. L. Geiger, Goethes Leben. 166
biographischen Werkes kritisch zu untersuchen, betrachtete Gilow^a) das Ganze als
ein Kunstwerk und führte aus, dass Goethe die Charakteristiken der von ihm hervor-
gehobenen Personen nicht nach einem trockenen Schema gab, sondern die Kontrast-
wirkung liebte, also die entgegengesetzten Eigenschaften eines Charakters einander
gegenüberstellte oder auch Charaktere nach einander behandelte, die im vollsten Gegen-
satz standen, z. B. den ernsten Thoranc und den heiteren Gevatter; dass er die Schil-
derung anderer entwarf nach der Folge der Eindrücke, die sie hervorriefen: dass er
wieder andere historisch aus einem leitenden Gesichtspunkte darstellte, z. B. seine
Schwester Cornelie aus einer verborgenen Quelle; dass er bei seinen Charakteristiken
fast immer mit dem Aeussern begann auf Grmid seines Ausspruchs: „das Auge war das
Organ, mit dem ich die Welt fasste", eine Gewohnheit, die in gewisser Weise eine
freundschaftliche Auszeichnung der geschilderten Person bedeutete, aber auch den Ein-
fluss von Lavaters Physiognomik verriet. —
Diese eigenen Beiträge Goethes werden für jede neue Darstellung zu den
vornehmsten Quellen gehören. Ob aber eine solche allgemeine Darstellung jetzt an-
gebracht ist? A. Bettelheim 3^) hat einen Preis ausgeschrieben für die beste Goethe-
biographie, die in der von ihm herausgegebenen Sammlung „Führende Geister" Platz
finden soll. Das gegen diesen Plan gelegentlich lautgewordene Bedenken, ob gerade
die in Eluss befindliche Veröffentlichung von Material und die jetzt besonders lebhafte
kritische Durcharbeitung der Werke eine solche Arbeit begünstige, bekämpfte B. mit
dem Hinweis darauf, dass eine für das grössere Publikum bestimmte Darstellung von
der kritischen Kleinarbeit unabhä,ngig sei und dass die Grundlinien von Goethes Wesen
zu fest stehen, um durch neue Funde eine vollständige Veränderung zu erfahren. — Die
ältere Biographie von Lewes^*) winrde neu aufgelegt, wobei aber auch an dieser Stelle
bemerkt werden soll, dass die 16. Auflage, die auch meinen Namen trägt, nichts anderes
sein kann (gesehen habe ich sie nicht) als ein von mir nicht durchgesehener Abdruck
der allerdings durch mich bearbeiteten 15. Auflage. — Muncker^^) gab mit seiner ge-
wohnten Gewissenhaftigkeit eine praktische Zusammenstellung der wichtigsten Lebens-
daten. — Eine allgemein gehaltene, brauchbare, zunächst für Franzosen bestimmte Dar-
stellung lieferte Bossert^ß)^ der zu jenem Häuflein unterichteter und im ganzen vor-
Tirteilsloser Franzosen gehört, die den Eifer für unsere Studien im Nachbarlande fördern.
Seine Darstellung, durch Analysen der Hauptwerke und Mitteilung von Proben aus
diesen, natürlich in französischer Uebersetzung, unterstützt, beweist reiche Kenntnis und
atmet wohlthuende Wärme, ohne jemals in übertriebenen Panegyrismus zu verfallen.'^'') —
Seb. Brunners 38) zuerst 1887 erschienenes, jetzt neu aufgelegtes Buch zählt zu jener
schlimmen Gattung ultramontaner Schriften, die unter dem Scheine der W^issen-
schaftlichkeit geradezu Unwahres zusammentragen oder das Wahre, das sie etwa ent-
halten, durch Gruppierung und Darstellung zu ihren Tendenzen, d. h. zum Kampf gegen
alles Nichtultramontane benutzen. Solchen Schriften pflegt man insbesondere im pro-
testantischen Norddeutschland mit vornehm-kühler Verachtung aus dem Wege zu gehen
oder meint sie durch leichten Spott abthun zu können. Das Eine ist aber so falsch
wie das Andere: der Eindruck, den solche Schriften auf die grosse Masse der katho-
lischen Leser und Käufer macht (derartige Bücher werden nämlich auch gekauft),
ist bedeutend und verhängnisvoll, und es wird nichts Anderes übrig bleiben als offenes
Auftreten wider diese Hetzarbeit, allerdings erst, nachdem ihre Gefährlichkeit auch denen
erkennbar geworden ist, die jetzt absichtlich ihre Augen schliessen. — Die Hauptauf-
gabe der Wissenschaft bleibt freilich das Aufbauen. Als wichtige Grundlage zum Auf-
bau der Litteraturgeschichte gilt mit Recht Goedekes39) Grundriss; der Goethe be-
treffende Teil wurde von M. Koch neu bearbeitet. Dabei wurde das eigentlich Bio-
graphische, soweit es anging, wörtlich beibehalten — der Umfang beider Bearbeitungen
ist so gut wie gleich. Aber K.s Verdienst besteht darin, die neuere Forschung um-
fassend benutzt und dadurch viele einzelne Irrtümer berichtigt zu haben. Weniger
verdienstlich ist, dass er die Analysen der Goetheschen Werke gestrichen hat, obwohl
sie Würdigung und Beurteilung der Werke erleichtern. Sonst hätte K. im Streichen
dreister sein können z. B. in Bezug auf S. 439 — 41, den Abschnitt über die deutschen
Höfe, der doch nur dann eine Berechtigung hätte, wenn gleiche Darlegungen über die
geistige Physiognomie Frankfurts, Leipzigs, Strassburgs sich fänden. Die Beibehaltung
gennan by John Oxenford. London u. New-York, G. P. Putnams Sons. 16". 2 Bde. 401 S. je M. 5,00. — 32) H. üilow,
D. Kunst n. Technik d. Charakterschilderung in Goethes Dichtung u. Wahrheit: GJb. 12, S. 228-44. — 33) A. Bettel-
heim, D. Unmöglichkeit e. Goethe-Biographie: AZg". N. 212. — 34) G. H. Lowes, Goethes Leben u. Werke. Uebers. v. J.
Frese. 16. Aufl. Durchgesehen v. L. Geiger. Stuttg.irt, Krabbe. 2 Tle. in 1 Bd. XXIV, 288, II, 380 S. M. 7,00. — 35) F.
Muncker, Goethe: PiererKL. 6, S. 906—21. — 36) A. Bessert, Histoire abr6g6e etc. S. o. I 1 : 36. S. 276-327. —
37) O 0. Browning, Goethe bis life and writings. London, Sonnenschein & Co. — 38) Seb. Brunner, D. Hofschranzon
d. Dichterfürsten. D. Qoethekult u. dessen Tempeldiener. E. unentbobrl. Handbuch z. Verständnis v. Goethes Charakter,
Qeistesrichtung u. Schriften. 2. Aufl. Wien, Woerl. Vlll, 560 S. M. 6,00. - 39) K. Goedeke, Grundriss s. o. IV 1 : 1.
If>7
L. Geiger, Goethes Leben. IV 9b: 40-4».
einzelner AnHchaunngen, z. B. über den ungünstigen EinfluB» de« Aufenthalts n» ^«»nar
auf Goethe« geistige Entwicklung, ist nicht zu billigen: einzelne Zusätze, z. B. (b. 4db)
„Wer den Prolog im Himmel gelesen und bedacht hat, bedarf keines Faustkommentars",
sind recht bedenklich. Gewisse Auslassungen sind sonderbar, z. B. der Worte »n der
(Charakteristik Kaufmanns „ein schöner, sehr kräftiger Mann", die gar nicht unwichtig
sind, um den Eindruck anzudeuten, den dieser seltsame Apostel auf die Zeitgenossen
übte. Sollte es vielleicht beabsichtigte Deutschtümelei sein, dass K. statt der Goedeke-
schen Worte „dabei spekulierte er allerlei über Farben" setzt;, „dabei legte er sich
allerlei Gedanken über Farben zurecht", so wäre dies recht verkehrt, da die Goedeke-
schen Worte offenbar die Goethes wiedergeben. Fraglich erscheint die Richtigkeit
folgender Aenderung. In dem Goedekeschen Satz, der die Schilderung der italienischen
Reisö beschliesst: „Moritz, Meyer und die Mailänderin mögen, so meinte er, die drei
Personen sein, die mein Abschied aus Rom iiuiigst betrübt", setzt K. statt der Mai-
länderin den Maler Bury; ich weiss nicht aus welchem Grunde, da ich den betreffeuden
Satz weder in der italienischen Reise noch in den Briefen jener Zeit finden konnte.
Das Hauptverdienst der K.schen Arbeit bezieht sich aber nicht auf den biographiscl^n,
sondern auf den bibliographischen Teil, in dem die umsichtige, überaus fleissige Be-
nutzung eines weitschichtigen, oft schwer zugänglichen Materials alles Lob verdient;
allerdings müssen die Bedenken, die Strauch gegen gewisse Punkte der Anordnung
erhob, völlig geteilt werden. —
Biographische Einzelheiten wurden nicht viel besprochen. Hallberg*«) stellte
nicht einmal unter Benutzung der seit einigen Jahren allbekannten Leipziger Briefe die
erste Jugendzeit dar. — Meist mit Zugrundelegung von Goethes eigenem Berichte, aber
auch mit Heranziehung anderen Materials und selbständiger Anschauungen wurden die
künstlerischen Anregungen der Frankiiirter Jugendzeit aufgezeigt**) und dabei dar-
gethan, dass einerseits Goethe die Kunst an der Natur mass, andererseits, durch die
Maler, unter denen er lebte, bestimmt, mit den Augen eines Schülers der Niederländer,
vor allem den malerischen Effekt, nicht die Formen sah. — In einem grösseren Reise-
werk über die Vogesen, das vorzugsweise zur anregenden Unterhaltung von Engländern
bestimmt ist, kam H. W. Wolff *^) auch auf Goethes Elsasser Aufenthalt zu sprechen
und deutete Goethes Leben in Strassburg und Sesenheim durchaus nach des Dichters
eigener Erzählung an, ohne Goethes Enthusiasmus zu teilen. — In selbständiger, gut
geschriebener Sclülderung sprach Herzfelder ^s-«) von Goethes Schweizerreisen, nach-
dem er von dieser Studie schon vorher einen Abschnitt hatte drucken lassen. Er
schilderte ausführlich die vier Reisen 1775, 1779, 1788 (bei der Rückkehr aus Italien) und
1797, erzählte alle einzelnen Vorgänge, nannte und charakterisierte die Personen, mit
denen Goethe zusammentraf, und besprach die in jenen Zeiten entstandenen Werke.
Die Darstellung des Vf. verdient vollständige Billigung; auch sein Urteil wird meist
Zustimmung finden, freilich nicht die übermässige Hervorhebung der Schweizer Briefe
von 1779 und ebensowenig die Herabsetzung von „ Jeri und Bätely". Anderen kritischen
Ausführungen aber wird man durchaus beistimmen: der scharfsinnigen Benutzung des
Schweizer Tagebuchs aus der Weimarer Ausgabe, den aus Briefen und Romanen ge-
wonnenen Ergebnissen über die Rückfahrt aus Italien, der Leugnung eines Aufenthalts
in Uhn 1775, trotz Schubarts Zeugnis, der Zusammenstellung einer Strophe des Ge-
dichtes „Kennst du das Land", dessen Ausführung erst dem Anfange des neunten Jahr-
zehnts angehört, mit einer Stelle des Tagebuchs von 1775. — Die Reise nach Italien
gab Baron Locella*^) Anlass zu ehier stimmungsvollen Betrachtung, in der die da-
malige Litteratur Italiens und im wesentlichen die Beziehungen zwischen Goethe und
Monti, Ugo Foscolo, Manzoni ohne unbekanntes Material und auch ohne neue Gedanken
dargelegt werden. — Goethes Aufenthalt in Lauchstädt, der Weimarischen Filialbühne,
wurde von A. von Hahn*'^) gestreift. — Ueber Goethes Tod und Bestattung ver-
öffentlichte Wähle*') einen bisher unbekannten Bericht *8), den F. J. Frommann im
Auftrage der Ottilie von Goethe wahrscheinlich an eine Frankfurterin gerichtet hat Er
giebt authentische Mitteilungen über die letzten Tage, über die grosse Teilnahme der
Weimarer Bevölkerung bei dem tragischen Ereignis. Goethes letztes Wort soU die zu
Ottilien gethane Aeusserung „Gieb mir Dein Pfötchen" gewesen sein, während Jenny
S. 419—756; 766/7. — 40) Hallberg, La premiöre jennesse de Ooethe; son s4joar k Leipiic, d*»prte h eorrespondenoe ;
MAcToulouse IX. s^r. II tome. S. 107—26. — 41) T. V., D. kUnstler. Anregungen d. Frankfurter Jugendjahre Goethes: Hamb.
NachrS. N. 36/7. — 42) H. W. Wolf f. The Country of the Vosges. London. Longman. XIII, 368 S. IL 16,00. - 43) J
Herzfelder, Goethe in d. Schweiz. E. Studie xu Goethes Leben. Leipzig, Hirzel. 221 8. M. 3,60. |[B. Petzet: FZg
N. 162; L. Geiger: AZg. N. 164; J. V. Widmann: Bund N. 104; W. Büchner: BLU. S. 269-61; Qegenw. 89, S. 389J
S. M. Prem: ÖLBl. 1892, S. 320;i.]| - 44) id., Goethe u. d. ZOrchersee: ÜL*M. 33, N. 44. - 45) G. Baron Locella.
Goethe in Italien: BFDH. NF. 7, S. 28*-46*. — 46) Alban t. Hahn, Uuchatldt, d. Pynnont Sachsens im Tor. Jh.: LZgB.
N. 63. — 47) J. Wähle, Goethes Tod u. Bestattung. E. Brief v. F. J. Frommann. 27. Mkrz 1832: QJb. 12, S. 183,'8. —
48) X Goethes Tod u. Bestattung: DBühnenG. N. 26. (Wohl nur Abdr. v. N. 47.) — 48) Lilyr. Kretschman, Erinne-
IV9b: ^-ß*' L- Geiger', Goethes Leben. 168
von Pappenheim nach Lily von Kretschmans ^9) Mitteilung poetischer will, Goethe
habe gesagt: „Nun kommt die Wandelung zu höheren Wandelungen." —
Ausser Goethe selbst fanden seine Vorfahren und Nachkommen Beachtung.
Aufzeichnungen von Goethes ' mütterlichem Grossvater J. W. Textor werden von
Heuer "^0^ gewürdigt: sie enthalten über Goethes Vater die eine Angabe, dass er bei
Ueberreichung seiner Dissertation vom Rat das „gewöhnliche honorarium" bekam, sonst
meist städtische, juristische, persönliche Notizen, daneben eine religiöse Bemerkung,
die den toleranten Sinn des von Goethe gewiss richtig beurteilten, von J. Ch. Senken-
berg aus persönlichen Motiven verunglimpften Stadtschultheissen bekundet 5i). — Ihm
widmet Heuer ^2) auch ein anziehendes Lebensbild. — Ist Textor an und für sich eine
nicht uninteressante Persönlichkeit, so gewinnt er ein besonderes Interesse dadurch,
dass er der Vater von Goethes Mutter war. Ihr wurde im Berichtsjahr wiederholte
Aufmerksamkeit geschenkt. Zunächst gab Ph. Stein ^*) einen Abdruck ihrer Briefe an
Sohn, Schwiegertochter, Enkel, getreu nach der 4. Schrift der Goethegesellschaft, und
machte dadurch die bisher einem ausgewählten Kreise angehörige Sammlung zum
Gemeingut. Dass er die ursprüngliche Orthographie dieser Briefe beibehielt, ist sehr
zu billigen; nur hätte er noch mehr Anmerkungen hinzufügen sollen. — Diese Samm-
lung gab dann erneute Gelegenheit ^^), das Wesen der Frau zu charakterisieren, besonders
ihre Bibelfestigkeit hervorzuheben. Aber auch Einzelheiten aus den Briefen, über
ein Frankfurter Nationalgebäck ^6) und über ihre Einquartierung 5''), wurden gesondert
mitgeteilt. — Das grosse Interesse, das jeder Aeusserung dieser wunderbaren Frau
entgegengebracht wird, bekundete sich darin, dass ein bisher unbekannter, durch
Linckelmann 58) vorgelegter Brief an J. G. Zimmermann, ein neuer prächtiger Beweis
ihrer Kunst im Briefschreiben, an drei verschiedenen Orten wiederholt wurde 59-61) ; es
ist ein Brief, der über die Beziehung der Schreiberin zum Adressaten, über Frankfurter
Verhältnisse Licht verbreitet und auch eine interessante Notiz über Goethes Weimarer
Anfänge enthält. — Ein zwar nicht von ihr geschriebenes aber ihr gehöriges Dokument,
ihr Stammbuch, behandelt Unland ^2) — sie benutzte dazu, nach der Sitte ihrer Zeit-
genossen, ein gedrucktes Buch, das „Güldene Schatzkästlein der Kinder Gottes" 1745 —
und teilte daraus die Eintragungen des Fräulein von Klettenberg und der Ihrigen, ferner
die von Fresenius, Griesbach und ein geistliches Gedicht des Sohnes (1765) mit, das
unter Goethes Poesien fi-eilich keinen hohen Rang einnimmt. — K. Heinemanns ß^)
Versuch einer Biographie der Frau Rat musste, da neue Quellen sich ihm nicht erschlossen,
in erster Linie aus diesen Briefen schöpfen. Dies geschieht aber für eine Biographie,
die eine selbständige Bearbeitung eines Lebensgangs sein soll, in zu starkem Masse.
Bei dem ganz eigenartigen Charakter der Briefe hätte auch die Orthographie, die ihnen
ihr Gepräge verleiht, nicht modernisiert werden sollen. Ein drittes Gebrechen ist, dass
in dem Buche ziemlich viel von Dingen die Rede ist, die streng genommen nicht in
eine Biographie gehören, z. B. von Goethes Jugendleben, und nicht genug von solchen,
die gerade ein Biograph behandeln müsste: von Frankftirts geistiger Atmosphäre und
den gesellschaftlichen Kreisen, in denen Frau Rat lebte. Doch gerade was als Fehler
in wissenschaftlicher Beziehung erscheint, kommt dem Erfolg des Buches zu gute: das
Publikum liest Briefe nur dann gern, wenn sie ihm in der nötigen Umrahmung dar-
geboten werden, es verlangt mühelosen Genuss und wünscht am liebsten von solchen
Personen unterhalten zu werden, über die es schon etwas weiss; dazu kommt, dass H.
gewandt schreibt, ohne Künstelei, freilich auch ohne hervorragende stilistische Begabung,
und dass er es verstanden hat, seinem Buche einen gut ausgewählten, technisch wohl-
geratenen Schmuck durch Porträts und Landschaftsbilder zu verleihen. Durch solche
inneren und äusseren Vorzüge hat das tüchtige Buch einen Erfolg errungen (vier Auf-
lagen in etwa anderthalb Jahren), der sonst wissenschaftlichen Büchern in Deutschland
überaus selten zu teil wird. — Der Mutter unähnlich war die Schwester Cornelie; die
Erinnerung an sie rief L. Geiger 6*) wach, hauptsächlich mit Zugrundelegung von
Goethes Leiziger Briefen; er suchte darzuthun, dass neben ihrem unglücklichen Tempe-
rungen t. n. an Jenny ▼. Pappenheim: OJb. 12, S. 181/9. — 50) 0. Heuer, D. Aufzeichnungen d. Stadtschultheissen
Joh. Wolfg. Textor: BFDH. NF. 7, S. 199—206. - 51) X Goethes Grossvater: NFPr. N. 9515. - 52) 0. Heuer, D. Familie
Textor in Frankfurt. Vortrag geh. im Verein f. Gesch. u. Altertumsk. Frankfurt. Ausführl. Referat v. E. G. : Didaskalia N. 75.
— 63) D. Familie d. Mutter Goethes: NFPr. N. 9549. — 54) Briefe v. Goethes Mutter. Mit e. Einl.: Christiane v. Goethe,
neu her. ▼. Ph. Stein: ÜB. N. 2786/8. 160. 295 S. M. 0,60. |IML. 60, S. 592.]| — 55) Goethes Mutter in ihren Briefen:
LZgB. N. 103. — 56) Wie macht man Frankfurter Braten (Goethes Mutter): FZg. N. 31. — 57) Frau Rat Goethe Über ihre
hess. u. franiös. Einquartierung: Hessenland 5, S. 29—30. — 58) W. Linckelmann, Brief d. Mutter Goethes an J. G. Zimmer-
mann: AZg. N. 128B. (Auch abgedr. GJb. 13, S. 118—20.) — 59) Schreiben d. Frau Rat an d. Leibmedikus J. G. Zimmermann:
TglBs. N. 132. - 60) E. Brief d. Frau Rat an d. Leibmedikus J. G. Zimmermann: FZg. N. 158. - 61) E. Brief d. Frau Rat:
HambCorr. N. 897. —62) C. Buland, D. Stammbuch d. Frau Rat. S. o. IV 1 : 28. — 63) K. Heinemann, Goethes Mutter.
E. Lebensbild nach d. Quellen. Mit Abbild, n. 2 Heliograv. Leipzig, A. Seemann. XII, 368 S. M. 6,50. |[W. Buchner:
BLU. 8. 737/9; L. Geiger: FZg. N. 304; P. M.: HambNachrö. N. 50; W. Kawerau: MagdebZg. N. 563; P. Seliger: NZg.
N. 733; NFPr. N. 9753 (daraus KielZg. v. 23. Okt]| (D. 2—4. Aufl. sind uicht mehr im Berichtsjahre erschienen.) — 64) L.
169 L. Geiger, Goethes Leben. IV9b:«»-77«
rainent, das ilir nioiual« volle Befriedigung gewährt hätte, ihr pedantischer, dem
Genialen «^lurrhanH abgewendeter Gatte, der ihr das ehemals Genossene doppelt herrlich
erscheinen üeHs, Schnld an ihrem Lebensunmut war. — Während über Goethes
Scliwester kaum neues Material zu erwarten ist, strömt seit einigen Jahren vieles zu-
sammen, um uns Goethes Gattin richtiger kennen zu lehren. Ihre vor bald vier Jahr-
zehnten zum ersten Male veröffentlichten, vor einigen Jahren neu, z. T. in Faksimile-
druck hergestellten Briefe an Nikolaus Meyer, den Hausfreund Goethes, der Arzt,
Dichter und nebenbei Vermittler von allerlei Gutem für Küche und Haus war, regten
J. Loew^*) zu einer neuen Betrachtung an, die freilich ganz allgemein gehalten ist
und nur zum geringsten Teil jener Korrespondenz gilt. — Zur Wertschätzung der viel-
verleumdeten Frau trug die Art bei, in der Frau Rat gleich von vornherein die Genossin
ihres Sohnes, die Mutter ihres Enkels aufnahm, die Herzlichkeit und Freundschaft, die
sie ihr persönlich und in ihren Briefen bezeugte; der Herausgeber dieser schon er-
wähnten Briefe, Ph. Stein ß"), setzte daher seiner Ausgabe eine Betrachtung voran, in
der er nach Zurückweisung ungünstiger Charakteristiken von Zeitgenossen und Späteren
aus Goethes Zeugnissen und den Briefen der Frau Rath ein zutreffendes Bild Christianens
entwarf. — Aber weder er noch K. Heinemann '*^), der auf Grund desselben Materials
ein Gleiches versuchte und mit der schon früher an ihm gerühmten Gewandtheit aus-
führte, konnten zu einer vollständigen und ganz richtigen Würdigung gelangen, weil
ihnen die wichtigste Quelle zur Erkenntnis des Verhältnisses von Goethe und seiner
Frau fehlten, nämlich die erst nach dem Berichtsjahre in der Weimarer Ausgabe ge-
druckten Briefe des Ersteren an die Letztere. — August von Goethe, über den die
Akten ebensowenig geschlossen sind wie über seine Mutter, dessen Stellung zum
Vater und dessen amtlich - geschäftliche Thätigkeit noch sehr der Aufklärung harrt,
besass, nach der Sitte seiner Zeit, ein Album, dessen Li halt Vulpius *8) mit allzugrosser
Freigebigkeit mitteilte. Unter den vielen längeren Inschriften in Prosa und Vers
(auch von Herder, Schiller, Wieland; die oft gedruckten Verse Goethes tragen hier
das Datum: 22. Nov. 1801) ist allerdings manches inhaltlich Vollwichtige, vieles, was
uns den Weimarer Kreis kennen lehrt, der wie den Vater so den Sohn umgab; die
JBL. gehen an anderer Stelle darauf ein. — Den hier Angedichteten und ebenso seine
Gattin Hess Lily von Kretschman ^ö) als Dichter auftreten. Die Gedichte, die
äusserlich Vorbild und Einfluss der väterlichen nicht verleugnen, verraten statt der
Weltfreudigkeit jener einen schwermütigen Ernst; ganz besonders trübe ist das ernste und
vorwurfsvolle Gedicht „Abschied", das, nach einer Vermutung der Herausgeberin, vor
Antritt der verhängnisvollen Reise nach Italien an Ottilie gerichtet wurde. —
Aus derselben Quelle, dem Nachlasse und den Erinnerungen der Frau Jenny
von Gustedt geb. von Pappenheim, schöpfte Lily von Kretschman '^<') eine
Schilderung Ottiliens und ihrer Söhne, die sehr viel Neues und sehr viel Anmutiges
enthält. Die Berichterstatterin war in den letzten Jahren von Frau Ottiliens Ehe und
in den ersten ihrer Wittwenschaft ein sehr vertrauter, fast täglicher Gast im Goetheschen
Hause, und wie sie den alten Herrn in der Intimität des Hauskleids sah und darstellte,
so wusste sie in allerliebstem, natürlichem Unterhaltungston, der keine schriftstellerischen
Prätentionen macht und doch Zeugnis von einer grossen Begabung ablegt, dfe Um-
gebung zu erkennen und zu charakterisieren, die Mischung von Genialität und Leicht-
sinn, hausfraulicher Sorg& und wilder Unordnung, wie sie im Wesen Ottiliens lag,
darzustellen. Auch mit den Enkeln, besonders mit Wolfgang, stand Jenny von Gustedt
Jahre lang in vertrautem Verkehr, und nirgends erscheinen jene mit ihrer Mutter so
anmutig und liebenswürdig wie in dieser Schilderung. — Gegen eine solche kann
Schwalbes'i) Versuch nicht aufkommen. —
Unter Goethes Beziehungen zu anderen Personen wurden die zu Napoleon
am meisten besprochen. Der Herzog von Broglie verlas nämlich in einer Sitzung der
französischen Akademie den Abschnitt aus TaUeyrands Memoiren, der den Fürsten-
kougress von Erfurt und die bei dieser Veranlassung erfolgte Unterredung
Napoleons mit Goethe und Wieland behandelt. Diese Memoiren wurden von dem
Genannten in ihrer Originalform herausgegeben und alsbald von Ebeling'2) ins
Deutsche übertragen. Teils nach dieser Uebersetzung, teils nach dem Akademieberieht
wurde in deutschen Zeitungen die Unterredung einfach mitgeteilt''"'**), manchmal mit
Geiger. Goethes Schwester: WIDM. 69, S. 41—53. — 65) J. Loew, Goethes Fnu: StrasabPost N. 60. — 66) S. o. N. 54.
S. 1—40. — 67) K. Heinemann, Fran Christiane t. Goethe geh. Vnlpins: WIDM. 69, S. 808—16. — 68) W. Vulpius, D.
Stammbuch t. A. t. Goethe. S. o. lY 1 : 29. — 69) Lily t. Kretschman, Dichtungen r. Aogust a. Ottilie t. Goethe:
DDichtang 10, S. 249—52. — 70) id., Ottilie v. Goethe u. ihre SOhne. Aas d. Erinnerungen e. Zeitgenossin: WIDM. 70,
Ö. 97—109. — 71) J. Schwalbe, Goethes Enkel: DR. 16, S. 339—46. — 72) Memoiren d. Fürsten Talleyrand. her. mit e. EinL
u. Anm. y. Herzog v. Broglie. Dtsch. Originalausg. r. Ad. Ebeling. 3 Bde. KOln, Ahn. M. 18,00. |[BLU. S. 7«l/2;
UZ. S 501 6.] — 73) D. Kaisertage t. Erfurt. Nach d. Memoiren TaUeyrands: FZg. t. 30 Jan. — 74) (Mitteil. d. Unterredung
zw. Goethe u. Napoleon in Erfurt, aas Talleyrands Memoiren): TglKs. N. 26. — 75) Goethe u. Napoleon: SchwtbMerkur r.
2. Febr. - 76) Goethe and Napoleon, ^TaUeyr»nd): NYCritic. 18, S. 75/6. - 77) Goethe n. NH»oleon : NFPr. N. 9499. — 77«)
IV 9b: 78-87. L. Geiger, Goethes Leben. 170
ein paar Bemerkungen verbrämt, welche die Bedeutung des Zusammentreffens dar-
legen und auf den Inhalt der Unterredung hinweisen sollten, ohne, wie Sittard '''^a) ui d
M. Gold stein ■'S), die Bedeutung, den kritischen Wert der neuen Nachrichten zu unter-
suchen''8a-79). — Sehr ausführlich, auch mit Berücksichtigung Wielands und unter wört-
licher Mitteilung der von Talleyrand überlieferten Gespräche ging Menge ^O) auf den
Gegenstand ein. — Der Widerspruch zwischen dem Berichte Goethes und Talleyrands
wurde mehrfach hervorgehoben, teils mit der Absicht, die Widersprüche unbedeutender
erscheinen zu lassen, als sie wirklich sind, oder gar Talleyrand als den zuverlässigeren
wahrheitsgemässerenBerichterstatter zu bezeichnen ^i-^^), teils mit der stark ausgesprochenen
Tendenz, wie bei 0. von LeixnerS^)^ den gallischen Lügner zu brandmarken. — Eine
kritische Vergleichung beider Berichte, des Talleyrandschen und des von Goethe in den
„Biographischen Einzelheiten" gegebenen, mit Hinweis auf die unmittelbar nach dem
Ereignisse niedergeschriebenen Zeugnisse von Zeitgenossen versuchte L. Geiger ^5)
und kam zu dem, übrigens durch neuere Forschungen französischer und deutscher
Gelehrten ausser jeden Zweifel gesetztenErgebnis, dass Talleyrands Mitteilung unauthentisch
sei. Ist der betreffende Abschnitt wirklich von ihm so, wie er nun veröffentlicht wurde,
geschrieben, so geschah es, da Talleyrand nicht bei der Unterredung zugegen war und
keineswegs, wie er flunkerte, von Goethe unmittelbar Mitteilungen erhielt, aus trüber
Erinnerung, vielleicht auch nach bestimmten Tendenzen, die jetzt nicht mehr zu erkennen
sind. Er lässt Goethe über Kotzebue und den Weimarischen Hof in einer Weise
reden, die Goethes Wesen und seinem ausdrücklichen Zeugnisse widerspricht, er
lässt die allbekannten Worte Napoleons über den „Wertlier" aus. Er begeht historische
Fehler, lässt die „Iphigenie" in Erfurt aufführen, während eine solche Aufführung nicht
stattfand, lässt Goethe sagen, er habe keine seiner Schriften einer fürstlichen Person
gewidmet, während dies mehrfach geschah, ihn behaupten, er kenne den Kaiser von
Russland nicht, während er ihn in Weimar kennen gelernt hatte. Die einzelnen Wider-
sprüche zwischen dem Goetheschen nicht zur Veröffentlichung, sondern nur zur eigenen
Information bestimmten Bericht und dem Talleyrandschen, in der Art der Begrüssung,
der Verabschiedung, dem Wesen und Inhalt der ganzen Unterredung sind so schlagend,
die inneren und äusseren Gründe für die völlige Glaubwürdigkeit der Fassung Goethes
so zahlreich und unanfechtbar, dass Talleyi'ands Mitteilung durchaus in das Reich der
Erfindungen, um nicht zu sagen der Fälschungen verwiesen werden muss. Die ausser-
ordentliche Verbreitung dieses Berichts in deutschen Zeitungen und Zeitschriften ist
nur ein neuer Beleg dafür, mit welcher Gier das aus der Fremde Stammende bei uns
ergriffen und mit welcher Unwissenheit und Kritiklosigkeit es aufgenommen und
gepriesen wird. —
Den vielbesprochenen Beziehungen Herders zu Goethe widmete Düntzer****)
eine neue Betrachtung. Sie richtet sich im wesentlichen gegen ältere Behauptungen
von Minor, Scherer, Suphan, die alle als unbegründet dargethan werden sollen: D.
leugnet Herders übermässigen Einfluss auf Goethe in der Strassburger Zeit. In diesem
Leugnen geht er ganz gewiss zu weit, zumal Herders Einfluss in der Weise, in der er
von den Neueren behauptet wird, schoii in ,, Dichtung und Wahrheit" festgestellt ist:
zugegeben mag allerdings werden, dass man neuerdings viel zu weit gegangen ist in
dem Streben, Herders Wesen und Worte in einzelnen Stellen späterer Goethescher
Dramen dargestellt und wiedergegeben zu sehen. Doch gehört dieser Punkt, die Be-
nutzung von Persönlichkeiten für die Dramen in ein anderes Kapitel der JBL. — Aus
denselben Gründen kann eine andere Abhandlung Düntzers^'^) über den Einfluss
Shakespeares auf den jungen Goethe, vornehmlich in und unmittelbar nach der Strass-
burger Zeit, hier nur genannt werden, da es sich ausser der sog. Shakespeare-Rede
ausschliesslich um Dramen handelt. Genannt wird sie an dieser Stelle, weil sie wiederum
an jene vorgebliche Ueberschätzung Herderscher Einflüsse anknüpft. Es versteht sich
von selbst, dass D. hier wie sonst, im Namen der Wahrheit, die er ganz allein kennt,
gegen alle Behauptungen jüngerer Forscher Front macht, die in seinen Augen nichts
als Wahrheitsverdreher sind, sobald sie nämlich seine Behauptungen nicht annehmen
und dass er unter diesen mit höhnischen Ausdrücken besonders die ,, Schüler Scherers"
verfolgt, die nach seiner Meinung an allem Unglück auf dem Gebiete der Goethe-
J. Sittard, Napoleon u. Ooetbe: HambCorr. N. 77. — 78) M. Ooldstein, Napoleon u Qoethe: Gesellsch. 1, S. 325/9. —
78a) Napoleons Zusammenkunft mit Qoethe während d. Erfurter Kongresses: VZg. N. 48. — 79) H. W — nn, Goethe u. Napoleon.
Nach d. Memoiren d. Fürsten Talleyrand: NFPr. N. 9564. — 80) K. Menge, Goethe u. Wieland vor Napoleon in Erfurt u. Weimar,
nach Talleyrands Memoiren: ZÜU. 5, S. 321-34. — 81) X K. George, Napoleon u. seine Beziehungen zu Goethe u. Wieland:
LMerkur. N. 18/9. — 82) Bojanowski, Goethes Gespräch mit Napoleon: SchlesZg. N. 8,'!. (Weimarer Korresp. v. 31. Jan.) —
83) B.. Napoleon, Goethe u. Wieland: NZg. 22. u. 24. Febr. — 84) ü. v. Leixner, E. LUguer übers Grab hinaus : DRomanZg.
— 85) L. Geiger, Napoleon u. Goethe. Kritisches zu Talleyrands Memoiren: Nation». 8, S. 500/2. — 86) H. DUntzer,
Herder u. d. junge Goethe in Strasaburg. = Zur Goetheforschung. Neue Beitrr. S. 76—140. Stuttgart, Dtsch Verlagsanst.
VI, 436 S. M. 6,00, |[NZg. t. 24. Okt.; L. Geiger: Nation". S. 335/6]|. — 87) id., Shakespeare u. d. junge Goethe: ib.
171 L. Geiger, Goethes Leben. IV 9b: «s-w.
foruülmng Mcliuld mnd. GlückliolierweiHe haben iiuit andere dafür geMorgt, in den Zom-
ausbrüchon des alten Löwen die erste Stelle einznnehmen. —
UiM Goethes Verhältnis zu Klinger handelt es sich in einer Untersuchung
Düntzers^"), welche den von L. Geiger veröflientlichten „Auszug einer Stelle aus einem
Briefe des Herrn Klinger aus Giessen eines gebohrnen Frankfurters an Lenzen" als
eine Fälschung Lenzens erweisen soll. Bei einer derartigen Fälschung müsste irgend
welcher Grund ersichtlich sein; bei diesem Schriftstück, einem Goethes Güte und
liebevolle Sorge für andere neu bezeugenden Dokumente, das Lenz Frau von Stein
übergab, liegt gar kein Grund vor. Welches Interesse sollte Frau von Stein haben,
ein neues Zeugnis Wir Goethes Menschenfreundlichkeit zu verlangen, welches Interesse
Lenz, den man gern als einen darstellt, der Goethes Stellung bei Charlotte untergrub,
dieses zu befestigen? Gewiss war Lenz unwahrhaftig; aber jedes von ihm herrührende
Zeugnis als verdächtig anzusehen, ist Hyperkritik. Auch die von Düntzer aus dem Briefe
selbst gewonnenen Stützen für seinen Beweis sind unhaltbar. Die Ausdrucksweise hat
allerdings manche Aehnlichkeit mit der Lenzschen, aber die Sprache aller der jungen
Stürmer hat so viel Verwandtes, dass man aus einzelnen Uebereinstimmungen keinen
Schluss ziehen darf (warum soll z. B. das Wort „Informator" nicht von Klinger ge-
hraucht worden sein?); übrigens ist ja auch denkbar, dass Lenz bei seiner Flüchtigkeit
und W^illkür den ihm vorliegenden Brief ungenau abschrieb. Der Brief enthält ferner
kleine IiTtümer und Widersprüche in Bezug auf Klingers Kindheit und auf die Ge-
schichte seiner Eltern. Aber erstens sind diese Abweichungen so geringfügig, dass man
sie auch recht wohl Klinger zuschreiben darf; zweitens wollte Klinger gar keine
dokumentierte Geschichte, sondern eine allgemeine Uebersicht seines Lebensganges geben,
sogar mit einer gewissen Tendenz, seine Dürftigkeit grösser darzustellen, als sie wirklich
war; drittens widersprechen einige Behauptungen des Briefes gar nicht wirklich beglau-
bigten Thatsachen, sondern nur den U eberlief erungen, an denen Klingers Kindh«t8-
geschichte reich ist. Die D. hauptsächlich verdächtige Stelle lautet: „Nun wollte ich
auf Akademieen gehen, hatte keine 100 Fl. Ich ward mit Goethe bekannt. Das war die
erste frohe Stunde meiner Jugend. Er bot mir seine Hilfe an . . . Die 100 Fl. waren
bald all. Der grosse Goethe drang in mich, machte mir Vorwürfe, und nun leb' ich
schon ein ganzes Jahr von seiner Güte." Da Klinger, wie D. nachweist, nicht vor dem
IB. März 1770 mit Lenz bekannt wurde, so musste die Unterstützung im Laufe des Jahres
1775 erfolgt sein. Nun war Goethe damals allerdings mit Geld recht knapp, aber er
hatte für andere stets mehr als für sich. Eine unbestrittene Thatsache ist ferner, dass
Goethe schon 1774 den Ertrag kleiner litterarischer Arbeiten Klinger zuwies; es wäre
möglich, dass er beträchtlich war und lange vorhielt. Mit Unrecht nimmt D. ferner
daran Anstoss, dass Klinger erst im Frühjahr 1774, zur Zeit sehies Abgangs auf die
Universität, Goethes Bekanntschaft gemacht haben will, und vermutet, Klinger werde
schon vorher gesucht haben, an den berühmten Landsmann heranzukommen ; auch einer,
der wie lüinger kein Musterschüler war, hat in den letzten Monaten des Schulbesuchs
wohl anderes zu thun, als Mitglied litterarischer Zirkel zu werden. So viel wird man
aus den Untersuchungen D.s folgern dürfen, dass Klinger und Lenz, jener im Nieder-
schreiben seiner Aufzeichnungen, dieser in deren Wiedergabe nicht urkundliche Treue
bewahrten; die thatlcräftige Unterstützung Klingers durch Goethe, zu deren Erfindung
seitens Lenz' auch nicht der Schatten eine« Beweises beigebracht wird, bleibt durchaus
bestehen. — Ueber Klinger und einen andern Frankfurter Freund Goethes, den Musiker
Ph. Chr. Kayser wurde von Heuerte) neues Material dargeboten. Hier werden die
Beziehungen Kaysers zu den Brüdern Stolberg beleuchtet; einzelnes über die ge-
meinschaftliche Arbeit Kaysers und Goethes an Opern und Operetten wird erwiesen.
Auch ein Zeugnis von Ph. Seidel, Goethes Getreuen, über Kayser und die grosse Be-
deutung der italienischen Reise flir Goethe findet sich: Kayser verlor wolil Goethes
Unterstützung und musste sich auch von der Herzogin Ainia Amalia trennen, weil er
nach des Dichters Worten zu denen gehörte, „die auf ihrem Wege schlendern und irren''.
Ueber einen Vei-such Klingers, Kayser 1792 nach Petersburg zu ziehen, wird ein
interessanter Brief des ersteren mitgeteilt; dazu kommen einzelne andere Klingersche
Schriftstücke aus späterer Zeit. Von Beziehungen Goethes zu einem der Genannten ist
freilich in ihnen nicht die Rede. —
Die hyperkritische Weise, mit der Froitzheim*®) das Verhältnis Goethes zu
Lenz darzulegen suchte, dem ersteren alle Schuld autbürdend, den letzteren entlastend,
wird an anderer Stelle der JBL. gewürdigt. — Von mehreren Seiten wurde die Auf-
sehen erregende Schrift besprochen. J. Loew'*) stellte sich ganz auf Seite Froitz-
heims^2) ^^^^ glaubte mit diesem an ein von verschiedenen mit Goethes Beteiligung ge-
S. :{80 — mi — 88) id.. Goethes Unt«r8tlltzun«r d. jungen Klinger: ib. S. 53—76. — 88) S. o. N. 7. — 90) J. Froitzheim.
Lenz u. Goethe, s. o. IV 4 : 15. — 91) J.^Loew, Aus d. Tagen d. Sturm- u. Onngperiode: StnsjbPosf N. 122. — 82) "(IV
IV 9b: 93-100. L. Geiger, Goethes Leben. 172
schmiedetes Komplott, den unglücklichen Dichter aus Strassburg fortzuziehen. 93) Während
unter Anknüpfung an das Froitzheimsche Buch, aber ohne innere Beziehung, dagegen
mit besonderer Berücksichtigung des Goetheschen Briefwechsels sein Verhältnis zu Lenz
neu dargelegt wurde ^*), wendete sich W. von Biedermannes) mit starken Ausdrücken
gegen Froitzheim, sprach von seiner „Taschenspielerei, durch willkürliche Auslegung
Goethescher Erklärungen etwas darthun zu wollen", und erklärte namentlich auch jene
obenerwähnte Komplottgeschichte für „ganz aus der Luft gegriffen". Auch die weitere
Behauptung, dass Lenz' Roman „Der Waldbruder" der eigentliche Anlass zur Entfernung
des Dichters aus Weimar gewesen sei, wurde zurückgewiesen. Es ist gut, an solche
kräftige Abwehr zu erinnern. Denn der „imaginäre Hass gegen Goethe", der in früheren
Froitzheimschen Schriften unter dem Anscheine der Wissenschaftlichkeit hervortrat,
hat sich üppig weiter entwickelt, während leider die energische Abwehr solcher Ver-
suche nicht immer gleich stark und konsequent geblieben ist. — Ueber die folgen-
den drei Jahre aus Lenz' Leben 1776 — 1779 stellte Grottewitz 9^) die zerstreuten Nach-
richten zusammen, ohne viel Neues herauszubringen und ohne manche Dunkelheiten
erhellen zu können. —
Im Gegensatze zu Froitzheims unerquicklicher Gabe darf einer gehaltvollen
Untersuchung Pniowers^'') gedacht werden, die H. L. Wagner zum Gegenstande hat
und sich mit der Abwehr Froitzheimscher Vorwürfe beschäftigt. In Betreff auch dieses
Goetheschen Jugendgenossen hatte der genannte Forscher Goethe der Unwahrheit ge-
ziehen; seine Behauptungen sind JBL. 1890 IV IIb : 8 auseinandergesetzt. Nicht alles,
was P. dagegen vorbrachte, ist stichhaltig; warum soll Wagner, dessen unrege Phantasie
sich an Wirkliches anklammerte, nicht eine Episode aus einem Vorfall, von dem er Kunde
hatte, entnommen, und nicht den letzten Anlass zu seinem Drama durch ein vielbe-
sprochenes Strassburger Lokalereignis erhalten haben, während er die ursprüngliche Idee
längst Goethe abgelauscht hatte? Aber darin hat P. gewiss Recht, dass nicht, wie
Froitzheim will, nun umgekehrt Wagner oder die auch von Wagner benutzten Strass-
burger Vorkommnisse Quellen für Goethe gewesen sein können. Ganz abgesehen von
Goethes Behauptung muss die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit betont werden, dass der
in Frankfurt Weilende Ereignisse einer fremden Stadt gekannt haben soll. Wenn dann
Froitzheim den Ohnmachtsanfall der Heldin in der Kirche, durch den ihre Schuld an den
Tag gekommen sein soll, als Wirkung einer in französischen Kirchen üblichen Vorlesung
eines Edikts gegen verhehlte Schwangerschaft darstellte und gar Goethe auch hier als
Plagiator Wagners bezeichnete, so bekämpft P. diese an und für sich recht thörichte
Vermutung mit dem Hinweis darauf, dass die Entstehung der Domscene und damit auch
des „Ohnmachtsmotivs" (eine abscheuliche Bezeichnung, deren Verschwinden aus littera-
turgeschichtlichen Betrachtungen freudig zu begrüssen wäre) wegen ihrer Anklänge an
einzelne Stellen aus dem „Satyros" wohl schon in den Herbst 1774 zu verlegen ist, —
Von Goethes sonstigen persönlichen Beziehungen soll hier in alpha-
betischer Reihenfolge die Rede sein. Eine ältere Arbeit Reinhold Köhlers ^8), des
Unvergessenen, dessen stillhingebende, sorgsame Unterstützung mancher unter uns
schmerzlich vermisst, eine gelehrte Untersuchung über Goethes Verhältnis zu D. Batacchi,
die auch einiges neue Material brachte, wurde ins Italienische übersetzt. — Die in
Goethes letzten Lebensjahren unter seinen Augen zum Teil durch ihn selbst redigierte
Zeitschrift „Das Chaos" fand in Lily von Kretschman ^9) eine durch ihre Vorstudien
mit der Weimarer Gesellschaft vertraute Bearbeiterin, die auch in diesem Artikel in erster
Linie die Aufzeichnungen ihrer Grossmutter, der Frau Baronin von Gustedt (Jenny
von Pappenheim) als Quelle benutzte. Was Goethe speciell angeht, so wurden, nebst
einigen Proben seiner Redaktionsführung, die mannigfachen auf ihn bezüglichen Verse
abgedruckt, darunter auch die schon in der Hempelschen Ausgabe befindlichen Gedichte
„An Ihn", die eine Erwiderung der bekannten Verse „Goethe an Sie" gebildet hatten.
Unbekannt war bisher die gleichfalls mitgeteilte Uebersetzung einzelner seiner prosaischen
und poetischen Beiträge, neu wohl die Aufstellung, dass die Verse „Mit einem buntge-
stickten Kissen" an Auguste Gräfin Egloffstein gerichtet sind : Th. Creizenach und Loeper
(Weim. Ausg. 4, S. 275) weisen sie Marianne Willeraer zu. — Eine andere aus der
ebengenannten verzweigten Familie, Henriette, erschien in einem von Wähle 'O")
veröffentlichten Stück ihrer Memoiren als Berichterstatterin über Weimarer Zu-
stände, freilich über eine Zeit, in der Goethe gerade in Italien war. Trotzdem ver-
dient dieser Bericht eine Erwähnung, weil in ihm von einer mit den Weimarer Ver-
4 : 16) — 93) O Lenz "• Goethe: HambNachrS. N. 2.-94) X H. R., Lenz u. Goethe: HambCorrs. N. 16. —
95) W. Frhr. v. Biedermann, Imaginärer Hass gegen Goethe: LZg". N. 30. — 96) C. Grottewitz, D. Dichter
J. R. Louz s. 0. IV 4 : 14. - 97) 0. Pnio wer, Goothe u. H. L. Wagner: VZg». N. 15. — 98) Reinhold Köhler, Goethe
e il poeta Dumenico Batacchi: ASTP. 20, S. 21/7. — 99) Lily v. Kretschman, Weimars Gesellsch. u. d. Chaos: WIDM. 70,
S. 235—64. (Mit Ansichten v. Tiefurt, Bttersberg u. Portr. mancher Weimar. Persönlichkeiten.) — 100) J. Wähle, Aus
173 L. Geiger, Goethes Leben. IV 9b: 101-112.
hältnissen, besonders denen des Hofes, wohlvertrauten Zeugin Schilderungen einiger
Personen, mit denen Goethe verbunden war, gegeben werden, z. B. des Herzogs Karl
August und seiner Mutter. — Stahrs loi) Buch, das ausser den in Goethes Dichtung
geschilderten Frauen auch manche vorführt, mit denen er Umgang pflog, wurde zinn
achten Male aufgelegt, ein deutliches und durchaus nicht unerfreuliches Zeugnis dafür,
(lass die geschmackvollen Darstellungen dieses belesenen und unterrichteten Autors,
über dessen Auffassung sich freilich manchmal streiten und dessen Kritik sich oft an-
fechten lässt, noch mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Tode ohne jede Veränderung
und Umarbeitung als ein gern gesehenes Lesebuch wiedererscheinen. •"2) — Wenig er-
freuliches lässt sich von einem Aufsatze Malkowskys i*^) über Angelika Kauffmann
sagen, einem jener Wanderartikel, dem man häufiger begegnet und dem man lieber
gar nicht begegnen möchte, der nicht das geringste Neue und auch das Alte, Längst-
l)ekannte in keiner originellen Form behandelte. Originell dürfte nur sein, dass der
Artikel aus Anlass des 150. Geburtstags der guten wackeren Frau geschrieben ist: wen
in aller Welt, ausser dem Feuilletonschreiber, könnte dieser Tag interessieren? — Neues
über Susanne von Klettenberg teilte R. Jung i*'*) mit: es handelt sich um ihr Testament,
um das nach ihrem Tode im Beisein Goethes aufgenommene Inventar, aus dem das
V'orzeichnis der Gemälde und Bücher gedruckt wird. Theologische und philosophische
Werke waren hauptsächlich vertreten; von Goethe befand sich nichts darunter. Von
einem Päckchen „Diverse Briefe . . von Herrn D. Gothe" war nur der Umschlag er-
halten, doch fanden sich ein paar Zettelchen Goethes, nicht bedeutenden Inhalts neben
(iinigen an Fräulein von Klettenberg gerichteten Briefen. — Goethes ältester Weimarer
Freund K. L. v. Knebel war von einem seiner Verwandten Hugo Knebel-Döberitz im
vorigen Berichtsjahr zu panegyiüsch dargestellt worden i05)j mit Anknüpfung an dies
Buch gab L. Geiger lo*^) ein Charakterbild von Goethes Urfreund, in dem mehr das
Schwächliche, Launische, Halbe in seinem Wesen, seine satanische Freude an den
Thorheiten anderer hervorgehoben werden, Eigenschaften, denen weder Lust noch Kraft
gegenüberstand, selbst etwas Gutes und Verständiges zu schaffen. — Biltz'"') gab nicht,
wie der Titel seiner Arbeit vermuten Hess, eine Kritik des Knebel-Döberitzschen Buches,
sondern eine breite Wiedergabe seines Lihalts, mit wörtlichem Abdruck mancher Schrift-
stücke, ohne Neues zu bringen und ohne eine selbständige Beurteilung zu versuchen,
in einem burschikosen Ton, der sich für solche Darlegungen nicht schickt; eine Aeusse-
rung, wie er sie bei Erwähnung der Thatsache, dass Knebel im 69. Lebensjahre einen
Sohn bekam, vorbringt: „und da spricht man noch von der Unproduktivität Knebels",
sollte in einem wissenschaftlichen Vortrage nicht gethan werden. i^S) — Die hundertste
Wiederkehr von Mercks Todestag — „Hundertjahrestag seines Todes" ist doch ein gar
zu abscheulicher Ausdruck — gab Ph. Stein 109) Anlass zu einer Betrachtung, in der
besonders Mercks Einfluss auf Goethe mehr behauptet als nachgewiesen und Merck
gegen einige Anschuldigungen in „Dichtung und Wahrheit" in Schutz genommen wurde.
Ein Satz wie der folgende: „Die Eigenart und die grosse Wirkung, die Merck als
Kritiker ausgeübt hat, erklären sich aus seiner Selbstlosigkeit", ist entweder völlige
Phrase oder, wenn er ernst gemeint ist, recht verkehrt. — AusführHcher wurde derselbe
einflussreiche Ratgeber Goethes von R. Proelssi^oj behandelt, der das gesamte Leben
und Wirken Mercks darstellte und dabei auch auf seine übrigen Lebensbeziehungen und
schriftstellerischen Arbeiten einging, besonders bemüht, die einseitige Auffassung zu ent-
kräften, Merck sei bloss als Kritiker thätig gewesen. Dagegen wird man freilich sagen
müssen, dass seine sonstige schriftstellerische Thätigkeit nicht viel bedeutete und dass
er nur seinen kritischen Arbeiten und dem durch sie geübten Einfluss sein Fortleben
in der Litteratur verdankt. — Fallen die Beziehungen zu Merck in Goethes Frühzeit,
so gehören die zu Jenny von Pappenheim in die spätesten Tage des Dichters. Was
über sie Lily von Kretschman 111) aus den Aufzeichnungen ihrer oft genannten
Grossmutter mitteilte, gehört zu dem Liebenswürdigsten, was man von dem Alternden
weiss. Nicht als strengwaltender Olympier und nicht als weitabgewandter Greis erscheint
er hier, sondern als freundlicher, mitten im Leben stehender, an Spielen und Scherzen
der Jugend teilnehmender, für die Reize jugendlicher Enthusiastinnen empfänglicher
Alter. In diesem Bericht fand manch hübsches Wort und manche artige Anekdote Platz,
Henriettens v. Egloflfstein Memoiren. Weimar: GJb. 12, S. 139-50. — KH) Ad. Stahr, Goethes Frauengestalten. Mit
2 Bildn. sowie Faksim. 8. Aufl. Berlin, Brachvogel & Ranft. VU, 260 u. 292. M. 6,00. — 102) (IV 9a : 56'8.) - 103)
G. Malkowsky, Angelika Kauffmann. Z. 150. Wiederkehr ihres Geb. (.30. Okt. 1741): KielZg. N. 14569. (Auch Didaskalia t.
1. Nov. D. Artikel entstammt d. „Berliner Feuilleton-Correspondenz".) — 104) R. Jui.g, Aus d. Nachlasse d. Frlnleios Sus.
Katharina v. Klettenberg: BFDH. NF. 7, S. 57—68. — 105) X W. Buchner, v. Knebel-Doeberitz, Knebel (JBL. 1890
lY IIb : 110): BLU. N. 3. — 106) L. Geiger, K. L. v. Knebel: MUnchNN. N. 26. — 107) K. Bilti, D. neueste Biographie
Knebels = Neue Beitrige z. Gesch. d. dtsoh. Sprache u. Litt Berlin. Stargardt S. 193-219. - NM) (IV »a : 54.) — 109)
Pb. Stein. Job. TIeinr. Merck. Z. H underf Jahrestage seines Todes (27. Juni): KielZg. N. 14355. (Aneb Didaskalia N. 147.)
— 110) Hob. l'rölss, Job. Heinr. Merck: LZgu. N. 79. — lli) S. o. N. 49. — 112) X *". F. Cornish, Goethe »nd Frau Ton
rV 9b: 113-114. IV 9c: 1-4. L. Geiger, Goethes Leben. 174
die als authentisch gelten können, obwohl man im Auge behalten muss, dass die Auf-
zeichnungen nicht gleichzeitig gemacht, sondern, wenngleich auf Grund eines treuen
Gedächtnisses, Jahrzehnte nach den Ereignissen niedergeschrieben wurden. — Der Ver-
kehr der Letztgenannten mit Goethe war für ihn eine Episode, für sie ein Lebens-
ereignis; der Verkehr mit Charlotte von Stein ist unter die epochemachenden Abschnitte
des Lebens zu rechnen, über die zu grübeln man nicht aufhören wird, n^-iisj j^^,j.
müsste dies freilich, wenn es etwas nützen soll, in ganz anderer Weise erfolgen, als
es in drei Artikeln eines Ungenannten i^*) geschehen ist. Zum Verständnis der Goethe-
schen Briefe, dem sie dienen wollen, bringen diese schlechtgewählten Auszüge und
nichtssagenden Betrachtungen gar nichts bei. Was sollen Behauptungen wie die, dass
Auguste V. Kalb sich zuerst „der Galanterien des bewunderten Mannes zu rühmen
hatte" und dass Goethe dann „Seladon" der Amalie von Kotzebue war. Woraus ent-
nimmt der Vf. das Recht zu der Behauptung, Goethe habe von Frau von Stein die
Scheidung „von ihrem Manne verlangt und dafür versprochen, Rang und Stellung am
Hofe aufzugeben"? Wie kann jemand, dem man doch zumuten sollte, er habe die vor
einigen Jahren veröffentlichten Briefe aus Italien gelesen, niederschreiben: „dort sank
die Flamme seiner Liebe zu Charlotten, weil sie keine Nahrung mehr in deren Nähe
fand, in Asche zusammen"! Für das Verständnis des wunderbaren Verhältnisses zeigt
sich in diesen seltsamen Aeusserungen und den langen, sie begleitenden Auseinander-
setzungen nicht der geringste Anhalt; viel eher sind derlei breite Bettelsuppen völlig
geeignet, den Geschmack an der kräftigen Nahrung zu verderben, welche Goethes Briefe
bieten sollen. —
e. Lyrik.
Otto Pniower.
Funde N. 1. — Ausgaben N. 7. — Allgemeine Charakteristik N. 13. — Einzelne Schöpfungen
Strassburger Zeit: Friederikenlieder N. 19; HeidenrOslein N. 22. — Frankfurter Zeit: An Schwager Kronos N. 24; Herbst-
gefUhl N. 25. — Weimarer Zeit: Hans Sachsens poetische Sendung N. 27; Grenzen der Menschheit N. 28; Wer nie sein
Brod mit Thränen ass N. 29; Venetianisehe Epigramme N. 30; Sonette N. 31; Verschiedenes N. 32. —
Auch für dieses Berichtsjahr gilt, dass die litterarische Thätigkeit auf dem Ge-
biete der Goetheschen Lyrik weder eine sehr reichhaltige noch ergiebige war. Niir in
wenigen Fällen ward ein Blick auf das Gesamtgebiet gewagt, und selbst in der Einzel-
forschung bewegte sich die Betrachtungsweise nach wie vor in den ausgefahrenen
Geleisen. Chronologie oder Einwirkung, das sind die Fragen, auf die die Aufmerksamkeit
gerichtet blieb. Jenen Wegen und Zielen zuzuschreiten, die Wilhelm Scherer vor langer
Zeit und ten Brink im Berichtsjalu- (I 1 : 20) der Behandlung der Lyrik vorgezeichnet
haben, macht man keine Miene. Und doch wäre es hier, wo das biographische, über-
haupt das erklärende Material so reichlich vorhanden ist wie nirgends sonst, am
leichtesten und zugleich am lohnendsten, jenen Fragen nach der inneren Redeform, nacli
dem Verhältnis des Dichters zu seinem Stoff, nach der rhetorischen Syntax im ganzen
wie nach der Wirkung des einzelnen Wortes, nach dem Verhältnis des Rhythmus zum
Stoff und ähnlichen Dingen ernsthaft nachzugehen und so die Lösung des Problems
über das Geheimnis der dichterischen Wirkung vorzubereiten. An Funden bisher un-
veröffentlichter Gedichte ergab aber das Jahr mancherlei. Ruland i) teilt aus dem
Stammbuch der Frau Rat eine poetische Umschreibung der Abendmahlsworte mit, die
der jugendliche Goethe am 30. Sept. 1765, am Vorabend oder am Tage selbst, da er
nach Leipzig aufbrach, in das Erbauungsbuch seiner Mutter eintrug. — Von den Gedichten
Goethes, die uns ein Aufsatz von W. Vulpius 2) vorführt, ist freilich keines bisher un-
gedruckt, aber für die zwei Distichen (S. 80), mit denen der Dichter dem Stammbuch,
das er seinem Sohne schenkte, die Weihe gab, ist hier wenigstens die authentische Da-
tierung (22. Nov. 1801) geliefert. Ein anderes, das Distichon vom 12. Juli 1805 (S. 247),
stein. Essay read before the Manchester Goethe Society: Ac. 39, S. 238/9. — 113) X T. Hitehcock, Unhappy loves of nien
of genins. New-York, Harper. II, 212 S. M. 6,00. l[NYCritic 16, N. 61; Literary World (Boston) 22, N. 25.]| (Auch
über Goethe u. Frau v. Stein.) — 114) Charlotte v. Stein. Z. Yerstandn. d. Goetheschen Briefe an sie: NorddAZg.
N. 304. 366. 368. —
I) (IV 1 : 28.) — 2) (IV 1 : 2Ö.) - 3) (IV 9b : 49.) - 4) (IV 9b : 104; Tgl D. Sanders: ZDS. 4, S. 193 f.) -
175 0. Pniower, Goethes Ljrrik. IV 9c: s-ir.
mit dem Goethe ein zweites Stammbuch seines Sohnes schmückte, ist in wenig veränderter
Gestalt in seine Werke übergegangen. Zwei weitere Gedichte, die der Vf. anführt, kennt
die Weimarer Ausgabe schon. — Lily von Kretschman ^) teilt ein Gelegenheitsge-
dichtchen mit, das Goethe am 1(5. Jan. 18H2 für Jenny v. Pappenheim verfa«Hte. Es ist
Wühl eines seiner letzten poetischen Produkte. — Zwei Findlinge erweisen sich bei
näherer Betrnchtiuig als nicht Guethesch. Den einen bilden die aus dem Nachlasse des
Frl. von Klettenberg von R. Jung ♦) mitgeteilten, von Goethes Hand geschriebenen Verse,
die GJb. 12, S 282 noch einmal abgedruckt sind. Sie sind, wie mich A. Fresenius be-
lehrt, ein Citat aus dem zweiten Buch von Wielands „Musarion". — Den zweiten veröflFent-
licht Gartz 5). Zu den Sonetten, die Bettina in dem „Briefwechsel Goethes mit einem
Kinde" als an sie gerichtet in Anspruch nimmt, gehört auch das fünfte, „Wachstum"
überschrieben. G, ist der Ansicht, die er auch schon frtiher entwickelt hat, dass das Sonett
nicht Bettinen, sondern Wilhelmine Herzlieb gilt. Weil aber Bettina ausdrücklich bemerkt,
dass das Sonett auf einem Blättchen stand, das einem Briefe Goethes an seine Mutter
eingelegt gewesen sei, luid weil dieses Blättchens auch in einem Schreiben des Dichters
an das ,.Kind" Erwähnung gesrhieht, meint G. wohl (er spricht sich darüber nur sehr
kiu'z und unklar aus), dass eine reine Fiktion nicht vorhegen könne und dass sich auf
jenem Blättchen, wenn auch nicht das Sonett „Wachsthum", so doch ein anderes Gedicht
befunden haben müsse. Und dieses glaubt er in drei Strophen von je vier Versen ent-
deckt zu haben, von denen eine „Goethe" unterzeichnete Abschrift sich im Besitze des
Frl. Cäcilie Wattenbach befindet. Ich vermag dieser Hypothese jedoch nicht die ge-
ringste Glaubwürdigkeit beizumessen. Dass das Gedicht Goethesch .sein könnte, will ich
nicht leugnen, wenn ich auch die Meinung Düntzers, auf die G. sich beruft, dass sein
Ton durchaus den Sonetten von 1807 zu entsprechen scheint, nicht durchaus teilen
kann. Aber es ist mit der Ueberlieferung so bestellt, dass nicht einmal eine Beziehung
des Gedichtes zu Bettina durch sie beglaubigt ist und dass G. nur auf Grund ganz
vager Judicien vermutet, es stamme aus ihrem Besitze. Auch seine Behauptung,
dass die Verse ihrem Sinn und Inhalte nach sich mit von ihm angeführten Prosazeilen
Goethes an Bettina decken, trifft nicht zvi. — Eher wird Goetheschen Ursprungs ein
aus zwei vierzeiligen Strophen bestehendes Gedicht auf den Carlsbader Sprudel sein,
das Lily von Kretschman ^) aus dem „Chaos" mitteilt. Die Weimarer Ausgabe
hat es auch aufgenommen : Bd. 4, S. 282. —
An Ausgaben der Gedichte liegt uns ausser solchen, die engeren Zwecken
dienen'-**), der vierte, von G. von Loeper^) besorgte Band der Weimarer Edition vor.
Er enthält vom vierten Bande der Ausgabe letzter Hand die Gi*uppe: Inschriften, Denk-
und Sendeblätter, dann was dort teils keine Aufnahme gefunden hat, teils, weil es erst
später entstanden ist, keine hat finden können. Diese Gedichte „Aus dem Nachlass"
sind nach Goetheschen Rubriken („Vermischte Gedichte", „Antiker Form sich nähernd"
usw.) geordnet. Zuletzt folgen solche, von denen der Goethesche Ursprung nicht völlig
sicher bezeugt ist. Da Lesarten und kritischer Apparat erst nachgebracht werden sollen,
so muss eine nähere Besprechung des Bandes aufgespart bleiben. Dagegen haben wir
an dieser Stelle auf die früher erschienenen Bände der Ausgabe zurückzukommen, soweit
sie die Gedichte enthalten. Es sind dies die Bände 1 — 3 und 6 — 7 („West-östlicher Divan").
Sie haben in dem Berichtsjahr eine lebhafte Kritik von Düntzer'^*) erfahren, auf die
G. von Loeper") in einer Gegenkritik geantwortet hat. D. verbreitet sich eingehend
über die Handhabung der Orthographie und Interpunktion. Er hält .sich dabei nicht
frei von Kleinlichkeit, Rechthaberei und jener an ihm bekannten Art, den Dichter selbst
zu meistern. Er verschmäht es nicht, auch auf ganz belanglose Inkonsequenzen auf-
merksam zu machen luid die Fälle zu notieren, wo Anführungsstriche ausgelassen sind,
wo statt eines Punktes ein Gedankenstrich steht u. dgl. Die einzelnen Ausgaben der
Goetheschen Werke findet er unglücklich bezeichnet. Auch rügt er, dass eine Charak-
teristik von ihnen fehle, sowie eine zusammenfassende Auseinandersetzung über ihr gegen-
seitiges Verliältnis. Man kann ihm darin nur soweit Recht geben, dass diese Arbeit
natürlich gemacht sein muss, bevor man an die endgültige Feststellung des Textes geht
Ob aber eine Darstellung, wie sie ihm vorschwebt, in eine Ausgabe von dem Charakter
der Weimarer gehört, ist doch wohl eine Frage, die man nicht ohne weiteres wird be-
jahen können. Aber auch die Anführung der Lesarten findet D. unzidänglich. Freihch
haut er bei dem Versuch, dies nachzuwei.sen, wiederum über die Schnur, indem er auch
ganz unwesentliche Mängel hervorhebt. Ebenso rügt er ihre Unübersichtlichkeit. Prin-
zipiell meint er, hätten die Redaktoren von der Ausgabe letzter Hand eine viel zu günstige
5) K. Th. Oaedert«, E. unbekanntes Gedicht t. Goethe: Gegenw. 39, S. 68 9. — 6) GV »b :»«.)— 7) X Gedichte v. Goethe.
Auswahl, her. y. K. Franz. Bielefeld u. Leipzig, Velhagen & Klasing. o. J. 191 S. M. 0,75. — 8) X Goethes Gedichta^
Fllr d. Frauenwelt ausgew. v. Clara Braun. Stuttgart, Greiner A Pfeiffer. XI. 368 S. M. 8^. — 9; (IV 9a : 118) —
lOj H. ÜUntzer, Ueber Goethe» Werke: ZDPh. 23, S. 2»4-a49. - II) (IV 9a : 125; S. 5-16.) — tt) B. Keil, E. Goethe-
rv 9c: 13. 0. Pniower, Goethes Lyrik. 176
Vorstellung. Nach seiner Ansicht hätte man Göttlingsche Aenderungen, selbst wenn sie
Goethe Billigung fanden, zu prüfen und gegebenen Falles rückgängig zu machen.
Auch wendet er sich gegen die Beibehaltung der Anordnung der Gedichte, wie sie die Aus-
gabe letzter Hand darbietet, weil dafür vielfach rein äusserliche Momente massgebend
waren. Kurz, er lässt so zu sagen kein gutes Haar an der in diesen Bänden nieder-
gelegten Arbeit. Man wird eine kritische Erörterung des D.schen Standpunktes oder
gar der Fülle diskutierbarer Einzelheiten, die in der sehr ausführKchen ßecension zur
Behandlung kommen, hier nicht erwarten. Wir müssen uns begnügen, auf die wichtigeren
Punkte hinzuweisen und eine Aufzählung derjenigen Stellen der Gedichte zu geben, die
bei ihm eine eingehendere Besprechung finden. Dabei verzichten wir, weil auch das zu
weit führen würde, in den meisten Fällen, unsere eigene Auffassung kund zu thun.
S. 311 giebt er eine sehr dankenswerte Zusammenstellung der Gedichte, die in jener
mit H^ bezeichneten Sammlung enthalten waren, die „die Quelle der meisten bisher
bekannt gewesenen Gedichtsabschriften Herders und der Frau von Stein ist". S. 312 f.
bespricht er das im ersten Band der Ausgabe S. 365 f. abgedruckte Gedichteverzeichnis
der Bäbe Schulthess. Unter den S. 318 f. aufgezählten Druckfehlern sind bemerkens-
wert die, die beim ersten Druck entstanden und nun unbemerkt in allen Ausgaben sich
erhielten; dabei werden allerdings auch Lesungen erwähnt, bei denen an Fehler niclit
zu denken ist. Dazwischen wird die Frage des so häufigen Wechsels der Tempora bei
Goethe, namentlich des Praesens und Praeteritum erörtert. S. 323 f. bespricht D. die
Datierung des Gedichts „Der Müllerin Reue", womit aber L. S. 12 zu vergleichen ist.
Zu V. 23 von ,, Gewohnt, gethan", sucht D. (S, 296) vergeblich seine Lesart „Jungen"
zu retten. Das gelingt ihm auch nicht in Bezug auf V. 12 des Liedes „Epiphaniasfest"
(S. 319). Dagegen hat er wohl Recht, dass im dritten Vers des „Frühzeitigen Früh-
lings" das Komma nach Sonne vom Uebel ist (S. 322). S. 297 wird V. 204 der elften
Römischen Elegie erörtert und V. 231 der zwölften. Vom zweiten Band wird S. 319 ff.
V. 16 des Gedichtes „An die Cicade" besprochen, S. 322 die schwierige Stelle V. 119
des Gedichtes „Ilmenau". S. 13 seiner Entgegnung beweist L. aber die Richtigkeit der
von ihm gewählten Lesart. Genau dasselbe Verhältnis zeigt sich in Bezug auf den
letzten Vers des Gedichtes „Kommt Zeit, kommt Rat" (D. : S. 322 f. ; L. ; S. 13). Dagegen
wird D.s Vorschlag im V. 12 von „Künstlers Abendlied" statt „nur" „nun" zu lesen
(S. 319) von L. (S. 14) beachtenswert gefunden. Andererseits erhält D.s Ansicht in
Bezug auf die Lesung der V. 12/6 des Gedichtes „Juni" (S. 323) L.s Billigung mit
Recht nicht (S, 14). Eine eingehende Kritik hat D. auch dem ,,Divan" gewidmet.
S. 326 f. wird die erste noch vor dem Wiesbadener Register liegende Sammlung besprochen
und dann dieses selbst, wobei die Datierung von Gedichten wie „An Schach Sedschan
und Seinesgleichen" und „Berechtigte Männer" erörtert wird. Aus den ,, Entwürfen zu
Divangedichten" werden N. 5, 7 und 9 behandelt. An einzelnen Stellen werden folgende
betrachtet: S. 329 : V. 32 des Gedichtes „Segenspfänder", wo eine ganz verfehlte Er-
klärung geboten wird; V. 20 des Gedichtes „An Hafis"; V. 13 des Gedichtes „Geheimstes";
S. 297: V. 15 des Spruches aus dem „Buch der Betrachtungen" „Haben sie von deinen
Fehlen." S. 328 : V. 13 des Gedichtes „Hab ich euch denn je geraten"; S. 330: der
Spruch „Die Flut der Leidenschaft, sie stürmt vergebens", zusammen mit dem „Dunkel
ist die Nacht" ; V. 10 f des Liedes „An Suleika". S. 297 geht D. bei der Besprechung
der V. 29 f. des dialogischen Gedichtes „Wie des Goldschmieds Bazarlädchen" von
einer ganz falschen Lesung aus; S. 331 bestreitet er die Interpungierung, die L. dem
V. 2 des Gedichtes „Nachklang" zu teil werden Hess. Seinen Standpunkt all diesen
Einwänden gegenüber spricht L. in seiner Entgegnung, in der er D.s Streben
nach Ebenmässigkeit und Gleichheitsmacherei mit Glück entgegentritt, mit den Worten
aus: „Was D. Sorgfalt nennt, heisst uns Korruption, Uebermalung". S. 11 berichtigt
er einen von ihm in der Interpungierung der 16. Römischen Elegie V. 358 f. began-
genen Irrtum. — Als eine Ausgabe mit Kommentar ist auch ein kleines Büchlein R.
Keils 12) anzusehen, das sich zur Aufgabe stellt, eine Auswahl von 20 Jugendgedichten,
die der Zeit von 1767 — 87 angehören, eingehend zu charakterisieren. Der Vf. ist mit
Erfolg bemüht, in liebevoller, geschmückter Darstellung die äusseren wie inneren Umstände,
unter denen ein jedes der besprochenen Gedichte entstanden ist, zu schildern, und thut
dies mit unleugbarer Kenntnis. Aber von einer Interpretation im wissenschaftlichen
Sinne ist er noch recht weit entfernt. In Auffassung und Deutung schliesst er sich
stark an Loeper (Hempel*) an, ohne ihn irgend zu übertreffen. Da, wo er einmal von
ihm abweicht, in der Deutung der letzten Strophe der Ode „Gränzen der Menschheit",
verfällt er in Irrtümer. Dankenswert ist auf S. 10 ff. das Verzeichnis der Gedichte, die
uns in den beiden hs. in der Weimarer Ausgabe mit H' und H* bezeichneten Samm-
StrauM. 8. o. IV.9a:62a. Stuttgart, Dtiutsche VerlagaansUlt. | [PrJbb. 67, S. 228/9; ULU. S. 68; Kw. t.
S. 236/7; HambCorr s- N. 16.]| - 13) E. Gnad, üeber GoetUos Lyrik. Litt. Essays. 2. vorm. u. verb. Aufl. Wien, Konspflu.
177 0. Pniower, Goethes Lyrik. TV 9c: 14-19.
hingen überliefert sind. Ihren Bestand konnte man bisher nur aus den verzettelten, bei
den einzelnen Gedichten gemachten Angaben der Weimarer Ausgabe zusammenrechnen.
Den Versuch einer allgemeinen ' Charakteristik der Goetheschen Lyrik
macht Gnad '•*) in einem schon 1808 geschriebenen Aufsatz. Kr will Andeutungen darüber
geben, worin der eigentümliche Vorzug dieser LjTik liegt, und nimmt den Anlauf, zu
erörtern, warum die Gedichte uns gefallen. Aber allzurasch verfällt er der Resignation,
indem er bekennt, dass es vergebliche Mühe sei, „aus den einzelnen Ausdrücken, aus
Reim und Vers die "Wirkung herauszifFern zu wollen". So begnügt er sich denn mit
einer höchst unvollständigen Erklärung des Problems und kommt über ganz allgemeine
Beobachtungen und die sattsam bekannten Momente wie „Selbsterlebtes und -empfun-
denes", „Naturlaute des Herzens", „Unmittelbarkeit und Wahrheit des Gefühls" usw.
nicht hinaus. — Viel weiter dringt und mehr Aufklärung bietet G. Brandes'*), ob-
gleich er Goethes Lyrik nur im Vergleich zur Heineschen betrachtet. Den Wert, den
die Vergleichinig für die Erkenntnis hat, erkennt man hier schlagend. B. stellt hin
und wieder Inkommonsurables einander gegenüber, so dass die Parallelisierung schief
erscheint; auch wird das Urteil gelegentlich dadurch getrübt, dass in Bezug auf Goethe
der Blick zu sehr auf das einzelne Gedicht geheftet bleibt und sich nicht zu den
Stücken verwandten Inhalts erhebt, so dass vorschnelle Schlüsse und Verallgemeinerungen
nicht vermieden werden; im ganzen aber gewährt B. eine Fülle ebenso geistreicher wie
fruchtbarer Beobachtungen. S. 156f. ein rascher belehrender Blick historischer Art
über Goethes Verhältnis zur Natur. S. IGO wird Goethes ursprüngliche Bildlichkeit im
Gegensatz zur Heineschen Bildermanier besprochen. S. 102 wird an einem Beispiel der
Ausdruck für verwandte Stimmungen oder Gefühle bei beiden Dichtern verglichen.
S. 178 ein kurzer Vergleich von Goethes „Fischer" luul Heines „Loreley". S. 181 f.
bemerkt B., wie verschieden die beiden Dichter das Thema der Liebe behandeln, wie
anders sie die Begierde, dann die reine Liebessehnsucht darstellen. S. 180 f. handelt
er ein wenig flüchtig über Bitterkeiten,, Cynismen und Blasphemien bei Heine und
Goethe. S. 187 f. weist er darauf hin, wie beide Dichter das Gefühl der Selbstermannung
darstellen. S. 189 wird die Behandlung des gleichen Stoffes (der heiligen drei Könige)
verglichen. S. 190f. einige kurze Bemerkungen über die Art, wie Heine und Goethe Begrifte
personifizieren. — Von durchgehenden stilistischen Formen, die der Goetheschen Lyrik
eigentümlich sind, erörtert W. von Biedermann i^) nicht sehr tief eindringend die
verschiedene Anwendung der Figur der Wiederholung. — Unter den Gedichten, die auf der-
selben metrischen Form ruhen, behandelt zusammenfassend Goldbeck-Loewe '^) die
in freien Versen, indem er sie an dem Klo];)stockschen Vorbilde misst. Er giebt eine
chronologische Uebersicht über sie und weist, freilich nicht eindringlich genug, auf
die Entwicklung der von jenem Dichter empfangenen Impulse hin, wie sich Goethe von
dem Einflüsse Klopstocks mehr und mehr befreit und demjenigen Pindars erliegt, wie
er im Gegensatz zu Klo})stock nach Gesetzmässigkeit strebt und mehr als jener einem
bestimmten Rhythmus folgt, überhaupt in der Anwendung der Form Mass zu halten
weiss. Man mag es bei einer Dissertation entschuldigen, dass die Betrachtungsweise
des Vf. zu mechanisch ist und sich zu sehr auf die Hervorhebung weniger und dazu
äusserlicher Merkmale beschränkt. In das Verhältnis des Rhythmus zum Stoff versucht
Ol- nicht einzudringen. Die notwendig zu stellenden Fragen, welche Stoffe sind in freien
Versen behandelt und warum gerade diese, wirft er nicht auf. Der Einttuss Klopstocks
auf Goethe hätte viel schärfer gezeigt werden können. So sind z. B. die Figur der
Wiederholung und die Bevorzugung langtönender Kompositia nicht erwähnt. — Von Ge-
dichten derselben Art handelt zusammenfassend über Goethes Balladen Chevalier ''),
oder vielmehr er streift sie in einem historischen Ueberblick über die Entwicklung dieser
Dichtform. Doch bietet seine, zwar auf einem reichen Material ruhende, aber ungeordnete
und der Straffheit gar zu sehr ermangelnde Darstellung in Bezug auf unseren Dichter
nur wenig Greifbai'es, und dieses wenige ist nicht neu. — Der Schrift. Herzfelders **)
muss an dieser Stelle gedacht werden, weil Gedichte in ihr zur Sprache kommen, die
sich über einen grossen Zeitraum der Goetheschen Produktion erstrecken, nämlich alle
die, die auf den drei Schweizer Reisen entstanden sind oder auf ihnen empfangene Ein-
drücke verwerten. Bei jenen ist es hauptsächlich die genauere Datierung, die den Vf.
beschäftigt, wobei er in zwei Fällen zu neuen Ergebnissen gelangt. So verlegt er (S. 0)
den bekaiuiten Stamnibucheintrag an Lenz: ,,Zur Erinnerung guter Stunden", auf den
5. Juni 1775, freilich ohne für seine Behauptung einen Beweis anzutreten. Und S. 45
stellt er in Bezug auf das „Schweizerlied" die Ansicht auf, dass es Goethe auf seiner
letzten Reise im Jahre 1797 aus dem Volksschatz gehoben habe, wenn es für uns auch
erst 1811 zum Vorschein kommt. Aber auch hier harren wir des Beweises. In Bezug
875 S. M. 5.00. S. 3—35. — 14) 6. Brandes. D. Litt. d. 19. Jh. in ihren Hinptstr«mnngeD. Bd. 6, S. JBL. 1S90 IV 14: 1.
- 15) (IV 9a: 116). - 16) (I 9 : 18.) - 17) (I 3 : 132; S. 20 ü.) — 18) (IV 9b : 43 - 18) A. Bielsehowsky, tJber Bebt-
Jahresberichte fUr neuere deutsohe Littentorgesohichte II (S|. 12
IV 9c: i9a-2i. 0. Pniower, Goethes Lyrik. 178
auf die Chronologie zweier anderer Gedichte steht H. avif dem Loeperschen Standpunkt.
Auch er nimmt von der Elegie ,,Euphrosyne", von der er eine nichtssagende Charak-
teristik giebt, an (S. 179), sie sei im ersten Entwurf schon auf der Schweizer Reise in
Stäfa niedergeschrieben. Im folgenden Jahre sei sie dann nicht eigentlich „ausge-
arbeitet", sondern nur vollendet worden. Von der Ballade der „Müllerin Verrat"
meint er (S. 187 f.) gleich Loeper, Goethe habe schon am 5. Nov. 1797 daran gedichtet
(vgl. Hempel 126, 160 f.). Nachwirkung von Reiseeindrücken vermutet der Vf. sehr be-
achtenswert in der dritten Strophe von Mignons Lied „Kennst Du das Land" (S. 29 f.),
vermeidet aber mit Recht Schlussfolgerungen auf gleichzeitige Abfassung. Auch v. 7 f.
der Elegie „Amyntas" beruhen nach H. (S. 155) auf Eindrücken, die der Anblick des
eben beobachteten Rheinfalls bei Schafthausen in Goethe hinterlassen hatte. —
Was nun die einzelnen Schöpfungen betriift, so haben die Lieder der Strass-
burger Zeit wieder das lebhafteste Interesse erweckt. Die Friederikenlieder insge-
samt behandelt ein eingehender Aufsatz von Biels chowsky i^), der an die zuerst von
Heinrich Kruse, dann im Hirzelschen „Jungen Goethe (1, S. 261 — 70) herausgegebenen
Gedichte die kritische Sonde legt. In der Frage, in welcher Weise sich Goethe und
Lenz in die Autorschaft dieses Liederbestandes teilen, kommt B. zu dem Ergebnis, dass
fünf der Gedichte (bei Hirzel N. 4, 5, 3., 1, 8) nicht Goethe, sondern Lenz zum Vf.
haben. Den Beweis für diese Behauptung sucht er mit allen Mitteln philologischer
Kritik zu erbringen. Eine Fülle sprachlicher, stilistischer und metrischer Beobachtungen
häuft er; selbst die Statistik wird zu Hilfe gerufen. Besonders reichhaltig ist die
Behandlung des vierten Gedichtes. Um dessen stilistischen Charakter festzustellen,
wird eine sehr gründliche und eindringende Heerschau über Lenzsche Eigentümlichkeiten
abgehalten, dabei freilich im Heranziehen von Parallelen ein äusserliches und unkritisches
Verfahren eingeschlagen. Allen diesen Bemühungen zum Trotz scheint uns durch den
Vf. die Frage über den bisherigen Stand, wonach nur N. 4 und 5 Lenzschen Ursprungs
sind, nicht wesentlich hinausgekommen zu sein. Dieser Stand wird durch die Loepersche
Auffassung dargestellt, die auch Weinhold^^) in seiner Ausgabe der Gedichte Lenzens
teilt. Am meisten möchte man noch mit B. geneigt sein, N. 8 Lenz zuzuweisen und
zwar wegen des recht matten Schlusses; aber auch dem stellt sich v. 6 entgegen: „Wenn
sie meine Lieder sang." Denn dass Friederike Lenzsche Lieder gesungen hat, wissen
wir nicht, w^ohl aber überliefert es uns Goethe von sich. Und ganz gewiss ist N. 3
Goethesch und vor allem, wie uns scheint, unlenzisch. Auch bei N. 1 hat uns der grosse
vom Vf. aufgebotene Apparat nicht bewegen können, es für ein Produkt Lenzens zu
halten. Unleugbar hat das Lied Schwächen, und es ist, von Uebertreibungen und Missver-
ständnissen abgesehen, ein Verdienst B.s, sie ins Licht gesetzt zu haben. Aber man darf
nicht ausser Acht lassen, dass das Gedicht eine vielfach noch im Stile der Ana-
kreontik befangene, rasche Improvisation ist. Dazu kommt, dass gerade dieses Gedicht bis
jetzt das einzige ist, auf das jene Bemerkung Goethes in „Dichtung und Wahrheit" passt,
er habe für Friederike manchen Liedern bekannte Melodien untergelegt (vgl. Erich
Schmidt: ZDA. 21, S. 306). Glücklicher ist der Vf in der Bestimmung der Chronologie.
liier kann man seinem Nachweis, dass die Lieder in der Reihenfolge: N. 2 (Herbst 1770),
N. 6 (Weihnachten 1770), N. 10 (30. März 1771), N. 7 (zwischen Ostern und Pfingsten
1771), N. 11 (Frühling oder Sommer), N. 9 (schon in Frankfurt im Herbst) entstanden
seien, im allgemeinen folgen. — Im allgemeinen, denn für das Lied „Willkommen und
Abschied" (N. 10) hat inzwischen L. Blume ^o), wie uns scheint, mit Erfolg, ein früheres
Datum geltend zu machen gesucht. Nach seiner Ansicht gehört das Lied nicht, wie
man seit Loepers Kommentar zu „Dichtung und Wahrheit" gemeinhin annimmt, in den
Frühling 1771, sondern in den Herbst des vorhergehenden Jahres. Von seinen Grün-
den scheint mir der durchschlagendste der, dass die in den Eingangsstrophen des Ge-
dichtes herrschende Stimmung besser für eine früh hereinbrechende Herbstnacht als für
eine Frühlingsnacht passt. Aber auch in den anderen Erwägungen wie in der, dass das
Lied eine eben erst geknüpfte Bekanntschaft voraussetze, dass die Darstellung in
„Dichtung und Wahrheit" kritisch betrachtet gegen einen dem ersten Besuch rasch
folgenden zweiten, wie ihn diese Annahme allerdings erheische, nicht spreche, muss
man dem Vf. beistimmen. B. geht noch weiter und sucht den Titel, unter dem das
Lied in dem Verzeichnis von Bäbe Schulthess angeführt ist: „den XXX. Abend" mit
seiner Aufstellung in Einklang zu bringen, indem er ihn als XX. X. d. h. 20. Oktober
deutet, während Bielschowsky die römische Zahl als 30. März nimmt. Der Einfall des
Vf. scheint, so fein er ist, ein wenig zu geistreich, um wahr zu sein. Da indessen
alle Umstände, wenn nicht für diesen Tag, so doch für diese Zeit sprechen, so wird
man auch daran keinen Anstoss nehmen. — Anders deutet DüntzerSOa) ^{q rätselhafte
heit u. Chronologie d. Sesonheiiner Lieder: GJb. 12, S. 211—27. — 19a) J. M. R. Lenz, Gedichte. Mit Benutzung des Nach-
lasses W. T. Maltzahn. Her. v. K. Weinhold. Berlin, Hertz. XXIl. 328 S. M. 5,00. — 20) L. Blumo, Zu Goethes Ge-
dicht „Willkommen u. Abschied": ChWGV. 5, S. 26/8. — 20a) S. o N. 10; vgl. N. 11, S. 10 f. — 21) II. DUntzor, Goethes
179 0. Pili o wer, Goethes Lyrik. IV 9c: 22-2Ö.
Zahl. Er sieht in ihr (S. 313 f.) eine Bezeichnung der — Christnacht und kommt so
notwendig zu der Folgeioing, dass mit ihr ein anderes Gediclit bezeichnet sei als „Will-
kommen und Abschied", dessen Titel zufällig mit der Zahl zu Einer Ueberschril't zu-
sammengeschmolzen sei. Doch ist seine ganze Argumentation willktirlich und falsch. —
Ein unermüdlicher Kämpfer für seine Meinungen, wie er ist, wendet sich DOntzer^i)
in einem besonderen Aufsatz auch gegen Bielschowskys Aufstollungen. Er richtet seinen
Angi'iff ausschliesslich gegen seine Auffassung der Ueberlieferung. Namentlich erregt
Bielschowskys Zweifel, ob Kruse, als er bei Sophie Brion die Lieder abschrieb, in der
That Gocthcsche Originale vorlagen, und seine Meinung, dass, was er vor sich hatte,
wohl Abscliriften von Lenzens Hand gewesen seien, seinen ganzen Zorn. Die letztere
Annahme hat Bielschowsky wohl nicht bis zur Wahrscheinlichkeit geführt, andererseits
aber hat D. weder seinen Zweifel, noch seine Hypothese widerlegt trotz allem Aufwand
an starken und leidenschaftlichen Worten. Im übrigen scheint uns ein Streit über diese
„äusseren Kriterien" völlig unfruchtbar: so wie die Sache liegt, kann aus der Ueber-
lieferung kein Argument für oder gegen die Autorschaft Goethes oder Lenzens geschöpft
werden. —
Die eifrige Teilnahme, die die von Rudolf Hildebrand und Minor von neuem
zur Erörterung gebrachte Autorschaftsfrage in Bezug auf das „Heidenröslein" im
vorigen Berichtsjahre hervorrief, wirkte in diesem noch nach. Erich Schmidt^S) stellte
für eine Besprechung in der Berliner Gesellschaft für deutsche Litteratur die ganze ftlr
das Problem in Betracht kommende Litteratur in prägnanter Kürze zusammen und
knüpfte daran vier Thesen, die in der Sitzung eine lebhafte Diskussion hervorriefen
und im wesentlichen Beistimmung fanden. S. stellt einen Zusammenhang fest zwischen
dem in den „Blättern vonDeutscher Art xind Kunst" von' Herder mitgeteilten ,.Fabelliedchen"
und dem bekannten Aelstschen Volksliede. Er bestreitet, dass Herder das Gedicht, da«
er dem Publikum vorlegte, aus dem Volksmunde aufgefangen habe und erklärt Goethe
für seinen Verfasser, während das im „silbernen Buch" überlieferte „Kinderlied'' eine
Herderscho Kontrafaktur des Goetheschen Gedichtes ist. Man wird die Richtigkeit
dieser Thesen nicht zu bestreiten vermögen. Doch erschöpfen sie das Problem nicht.
Es bleibt (vgl. JBL. 1Ö90) ein Rest, der noch der Lösung harrt. — Dieser bringen uns
die Erörterungen W. von Biedermanns 2<J) nicht näher. Er verficht anknüpfend an
die Ausführiingen Hildebrands und Dungers (JBL. 1890 IV 11c: 11/2) noch einmal
seinen in den „Goetheforschungen" eingenommenen Standpunkt. Danach hielt Herder
das ,, Heidenröslein" allerdings für ein im Volke lebendes, „ihm aus dem Munde genom-
menes" Volkslied. In Wahrheit aber war es von Goethe verfasst. Herders Meinung ist
nur die Folge einer scherzhaften Mystifikation, die sich der jxigendliche Dichter seinem
Freunde gegenüber erlaubte. Weiterhin sucht er etwas kleinlich Dungersche Auf-
fassungen eigener Worte zu rektifizieren, um sich schliesslich über die Art auszusprechen,
in der Goethe Dichtungen anderer zu eigenen Schöpfungen verwertete. Dabei erörtert
er von neuem das von ihm für das Verfahren des Dichters gewählte Schlagwort „pro-
duktive Kritik", wählt aber als Beispiel Verse, deren Goethescher Ursprung noch erst
zu erweisen ist (vgl. Goethejahrbuch 11, S. 189 f.). —
Für die ältere Fassung der Schlussstrophe des schon in die Frankfurter
Zeit gehörigen Gedichtes „An Schwager Kronos" sucht 0. Erdmann^^) Einwirkung
einer Stelle aus dem „Messias" wahrscheinlich zu machen. Der Nachweis, dass den
Dichter bei der Produktion, natürlich unbewusst, Worte aus dem Jesaias leiteten (JBL.
1890 IV 11c: 17), schliesst nicht aus, dass zugleich auch die Lektüre des „Messias"
nachwirkte, zumal der Wortlaut der Dichterstellen sich ziemlich nahe kommt Aber
den sicheren Beweis zu erbringen, dürfte gerade in diesem Falle überaus schwierig sein.
Jedenfalls ist die Uebereinstimmung mit der Bibel charakteristischer, weil sie sich nicht
auf den Gleichklang der Worte beschränkt, sondern ein poetisches Bild umfasst. —
Zum Gedicht „Herbstgefühl" liefert Heuwes^^) ein Beiträglein, indem er mit
Loeper „Zwillingsbeeren" richtig als Einem Stiel entwachsene Beeren deutet, und
Sprenger 2«), der vielgewandte, beeilt sich, dazu seine Zustimmung auszudrücken.
Was er freilich zur weiteren Begründung der Auffassung beibringt, der Hinweis auf die
im ersten Abdnick des Liedes erscheinende Singularform „Zwillingsbeere" ist gänzlich
verunglückt. Es handelt sich hier lediglich um einen Druckfehler. —
Zu dem Gedicht „Hans Sachsens poetische Sendung", das uns in die
Weimarer Zeit hinüberführt, weist D. Jacoby^') daraufhin, dass ftir die Schluss-
wendung des Poems „In Froschpfuhl all das Volk verbannt", zwei im März 1775 ,er-
Sesenheimer LiedT: AZg". N. 252. — 22) Erich Schmidt, Heidenröslein. Gedr. lu e. BeDpr.ehang in d. Gosetltchart fBr
dtsche Litt, zu Kerlin. 4 S. (Vgl. den Bericht über die Sitzung: DLZ. 12, N. 30.) — 23) W. Frhr. ». Biedermann,
Heidenröslein: ZDU. 6, S. 334/9. — 24) 0. Erdmann, Z. Einflass Klopstocks auf Go«tho: ZDPh. 23, S. I08'9. — 25)
^^leuwes, Zu Goethes „Herb.stgefUhl" : ZDU. 5, S. 649—50. — 26) R Sprenger, Zu Goethes HerbstgefOhl : ib. S. 782. -
27) D. Jacoby, Hans Sachsens poetische Sendung: VLQ. 4, S. 622. - 27«) Erich Schmidt, ib. S. 522. - 28) H.
12*
rV 9c: 29-31. 0. Pniower, G-oethes Lyrik. 180
schienene Recensionen Schubarts, die Nicolais „Freuden des jungen "Werthers" und
Wagners „Prometheus, Deukalion und seine Recensenten" zum Gegenstände haben,
Parallelen bieten. Da Schubart sich ganz im Sinne des jungen Goethe äussert, so läge
die Annahme einer Nachwirkung im Bereiche der Möglichkeit. — In einer Anmerkung
zu der Notiz weist Erich Schmidt 2'?») auf verwandte Wendungen in Klingers ,,Simsone
Grisaldo (1776) hin. —
Für die noch immer nicht chronologisch fixierte Ode ,,Gränzen der Mensch-
heit" sucht H. Herzoges) eine Zeitbestimmung zu gewinnen. Indem er in den ihrem
Gedankengang nach zusammengehörenden Gedichten ,, Prometheus", „Das Göttliche"
und der vorliegenden Ode mit feinem Gefühl eine Antiklimax aufzeigt, in der wir das
stufenmässige Herabsinken des Titanentrotzes zur völligen Anerkennung der mensch-
lichen Ohnmacht beobachten, kommt er zu dem Schluss, dass sie auch in dieser Reihen-
folge entstanden sein müssen, dass also die „Gränzen der Menschheit" erst nach der
Ode „Das Göttliche" verfasst seien. Diese gehört aber, wie wir sicher wissen, in den
Herbst des Jahres 1783. Folglich sind alle Ansätze, nach denen jenes Gedicht aus
den Jahren 1775 oder 1779 usw. herrühren soll, falsch. In dieser Argumentation findet
sich H. dadurch bestärkt, dass er in der Vorstellung (N. 2): ,,Hebt er sich aufwärts
Und berührt mit dem Scheitel die Sterne, Nirgends haften dann Die unsicheren Sohlen,
Und mit ihm spielen Wolken und Winde" einen Reflex der im Jahre 1783 unternom-
menen ersten Versuche mit dem Luftballon erblickt, für die Goethe und nicht bloss er
(vgl. Sprüche 1039) bekanntlich ein lebhaftes Interesse zeigte. Die Kombination scheint uns
in dem Wortlaut keine genügende Bestätigung zu finden. Auch der nur schüchtern ge-
wagte Versuch H.s, die Entstehung des Gedichtes mit einer Stelle aus einem Brief an
Frau v. Stein vom Juni 1784 in Verbindung zu bringen, findet in den herangezogenen
Worten selbst keine genügende Stütze. Bleibt also nur jene aus dem logischen Ver-
hältnis der Gedichte zu einander geschöpfte Vermutung, die doch auch nur dann Be-
stand haben kann, wenn wir eine ideal konsequente, durch keinen Stimmungswechsel,
keine Laune gestörte Entwicklung der Gedanken Goethes über das Verhältnis des
Menschen zu Gott und dem Schicksal vorauszusetzen den Mut haben. Nun entspricht
aber ausserdem die Gruppierung, in der die drei zusammengehörenden Gedichte seit
1789 in den Ausgaben erscheinen, nicht einmal der vom Vf. herausgefundenen Anti-
klimax. Goethe war sich ihrer also später wenigstens nicht mehr bewusst. Unter so
bewandten Umständen kann man die Frage nicht als vom Vf. gelöst betrachten. —
Zum Harfnerlied: ,,Wer nie sein Brod mit Thränen ass" hat Julius
Schneider 29) eine immerhin beachtenswerte Parallele aus Racines ,,Thebaide" III, 2
beigebracht. Dieselbe furchtbare Anklage gegen die Götter hier wie dort. Sie werden
als diejenigen hingestellt, die den Menschen fehlen lassen, für sein Sündigen aber keine
Entschuldigung haben. —
D. Sanders 3'') nimmt an der hergebrachten Lesung der ersten Verse des
14. Venetianischen Epigramms Anstoss und schlägt Aenderungen vor, die aller-
dings die leichtere Verständlichkeit der Stelle für sich hätten, aber nicht im Sinne des
Dichters wären. Ein Blick in den Lesartenäpparat der Weimarer Ausgabe zeigt, dass
Goethe hier schwankte und dass die ersten Niederschriften sowie der erste Druck die
zweite von S. empfohlene Lesung boten. Der Dichter hat also die ursprüngliche Form
bewusst geopfert, und so ist es verfehlt, an der mit Bedacht vorgenommenen Aenderung
zu rütteln. Das verstandesmässig Klare ist nicht immer das Poetische. —
Ueber Goethes Sonette handelt eine Vorlesung des Engländers Tom-
lins on^i). Nach einer Charakteristik des englischen, dann des italienischen Sonetts
kommt er zu Goethe. Richtig hat er den Unterschied seiner in dieser Form abgefassten
Gedichte von denen seiner Vorgänger und Zeitgenossen erkannt, aber er schiesst in
ihrer Beurteilung über das Ziel hinaus. Goethe verwendet die Form des Sonetts auf
eine ganz individuelle und neue Weise. War es, namentlich für die Schlegels und Ge-
nossen, das beliebte Gefäss für didaktisch-philosophische Stoffe, diente es der Reflektions-
poesie, so gewann es Goethe, nachdem er die Scheu vor seiner Verwendung überwvuiden
hatte, vor allem für die Lyrik und zwar für seine eigene, auf Handlung, Begebenheit
gestellte Lyrik. T. aber schliesst aus der Geringschätzung, die Goethe der Form zunächst
entgegenbrachte, sowie aus dem Gegensatz, in den er zu ihren gleichsam berufsmässigen
Handhabern, den Romantikern trat, auf einen durchgehenden satirischen, überlegen
ironischen Gehalt der Sonette, von dem in Wahrheit die 17, den zweiten Band der
Gedichte eröffnenden nur gelegentlich einen ganz leisen Hauch verspüren lassen. Diese
falsche Auffassung hat dann auch zur Folge, dass T. die Rolle des Liebenden verkennt, die
Goethe in dem Cyclus spielt. Nach der allgemeinen Erörterung nimmt der Vf. die
Herzog, Goethe, Grenzen d. Menschheit: ZOG. 42, S. 1068—70. — 29) Julius Schneider, Z. Gedicht ,Wer nie sein
brod mit Thränen ass": GJb. 12, S. 258. — 30) D. Sanders, Z. 14. Venetian. Epigramm Goethes: ZDS. 4, S. 104. — 3\f
181 0. Pniower, Goethes L3rrik. IV 9c: 32-34. rV 9d: 1-8.
Gedichte einzeln durch und fügt eine meist gute Uebersetaung zu. Auch diese Dar-
legungen sind nicht frei von Missverständnissen. 80 ist dem zehnten Sonett fälschlich
ein satirischer Charakter beigelegt, die Terzette des zwölften sind verkannt u. ä. Wäre
der Vf. in die wahren Absichten Goethes eingedrungen, dann hätte er am Schluss das
absprechende Urteil über ihn als Sonettendichter schwerlich gefällt. —
Endlich verschiedene ganz kleine Bemerkungen. Zu den Versen des Liedes
Trost in Thränen: „Die Sterne, die begehrt man nicht . . . ." bringt Sprenger ^2) eine
Parallele aus John Lillys „Campaspe". — Sprenger^) wiederholt lerner (vgl. JBL.
1890 IV 11c: 2(5) die Ansicht, dass Goethe das Schweizerlied aus dem Volksmund
geschöpft, und spitzt sie zu der Behauptung zu, dass „er es ganz entlehnt und sich hier
dieselbe Freiheit wie beim Heidenröslein genommen habe". Zum Beweise führt er an,
dass wenigstens die erste Strophe in einer verwandten Fassung in „Des Knaben Wunder-
horn" vorliege, ohne zu sehen, dass Biedermann, Düntzer und Loeper dies längst bemerkt
und sich damit auseinander gesetzt haben. — Für den „Divan" liegen nur zwei kleine Bei-
träge von C. Siegfried 34) zu den Noten und Abhandlungen vor. Zu S. 81 der Weimarer
Ausgabe wird die inkorrekte Bezeichnung eines arabischen Monats Demazsul Sani
erläutert, dann der S. 84 a. a. 0. von Goethe gebrauchte Ausdruck „Ku - tu" erklärt. —
d. Epos.
Ludwig Geiger.
Epen in Versen: Hermann und Dorothea: Ausgaben und Uebersetzungen N. 1; Einzeluntersaehangen N. 9. —
Achilleis N. 12. — Ewige Jude N. 13. — ProsaerzÄhlungen: Werther N. 14. — Wilhelm Heister N. 18. — Novelle N. 22.
— Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter N. 23. — Wahlverwandtschaften N. 26. —
Von Goethes Epen in Versen das wirklich, um nicht zusagen einzig gelesene
ist und bleibt „Hermann und Dorothea". Es bildet einen wesentlichen Teil der Schul-
lektüre, ja vertritt wohl in den Schulen, in. denen die peinlichsten sittlichen Bedenken
vorwalten und in denen man aus irgend welchen Gründen der gemeinschaftlichen Durch-
nahme von Dramen abgeneigt ist, ausschliesslich Goethes Dichtung. Aus diesem Grunde
erklären sich die massenhaften Ausgaben des genannten Epos, die auch im Berichts-
jahr einen Zuwachs erhielten i-*). Sie einzeln durchzunehmen wäre Zeit- und Raum-
verschwendung. Manchmal sind es unbedeutende Versuche eines Lehrers, der sich auch
einmal gedruckt sehen will und unfähig ist, etwas Eigenes zu produzieren, manchmal
Spekulationen eines Verlegers, der in seiner Sammlung der kommentierten Schriftsteller
unserer Klassiker das vielbegehrte Buch nicht missen will, seltener pädagogische Unter-
suchungen eines Schulmanns, der den rein menschlich vielfach anregenden Inhalt des
Gedichtes Jüngeren klarlegen und lieb machen will. Höchstens für diese pädagogische
Seite, die an dieser Stelle nicht zu berühren ist, kommen die meisten Ausgaben des
Epos in Betracht; für die sogenannte Goethephilologie, füi- die wissenschaftliche Er-
klärung des Textes, für die ästhetische, geschichtliche Würdigung des Werkes, für .die
Quellen, aus denen der Dichter schöpfte, die Personen, die er schilderte, bedeuten sie
keinen Fortschritt. — Auch für eine neue illustrierte Ausgabe ^) und je eine franzö-
sische ^) und italienische '') Uebersetzung genügt der einfache Hinweis. — Eine
specielle Erwähnung dagegen verdient W. T. Hewetts 8) Ausgabe, nicht bloss weil sie
den löblichen Eifer bekundet, der in Amerika unseren Studien entgegengebracht wird,
Charles Tomliuaon, A critical examination of Goethes Sonnets. A leoture. London, D. Nutt 1890. 16 S. — 32) R.
Sprenger, Z. Trost in ThrSnen : ZDÜ. 5, S. 782/3. - 33) id.. Zu Gedichten Goethes. 1. Z. SchweiierUed : ib.: S. 781,'2. — 3«)
C. Siegfried, Zu GoeUies Divan: GJb. 12, S. 259. -
I) Goethes Hermann u. Dorothea. Her. n. bearb. v. G. Hofmeister. (= Sammlang dtseh. Dicht- n. Schriftwerke
fUr höhere Töchterschulen. 15. Bandch.) Leipzig, Teubuer. XIV, 68 S. H. 0,60. — 2) Goethe, Hermann n. Dorothea, liit
ausfuhrt. Erörterungen fUr d. Schulgebrauch u. d. Privatstudium v. A. Funke. 6. Anfl, Paderborn, Scb«ningh. 147 S. M. 1,00. —
3) Goethe, Hermann n. Dorothea. Schulausgabe, bearb. v: L. Sevin. 2. Aufl. Berlin, Reuther. 64 S. — 4) Goethes
Hermann u. Dorothea, erläutert in 100 Dispositionen t. J. Schrammen. (= Erltuterungen zu deatsehen Klassikern. 1. Hefb)
64 S. M. 0,60. — 5) Goethe, Hermann n. Dorothea. Mit 45 lUustr. v. H. Looschen. (= Xllnstr. Klassiker-Bibliothek. 2. Bd.)
Berlin, Bong & Cie. 123 S. U. 2,50. — 6) Goethe, Hermann et Dorothie. Tradaction franfaise par B. L 6vy aneien inspeeteur gönöral de
l'instruction publique. Avec le texte allemand et des notes. Parts. Hachette. 160. IV u. 187 S. Fr. 1,50. — 7) Shakespeare,
Otello, La tempesta e Goethe, Arminio e Dorotea, trad. d. A. Maffei. Firente, Succ. le Monier. L. 4,00. — 8) J. W. v. Goethe,
Hermann u. Dorothea, ed. with introdnetton and notcs, by W. T. Hewett. (JBL. 1890 11 d : 15) Boston, Heath. L, 243 S.
IV 9d: 9-13. L. Geiger, Goethes Epos. 182
sondern weil sie sich durch volle Beherrschung des Materials auszeichnet. Bei dem
Texte wurde die Ausgabe letzter Hand zu Grunde gelegt, doch über Interpunktion und
Orthographie freier geschaltet. In Einleitungen und Anmerkungen, die den Text um
das Doppelte überragen, werden sowohl Schreyers Textuntersuchungen verwertet als
nach den erst in den letzten Jahren erschienenen Briefen und Tagebüchern die Ent-
stehung des Werkes schrittweise verfolgt und die allmähliche Textgestaltung aufgezeigt.
Alles, was von einer derartigen Ausgabe zu fordern ist: Darlegung der Quellen, Biblio-
graphie, Wortverzeichnis wird in erwünschter Art geboten. Auch die eigentlichen
Anmerkungen, die für den Lehrer und den Gelehrten bestimmt sind, enthalten in
reicher Fülle sprachliche, geschichtliche Erklärungen, auch viele Parallelstellen aus
Schriften Goethes und aus älteren und neueren Autoren, nicht alles gerade zum Ver-
ständnis notwendig aber willkommen, das Ganze weniger ein Zeugnis von Scharfsinn
und Selbständigkeit des Herausgebers, als von seiner grossen, keineswegs aufdringlichen
Belesenheit. —
Auch Einzeluntersuchungen über die Dichtung wurden angestellt. Während
Draheim^o) ziemlich überflüssiger Weise den Pfarrer der Dichtung charakterisierte
und darthat, dass in ihm die Bedeutung des geistlichen Berufs gewürdigt werden sollte,
zeigte Löbell^^) recht ansprechend, dass Goethe, der ja Einzelheiten zur Ausstaffierung
seiner Helden von den verschiedensten Seiten zu nehmen sich nicht scheute, gar manche
in der Charakteristik Hermanns vorkommende Züge, wie seine Neigung zum Landbau,
auch einzelne Erlebnisse, z. B. seine Kränkung im Hause des Kaufmannes aus J. H.
Mercks „Geschichte des Herrn Oheim" entlehnt habe. —
Nur mittelbar wurde ein anderes Epos, die „Achilleis", gestreift. Schreyer^^)
nämlich, der das Bedürfnis fühlt, neben seinen Untersuchungen Goethescher Dichtungen,
auch die in ihnen, namentlich in den nur fragmentarisch erhaltenen Stücken behandelten
Stoffe nach- und auszudichten, Hess seiner früher veröffentlichten und mehrfach mit
Erfolg aufgeführten „Nausikaa" ein Drama folgen, das einem Abschnitte aus dem Leben
des Achilles gewidmet ist. Bei dieser Gelegenheit lag es ihm nahe, die verscliiedene
Art zu beleuchten, in der Achilles bei Homer und bei Goethe erscheint. Doch sind
die Bemerkungen über die „Achilleis" etwas kahl: eine Analyse des ersten Gesangs,
keine Würdigung; nur ein kurzer Hinweis auf die damals bekannte Notiz (Goethejahr-
buch 8, S. 2G9) über das im Goethe- und Schiller-Archiv erhaltene Schema. —
Paul Hoffmanns^^^ Untersuchungen über den ,, Ewigen Juden" betreffen ein
wenig berührtes Gebiet. H. zeigt, dass der in „Dichtung und Wahrheit" mitgeteilte
Entwurf (1814) des Gedichts in seinen diei Teilen als hauptsächlichste, ja fast aus-
schliessliche Quelle das deutsche Volksbuch benutzt, ausgenommen natürlich für die Wan-
derungen des Juden, z. B. das Zusammentreffen mit Spinoza, dass für einige Einzel-
heiten vielleicht die in Frankfurt lebendigen Traditionen, für die Charakteristik des
Schusters Goethes Erlebnisse bei dem Dresdener Schuster einflussreich gewesen sein
mögen. H. will ferner darthun, dass das erhaltene Fragment im wesentlichen jenem
Entwurf entspreche, die „hervorstechenden Punkte der Religions- und Kirchengeschichte"
darzustellen. Zu diesem Zwecke deutet er sehr geistreich die Fragmente 2 — 6 auf
Chiliasten, Ketzer, das kleine Fragment „0, Freund, der Mensch ist nur ein Thor, Stellt er
sich Gott als seines Gleichen vor" auf Jung-Stilling. Doch vermag die Beweisführung nicht
völlig zu überzeugen : es scheint fast unmöglich, dass ein 1774 gefasster und rasch,
wenn auch nur fragmentarisch ausgeführter Plan dem Dichter noch 1814 deutlich vor-
geschwebt haben soll, um so weniger, als die Briefe Goethes auf den Plan gar nicht
eingehen: ein Zeugnis dafür, dass die Sache für ihn nur ein flüchtiger Einfall war, ihn
aber nicht dauernd und innerlich beschäftigte, als ferner die beiden anderen Erwähnungen
des Plans 1788 (Italienische Reise) und 1830 („Annalen") wesentlich davon abweichen.
Als Enlstehungszeit des Fragments wird gegen frühere Annahmen, die Lavater (also vor
23. Juni 1774) bei seinem Besuche in Frankfurt zum Leser des Stücks machen wollten,
da^ spätere Frühjahr (etwa Mai) 1775 erwiesen, während der Plan in die Zeit der
Trennung von der Brüdergemehide ins Jahr 1774 falle. Den Grund für die Unterbre-
chung der Arbeit sieht H. mit Recht darin, dass die krankhafte Stimmung, aus der das
Gedicht entstand, mit der Uebersiedlung nach Weimar gewichen war. H.s Untersuchung
ist geistreich und gewährt schöne Aufschlüsse; zu vollkommen gesicherten Ergebnissen
wird man bei diesen abgerissenen Fetzen,, die meist aus sich selbst erklärt sein wollen,
schwerlich gelangen. —
M.4,00. |[NYCriticl6, S. 366;A. Ch[uquet]: RCr. 32, S. 463.]| - 9) X B- Kade, Linsenbarth, D. örtlichkeit in Ooethes Hermann
u. Dorothea: ib., u. Tb. Werther, Z. Entstehung v. Goethes Hermann u. Dorothea: ZDU. 5. — 10) H. Draheim, Zu
Goethe u. Schiller: ib. S. 557—60. — II) R. LöhelJ, Z. Kapitel: Goethe o. grosser Nehmer, Goethe u J. H. Morck:
ib. S. 770/5. — 12) H. Schreyer, D. Hochzeit d. Achilleus. Drama. Nebst e. Anhang: Achilleus bei Homer u.
Goethe. Gütersloh, Bertelsmann. 160 S. M. 1,60. j [F. K u m m e r : BLU. S. 708/9.] | (D. Anhang v. S. 127-47; ,v. S. 149 au
'obendeRecensionen frUhererWerko ! 1) — 13) P a u 1 Uot'fmann, Untersuchungen über Goethes ewigen Juden : VLG. 4, S. 116— 52.
Ih:{ L. Geiger, G<.of]«< E^ok. IV 9d: u-2ft.
Unter den Prosacrzahlungcii bleiben „Werthers Leiden" die, welche am
meisten besprochen wird. Das Berichtsjahr lieferte fieilich nicht viel Erhebliches.
Der früher schon erwähnte Roninn von Osknr Klein wurde wegen seiner bis ins Einzelste
gehenden Nachahmung des Goethewchen Romans als „ein der Komik nicht entbehrendes
Muster von Nacliempfindnng" bezeichnet '^■^'^). — Eine ältere, den Roman behandelnde
Ajbeit von Gnad'^) wurde mit anderen Goetheanfsiitzen desselben Vf. neu aufgelegt. —
Die vollständige Abhängigkeit der „Letzten Briefen des Jacopo Ortis" L'go Foscolos
von Goethes Roman wurde von Marcus Landau'^) auf Grund seiner früheren Unter-
•suchung als völlig erwiesen behauptet gegen Th. Tiemann, der nur von einem merk-
würdigen Zusammentreffen beider Dichter gesprochen hatte. —
Die bekannte englische ITebersctzung „Wilhelm Meisters", die Th. Carlyle i*-**)
vor mehreren Jahrzehnten lieferte, wurde in zwei verschiedenen Ausgaben neugedruckt,
die eine mit einer Einleitung des geistvollen und kenntnisreichen E. Dow den, dem
Neudruck einer 1885 erschienenen und deswegen hier nicht zu beurteilenden Arbeit. —
Einzelne Urteile des freilich sehr jugendlichen Lassalle in dessen von P. Lindau 20)
mitgeteiltem Tagebuch sind deswegen interessant, weil sie die wunderbare Frühreife
(los dem Knabenalter kaum Entwachsenen bekunden, der sich „bis auf einige Ab-
weichungen" im „Meister" geschildert sah, wie jener vor dem Scheidewege stand, die
Kunst lassen xnid sich ein Gewerbe wählen musste. — Die Studie Prodniggs^i) gehört
nur mittelbar in diesen Znsammenhang, da sie nur im Anschluss an den Goetheschen
Roman Schlegels Romantheorie und die Definition der romantischen Poesie in den
Fragmenten des „Athenäums" behandelt. Da sich in einem der folgenden Bände der
JBL. .Gelegenheit finden wird, ausführlicher fiber den Einfluss des „Wilhelm Meister"
auf die Romane und Romantheorie der Romantiker liberhaupt zu haiideln, so sei hier
nur auf die zwei Hauptsätze der Schrift hingewiesen: 1) Der „Meister" sollte der Vor-
bote und das Gesetzbuch für eine neue Art von Poesie sein; 2) Die in Jena vereinten
Angehörigen der neuen litterarisclu n Schule fanden in dem genannten Romane ihre
Welt wieder. —
DerNeudruckvonGoethes„N ovelle"'--) verdient höchstens deshalb eine Erwähnung,
weil er zeigt, dass unsere Industriellen bestrebt sind, den Benutzem der Automaten
ausser Schokolade und gebrannten Mandeln für zehn Pfennige auch eine gesunde geistige
Nahrung darzubieten. —
Mit den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter" beschäftigten
sich Meyer von Waldeck'-'') und R. Steiner^*). Jener ging wieder auf die bekannte
Abhängigkeit der dritten und vierten Novelle von Bassompierres Memoiren ein, wollte
aber die früher geäusserte Bemerkung nicht gelten lassen, dass es sich dabei um eine
wörtliche Uebersetzung handle, sondern wies für einzelne Stellen nur eine geschmack-
volle Benutzung nach. Dieser versuchte eine neue Deutung des oft genug schon
unglücklich behandelten Rätsels. Seine Formulierung geht dahin, das Rätsel wolle das
Problem lösen, dem Schiller in den „Briefen über ästhetische Erziehung" sich zu
nähern versuche, nämlich die Frage: „Wie kommt der von Gesetzen der Natxir und
des sinnlichen Daseins beherrschte Mensch zu. jenem höchsten Zustande, wo er der vollen
uneingeschränkten Freiheit teilhaftig sein kann." —
Ueber die „Wahlverwandtschaften" gab D. Sanders 25) eine Fortsetzung
seiner JBL. 1B90 IV 11 d : 24 charakterisierten Anmerkungen: auch diese neuen Beiträge
sind nur grammatische Fingerzeige eines sehr belesenen Fachmannes. —
— 14-15) Oscar Klein, Öchinerzliche Wonnen (1890 IV lld : 16): KZg. v. 3. Jan. — 16) X E- Gnad, Litterarische Esm;«.
2. Terra, n. verb. Aufl. Wien, Konegen. IV, 37.5 S. 51.5,00. (S. 1—176 enthalten fUnf Goethe- AufsXtte Ober Lyrik, ,T»sgo'.
„Egmont", „Faust'' nebst d. hierher gohnrigen „Briere an Lotte n. Werthers leiden*.) — 17) Maroas Landau,
Th. Thiomann, Dtsch. Kult. u. Litt, im Lichte d. zeitgen. ital. Kritik (1888): ZVLR. NF. 4. S. 2M/N — M) X J- W.
V. Goethe, Wilhelm Meisters Apprenticoship and Travels. Trans, by Thomas Carlyle. Chicago, Clary t Co.
M. 6,00. — 19) Ooethes Wilhelm Meisters Apprenticeship and Travels. Transl. by Thomas Carlyle. With critioal intro-
duction by Edward Dowden. Edited with notes by Clement King Shortor London, Stott. 2 Bde. 12«. 880 S.
Sh. 5,20. (Dowdens iStudie erschien ursprünglich in d. Quartnightly Review 1885, Juni.) — 20) F. Lassalle, Tagebuch, her. r. Fan 1
Lindau: N&S, Mai, S. 184-211. (Vgl. o. IV 1. Enthält auch einzelne Urteile Über .Clavigo* n. .WahlverwandtachafUn".) — 21) H.
Prodnigg, Goethes Wilhelm Meister «. d. ästhetische Doctrin d. alteren Romantik. (— XL. Jahresber. d. steierm. Laade»-
oberrealsthule. Graz.) (Vgl. u. IV 11: 4) — 22) Novelle v. J. W. Goethe. Lahr, Schauenburg. 64*. 63 S. M. 0,10. (N»ch d.
Novelle folgen noch: Erlkönig, D. getreue Eckardt. Zauberlehrling.) — 23) F. Meyer ron Waldeck, D. Memoiren d. Mar-
schalls T. Bassompierre u. Goethes Unterhaltungen dtsch. Ausgewanderten: ASNS. 87, S. 252/5. — 24) R. Steiner,
Geheimnis in Goethes Rittselmitrchen in d. Unterhaltungen dtsch. Ausgewanderten: ChWGV. S. 44. — 2S) D. Sanders,
Sprachliche Anmerkungen zu d. 2. Teil t. Goethes „Wahlverwandtscbaften" bis (. Novelle. 40blnd. Ausg. 15, S. 151—242:
ZDS. S. 389-93, 429—34, 445/8. —
IV 9e: 1-8. G. Witkowski, Goethes Drama 184
e) Drama.
Georg Witkowski.
Gesamtdarstellungen und Ausgaben N. 1.. — Die Laune des Verliebten und Die Mitschuldigen N. 11. — Giilz
N. 16. — Satyros N. 25. — Clavigo N. 26. — Stella N. 28. — Die GescLwister N. 31. — Der Triumph der Empfindsamkeit
N. 32. — Singspiele N. 34. — Elpenor N. 38. — Egmont N. 40. — Iphigenie N. 46. — Tasso N. 59b. — Der befreite Pro-
metheus N. 69. — Mahomet, Tankred N. 70. — Die natürliche Tochter N. 72. — Romeo und Julia N. 73. — Die Wette N. 74.
— Faust: Allgemeines N. 75; Quellen N. 107; Urfaust N. 109; Erster Teil N. 115; Zweiter Teil N. 122. —
Goethes dramatische Thätigkeit hat noch keine Gesamtdarstellung gefunden;
es liegen bisher nur dürftige Versuche von Düntzer und Hasper i) über diesen
Gegenstand vor. Um so zahlreicher und in fast bedenklichem Masse anwachsend ist
freilich die Litteratur, die sich mit den einzelnen dramatischen "Werken Goethes be-
schäftigt, insbesondere mit dem „Faust". Neue Anregung erhalten diese Studien wie
alle Goethe betreffenden durch die Weimarer Ausgabe, die im Berichtsjahr uns wieder
einen Dramenband -) gebracht hat. Der Grundsatz, die Anordnung der Ausgabe letzter
Hand beizubehalten, zeigt hier seine bedenklichen Konsequenzen. Denn es sind in
diesem Bande wie im siebenten der Vorlage eine Reihe sehr verschiedenartiger Bühnen-
stücke vereinigt: die beiden frühesten Lustspiele (1768/9), die „Geschwister" (1776), die
„Wette" (1812), die Bühnenbearbeitung von ,, Romeo und Julia" (1812), „Mahomet"
(1800) und „Tankred" (1801). Die „Wette" und „Romeo und Julia" sind zu dem alten
Bestände neu hinzugekommen. — Unmittelbar durch die neu erschlossenen Schätze des
Goethearchivs angeregt ist eine umfangreiche Schrift Düntzers ^). Seinen Standpunkt
gegenüber dem „nicht immer geistreiclien Spiel" der sog. Goethephilologie bezeichnet er
als den der besonnenen, nüchtern-klaren, auf lebendigem Innern Verständnis beruhenden
Untersuchung, was man mit Ausnahme der zuletzt genannten Eigenschaft wohl als
richtig anerkennen kann. — Tür die Sprachtechnik Goethes, soweit sie von antiken
Mustern beeinflusst ist, hat Olbrich *) gutes Material zusammengetragen, ohne den
tieferen Gründen der Erscheinungen nachzugehen. Woher kommt es z. B., dass der
griechische Einfluss fast nur in der dramatischen und epischen Dichtung hervortritt, in
der Sprache der Lyrik aber gar nicht, abgesehen von den frühen, Klopstock und Pindar
nachahmenden freien Rhythmen? — Die merkwürdigen Aeusserungen Grillparzers über
das Historische im ,, Egmont" (S. 4,6), über den Schluss des ,, Tasso", der ihm zu epi-
grammatisch erscliien (S. 22) macht Eoglar 5) von neuem bekannt. ^) — Für die Wir-
kungen der Goetheschen Stücke auf der Bühne bietet das an anderen Stellen der JBL.
allgemeiner besprochene Buch C. A. H. Burkhardts '') wichtige Belege. Es wurden unter
Goethes Direktion in Weimar 22 (nicht 20) seiner Stücke in 246 Auffülirungen gegeben
und zwar „Claudine von Villa Bella" (in Vulpius' Umarbeitung 1795, einmal), „Clavigo"
(1792—1809, neunmal), der „Bürgergeneral" (1793—1805, 16 mal), der „Gross-Cophta"
(1791/2, viermal), die „Geschwister" (1792 6, neunmal), die „Laune des Verliebten"
(1805—10, neunmal), die „Mitschuldigen" (^805—16, 28mal), die „Natürliche Tochter"
(1803/7, siebenmal), „Egmont" (1796—1816, 21 mal), des „Epimenides Erwachen" (1816,
dreimal), „Götz von Berlichingen" (1804 — 13, 15 mal), „Jery und Bätely" (1804 — 16,
25 mal), „Iphigenie" (1802—15, 22 mal), „Mahomet" (1800—17, 13 mal), „Paläophron und
Neoterpe" (1803, einmal), „Proserpina" (1815, viermal), ,.Romeo und Julia" (1812/6,
neunmal), „Stella" (;i806— 15, 14mal), „Tankred" (1801—14, 16mal), „Torquato Tasso"
(IWl — 13, 14mal), „Was wir bringen" (1802, viermal, 1814, zweimal). — Das Deutsche
Theater in Berlin veranstaltete im November einen Goethecyclus, der zweimal wieder-
liolt wurde. Er umfasste in acht Abenden „Stella", die „Mitschuldigen", „Götz", ,, Ge-
schwister", „Clavigo", „Tasso", „Egmont", „Iphigenie", „Fangt I und II" ^-ö). Die Kritik
tadelte die Auslassung der ,, Natürlichen Tochter", des ,,Biirgergenerals" und des „Jahr-
marktfest zu Plundersweilern" und die Unzulänglichkeit des Personals für die Dai'-
stellung einer Anzahl von Hauptrollen. In der „Stella" wurden schlimme Lücken im
Text bemerkt. Stellas nächtlicher Monolog war verstümmelt, das wiederkehrende Motiv
1) L. Hasper, Goethe als Dramatiker, 1889: DDichtung 10, S. 79. — 2) Goethes Werke. 9. Band. Weimar, Bölilau.
IV, 521 S. M. 4,00 [|BLU. 1892, S. 755; M. Koch: BFDH. NF. 8, S. 288.]| ^Vgl. d. Beraerkgn. d. Herausgeber GJb. 13,
S. 262/7.) — 3) H. Düntzer, Z. Goetheforschung. Neue Beitrr. (s. o. IV 9b : 86) S. 1—25 Goethes „Befreitor Prometheus;
S. 143—52 Zu Goethes „Natürlicher Tochter"; S. 153—98 D. Göchhausonsche Abschrift v. Goethes „Faust*; S. 246—313 D.
Entstehung d. beiden ersten Akte d. 2. Teiles d. „Faust" bis z. „Klass. Walpurgisnacht"; S. 314—79 D. Entstehung d. beiden
letzten Akte d. 2. Teiles d. „Faust". — 4) (I 8 : 27 = IV 9a : 115.) — 5) A. Foglar, Grillparzers Ansichten über
Litt., Bühne u. Leben. 2. u. verm. Aufl. Stuttgart, Göschen. VI, 71 S. M. 1,80. — 6) X H. Unbescheid,
Boitr. z. dramatischen Lektüre. S. o. I 7 : 14. |[M. Koch: BFDII. NF. 7, S. 438.]| (Zergliederung v. „Clavigo", „Egmont",
„Tasso", „Iphigenie".) — 7) (.IV 5 : 68 = IV 9a : 7.3.) — 8) M. H[arden], Stella. D. Mitschuldigen (Deutsches Theater):
18» G, Witkowski, Goethes Drama. IV 9e: »-w,
des Ternandobildes ausgetilgt. Das Trauerspiel von 1805, nicht das „Schauspiel für
Liebende" wurde gegeben. '<*) —
Ffir die „Laune des Verliebten" konnte der Bearbeiter, Roethe"), die einzige
vorhandene Hs. benutzen, die jedenfalls vor dem G. März 1805 entstanden ist Ihre
wichtigste Abwoiclmng von dem früheren Text besteht in vier bisher unbekannten
Versen iiacli v. 425, die später gestriclven wurden, weil sie der dargestellten Situation
durcliaus nicht angemessen sind. Ausserdem wäre nur noch eine scenische Bemerkung
vor V. 424 als Vermehrung des Textes hervorzuheben. — Für die „Mitschuldigen" ver-
wertete F. Schnorr von Carolsfeld^^) ^um ersten Male die früher im Besitz des Dresdener
Regiorungsrats Wenzel befindliche Hs., von der man bereits durch Erich Schmidts
Nachrichten einige Kenntnis hatte. Sie trägt die Jahreszahl 1769 und umfasst nur den
IL und III. Aufzug der späteren Bearbeitungen, zusammengezogen in einen Akt, der
15 Auftritte zählt. Diese entsprechen den sechs Auftritten des zweiten und den zehn
des dritten Aufzugs der Plirzelschen Hs. mit der Abweichung, dass III, 1-2 nur eine
Scene bilden, weil der Eingangsmonolog des Wirts auf wenige Verse beschränkt ist
Die Abweichungen des Textes sind nicht so erheblich, wie man früher wohl annehmen
mochte. Das Wichtigste hat Erich Schmidt schon mitgeteilt; hinzuzufügen wäre nur noch,
dass in v. 537 if. Russen und Türken später die Rollen getauscht haben und dass v.
<>7fi auf den Grafen von Traventhal angespielt wird: so nannte sich Christian VII. von
Dänemark auf seiner Reise 17(58. Ganz anders gefasst sind die Versreihen 348 — 5(),
859— G9, 379—81, 383/G, 539—59, 571/2, 593/8, 859— Gl, 907—33, 9G5— 70, und zwar
durchweg wesentlich kürzer. Eine weitere interessante Hs. des Stückes, die hier eben-
falls zum ersten Male verglichen wurde, ist das Manuskript von 1783 (?), das eine grosse
Reilie von Korrekt\iren Herders zeigt. Aus ihnen geht hervor, mit welcher Sorgfalt er
sich der Vorbereitung der „Schriften" annahm; zugleich erkennt man, dass Goethe
Herders Aenderungen teils beibehalten, teils in demselben Sinne weitergeführt hat. —
Nachtraglich hat Suphan^-^) noch weiteres Material zur Textgeschichte aus Bemerkungen
beigebracht, die Goethe eigenliändig in ein Exemplar von S eingetragen hat. Sie waren
zum Teil bestimmt, dem Stücke 1805 bei der Auiführung erhöhte Aktualität zu ver-
leihen. — M. M. A. Schröeri*) hebt gelegentlich einer Vergleichung Mario wes und
Shakespeares (S. 98. 103) hervor, dass wie bei diesem ebenso auch bei Goethe, schon
in den „Mitschuldigen", die dichterischen Gestalten keine abstrakten Typen, sondern
wirkliche Menschen seien, dass ein leitender Zug beider in der Toleranz und in der
Vorstellung von der Unklarheit der Grenze zwischen gut und böse bestehe. — Max
Koch^^) möchte die Hirzelsche Hs. später als 17G9 ansetzen, da er die Anspielung auf
den Kometen von diesem Jahre nicht für beweisend hält. Indessen sind doch mit
Rücksicht auf Goethes dramatische Entwicklung in der unmittelbar folgenden Zeit und
auf die Herkunft der Hs. aus dem Besitz der Friederike Brion die ersten Strassburger
Monate als Entstohungsgrenze festzuhalten. —
F. Winter und E. Kiliani*"') bringen Neues, aber nicht sehr Förderndes zur Bühnen-
geschichte des ,,Götz". W. behandelt die erste Aufführung in Hamburg. Er wiedei'-
holt im Eingang die bekanntesten Thatsachen aus der Geschichte des Dramas und
druckt dann eine Reihe von gleichzeitigen Zeugnissen ab: die Recensionen aus dem
„Wandsbecker Boten" (vom 2. und 3. Juli 1773; die eigentliche Bespreclmng ist schon
bei Redlich, Claudius-Nachlese S. 28 f. wiederholt), dem „Hamburgischen Correspon-
denten" vom 21. Juli, der „Hamburgischen Neuen Zeitung" vom 20. August, dann die
Ankündigung, die zwei Tage vor der ersten Aufführung in der „Hamburgischen Neuen
Zeitung" erschien, schliesslich das Scenarium Schroeders, das 20 Seiten umfasst. Recht
äusserlich wird die Hamburger Bearbeitung mit dem Original verglichen, fiir weitere
Parallelen wird der Leser auf die allbekannte Litteratur verwiesen. Den Schluss bildet
der unnötig vollständige Abdruck von zwei Recensionen und die kurze Erzählung der
weiteren Scliicksale des ,,Götz" in Hamburg nach Schütze, Meyer und Ulide. Ver-
dienstvoller ist K.s Arbeit. Die erste Aufführung des „Götz" in Wien fand am 13. März
1810 im ,, Theater an der Wien" statt, vierzehn Tage nachdem das „Käthchen von
Heilbronn" an derselben Stelle zuerst auf der Bühne ersclrienen war. Das Burgtheater
brachte den „Götz" erst am 11. März 1830 in Schreyvogels Bearbeitung, die im ganzen
fünfmal bis zum G. Jan. 1833 gegeben wurde. Sie ist auf Grund der ersten Ausgabe
(1773) selbständig von Schreyvogel verfasst: der Bearbeiter billigte also wohl Goethes
eigene Bühneneinrichtung nicht. K. giebt ein genaues Scenarium des Wiener Textes
GegenM-. 40, S. 331. — 9) M. Kent, Deutsches Theater: Stella. D. Mitschuldigen: NationB. 9, S. 105/7. — 10) X O- Carel,
Friedwagner, Goethe als Corneille-t^Prsetier (1890 IV lle : 3): ZFSL. 2, S. 58. - II) S. o. N. 2. — 12) S. o. N. 2. — O) B
Suphan, d. Mitschuldigen: GJb. 13, S. 262/3. - 14) M. M. A. SchrOer, Ober Titos Andronicus. Z. Kritik d. neuesten
Shakespeareforschung. Marburg, Elwert. VI, 140 S. M. 3,20. — 15) M. Koch: BFDH. NF. 8, S. 288. — 16) F. Winter u.
E. Kilian, Z. HUhnengesch. d. Götz v. Berlichingen. (— Theatergesch. Forschungen her. t. B. Litimann 2.) Hamborg u.
Leipzig, Voss. 99 S. M. 2,40. ilW. Un.: AZ". N. 192; M. Koch: BFDH. NF. 8, S. 287; A. ▼. Weilen: DLZ. 13, S. 697;9.]|
IV 96 : 17-32 G. Witkowski, Goethes Drama. 186
mit Anführung aller Zusätze. Die Reihenfolge der Scenen ist gegenüber B verschoben,
textliche Aenderungen und Striche, abgesehen von Kürzungen aus praktischen Gründen,
sind ausschliesslich durch den Druck der Wiener Censur veranlasst. Schreyvogel hat
sich nach Kräften eigener Zuthaten enthalten und keinen Eingriff in die Handlung und
die Oekonomie des Stückes versucht. Die 50, richtiger 56, Verwandlungen sind auf
siebzehn herabgemindert. K. giebt den Theaterzettel der ersten Aufführung, den
hübschen Prolog Schreyvogels und eine- Gelegenheitseinlage bei. — Ueber eine weitere
Hs. des Stückes die sich in Karlsruhe befindet, liefert ebenfalls Kilian i'') Nachricht
Sie ist eine stark gekürzte Abschrift der Mannheimer Regie- Hs., die bis 1849 in Karls-
ruhe in Geltung blieb. — Sprenger i^) führt die glückliche Deutung des in die Herde
einfallenden Wolfes (I, 3) auf alten und noch bestehenden Aberglauben zurück. —
Bender 19) erklärt in II, 9 die Stelle „Ihr besitzt sie ohne Recht, ich schenkte sie
einem Andern auf Lebenslang" (Weim. Ausg. 8, S. 74, 14 f.) richtig dahin, dass der
„Andere" das Idealbild sei, das sich Adelheid von Weisslingen gebildet hatte. — Heuwes^o)
stellt V, 14 „Die Welt ist ein Gefängnis" zusammen mit Hamlet II, 2: „Dänemark ist
ein Gefängnis ... So ist die Welt auch eins". — Y. Winter 2i) macht es wahr-
scheinlich, dass die Auskunft auf die Frage: ,, Welche Hand Götzens v. Berlichingen
eisern gewesen?" (im ,, Wandsbecker Boten" vom 14. Jan. 1774) von Goethe verfasst sei^s). ,
— Vor dem Gebrauch der Schulausgabe des „Götz" von Uellner^s) müssen wir
ernstlich warnen, da die Zuthaten des Herausgebers ebenso unzuverlässig wie ärmlich
sind. Es ist kaum zu begreifen, dass jemand die Verwegenheit haben kann, Schülern
höherer Lehranstalten eine Tabelle über Goethes Leben darzubieten, wie sie hier auf
den letzten zwei Seiten enthalten ist. ^) —
M. M. A. Schröer25) glaubt, die Annahme, dass Herder zu der Gestalt des
Satyr OS Modell gesessen habe, sei nicht mehr zu bestreiten. Das gewaltige, offenbarende
Prophetentum Herders konnte für Goethe, der für die Behandlung eines falschen
Prophetentums prädisponiert war, in dieser Richtung fruchtbar werden. Ausser Herder
hätte die Vorstellung anderer Persönlichkeiten, namentlich Basedows, mitgewirkt. —
Auch „Clavigo" wird von Ch. Semler 26) mit einem seiner phrasenhaften Auf-
sätze bedacht, deren gemeinsames Attribut das Wort „Weltanschauung" in der Ueber-
schrift ist. Als Goethes Ziel bezeichnet es S., „seine Zeitgenossen der krankhaft ge-
wordenen Innerlichkeit und der formlosen Kleinbürgerei zu entreissen und sie dem
äusseren Leben (!) zu gewinnen". Als Beweis dafür betrachtet er „das kleine Trauer-
spiel" Clavigo, Carlos ist ihm „wohl der am meisten dramatische Charakter, welchen
Goethe geschaffen", der wahre Mensch, Faust und Mephisto in einer Person. In
Bismarck ward Fleisch und Blut das willenstarke Denken, wie es Carlos beseelt. —
Magnussens 27) dänische Uebersetzung des „Clavigo" ist getreu bis auf die Unterdrückung
einiger zu starker Stellen mit Rücksicht auf die Bühne. —
Hei big 28) verfolgt kurz die historische Ueberlieferung des Stella -Problems in
der Gleichensage bei Sagittarius, Peccenstein, Melisantes, Olearius, in der Thüringer
Chronik von 1741. Die Uebertragung des Problems ins Leben fiindet sich zuerst bei
Swift. „Stella" ist noch mehr als durch diesen durch F. Jacobis Beziehungen zu Johanna
Fahimer beeinflusst, die im Anschluss an Urlichs dargelegt werden. Lewes' schiefes
Urteil über den ersten Schluss wird wiederholt. Als Gegenstück zu „Stella" ist Jacobis
„Woldemar" entstanden. Goethe hat später selbst die Rolle des Grafen von Gleichen
zwischen Frau v. Stein und Christiane gespielt. — Cornish2&) behauptet fälschlich auf
Grund der Notiz Tagebücher I, S. 11, dass Stellas Monolog in Leipzig am 25. März
1776 geschrieben sei. — Eine bei Braun fehlende Recension der „Stella", verfasst von
Westenrieder nach der Aufführung in München, druckt Max Koch^O) (S. 42/3) ab.
Westenrieder nennt das Stück einen poetischen Beweis, dass die Vielweiberei des Herzens
möglich sei. Er könne, so erklärt er, es nie ohne Schauder sehen, es besitze aber auf
der poetischen Seite grosse Verdienste. In München habe man einmal die Stella sterben
lassen (also Goethes späteren Schluss schon vorweggenommen); später musste sie in
ein Kloster gehen. Die Philosophie der Bühne fordere die Aufopferung der Leiden-
schaften für das Wohl und Wehe der Gesellschaft. Westenrieders Recension des
„Clavigo" wird von K. nur erwähnt (S. 23), obwohl sie ebenfalls bei Braun fehlt. —
Den Text der „Geschwister" hat M. M. A. Schröer ^i) auf Grund der zur Ver-
— 17) E. Kilian, E. Karlsruher Hs. d. ersten Goethesehen BUhnenbearbeituug d. Götz: AZG". N. 211. — 18) R. Sprenger,
Zu Götz V. Berlichingen: ZDU. 6, S. 56. ^Vgl. JBL. 1890 IV 11 e : 11.) — 19) F. Bender, Zu Goethes Götz v. Berlichingen:
ib. S. 136/8. — 20)H6uwes, E. Reihe älinlich lautender Versstelion: ib. S. 647/9. — 21) F. Winter, Goethes Anteil am
Wandsbecker Boten: VLG. 4, S. 513-28. — 22) X F- Kummer, 0. Devrient, Goethes Gottfried v. Berlichingen: BLÜ. S. 102.
(„Kathedereinfall".) — 23) (I 7 : 60.) — 24) X Bindewald, Goethes Götz, her. t. Heuwes (1890 I 7 : 71): COIR. S. 151.
— 25) S. 0. N. 14, S. 100/3. — 26) C. Semler, Carlos in Goethes Clavigo u. d. Weltanschauung d. Neuzeit: ZDU. 6,
S. 817-22. - 27) Goethe, Clavigo. Oversat af Joh. Magnussen. Kopenhagen, Schou. 70 S. — 28) (IV 4 : 124.) —
29) F. F. Cornish, D. junge Goethe: PublEnglGoetheSoc 6, S. 22—61. — 30) M. Koch, Über L. v. Westenrieders schOn-
wissenschaftl. Thatigkeit. S. JBL. 1890 IV 6:19. - 31) S.O.N.2.-32) A. Dietorich, Sohlafscenen auf d. attischen BUhue:
187 G. Witkowski, Goethes Drama. IV 9e: 88-38.
l'üguiig stehenden drei Hss. wesentlich verbessert und vermehrt. Die genaue Zusaramen-
stelhing seiner Aenderungen ist im Goethejahrbuch 13, 8. 263 zn finden. Besondere
Ei-wähnung verdient der eigentümliche alte Ausdruck aller Hs. „wenns an (ans) Bund-
riemon kam", der sonst bei Goethe und seinen Zeitgenossen nicht nachgewiesen ist
und in den Drucken durch einen moderneren ersetzt wurde. —
A. Dietorich^2) fand zufällig, dass im „Triumph der Empfindsamkeit" die
Verse, die Merkulo im 2. Akt gegen den Scliluss singt: „Du gedrechselte Laterne —
mildesten Glanz" aus Aristophanes, Ekklcsiazusen v. 1 ff. übersetzt sind. In dem
folgenden Dialog ist aber, was D. nicht erwähnt, ausdrücklich bemerkt, dass die Verse
aus dein Griechischen stannnen. — A. Köster-'^) weist auf „Proserpina", die Kerkerscene
im „Egmont", Orests Tartarusvision als Beispiele für die Verbindung von Musik und
gesprochenem Text hin. —
Auch den Singspielen gelten einige Mitteilungen. Wichmann ^) giebt ein an-
regendes geselliges Gespräch über Goethes Operntexte mit Anführung von Goethes
Urteilen über fremde Arbeiten wieder; u. a. hat er das Sujet des „Freischütz"
gelobt. — Eine gründliclie Arbeit über „C-laudine von Villa Bella" hat Kippenberg ^6)
geliefert. Er setzt die erste Bearbeitung mit Strehlke bis in den Oktober 1773 hinauf
und stützt sich dabei auf die frühere falsche Datierung des an Kestner gerichteten
Briefes von Weihnachten 1773 (s. VLG. 4, S. 511), der sich nur auf „Claudine", nicht
auf „Erwin" beziehen lasse. Auch die Bekanntschaft mit Andre 1773 wird für die Ent-
stohuugszeit des Werkes angeführt. Die Quelle, jedenfalls ursprünglich spanisch, ist
nicht nachzuweisen. Der Stoff ist Goethe durch französische Vermittlung als Novelle
oder als Operette zugekommen. Der Zusammenhang mit der Don Juan-Sage (Wilmanns)
wird abgelehnt, höchstens könnte die Fassung bei Goldoni „Don Giovanni, ossia il disso-
luto punito" in Betracht kommen, weil hier in einer Scene Don Juan einer Geliebten
den Dolch auf die Brust setzt, eine andere Geliebte ihm in Männertracht folgt, zweimal
mit ihm ficht und weil Don Juan während des zweiten Duells von einer Wache um-
zingelt wird, um gefangen genommen zu werden. Auch Räuber verwendet Goldoni,
allerdings hinter der Scene. Indessen sind das alles Züge, die sich bei vielen Spaniern
finden, eine Entlehnung von Seiten Goethes ist nicht anzunehmen, ebensowenig aber eine
selbsterfundene Handlung mit spanischem Kolorit im Anschluss an spanische Quellen. Die
Scene auf der Gartenterrasse ist nur die poetische Darstellung eines Landschaftsbildes
in Offenbach, wie K. überzeugend nacliweist. Wilmanns' symbolische Auffassung des
ganzen Werkes verwirft K. wohl zu unbedingt. Auch von einer Neigung Claudinens
zu Crugantino will er nichts wissen. Die lyrischen Stellen enthalten nach K.s Urteil
gut gefühlte Natur, die Sprache des prosaischen Dialogs ist wenig gefeilt und durch-
geistigt, aber kraftvoll, bestimmt und warm. K. weist darauf hin, dass schon in dem
Briefe an Carl August vom 23./6. Dez. 1775 die Form „Rugantino" steht. Für die Um-
arbeitung existiert ein nicht ausgeführter, vom späteren wesentlich abweichender Plan
vom 23. Jan. 1786 (an Kayser). Beide Bearbeitungen werden nach Zahl, Bezeichnung,
Verteilung der Personen und Scenen verglichen. Die Opera buffa forderte drei Akte,
daher die grössere Breite am Schluss in B. Der idealistischen Behandlung widerstrebte
der Stoff, Rugantino besonders hat viel verloren. Als Gewinn erscheint nur, dass durch
die Einfülirung der Lucinde auch für ihn eine befriedigende Lösung herbeigeführt wird.
Die Handlung ist in B nicht mehr so einheitlich wie früher, der Zufall spielt eine
grössere Rolle. Das jüngere Stück hat den Vorzug der schönen Sprache und des
reichen Wechsels der Handlung, seine Mängel sind auf die Erfüllung der Bedingungen
des Singspiels zurückzuführen. Schon die erstei Bearbeitung besitzt reich ausgestattete
musikalische Teile, grosse Finales. In der zweiten ist der Dialog als Secco-Recitativ ge-
dacht, wofür allerdings die durchgehenden fünffüssigen Jamben, vielleicht eine Kon-
zession an die Leser, nicht geeignet sind. Für diese Behauptung möchte K. aber doch
die Beweise schuldig bleiben. Goethe wollte ja allerdings die Opera buffa auf die
deutsche Bühne bringen, aber er und Kayser werden sich wohl darüber klar gewesen
sein, dass eine mechanische Nachahmung aller Aeusserlichkeiten unmöglich war. Am
Ende liefert K. eine Aufzählung der Kompositionen und eine genaue Uebersicht von
A und B. — Gelegentlich einer Dilettantenauffühiimg von „ Jery und Bätely" ^^) giebt
H. Bodmer in der Einleitung zu dem Text der Gesänge eine gute kurze Uebersicht der
Erlebnisse, die zur Abfassung des kleinen Stückes geführt haben, der ersten Bearbeitung
und der Kompositionen. — Heuer 37) teilt den ersten der auf „Scherz, List und Rache"
RliMusPh. 46, S. 25—46. (S. 36 Anm. 3. Vgl. ZVLK. NF. 4, S. 407.) - 38) (IV 4:7.) - 34) H. Wichmann, Ges. Auf-
sätze. Bd. 3. Florenz. Loescher & Seeber. VIII, 291 S. M. 2,00. (S. 158—60.) — 35) K. Kippenberg, Über Goethe«
„Claudina von Villa Bella". Progr. d Altstjldt. Realschule. Bremen, Guthe. A". 27 S. — 36) Goethe, Jery n. B&taly.
Musik V. H. Stiehl. Aufgeführt am KrSnzchen d. Lesezirkels Uottingen, 14. Htrz 1891 im Pfauentheater. 18 S. (Nicht im
Handel.) — 37) (IV 9b : 7 = IV 9a : 70.) - 37«) Goethes Briefe (S. o. IV 9b : 2) 7, S. 150/1; 181/2. — 38) G. Kettner,
IV 9e: 39-41. Gr. Witkowski, Goethes Drama. Ib8
bezüglichen Briefe Goethes an Kayser mit (Herbst 1784). Goethe hat die Operette an-
gefangen, um den deutschen Komponisten der italienischen Manier näher zu bringen.
Am 13. Nov. 1787 meldet Seidel an Dorothea Kayser, dass der letzte Transport der
Operette angekommen ist. — In einem Briefe 37&) an Kayser vom 28. Dez. 1785 spricht
Goethe ein günstiges Urteil über die Musik zu den ersten zwei Akten aus. Die Arie
„Arm und Elend" (v. 67 ff.) rücke auch zu, was hier nur bedeuten kann, die Ausführung
der Kayserschen Komposition werde deutlicher. Herder gewährt dazu seinen Beirat.
Am 19. Febr. 1786 schreibt Goethe an Christine Gräfin Brühl, er erwarte mit Ungeduld
die Komposition des dritten Aktes, dessen erste Hälfte schon angekommen sein sollte. —
Die vielumstrittene Frage der Bedeutung und der Fortsetzung des Fragments
„Elpenor" brachte Kettner 38) diu-ch eine sorgfältige Untersuchung, die alle in
Betracht kommenden Verhältnisse berücksichtigte und erwog, zu einem gewissen Ab-
schluss. Wie Zarncke führt auch er Entstehung und Namen des Stückes auf die ver-
gebliche Hoffnung (1781) und die endliche Erfüllung des Wunsches nach einem Erb-
prinzen (1783) zurück. K.s Vermutung, dass die Bezeichnung „ein Trauerspiel" von
Riemer willkürlich hinzugefügt sei, wird durch die Weimarer Ausgabe bestätigt. Die
Quellen hätten nur die äusserlichste Anregung gegeben, die Dichtung sei im wesent-
lichen frei erfunden. Elpenor ist der Sohn der Antiope. Wie die Vertauschung der
Knaben vor sich gegangen ist, bleibt dunkel, auch Polymetis weiss nichts davon.
Durch das Auftreten des totgeglaubten angeblichen Sohnes der Antiope, in Wahrheit des
Lykos, soll ein Streit der Neigung für ihn und Elpenor in Antiope entstehen, der noch
verschärft wird, weil der neue Ankömmling roh, ungeschlacht, verwildert ist. Evadne
soll nicht nur als Confidente die Exposition erleichtern, sondern wird auch für den Verlauf
bedeutsam: sie kennt das Geheimnis der Geburt Elpenors und soll ihm als eine Art
Schutzengel zur Seite stehen. Polymetis wird nach dem Hervortreten des Nebenbuhlers
in Elpenor die Herrschbegierde anfachen. Elpenor ist in dem Vorhandenen noch
wesentlich passiv; in ihm verkörperten sich vielleicht Eigenschaften des jugendlichen
Carl August. Von einer Entwicklung seines Charakters ist im Verlaufe der zwei Akte
nichts zu spüren. Ihr Stil entspricht wie der der „Iphigenie" dem französisch-klassischen
Drama, die Charaktere sind mehr typisch als individuell, auch die Einheit des Orts
und der Handlung ist sichtlich angestrebt. Wie in der „Iphigenie" muss Goethe das
ähnliche dramatische Problem, die Sühnung einer alten Blutschuld, versöhnend gelöst
haben, denn er kann nicht nach so kurzer Zeit zu der überwundenen Form der Tragik
zurückgekehrt sein; die Versöhnung sollte gewiss durch ethische Lösung des Konflikts
herbeigeführt werden. So ergiebt sich folgender Plan der Fortsetzung: Elpenor ist
vom Felsen hinabgestürzt, durch den Sohn des Lykos gerettet worden, kehrt zurück
und erscheint vor Lykos und Antiope. Der Sohn des Lykos wird zuerst an der Aehn-
lichkeit, dann an der Halskette mit dem Bilde der Sonne erkannt; weitere Enthüllungen
giebt Polymetis. Elpenor erkennt, dass sein vermeintlicher Vater der Mörder ist, dem
er Rache geschworen ; er soll nun dem besten Teile seiner Herrschaft zu Gunsten eines
Nebenbuhlers entsagen. Nach innerem Kampfe bleibt er in beiden Konflikten Sieger:
er tritt dem Nebenbuhler den rechtmässigen Anteil an der Herrschaft ab und erkennt
ihn als den Sohn Antiopes an. Damit erlischt die Verpflichtung zur Rache an dem
Mörder. Lykos dagegen sucht den plötzlich hervorgetretenen Sohn der Antiope zu
ermorden. Entweder es gelingt ihm, er erkennt zu spät, dass es der eigene Sohn war,
und giebt sich selbst den Tod, oder, wahrscheinlicher; Elpenor wendet, von Evadne
unterrichtet, im letzten Moment das Schicksal von dem Vetter ab, und nun kehrt Lykos
das Schwert gegen sich selbst. Am Schluss kann Antiopes Sohn den Thron besteigen.
K. spricht den richtigen Grundsatz aus, dass nebensächliche Züge nicht für eine weitere
Bestimmung der Einzelheiten des Dramas zu verwenden seien. Die Handlung leidet
an einer Ueberfülle der Motive, an komplizierten Voraussetzungen, an zu starkem Ein-
fluss des Zufalls; sie wurzelt zu wenig in eigenen Erlebnissen und Empfindungen des
Dichters. — Aus der Verwandtschaft des „Elpenor" mit Gotters „Merope" folgert
B. SeuffertS9), dass ebenso wie Aegisth auch Elpenor am Leben bleiben und einen
Jüngling erschlagen sollte. Die Vossische Homerübersetzung von 1781 mag auf die
Hervorhebung des Bogens eingewirkt haben und der Polymetis vom 7TX)kv/ut]TK; 'o&vaatiq
beeinflusst sein. Der Stil im „Elpenor" ist durch die Einwirkung der „Merope" etwas
weniger antik als der der „Iphigenie". —
Gnad^O) wendet sich in einem ziemlich wertlosen Essay hauptsächlich gegen
die Egmont-Kritik Schillers, der Egmont und Clärchen nicht habe verstehen können.
Egmont ist ihm eine wahrhaft tragische Gestalt, auch der Tadel des opernhaften
Schlusses wird ztu-ückgewiesen. — D. Jacoby*i) nimmt mit W. v. Biedermann an,
Goethes Elpenor: Pr.lbb. 67, S. 149—72. - 39) B. Seuffert, Merope u. Elpenor: VLG. 4, S. 115/6. — 40) E. Gnad, Litter.
Essais. 2. venu. u. verb. Aufl. Wien, Konegen, VI, 375 S. M. 5,00. |[M. Koch: BPDH. NF. 7, S. 256.]| (S. 73— 106 , Egmont»,
S. 109—86 «Tasio", 8. 139-74 „Faust".) — 41) D. Jaooby, Zu Goethes Egmont. 1. Egmont u. Shakespeares Julius Cäsar.
189 G. Witkowski, Goethes Drama. IV 9e: 42-47.
dass das stärkere Interesse am ,,Egmont" der (irund zum Aufgeben des Cäsarplanes war.
Egmonts Charakter ist älinlich dem des beabsichtigten Cäsar, es ergeben sich die
Parallelen Alba-Egmont, Sulla-Cäsar. Einwirkung von Shakespeares „Julius Cäsar" auf
„Egraont" findet J. in den Vclksscenen, in Brackenburga Monolog am Schluss des ersten
Aufzugs, in Vunsens Berufung auf das Buch der Privilegien, in Egmonts darauf folgen-
den Fragen an die einzelnen Bürger über ihr Gewerbe, und endlich in Clärchens Hede
an die Bürger V,l. Das realistischere Gepräge des „Wallenstein" gegenüber allen
früheren Dramen Schillers (?) wird von J. auf den Einfluss des „Egmont" zurückge-
fl'ihrt. Egmonts Stellung zu den Bürgern entspreche der des Wallenstein zu seinen
Soldaten. Die Thaten beider werden vor ihrem Auftreten gerühmt. Die poetische
Stimmung des Vorspiels soll beeinflusst sein durch Egmonts Worte V,2 (Weim. Ausg.
S. 281, 19 ff.). Eine Anzahl weiterer Zusammenstellungen dieser Art, die ebensowenig
eine Abhängigkeit Schillerg beweisen können, folgen. Batraneks Buch „Goethes Egmont
und Schillers Wallenstein" (Stuttgart 18(52) scheint J. nicht zu kennen, -»z-«) — Schillers
Bühnenbearbeitung bespricht A. Köster'**) mit feinem und massvollem Urteil. — Sie
ist von de Vos"*^), Regisseur am Theater zu Gent, ins Holländische übersetzt worden,
um Goethes Werk der niederländischen Bühne zu gewinnen. V. deutet deshalb die in
Deutschland üblichen Striche an und giebt eine Anzahl bühnentechnische Anmerkungen,
in denen er u. a. die Darstellung des Vermummten durch Alba abweist. — Buchheims*^»)
Egmont-Ausgabe, der erste Band seiner bekannten und oft gewürdigten „Gennan Clas.sics",
ist in vierter Ausgabe erschienen. Die Vorzüge dieser Bearbeitungen praktische
Einrichtung für den englischen Schulgebrauch, reichliche und den Bedürfnissen des
Ausländers entsprechende Anmerkungen, treten auch hier wieder hervor; doch darf nicht
verschwiegen werden, dass B.s Beigaben nicht ganz den Ansprüchen genügen, die wir
jetzt an Arbeiten dieser Art stellen. Besonders in der kurzen Skizze von Goethes Leben,
die er dem ,, Egmont" vorausschickt, fallen eine Reihe von thatsächlichen Unrichtig-
keiten unangenehm auf. Er setzt die zweite Bearbeitung des „Götz" in den Herbst 1772,
den Beginn der Aibeit am „Faust" ins Jahr 1774, er citiert: „Sieh! Dir winkt sein Geist
aus der Höhle". — f
Von positiv christlichem Standpiinkte aus beleuchtet Heinzelmann ^) die
„Iphigenie" in einem gut durchdachten, von selbständigem Urteil zeugenden Vortrag.
Goethe hat in dem Drama die Härten der antik religiösen Weltbetrachtung gemildert
durch seine eigene religiöse und sittliche Lebensanschauung, durch die demütige An-
betung der Macht des Göttlichen, zu der er in den Jahren 1779 — 84 gelangt ist. Der
Fluch, der auf den Tantaliden ruht, wird gelöst durch die leibhaftige Verkörperung der
himmlischen Milde imd Güte, der gottgeborenen Humanität in Ipliigenie. Mit Recht
vermeidet H. es, den künstlichen Begriff des stellvertretenden Leidens einzuführen.
Das „weibliche Heldentum" Iphigeniens, wie H. es glücklich nennt, liegt in der sittlichen
Bewährung, zugleich im Religiösen, in der „gewissen Zuversicht", nicht, wie K. Fischer
will, in der himmlischen Gelassenheit. Die Frage, ob „Iphigenie" christlich sei, beant-
wortet H. daluTi, dass zwar ein streng positiv biblisches Christentum in ihr als welt-
licher Dichtung nicht zu finden sei; wohl aber nennt er das Werk in Bezug auf die
religiösen und sittlichen Ideen durch und durch protestantisch christlich, weil es den
Sieg des Theismus über den heidnischen Irrglauben vorführt. Dadurch, dass dies ohne
polemische Tendenz geschieht, unterscheidet sich die „Iphigenie" vorteilhaft von dem
ihr verwandten „Nathan". — Gründlich belehrend handelt Morsch <") über die Vorge-
schichte des Goetheschen Dramas. Das Vorbild der deutschen ,, Ipliigenie" war La^ranges
„Oreste et Pilade ou Iphigenie ien Tauride" (1609): von ihr gehen J. E. Schlegels
„Geschwister auf Tam-ien" (1737) und Derschaus „Orest und Pylades" (1747) aus. La-
touche löst 1757 auf der französischen Büluie Lagrange mit seiner „Ipliigenie en Tau-
ride" ab, auf ihm beruht Glucks Text von 1779. Ausserdem kommen noch in Betracht
Crebillons „Electra" (1708), Voltaires „Oreste" (1750) und Gotters „Orest und Elektra"
und „Merope", 1772/3 in Weimar aufgeführt, 1774 gedruckt. Die Parallelen zwischen
diesen Dramen und dem Goethes werden von M. im einzelnen mit etwas zuviel Spür-
eifer aufgesucht. Man kann doch kaum glauben, dass Goethe die schwäclilichen Er-
zeugnisse der Schlegel und Derschau oder gar Lagrange und Latouche so genau im
Gedächtnis hatte, dass er sich in Einzelheiten des Planes nach ihnen richtete und sogar
ganz nahe liegende Ausdrücke von ihnen entlehnte, oder dass er nötig gehabt hätte,
2. Egmont n. Sdiillers Wallenstein : GJb. 12, S. 247-56. i[M. Koch: BFDH. NF. 7, S. 4.33.]| — 42) X B , D- Sümmungs-
malerei in Beethovens Musik zn Goethes „Egroont": LZg**. N. 38. — 43) X H. DOntzer, Goethes Egmont erUntert. 4. neu
durchgcs. Aufl. (= Erl. zu d. dtsch. Klassikern. 12. Bdchen.) Leipzig, Warlig. VI, 162 S. M. 1,00. — 44) A. KSster,
Schiller als Dramaturg. Berlin. Hertz. VII, 343 S. (S. u. IV 10 : 117.) — 45) Goethe-Schiller. Egmont Vor het Neder-
landsch tooneel bewerkt door Jac. de Vos. Zaandijk, Heijnis. o. J. 108 S. — 45a) Goethe, Egmont, ed. with engl, notes etc.
by C. A. Buchheim. 4. ed. (= Gennan Classics 1.) Oxford, Clarendon. XL VIII, 204 S. M.3,00. — 48)W. Heinzelmann, Goethes
Iphigenie. E.Vortrag. Erfurt, Neumann. V, 38 S. M. 0,60. [[M.Koch: BFDH. NF. 8, S.2«7.]| — 47) H. Morsch, Ausd. Vorgesoh.
k
r\r 9e: 48-64. G. Witkowski, Goethes Drama. 190
für die Gräuel im Hause der Tantaliden von Crebillon, Voltaire und Gotter seine
Kenntnis antiker Sagen zu beziehen. Die Goethesche Wahnsinnscene ist von der
Gotterschen grundverschieden, und so wird man wohl auch die Anknüpfung im Detail
leugnen und hier eher ein Zusammentreffen auf dem Boden der Tradition annehmen
dürfen. Weit wichtiger als die Auffindung dieser Aehnlichkeiten ist der Vergleich mit
den Vorgängern, der die Weiterbildung der Sage und die Vertiefung des Seelenlebens
als Goethes Verdienst ergiebt. Vor allem erscheint bei ihm eine neue sittliche Welt-
anschauung, von deren Grösse die früheren kaum eine Spur zeigen. Lehrreich ist eine
Zusammenstellung (S. 108 f.), in der M. den Einfluss der französischen Bühnensprache
auf die Goethes festzustellen sucht. Gotters „Merope" soll vor allem anregend und
vorbildlich für Goethes ,,Iphigenie" gewesen sein. Die Beweise dafür aber scheinen
wieder entweder durch den Zufall dargeboten, z. B. die nicht einmal wörtliche XJeber-
einstimmung eines Verses der ,, Merope" mit einem des ,,Elpenor", oder auf gemeinsame
antike Muster zurückzuführen. Die metrische Form der ,, Merope", die M. als Zeugnis
anführt, spricht dagegen, denn weshalb hätte der Dichter, wenn er sich an sie anlehnte,
die Prosa gewählt? Wenn M. schliesslich betont, dass Goethe im Gegensatz zu den
früheren Dramatikern wieder zu den Griechen hinaufstieg, so bringt er dadurch selbst
den bei weitem grössten Teil seiner Darlegimgen um die überzeugende Wirkung auf
seine Leser^S). — Auch Gloede^^) erklärt „unwillig" v. 636 als ,,indignatus" mit Be-
rufung auf Aen. XI, 828 und XII, 951, sowie Met. VII, 377. Zu v. 899 erinnert er an
Caesars Verhüllen des Hauptes beim Nahen des Brutus und deutet es: ohne Gegenwehr
(wehrlos), also auf schmachvolle Weise. ^o-Ma) — Dass ,,Iphigenie" noch immer als Schul-
buch bei uns wie im Auslande die erste Stelle unter allen Goetheschen Dramen ein-
nimmt, bezeugt die grosse Anzahl von neu erscheinenden vnid neu aufgelegten Aus-
gaben ^2-55) und Uebersetzungen 56-58^^ unter denen sich auch eine ungarische ■'^^), unseres
Wissens die erste, befindet. — Die englisclie Schulausgabe der „Iphigenie" von Buch-
heim^'-'^) ist neu aufgelegt worden. Auch von ihr gilt das oben (N. 45a) über den
„Egmont" desselben Herausgebers Gesagte; kleinere und grössere Versehen sind nicht
selten, z. B. dass Goethe die erste Bearbeitung beschleunigt habe, um das Stück zur Eeier
des Geburtstags der Herzogin Luise am 6. April aufführen zu können.
In dem zum ersten Mal gedruckten Briefe ^9^) an Knebel vom 8. Mai 1789
äussert Goethe: „An Tasso muss ich nun, es koste was es wolle." — W. Buchner^O)
giebt richtige, wenn auch nicht sehr tiefe Bemerkungen über das dichterische Schaffen im
allgemeinen, vergleicht die Charaktere mit den historischen Gestalten und zieht massvolle
Parallelen mit den Goethe nahestehenden Persönlichkeiten. Für die Gräfin wird die
Marquise Branconi (nacli Düntzer, nicht ohne berechtigten Zweifel), daneben eine ganze
Reihe anderer Frauen genannt, für Antonio auf den Grafen Goertz, Geheimrat von Edels-
heim, v. Fritsch verwiesen. Merck und Herder werden abgelehnt. In der Antonio-
Frage schliesst sich B. an K. Fischer an. Der glückliche Tasso ist Goethe, der un-
glückliche neben Lenz, PJessing, Kraft, Herder, Knebel, für den gut auf Karl Augusts
Brief an ihn vom 4. Okt. 1781 hingedeutet wird, vor allem der historische und sagenhafte
Tasso selbst. — Ganz wertlos ist die Arbeit von Cornish^i), der auch über die be-
kanntesten Thatsachen nicht im klaren ist. Der Einfluss von F. A. Wolfs Ideen soll
für Goethe die italienische Reise so fruchtbar gemacht haben, der „Tasso" sei während
des letzten Teils derselben vollendet worden. — Auf ebenso niedriger Stufe steht eine
zweite englische Arbeit von Tomlinson 62)^ die dasselbe Drama behandelt. — Gnad^^^
T. Goethes Iphigenie: VL6. 4, S. 80—115.. — 48) O X D- Halpert, Antikes Element in Goethes Iphigenie. [— Non multa.
Litterarische Streiflichter.) Breslau, Zimmer. |[MagdebZg. N. 24 ]| — 49) P. GlOde, Zu Goethes Iphigenie: ZDU. 5, S. 53/4.
(S. JBL. 1890 IV lle : 26/7.) — 50) XX E. S chunck, Goethes „Iphigenie auf Tauris" u. d. gleichnamige Euripidoische StUck.
Programm d. Gymnasium Theodorianum in Paderborn. Gymn.-Progr. Paderborn, Junfermann. 4". 28 S. — 51) X K. Engeion,
Iphigenie auf Tauris. Trier, Stephanus. 1890. |[Sühlen: COlB. S. 571.]| — 51a) O Giist. Sc blosser, Goeihe
Iphigenie" nach ihrem religiös-sittl. Gehalte. (= Vortrage, Gütersloh. Bertelsmann. III, 432 S. M. 5.00. — 521 X
Goethe, Iphigenie auf Tauris. Für d. Zwecke d. Schule erl. u. methodisch bearb. von H. Vockeradt. Paderborn, Schöiiingh.
VIII, 174 S. M. 1,36. — 53) X Goethe, Iphigenie auf Tauris. Schulausg. bearb. von L. Sevin. Mit Anhang „Iphigenie bei
d. Tauriern" von Euripides. 2. Aufl Berlin, Eeuther. 78 S. M. 0,70 — 54) Goethes Iphigenie auf Tauris. Her. u. bearb.
von G. Hofmeister. (= Teubners Sammlung dtsch. Dicht- u. Schriftwerke f. höh. Töchterschulen. 18. Bdchen.) Leipzig,
Teubner. X, 67 S. M. 0,60. — 55) X J- Schrammen, Goethes Iphigenie auf Tauris erl. in 106 Dispositionen, verwendbar
zu Vortragen u. Aufsätzen. (= Erl. zu dtsch. Klassikern 2. Bdchen.) Köln u. Leipzig, Ahn. VIII, 89 S. M. 0,60. — 56) X
Goethe, Iphigenie en Tauride. Texte allemand, publiö avec une notice, un argument analytique et des notes en fran^ais par
B. L6vy. Nouv. 6d. Paris, Hachette. 160. 135 S. — 57) XX Goethe Iphigönie en Tauride, drame en cinq actes. Avec une
introduction et des notes par E. Eicjuiez. Paris, Garnier fr6res. 12". VllI, 101 S. — 58) XX Goethe, Iphigenia in Tauride,
trad.di A. Maf fei. Firenze, Le Monier Succ. — 59) Goethe, Iphigenia Tauriban forditotta CsengeriJdnos. Budapest, Franklin-
Gesellschaft. 1890. 86 S. — 59a) Goethe, Iphigenie auf Tauris, ed.with engl. notes by C. A. Buehhoim. New. ed. (= German Classics 5.)
Oxford, Clarendon Press. 1890. XXXV, 168. M..3,00.- 59b) Goethes Briefe. Bd. 9 (s. o. IV9a:67) S.lll. - 60) W. Buchn er, Beitrr.
z. Erl. V. Goethes Tasso. JB. d. höh. Mädchenschule. Crofeld. Kühler. 38 S. |LM. Koch : BFDU. NF. 8, S. 255.]j — 61) Cornish ,
Torquato Tasso in its relations to Goetho's Early Life at Weimar and his Italian Journoy, read in tho Manchester Goethe-
Society the 25. November: Ac. 40, S. 507. — 62) C Tomlinson, A Critical examiuatiou of Goethes Tasso: PublEnglGoethe-
Soc. 6, S. 68—93, |[M. Koch: BFDH. NF, 8, S, 256.]| — 63) S, o, N, 40, - 64) 6, A, Hench, Kuno Fischer, Goethes
191 G. Witkowski, Goethes Drama. IV 9e: «»-78.
erklärt den fragmentarischen Abschlußs aus der Entstehungsgeschichte. In Italien soll
der Gegensatz von Weltmaiui und Dichter verschwunden sein, an die Stelle der Ver-
herrlichung des träumerisclien Idealismus trat die sittliche Besonneidieit vnid Selbst-
besclu'änkung. Auch G. findet in seiner, zuerst 1885 ersciiienenen Arbeit die von
K. Fischer behauptete Antinomie der ersten beiden und der letzten Akte; dagegen
weiss er nichts von einer späteren Einführung des Antonio. — K. Fischers neue Auf-
stellungen haben neben vielfacher Anerkennung'''*) auch Widerspruch erfahren. Kern***)
findet den Hauptfehler Fischers in der verkehi*ten Vorstellung vom Bau des Dramas.
Kleine Unklarheiten und Verschiebungen . in der Inhaltsangabe werden stark aufge-
bauscht, K. s])richt Fischer sogar die genaue Kenntnis der Dichtung ab. Die drama-
tische Antinomie leugnet er, hält die dafCir angef(\hrten Stellen nicht für beweisend und
citiert für das Gegenteil v. 767 — 75, 1250, (> und besonders 1)41/4. Die Worte „den ich
gleichsam jetzt zum ersten mal erblicke" (v. 119G/7) legt K. dahin aus, dass Tasso
jetzt erst Antonio im rechten Lichte, nämlich mit den Augen der Prinzessin sehe,
lieber die stark für Fischers Ansicht sprechenden Verse 1220/2 derselben Scene setzt
sich K. etwas zu leicht hinweg. Aus den drei letzten Akten nennt er zur Unterstützung
seiner Meinung v. 198G— 93, 2307—17, 2349—51, 2650/1, 2723, 3419-20 und die
Schlussworte. K. lässt weder die alte Gegnerschaft Tassos und Antonios, noch Fischers
Zweifel an der Möglichkeit gelten, die Freundschaft der beiden Leonoren mit dem
Charakter der Prinzessin zu vereinen. Die einzige vorhandene Unklarheit habe Fischer
gerade tibersehen, dass nämlich jede Andeutung über die Beweggründe der Prinzessin
zur schnelleren Rückkehr nach Ferrara fehle. K. führt die Schwierigkeit auf ein Ver-
sehen des Dichters zurück, was ihm dadurch noch wahrscheinlicher wird, dass die
letzten vierzehn Verse von V,l auf einem besonderen Blatte nachträglich hinzugefügt
wurden, um die ursprünglich unerklärt gebliebene veränderte Situation aufzuhellen.
Dass hier der Herzog dem Antonio, den er dringend in Ferrara braucht, die Sorge für
Tasso überträgt, ist von seinem Standpunkte unbegreiflich, nur von dem des dramati-
schen Dichters zu erklären, der die Schlussscene ermöglichen wollte. — E. Reichel ^)
besitzt nicht die Fähigkeit, sich in die hohe Gefühls- und Denkweise des Dramas zu
versetzen. Was er bietet, ist neu nur, weil kein Früherer das Drama unter einem so
niedrigen Gesichtspunkt betrachtet hat. — Ueber die erste Tasso-AufFülirung in Berlin
am 25. Nov. 1811 berichtet nach Franzos' ß^-cs) Mitteilung Friederike Bethmann in
einem Briefe vom nächsten Tage an Goethe. Sie charakterisiert die einzelnen Darsteller
und giebt eine ausführliche Beschreibung ihrer Kostüme. Die Beifallsbezeugungen sind häufig
gewesen. —
Düntzer®^) behandelt ausführlich die von Zarncke im 9. Band des Goethe-
Jahrbuchs veröifentlichten Fragmente des „Befreiten Prometheus" und vertritt gegen
Zarncke den Satz, dass Goethe schon vor der Bekanntschaft mit W. v. Humboldt eine
eingehendere Kenntnis der griechischen Tragiker besessen habe; sorgfältig stellt er die
Nachrichten über Goethes Beschäftigung mit ihnen und die Anfänge des Dramas im
Stile des Aeschylus zusammen, das von Zarncke bereits mit genügender Vollständigkeit
Angefülu-te genauer belegend. Nach D. beginnt der Chor das Stück. In v. 2 vermutet
er „umflutet" statt „umflossen", in v. 7 recht müssig „Tiefinn". Scharfsinnig bestimmt
er Tageszeit und Lokalität des Stückes, künstlich erklärter die Erwähnung des „Ades" ;
seine Annahme, dass Prometheus nach dem Chorlied mit dem ungeheuren Felsen, an
den er geschmiedet ist, aus dem Boden steige, ist für ein griechisches Theater, das
Goethe hier sicher vorschwebte, unmöglich. Mit Recht weist D. die letzten Verse dem
Hermes, nicht wie Zarncke dem Apollon, zu. Den weiteren Verlauf des Stückes
skizziert er auf Grund des „Gefesselten Prometheus"; es fehlt aber jedes sichere Zeugnis,
dass Goethe wirklich eine solche Fortsetzung geplant hat. Endlich bekämpft er Roberts
Hinweis auf Hygin als Goethes Quelle. —
„Mahomet" und „Tankred" sind von Otto Ho ff man n'^) herausgegeben
worden. Ueber die geringfügigen Verbesserungen auf Grund der früheren Drucke und
des französischen Originals (Hss. sind niciit vorhanden) hat H. selbst Goethejahrbuch 13,
S. 264 berichtet. — A. Köster 'i) stellt Gotters „Merope" als Vorbild von Goethes Ueber-
setzungen französischer Dramen hin. Sie sind veranlasst durch die Vorliebe des Wei-
marer Hofes für die französische Dichtung, direkt angeregt durch Humboldts Brief vom
August 1799. Wie bei Gotter sind auch bei Goethe die Alexandriner durch fünflFüssige
Jamben wiedergegeben, unter die sich aber bosondei-s im Anfang hier und da scchs-
füssige mischen. Der Parallellismus der Aloxandrinerhälften wird oft glücklich nach-
geahmt, bald mit Hilfe der klingenden Cäsur, bald durch Zerlegung in zwei Fünifüssler.
Tasso: MLN. 6, S. l]G|9. — 65) F. Kern, Goethes Tasso u. Kuiio Fischer: VZ^^g. N. 40 1. (S. JBL. 1890 lY lle : ?8a.)
— 66) E. K eiche 1, Neue Gesichtspunkte fllr .1. Beurteilung d. Torquato Tasso: HambNachrR. N. 47 a (N. 48 0-) —
67 8) (IV 9h : 10.) — 69.1 S. o. N. 3. - 70) S. o. N. 2. — 71) S. o. N. 44 i^S. 237 ff.) - 72) S. o. N. 3. - 73) S. o. N. 2. —
IV 9e: ;4-75. G. Witkowski, Goethes Drama. 192
Das Pathetische ist vermindert, die Sprache vereinfacht, die Wärme des Ausdrucks
und die Lebendigkeit des Dialogs erhöht. Am meisten verbessert ist die Ermordungsscene
im ,,Mahomet" (IV, 4), in der K. Einflüsse von „Macbeth" und Goethes eigener „Iphigenie"
nachweist. Aber trotzdem ist Goethe immer in den Grenzen des Uebersetzens geblieben,
nirgends, wie Schiller vorschlug, zu einer freien Bearbeitung fortgeschritten. Nur in
der Charakteristik der Personen hat er dem deutschen Gefühl und dem Ton der
deutschen Bühne Zugeständnisse gemacht. Mit etwas grösserer Freiheit als bei ,,Maho-
met" verfuhr Goethe bei „Tankred". Seine Absicht, die einzelnen Akte durch Chöre
zu verbinden, konnte er aus Mangel an Zeit. nicht ausführen. —
Eür die ,, Natürliche Tochter" weist Düntzer "'-) darauf hin, aus der Be-
zeichnung „Zimmer des ersten Aktes" (S. 445, 15) gehe hervor, dass ursprünglich
wenigstens ein Teil des ersten Akts im königlichen Schlosse spielte, und vermutet, dass
der jetzige Anfang des Stückes erst später hinzugefügt sei. Alles der Entführung
Vorausgehende musste nach dem frühesten Plan in den ersten Akt fallen. In dem aus-
geführten Schema ist die V (von S. 449, 100 an) von Goethe irrtümlich statt IV ge-
schrieben. Im fünften Aufzug wäre wohl bei der Ausführung kaum das Gefängnis bei-
behalten worden. Ohne genügende Begründung nimmt D. an, dass den Schluss der Sieg des
Königtums und die Lossagung Stephanies von ihrem Gatten bilden sollte. Ebensowenig
haltbar ist die Vermutung, dass . den vorhandenen Scenarien der Gedanke an eine Fort-
setzung in zwei Stücken von je zwei und di-ei Aufzügen zu Grunde liege. Abgesehen
von dem unschönen Eindruck, den ein so ungleicher Umfang der drei Stücke der Tri-
logie hervorbringen müsste, ist gar nicht einzusehen, weshalb Goethe, wenn mit fünf
weiteren Aufzügen auszukommen war, diese auf zwei Stücke hätte verteilen sollen.
Vielmehr muss man bei der Meinung der Weimarer Ausgabe stehen bleiben, dass diese
Entwürfe einem früheren Stadium der Ausgestaltung angehören, als dasjenige ist, welches
in den Annalen 1803 beschrieben wurde. Wie vorher aus dem ursprünglichen ersten
und zweiten Aufzug ein ganzes Drama gestaltet wurde, so konnte Goethe, wollte er
die breite Behandlungsart des Anfangs beibehalten, nicht die Eülle der weiteren Er-
eignisse in drei Akte zusammendrängen. Die notwendige Aenderung der Herausgeber
in V. 2831 greift D. an, ohne zu berücksichtigen, dass der Geist doch nicht als König
und als Vater bezeichnet werden kann. —
„Romeo und Julia" erscheint zum erstenmal in Goethes Werken, von
Wähle ''^) bearbeitet. Die Anregung zu Goethes Arbeit ging von P. A. Wolf aus, wie
ein Brief desselben an Rühle von Lilienkron beweist. Eine Reihe von Zeugnissen thut
dar, dass die Bearbeitung in der Hauptsache von Goethe stammt; später hat Riemer
Nachträge und Zusätze in der Hs. bewii'kt, die in den Text der Ausgabe aufgenommen
worden sind. Goethe war anfangs gegen den Druck (an Cotta 21. Dez. 1812), scheint
aber nachher seine Ansicht geändert zu haben. —
,,Die Wette" hat ebenfalls Wähle '*) herausgegeben. Er konnte auf Grund
der von Goethe durchkorrigierten Originalhs. einige Versehen des bisher iiblichen Textes
verbessern. —
Höchst unerfreulich ist der Eindruck, den der grösste Teil der Faust-
Litteratur hervorruft; denn neben dem Bedauern über nutzlose Verschwendung geistiger
Kraft regt sich der Unwille, wenn man sieht, wie unsere grösste Dichtung zu müssigem
Spiel flacher Spekulation und philologischen Sports missbra;icht wird. Dankbar ist auch
die kleinste Gabe zu begrüssen, durch die unsere Erkenntnis der grossen rätselreichen
Dichtung und ihrer Geschichte vermehrt wird: aber wie selten entdeckt man unter der
Menge des Nichtigen etwas wirklich Förderndes. Auf der einen Seite wird mit unver-
mindertem Eifer trotz Goethes ausdrücklicher Ablehnung das Suchen nach der „Idee"
des Werkes fortgesetzt, auf der andern übt sich der Scharfsinn an der Zerlegung des
Ganzen in kleine Teilchen, gestützt auf das blinde Vertrauen zu einer alleinseligmachenden
Methode. Der Grund aller dieser vergeblichen Anstrengungen liegt in der Unklarheit,
die noch bei so vielen über die Aufgaben und die Wege der Faustforschung im all-
gemeinen waltet. Man möchte allen, die über den ,, Faust" arbeiten, EJrich Schmidts ''^)
vortreffliche Rede über dieses Thema in die Hand geben, und es ist nur zu bedauern,
dass die tiefen und feinen Gedanken, die sie ausspricht, mit Rücksicht auf die gelehrte
Versammlung, vor der sie gehalten wurde, in einer Form dargeboten werden, die sie
den meisten schwer zugänglich macht. Nach einer kurzen Uebersicht über die früheren
Versuche, das Werk philosophisch und philologisch zu erklären, bezeichnet S. als die
Aufgabe der Faustforschung: von der Ueberlieferung ausgehend Werden, Inhalt, Form,
Absicht und Gestaltung der Dichtung zu erfassen. Die Bezeichnung „Faiistphilologie"
weist nicht auf einseitiges Kleben am Worte und Kleinki-ämerei hin, sie schliesst die
74) S. 0. N. 2. — 75) Erich Schmidt, Aufgaben u. Wege d. „Faust-Philogie". Vortr , geh. am 20. Mai in der Vers,
dtsoh. Philologen u. Schulmänner zu München: AZgB. N. 119, S. l-ö. |[Hammer: ZGymn. NF. 25, S. 585/8.]| (Auch in d.
193 G. Witkowski, Goethes Praina, IV 9e: 7«-79.
philosophische Betrachtungsweise nicht aus. Die Lachmannsche Methode hat, auf den
„Faust" mit kritischen Mitteln angewandt, nicht zu so gesicherten Ergebnissen geführt,
wie man wohl glaubt. Die „nesciendi ars et scientia" muss dem Fragmentarischen gegen-
iiber geübt werden, damit man niciit die eigene Einbildung dem Dichter unterschiebe.
Eine völlige Einheit des Gedichts ist nicht zu konstruieren, sie liegt nur in ,der Einheit
des Dichters. Man soll das Einigende statt der Widersprüche aufzudecken suchen;
aber statt dessen ist eine jugendlich genial geschaffene Skizze allmälig zu einem Mosaik
aus Stiftchen verschiedener Zeit und verschiedenen Schliffs gemacht worden- Die
Parallelstellen beruhen oft auf rein zufälligem Zusammentreffen, bestimmte Urquellen
(Bibel, ,, Hamlet", Swedenborg) fliessen durch Goethes ganzes Leben und Dichten; Ge-
danken inid Motive können in verschiedenen Epochen wiederkehren. Analoge Situationen
geben analoge Wendungen an die Hand. Goethes Gedächtnis ist kein „weitlöcheriges
Sieb" gewesen, er braucht z. B. für den Spaziergang vor dem Thore nicht erst serae
Erinnerung an die Umgegend der Vaterstadt 1797 aufgefrischt zu haben. Am bedenk-
lichsten sind die Versuche, für ganze Scenen bestimmte Quellen nachzuweisen, die
Stimmung der Zeit im allgemeinen ist da zu befragen. Die Stilkritik ist das Werkzeug
der Chronologie; aber man darf dem Dichter damit nicht Gewalt anthun, wie Scherer
in seiner Analyse des ersten Monologs. Warum sollte Goethe nicht zwei Gefühls- und
Stilwelten an einem Tage umfasst haben? Um Kriterien des Sprachgebrauchs und der
Metrik richtig zu verwenden, fehlt es uns für das 18. Jh. an Hilfsmitteln. Es wird
allzu schroff periodisiert. Weder kann der Jugendstil für das Jahr 1800 ausgeschlossen,
noch eine Scheidung der Jahre 1773, 1774 und 1775 vorgenommen werden. Die Hypo-
these des Prosa-Faust ist eingeschlummert (auch Minor'ö) spricht jetzt von dem
„leidigen Prosa-Faust"). Der Urfaust stammt aus der vorweimarischen Zeit, ist nicht
aus der flir die Herzogin-Mutter angelegten Sammlung hervorgegangen, die nur vor-
weimarische Werke enthält. Zuzugeben ist, dass der Göchhausen nicht alles vorhandene
Material vorgelegen hat und dass selbstverständlich die Verbindung mit Mephisto und
der Zweikampf mit Valentin mindestens in Gedanken entworfen war, aber fertige und
halbfertige Scenen müssten doch in der Kopie zu finden sein. Die Folge der Gretchen-
Scenen greift wie die Glieder einer Kette in einander, das späteste sind jedoch die
lyrischen Monologe Gretchens. Für ihre Chronologie helfen mehr als die exakten Daten
aus Goethes Leben die Werther-Stimmung und die Episode des armen Mädchens (in
dem Briefe vom 12. Aug. 1771). In Rom sind „Hexenküche" und der Monolog „Er-
habener Geist" hinzugekommen, beide aus Goethes italienischeji Erfahrungen hervor-
gegangen: im ersten das Motiv der Verjüngung, Helena im Zauberspiegel, im zweiten
die beruhigte Erkenntnis. Die Prosa „Grosser herrlicher Geist" sollte getilgt werden.
Mit den Worten „Nach jenem schönen Bild" ist die Hexenküche gemeint, auf die der
Monolog ursprünglich folgen sollte, noch ohne Gretchen. Der folgende Dialog ist im
Anschluss daran in Weimar gedichtet. Darin beziehen sich V. 3294/6 auf die Prüderie,
die sich neuerdings gegen Egmonts Clärchen Luft gemacht hatte. Später hat Goethe
den Plan geändert, Einfügung in die Gretchen-Scenen beschlossen und sehr kühn den
Dialog Mephisto-Faust (ursprünglich nach dem Monolog Valentins) durch ein neues
Mittelstück damit verbunden. 1790 erscheint diese disparate Masse nach der Brunnen-
scene (da ist aber Mephistos Kuppelei überflüssig), 1808 vor „Meine Ruh' ist hin"
wegen der von Mephisto bereits umschriebenen Stimmung, aber es sind doch Wider-
sprüche geblieben. — Auf die Ankündigung von Schmidts Vortrag hin wurde das prak-
tisch erfundene Wort „Faustphilologie" mit absichtlicher Missdeutung ins Anmaasende
im üblichen Grenzbotenstil verspottet'''). — Mustern wir nun zuerst die Schar der
,.Sinnhuber". Gnad ''8) identifiziert Gretchen äusserlich unmittelbar mit der Frankfurter
Jugendliebe, innerlich vor allem mit Friederike. Der Antrieb zur Faustdichtung lag in
der Unzugänglichkeit (?) alles menschlichen Wissens und Strebens. Die bekannte letzte
Aeusserung zu W. von Humboldt über das Alter der Conception führt G. auf unklare
Erinnerung des Greises zurück; denn Goethe hätte die Gretchenepisode nicht zur selb-
ständigen Ti-agödie heranwachsen lassen, wenn er schon mehr als eine dunkle Ahnung
gehabt hätte, dass er in die Faustsäge den ganzen Lihalt seines inneren und ätisseren
Lebens für die Nachwelt niederlegen werde! Von Anfang an musste dem Dichter nur
klar sein, dass Faust nicht in der Hölle enden konnte. Das Faustproblem war nicht
zu lösen, weil Goethe die Lösung aus sehiem eigenen Bildungsgange zu finden suchte.
Falsch ist G.s Ansicht, dass Goethe beim ersten Teil unzweifelhaft praktische Bühnen-
effekte im Auge gehabt habe. — Andrews ''") glaubt den Schlüssel, den die gelehrten
Kommentare, ausgehend von der Legende des fünfzehnten (!) Jh. nicht hätten finden
können, in Goethes Leben und Denken und den Beziehungen der Dichtung dazu ent-
Berichteu d. 41. Philologenversamml. S. 11—22.) — 76) J. Minor, Erlauterungsschriften xa d. dUeh. Klassikern: ZOG. 42,
8. 218—28. (Bes. S. 220.) - 77) Z. neuen Faustphilologie : Grenib. 50, U, S. 234 8 - 78) S. o. N. 40. — 79) W. P. An-
Jahresberiohte fltr neuere deotaohe Litteraturgeschichte II (•'), 13
IV 9e: fto-s:v Cr. Witkowski, Goethes Drama. 194
fleckt zu liaben. Die Faust-Legenrle ist nach A. Goethe mir das, was dem Maler die
Palette, dem Bildhauer der Stein ist. Das Thema des Stückes kann die Jagd nach
dem Glück genannt werden, das in Wahrheit im Leben, nicht im Empfangen, besteht,
in „schaffender Freude''. Das Vorspiel auf dem Theater stellt das Ziel der Dichtung
fest, der Prolog im Himmel zeigt als eigentlichen Helden den Herrn, der als Erschaf-
fender gefeiert wird wie im „Mahomet". Im Gesang der Erzengel wird als Gegenstand
des Dramas der Kampf von Licht und Finsternis angekündigt. Dieses Drama lässt der
Poet, vom Direktor gezwungen, sich abspielen als ein gewöhnliches Melodrama, die
Geschichte eines unmöglichen Zauberers und eines harmlosen Mädchens, während der
wahre Held der Schaffensdrang, die wahre Heldin die unschuldige Liebe im höchsten
Sinne ist. Trotzdem zeigt auch dieser etwas geti'übte Spiegel des ersten Teils die be-
freiende Macht des Ewig-Weiblichen, durch das der Schaffensdrang in uns geweckt
wird. Die Parallelen mit Goethes Leben und seinen übrigen Aeusserungen werden mit
guter Kenntnis der Werke, besonders des „Meister" und der „Sprüche in Prosa" durch
den ganzen „Faust" verfolgt, indessen läuft dabei manches durchaus Falsche mit unter.
ITeberall spürt A. tiefere Beziehungen auf, im Refrain des Rattenliedes z. B. hat er
entdeckt, dass darin die erste Andeutung der herannahenden Tragödie, ein Hinweis auf
die grauenvolle Heiterkeit der schwatzenden Mädchen am Brunnen zu finden sei ! Der
Kaiser im Flammen gaukelspiel wird gedeutet als die Autorität, die sich gegen die
Mächte des Aufruhrs behauptet, — man sieht, wir haben hier einen englischen, etwas
zahmeren Louvier. — Ebenso „tiefsinnig" ist eine andere englische Fauster-
klärung von M. Kaufmann ^^), der die Dichtung als die dramatische Darstellung der
Anschauungen des 19. Jh. ansieht. Zu dem Grundgedanken der individuellen Freiheit,
den schon das alte Faustbuch als Ausdruck des Protestantismus zeigt, hat Goethes
Dichtung neu die evolutionistische Entwicklung des Charakters durch den Natur-
prozess der Selbstbildung hinzugefügt. K. vergleicht Faust mit Hiob, Prometheus, der
„Göttlichen Komödie", „Hamlet" (Polonius-Mephisto, Ophelia-Gretchen, Horatio-Valen-
tin!). — Nicht weniger absurd als diese beiden Ausländer geberdet sich ein neuer
deutscher Erkläi'er unter dem Pseudonym Humanus ^*). Auch er will die ganze
Dichtung symbolisch-allegorisch auffassen. Mephisto entspricht nach ihm nicht dem Teufel
der Sage, in der überhaupt nicht die Wurzeln von Goethes Dichtung zu suchen sein
sollen: sie liegen vielmehr in Shakespeares „Sturm" und „Hamlet". Faust geht von
dem Punkte aus, an dem Hamlet stehen blieb. In der Entwicklung des Menschen-
geistes stellt die griechische Tragödie die erste Hauptphase dar : Natur schlechthin ;
Shakespeares Dichtung die zweite: Abfall von der Natur (!); Goethes „Faust" die
dritte: Rückkehr zur Natur. Die Faustdichtung ist eine Darlegung der bewussten
psychischen Entwicklung, des geistigen Werdens des Menschen auf Grund des eigenen
Lebens des Dichters, und diese geistige Entwicklung stellt H. nun im Anschluss an
den „einzigen wahren Philosophen der Neuzeit", A. Spir, dar. Sie vollzieht sich nach
dem Schema Hingabe. Verinnerung und Verleiblichung, und zwar im „Faust" sechsmal.
Die beiden Seelen erklärt H. als den Verstand und das Gefühl, zugleich bedeutet auch
der Pudel und schliesslich Mephisto den Verstand. Die Hexenküche ist das Geistige
im Menschen, der Spiegel die Vorstellung, der Trank die Poesie, die Hexe das Wissen
und Schauen. Der Sumpf im fünften Akt des zweiten Teils weist auf das Innere des
Menschen hin, der faule Pfuhl ist der Egoismus, aber das Höchste, wie er abzuziehen
sei, enthüllt uns die Dichtung nicht. Das sind nur einige Proben des hier entwickelten
Unsinns. — Von erquickender Freude am eigenen Beruf durchweht ist die Festrede
G. Haucks^-j. Goethe lässt seinen Faust schliesslich Ingenieur werden, stellt also den
Technikerberuf als den schönsten dar. Faust frevelt, da er die Gottähnlichkeit in der
Erkenntnis beansprucht, er vermag jedoch sich zur göttlichen Schöpferkraft aufzu-
schwingen kraft der von Gott stammenden Willenskraft und Willensfreiheit. Der Ide-
alismus der Gegenwart ist der Idealismus der That; seine Verkündig\ing ist der „Faust".
Dem Helden ist allerdings die volle Schönheit des Ingenieurberufs nicht aufgegangen,
weil er das Geleistete der Geisterhilfe, nicht der eigenen Kraft verdankt. — W. Kühn ^j
glaubt eine neue vierte Erklärungsart neben den drei angeblich vorhandenen gefunden
zu haben, dass nämlich die Dichtung weiter nichts darstellt, als das Leben Goethes
selbst. So bedeutet ihm der erste Monolog Fausts die Zeit der Krönung Josephs IL
und Goethes damaliiien Seelenzustand; der Erdgeist die beim Eintreten der Pubertät
drewB, Uoetltes Key to Kaust: Atlautic Monllily «7, S. 538—46, 676—87, 820—38. — 80) M. Kaufmann, Goethes Faust aiid
modern thonght: ScottisU Review 18, S. 143—74. — 81) Huraanug, D. naturgemässe Entwicklung d. Menschen u. Goethes
Faust. E. neue WUrdigunt? d. Faustdichtung. Leii.iig, Findol. 140 S. M. 2,00. |[W. v.] B[ ie]d [e J r[ man ] n : LZg«. S. 537 ;
A. n.: MJ-. HO, S. 3:^0; h. Frllnkel: BLU. S. 3l5; M. Koch: BFDH. NF. 8, S. 268.1| - 82) O. Hauck, Technikers Faust-
ErklUrung. Festrede geli. bei d. Schiukelleier d. Arciiitekten-Vereins in Berlin am 13. Mürz 1891. S.-A. aus d. CBI. d. Bau-
verwaltung. Berlin, Ernst i Sohn. 14 8. M. 0,50. |tBLU. S. 601/2.]| — 83) W. Kuhn, Goethes Leben u. sein Kaust. E.
Intnrsuchung. Berlin, Mayur i MUller. 32 S. M. 0,80. i[H. S : Oesellschart 8. .'V79 (gUnstig) J.Zg". S. 116; H. Lfibner: BLU.
195 G. Witkowski, Goethes Drama, TV öe: 84-m.
sich zeigenden Erscheinungen; Wagner Goethes späteren Hofmeister; die Walpurgis-
nacht entspricht der Zeit des ecliten Sturmes und Dranges usw. Was sich nicht dieser
Ausdeutung fügen will, wie die ganze Gretchentragödie, wird durch das dramatische
Bedürfniss oder dadurch erklärt, dass der Dicliter sich von dem Stoffe habe fortreissen
lassen. An den zweiten Teil geht K. nur, um „die meist recht schalen Allegorien in
ihrer ganzen Nacktheit zu zeigen". Mutig führt er seine Parallelen fort: Vorsuiel —
Schweizerreise; Kaiser •=- Karl August, Baccalaureus -= derselbe; Chiron == Tischbein;
Manto — Angelika Kaufmann ; Helena = Schiller. So fügt sich bis auf Philemon und
Baucis alles aufs beste. Als Zugabe versucht K. noch eine Erklärung des „Wilhelm
Meister" nach derselben Methode. — Hoch über den bisher besprochenen Versuchen
steht eine Arbeit Valentins ^*), der ebenfalls eine Gesamterklärung der Dichtung
liefern will. Seit den neunziger Jahren wird der „Faust" für Goethe das Mittel, das
im „Wilhelm Meister" bereits dichterisch behandelte Problem der Erziehung des Men-
schen nun in einem höheren, Schillerschen Sinne zu behandeln. Im Urfaust standen
zwei Motive unverbunden nebeneinander: Sehnsucht nach der Natur und ihrer Er-
kenntnis und das tragische Schicksal Gretchens. Darin findet nun Goethe die Elemente
für die Lösung der neuen Aufgabe und in der Wette den „poetischen Reif', der die
Masse zusammenhält. Die Einheit des Kunstwerks, in dem notwendigen inneren Zu-
sammenhang aller einzelnen Teile beruhend, ist trotz der scheinbaren Widersprüche zu
erkennen. Besonders schwierig ist die Bedeutung der „klassischen Walpurgisnacht" für
das Ganze zu bestimmen. Die Triebkraft des dramatischen Fortgangs im „Faust" be-
steht in dem Suchen nach völliger Befriedigung auf allen Seiten der Materie. Mephisto
und Faust unternehmen dies ihren Charakteren gemäss in durchaus verschiedener Weise,
und es entsteht das Problem, welcher von beiden den andern in seine Wege zwingen
werde. Bis zum Kaiserhofe hat Mephisto die Führung, von da an wird er zum unter-
geordneten Helfer. Er weiss kein neues Gebiet mehir für seine Versuche, aber es
bleibt die Frage, ob Faust nicht in einer früheren Epoche die gesuchte völlige Be-
friedigung hätte finden können. So greift Goethe die Zeit und das Land heraus, das
am ersten volles Genügen gewähren möchte, das klassische Griechentum. Helena soll
mit Faust körperlich vereinigt werden; um sie wieder entstehen zu lassen, wird der
Homunculus, ein neutraler Lebenskeim, geschaffen, der, nachdem er in der klassischen
Walpurgisnacht bewusst sein Ziel, real zu werden, gesucht hat, im W^asser den Urbe-
ginn des Daseins erkennt und sich ins Meer ergiesst, um dort den Ausgangspunkt für
ein wirldiches Dasein zu finden. Die Wirkung davon zeigt die Erscheinung Helenas
im dritten Akt. Auch in der Verbindung mit ihr findet Faust die völlige Befriedigung
nicht, Vergangenheit und Gegenwart haben sie also nicht geboten, sie ist in der Zu-
kvuift zu suchen. Auch das letzte Bemülien, eine ganz neue Welt zu gewinnen, miss-
lingt, weil die Magie ihre Hilfe dazu leiht, und Faust kehrt zur Natur, zur reinen
Menschheit zurück, indem die Sorge sich zu ihm gesellt. Li diesem Stadium sieht er
den Zustand der Befriedigung ahnend vor sich; diese Ahnung hat er durch eigene
Kraft und eigene Phantasie gewonnen. Um sie zu verwirklichen, muss die Dichtung im
Jenseits fortgesetzt werden. Mephisto hat seine Wette verloren, weil selbst der nur in
der Vorahnung genossene Augenblick höchster Befriedigung niclit sein, sondern Fausts
eigenes Werk war. Dennoch kann Fausts Seele nur gerettet werden, wenn das weib-
liche Prinzip in Gott, die Gnade, das männliche, die Gerechtigkeit, überwindet, Faust
steht am Schluss, nicht auf dem Wege zu endlicher Vollkommenheit, sondern in dem
endlosen Zustande wirklich erreichter Vollkommenheit Als Rahmen der Dichtung er-
scheint die Hingebung an die Magie nnd die Lossagung von ihr und, ausserhalb des
Dramas selbst, die beiden Scenen im Himmel. Von derWette weiss Faust nichts, er glaubtMe-
phisto vom Erdgeist gesendet, und wenn er diesen später erwähnt, so zeugt das nicht für
die unpassende Verbindung zweier ursprünglich inkongi-uenter Dichtungen, sondern da-
für, dass Goethe seinen Faust als in der Sache stehender echter Dichter behandelt hat.
Faust glaubt sich noch, echt tragisch, in der schützenden Obhut des Erdgeistes und ist
thatsächlich den Angriffen des Teufels scliutzlos preisgegeben, der ihm sein wahres
Wesen nicht entliüllt. — Biese ^) vergleicht die Sagengestalten des Hiob, Herakles
und Faust als Typen des altjüdischen, des antiken und moderneu Geistes und findet,
dass Faust dem Herakles, zumal wie ihn v. Wilamowitz-MöUendorf aus der Ver-
hüllung der späteren Mythen herausgelöst hat, näher steht als dem Hiob.*5) — Für die
pliilologische Betrachtung des „Faust" hat die Weimarer Ausgabe eine Fülle von
neuem Material und Anregungen geliefert. In seiner umfangreichen Besprechung hat
Düntzer 87) den „Faust" besonders ausfuhrlich behandelt, selbstverständhch auch hier
S, 378/9; NorddAZgB. N. 47 ; M. Koch: BFDH. NF. S, S. 258; DDichtungS. 31;2.]| - 84) V. Valenti n, D. Einheit d. GootUescheii
FftustdichtuuR: DDichtung 10, S. 126/8, 143/7, 175/7. |[M. Koch: BFDH. NF. 7, S. 440.)i — 85) A. Biese. Hiob. Henikles u.
Faust: ZVLR. NF. 4, 8. 287—302. — 86) O X A. Frauzem, D, leitende Idee in Goethes Fanst: EULotlirSchulBI. 21,
S. 113—22. — 87) H. DUntxer, Goethes Werke (Weimarer Ausg.). I, 1. 2, 6, 7, 14, 15: ZDPh. 23, S. 294—349. - 88) U.
13»
IV- Oe: A9-00. ft. Witk^wski, Goethes Drama. 196
das von anclereii Ofeleistete zum grössten Teil ablehnend. Er erörterfc breit luawichtige
Dinge, wie die Priorität von B oder E ^^ tadelt die Inteiiiunktion als iiikonsequent,
rindet im Text als den schlimmsten Fehler „Leid" statt „Lied", womit er die not-
wendige Besserung „Dich" statt „doch" v. 2348 ganz mit Unrecht in Parallele stellt.
Beizustimmen ist D. darin, dass v. 279 das frühere „Sonn" zu erhalten, 238 ,,Thier''
zu setzen gewesen wäre. Vor v. 4339 betont er ,,rideler". Paral. 40 v. 9 f. bezieht
er airf Hennings „Genius der Zeit", N. 35 soll auf die Kritiker im allgemeinen gehen (?),
N. 36/7 scheinen ihm irrig auf den Blocksberg bezogen und wohl ursprünglich an
Stelle von v. 286 ff. für den ,, Prolog im Himmel" bestimmt gewesen zu sein; der Grund
ist nicht einzusehen. Im zweiten Teil tadelt D. im allgemeinen die nicht durchgeführte
Ausstossung von i und e, wo sie metrisch störend sind. Die Konjektur ,,in" statt
,,ein" \. 5592 wird verworfen, dagegen werden die Aenderungen Eckermanns, die Erich
Schmidt beseitigen musste, durchgängig anerkannt. Von einem ,,völhgen Missverstehen"
der Stelle v. 9307 ff., das sich in der Wiedereinsetzung von „Nun" für „Nirr" aus-
sprechen soll, wird wohl nur D. reden, der in seiner Ansicht befangen, übersieht, dass
auch H diese Lesart hat, und niclit empfindet, dass der Pleonasmus ,,nm' allein" stört.
Mit Recht tadelt D. die Zeichensetzung in v. 10280 f. Unnötig bekämpft er das gut
belegte Bessere in v. lllßO. Was in v. 11703 durch die Trennung des Wortes am
Sinne geändert werden soll, ist nicht klar, v. 5685 dürfte auf Grund der Entwürfe mit D.
,, heben" statt ,, haben" anzunehmen sein. N. 156 ist kein Paralipomenon, sondern ein
Entwurf der Verse der Sphinx V. 7209 ff., aber nicht der Sirenen: so sagt nämlich D. und
zeigt dadurch, dass auch er sich irren kann. — Mit Verwertung der neuen Materialien
liefert Stiller ^^) eine Skizze der verschiedenen Stadien der Dichtung. Er nimmt
drei Pläne an, indem er alles nach 1797 Entstandene auf dem damals entworfenen
Schema beruhen lässt. Jede der drei Fassungen ist ihm das Ergebnis einer besonderen
Schaffensperiode. Die erste ist entworfen in Anlehnung an die überlieferte Faust-
sage (vgl. U 194/5), Mepliisto ist liier wie im Volksbuch nur ein Geschöpf Lucifers
(vgl. ü '526/9 und 443/5). Dieser ist mit seinen Scharen dem Erdgeist untergeben.
Faust ist (wegen U 111/4!) ein heissblütiger Jüngling, der für die Wissenschaft noch
nicht r?if ist, sondern gemessen will, für den das Professorentum nur ein äusseres Ge-
wand bildet. Er erscheint in U schliesslich reif, der Hölle überliefert zu werden. Als
Goethe in Italien den zweiten Plan fasste, musste er den ernsten Gelehrten mehr her-
vortreten lassen und für ihn neue Züge erfinden. Derartiges in F: die Betonung von
Fausts Alter v. 2555 — 60, 2341/2, sein Benehmen iii Auerbachs KeUer und in der
Hexenküche, der hochfliegende Geist v. 658/9. Mephistopheles ist jetzt der Vertreter
der nüchternen Kritik, er wird der Führende, und seine Aufgabe ist dem ernsten
Forscher gegenüber eine schwierige: v. 2052, er muss ihn durch den Zaubertrank ver-
jüngen, durch das Bild im Spiegel seine Sinnlichkeit erregen. Die dritte Bearbeitung,
die fertige Dichtung, untex'scheidet sich von F vor allem dvirch die neue, unbefriedi-
gende Einordnung von „Wald und Höhle". Faust ist der in seinem Glauben erschüt-
terte, in allen seinen Hoffnungen getäuschte Mensch, der doch nicht auf das Streben
nach dem Idealen verzichten kann. Er erkennt „Im Anfang war die That", aber ehe
er ein Leben der That beginnen kann, tritt ihm der Versucher entgegen, hi der Wette
wird das Thema des neuen Planes aufgestellt: der ungestüme Drang nach rastloser
Bewegung. Es kann sich dabei nur darum handeln, ob in Fausts Seele der erschlaffende
Genusstrieb oder der dunkle Drang nach dem Idealen die Oberhand behalten werde.
Nach den Worten des Herrn v. 327/9 ist der Ausgang nicht zweifelhaft. Auch das
Böse muss der göttlichen Weltordiiung dienen. Es handelt sich nur um das rastlose
Streben, das auch durch Alter und Blindheit nicht gebrochen wird, nicht um die Er-
füllung eines ethischen Ideals. Sicher ist für S., dass Goethe von vornherein an eine
Fortsetzung über Gretchens Ende hinaus und an eine Darstellung von Fausts Zusammen-
leben mit Helena dachte. In Par. 63 steht nichts über Fausts Ende, weil dies erst um
die Wende des Jh. entworfen wurde. Der Urfaust sollte nicht Darstellung einer be-
stimmten Idee, sondern Ausdruck der Unbefriedigung, der Auflehnung sein, welcher der
Untergang folgte wie im „Prometheus". Ebenso wenig lag dem Fragment eine Idee
zu Grunde, aber jetzt sollte Faust sicher nicht mehr zur Hölle fahren. — Zwei Hilfs-
mittel für das Studium der ganzen Dichtung von verschiedenem Wert hat Strehlke ^^-w)
geliefert. Das erste bietet einerseits weniger, andererseits mehr, als der Titel besagt.
Es ist nicht ein vollständiges Wörterbuch, sondern nur eine Zusammenstellung der
Eigennamen und der in Fonn und Bedeutung nicht gewöhnlichen Worte. Ausserdem
.stiller, Goethes Entwürfe z.Fauht. i'rogr. d. Gyuin. z. Grauen Klostor. «erlin, Gärtner. 4". 43 S. M. 1,00. HL. Fräiikel :
BLU. S. 599; M. Koch: BFDH. NK. 8, S. 264.]| — 89} F. Strehlke, Wörterbuch zu Goethes Faust. Stuttgart, Dtsch.
Verl.-Anst. VIII, 157 S. M. 3,00. |[0. Pniower: DLZ. 13, S. 1894 ff; W. v. Biedermann: LZg*". S. 537; F. Mauthner:
ML. 60, S. 752; BLÜ. S. 600; M. Koch: BFDH. NF. 8, S. 262; Gesellschaft S. 1689.]| — 90) id., Paralipomena zu Goethes
Faust. Entwilrfo, Skizzen, Vorarbeiten, Fragmente geordnet u. 9rl. ebda. XV, 151 S. M. 8,00. (Uecens. s. N. 89.) —
197 G. Witkowfiki, Goethes Drama. IV 9«: »i-w.
aber giebt S. eine. Reihe vortrefflicher Sammelartikel (ühm- giaiiiinatikaliHclje mu\ gtilistigche
Eigentümlichkeiten der Dichtung, sowie längere Exkurse über einzelne Punkte wie
(las Bild in der Hexenküche, das er auf Helena deutet, den Erdgeist, den Homunculus,
der nach 8. der Menech selbst ist, anfangs nur nach der geistigen Seite hin, wie er
alley Wissen und Können umfasst, zuletzt nach der leiblichen, deren thatsächliche Ver-
bindung mit der geistigen nur in der Idee, nicht in der Wirklichkeit liegt. Von Einzel-
heiten wäre zu bemerken, dass die Erklärung von v. 1710 und 7b<)(» sicher fehlgeht,
dass die Deutung von „da" v. 2^)8 gesucht ist, dass die „Latschen" Par. 27,2 wohl
richtiger als „Krummholz" zu erklären sind: endlich ist zu „bekleiben" U v. 310 nicht
gesagt, dass erst die Negation die hier entwickelte Bedeutung ergiebt. — Einem ent-
schiedenen Bedürfnis entspricht die zweite Schrift. Denn da die Paralipomena bisher
nur in der Weimarer Ausgabe vollständig enthalten sind, ergiebt sich die Notwendigkeit
eines Sonderabdi-ucka von selbst. Indessen lässt sich leider nicht sagen, dass S.s Arbeit
billigen Anforderungen genügte. Einer Anzahl von Zusätzen, wie den von Luden ange-
führten, improvisierten Mephistopheles- Versen, Matthissons Bericht von der neuen Wal-
purgisnachtscene 1815, Falks Worten über den ersten Akt des zweiten Teils, stehen
Lücken gegenüber: so fehlt besonders U und die Helena von 1800. Par. 150, Zeile 147
ist ausgelassen. Die Interpunktion und Schreibung entbehrt fester Grundsätze, der
Wechsel lateinischer und deutscher Schrift wird nicht genau wiedergegeben, Aende-
rungen, Durchstrichenes, Spatieii, Zusät>re am Rande sind selten und ohne erkennbares
Prinzip berücksichtigt. Die Prüderie gegenüber den Derbheiten der Walpurgisnacht
geht noch weiter als in der Weimarer Ausgabe. Beim zweiten Teil ist die älteste Pha.se
von den jüngeren nicht geschieden, hier wie überall die Anordnung, meist nicht zum
Vorteil, völlig geändert. So ergiebt sich z. B. für den ersten Akt des zweiten Teils
folgende Reihenfolge: Par. 04; 03; 100/2: 104; 105; 103: 10<j; 107: 123, 1 Z. 48— 63:
05; (>7: 68; 81; 110 v. 2—6: 113: 116; 117: Skizze zu Vmi—CAOii ohne v. 3—5 (aus
den Lesarten); 119; 121; 120; 118; ()6: 7t): 122. Dann ohne sicheren Anscliluss: 80;
79; HO V. 1; 128; 74; 71/3; 75; 132: 127. Im Anhang sind Stücke als nicht bestimm-
bar bezeichnet, die schon von Erich Schmidt richtig eingeordnet wurden. Unbrauch-
bar für jeden wissenschaftlichen Gebrauch wird S.s Arbeit, abgesehen von den bereits
erwähnten Mängeln vor allem dadurch, dass mannigfache Stellen, infolge von falscher
Lesung oder Flüchtigkeit einen lunichtigen Text bieten. Nur selten erweisen sich die
Abweichungen von der Weimarer Ausgabe als Verbesserungen, wie ein Vergleich der
Hss. im Goethearchiv ergeben hat. So Par. 27 Z. 15 Tauft; Par. 104 Z. 9 nimmt
(mit?); Par. 142 v. 1 kost (?); Par. 149 v. 1 thust; Par. 142 Z. 4 Anmuth pp.; Par.
169 Z. 2 Ufer. Plätze Den. Lesarten 15, 2, 48 zu 7271 : gebildeteres — Erhmening an
den Traum. Die ge.samten übrigen sehr zahlreichen Aenderungen S.s sind falsch. —
Die Chronologie einiger Paralipomena hat 0. Harnack "') erörtert. Richtig hat er be-
obachtet, dass der Inhalt von Par. 1 U entspricht, nur ist dann nicht einzusehen,
warum man es nicht weit früher als 1788 ansetzen soll. Da.ss der Student hier .schon
Schüler heisst, kann doch dafür nicht massgebend sein. Wäre Pai-. 1 eine Rekapitula-
tion des Vorhandenen und eine vorläufige Andeutung des weiteren . Planes bei Wieder-
aufnahme der Arbeit, so hätte die Skizzierung des Folgenden doch wohl genauer aus-
fallen müssen. Für Par. .22 scheint H. die Entstehungszeit dadurch gegeben, dass Faust
hier die Vorteile der Roheit und Abgeschmacktheit entwickelt, was nur durch die
Rolle, die ihm U. in Auerbachs Keller zuweist,' zu erklären ist, und dass andererseits
schon von dem Trank die Rede ist. H. setzt also Par. 22 etwa gleichzeitig mit 1 an.
Par. 27 — 50 (zur Walpurgisnacht) weisen auf einen ganz anderen, oder besser umfang-
reicheren, Plan hin, als den später au.sgeführten. Sie köinien, so meint H., nicht viel
früher entstanden sein, da Par. 48 erst nn Dez. 1797 geschrieben sei, womit zugleich die
Entstellungszeit von Par. 24 — 31 (auf demselben Blatte) entschieden wird. Auch fiir alle
anderen ergiebt sich etwa dieselbe Zeit mit Ausnahme von Par. 41/3 und Par. 50 (uicht 51),
die aber nicht fi'üher als 48 fallen könne. — Das wichtige Par. 1 hat Düntzer«2) in
einem besonderen Artikel behandelt, den er mit einer Polemik gegen Erich Schmidt,
Strehlke und 0. Harnack eröffnet. Er leugnet dann überhaupt die Auffassung des
Blattes als Faustplan und sieht darin nur allgemeine Gedanken in der Art der „Sprüche
in Prosa", für die nur im zweiten Teil des Par. Personen aus dem „Faust" als Beispiele
herangezogen würden. Die letzten Worte deutet er als einen seltsamen augenblicklichen
Einfall Goethes. Auch für Par. 2 verneint D. die Zugehörigkeit zum „Faust". ^*-^5) —
Die Einwirkung von Goethes „Faust" auf England behandelt Tait»*) in einem kiu-zen
91) 0. Harnmck, Beitrr. z. Ckrounlogie d. Faustparalipomena : VLO. 4, S. ItiU—T:). — 92) U. DOntzer, E. neues rktsellmfles
Blatt Goethe» über seinen .Faust": BLU. S. 609— 13. — 93) C XX F- Saiten, Mephiatopheles: ModBs. Heft 2. — M) XX
QpetUe, Faust. Illustr. v. ersten litsoh. Künstlern. Stuttgart, Dtsch. Verl.-Änst. 4». 183 S. M. 12jOO. 'LZg. N. 284.1i
— 95) X Q-. tjl>er Goethes Faust auf d. BOhne: FrankKur. N. 431. — 96) J. Tait, Tb« LitAr^ry ipflueui» jf Gopthes Faust
IV 9e: »7-111. G. Witkowski, Goethes Drama. 198
Vortrag. Bis zu Goethes Tode hat in England im allgemeinen Misstrauen und Verach-
tung gegen seine Schöpfungen geherrscht, aber sein Hinscheiden hat eine Fülle von
Lobeserhebungen und Uebersetzungen hervorgerufen. Damit hat auch der Einfluss von
Goethes „Faust" auf die Werke der jüngeren englischen Dichter begonnen, besonders
auf Brownings „Paracelsus" (1835) und noch mehr auf Baileys „Festus", der in seinen
fünfzehntausend Versen eigentlich nur eine Faustparodie darstellt. — Weitere Zeugnisse
für die vom Faust ausgehende Wirkxing haben L. Geiger ^'') und die Herausgeber von
Faustspielen K. Engel ^s), Tilleso) und Kolmann i^o) beigebracht. — Neue Ueber-
setzungen und Auflagen älterer sind mehrfach erschienen ioi-i05^_ . — ^g Kuriosum sei
die Fausttragödie von Schilfige) erwähnt, die zu den höchsten Leistungen tmfrei-
williger Komik gerechnet werden darf. —
Wenig ist über die Quellen des Dramas gearbeitet worden. Edw. Schrö-
der ^ö'') erinnert daran, dass im Spiel von Frau Jutten eine Scene äussere Aehnlichkeit
mit der Schülerscene zeigt. Goethe hat das Stück gewiss aus Gottscheds „Nöthigem
Vorrath" gekannt. Es ist darin auch ein Pakt mit dem Teufel, in Jutta eine gewisse
Verwandtschaft mit Gretchen, und in der Schlussscene wird ein Weib aus der tiefsten
Schmach zu den Himmlischen emporgehoben. Auch hier mag ein Keim der Tragödie
Goethes liegen i^s). —
Die Göchhausensche Abschrift des Urfaust führt Düntzer lo») irrtümlich auf
die Sammlung von Goethes Schriften für die Herzogin Anna Amalia zurück. Er betont
mit Recht die Unmöglichkeit, aus der abweichenden Fassung des „Königs von Thule"
weitere Aenderungen in U zu erschliessen, und die Einheitlichkeit des ersten Wurfes
der Dichtung. Am Schlüsse angefügte Einzelheiten, Einschiebsel und Veränderungen
beim häufigen Vorlesen will er daneben als möglich annehmen. In der grossen Lücke
ist in U nichts Vorhandenes fortgelassen. Die Scene auf der Landstrasse kann nicht
zu den ursprünglich gedichteten Hauptscenen gehört haben, Goethe hat ihre weitere
Ausführung beabsichtigt, was aus der Ortsangabe hervorgehen soll, und sogar den In-
halt dieser Fortsetzung weiss D. anzugeben! Von einer Verschiebung der Reihenfolge
oder von Auslassungen in U will 6r nichts hören und weist Pniowers und Kögels Be-
gründung ab. Sonderbar setzt er die Scene „Ti-über Tag. Feld" unter die spätesten
des Jahres 1775, der neue Plan von 1787 soll an sie angeknüpft sein. — Ein Muster-
produkt der „höheren Kritik" liefert Pniower ^^^) für die Schülerscene. Er geht von
dem Grundsatze aus; Wiederholungen auf engem Räume beweisen verschiedene Ent-
stehungszeiten. Beim Wiederaufnehmen der Dichtung nach längerer Zeit lehnt sich der
Dichter an das bereits Vorhandene unwillkürlich oder absichtlich aus Bequemlichkeit
an. In der Schülerscene sollen die Verse 1990 — 2000 aus U 383 geflossen sein. Eine
Wiederholung finde sich v. 1954 f. und v. 1908 f., die in U fehlen. Sie sind einge-
schoben, um nach der allgemeiner gefassten Rede des Schülers und dessen Wunsch
nach Zerstreuung den Gegensatz stärker hervorzuheben. Die " Stelle U 339 ff. scheint
P. nicht in Ordnung, was vor allem durch die Anrede v. 341 bewiesen werde. Die
beiden ersten Verse der Rede sind erst nachträglich vorgeschoben, um zwei zu ver-
schiedenen Zeiten gedichtete Stücke zusammenzuflicken. Wir hätten also in der Scene
zwei verschiedene Partien a und b. In a handelt es sich um materielle Dinge, in b um
die geistige Seite des Studiums, in a fehlt der „Professor Ton", von dem b spricht, a
ist übertreibend parodistisch, b überlegend satirisch, a zeigt mangelhafte Ausdrucks-
fähigkeit, b ausserordentliche Gewandheit und Glätte der Sprache. Auch durch eine
statistische Zusammenstellung stilistischer und metrischer Eigenheiten glaubt P. das
bestätigen zu können. Anklänge aus a in b werden nicht ohne Zwang konstatiert:
„irrlichteliren" z. B. soll in demselben Geiste wie ,,vertripplistreicheln" gebildet sein.
Dürfte man, wenn das als beweisend anerkannt wird, nicht eher daraus auf Gleich-
zeitigkeit beider Partien schliessen? a soll einer Periode engsten Anschlusses an die
alte Form angehören und am nächsten dem „Pater Brey" verwandt sein, den P. ins
Jahr 1772 setzt, b dagegen gesellt sich metrisch zur ersten Gartenscene, ist mit mit ihr
erst 1775 verfasst. Wann endlich die beiden verbindenden Verse 339 f. gedichtet
sind, ist schwer zu ermitteln; P. meint, sie seien vielleicht in Weimar zur Vorlesung
in England 1832—1852, rfad in the Manchester Goethe Society the 15. April 1891: Ac. 39, S. 398. — 97) L. Geifer, Faust-
dichtungen d. 19. Jh. (Vortr. Ref.): FZg. N. 49. — 98-99) X A. v. Weilen, Engel, Volksschausp. v. Dr. Faust (1890 111
4 : 26); Tille, Dr. Faust (ib. 27): DLZ. 12, S. 338/9. (Ergänzung durch d. Scenen, wo Fausts Vater erscheint. Einfluss Goethes
sichtbar im Anbohren »1. Tisches.) — 100) (III 4 : 28, S. 99—100. Einfluss v. Goethes Dichtung auf d. Puppenspiele d. Gegenw.)
101) E. K., Hansens FaustUbersetzung: ML. 60, S. 160. — 102) X J- W. v. Goethe, Faust: a tragedy; translated into English
verse with notes and preliminary remarks by J. S. Black ie. New-York, Macmillan. 120. 77, 296 S. M. 7,00. (2. Ter.
edition.) — 103) XX Goethes Faust; from the German by J. Anster. New-York, Stokes. 1890. — 104) X Goethe,
Faust trad. da G. ScaWini e G. Gazzino 2. ed coli' aggiunto della loggende del Widmann. Firenze, Le Monnier Succ.
M. 3,20. - 105) Gootbuv Faust. Prelozil Jaroslav Vrchlicky. Prag, Simacek. 208, XVII, 328 S. M. 2,40. — 106) H. Schilf,
Fanst. Tragödie in fUnf Akten. Petersburg, Sehmitzdorff. 128 S. M. 2,00. |[F. Kummer: BLU. 1892, 8. 368.]| —
107) Edw. Schröder, Goethei Faust u. d. Spiel v. Frau Jutten: VLQ. 4, S. 336/9. — 108) (III 3 : 5.) — 109) S. o. K. 3. —
HO) 0. Pniower, D. Schülerscene im „Urfaust": VLQ. 4, S. 317-35. — III) B. Seuffert, D. älteste Scene im Fau»t: ib.
109 G. Witkowski, Goethe« Drama. rV9e: na ii5
am Hofe hiuzugel'ügt. Wozu dient dieser Aufwand von minutiöHen Beobachtungen,
statistischen Tabellen, schaifsinnigen Kombinationen? Daö kleine und unsichere Er-
gebnis steht in keinem Verhältnis zu der aufgewandten Mühe. — Dieselbe Scene
wie Pniower behandelt B. Seuffert "•) und kommt dabei zu ganz anderen ErgebnisBen.
Er giebt seine frtihere Annahme auf, dass „Auerbachs Keller" nocli in Leipzig verfasst
sei, glaubt aber die Schülerscone dorthin verlegen zu sollen. Der erste Teil, den er
dem ötrassburger Goethe nicht mehr zuzuschreiben vermag, soll in F gestrichen worden
sein, weil Ton und Inhalt dem später entstandenen zweiten widersprächen. Die Pen-ücke
Mephistos soll au die Gottscheds eriiuiern. Vielleicht haben wir hier eine Karikatur
von Clodius vor uns; die Scene hält S. für einen ähidichen Scherz wie den gegen ihn
gerichteten (s. Werke 27, S. 141) mit Lokalanspielungen für den Leipziger Kreis und
möglicherweise für den Urfaust umgebildet. S. lässt das Neue bei v. 395 einsetzen
wegen der Häufigkeit der Reimverschränkung und der Veränderung von Metnnn und
Stil. Auch v. B31 — 40 möchten später eingeschoben sein, ebenso 354 f. Das ältere
Stück ist der jedenfalls erst später concipierten Faustdichtung wohl eingefügt worden,
weil es den Namen des Mepliistopheles trug. Aber wie kam Goethe denn in Leipzig
dazu, seine Satire dem Mepliistopheles in den Mund zu legen? und ferner: wo haben
wir sonst bei ihm ein Beispiel, dass er eine Dichtung aus älterer Zeit, die er selbst
schon missbilligte, in ein neues Werk einschob, noch dazu in eines, das ihm sicher von
vornherein den Gipfel seiner Kunst bedeuten sollte? — Bronner '•2) leugnet es, dass
„Auerbachs Keller" am 17. Sept. 1775 entstanden sei und vermutet, gestützt auf
den Brief an Auguste Stolberg von demselben Tage (W^eim. Ausg. S. 29*2 f.), in dem
Monolog „Meine Ruh' ist hin" die an diesem Tage gedichtete Scene: ein inuititzes
Herumraten. — Pniower i'^) setzt die Domscene mit Scherer in die älteste Zeit der
Dichtung, weil darin das „Dies irae" vei'wertet sei, das auch dem Chorlied des „Satyros"
(vor dem Nov. 1774) zu Grunde liegt, weil dieser Chor ebenfalls in vierfüssigen Jamben
abgefasst ist, in einem Tempel erklingt und weil der Schluss einer Strophe lautet:
„Schrecklich nahet sein Gericht". Zudem erkläi-t Goethe an Zelter (11. Mai 1820), dass
der „Satyros" in die gleiche Zeit mit einem wichtigen Teile des „Faust" falle. Wir
glauben kaum, dass jemand diese Gründe für überzeugend halten wird. — Sprenger"*)
erklärt eine Anzahl Stellen in U; so S. 28 Z. 176 „sie sind nun eingeschiift" = sie sind
nun schon im besten Zechen, v. 1326 „Brandschande" = Brandmal und „Malgeburt"
aus dem Volksglauben, nach dem uneheliche Kinder ein Muttennal tragen. —
Speciell in des Dramas ersten Teil führt zunächst die vielfach erörterte Frage
nach dem Verhältnis von Erdgeist und Mephistopheles; sie behandelt Graffunder J'^) von
neuem kenntnisreich, vorsichtig und gründlich. Er weist die von Hegel ausgehende
Deutung des Erdgeistes zurück. Der Makrokosmus ist nicht einheitlich, sondern wird
in den alchimistischen Werken allgemein als dreiteilig angenonmien. Zu Grunde liegt
die Anschauung von der durch das Univensinn gehenden Wechselwirkung der Kräfte.
Zu V. 447 — 53 verweist G. auf eine Stelle bei F. M. van Helmont, die den Gedanken
in ähnlicher Einkleidung enthält. Auch der Erdgeist stammt aus derselben Quelle. Er be-
deutet den alten Kabbalisten und Mystikern die in allen Dingen waltende Lebenskraft,
Bei Goethe stellt er die ewig schaffende Kraft der Natur dar, aber ausserdem den Geist
der That, der Geschichte. Li Par. 1 reflektiert Goethe über das Fragment von 1790, G.
setzt es ins Jahr 1797, in die Zeit der Erörterungen mit Schiller. Wenn Mephisto-
pheles von diesem Natur- und Thaten-Genius dem Faust als Genosse beigegeben ^närd,
so muss er seiner teuflischen Natur entkleidet werden. In U ist er aber durchaus der
mittelalterliche Teufel, der die Seele des Menschen zu gewinnen sucht, und diese hat
ihm Faust, wie G. nachweist, nach dem ursprünglichen Plane verschrieben. Als Send-
ung Lucifers kaini er nicht ein Untergebener des Ei'dgeistes sein. Dieser arbeitet durch
die reinigende Macht der Natureindrücke dem Mephistopheles gerade entgegen. Die
bekannten Stellen in „Wald und Höhle" und der Prosascene, die dagegen zu sprechen
scheinen, will G. so erklären, dass Faust bei der hohen Stellung, die er dem Erdgeist
als mittelbarer Kundgebung Gottes auf Erden zuschreibt, annehme, dieser habe auch Ober
Mephistopheles Macht. In U sollte Faust nach der Beschwörung des Erdgeistes hinaus
ins weite Land fliehen und dort mit Hilfe des Buches von Noatradamus den niedem
Geist Mephistopheles beschwören (für diese Stelle wären ursprt\nglich die v. 33 — 74
bestimmt gewesen), der ihm zuerst in Hundsgestalt erschien. Auch das Motiv des
Spaziergangs glaubt G. schon in der Frankfurter Zeit erfunden und teilweise ausgeführt.
Die Giinidstimmung Fausts gleicht der Goethes nach der Rückkehr aus der Schweiz
1775, wie sie in dem Briefe an Auguste Stolberg vom 3. August ausgedrückt ist, das
Bruchstück vom Sonnenuntergang muss deshalb bald nach diesem Briefe enstanden sein,
S. 339—42. - 112) F. Bronner, Zu Goethes Faust: ZDPli. 23. S. 290/2. — 113) (.IV 9b : 97.) — 1|4) B. Sprenger. Z. ürfcmt:
ZDU. 5, ::. :)4>J— 52. — 115) P. Uraffuuder, D. Erdgeist u. Mephistophelei in Uoethea Faust: PrJbb. .S. 700— 2ö. {M. Kueh:
IV 9e: 116-122. G-. Witkowski, Goethes Drama. 200
die nächtliche Besshwörungsscene ist die Fortsetzung des Spaziergangs gewesen ; ebenso
soll auch die Evangelienübersetzung wegen der angeblichen Entlehnung der Bedeutungen
des Xöyos derselben Zeit angehören. Auch das Motiv des Selbstmords kann, so meint G.,
in U nicht gefehlt haben. Gestützt auf Par. 56 nimmt er endlich für die grosse Lücke
in U noch eine Scene an, in der Mephisto Faust durch Erregung der Sinnlichkeit vom
Wissensdrange abzuleiten sucht, deren zweiter Teil in F mit den Worten beginnt;
„Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist". Im Originalcodex, aus dem die Göch-
hausensche Abschrift geflossen ist, haben sich G.s Ansicht nach keine vollendeten Scenen
ausser den dort mitgeteilten befunden. „Trüber Tag. Feld" gehört nicht einer älteren
Schicht an, die vor der Entstehung von U liegt, vielmehr bilden alle Teile von U eine
zusammenhängende Fassung der Dichtung, und wenn dem so ist, kann auch Mephisto
nach dem ursprünglichen Plane nicht vom Erdgeiste ausgehen. — Cornish ii^) sieht
in der Scene vor dem Thor Erinnerung an die Leipziger Eindrücke, wie sie in dem
Briefe an Karl August vom 25. März 1776 geschildert sind. Li dem Briefe an Behrisch
vom 7. Nov. 1767 findet er Keime der Gretchentragödie. — Li einem Vortrag hat
A. Frhr. von Berger i^'') den Vertrag vom juristischen Standpunkte aus behandelt.
Zwei Auffassungen sind möglich, entweder als Dienstmietvertrag auf Fausts Lebens-
dauer, oder, die Ansicht, der sich B. anschliesst, als Glücksvertrag oder Wette. Wird
diese von Faust gewonnen, so ist ihm der Teufel Zeit seines Lebens dienstbar (?), er
erhält daher den Preis der Wette schon im voraus ausbezahlt. Gewinnt der Teufel die
Wette, so verfällt ihm die Seele Fausts. Mephistopheles verliert die Wette wegen der
hypothetischen, erst auf die Zukunft bezüglichen Form des entscheidenden Ausspruchs an
Fausts Lebensende. Man kann, so glaubt B., aus diesen Umständen einen Schluss auf
Goethes Meinung vom Wesen der Menschen ziehen. Jeder lässt sich mit den höllischen
Mächten ein, weil er weiss, dass er ihnen doch nicht gehört, wenn er sich auch ihnen
verschreibt, um sich ihrer zu bedienen, in dem dunklen Gefühl: wenn ich auch oft das
Böse thue, böse bin ich doch nicht. Aus diesem uralten Menschengefühl ist der Teufels-
bund hervorgegangen. — Mit der ihm eigenen Tiefe und Wärme behandelt ß. Hilde -
brand^is^ Fausts Glaubensbekenntnis. Goethe spricht hier seinen eigenen Standpunkt
aus, im Geiste der Sturm- und Drangzeit. Durch das Ablehnen des Gottesnamens wird
nicht Gott selbst abgelehnt, sondern er soll hoch über das unzureichende, abgenutzte
Alltagswort hinaus erhöht werden. Wer sein Wesen in Worte fassen will, wird zum
Spotte. Die Frage an Priester und Weise bezieht sich nicht nur darauf, ob sie an Gott
glauben, sondern bedeutet mehr, was sie von Gott glauben oder denken und wissen.
Mit dem Bekenntnis des blossen Namens ist nichts bekannt; wer aber darüber hinaus
das Wesen Gottes in sich empfindet, der kann das Bekenntnis nicht versagen. Das
folgende ist ein Versuch, die Empfindung des Göttlichen wachzurufen, die dem Menschen
nur durch das Gefühl zugänglich ist. Zum Vergleiche werden ein Gespräch mit Ecker-
mann (Biedermann 3, S. 22), Sprüche in Prosa N. 569 und „Trilogie der Leidenschaft"
herbeigezogen. Ueberall ist an einen Gott in pantheistischer Fassung zu denken. Am
Schlüsse weist H. noch hin auf Klopstocks Aufsatz „Von der besten Art über Gott zu
denken", der Goethe wohl durch Herders „Fragmente" nahe gebracht war, auf die Ode
„Dem Allgegenwärtigen" und auf die gleiche Anschauung bei den Mystikern. —
Lyon 11^) widerspricht der Annahme Kreyssigs, dass der Fall Gretchens zwischen die
erste Gartenscene und „Wald und Höhle" zu setzen sei. — W. von Biedermann 120^
wiederholt seinen Widerspruch gegen die Identität des „erhabenen Geistes" mit dem
Erdgeist sowie gegen alle daraus gezogenen Folgerungen. Er weist ausserdem hin auf
den in den Annalen genannten „Mundus anthropodemus plutonicus" von Joh. Praetorius
(1666), der Blocksbergscenen zur Anschauung bringt, und auf ein Kunstblatt ähnlichen
Gegenstandes von Michael Hertz. Auch er entscheidet sich für die Betonung „fideler". —
Eine grössere Anzahl von Stellen des ganzen Dramas hat Sprenger 121) erläutert.
Manchem wäre wohl zu widersprechen, doch ist hier zur Polemik über solche Einzel-
heiten nicht der Ort. —
Ohne Kenntnis der neuen Veröffentlichungen, aber mit warmem Gefühl und im
ganzen richtigem Verständnis behandelt der Italiener Cesarii22) vornehmlich den
zweiten Teil. Das Fragment von 1790, der übrige erste Teil und der zweite Teil
stellen drei Perioden der moralischen und der intellektuellen Entwicklung Goethes dar:
die erste romantisch, die zweite klassisch im edelsten Sinne der Uebere in Stimmung von
Gedanken und Bild, von Form und Inhalt, die dritte eklektisch, Poesie und Wissen-
BFDH. NF. 8, S. 261.]| - 116) S. o. N. 29. - 117) (IV 9a : 30.) i[FreradenBl. N. 79; DBUhneug. 20, S. 126/7; TglRs. N. 100.]|
— 118) B. Hiidebrand, Zu Fansts Glaubensbekenntnis, dabei t. e. bedeutsamen Eigenheit In Ooethes Denk- u. Sprachweise:
ZDU. 6, 8. 869-76. - 119) 0. Lyon, F. Kreyssig, Vorles. Über Goethes Faust, her. v. F. Kern (1890 IV lle : 37): ZDU. 5,
8. 73. — 120) [W. Frhr. v.] B[ie]d[e]rn) [»] nn, Faustisches: LZg". N. 135. — 121) R. Sprenger, Zu Goethes Faust. Erl.
Bemerk, im Ansohluss an SohrOers erklar. Ausgabe, 2. Aufl.: ZDPh. 23, S. 451/7. — 122) A. Cesari, Goethe e la seconda
parte del „Faust". Fiorenzuola d'Arda, Pennaroli. 1890. 30 S. (Nicht im Handel. Spanische Übersetzung von Kubeus Dario;
201 G. Witkowaki, Goethes Drama. IV 9©: i»-i».
Schaft, modernen und antiken Geist vereinend. Aus der Tragödie des GefühlsQber-
schwangs wird die Epopöe der Läuterung durch vervielfiiltigte Thätigkeit filir die Zu-
kunft. Das dramatische Interesse verachwindet vor dem philosophischen. Faust erreicht,
nachdem er sich in Helenas Annen, an der Antike, neu gestärkt hat, da« Ziel der
menschlichen Vollkommenheit in dem Gleichgewicht der physischen Kraft mit der
moralischen und intellektuellen, der Verbindung von Idealismus und fruchtbarer Tliätig-
keit. Goethe schloss den „Faust" nicht tragisch, weil ihm am Ende seines Lebens die
Bedingimgen der dramatischen Produktion im höchsten Stil mangelten. Er betrachtete
ruhig die Mensrliheit, und der frühere Skeptiker Faust fand, gestützt auf die Geschichte,
die Hoffnung auf ihre Zukunft wieder. — Unzureichend in jener Beziehung ist der Auf-
satz von Schütz -Wilson !-<*), der den ganzen zweiten Teil für eine lange dunkle Alle-
gorie erklärt, die nirgends das Herz rühren könne. — An drei verechiedenen Stellen
hat Düntzer 124-126) die Genesis des ganzen zweiten Teils vorgeführt. Zuerst behandelt
er die ersten beiden Akte. Er verlegt den Anfang ins Jahr 177<) nnd sieht als erstet»
Entwurf Par. (55 an. Eckennatwis Angabe, die Terzinen des Vorspiels entstannnten den
schweizer Eindrücken, hält er für ungenau. Par. UX3 wird vor dem Juli 1827 angesetzt.
Er stellt alle Daten für die weitere Arbeit genau zusammen mit zuweilen willkürlichen
Bestimmungen der Entstehungszeit einzelner Teile und giebt dann einen klaren Abriss
beider Akte mit steter Hinzuziehung der früheren Entwürfe, selbstverständlich nicht
ohne polemisches Beiwerk. Die Vermutung Erich Schmidts, „Pliallus' für „Phillus"
(zu V. 5192/5) findet er „entsetzlich" und schlägt statt dessen ..Niklas" vor. Warum
nicht sonst irgend einen beliebigen Nainen? Par. 105 Z. 11 vermutet er „Elemente"
statt „Stände". Zu K^^ (15, 2, 21) schlägt D. statt „alle singt" vor „alles eint"; woher
weiss er aber, ob dieses „offenbar Sinnlose" der Angabe Schmidts nicht auf durchaus
sicherer Lesung beruht, und welche Gründe hat er gerade für seine eigene Fassung,
da sie doch graphisch jener nicht näher steht als viele andere, die ebensowenig innere
Beziehung z\i der Stelle haben? So kann man auch bei den meisten anderen Ver-
mutungen D.s fragen. Par. 127 wird willkürlich zu „Finstere Gallerie" gezogen,
V. 640B— 14 für einen späteren ungehörigen Zusatz erklärt. Besonders beachtenswert
ist, was D. zur Schöpf\ing des Baccalaureus und der neuen Gestalt Wagners
beibringt. Mit Recht erklärt er die Einordnung von Par. 128/0 und 130/1
für bedenklich. Aufs ernsteste ist es zu rügen, dass er gegen den Scliluss,
noch dazu bei Gelegenheit einer ganz gleichgültigen Quisquilie , einen durch-
aus unparlamentarischen Ausdruck gegen den Forscher gebraucht, dem er wie
alle anderen, überhavipt erst die Möglichkeit einer solchen Untersuchung, wie er sie
anstellt, verdankt. In derselben Weise und dem gleichen Tone bespricht D. die „Klas-
sische W^alpurgisnacht". Er bemängelt in seinem, viele Einzelheiten fördernden Aufsatz'
die W^eimarer Ausgabe, ohne zu sagen, wie denn die ungeheure Menge übersichtlicher
vorzulegen war, fordert Faksimiles — d. li. einen riesigen Atlas der unleserlichen Stellen,
zu denen er schai-fsinnige Vermutungen beibringt, stattet auch die sicher gelesenen selu
zuversichtlich mit zahlreichen Konjekturen aus, verlangt fortwährend Anmerkungen, die
im Plane der Ausgabe nicht möglich sind, und nimmt an, dass der Herausgeber alles
nicht weiss, was er nicht sagt. D. geht zunächst die ältesten Helenapartien durch,
emendiert külni Par. 84, 14 0 . . . in „El[ysiuinJ", verweist Par. 85 in die zwanziger
Jalire, da die älteste Phase keine Triiueter und keine Phorkyas kenne, wiederholt die
Entstehungsdaten von 1800, um dann „Abschied" und „Abkündigung" auslührlich zu
besprechen: die Annalime, sie möchten vielleicht schon 1797 entstanden sein, heisst
„kaum begreiflich", richtig scheint ihm vielmehr 1802; die Lesart „ähnliches" (dem
„Faust" ähnliches!), blosser Hörfehler statt „episches," ist „reiner Unsinn'-, und so wird
alles polemisch gefasst. Er nimmt die Chronologie wieder auf, bezieht Par. 115 nicht
auf den Mmnmenschanz, sondern giebt es dem Euphorion, 119 dem be8chwt)renden Faust.
geht dann die Schemata der „Klassischen Walpurgisnacht" von 182<» und 1830 langsam
nacherzählend und Kleines einordnend durch und erörtert lehrreich Verschiebungen in
Skizzen und Ausfülu-ung. Er korrigiert den Lapsus (wohl vei-standen : in der chaotischen
Masse der einzige Lapsus dieser Art) beim Par. 1.5(5, das der Sphinx gehört und worin
der „Grossen Chöre" in „der grosse Chiron" zu ändern ist. N. 153 teilt er dem Chiron
zu, N. 142, das der Herausgeber übrigens nicht „dem Seismos giebt", bezieht er auf
Pluto und knüpft an die selbstverständliche Belehrung über trochäische und jambische
Varianten in N. 133 weiteres über Pluto al." ursprünglichen Ersatzmann des Seismos.
Zu N. 137 wird „Reich" in das graphisch ferne „gleich" geändert „ohne Zweifel", in
N. 135 „mir" in „nun", N. 141 der Ureas und N. 140 der Drjas gegeben, N. 143/6
RerisU de Artes y Letras di Santiago 7, S. 142 ff.) - 123) H. SihOti-WilBon. Tho Mcond pari of Fangt: PnblBnglGMtlM
Soc. 6, S. 1—21. |[M. Koch. BFDH. NF. 8, S. 260.] - 124) S. o. N. 3. — 125) H. DBntier, D. EnUt«hun)C d. 2. Teile«
V. Goathas „Fanst", iiisbes. d. klass. Walpurgisnacht, uaoh d. neuesten Mitteilungen: ZDPh. 23, S. 67— 104. [M. Koch: BFDH.
NF. 8, S. 2t>5.]i — 126) S. o. N. 3. - 127) 0. Cl., Homunkulus: LZg". N. 6». - 128) (IV 9b : 100.) - 129) C. Nohle, Za
IV 9o: 130-131. G. Witkowski, Goethes Drama. 202
unserem Gedicht abgesprochen. Die Dichtung sei wohl im März 1830 bis zur VerM'and-
lung des Mephisto in eine Phorkyade abgeschlossen gewesen. D. geht dann den Rest
durch: bei den Schemaworten „Cory-banten von Cor." ist ihm „E. Schmidts allen kriti-
schen Grundsätzen widerstrebendes Verfahren unbegreiflich", weil der Herausgeber (doch
wohl nach einer Quelle Goethes!) das Cor. „zu Corybissa" ergänzt habe, statt „Cr[eta]"
zu lesen oder zu emendieren. Par. 149 soll dem Proteus gehören, N. 151, sehr korrupt,
giebt zwei Versuche zum Sirenenlied v. 8034 ff. Ueber D.s Behandlung der beiden
letzten Akte können wir uns etwas kürzer fassen. Das Wenige, was aus dem ältesten Stadium
der Arbeit hier erhalten ist, kommentiert D. in einer Weise, dass man sich fragen
muss, an welche Art von Lesern er überhaupt gedacht haben mag, nebenbei aber trübt
er, besonders zu Par. 94, 3 — 5, den leichtverständlichen Sinn. Er setzt die Stelle nur
wegen der Uebereinstimmung mit dem „Prolog im Himmel" ins Jahr 1797. Alle be-
kannten Daten zur Entstehungsgeschichte stellt er gewissenhaft zusammen, erörtert die
Reihenfolge der Schemata und erläutert sie, wobei hier und da wieder gesuchte Parallelen
auffallen (wie z\i Par. 178, 27 f. die Erinnerung an den Siegesjubel, den Goethe 1792 (!)
im österreichischen Lager gehört hat). Die wichtigen, ja für das Ganze unentbehrlichen
Stellen v. 11403 — 18 und 11433 — 52 nennt er eine ,, nicht besonders glückliche" An-
knüpfung an den ersten Teil, während wir gerade diese Partien ihrem ganzen Tone
und der Beschaffenheit der Hss. nach (siehe 15,2 S. 147 zu H" und S. 150 zu v. 11043
bis 11419) für älter als das Uebrige halten möchten. Dagegen erhält die Aiuiahme,
dass der Schluss des vierten Aktes das zuletzt Gedichtete sei, eine weitere Stütze durch
D.s Mitteilung, dass Goethe am 14. Juli 1831 Olenschlagers Erläuterung der goldenen
Bulle von der Bibliothek entliehen hat. Li der Betrachtung beider Akte deutet D.
treffend manchen Punkt in den Skizzen, die der Ausführung vorangingen, bei anderen
erzielt seine unwiderstehliche Neigung zum Besserwissen gewagte Behauptungen. So
in Par. 179, wo er für das angeblich ,, unsinnige" Paralogus ,,Prologus" verlangt,
während doch in der Hs. das Wort höchst deutlich ist und auch einen guten Sinn als
„Nebenrede, Betrachtung" ergiebt. Den Knoten Par. 179, 3 f. löst er gewaltsam durch
Annahme eines Schreibfehlers und macht es Schmidt zum Vorwurf, dass er den Text
ohne jede Hinweisung auf die von Goethe ,, offenbar beabsichtigte" (aber nicht vor-
handene!) Passung gegeben habe. D.s Behauptung, dass Z. 7 ff. nicht Fortsetzung des
Entwurfs, sondern weitere Ausführung des Schlusses seien und dass Z. 10 ein neues
Schema beginne, erscheint begründet. In den Versen am Schlüsse von Par. 179 will
er statt „Thyrsus" — ,,Kürass" lesen, Par. 185 löst er in Prosa auf und teilt es durch
Punkt (mit welchem Recht?); Par. 181, 8 soll es statt „bewährt" jedenfalls ,, gewährt"
. heissen. Par. 199,3 ist ,, Griechin" eine gute Konjektur. Den vorsichtigen Versuch,
N. 204 einziu-eihen, brauchte er nicht mit dem feinen Ausdruck „geradezu abgeschmackt"
zu verwerfen. Auch die Zugehörigkeit von N. 190 und 198 zum ,, Faust" lehnt er ab.
N. 195, 8 vermutet er Christus und dessen Mutter. V. 11934 — 65 (so ist wohl statt 56
zu lesen) glaubt er als später gedichtet ausscheiden und 11966 — 80 den das Unsterbliche
Fausts tragenden Engeln zuweisen zu müssen. Eine neue Deutung des Homunculus ^^7)
erklärt ihn für das Symbol einer nach dem Leben rii]genden Idee, der Idee der
Schönheit. Fausts Traum im Studierzimmer zeige das Entstehen der Schönheit, den
Hinweis auf Griechenland, um sich dort das Ideal anzueignen, das ihm bis jetzt in
unerreichbarer Ferne vorschwebte. Dieser Prozess wird durch die Einführung des
Homunculus vor Augen gestellt, der dann überflüssig ist, als Faust das Schöne (Helena)
erlangt hat. — Eine anmutige Erklärung des Euphorion teilt Wähle ^^s) mit. — In
V. 10067 erklärt Nohle 1^9) das „endlich" aus dem ungeduldigen Charakter des Me-
phistopheles. — Irmisch'^o) erläutert auf Louviers dunklen Pfaden schreitend v. 8994
bis 9041. Die Farben im letzten Verse sind ihm die des Buchdruckerwappens, die
Wappen die Drucker- und Verlegermarken, der muntere, kecke, wohlgebildete Mann
(v. 9011 f.) ist Cotta, das Thalgebirg die Litteratur, der Bach Eurotas die Bücher usw. -
Ströhli^ij ixat sich die unnötige Mühe genommen, doni zu widersprechen. —
Qoethes Faust: ZDU. 5, 8. 60/1. — 130) L. Irmisch, 1). Buchgewerbe in Goethes Fsust: ZDUuchdnicker 3, S. 143/4.
81) H. Ströhl, D. Buchgewerbe in Goethes Faust, ^Entgegnung): ib. S. 163.
203 A. Köster, Schiller. IV 10: PI.
IV,10.
Schiller.
Albert Köster.
Biof;r«pb ittehes: VollbUndig^ Biographien N. 1. — Eini«lb«itrtf« N. 8: Frthtait N. 9; Dratdm und
HudoUUdt N. 14; Totenfeier N. 18; Verkehr mit Zeitgenoneen N. 19. — Rriefwechael N. 2H. — Werlie N. 33:
rrosaschriften N. 'Xi. — Gedichte: Allgemeines N. 41; Einteloeii: Olock«, Kampf mit dem Draehoo, Ritt«r dea Spital« •«
Jerusalem, Stammbuchrera N. 40. — Dramen N. 68: AllgemelneB N. 08; Rlnber N. 6fi; Kahalo und Liebe N. 10; Don Carlos N. 72;
Wallenstein N. 78; Maria Stuart N. 1K); .lungfrau TOn Orifans N. 95; Braut von Messlna N. 109; Teil N. 110; r«b«rs«tanngan
und Bulinenbearbeitungen N. 116; Nacblass N. 12:1. — Verschiedenes N. ISU. —
Die Zahl der vollständigen Biographien Schillers'-*) ist im Berichtsjalire
nicht vermehrt worden, denn die 13. Auflage von Palleskes '^) Schillerbiographie ist
ein unveränderter Abdruck der 12., die auf dem Titel den Zusatz hatte: „bearbeitet von
Hermann Fischer." Selbst der Druckfehler „Wilhelm von Hoven" statt „Friedrich
von Hoven" ist 1, S. 56 stehen geblieben. —
Aber einen wichtigen Einzelbeitrag zu einer Schillerbiographie bildet die
zweite Auflage von Kuno Fischers 8) Sclirift „Die Selbstbekenntnisse Schillers"
ferste Auflage 1858). Man darf freilich kaum von einer zweiten Auflage, sondern muss
fast von einem neuen Werke reden, das denn auch seinem erweiterten Inhalt ent-
sprechend den Titel trägt: „Schillers Jugend- und Wanderjahre in Selbstbekenntnissen."
Den ursprünglichen Charakter eines gesprochenen Vortrags hat der Vf. nur in den ein-
leitenden Sätzen festgehalten, im weiteren Verlauf jedoch und besonders in allen neuen
Zusätzen aufgegeben. Die Grundauffassung von Schillers Charakter und Entwicklung
ist die gleiche geblieben; aber überall ist der Text durch Einschaltungen bereichert,
nicht immer zum Vorteil des Ganzen. So soll gleich im Beginn die in der ersten Auf-
lage stetig fortschreitende Darlegung, wie in Schiller der Dichter, dessen Phantasie ins
Unbegrenzte hinausstrebt, mit dem Künstler, der an geschlossene Formen gebunden ist,
streitet, durch eine Reihe von Lebensdaten erläutert werden, die aber an dieser Stelle
nur den Zusammenhang unterbrechen. Ganz wie in der ersten Auflage setzt dann die
Betrachtung mit Rousseaus Natur- und Freundschaftskultus ein; aber sehr reizvoll ist
es, zu beobachten, mit wie. viel grösserer Souveränität F. jetzt den Stoff behandelt.
Wohl lässt er der Darstellung den bisweilen rhythmischen Schwung, aber er befreit sie
von allem entbehrlichen Detail und schaltet ferner zwischen Rousseau und Schiller eine
neue Mittelsperson ein: H. P. Stiu'z. Dabei geht er allerdings in der Aufdeckung von
Einfltissen des dänisch-deutschen Schriftstellers etwas zu weit. Es liegt kein zwingender
Grund vor, in ihm das Urbild des ..i'eisenden Dänen", der den Mannheimer Antiken-
saal besucht, zu sehen; J. Minor hat vielmehr mit grösserem Recht auf K. L. Rahbeck
hingewiesen TAus dem Schiller-Archiv S. 36). Und das Motiv von der Kindesraörderin
war in den siebenziger und achtziger Jahren zu verbreitet, als dass hier die Schriften
von H. P. Sturz die alleinige Anregung gegeben haben sollten. Von den ersten Er-
örterungen über die Seelenstimmungen, die Schiller mit Rousseau teilte, ging nun der
zu Grunde liegende Vortrag F.s gleich auf die dramatischen Dichtungen über, beutete
also Schillers Selbstbekenntnisse in der „Anthologie" bei weitem nicht aus. Das holt die
zweite Auflage nach; mehr als 100 Seiten widmet F. jetzt diesem Nachtrag. Nach einer
Würdigung der Freundschaftsode werden vier ganz neue Abschnitte eingereiht: Die
Laiu-alieder, Der Streit in der Seele des Dichters, Die Bilder des Todes, Der Herzog
Karl und Schiller. Die gleiche gegenstandslose Sehnsucht nach Freundschaft und Liebe,
die auch Rousseau beseelt hatte, hat die Freundschaftsode und die Lauralieder hervor-
gerufen. F. erklärt die Frage, ob an diesen Liebesphantasien die Witwe Vischer oder
ilire Nichte Wilhelmine Andrea irgend welchen realen Anteil gehabt haben, mit Recht
für gleichgiltig. Ihm liegt dai-an, zu zeigen, wie Schiller bei seiner Freundschaft- und
I) X Karoline v. Woixogen, Schillers Leben. Leipiig, Bibliograph. Inst. o. J. SS8 S. M. 0,50. (TezUbdrack.) —
t) X J- Minor, Schiller. Bd. 1 u. 2 (Tgl. JBL. 1890 IV 12): I'. Weixslcker: KBIGRW. 38, S. 189—72; 0. HcUinghaut:
^LBs. 17,S. 21: Vey ssier: KCr. 26, S. 4; Nation». S. 317 8; K. Francke: MLN. 6,8. 41.S/7; E. .Strl ler: Post N. 22; 0. Seliger:
' (genw. 39, S. 136/8; Q.: DR. 16, I, S. 126. — 3) X Weltrich, Schiller: H. Falkenheim: NaÜon". S. 317/8; E. Strlter: Post
22; A. KO»ter: HZ. 67, S. 96. — 4) X E- Strlter, 0. Brahm. Schiller: Post N. 22. — 8l X K- B., Bec t. S«hille«
Leben u. Wirken. In zwanglos gebundener Rede dargest. v. e. Ungenannten, aber doch Bekannten. Stuttgart 1888: DDichtung 10,
299. — 6) XX 0. Brahm. Aus Schillers Leben. I-III (sJehluss): FZg. N. 267. 26'.». 271. (BruchstBcke aas B.s SchUI«r-
ttgraphie.) — 7)E. Palleske, Schillers Leben u. Werke. 13. Au«. 2 Tle. In 1 Bd. Stuttgart, Krabbe. XVI, 368 u. III,
S. M. 5,00. — 8) Kuno Fischer, Sehillers Jugend- u. Wandeijahre in Selbstbekenntnissen. 2. neabearb. n. rem. Aul.
„Schillers Selbstbekenntnissen". (= Schillerscbriften. Erste Reihe. 1.) Heideibei^. Winter. 262 S. D. erst« Reihe M. 6,00.
Meyer t. Waldeck: AZgB. (1890) N. 301 (304) u. (1891) M.41; SchwIbKron. 25. Ulrs; ML. «0, S. 400; BLU. & IM-M,
IV 10: 5>-io. A. Köster, Schiller. 204
Liebessehnsucht Genüge fand in der Betrachtung jener grossen Weltharmonie, die in
der Körperwelt herrscht wie in der Welt der Geister, dort als Gravitation, hier als An-
ziehung der Seelen. Eine lichtvolle Deutung der rätselhaften Schlussstrophen des „Ge-
heimnisses der Reminiscenz" trägt F. auf S. 61 vor. Vergleicht man unter den Lauraoden
die erste mit der letzten, die „Phantasie" mit der „Melancholie", so erkennt man zwei
polar entgegengesetzte Lebensanschauungen, die in dem jungen Schiller zu seiner eige-
nen Qual sich bekämpften: neben den freudig optimistischen Vorstellungen seiner
Theosophie wohnt ein pessimistisch gefärbter Materialismus. Sie ringen mit einander um
die Oberherrschaft wie in dem Gespräch „Der Spaziergang unter den Linden". Dass
dieser Widerstreit auf litterarische Einflüsse zurückgeht und zwar hauptsächlich auf
„Hamlet" und die „Nouvelle Heloise", ist richtig; doch wären hier auch noch andere
Eaktoren zu nennen. Mit Recht aber leitet E. aus diesem „Streit in der Seele des
Dichters" zum guten Teil die Bestimmung Schillers zum tragischen Dichter ab. Er
erkennt denn auch die tragische Grundstimmung schon in manchen Jugendgedichten,
besonders in den auffallend zahlreichen „Bildern des Todes". Des Dichters eigene
Todessehnsücht ist nun freilich nicht allein aus widrigen äusseren . Umständen zu er-
klären. Schiller teilt sie vielmelir mit vielen reich begabten Menschen, denen zeitweilig
die Welt zu eng erschien, um Grosses zu leisten, und darum der Tod als „ein Ziel
aufs innigste zu wünschen". Hier hätte also manches psychologisch tiefer gedeutet
werden müssen. Aber alle weiteren Erörterungen, die F. an die „Bilder des Todes"
knüpft, sind ausserordentlich gelungen: die Konsequenzen aus der vorherigen Ausein-
andersetzung über den seelischen Zwiespalt Schillers ergeben sich ungezwungen, und
vieles deutet schon in diesen unreifen Jugendschöpfungen auf den künftigen grossen
Tragödiendichter. Die „Schlimmen Monarchen" und die „Todtenfeyer am Grabe Riegers"
leiten sodann zu dem folgenden Abschnitt hinüber: Der Herzog Karl und Schiller.
E. urteilt ungerecht, wenn er sich als den ersten hinstellt, der Karl Eugen nach seinem
wahren Werte würdigt. Es ist wahr, man hat sich meistens damit begnügt, diesen
Fürsten nach Möglichkeit zu entschuldigen; ihn zu rühmen, gelingt auch F. nicht. Auf
die unausgeglichenen Gegensätze in den Erziehungsplänen des Herzogs hat Schiller
selbst hillgewiesen und jeder Biograph daraus die Konsequenzen für die Entwicklung
des Dichters gezogen. Was aber mit solcher Eindringlichkeit nie vorgetragen iind des-
halb neu bei F. ist, das ist die grosse Wirkung, die Karl Eugen und sein Hof auf die
dichterische Phantasie des jimgen Militärschttlers ausgeübt hat. Kein Dichter hat so
wie Schiller fürstliches Wesen in den mannigfachsten Abstufungen zu schildern ver-
mocht; es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, dass diese Fähigkeit aiis Jugend-
erinnerungen entsprang, die unbewusst in ihm fortwirkten. •Ueberzeugend ist der Nach-
weis solcher Erinnerungen im „Geistei-seher". Mit dem achten Abschnitt, der von den
dramatischen Selbstschilderungen handelt, lenkt F. wieder in die Bahnen der ursprüng-
lichen Untersuchung ein. Doch finden wir auch hier beinahe auf jeder Seite Erweite-
rungen, die aus den Resultaten der vier erwähnten grossen Zusatzkapitel hergeleitet
sind. Wie es das Thema verlangt, betrachtet F. die vier Jugenddramen nicht in ihrem
ganzen Umfang, sondern fasst nur die Personen ins Auge, die uns Spiegelbilder des
jungen Schiller geben: Karl Moor, Fiesco, Ferdinand von Walter, Don Carlos, Posa.
Sich selbst getreu, dabei aber von Jahr zu Jahr i-eifend, beichtet der Dichter seine
Lebensanschaimngen, am umfassendsten und reinsten als Mar(juis Posa, weil hier kein
Zweifel, keine Leidenschaft, kein Egoismus die reine Begeisterung trübt und weil, als
Schiller den grossen Forderungen dieses Freiheitsapostels Worte verlieh, der „Streit in
seiner Seele" ausgekämj)ft war. Wie das geschehen, wann der Dichter Frieden ge-
funden hat, verraten die „lyrischen Selbstbekenntnisse". Auch hier erweitert und er-
gänzt F. das Gesamtbild durch Heranziehung der , .Freigeisterei der Leidenschaft",
der ,, Resignation" und des „Liedes an die Freude". Es zeigt sich, wie der Dichter in
hartem Kampfe die düsteren, trostlosen Elemente in seiner Lebensanschauung bezwingt,
wie die Verbitterung sich mildert zur Klage, wie er seines Künstlerberufes nach und
nach inne wird. Zu weit geht F. mit der Leugnung jedes Einflusses von Charlotte
von Kalb auf die „Freigeisterei"; es steckt doch ein weit stärkeres persönliches Element
in diesem Gedicht als in den Lauraoden. Die Abhandlung schliesst wie einst der
Rosen-Vortrag mit der Erläuterung der „Götter Griechenlands' als Elegie, nicht als
Hymnus und mit einem Ausblick von den „Künstlern" zur „H\ildigung der Klinste".
Die Schrift zeigt alle Vorzüge und Nachteile der Werke F.s. Kein Schriftsteller
schickt seiner Darstellung eine so eingehende Disposition voraxif, keiner teilt seinen
Stoff in so viele Abteilungen und Unterabteilungen ein. Gedankenklar begrenzt, ver-
einfacht und isoliert F. seine Probleme und schreibt im durchsichtigsten Stil. Das wirkt
natürlich bestechend, denn regelmässig geht seine Rechnung völlig glatt auf, ohne dass
337/8; NZg. N. 127; HambC'orrs. N. 1; HambNscbr». N. H.]j - 9) X V. Marbacher Schillerhaus: FZg. N. 260. - 10) X
205 A, Köster, Schiller, TV 10: 11-2«.
ein Rest oder ein Bruch bleibt. Nun liegt jedoch, nach einem Goetheschen Faust-
})aralipomenon, ein grosses ClelioinmiH gerade in den Brüchen. Und menschliche Ver-
hältnisse sind meistens so kompliziert, dass das Exempel nicht rein zu lösen ist. Je
reicher ein Mensch veranlagt ist, desto tiefere Rätsel giebt er auf. Nach F.s Dar-
stellung aber muss man glauben, er habe Scliiller auf den Grund der Seele gesehen;
hier giibe es keine Rätsel mehr. Wir schöpfen reiche Belehrung aus dem Buche,
dürfen aber nicht vergessen, dass jenseits dieser Darlegung noch neue Rätsel der
Lösung warten. —
lieber Schillers Frühzeit '"*<>) haben wir einige neue Beiträge erhalten aus
dem Nachlass des ehemaligen Karlschülers Petersen. •!) Sie gewähren neben ein paar
unbedeutenden Notizen (SclüUers Vorliebe für Sdiinken, ergebnisloser Besuch bei dem
Göttinger Historiker Spittler, der in Stuttgart anwesend war, und Schillers Aeusseres
in den Jahren J781 und 1782) einen intiM-cssanten Beleg für den brietiichen Verkehr mit
Wieland. Dieser schreibt am »5. März 17H2 an Herrn H. W. in Stuttgart viel Rührendes
über den Menschen Schiller, kann aber des Verfassers der „Räuber" nur mit einem
„Leider!" gedenken. — Unter Zugrundelegung des bekannten Berichtes über die „Grau-
bündener Händel" im Schwäbischen Museum 1785 erörtert HummeH^^ noch einmal die
Gründe und den Zeitpunkt der Denunciation, die Schiller bei dem Herzog durch den
Garteninspektor Walter'^) erfuhr, auch diesmal ohne dass die unbekannten Beweg-
gründe zu dem niedrigen Vorgehen klar würden. —
Eine Reihe kleiner Publikationen fülu:t uns an die Stätten, wo Schiller vor-
übergehend gelebt hat'"*). Nestlers 1^) Schrift über das ehemalige Körnei-sche Besitztum
in Loschwitz bei Dresden fusst in ihren biographischen Partien nur auf den gangbaren
Darstellungen, bringt aber manche schätzbare Einzelheiten über das äussere Schicksal
des Körnerschen Weinberges, Besitzweclisel usw. Das Bemühen, die Vergangenheit
möglichst anschaulich zu machen, giebt sich in der Beigabe zweier Ansichten von Losch-
witz und Blasewitz aus dem Jalire 171)0 kund, die aber sehr dürttig ausgefallen sind.
Was uns Lewinsky^'') über die Schiller-Erinnerungen in Rudolstadt^^) mitteilt, ist
so sehr mit unverbürgten Anekdoten und geschmacklosen Anmerkungen durchsetzt, dass
es auf Beachtung keinen Anspruch hat. Erwähnt sei nur, dass dort ausser Schüler und
Lotte auch ihre älteste Tochter Karoline, die Frau des Bergrats Junot, die eine Er-
ziehungsanstalt leitete, im Andenken der Nachwelt fortlebt. —
Sonst haben wir von Beiträgen zu Schillers Biographie nur noch eine
Musterung der Totenfeiern i^) zu verzeiclmen, die bald nach des Dichters Ende auf den
deutschen Bühnen veranstaltet wurden. Ausser liflands Bericht über die BerUner Fest-
vorstellung vom 9. Mai 1806 wird ein Artikel aus dem „Freimütliigen" reproduciert, der
die Stuttgarter Auiführung vom 10. November 1805 besclu"eibt. Das für diesen Tag
gedichtete Festspiel des Epigrammatikers Haug ist bis heute verschollen; nach den
Proben, die der „Freimüthige" mitteilt, lässt sich dieser Verlust aber verschmerzen. —
lieber Schülers Verkehr mit Zeitgenossen *'••■-') ist mancher neue Beitrag
veröffentlicht worden. E. Schneider ^2^ brachte einen Lebensabnss des ersten Inten-
danten der Militärakademie auf der Solitüde, Dionys von Seeger, der es mit bewunderns-
werter Schnelligkeit vom Staudartenjunker und Gouverneur der Garten- und Stuccatur-
knaben zu den Jiöchsten militärischen Elirenstellen gebracht hat. Mit Recht wird neben
der oft übertriebenen Strenge dieses pflichttreuen Mannes seine grosse Begabung und
Thatkraft hervorgehoben. Der Vf. der kurzen Lebensskizze keiuit die Frhrl. Seegerschen
Famüienpapiere, hat sie aber sicherlich für diesen Abriss nicht ausbeuten können. —
Die Gebeine von Schillers Jugendfreund Andreas Streicher-'*) (f -5. Mai 1833), seiner
Frau Nanette (f 18. Jan. 1833) und seinem Sohne Johann Baptist (f 28. März 1871)
sind 1891 auf dem Wiener Centralfriedhof beigesetzt worden. — In der ADB. hat durch
Schott--*) auch der berüchtigte Schwäbische Räuber Schwan, der ,.Sonnenwirtlüe-,
Schiller auf d. Karlsschule. BSr 17, S. 4(il. (UnrerbUrgto Anekdote v. e. angeschickt«!! Ausred» .Schiller» «af d. Militlr-
;>kademic.) - II) J. H., Zu Schillers Leben: BItSW. S. 31,2. - 12) F. lllnmniel]. Zu Schillers Flacht «O!«
Württemberg: ib. 8. 33-41.— 13) X A. t. Sclilo ssberger, Akten über d. Denunziaaten ."Schillers, Garten-Insp«ktor Walt«r, f ta
Ludwigsburg 1787. Nachtr. zu d. Aufsatze ,Zu Schillers Flucht* (.ib. N:'): ib. S. 113 5. — W) x F. Lampadius. D. Oebarto-
Ktatte d. Liedes an d. Freude. Das Schillerhaus in Gohlis (mit Bild). Leipzig, Weber. 16 .^. M. 0.60. — 15) M. J. Nestler,
KOruerberg u. .Schillerhaus in Loschwitz bei Uresden. Chronikartig geschild. u. als Bcitr. i. Lokalgesch. d. uniiiitt«lbai«n I7a-
gebung V. Dresden her. Dresden, Goldstein. 42 S. H. 1,00. — 16) J. Lcwinsky, Auf Schillers Spar«n in Badolstsdt u.
Volkstedt: Didaskalia N. 43.4. — 17) X W. Uenzen, SchilUr u. Lotte. LnsUpiel in 4 Aafs. (= ÜB. N. 2706.) Leiptig, B«claiB.
o. J. 72 S. M. 0,20. (Geethes Konzeption d. „Wahlverwandtschaften", d. luf offener Scene 1789 in Budolstadt Tor sieh geht,
ist V. grosser ungewollter Komik.) — 18) E. M., Zu Schillers Gedächtnis am 10. Nov.: SchwibKron. N. 266. — I9j X
D. Philosoph V. Gravenstein: HambCorr. N. ;<10, 313. (Beschäftigt sich mit d. Herzog r. Aagnstenburg, d. mit .'^ehiller im
Hriclwechsel stand.) — 20) X E. Dowden, Schillers Friendship with Ooeth«: FortnR. 56. .'^. 163—75. (Auch: EolMtir
Magazine 117, S. 493 u. Littols Living Age 190, S. 771 [Boston.)) — 21) X F. Hammel, D. erstmalige Begegnung ."^chelling* mit
Schiller: BBSW. S. 191/2. (Bespricht d. Brief Schellings an s. ElUm t. 29. Apr. 1796.) — 22) E. Schneider,
Christ. Dionys. Freih. v. Seeger: ADB. 33, S. 570 2. — 23) D. Freund Friedrich Schillers: HambFreradenbl. N. 239 (aueb
KZg. N.283). — 24) (.1 5 : 402c.) — 25) E. Hermann, Christ. Friedr. Schwan: ADB. 33, S. 176 7. — 26) I.. Bob«, Enat
IV 10: 27-39. A. Kost er, Schiller. 206
eine Stelle gefunden, weil er als Hauptperson in Schillers „Verbrecher aus verlorner
Ehre" und H. Kurz' „Sonnenwirth" das Interesse in Anspruch nimmt. S. hat für diese
Biographie noch neues hs. Material benutzen können. — Des Räubers Namensvetter,
den Mannheimer Buchhändler Schwan, behandelt E. Hermann 25). Er legt mit Recht
in der kurzen Skizze dieses wechselvollen Lebens den Hauptnachdruck auf die Be-
ziehungen zu Schiller und knüpft bei dieser Gelegenheit ein paar Daten über die älteste
Tochter, Margarethe Schwan, an, um deren Hand Schiller im Jahre 1785 ohne Erfolg
geworben hatte. — Die kleine lebensvolle Biographie, die B o b e ^6) unter Benutzung
ungedruckter Briefe von dem Grafen Schimmelmann und seiner zweiten Erau entwirft,
erweckt von neuem das Bedauern, dass durch die rohe Vernichtung des gräflichen
Archivs in Kopenhagen die Zeugnisse für den reichen Ideenaustausch mit Schiller un-
wiederbringlich verloren sind. Einen kleinen Ersatz können nach Andeutungen B.s
einzelne Stellen aus dem Briefwechsel zwischen der Gräfin Schimmelmann und Luise
Stolberg, der Gattin des Grafen Christian Stolberg, bieten. Denn die Gräfin Charlotte
hat der Ereundin wiederholt Schillersche Aeusserungen mitgeteilt. Solch einen Wiederhall
vernehmen wir aus einer Briefstelle, die B. abdruckt. Schiller hat über sein Verhältnis
zu Goethe gesprochen, hat die ,,Xenien" verteidigt, hat (ohne Zweifel auf eine Anfrage
der Gräfin) sich über Christiane Vulpius geäussert und einige Bemerkungen über Fritz
von Stein angeknüpft. Sollte sich in dem Briefwechsel der beiden Erauen, der von
der gräflich Reventlowschen Eamilie bewahrt wird, noch mehr solcher Stellen finden, so
würde sich die Veröffentlichung ausgewählter Partien in eirjer Zeitschrift lohnen 2''). —
Der gedruckte Briefwechsel Schillers ist im Jahre 1891 nicht erheblich ver-
mehrt worden. Die neue Gesamtausgabe von E. Jonas 28) hat ihren ersten Band im
Jahre 1892 abgesclüossen und kann deshalb erst im dritten Jahrgang der JBL. zur Be-
sprechung gelangen. — Einen neuen Brief von Schiller veröffentlicht Minor 2»), ein
liebenswürdiges, herzliches Schreiben vom 17. Juni 1802 (ohne Zweifel) an den Schau-
spieler Heinr. Beck, den Mannheimer Jugendfreund, mit dem Schiller erst seit kurzem
wieder m brieflichen Verkehr getreten war. Er sichert ihm Abschriften der „Maria
Stuart", der „Jungfrau von Orleans" und der jüngst vollendeten „Turandot" zu und
erbittet dafür die Unterstützung des jungen Höltzlin (Hölzel), der am Mannheimer
Theater beschäftigt ist und dessen Eltern einst Schiller in Mannheim so uneigennützig
Hülfe geleistet hatten. Für seine „Turandot" hofft der Dichter bei jedem „fröhlichen,
sinnlichen Publikum" das Beste. Mit grosser Nachsicht urteilt er über Iffland und
Charlotte von Kalb und giebt schliesslich seiner plötzlich erwachten Reiselust Aus Iruck:
nicht nur Mannheim, auch Schwaben und die Schweiz hofft er im nächsten Frühjahr
besuchen zu können. M. schliesst noch einen Brief von Charlotte von Schiller an einen
Freund (d. i. wahrscheinlich jener Schulz, bei dem Lottens Sohn sonst die Weihnachts-
ferien zubrachte) an: 15. Jänner 1813. Der Schmerz über den unersetzlichen Verlust
ihres Gatten bleibt ihr immer gleich fühlbar. Nach einigen Mitteilungen über ihren
Neffen Adolf von Wolzogen und ihren Sohn Ernst streift sie die wichtigsten Ereignisse
der jüngsten Vergangenheit: das Gastspiel Ifflands und die letzte Krankheit Wielands.
— Die Hamburger Nachrichten, gestützt auf die litterarische Beilage des „Staats-
anzeigers für Württemberg", drucken schon wieder einmal den allzu bekannten Brief
Schillers an Christophine vom 6. Nov. 1782 (nicht 1787) ab^O)^ durch dessen von
Weimar aus weit verbreitetes Faksimile nun schon so mancher heitere Irrtum ver-
anlasst wurde. — Zwei Briefe an Schiller von Ludwig Schubart, die Ad. Wohlwill 3^)
mitteilt, zeigen ähnlich wie der bei ürlichs abgedruckte, mit welcher landsmännischen
Kollegialität sich der Schreiber seinem berühmten ehemaligen Akademiegenossen
näherte. —
Unter den Werken 32) Schillers wenden wir uns zunächst den Prosa-
schriften 33-38) zu. Die Anekdote „Herzog Alba bey einem Frühstück auf dem Schlosse
zu Rudolstadt. Im Jahre 1547", die Schiller nach eigener Angabe aus Söffings „Res in
Ecclesia et Politica Christiana gestae" geschöpft hat, weist 0. Walther 39) in einer
u. Charlotte Schimmelmann in ihrem Verhältnis zu Schiller: NationB. 8, S. 575/8. — 27) X J- W. Braun, Ernst y. Schiller.
Geb. am 11. Juli 1796 lu Jena, gest. am 19. Mai 1841. E. Lebensbild v. Schillers jüngstem Sohne: TglRs». N. 113. — 28)
Schillerbriefe: LMerkur 11, N. 49. (Vgl. HambCorr. N. 791.) — 29) J. Minor, Z. Geburtstage Schillers. (Briete v. Schiller
u. seiner Witwe): NFPr. N. 9773. (Auch Didaskalia N. 270.) — 30) E. bisher uugedr. Brief Friedr. Schillers : HambNachr.
29. Juli u. 27. Okt. (Vgl. HambCorr. N. 758.) - 31) A. Wohlwill, Briefe v. Ludw. Sohubart an Schiller: ASNei. 87,
8. 28—32. — 32; X Schillers Werke. Her. v. R. Boxberger. Neue illustr. Ausg. 6 Bde 3. Aufl. Berlin, Grnte. M. 18,00.
— 33) X id., D. Geisterseher. 1. Buch. Edited witb introduction and notes by Edw. S. Joynes, M. A. Boston, Heath.
VIII, 118 S. ü. 0,25. (D. Noten geben Anweisungen fUr d. Übersetzung ins Englische.) — 34) XX 0. Brahm, Schillers
Geschichtschreibung: Nation» 8, S. 682/4, 698—700. (Bruchstücke aus Brahms Schillerbiographie.) — 35) X Schiller, Storia
della Bivoluzione dei Paesi Bassi. Milano, Battezzati Succ. 16°. L. 2,50. — 36) KOhnemann, d. Kantischen Studien Schillers u. d.
Komposition d. Wallenstein. 1889: C. Drescher: AZg». N. 203; A. Köstor: ADA. 17, S. 149-54. — 37) X M. Groeben
(=M. Kronenberg), Philippson, die ästhetische Erziehung. 1890: BLU. S. 449-50. — 38) X Ft. v. Schiller, V. Erhabenen.
E. Ergänzung zu d. gangbaren Schiller-Ausgaben. Mite. Einl. v. S. Sänger »= XTß. N. 2731.) Leipzig, Reclam. o. .). 74 S.
U. 0,20. (T«xt nach d, 10. Bd. d. hist.-krit. Ausg.) — 39) 0. Walther. Beitr. z. Lehensgesch. d. Gräflu Katharina d.
207 A. Köflter, Schiller, IV 10: w»»-5«.
originaleren Fassung im „Adelaspiegel" des Oyriarus Spangenberg, T. I. 1591, Buch 13,
Cap. B2, 8. 45nb — 4oH nach. Spangenherg gieht in »einer „Heunebergischen Chronik"
dazu die Vorsicherung, dass er die Erzählung aus dorn eigenen Munde der Gräfin
Katharina zu Schwarzburg am 24. Mai 1552 erfahren habe, und W. druckt sie S. 415yi>
getreu ab. Sie ist wortreicher als die bekannte Fassung, weicht aber inhaltlich nicnt
wesentlich von dem Bericht bei Söfting und Schiller ab.-'^») — Die wenigen Seiten, auf
denen R. Sommer <°) von Schillers Briefen „Über die ästhetische Erziehung des
Menschen'' handelt, bilden einen kleinen Bruchtheil von der Schrift des Vf. „GrundzQge
einer Geschichte der Psychologie und Aesthetik von Wolff-Baumgarton bis Kant-
Schiller". Aus dem Zusammenhang gerissen hätte man diese aphoristischen Bemer-
kungen nicht veniffentlichen sollen; so wie sie da liegen, sind sie schlechterdings nicht
zu verstehen und fördern gar nicht. —
Jetzt zu den Gedichten! "»i-«) Es war uns leider unmöglich, den Fortscliritt,
den Dtxntzer*^) jn (^er dritten Auflage seiner allgemeinen Erläuterungen gemacht
hat, festzustellen, da uns, soweit wir Umfrage gehalten haben, keine private und öffent-
liche Bibliothek, auch der Verleger nicht, ein Exemplar der zweiten Auflage zur Ver-
fügung stellen konnte. Soweit zufällige Nachprüfung reichte, hat D. die seit 1875 er-
schienene Litteratur benutzt und also ohne Zweifel sein Buch an manchen Stellen
wesentlich erweitert. — Da wir im 1. Band der JBL. die Unvorsichtigkeit begangen
haben, den ersten Teil von Neides *'') Programm gesondert zu besprechen, so mQssen
wir damit fortfahren, obwohl die Abhandlung auch in dem zweiten Programm noch
nicht zu Ende geführt wird. N. behandelt diesmal die „Ideale" und „Ideal und Leben",
leider mit der alten Weitschweifigkeit. Die bekanntesten Stellen aus dem Briefveechsel
zwischen Schiller und Humboldt werden nicht etwa im Wortlaut, sondern in einer er-
weiternden Umschreibung mitgeteilt; dazu kommen einige wenige Zusätze des Vf. selbst
Wenn nun das di'itte Programm nicht den Einfluss Humboldts von einem höheren Ge-
sichtspunkt aus betrachtet und die Nachwirkungen seiner Kritik berücksichtigt, so sagt
uns die ganze lange Untersuchung nichts Neues. — Gegen Draheims*^) Aufsatz über
„scliwebende Betonung" bei Schiller ist einzuwenden, dass man dergleichen metrische
Freiheiten nicht alle übereins beurteilen, sondern lieber einzeln betrachten muss; man
kann sie auch in vielen Fällen aus dem Inhalt erläutern. —
Die einzelnen Gedichte ordnen wir wieder alphabetisch. Einen originellen
Gedanken hat der Techniker Uellner *y) gehabt. Er betont mit Recht, dass zum vollen
Verständnis von Schillers „Glocke" ^o) die Kenntnis des Verfahrens beim Glockenguss
nötig ist. Deshalb hat er von dem Gedicht nur die Partien abgedruckt, die sich auf
den Vorgang des Giessens beziehen. Zur Erläuterung schickt er zwei gemein fassliche
Abhandhnigen voraus: Das Formen der Glocke, Der Schmelzofen. Und schliesslich ver-
weisen Buchstaben vom Text auf eine farbig ausgeführte Wandtafel, die den ganzen
Vorgang zu einem Bilde zusammenfasst. Die Tafel wird ohne Zweifel für den Unter-
richt brauchbar sein. 5i-5;i) — Unser Urteil über Seilers Programm „Die Behandlung des
sittlichen Problems in Schillers Kampf mit dem Drachen usw." (JBL. 1890 IV
12:79) wird jetzt durch R. Reichel ^-i) erhärtet, ^ö) — Köster'^) weist nach, wie
Schiller eine Stelle aus Vertots „Histoire des Chevaliers hospitaliers de S. Jean de Je-
rusalem", an der von den Samariterdiensten der Johanniter die Rede ist, zunächst in
einem Passus seiner Vorrede zu Niethammers Uebersetzung des Vertotschen Buche-s er-
weitert hat und wie dann das gleiche Bild der dienenden Brüder ausgestaltet ist in
I
Heldenmutigen zu Schwarzburg, geb. Fürstin zu Henneberg-Schlensingen, unter erstmaliger Verwertung d. Beise-Tagebueh*
ihres Eidams, des Grafen Wolrad H. zu Waldeck v. Jahre 154«. Zunächst e. wichtiges Supplement tu ächiller« .Uenog t.
Alb» bei e. FrUhstllck auf d. Schlosse zu Rudolstadt im Jahre 1547": ZVThOrO. NF. 7, S. 407—43. - 89«) X Schulen hUt
Skizzen: Eginonts Leben u. Tod, Belagerung v. Antwerpen edited with English note« etc. by C. A. It och heim. Fifth,
reviseii editiou, with a map. (= Clarendon Press Series. Oerman classic». 4.) Oxford, Clarendon Press. XX, 162 S.
2 s. t) d. (D. 5. Aufl. d. geschätzten Schulausg. ist e. sorgfHltiger Neudr. d. dritten.) — 40) B. Sommer, D. pqrcholog.
(Jrundlage v. Schiller,s Briefen „Veber d. ästhetische Erziehung d. Menschen»: BayreuthBll. 14, S. 333—41. — 41) X Schiller«
Uedichte. Illustr. v. ersten dtsch. Künstlern. Mit e. Lichtdruckbild, 87 Test-IUustr. u. 20 Tonbild.) Stnttgmrt, DUch. Ver-
lags-Anst. 4«. 108 S. Geb. M. 12. — 42) X i^-. L« liriche. Firenze, Le Monnier Succ. L. 12,00. — 48) X M- I due seMi,
pnesia tradott« da E. Castelnuovo. Venezia, Visentini. 7 S. (Per le nozze Morpnrgo-Levi.) — 44) X (.1 7 : «2.) (Hinxn-
gekommen bind d. .Ideale" u. d. , Flüchtling".) - 45) X W. Koenig. Inhalt u. DarsUllung d. S«hillencben Balladrn:
MschrKathLehrerinneu 4, S 268-70. — 46) H. DUntzer, .Schillert lyr. Gedichte 4 u. 8 erl. a nen durchge«. Anll. (— Er-
lluterungen zu d. dtsih. Klassikern. 3!t. u. 43. Bdchen.) Leipzig, Wartig. 146. 143 S. Zus. M. 2,00. — 47) S. Neide
Wilh T Humboldt als Richter u. Ratgeber bei Schillers lyr. Gedichten 1. (Schlnss) u. 2. Progr. d. Oymn. n. BeiJgyMn. Laads-
berg a. W. Frankfurt ».0., Trowitzsch, 4". 23 S. - 48> (19:16.) - 49) (I 7:67) |[L(ydwi)g: COIBW. I»,
S. 497]; — 50) X Wie nele ,E" sind in Schülers Glocke i (Anekdote): HaabCoir. N. 404. — 51) X
Schillers Handschuh" im Spanischen: Schw«bMerkur N. 172. (Ungst bekannt gemacht, tuletst 1881 in d. SchiOk-
Mibliothek.'Heft 5, S. 82) - 52) X Jellinek. Hero u. Leander (JBL. 1890 IV 12 : 77): LBOBPh. 12, S. 27; PLZ 12. S. »20. —
5J) X A. Frank, D. Ideal u. d Leben t. Schiller. Versuch e. Erkllrong d. Gedichtes. JB. d. k. k. StMUmittelachsle.
Beichenberg. Pelbs'tverl. d. k. k. Staatsraittelschule. 1890. 17 S. - 54) B. Reich el. Zu Schillers Kampf mit d. Drachen:
'ADV. 5 S. 567—70. — 55) X Was p. alter Grabstein erzählt: HambNachr*. N. 30. ^Parallele i. Erslhlg. ▼. d. Kranichen d.
Ibyküs.) — 56) A. KRster, Schillers Handbibliothek: HambCorr. N. 419. — 57) F. Sertaes, Oesellschan f. dtsch. Litt.:
rVlO: 58-60. A. Köster, Schiller, 208
dem kleinen Gediolit „Die Ritter des Spitals zn Jerusalem". Angeknüpft ist
diese Mitteilung an ein Feuilleton über Schillers Handbibliothek. Sie befindet sich zur
Hälfte auf der Hambvirger Stadtbibliothek und kann durch ihre Lesespuren, Randbe-
merkungen usw., die sich in einzelnen Bänden befinden, bei systematischer Durch-
forschung vielleicht noch manches Resultat gewähren. — Auch um ein bisher unbe-
kanntes Stück ist die Sammlung von Schillers Gedichten vermehrt worden. In der
Gesellschaft für deutsche Litteratur zu Berlin hat 0. Harnack ^'') einen Stammbuch-
vers mitgeteilt, den Schiller unter dem Datum 28. März 1790 in das Album des liv-
ländischen Malers und Dichters Karl Grass (vgl. Charlotte von Schiller und ihre
Freunde 3, S. 130 — 65) eingetragen hat. Das Gedicht hat 17 Zeilen und beginnt: „Die
Kunst lehrt die geadelte Natur. In Menschentönen zu uns reden; In todte, seelenlose
Oeden Verbreitet sie der Seele Spur." Diese und die vier folgenden Zeilen waren vor-
aussichtlich ganz neu gedichtet. Die neun letzten Zeilen dagegen haben, wie sich aus
dem Briefwechsel mit Körner ergiebt, in einer nur wenig abweichenden Fassung ur-
sprünglich in den „Künstlern" gestanden, wurden aber dann wegen ihres zu allgemeinen
Inhalts entfernt. Schiller hat sie bei dieser Gelegenheit wieder verwertet. —
Auffallend zahlreich war im Jahre 1891 die Litteratur über Schillers
Dramen 58-62), "Wir stellen zwei allgemeine Abhandlungen voran, die uns die beiden
Seiten des Dramatikers, den tragischen nnd den komischen Dichter zeigen. Deike ^^)
präzisiert nach einer kurzen Erörterung der Stellung der Kunst in der modernen Welt
und im. Altertum klar die wichtigsten Punkte in Schillers ästhetischer Lehre: die Idee
des Schönen und Erhabenen, die Absonderung des Individuums und seines Innenlebens
von der Aussenwelt, die Schicksalsidee, die Auflösung furchtbarer Eindrücke in erhabene
Rührung. Dann tritt D. in den Vergleich von Aristoteles' und Schillers Ansichten
über die Tragödie ein und findet bei der Frage über die Erregung von Furcht und
Mitleid den Unterschied, dass Aristoteles hier von Furcht des Zuschauers vor dem
Walten des Schicksals in allen menschlichen Beziehungen spreche, während Schiller die
Furcht vor dem einen unglücklichen Ereignis meine, das den Personen der Tragödie
zustossen wird. Die Furcht ist also bei Schiller fast eins mit dem Mitleid, d. h. nicht
dem gemeinen, sondern dem ästhetischen, tragischen Mitleid. Bei der Definition der
Katharsis wird hervorgehoben, dass sie in Schillers Ideenbau keinen Platz habe. Tra-
gische Rührung ist stets sein Ziel; deshalb erläutert D. diesen Begriff eingehend. Mit
der nachdrücklichen Hervorhebung der künstlerischen Form der dramatischen Dichtung
steht Schiller auf dem Standpunkt des Aristoteles, nur dass hier Schiller die specifiscli
dramatische Form ganz aus dem Wesen des Dramas ableitet, also fest gegen das Epos
und andere Gattungen abgrenzt, was Aristoteles nicht mit gleicher Konsequenz thut.
Uebereinstimmung herrscht jedoch in dem Betonen der Handlung vor den Charakteren,
in der Bevorzugung einer tragischen Katastrophe und der Forderung einer geschlossenen
einfachen Fabel. — In erster Linie mit Schiller als Dramatiker beschäftigt sich auch
die zweite Auflage von Kuno Fischers ^) Aufsatz „Schiller als Komiker", der zuerst
als Vortrag in Frankfurt a. M. 1861 erschien. Der Grundgedanke und der Gang der
Untersuchung ist der alte geblieben, aber die Zahl der betrachteten Schillerschen
Dichtungen hat sich vergrössert. Gleich in dem einleitenden Abschnitt sind die Ge-
dichte „Hugo Sanherib" und „Bittschrift", sowie „Körners Vormittag", in dem Kapitel
über die Anthologie „Kastraten nnd Männer", „Die Journalisten und Minos" und
mehrere Epigramme eingefügt worden. Aber auch die Erläuterung der schon früher
aufgenommenen Gedichte hat gelegeiitlich Erweiterungen erfahren (vgl. das Epigramm
auf Lavater). Ueberhaupt ist es lehrreich, den ursprünglichen Vortrag neben die um
ein Menschenalter jüngere Fassung zu legen, aus der jetzt alle aufdi'ingliche Lehr-
haftigkeit verschwunden ist mid die durch die freie Beherrschung des Stoffes erfreut.
Auch bezieht sich die Umarbeitung an mehreren Stellen auf den Aufsatz über Schillers
Selbstbekenntnisse. In der grösseren zweiten Hälfte, die von Schillers Dramen handelt,
ist wenig geändert worden: die Abschnitte über Spiegelberg und den Musikus Miller
sind um einige Belegstellen bereichert, die Kapuzinerrede hat F. in engere Beziehung
zu Abraham a Sancta Clara als Vorbild gesetzt. —
Aus den „Räubern" ßs-ee^ ^^nd den übrigen Jugenddramen Scliillers hat Paul
BerlTBl. N. 273. — 58) X Schiller, 11 Teatro. 3 vol. l'irenze, Le Monnier Succ. L. 50,00. — 59) X id., Tealro oonipleto,
interamente tradotto da A. Maffei e Carlo Rusconi, con ceiini biograflci. Napoli, Bideri. VIII, 451 S. L. 8,00. —
60) X id., Teatro Tragico, trad. d. A. Maffei. 4 voll. Firenze, Le Monnier Succ L. 16,00. — 61] X Schillerdramen in
Wien: DBUhnenG. 20, .S. 453. -- 62) X L- Bob 6, Dtsch. Dramen auf d. Kopenhagener Theater: Nation«. S. ,548. (^Erwähnt
AulFtthrungen v. d. ^Eäubern" u. „Kabale u. Liebe".) »- 63) W. Deike. Schillers Ansichten über d. tragische Kunst verglichen
mit denen d. Aristoteles. Jenenser Diss. u. Trogr. d. Herzogl. Gymn. Helmstedt, Schmidt ; Kudolstadt, Dabis. 4". 34 S.
II. 1,00. — 64) Kuno Fischer, Schiller als Komiker. 2. neubearb. u. verra. Aufl. (= Schillerschriften. 1. Reihe. 2.
.S. 263-377.) Heidelberg, Winter. 115 S. D. 1. Reihe M. 6,00. (Vgl. N. 8.) - 85) X H. Herzog, Z. Erzählung Koslnskys
in SchUleri Ruubern: ZÖü. 42, S. 394/6. — 66) X E- amUsanter „Räuber''-Theaterzettel: HambFreradenBl. N. 254. (AnkUndi-
209 A. Köster, Schiller. IV 10: 07.73.
II offmaiin ö') lehrreiche Zusammenstelhingen gemacht; sie verdienen fortgesetzt zu
werden. H. weist nämlich unter den Mitteln, durch die der junge Dichter seiner Prosa
Erhabenheit vorlioh, die Einmisclnnig einer ganzen lloihe vollständiger und fragmen-
tarischer Hexameter nach. Offenbar liat also Schiller sein Pathos an Klopstockschen
Rhythmen erhitzt. — Elisabeth Mentzel^'^), die Verfasserin der vortrefflichen Geschichte
der Schauspielkunst in Frankfurt a. M., veröffentlicht zur Ergänzung ihres Hauptwerkes
eine lieihe von umfänglichen Aufsätzen, deren erster die Frankfurter Aufführungen der
„Räuber" behandelt. Nicht erst 1788, wie noch Minor, Schiller 1, S. 409, angiebt, sonderu
schon am 19. Nov. 1782 wurde das Stück in Frankfurt gespielt und zwar von der
Truppe des Theaterdirektors Böhm, dessen Fähigkeiten M. rühmend hervorhebt.
Eine- zweite Aui!\ihnnig fand am 30. Jan. 1783 statt. Leider sind die Theaterzettel
verloi'on; aber nach der Besetzung anderer Stücke lässt sich die Rollenverteilung mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit herstellen, auch ist zu vermuten, dass in Anlehnung an
das Mannheimer Beispiel im Kostüm der Ritterzeit gespielt wurde. Eingehend be-
leuchtet dann M. die Frankfurter Räuber-Aufführungen von 1785, bei der JJerr
Bock, der erste Karl Moor, als Gast auftrat, und die beiden Darstellungen von 1788.
Ueber die erste dieser beiden existiert noch ein zeitgenössischer Bericht von W. A.
Schreiber, den M. abdruckt; die zweite erhielt dadurch besondere Bedeutung, dass
ItFland den Franz spielte. Um diese Aufführungen im Rahmen des ganzen Frankfurter
Bühiienwesens zu zeigen, teilt M. im Anhang wichtige Repertoiniotizen und
Theaterzettel mit xnul geht in ihrer Darstellung besonders auf die Bemühungen der
Grossmannschen Ti;uppe und auf das Leben des Schauspielers Heinrich Wilhelm Sey-
fried (1755 — 1800) ein, der ein geborener Frankfurter war. Sie hält diesen Mann, der
sich auch der Jugendfreundschaft mit Goethe rühmte, für den Verfasser der Erwiderung
auf Schillers Selbstrecension der „Räuber". — Die Ausgabe der „Räuber" von
Spengler 6Ö) bringt in ihrer Einleitung das wichtigste aus den litterarhistorischen Vor-
aussetzungen und beschränkt sich in den Anmerkungen fast ganz auf Worterklärung
(dabei manche LTtümer) und Erläuterungen von Realien, In den Gang der Handlung
jedoch, in die Charakteristik usw. will sie den Leser nicht einführen. Was aber die
Ausgabe ganz wertlos macht, ist, dass der Text aus verwerflicher Prüderie beschnitten
oder in usum Delphini verändert worden ist. Taugen unsere Klassiker für die Schul-
lektüre nicht so, wie sie sind, so lasse man sie den Erwachsenen. Sie in beliebiger
Weise zu verstümmeln, dazu sind sie zu gut. —
Aus ganz demselben Gnmde ist zu warnen vor der sclilechten Ausgabe von
„Kabale und Liebe" von K. A. Schmidt '<'). Sonst sind gerade hier die eigenen
Zuthaten des Herausgebers zu loben. Denn die Einleitung, die auf Minor fusst, unter-
richtet kurz imd nicht ungeschickt über Entstehung des Dramas, Stoff und Charakte-
ristik; und die Anmerkungen nehmen sogar Ansätze, die Beziehungen des Dramas zu
verwandten Erzeugnissen der gleichzeitigen Litteratur aufzudecken. 'i) —
Wie weit die ,,Nouvelle historique et galante" von St.-R^al und Schillers „Don
Carlos" von der historischen Wahrheit abweichen, war lange bekannt '2). Das Urteil
von Gachard, Maurenbrecher u. a. ist jüngst von Büdinger''^) bestärkt und in wich-
tigen Punkten ergänzt worden. Es wird aus seinem Buche unwiderleglich klar, dass
König Philipp die gewichtigsten persönlichen und politischen Gründe gehabt hat,
seinen schwachsinnigen, iinberechenbaren Sohn gefangen zu setzen, und dass Don
Carlos einer Krankheit, die längst an ihm zehrte und die er durch die unsinnigsten
Diätfehler verschlimmerte, erlegen ist Es ist deshalb nur das tiefste Mitleid am Platz
für den unglücklichen Monarchen und Vater, der lange genug vor den äussersten Mass-
regeln zurückgescheut war. — Wie aber dennoch unmittelbar nach der Katastrophe
sich in Madrid der Stadtklatsch an diese betrübenden Ereignisse anheftete, beweist ein
kürzlich veröffentlichtes Dokument. Im Archiv der Herzöge von Alba nämlich in
Madrid hat sich im Lauf der Jahrhunderte, trotzdem Brandschaden, Veruntreuung und
brutale Vernichtung den Besitzstand wiederholt geschmälert haben, ein luigeahnter
Reichtum von liistorischen Dokumenten angesammelt, ungeahnt deshalb, weü diese
Schätze ungeordnet dalagen \ind sich daher der wissenschaftlichen Verwertung entzogen.
Jetzt hat die Herzogin von Berwick und Alba, die selbst eine umfassende gelehrte
Bildung besitzt, das Archiv ordnen lassen und einen stattlichen Band der wichtigsten
Briefe und Aktenstücke herausgegeben. Es befindet sich darin ein Bericht über die
letzten Monate des Don Carlos, Fragmente einer für deutsche Leser bestimmten Zeitung,
in denen sich schon die Ansätze finden zu der Legende von dem tyrannisierten Sohn
gnng V. Director Wohler in Bopflngen, 21. Apr. 1861.) — 67) (I 9 : 16.) - 68) (IV 5:71; Tgl. FZg. N. 118.) — 69) (I 7 : 50.)
- 70) (I 7 : 46.) - 71) XX E. MUller, Schillers Kabale u. Liebe: KBIGRW. 38, S. 1-33, 271—98, 459-73. - 72) X O-
Valbert (= Cherbnliez), Don Carlos dans la poösie et daas l'histoire: RDM. 108, S. 672—83. — TS) M. Bndinger, Oon
Carlos' Haft a. Tod insbes. nach d. Aoffassungen seiner Familie. Hit Don Carlos' Portr. Wien n. Leipxig, BraomlUler. TI,
Jahresberichte fUr neuere dentsohe Litteratnrgesohichte II (S). 14
IV 10: 74-87. A. Köster, Schiller. 210
Carlos und seinem fühllos grausamen Vater Philipp 1174-75). Von diesen Gerlichten
fülirt eine direkte Strasse zu St.-ßeals Novelle. — Ergänzend zu dieser und anderen
Schriften, die Schiller benutzt hat, möchte. L. Geiger ''6) die Diderotsche Skizze „Don
Carlos, trag^die du marquis de Chimenes 1759" hinzufügen. Man müsste dann an-
nehmen, dass Schiller sie im Ms. gekannt habe. Denn gedruckt wurde sie erst 1818.
Die Hypothese ist äusserst schwach gestützt. — Vom „Don Carlos" geht auch
Grundig '''') in seiner Abhandlung aus. Er untersucht, indem er das Drama kurz
analysiert und dabei auch die Mängel der Komposition erklärt, die Ideen von sittlicher
Freiheit, die der Marquis Posa verkörpert, und verfolgt dann diese Ideen durch andere
Schillersche Werke hindurch, bis er in der Schauspielhandlung des „Teil" die Vollendung
dessen erblickt, was in dem tragischen Konflikte des „Don Carlos" hatte scheitern
müssen. —
Bei jedem der historischen Dramen Schillers drängt sich natürlich die Präge
nach dem Verhältnis der Dichtung zur Geschichte auf. Es kann aber nicht aus diesem
Grunde die ganze einschlägige historische Litteratur in den JBL. verzeichnet werden.
Ausschlaggebend ist in jedem einzelnen Palle die Präge, ob die betreffende Schrift mit
Schillers Drama zusammenhänge, es erläutere oder von ihm erläutert werde. Wo dieser
Zusammenhang fehlt, endet auch unsere Berichterstattung. — Wallen st eins '^^) Charakter-
bild schwankt noch wie vor hundert Jahren in der Geschichte. Zu Rankes besonnenem
Urteil bekennt sich heute noch mancher Porscher. Nach zwei Richtungen ist man aber
auch über ihn hinausgegangen. Auf protestantischer Seite ist man vielfach bereit, den
Peldherrn völlig rein zu waschen und geht da bis zur Vergötterung vor; auf katholi-
scher Seite spricht man gern von Wallensteins Schuld und formuliert sie annähernd so,
wie es Schiller aus dramatischen Rücksichten gethan hat. Jüngst begegnet man aber
auf katholischer Seite auch dem Bemühen, alle Historiker, die über Wallenstein ge-
schrieben haben, als Gefolgsmannen einiger katholischer Schriftsteller (Hurter u. a.)
zu charakterisieren ''^-^o"^. — Bei Schillers „Wallenstein" ^^-86) ist zum ersten Male der
zweite (Schluss-) Band von L. Bellermanns ö'') Werk über Schillers Dramen zu nennen.
Er besteht wie der erste aus einer Reihe selbständiger Aufsätze. Wir ordnen die ein-
zelnen Abschnitte, die uns vom ,, Wallenstein" zum ,,Tell" führen, an den entsprechenden
Stellen ein. In der Vorrede fixiert B. nochmals, besonders polemisch gegen Otto
Brahm, seinen Standpunkt und macht mit Recht geltend, dass neben einer rein histo-
rischen Betrachtung der Kunstwerke auch eine Würdigung der abgeschlossenen Dichtungen
ohne Rücksicht auf ilire Entstehung am Platz sei. Und so giebt B. getreu dem Pro-
gramm seines ersten Bandes nicht so sehr eine Einführung in Schillers Dramen als
vielmehr Essays, die sich am besten erst an die Lektüre der Werke anschliessen. Ihre
Idare Porm und behagliche Ausführlichkeit auch in Dingen, über die es keine Kontro-
versen giebt, machen sie zur Lektüre für weite Kreise geeignet; doch gewähren kritische
Erörterungen auch dem Fachmann gelegentlich neue Anregung. Eine kleine Dosis
Pedanterie erhöht die Liebenswürdigkeit des Buches. Im allgemeinen gliedern sich die
Aufsätze so, dass nach sorgfältigen Erörterungen über Gang, Einheit, Verknüpfung der
Handlung und Charakteristik eine Reihe von Erläuterungen einzelner schwieriger Stellen
den Schluss bildet. Wir beginnen mit dem „Wallenstein". Nach der Analyse, die die
historische Persönlichkeit des Peldherrn nur flüchtig streift, handelt B. von der Ver-
teilung der Jahres- und Tageszeiten der Handlung auf die einzelnen Alcte des Stückes.
So kleinlich dieses Nachrechnen erscheinen mag, es ist bei einem so sorgsam erwägenden
Dichter wie Schiller doch am Platz. Die Liebe von Max und Thekla wird als inte-
gi'ierender Teil der Handlung, nicht als blosse Episode aufgefasst. Indem ferner B.
in der Scene „Wallensteins Tod" I, 7 den Angelpunkt des ganzen Dramas erkennt, muss
er gegen K. Werder Front machen, der nicht den Verrat Wallensteins am Kaiser, son-
dern sein Vergehen gegen die ganze Menschheit für den Anlass seines Sturzes hält.
Besonders energisch tritt B. für die Einheit des „Wallenstein" ein; nicht zwei selb-
ständige Trauerspiele (G. Preytag), auch keine Trilogie sieht er, sondern eine erweiterte
fünfaktige, jetzt zehnaktige, Tragödie mit einem Vorspiel. Von dem Walten der
antiken Schicksalsidee will B. wie Fielitz u. a. für den „Wallenstein" nichts wissen.
817 S, M. 8,00. (Vgl. L. HCeves] i: FremdenBl. N. 295.) - 74) F. M., Aus d. Archiv d. Herzöge v. Alba. I-II: VZg
N. 451, S. 463. — 75) X Neues über d. Herzog v. Alba: DBUbnenG. 20, S. 347/8. — 76) L. Geiger, Zu Schillers „Don Carlos":
AZgB. N. 27. — 77) Grundig, „Don Carlos" u. d. Schillerschen Freiheitsideon : PädBll. 20, S. 557-73. - 78) X K. Ueber-
horst. Wallenstein als Student in Altdorf. Nach bist. Quellen dargest. : DBUbnenG. 20, S. 2—4. — 79) B. Duhr S. J.,
Wallonsteins Schuld: StML. 40, II, S. 195-206 u. III, S. 303—12. — 80) id., Randglossen z. Wallenstein-Litt.: ib. I. S. 63—78. —
81) X (1 7 : 53.) — 82) X G. Irmer, D. dramat. Bebandl. d. WallensteinstoiTes vor Schiller: N&S. 57, S. 246-61. - 83) X
Vigelius, Schillers Drama Wallenstein als Beweis fUr Schillers Behauptung, dass d. Schaubtlline o. moral. Anstalt sei:
SchulblProvBrandenb. 66, S. 175—83. — 84) X M- H[arden], ^Wallensteins Tod" im Berliner Theater: Gegenw. 39,
S. 252/4. (Eingehende Analyse v. Wallensteins Charakter im Hinblick auf d. Verkörperung durch Sonnenthal.) — 85) X P-
Seliger, K. Werder, Vorles. über Schillers Wallenstein; Gegenw. 39, S. 138/9. — 86) X L- Kölscher, Reuss, D. Stellung
d. Max Ficcolomini in d. Wallenstein^Dlohtang. 1889: ASNS. 86, S. 96/6. — 87) L. Bellermann, Schillers Dramen. Beitr.
211 A. KAqfer, Srhillfr. IV 10; wi-ioo.
Bei der ausführh'clien Entwicklung von Wallonsteins Charakter verteidigt er den Feld-
herrn besonders gegen den Vorwurf der Schwäche und UnschlüHsigkeit; weniger glücklich
findet er sich mit dorn Tadel ah, dass Wallenstein sich Buttler gegenüber der Doppel-
züngigkeit schuldig gonmcht habe. Bei der Betrachtung der übrigen Personen des
Stückes fallen manche treffende Bemerkungen allgemeineren Inhalts, über typische und
individuelle Charakteristik hei Schiller auf. In dem Kapitel „Die Darstellung" finden
sich einige sehr interessante statistische Beobachtungen über Schillers Metrik. In die
Diskussion über einzelne Stelleu kann ich hier nicht eintreten. — Als eine Ergänzung
zu Bollermann kann man den kleinen Aufsatz von Deneke**) betrachten. D. beweist
trotz Düntzers gegenteiliger Ansicht, dass Schiller schon im Vorspiel in der Charakte-
ristik der typischen Vertreter der verschiedenen Regimenter den späteren Abfall des
Heeres von Wallenstein ausreichend vorbereitet habe. — Birlinger *•) trägt ganz wie
in seinen früheren Miscellen ein paar sachliche und sprachliche Erläuterungen bei, dies-
mal zu den Versen „Dirnen die liess er gar nicht passiren" und „Eh' an Conjunktion
zu denken". —
Von der „Maria Stuart" 90-9i) hat G. Baumann *2) eine neue Ausgabe ver-
anstaltet. Die Analyse ist nach einer strengen Schulterminologie gemacht; die historische
Einleitung übergeht den wichtigsten Punkt, die Berechtigung der Elisabeth, Maria ge-
fangen zu setzen. — Bei der Analyse der „Maria Stuart" sucht L. Bellermann •*) die
Richtigkeit des Ausspruches von Frau von Stael zu beweisen, dass dieses Stück das
])lanmässigste unter allen deutschen Trauerspielen sei. Die Zoitberechnung ist höchst
einfach. Maria, etwa dreissig Jahre alt, steht, obwohl leidend, durchweg im Mittelpunkt
aller Interessen. Wenn auch schon im Beginn des Stückes das Todesurteil ausge-
sprochen wird, so liegt rein dramatisch doch die Entscheidung erst in dem Streit der
Königinnen. Durch eine so leidenschaftliche Scene wird nachträglich auch Marias
blutige Vergangenheit glaubhaft, von der sie sich durch den Tod läutert. Die drei
freien Zuthaten Schillers (Verhältnis Lasters zu Maria, Mortimers Leidenschaft, Be-
gegnung der KCniginnen) werden auf ihre historische Berechtigung geprüft. Bei der
Charakteristik kann sich B. nicht damit abfinden, dass Maria die Ermordung König
Darnleys so leicht nehme und dass ihre Reue darülDer zu äusserlich sei; ebenso wenig
mit Elisabeths Verhalten gegenüber Mortimer. — Ein Stück Vor- und Nachgeschichte
zu Schillers „Maria Stuart" giebt uns L. H. Fischer^). In seiner üebersicht über
die Dramen, die den gleichen Stoff behandeln, geht er vor allem auf die Trauerspiele
von Spiess (in Berlin zuerst 1787 gegeben) und Raupach (1838) ein. Die Reihe der
Maria Stuart-Dramen ist übrigens in diesem Aufsatz lange nicht erschöpft; Mont-
chrestien, Riemer, Alfieri, Boursault, Lebrun, Bjömson werden gar nicht erwähnt —
Wie soll man den Namen der Jxingfr au von Orleans schreiben? Semmig**)
ereifert sich heftig gegen die Schreibung ohne Apostroph, die allerdings der Ortho-
graphie des 15. Jh. gemäss, heute aber durch die Form d'Arc zu ersetzen sei, wie denn
auch Shakespeare Joan of Are, nicht Joan Darc schreibt. S. leitet den Namen von
dem Orte Are (Haute-Marne) her, der in der Nähe von Ceffonds, dem Geburtadorfe von
Johannas Vater, liegt. — Wir haben im Vorjahr der Litteratur gedacht, die luis Jeanne
d'Arc in der Dichtung schildert. Als Ergänzung erwähnen wir einen Aufsatz von
B a p s t ^ö-^'), der unter einer Reihe von patriotischen Festspielen aus dem 15. Jh. ein
Mysterium nachweist, das schon bald nach der Befreiung der Stadt Orleans mehrfach
im Anschluss an die grosse Procession und die Feier des 8. Mai gespielt wurde und
das die That der Jungfrau und den Beistand der Heiligen zum Gegenstand hatte. •*■*•) —
Bei dem Vergleich von Schillers romantischer Tragödie mit der Geschichte haben wir
eine Reihe wunderlicher Feuilletons von Semmig^oo) zu erwähnen. S. kann es Schiller
nie verzeihen, dass er für seine „Jungfrau von Orleans" nicht grt\ndlichere geschichtliche
Quellenstudien gemacht hat. Bekannt ist, wie S. in seinem weitschweifigen Buche über
Jeanne d'Arc dem Dichter seine Verstösse gegen die geschichtliche Wahrheit nach-
rechnet, bekannt aber auch, wie ofl seine eigene Darstellung parteiisch ist. Die Reihe
der neuen Aufsätze befasst sich nun besonders mit den Frauen aus Karls VH. Um-
gebung, wobei es zu den geschmacklosesten Auslassungen über die Weiber im allge-
meinen und die Schwiegermütter im besonderen kommt. Ginge es nach S., so hätte
tu ihrem Veratandnis. 2. Teil. Berlin, Weidmann. Vni, 600 S. M. 9.00. (Vgl. hier 8. 1—178.) — «) A. Desek«:
Über Wallensteins Lager: ZDÜ. 5, S. 44/9. ~ 89) A. Birtinger, Zu Schillers Wallenstein u. Teil: AUmanni« 19, S. 67— 7S.
- 90) X H. Forst, Beitrr. z. Gesch. d Maria Stuart: HZ. 66, S. 241-270. — 9J) X Dr- A. E., Neuere Litt. Ober d. letxten.
Lebensschicksale Maria Stuarts: HPßH. 107, S. 393/8. - 92) (I 7 : u'5.) - 93) Vgl. o N. 87, S. 174—226. - 94) L. H.
Fischer, Maria Stuart auf d. Berliner Hofbühne. = Aus Berlins Vergangenheit. (15:308) S. 191—205. (Ans VZg«.
1887, N. 19) - 95) H. Semmig, Jeanne d'Arc oder Darc: AZgs. N. 40. — 96) 0. Bapst. Le th«Atre et le patriotisne an
moyen-ftge. La fite de Jeanne d'Arc et la dölivrance de la France 4 la fin de la guerre de cent ans: BPL. S. 568—70. —
97) X D- erste Jeanne d'Arc-Dichtung: FZg. N. 129. — 98) X J. Sarrazin, R. Mabrenholts, Jeanne d'Arc ia Gesch.,
Legende u. Dichtung: ZFSL., 13, II S. 54/6. — 99) X R. Mahrenholx, Comte de Pnymaigre, Jeune d'Arc au thöAtr«
(1439—1890.): ib. S. 49-54. — MO) H. Semmig, Agnes Sorelle u. d. Familie Karls TU. Biograph. Skiise s. Erllaterang o4«r
IV 10:101-110. A. Köster, Schiller. 212
sich Schillers Drama hauptsächlich aus zwei Bestandteilen zusammensetzen müssen:
einerseits aus einer enthusiastischen Verherrlichung der Jungfrau, andererseits aus einer
Reihe von rührenden Familien scenen: da hätte streng historisch die fettleibige, an Po-
dagra leidende Isabeau im Rollstuhl gefahren werden müssen, Karl VII. hätte stets
zwischen seiner guten Hausfrau und seiner vortrefflichen Schwiegermutter erscheinen
sollen: die ganze Schale seines Zornes aber hätte der Dichter über die freche Buhlerin
Agnes Sorelle ausgiessen dürfen. — Die Ausgabe ^oi) der „Jungfrau von Orleans" von
G. B all mann ^<^2) isi; ein Seitenstück zu der der „Maria Stuart". Dem Text, der so abge-
druckt wird, wie er seit der Ausgabe von Schillers Theater 1805 Bd. 1 normiert ist,
geht eine doppelte Einleitung voraus: zunächst eine Zusammenstellung der wichtigsten
Daten aus Schillers Leben nach Hofmeister und Palleske, die mit einer Uebersicht über
Schillers Hauptwerke schliesst. Die zweite Einleitung, eine kurze Lebensskizze der
Jeanne Darc, ist zu selir im Geist von Schillers Tragödie geschrieben, um als historisch
gelten zu können. — Von Erläuterungsschriften 103-105^ verdient die vierte Auflage von
Düntzers ^*'*^) Buch Erwähnung. D.s Auffassung der Tragödie hat sich nicht wesentlich
geändert. Im ersten Teil besonders setzt er sich polemisch mit anderen Forschern aus-
einander. Bei der Quellenfrage wird sehr genau Schillers Benutzung der Weimarer
Bibliothek verfolgt; D. glaubt nicht so fest wie Boxberger an ein Studium der ,,Histoire
d'Angleterre" des Rapin de Thoyras. An dem Gespräch zwischen Schiller und Böttiger
vom 26. Nov. 1801 hält D. nach wie vor fest; doch meint er, es sei in den „Litterarischen
Zuständen und Zeitgenossen" entstellt wiedergegeben. Infolge dessen muss sich D.
auch skeptisch gegenüber allen Gerüchten verhalten, die von einem zweiten oder gar
dritten Schillerschen Plan zu einer „Jungfrau von Orleans" sprechen. An die Ein-
führung eines Minnehofes, eines Hexenprocesses, eines Scheiterhaufens kann er nicht
glauben. Schwierigkeiten bleiben bei Betrachtung dieses Dramas immer bestehen. Mit
den Wundern (Donner aus heiterem Himmel, Sprengung der Ketten usw.) hat sich noch
kein Erklärer rein abgefunden. — Auch L, Bell ermann 1°'') kann hier Schiller nur ver-
teidigen auf Kosten anderer Dichter (Kleist, Hebbel, Wildenbruch). Er hält die ganze
Handlung schon an und für sich für ausreichend motiviert und rein psychologisch er-
klärlich; er degradiert damit die Wunder, gewiss nicht im Sinne des Dichters,
zu einer Zuthat, die jene Zeit, in der man noch an Wunder glaubte, charakterisieren
soll. Rein dramatisch sind sie ihm ein Mittel, psychologische Vorgänge zu objektivieren
und unter schwankenden Meinungen eine Entscheidung zu gewinnen. Weitere Fragen
knüpfen sich an den Charakter der Jungfrau: ist ihre plötzliche Liebe zu Lionel eine
Inkonsequenz in der Charakterzeichnung? Sinkt Johanna schon im zweiten Akt bei
den Werbungen Dunois' und La Hires allmählich von der Höhe ihres göttlichen Berufes
herab? B. verneint in beiden Fällen. Den schwarzen Ritter definiert er als einen Geist
der Hölle, der mit der Absicht nahe, Johanna in ihrem Selbstvertrauen irre zu machen,
und der für das Drama die Bedeutung habe, in dem Zuschauer sowohl als in der Heldin
die dunkle Ahnung eines drohenden Unheils wachzurufen. In der Lionelscene sieht B.
den Gipfelpunkt der Handlung, das „tragische Ziel"; von dieser Scene an ist Johanna
mit einer Schuld beladen, die zwar nicht gegen eine ausser ihr befindliche sittliche
Macht anstösst, aber nicht minder schwer wiegt, wenn sie still in ihrer eigenen Brust
ruht. In keinem Abschnitt hat B. den Dichter mehr verteidigen müssen, ohne dadurch
überzeugender als sonst zu wirken, als bei der Behandlung der „Jungfrau von Orleans".
Es scheint, als ob dieses Drama, das wir, wenn es Schiller auch die rauschendsten
Ehren eingetragen hat, doch zu seinen schwächsten Schöpfungen zählen, uns heute kaum
anders als durch historische Betrachtung erläutert werden kann. Man muss nur mit
den überlieferten Zeugnissen auch stets die richtige Deutung verbinden und nicht ver-
fahren wie J. W. Braunio'^^ der zwar die Einwände Carl Augusts gegen Schillers
„Jungfrau von Orleans" registriert, das Wichtigste aber auslässt: nämlich dass alle
diese wortreichen Bedenken hervorgegangen waren aus der Rücksicht für Demoiselle
Jagemann. —
Bei Betrachtung der „Braut von Messina" legt L. Bellermann 109) (Ja^.^ (j^ss
nicht das Geschick aller drei Geschwister den Mittelpunkt der Handlung bilde; denn
nur einer von ihnen, nur Don Cesar sei ein handelnder tragischer Held, sein Bruder-
mord das „tragische Ziel" des Stückes. Und selbst diese That Surfte man nach des
Dichters Willen nur als ein Glied einer grösseren Kette betrachten, als Teil des prophe-
Beleiiclitung v. Schillers Drama. 1. Karl VII. u. seine Familie. 2. Agnes Sorelle: Didaskalia N. 111/8. — 101) X Buchhelms
Edition of Schillers Jungfrau: Nichols: MLN. 6, S. 21/3; Lawrence: ib. S. 94/5. — 102) (I 7:26.)- 103) X E. Speck, Z. Er-
klärung V. Schillers Jungfrau v. Orleans: ZDU. 5, S. 677—87. — 104) X E. MUUer, Ueber d. Verheiratung d. Jungfrau t.
Orleans. Tübingen, Fues. 7 S. M. 0,30. — 105) X F- Bachmann, F. Ullsperger, d. schwarze Ritter in Schillers Jungfrau
T. Orleans. 1890: ASNS. 86, S. 321/3. - 106) H. DUntzer, Schillers Jungfrau v. Orleans. 4. neu durchges. Aufl. {— Erläut.
zu d. dtsch. Klassikern BO/1. Bdchen.) Leipzig, Wartig (Hoppe). 280 S. M. 2,00. - 107) Vgl. N. 87, S. 227-306. — 108) J. W.
Braun (verdruckt: Baum.), Einige gesch. Erinnerungen zu Schillers Jungfrau v. Orleans: TglKsn. N. i*65. (Vgl. DBUhnenG.
20, S. 427/8.- 109) Vgl.N.87, S. 307-420. - lOOa) Vgl. N. 87, S. 421-600. - 110) XSiUia Andrea, W. TelL Hiat. Erxahlung .
213 A. Köster, Schiller. IV lOtiiM».
zelten Schicksale. Ausgehend von „König Oedipus" zeigt B. die wichtigste Aenderung,
die Schiller mit dem Schicksalsbegriff vornahm: bei Sophokles vollzieht sich das Fatum
ohne Schuld des Oedipus, bei Schiller ist Don Cesar in Schuld verstrickt, die rein durch
sich selbst erschütternd genug wirkt und der Verstärkung durch die Orakel nicht bedarf.
Mit den zwei Problemen der Bedingtheit alles Handelns und der freien Verantwort-
lichkeit des Menschen, mit Schicksal und Schuld setzt sich B. auseinander, wobei
mancher Seitenblick auf Schicksalstragödien und moderne Vererbungsdramen fallt. Das
Missliche des doppelten Orakels bei Schiller wird beleuchtet. Eine Schicksalstragödie
im Snine des Sophokleischen „Oedipus", der eine Gattung für sich bildet, ist die „Braut
von Messina" nicht; aber die Einiiihrung der Schicksalsidee auch in veränderter Form
ist nicht gut zu heissen. Sie hat so stark auf den Bau des Stückes, besonders in seiner
ersten Hälfte, gewirkt, dass um ihretwillen sogar Unwahrscheinlichkeiten der Moti-
vierung stehen bleiben mussten, die B. klar und gerecht beurteilt. Und ebenso hängt
mit der Schicksalsidee die allgemeiner gehaltene Charakteristik aller Personen zusammen.
Besonnene Ausführungen über den Chor, über Metrum und Sprache machen den Schluss
dieser Abhandlung. —
In das lockere Gefüge des „Teil" mit seinen drei sich zwar durchkreuzenden,
aber doch allzu selbständigen Handlungen führt L. Bellermann ^^*) den Leser durch eine
knappe Analyse ein. Die Episode des Parricida sähe er gern beseitigt Teils Apfel-
schuss verteidigt er im Gegensatz zu Börne, Weber, Kern und dem Fürsten Bismarck.
Auch die Scene in der hohlen Gasse nimmt er in Schutz und will Teils Monolog dxirch-
aus nicht als Rechtfertigung, sondern als ernste Bereitung zu dem unabwendbaren Morde
angesehen wissen. — Von anderen Seiten sind zur Erläuterung des „Teil" no-iii) nm»
Kleinigkeiten beigebracht worden. Birlinger 'i2j teilt ein paar Belege zu den Stellen
„Es war ein grosses Volk" und „Wo er sich anleimt mit dem eignen Blut" mit und
bespricJit mit kurzem, aber nachdrücklichem Lob zwei in Davos erschienene Schriften
von A. Florin über Schillers „Teil" (s. o, I 7 : 19). — Heuwes ^^^) vergleicht die Stelle v. 1954
bis 19G2 mit der Antwort, die Arthur (Shakespeare, „König Johann" IV, 1) dem Hubert
giebt. — Von Ausgaben ^^^^ sei die neue Auflage von Funke i'*") genannt, deren Text
mit seinen Annäherungen an die moderne Schriftsprache die Mitte zwischen den Aus-
gaben von Körner und Joachim Meyer hält. Die Schöninghschen Klassikerausgaben
vervollkommnen sich mit jeder neuen Auflage. —
Die Uebersetzungen und Bühnenbearbeitungen ^i^) Schillers hat zum
ersten Male A. Köster ^i'') in grösserem Zusammenhange untersucht. Leider hat
er seinem Buch einen Titel gegeben, der die Erwartung manches Lesers täuschen musste.
Der Inhalt ist nämlich niclit eine zusammenhängende Darlegung der Grundsätze, nach
denen der Dichter in seinen verschiedenen Lebensepochen als Bühnenpraktiker verfuhr,
sondern eine Geschichte der Dichtungen, die er in der Zeit seiner Verbindung mit
Goethe für das Theater bearbeitete. Es zerfällt also das Buch in eine Reihe selb-
ständiger Aufsätze von ungleichem Wert. Noch recht unreif ist der zuerst entstandene
Aufsatz über „Turandot", am besten gelungen das zuletzt ausgearbeitete Kapitel über
„Macbeth". Ueber den buntscheckigen Inhalt des Buches orientiert ein sehr sorgfaltig
angelegtes Register. Die Einleitung erörtert im Zusammenhang mit Goethes Theater-
reform \ind Ifilands Weimarer Gastspiel Schillers Egmontbearbeitung ^'^j und betont
ihre Bedeutung für den „Wallenstein". Dann folgt ein Kapitel, das von „Macbeth"
handelt. Um eine feste Grundlage für die Untersuchung zu gewinnen, schickt K. eine
Analyse des Stückes mit Berücksichtigung aller Varianten des englischen Textes voraus.
Konsequenter als sonst ist hier der Charakter Macbeths dargelegt; ob K. mit dieser
Analyse das Richtige getroffen hat, kann einzig und allein eine Bühnenauffuhrung, die
auf ilir fusst, entscheiden. Eine wichtige Anregung für die Charakteristik hat der Roman
„Niels Lyhne" von J. P. Jacobsen gewährt. Vom englischen Original zu Schillers Be-
arbeitung 119-20) führt dann eine stetig fortlaufende, wenn auch mehrfach gewundene
Strasse. Es sind deshalb die Bearbeiter, die man nicht auf diesem Wege trint, von der
D. Schweizervolke c. Bandesfeier gewidmet. Frauenfeld, Huber. 167 S. M. 2,00. — lli) XE- Roustett*. Monolof d» Tall
nail» giaas« itretU. Prova del dialect da St. Maria: ASRR. 6, S. 281/3. - IS) Vgl. N. 89. - 113) Ben w«i. NU« V«rwsadt-
sohaft e. Stelle aas Schillers Teil n. Shakespeares KOnig Johann: ZDU. 5, S. 55. — IM) F. t. SehiUtr, W. T»ll, edited with
introduction andnotes, by K. Bruel. New-York, Macniillsn. 28, 208 S. M. 2,00. — 115) (I 7 : 54.) — l») XX B- Schmidl-
mayer, Schillers Iphigenie in Aulis u. ihr Verhältnis z. gleichnam. Drama d. Euripides. (Fortssts.) Progr. d. dtach. Gyma.
Badweis. (Abermals erschien nur e. Bruchteil d. Arbeit.) — 117) A. KCster, Schiller alt Dramaturf. Behrr. t. dtsch. Litt-
Gesoh. d. 18. Jh. Berlin, Hertz. VIT, 343 S. M. 6,00. ![0. F. Walzel: ZVLB. NF. 4, 3. 38*— W; E. Schmidt: DEe. «7. S. 316;
C: LCBl. N. 14; GJb. 12, S.-A. 34; A v. Weilen: DLZ. S. 1747; 0. Harnack: PrJbb. M, S. 652,4; AZg. t. 13. Dez. 1890;
H. Unbesoheid: ZDU. 5, S. 486/8; W.: HambCon«. 1890, S. 297; Söhnt: COIRW. S. 672,3; M. Koch: BFDIL NF. 7,
S. 172/5; W.P.: Bund N.49; WeimarZg. 21. Dez. 1890; SchwäbSron. 3.Jan.Abd.; E.StrIter: Pott 21. Nor. 1890 u. 22. Jan.
1891; M. Groeben: BLU. 805/6. Grössere Feuilletons: F. Serraes, Sohiller als Uebersetier: B«rlTBL N. 178; K. Frentel,
Nene Schiller-Studien II: NatZg. N. 136; K. Drescher, Z. Schiller-Litt., AZg». N. 204; L. Geiger, Schiller als Dramaturg,
FZg. V. 17. Doz. 1890.] — |||8) X E- K-. Egmont auf d. Btthne: KarlsmherZg. t. 2. April. — 119) X B. Sandmann, Schillers Maebeth.
u. d. engl. Original: H. Koch: EnglStud. 16, S. 94,6; HGOEnglSL. 2. — BO) X P. H. Beckbaus, SbakespearM Uacbeth n. d.
IV 10: 121. A. Köster, Schiller. 214
Betrachtung ausgeschlossen worden. Den Ausgangspunkt bilden die Uebersetzungen
von Wieland und Eschenburg, die schärfer von einander gesondert werden, als es
gewöhnlich geschieht. Von hier aus eine Geschichte der Auffassung von Macbeths
Charakter in Deutschland zu geben, wurde K. dadurch möglich, dass er in der Bibliothek
des Hamburger Stadttheaters die Bearbeitung von Friedrich Ludwig Schröder wieder-
fand und nun nachwies, wie die Macbethdramen von Stephanie d. J., F. J. Fischer,
Schröder und Bürger eine geschlossene Kette bilden, ein Nachweis, durch den vor
allem eine gerechtere Beurteilung von Bürgers „Macbeth" möglich geworden ist. Es
gehören ferner diese vier Bearbeitungen und nur diese vier durchaus in die Vor-
geschichte von Schillers „Macbeth", weil noch Schiller die durch sie befestigte An-
schauung von Macbeths Charakter teilte. Aus dem Kapitel, in dem die Schillersche
Bearbeitung selbst betrachtet wird, seien die Stellen hervorgehoben, wo Schillers Text
mit den älteren Uebersetzungen verglichen und wo der Einfluss nachgewiesen wird, den
zuerst Shakespeares „Macbeth" auf den „V^allenstein", dann dieser wieder auf Schillers
„Macbeth" ausgeübt hat. Das Beste an dem Kapitel über die Einrichtung von Lessings
„Nathan" ist die Charakteristik der einzelnen Personen, besonders der Recha. Auf sehr
weitem Umweg nähert sich K. dann im folgenden Abschnitt „Turandot" ^^i^ seinem
eigentlichen Thema. Von den einzelnen Motiven des Märchens geht es zu der ab-
geschlossenen Erzählung in der Sammlung „1001 Tag" und zu Gozzis Fiaba, die ebenso
wie Gozzis ganze dichterische Thätigkeit sorgfältig charakterisiert, wird. Die folgende
Untersuchung der Uebersetzung von Friedr. Aug. Clemens Werthes führt unmittelbar
zu Schiller, so dass also ein eingeschobenes Kapitel über Turandotbearbeitungen vor
Schiller ohne Schaden hätte fehlen können. Es behandelt ein Drama im bardischen
Geschmack, „Hermannide", das Joh. Friedr. Schmidt für das Wiener Preisaussclu-eiben
von 1777 verfasste und Fr. Rambachs „Drey Räthsel" aus dem Jahre 1799. Bei der
Würdigung von Schillers ,, Turandot" i^^*) wird der Nachdruck auf die Charakteristik der
einzelnen Personen gelegt, wobei die Einwirkung von Moretos ,,E1 desden con el desden"
ins Auge fällt. Auch die Mühe, die sich Schiller bei der Einführung der Masken der
italienischen Komödie gegeben hat, und die Sorge für das chinesische Kolorit seiner
Bearbeitung wird anerkannt. Aber ebenso klar tritt zu Tage, dass Schiller mit der
Bearbeitung der stillosen Gozzischen Dichtung doch keinen ganzen Erfolg erringen
konnte. Aufführungen und Kritiken aus dem Anfang des 19. Jh. sprechen sämtlich für
das geringe Interesse des Publikums. Es lag jedoch K. nicht nur daran, zu zeigen,
dass Schiller in diesem einzelnen Falle die Verwertung italienischer Masken auf der
deutschen Bühne missglückt ist, sondern dass eine Einführung dieser Figuren innerhalb
Gozzischer Märchen bei uns überhaupt eine Unmöglichkeit ist. Diesem Zweck dient
ein Schlusskapitel des Abschnittes, das von den mannigfachsten Einbürgerungsversuchen
von Gozzis Fiaba handelt. Es tritt nicht mit dem Anspruch auf, den Einfluss des
Venetianers auf die deutsche Litteratur zu erschöpfen, sondern greift aus dem reichen
Stoff charakteristische Einzelfälle, leider in zu grosser Zahl, heraus. Nachdem
auf die ausserordentliche Verwandlungsfähigkeit der Masken trotz ihres unveränder-
lichen Charakters hingewiesen worden ist, passiert unter Lessings Führerschaft eiiie ganze
Reihe deutscher Dichter Revue: Klinger mit seinem ,,Simsone Grisaldo", Schröder,
Reinecke, Dyk mit mehreren Bühnenbearbeitungen, Gotter mit dem „Öifentlichen Ge-
heimnis", einem der wenigen Stücke, in denen der Charakter des Truffaldino annähernd
richtig getroffen ist, Franz Hörn und E. T. A. Hoffmann, die ihre Begeisterung für Gozzi
in prosaischen Aufsätzen aussprachen, Goethe mit seinem „Triumph der Empfindsamkeit",
Tieck mit einigen seiner ersten Märchendichtungen: ,, Prinz Zerbino", „Blaubart", „Der
gestiefelte Kater". Clemens Brentano mit dem Märchen „Liebseelchen" und vor allem
mit seinem Singspiel ,,Die lustigen Musikanten", Richard Wagner mit seiner Oper „Die
Feen", Streckfuss, der in seinem „Zeim" und seinen „Zwey Geheimnissen" die Masken
gänzlich beseitigte, Treitschke, der sie in seiner „Zobeis" dvirch beliebte deutsche Lust-
spielfiguren ersetzte, und endlich Paul Heyse, der einen letzten Versuch mit den „Glück-
lichen Bettlern" machte, eine lange Reihe Schiffbrüchiger, die alle an der gleichen
Klippe gescheitert sind. Allzubreit ausgesponnen ist der Abschnitt über die Phädra-
Uebersetzung, zumal da die einleitenden Bemerkungen über die haute trag^die der
Franzosen nicht aus dem Vollen geschöpft sind. Doch lehrreich ist dann die Unter-
suchung der Uebersetzung selbst; die Grundsätze für das Verfahren Schillers lassen sich
fast ganz aus dem Unterschied von Alexandrinern und fünffüssigen Jamben ableiten.
Ueberhaupt sei hier auf die Partien des K. sehen Buches, die über metrische Fragen,
über den dramatischen Vers handeln, besonders hingewiesen ; die Stellen sind mit Hülfe
der Seitenüberschriften und des Registers leicht zu finden. Für das Uebersetzungs-
verfahren hatte Schiller übrigens schon seine Vorgänger in Gotter und Goethe, deren
SeliillerBChe Bearb.: M. Koch: EngIStud. 16, 8.94/0; llGQEnglSL.2. - 121) X Schiller, Turandot. Trud. da A.Maffei. Firenze,
2lb A. Köster, Schiller. 17 lO: 122-129.
„Merope", „Mahomet" und „Tancred" wegweisend für ihn waren. Es war deshalb be-
rechtigt, diese Dramen vorher zu prüfen, eingehender als es bisher geschehen war. In
die Untersuchung ist auch eine kurze Charakteristik von Schillers Uebersetzungen der
Picardschen Lustspiele ,.M6diocre et rarapant" und „Encore des M^nechmes" ein-
geflochten, wobei die Varianten im Hamburger Theatermanuskript des „Neffen als
Onkel" 122) ins rechte Licht treten. Mancherlei Beigaben hat K. endlich noch in den
nllzu zahlreichen Anmerkungen aufgespeichert, vor allem sind hier alle textkritischen
Erörterungen erledigt; zu den stilistischen und metrischen Untersuchungen im dar-
stellenden Teil ist das statistische Material zur Kontrolle hinzugeftigt. Im Einzelnen
handelt Anmerkung 26 von französischen Macbethdramen; 79 von dem Einfluss Dave-
nants auf Bürgers „Macbeth"; lOG von der Einwirkung H. L. Wagners auf Schillers
„Macbeth"; 143 bringt eine Hypothese zum Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe,
lier. von Vollmer, 4. Aufl. 2, S. 258; 248 bespricht den Zusammenhang zwischen dem
Turandotdrama und Schillers Entwurf zu „Rosamund" (Werke 15, 1, S. 349 ff.). Endlich
bringt Anm. 3GG eine Kollation der Phädrahandschrift, so weit sie noch vornanden ist
und dem Vf. eneichbar war. —
Höchst erfreulich ist es, wenn man sich in letzter Zeit viel mit dem Nachläse
Schillers beschäftigt, denn hier sind noch manche Rätsel zu lösen. Was es z. B. mit
dem Entwurf zu einem „Attila" auf sich hat, ist bis heute noch dunkel. E. Müller '2»)
stellt die erreichbaren Zeugnisse zusammen, aus denen sich ergiebt, dass sich Schiller
in den letzten Lebensjahren mit dem Stoff getragen haben muss. Im Goethe- und
Schiller-Archiv hat man jedoch keine Spur von dem Drama gefunden. — Die von Minor
(Aus dem Schiller- Archiv S. 121 ff.) mitgeteilte Demetriusscene '24) jgt jetzt erheblich
besser nach neuer Vergleichung der Handschrift von Suphan'25) abgedruckt worden.
Der Herausgeber beweist unwiderleglich, dass hier ein Diktat vorliegt und wir
also Schiller selbst, nicht Charlotte als den Vf. ansehen müssen. — Die gleiche Ansicht
hatte bereits Düntzer^^ß) mit guten Gründen gestützt und die Entstehung der Scene,
die in die letzte Passung des Demetriusentwurfes nicht mehr hineinpasste, in den
Oktober 1804 oder dea Pebruar 1805 verlegt. Die äusseren Umstände, besonders aber
(worauf nicht hingewiesen ist) die unleugbaren Mängel der Scene legen die Vermutung
nahe, dass der Dichter sie in einer Zeit körperlichen Leidens au8geft\hrt hat. — Ein
anderes ist es nun freilich, in dieser Weise Schillers Fragmente kritisch zu würdigen,
ein anderes, sie zu Ende zu dichten. Mit der Ausführung Schillerscher Dramenentwürfe
hat noch keiner rechtes Glück gehabt; man sollte die Fragmente Fragmente, die Ent-
würfe Entwürfe bleiben lassen und sie als solche fieissig studieren. Sie wurzeln zu tief
in des Dichters Individualität und in seiner Zeit, um von einem beliebigen Epigonen
fortgesetzt werden zu können. Vollends sollte man sich von den Versuchen fernhalten,
an denen Schiller selbst gescheitert war. So war es von vornherein ein unglücklicher
Gedanke A. Walds ^27)^ die „Kinder des Hauses" auszuführen. Ftxr Schiller war diese
Skizze ein Experiment; er wollte gewisse antike Vorstellungen, denen er in den
„Kranichen des Ibykus", im „Ring des Polykrates" u. ö. Ausdruck verliehen hatte,
auch einmal in einem ganz modernen Stoff verkörpern, gab aber den Versuch wesentlich
deshalb au^ weil ihm die freie Erfindung einer dramatischen Fabel Schwierigkeiten
machte. In seinem Plane häuft sich eine L'nwahrscheinlichkeit auf die andere, der
Dichter hat selbst darauf hingewiesen. Das Drama von W., in dem alle diese Mängel
wiederkehren, verrät nicht eine Spur Schillerschen Geistes. In einigen Partien wirkt
es wie eine Parodie auf die Schicksalstragödie. Dass Professor Schanz nichtsdesto-
weniger das Schauspiel ernst nimmt, ist kein Wunder. Die beiden Schriftsteller loben
sich seit Jahren gegenseitig. — Ueber die Willkür, mit der Goedeke in der historisch-
kritischen Ausgabe Bd. 15, 1 Schillers dramatische Entwürfe herausgegeben hat, ist oft
geklagt worden; in der That ist diese Ausgabe völlig unbrauchbar, weil sie die
Schwierigkeiten, die sich an den Nachlass knüpfen, durch die wiiTe Anordnung noch
wesentlich vermehrt hat. Auch Boxberger, der im 125. Band von Spemanns National-
Litteratur die Entstehungsphasen der einzelnen Entwürfe kenntlich machen wollte,
komite nicht zum Ziel kommen, weil er sich lediglich an das gedruckte Material hielt.
Es ist daher eine kritische Ausgabe dieser kostbaren Hinterlassenschaft noch immer ein
dringendes Bedürfnis und eine höchst lohnende Aufgabe. Wie viel noch zu thun ist,
zeigt Kettner 128) an dem Beispiel des Malteserentwurfes. Er unterscheidet zwei
Le Monnier Snco. L. 4,00. — 122) X id- Oncle et nevcu, com^die en qutre »ot«8 poblii« et annott« p»r M. Alex. Pey.
Paris, Delagrave. 65 S. Fr. 0,75 — 123) E. Müller. Ueber e. anbekannten dramak Plan Schillers: BBSW. N. li.
— 124) XX A. Stein, Schillers Deraetrius-Fraj^ment u. s. Fortsetzangen. 1. Teil: D. Fragment. Progr. d. Oewerbeüchale.
MUhlhauson, VeuTe Bader & Cie. 40. 23 S. — 125) B. Snphan, Za Sohillers Demetriui: VLO. 4, S. 343-54. — 126) H.
DUntzer, Zu Schillers Donietrius: ib. S. 173—81. — 127) A Wald, D. Kinder d Hauses. Sehauspielfragm. t. F. t. Schiller.
Für d. dtscb. Btlhne bearb. Mit e. Vorw. von Prof. Uli Sehanz. Pressbarg a. Leipzig, Heekenast (Drodtleff). 71 S. M. 1.00.
i[ K.F.Kummer: BLU. S. 209— 10.]*— 128) G. Kettner, Schillers Malteser: VLG. 4, S. 528—66. - 129) K. Frank, Schillers
rv 10: 130-139. A. Köster, Schiller. 216
grosse Perioden innerhalb Schillers Arbeit an diesem Drama: I 1788 — 96, II 1797 — 1803.
Mit Hilfe der zahlreichen Briefstellen, in denen Schiller von der immer erneuten Lust
zu diesem Stoff redet, lassen sich die vielen erhaltenen Personenverzeichnisse, Scenare,
Erwägungen, Skizzen usw. mit ziemlicher Sicherheit chronologisch ordnen. Dabei er-
giebt aber die Prüfung der Hss., die K. vorgenommen hat, dass Goedeke grosse Partien
einfach übersehen oder absichtlich ungedruckt gelassen hat. So holt K. S. 536/8 ein
umfängliches Bruchstück nach, das er für einen Rest des ältesten Entwurfs hält; ebenso
S. 540/1 zwei kleine Skizzen der Handlung, in der schon die episodische Intrigue das
Hauptmotiv gefährdet; endlich S. 543 ein Fragment, das sich unmittelbar an Goedeke
S. 118, 33 anschhesst, so dass also dort die Skizze des Stückes nicht mehr mit dem
vierten Akt abbricht, sondern zu Ende geführt wird. Soweit die erste Phase der
Malteserdichtung. Die Zahlenreihen bei Goedeke S. 113 bedeuten wohl a) die Anzahl
der wichtigsten Scenen, die sich nach Möglichkeit gleichmässig über das Stück verteilen
mussten, b) die mutmassliche Anzahl der Druckseiten, wenn das Stück in den Hören
veröffentlicht werden sollte. Die jüngere Phase der Entwürfe seit 1797 wird äusserüch
gekennzeichnet durch das Fehlen jeder Akteinteilung. Auch hier ist neben völliger
Umstellung der von Goedeke durcheinander geworfenen Partien auch eine Bereicherung
des Textes zu konstatieren: S. 554/5 teilt K. ein kurzes Schema der Perioden des
Johanniterordens mit, die Rückseite des Blattes, das Goedeke S. 92,6-93,2 abdruckt. Auch
dieses Blatt, auf dem zuerst der Seemann Romegas auftritt, deutet auf eine abermalige
Weiterentwicklung der Dichtung. K. spricht von der Romegasstufe. Gegen das Ende
der Untersuchung hin ist die Datierung der Bruchstücke nicht so überzeugend wie am
Anfang; doch sagt K. selbst, dass er hier noch nicht das letzte Wort geredet habe.
Die Ansätze zur Ausarbeitung des Dramas hat K. von dem Entwurf im engeren Sinne
abgetrennt. Am Schluss wird der Unwert des Körnerschen Scenars betont, das in
Ziikunft von jeder kritischen Ausgabe auszuschliessen ist. — Die Untersuchung
K. Franks ^29) über die „Prinzessin von Zelle" kann nicht ausreichen. Heyses „Graf
Königsmark" ist allerdings eine seiner kraftlosesten dramatischen Leistungen. Aber die
Unterschiede zwischen seinem Stücke und Schillers Entwurf verdienen doch eine etwas
tiefere Ergründung, als F. ihnen zuteil werden lässt. —
£i einer Schlussrubrik „Verschiedenes" findet eine Reihe kleinerer Bei-
träge 130-135) Platz. Max Kochi^*») setzt seine jährliche Wanderung durch die Schiller-
litteratvir fort. — Tragikomisch erscheint dem heutigen Leser der Aufruf i^''), den am
17. Okt. 1805 R. Z. Becker in Gotha erliess zum Ankauf eines Gutes für Schillers
Erben, zu dem die Kosten durch Benefizvorstellungen an sämtlichen deutschen Theatern
aufgebracht werden sollten. — Vollmers Exemplar von Schillers Kalender, das der Ver-
storbene mit der Originalhs. verglichen und mit zahlreichen Korrekturen versehen hatte,
ist in den Besitz von E. Müller i^^^ in Tübingen übergegangen, der nun die Resultate
der Vollmerschen Kollation veröffentHcht. Viele seltnere IS amen und manche Daten
werden verbessert, auch sind einige grössere Zusätze zu verzeichnen : eine Berechnung
der Einnahmen vom Jahre 1799 und mehrere ähnliche Tabellen. Inzwischen ist (1893)
bei Cotta ein Neudruck des ganzen Kalenders erschienen. — Endlich erwähnen wir eine
Reihe von Briefen, geschrieben von Prof Dr. Jos. Fick^^gj (^Wien 1800 — .Graz 1881),
dem „Wiener Anonymus", einem eifrigen Mitarbeiter der Historisch-politischen Blätter.
Sie stammen aus dem Jahre 1881, also dem letzten Lebensjahre F.s und sind in ganz
ultramontanem Geist geschrieben. Hatte Daumer in seiner Abhandlung „Schiller und
sein Verhältnis zu den poHtischen und religiösen Fragen der Gegenwart" (Mainz 1862)
in dem Schiller der letzten Lebensjahre einen Neunzehntelkatholiken sehen wollen, so
bemüht sich F. nachzuweisen, dass er noch lange niclit katholisch genug war. Am
eingehendsten wird dabei die ,, Jungfrau von Orleans" betrachtet. Gegenüber dem
durchweg parteiischen historischen Urteil wollen einzelne chronologische Irrtümer
(„Don Carlos" schon 1782 erschienen!) wenig sagen. Seltsamerweise hat sich mitten
in diese Briefe über Schiller auch einer über GriUparzers „Weh' dem der lügt" (S. 428—30)
verirrt. —
„Prinzessin v. Zelle" u. Heyses „Graf Königsmark". JB. d. Landes-Realgymn. M. SchOnterg, Slawik. 14 S. —
130) XX L- Böhme, Sohillerstudieu I. Progr. d. Gyinn. Albertinum. Freiberg i. S., Eugolhardt. 4". 32 S. M. 1,25. (Nur
e. Bruchstuck d. ganzen Abhandl.) — 131) X ö- Unbe scheid, Anzeigen aus d. Schiller-Litt. 1890/91: ZDU. 5, S. 485-501. —
132) X E. M. Schranka, Neues aus d. Miniaturlitt. (Lichtstrahlen aus Schillers Werken v. Ad. Wechsler. Leipzig, Opetz
1890. 80. 1 M.): BLU. S. 149. — 133) X UV ya:65). — 134) X D- Schillerpreis: HambCorr. N. 795 (Auch FZg. N. 112;
Kw. 4, S. 228.) (D. Schillerstiftung in Augsburg hat ihren ersten Preis für hervorragende Leistungen in dtsch. Litteratur
ierrn Rieh. Zoo/mann in Berlin zuerkannt.) — 135) X D- latein. Prüfung: Didaskalia N. 143. (Anekdote v. Schillers Sohn Karl,
d. WUrttembg. Oberförster.) - 136) M.Koch, Neuere Goethe- u. SchiUerlitt.: BFDH. NF. 7, S. 161-'J9, 395-442. - 137)
E. Müller, Z. Gesch. d. Schillerverehruug : BBSW. S. 78/9. — 13^ id., VollmerB Nachlese zu Schillers Kalender: VLG. 4,
S. 440-50. - 139) Briefe über SohlUer: HPBll. 107, S. 321-33, 428-41. -
217 0. F. Walzel, Romantik. IV 11: 1-7.
IV,ll
Romantik.
Oscar F. Walzel.
Allgemüiiieii N. 1. — KchlogeUchnr Krei«: August Wilhelm Schlegel N. 3; Friedrieb 8ehlegi>l N. 10: CwoIiM
Sclilegel N. 26; Philipp Veit N. 26a; Tieck und VVackenroder N. 29. — No?»1i«, W. r. Schutz, tirieii, L. r. »eckeadorf.
F. W. V. Schmidt N. :sa. - Hölderlin N. 38. - Heidelberger Rnmantik : Arnim und KrenUnoN. M; Hettin» N. AO. - Scbwlbiech«
Romantik: Allgemoines N. 60; Uhland N. 71; Waiblinger N. 82. — Emat Hcbulze N. 84. — Eicbendorff N. 87. — Knoet and
Künstler N. 89. —
Im Berichtsjahre ist keine Arbeit allgemeinerer Art hervorgetreten, die zu-
sammenfassend über eine grössere Gruppe von Romantikern handelte. In dem durch
Vulpius 1) vorgelegten Tagebuche Augusts von Goethe nur findet »ich eine Anzahl
romantischer Freunde zusammen: A. W. Schlegel (2. Sept. 1801), Leo v. Seckendorff
(3. Jan. 1805), Stoll (11. Jan. 1805), Schleiermacher (24. Juli 1805), H. Steffens (30. JuU
1805), Ludwig und Amalie Tieck (8. Juni 1828). — Merkwürdigerweise hat auch noch nie-
mand Anlass genommen, die gerade im Jahre 1891 energischer auftretende Bewegung
des französischen Symbolismus mit der in wesentlichen Punkten übereinstimmenden
deutschen Roman t'ik zusammenzuhalten. Nur Bruneti^re 2) gedenkt der analogen Be-
mühungen von Görres und Creutzer. — In Hurets 3) Enquete legt Gourmont dem
Symbolismus eine pliilosophische Theorie zu Grunde, die mit Fichtes Idealismus starke
Verwandtschaft hat. Auch hier fehlt der naheliegende Verweis auf die von Fichte
ausgehende deutsche Romantik. — Prodniggs*) Studie über die ästhetische Doktrin
der älteren Romantik kommt in erster Linie dem jüngeren Schlegel zu gute; sie soll
zeigen, wie Goethes „Wilhelm Meister" auf die Romantheorie Friedrichs und auf seine
Bestimmung der romantischen Poesie gewirkt hat. Beide Beziehungen sind lange be-
kannt und mehrfach erörtert worden; dennoch weiss P. in eindringlicher Untersuchung
manches schärfer zu fassen. Aus den Lyceumsfragmenten 26, 78, 89, 111, 118 liest
er als Definition des Romanes zusammen: „Der Roman als die allerweiteste unter allen
Foi'men der Dichtung und geeignet, das ganze geistige Leben des Autors auszudrücken,
soll eine Gesamtheit von selbständig existierenden, teils thätigen, teils leidenden Figuren
umfassen, und es können sich aus dem Gesamteindrucke des Ganzen Lehren der prak-
tischen Lebensweisheit ergeben." Punkt für Punkt weist P. nach, wie diese Definition
und die ihr zu Grunde liegenden Fragmente im „Wilhelm Meister" zu ihrem Recht*
kommen. Vor allem dienen die Bildungselemente des Romans, seine belehrende Seite,
der Romantik. P. fügt eine Analyse des Athenäumsaufsatzes über „Wilhelm Meister"
an; in ihm wird vor allem die „Lebenskunst" des Romans im romantischen Sinne ge-
deutet. Richtig betont P. unter Hinweis auf die universale Tendenz, die den Romantikern
aus Goethes Roman entgegenleuchtete, die Gefahr der romantischen Anschauung vom
Roman, dass sie ihn unkünstlerischen Zwecken, Zwecken der Bildung unterordne. Dass
jene universale Tendenz aus dem Romane Goethes die Romantiker alle Gesetze der
Poesie herauslesen Hess, wird in einer Analyse des Athenäumsfragments 116 gezeigt.
Die darin gegebene Definition der romantischen Poesie stimmt nach P.s Erörterungen
sowohl in der Forderung einer progressiven Universalpoesie wie in der Betonung des
innigen Verhältnisses zur Philosophie mit den Tendenzen des „Wilhelm Meister". Auch
der Aufsatz über „Wilhelm Meister" bestätigt mit seiner Bildungsforderung, dass die
Romantiker in dem Romane nvu* ihr eigene Welt wiederfanden. P. führt seine Be-
trachtungen bis an den Begriff der romantischen Ironie heran ; diese Ironie selbst lässt
er mit Recht bei Seite, da ilire Wiu-zeln in einem ganz anderen Ideenkreis liegen. —
Im vorigen Berichtsjahre war es innerhalb des Schlegelschen Kreises der
jüngere der Brüder Schlegel, der im Vordergrunde stand; das Berichtsjahr brachte dem
Shakespeareübersetzer August Wilhelm grösseres Interesse entgegen. Bernays 5)
rechtfertigt die pliilologische Behandlung seines Neudrucks der Schlegel-Tieckschen
Shakespeareübersetzung 6-'') in einer feinsinnigen Studie. B. war neuerdings an die
Dresdener Hss. der Schlegelschen Uebersetzung herangegangen; nur aus ihnen wollte er
1) (IV 1 : 29; Tgl. IV 9b : 68.) — 2) F. Brnsetüre, Le symbolistne eont«npor»in : BDM. 104, S. «86ff.
3) J. Huret, Enquöte sur l'övolution littöraire. Paria, Charpentier. XXI, 466 S. Fr. 3,50. (S. 138.) — 4) H. Predni gg,
Goethes Wilhelm Meister u. d. aesth. Doktrin d. Ilt Romantik. 40. JB. d. Steiermark. LandesoberrMlsehale. Qrai. 31 S. —
5) M. Bernays, Vor- u. Nachwort z. neuen Abdruck d. Schlegel-Tieckschen Shakespeare: FrJbb. 68, S. 524—69. —
6-7) Shakespeares dramatische Werke. Uebers. t. A. W. t. Schlegel u. L. Tieck, dorohges. t. K. Bernays. X. Abdr. Berlin,
Reimer. 12«. XXX, 330, 865, 404, 343, 304, 378, 304, 367, 341, 381, 419, 494 S. M. 9,60. [[L. Frlnkel: BLU. S. 801/2.| —
IV 11: 8-16. 0. F. Walzel, ßomantik. 218
Aenderungen des überlieferten Textes schöpfen, da nach seiner Ueberzeugung n\ir
Schlegel selbst Besserungen vorzunehmen im stände war. Dass Schlegel seine Ueber-
tragung vervollkommnen wollte, wird durch einen ungedruckten Biief an Cotta vom
23. April 1801 bestätigt. Thatsächlich zur Verbesserung geschritten ist er erst, als
Tieok mit seiner Uebersetzung hervortrat; nur dem ,, König Johann", „Richard II," und
dem ersten Teile von ,, Heinrich lA-^." ist die neue Sorgfalt Schlegels zu gute gekommen.
B. betont, dass die frühe Unterbrechung dieser Revisionsarbeit nicht zu beklagen sei.
Schlegel hatte seinen Geschmack durch die französischen Arbeiten zu sehr verwöhnt,
um nicht jetzt zu stark nach Glätte und Geschmeidigkeit zu streben. Als Belege erscheinen:
„König Johann" 3, 1, 77 (Elze hält irrtümlich die ursprüngliche Lesart für Tiecks
Eigentum: Ausgabe der Shakespearegesellschaft 1, S. 237); 1, 1, 89; 3, 3, 19. Glücklich
beseitigt wurde durch B. in Ueb3reinstimmung mit Alex. Schmidt der ,, stotternde"
Heisssporn („Heinrich IV." 2, 2, 3, 24). Aehnliches widerfuhr einem offenkundigen
Fehler „Romeo und Julie" 3, 5, 142. Um die Ansichten von Zeitgenossen und Sach-
verständigen über Schlegels Arbeit zu kennzeichnen, bringt B. die lobenden Urteile
Garves, Tiecks, 0. Gildemeisters und Novalis' (an Wilhelm 30. Nov. 1797) bei. Zum
Schlüsse setzt er Schlegels litterarische That in Parallele mit Scotts Uebertragung
des ,,Götz von Berlichingen" und Coleridges WallensteinübersetzungS-u), — Neue An-
haltspunkte zur Bewertung der Shakespeareübersetzung bringt auch Köster^^) bei.
Dass Schiller von Schlegels Arbeit für seine Metrik Gewinn gezogen hatte, war von dem
eitlen Manne selbst ausdrücklich hervorgehoben worden. K. prüft zum ersten Male diese
Behauptung; er erblickt dasWesentliche des Schlegelschen Blankverses in der freien Behand-
lung der Jamben. Wann der Jambus durch den Trochäus ersetzt werden kann, untersucht
Schlegel schon in den metrischen Studien, die er im Jahre 1793 seinem Bruder sendet.
Die beiden Shakespeareabhandlungen der „Hören" gehen dem Probleme weiter nach; sie
wollen auch das Wesen des Shakespeareschen Dialogs ergründen; eine Absicht, die in
den Vorlesungen von 1808 ihre abschliessende Erfüllung erreicht. Schiller übernimmt
von Schlegel sowohl den Trochäus im Blankvers, den von den ,,koiTekten" Kritikern als
„holprig" verurteilten Quinar, wie die Dialogführung. Beides erweist K., indem er den „Don
Carlos" den späteren Dramen gegenüberstellt. Auch eine Sammlung von Urteilen über die
Schillersche Macbethbearbeitung aus dem Kreise W. Schlegels stellt K. zusammen (S. 122 ff.).
— W.Schlegels sehr unerfreuliches Verhältnis zu Bopp fand durch Lefmann i3-i*) eine
ausführliche Darlegung. Sie stützt sich auf den (S. 84* — 114*) zum ersten Male mit-
geteilten Briefwechsel der beiden Männer; die Briefe Bopps entstammen augenscheinlich
dem Schatze der Dresdener Bibliothek (vgl. Klettes „Verzeichnis" N. 139). Der Brief-
wechsel setzt 1815 mit einem Dankschreiben Schlegels ein, findet seine Fortsetzung
indessen erst 1820 und läuft dann mit kurzen Unterbrechungen bis 1829. Er beschäftigte
sich im wesentlichen mit dem Gusse der Sanskrittypen; erst die letzten Briefe vom
Jahre 1829 erregen besonderes Interesse; sie sind Dokumente des Bruches. Wilhelms
von L. auch im Texte ausführlich erörterte Beziehungen zu Bopp knüpften sich 1815:
damals nimmt Schlegel in Paris bei dem jugendlichen Anfänger Stunden im Sanskrit,
obwohl Chezy seine Vorlesungen schon eröffnet hatte. Er reist ab, ohne sich von
Bopp zu verabschieden, was natürlich eine gewisse Gereiztheit des letzteren wachrief.
Das später wieder angeknüpfte Verhältnis konnte bei Schlegels Eigendünkel nicht von
Dauer sein. Schon 1820 schulmeistert er an Bopps Latein. 1829 giebt er brieflich
eine überscharfe Recension von Bopps „Grammatischem System" (vgl. auch S. 144).
Bopp blieb die Antwort nicht schuldig. Schlegel spielte den Gekränkten und liess
Bopp durch Lassen in der „Indischen Bibliothek" heruntermachen (vgl. S. 147). Win-
dischmann, der Ereund beider, stellte sich zuletzt ganz auf Bopps Seite. Schon Bopps
Aufnahme in die Berliner Akademie hat wohl Schlegels Neid erregt. Schlegels „litte-
rarische Scherze" hat Bopp, wie L. zeigt, ebenso witzig wie schlagend beantwortet
(S, 173 f.). Im einzelnen erwähnt sei: Schlegel verurteilt das „Salbadern", dem Görres'
Anzeige der Schlegelschen Ausgabe des ,,Ramayana" huldigte (16. April 1815); die
Rhoderecension seines Bruders nennt er ,,ein tüchtiges Stück Arbeit" (20. Aug. 1820).
Kosegartens „Nala" -Uebertragung wird von Bopp verworfen (8. Aug. 1820), währender
den von Schlegel abfällig beurteilten Wilckins in Schutz nimmt. Auch Schlegels Ver-
hältnis zu Windischmann erfährt in L.s Schrift eine neue Beleuchtung (S. 63*, 76*).
8) X id., Dramatische Werke. Uebers. v. A. W. v. Sohlegel u. L. Tieek. Im Auftrage d. dtsch. Shakespeare-Qes. her. n. mit
Einl. Ters. r. W. Oechelhaaser. Stuttgart, Dtsch. Verl.-Anst. XII, 943 S. M. 3,00. |[BLU. S. 350(warm empfohlen); A. D [ovej:
AZgu. N. 149; E[o denberg]: DBs. 69, S. 319; N*S. 58, S. 133; J. R.: LZgB. N. 68.]| — 9) X 'd-, öamtl. dram. Werke in
12 Kden. Uebers. v. Schlegel u. Tieck. Bd. 3-6. (= Cottasche Volksbibl. N. 30, 39, 42, 44.) Stuttgart, Cotta. 215, 304,
240, 256 S. Je M. 0,60. — 10) X id., E. Sommernaohtstraum. Uebers. v. A. W Schlegel. Mit 12 Heliogray. u. 19 Holzsohn,
nach E. Kanoldt u. W. Yolz. Leipzig, Amelang. 40. V, 82 S. Geb. m. Q. M. 20,00. — II) X D. Schlegel- Tiecksche
Shakespeare: HambNachrS. N. 43. — 12) A. Köster, Schiller als Dramaturg. S. o. IV 10 : 117. S. 97-102. - 13) (I 2 : 30.) —
14) X Ib., Aus Franz Bopps Briefwechsel: AZg^. N. 299. — 15) 0. F. Walzel, Neue (Quellen z. Gesch. d. <. romant. Schule:
I
219 0. F. Walzel, Romantik. IV 11: i«-20.
Eine ausführliche Kritik des Buches „Ueber die Sprache und Weisheit der Indier"
spendet L. aus eigenen Mitteln (S. 12 f., 43 ff.). — Eine weitere V^ermehrung wird den
gedruckten Briefen W. Schlegels durch WalzeP*) zu teil. Ein nach dem Concepte
veröffentliclit^r französischer Brief, an eine unbekannte Spanierin gerichtet, predigt den
spanisclien Dichtern Abkehr von ihren französischen Mustern und Rückkehr zu ihren
natürlichen Quellen; er dürfte dem Jahre 1813 entiitammen. Zwei Briefe .loh. Adolf
Schlegels an seinen in Amsterdam weilenden Sohn Wilhelm aus den Jahren 1791 und
1703 zeigen den Vater beflissen, die Stelle eines Hannoverschen GrymnaHialdirektors dem
Sohne zu verschaffen, und lassen Wilhelm als Kriegsreporter der hannoverschen Zeitungen
erscheinen. W. handelt im Anschluss daran über Joh. Adolf Schlegels Versuch, seinen
Sohn bei der Gesandtschaft zu Dresden unterzubringen. Endlich stellt W. nach einem
hs. Dokumente die für die „Göttinger Gelehrten Anzeigen" im ersten Halbjahr 1791
gelieferten Recensionen Wilhelms zusammen; zwei kleine, von Böcking nicht auf-
genommene (über Wahls „Beförderung der menschlichen Glückseligkeit" und über eine
Sammlung bis dahin nicht herausgegebener kleinerer Dichtungen Torquato Tassos) werden
neu gedruckt. ^8) — Hochei'') deutet an, dass gesellschaftliche Konflikte die Lösung der
Beziehungen W. Schlegels zu Chr. Gottl. Schütz, dem Herausgeber der „Jenaischen
Allgemeinen Litteraturzeitung", anbahnten. — Anlässlich der im Vorjahr veröffentlichten
„Souvenirs du Baron de Barante" betont Lady Blennerhassett >*), dass Prosper
Barante in seinem „Tableau de la litterature fran^aise au 18« si^cle" als einer der
ersten die Ideen W. Schlegels und der deutschen Romantik in Frankreich vertrat; auch
er stellt sich in Gegensatz zu dem aufgeklärten Zeitalter und setzt in Uebereinstimmung
mit Frau von Stael und mit W. Schlegel die historische Forschung an die Stelle einer
unbeugsamen Logik. —
Muncker i») versucht zum ersten Male die schwierige Aufgabe einer Dar-
stellvmg der gesamten Thätigkeit Friedrich Schlegels 20) zu lösen. Bis zur Be-
handlung der Pariser Zeit begnügt er sich mit einer knappen, an Haym und Koberstein
sich anlehnenden Charakteristik, die nur hier und da nach neuereu Dokumenten ein-
zelnes bessert. Auf das Einzelurteil legt M. ein stärkeres Gewicht als auf eine zu-
sammenhängende Darlegung der philosophischen Grundlage und ihrer Entwicklung;
Schlegels Verhältnis zu Schillers „Naiver und sentimentalischer Dichtung" ist einer ein-
dringlicheren Erhellung bedürftig. Zu den Arbeiten über griechische Dichtung wären
auch die in den Werken (1. Ausgabe 3, S. 267 — 338) mitgeteilten bruchstückartigen
„Vorarbeiten zur Geschichte der verschiedenen Schulen und Epochen der lyrischen
Dichtkunst" von 1795 anzuziehen gewesen. Beim Lessingaufsatz von 1797 kommt
M. auf die Lessingausgabe von 1804 zu sprechen, die ihm „im allgemeinen auf dieselbe
Anschauung gegründet" scheint. Von der Zeit des Pariser Aufenthalts ab entbehrte
M. zusammenfassender Vorarbeiten. Er erörtert die neuen Pariser Studien, denen das
Buch „Ueber die Sprache und Weisheit der Indier" entkeimt ist; schon damals hofile
Sclüegel die Rückkehr von der einseitigen Beschäftigung mit den Griechen zur Er-
kenntnis des Göttlichen. Die Zeitschrift „Europa" wird analysiert, deren geschichts-
philosophische Phantasien von der absoluten Erstorbenheit der höheren Organe „fabeln".
Trotz der im Gegensatz zu den „Propyläen" gedachten Verherrlichung der altchristlichen
Malerei glaubt M. zu bemerken, dass Schlegels polemischer Eifer allmählich erlischt
In den Pariser Vorlesungen erblickt er einen konfusen Eklekticismus aus Fichte,
Schelling und Jakob Böhme. Der in ihnen verkündete „Idealismus der unbedingten
Ichheit" werde i mmer mystischer, zuletzt rein katholisch. Am besten gelinge der Ueber-
blick über die Geschichte der Pliilosophie. Als formales Vorbild des „Roland" nimmt
M. Herders ,,Cid" an, neben der Hauptquelle des Pseudotvu"pin glaubt er auch andere
altfranzösische Quellen und das „Ludwigslied" anziehen zu müssen. Ohne der zwischen
den Pariser Aufenthalt und den Einti'itt in den österreichischen Staatsdienst fallenden
Leidensjahre näher zu gedenken, charakterisiert M. sofort Schlegels Wirken für das
Habsburgische Haus (die „Armeezeitung", die Schlegel redigierte, heisst eigentlich
„Oesten-eichische Zeitung"; vgl. ADA. 19., S. 81). Die damaligen patriotischen Gedichte
erscheinen M. mit einigen Romanzen, symbolisch-parabolischen Versuchen und kirchlich
mystischen Dichtungen das Beste, was F. Schlegel in gebundener Form geliefert hat;
den übrigen Gedichten kann er nur formale Beherrschung künstlicher Versmasse
nachrühmen. Die Wiener Vorlesungen von 1811 bezeichnet er als allgemeine philoso-
phische Betrachtungen über die Geschichte des Mittelalters und der folgenden Jhh., die
bei starker Betonung des kulturhistorischen Moments nur Deutachland und insbesondere
Oesterreich behandeln. Die Vorlesungen von 1812 geben nach M. ältere Studien in
ZOG. 42, S. 103/4, 486-93. (Vgl. ib. 40 (1889), S. 97-102, 485—93.) - W) X Erich Schmidt, W. Seh]«geU fr>nxO«itch«
Briefe über Goethe: BerlTBl. v. 3. Juni (Ref.). - 17) R. Hoc he, Gh. G. SchBti: ADB. 33, 8. 111,'5. - 18) Se. [Charl.
Lady Blennerhassett], D. Erinnerungen d. Baron de Barante 1782—1866: AZg". N. 10. — 19) F. Mnncker, F. äehlegel:
ADB. 33, S. 737-52. - 20) X F. Schlegel, Storia della letteratora anUca e moderna; Ten. d. F. AmbrosolL Milano, BatUaaati
IV 11: 21-268. 0. E. Walzel, Romantik. 220
neuem Lichte; jetzt wird die griechische Religion verworfen; über die romanischen
Litteraturen wird skeptisch geurteilt; nur Calderon und Camoens kommen zu Ehren.
Bei allem kühlen Abwägen zwischen Vorzügen und Nachteilen trübten kirchliche Vor-
urteile die Darstellung der Philosophie. Im ganzen gebe Schlegel ein welthistorisches
Gemälde der europäischen Geistesbildung. „Beobachter", „Deutsches Museum" und
„Concordia" werden eilig besprochen, die Mitarbeiter der beiden Zeitscliriften genannt.
Die Lamartinebesprechung der letztgenannten Zeitschrift mit ihren Seitenblicken auf
den ,, dämonischen" Byron wird angeführt, der Aufsatz ,, Signatur des Zeitalters" als
Anklage gegen den allgemeinen Verfall der Zeit durch den Unglauben erwiesen. M. be-
tont die politische üebereinstimmu.ng Schlegels mit Burke, Gentz, A. Müller, K. L.
V. Haller, Görres, Maistre. Die letzten Schicksale Schlegels, seine Thätigkeit in Frank-
furt a. M., seine Romreise, die Ausgabe seiner Werke, der Konflikt mit dem Bruder,
der Tod, werden rasch erledigt. In der Recension über Rhode erkennt M. einen Ver-
such, Bibel und Wissenschaft in Einklang zu setzen. Die Vorlesungen von 1827 er-
geben sich als Ausdruck eines Spiritualismus, der Gott als lebendigen, persönlichen
Geist fasse ; sie wollen eine angewandte Theologie begründen, die Vernunftwissen-
schaft und Naturphilosophie verbindet. Sie entbehren eigentlicher wissenschaftlicher
Begründung und sind doch für weitere Kreise zu hoch gedacht. In den Vorlesungen
von 1828, in denen die Wiederherstellung des göttlichen Ebenbildes nach dem Stufen-
gang der Gnade erläutert wird, sieht M. eine vom religiösen Geiste durchwehte kultur-
geschichtliche Betrachtung der Menschheitsentwicklung. Die Dresdener Vorlesungen
stimmen mit den Tendenzen St. Martins und verlieren sich in M.s Augen gleichfalls in
eine mystische Theologie. — Neben der ersten Gesamtdarstellung Friedrich Schlegels
schritt die Detailarbeit rüstig weiter. Die im Vorjahre veröffentlichte Ausgabe seiner
Briefe an den Bruder Wilhelm 2i) veranlasste noch einige weitere Studien, die teils in
grossen Zügen charakterisieren, teils Einzelheiten hervorheben. R. M. Werner
schildert Schlegels Art, Briefe zu schreiben, besonders seine sich immer verschärfende
Weise brieflicher Kritik, betont die Innigkeit des Verhältnisses beider Brüder und hebt
die schillernde Terminologie der Briefe aus der Athenäumszeit hervor; S. 189 füllt er
die Lücke mit „Mastiaux" wohl nicht richtig aus. — Max Koch stellt aus den Briefen
interessante, Goethe und Schiller betreffende Aeusserungen zusammen; er schildert, wie
Schiller und die Schlegel auseinandergekommen sind, wie indessen trotzdem F. Schlegel
dem Einflüsse Schillers sich nicht entziehen konnte. — Hewett 22-26^ charakterisiert die
Briefe und ihren Verfasser in zwei feinsinnigen, für amerikanische Leser berechneten
kleinen Essays, die mit richtigem Blick die wichtigsten Abteilungen der Briefe hervor-
heben. — Die geringe Zahl bekainiter Briefe von F. Schlegel an Novalis vermehrt
Walzel ö*) durch einen neuen vom 20. Okt. 1798; er enthält die erste Erwähnung des
Planes der „Lucinde"; das Ziel seiner litterarischen Projekte sieht F. Schlegel in einer
„neuen Bibel". Konventionelle Beileidsphrasen enthält ein französischer Brief, den
Schlegel an die Stael einen Tag vor ihrem Tode gerichtet hat und der nie an seine
Adresse gelangt ist. — Einen von Jonas („Chr. G. Körner" 1882. S. 29) teilweise mit-
geteilten Brief des alten Körner an F. Schlegel vom 28. Mai 1813 mit Nachrichten über
Philipp Veit und Th. Körner druckt Kohut ^3) vollständig ab. —
Verehrer von Caroline Schlegel finden in einem Aufsatze Hummels 2«) die
Inschriften ihres Grabdenkmals und die sie betreffende, von Schellings Vater abge-
fasste Notiz der Maulbronner Totenbücher. Weiter druckt H. nach Plitts Buch
„Aus Schellings Leben" die mit der Klage um die Hingeschiedene erfüllten
Briefe des trauernden Philosophen an Luise Gotter und an Georgii ab und meint,
Schelling habe nur in dem religiösen Centrum der Persönlichkeit, wo Gott vmd Ewig-
keit gegenwärtig sind, Trost gefunden. —
L. Kaufmann ^6a) veröffentlicht zehn ungedruckte Vorträge Philipp Veits;
der erste gehört dem Jahre 1853 an, die folgenden sind noch jünger. Zur Gescliichte
der Romantik stehen sie doch wohl in zu loser Beziehung, um liier ausfülirlich ge-
würdigt zu werden. Aus der Einleitung, die bekannte Daten aus Philipp Veits Leben
zusammenstellt, ergiebt sich, dass sich 28 Vorträge und kleine Schriften in seinem Nach-
lasse finden; nur vier von diesen (vgl. K. S. 8, N. 2) kamen zu Veits Lebzeiten zum
Druck. Die jetzt mitgeteilten Vorträge handeln vom Schild des Achilles („nebst alh
gemeinen Bemerkungen über bildende Kunst und ilxre Grenzen"), über Verzweigungen
der Kunst, vorzüglich über Genre- und Landschaftsmalerei. Wenn schon die Be-
sprechung der Landschaftsmalerei Veit auf den Bahnen seines Stiefonkels A. W." Schlegel
Succ. -2l)F.Schlegel,Briefe, hör. V.Walze) (JBL. 18901V 13:1): E( rieh Schmidt): DRs. 66,S. 150/1. (Ferner auch R.M.Werner:
DLZ. 13, S. 457/9; M. Koch: BFDH. 1891, S. 403/6.) — 22) [W. T. Hewett], F. Schlegels Corrospondence with his brother:
Independent 43, N. 2285. - 23) X id., Schlegels Briefe, her. v. Walzel: MLN. 6, S. 209—11. — 24) 0. F. Walzel, Nene
Quellen z. Gesch. d. »lt. roinant. Schule IV: ZOG. 42, S. 105/7. - 25) (lY 4 : 53.) - 26) F. Hummel, D. Grab v. Caroline
Schelling: BB8W. N. 18/4. — 26a) Ph. Veit, 10 Vortrr. Über Kunst. Mit Anm, u. e. Vorw. v. L. Kaufmann (= Görres-Qes,
221 O, F. Walzel, Romantik. IV U:Wh.M.
zeigt, so handelt er auch wie dieser über Giovanni da Fiesole. Weitere Vorträge folgen :
über Porträt, über Kirchenrestauration, über Phantasie, endlich über sein eigenes
Sebastiangemälde; energisch tritt er für die Notwendigkeit eines Stils in der Kunst ein.
Dem Buche ist die Wiedergabe einer BleistiftÄeirhnung l)oigegeben, in der Veit kurz
nach den Befreiungskriegen selbst seine Züge festhielt; er sandte das Selbstporträt von
Rom an seine Eltern. — Dass in erster Linie künstlerische und «achliche, nicht religiöse
Bedenken über K, F. Lessings Huss Veit veranlassten, die Leitung dos Städelschen
Instituts niederzulegen, bestätigen Briefe Edwards von Steinle 2eb-28j, —
Gozzis Einwirkung auf Tieck wird von A. Köster'») erörtert Der erste Akt
von „Amore delle tre melarance" hat dem „Zerbino" zur Quelle gedient; litterarische
Zeitsatire spielt hier wie dort hinein. Sonst findet K. nur den „Blaubart" und den „Ge-
stiefelten Kater" von Gozzi in einzelnen Motiven beeinflusst. Gozzi lässt nur die
Masken in Prosa s])rechen ; Tieck, der sie teils nachgeahmt, teils durch ähnliche Gebilde
ersetzt, verwendet Prosa und Vers ganz frei. Beiden Dichtem gemeinsam ist die Verwertung
des Verses für komische Wirkungen. — Die Tiecksche ShakespeareObersetzung bedenkt
Bernays^o^ mit einer Studie, die natürlich den Hauptarbeitem Dorothea Tieck und
W. v. Baudissin vor allem gilt. 1824 sendet Tieck die Ankündigung in die Welt.
Seine Saumseligkeit, die auch Müllners Spott erregte, lässt ihn nicht zur Arbeit kommen.
Baudissin, der schon mit fünfzehn Jahren durch eine Uebertragung des „König Lear"
Schlegels Beifall errungen hatte, greift rettend zu; Dorothea arbeitet sich an der Ueber-
setzung allmählich in Shakespeare ein. Aus den auf der Kgl. Bibliothek zu Dresden
bewahrten Mss. erhellt, dass von Ende 1829 bis 18.S2 ein Drittel der Dramen über-
tragen wurde. („Mass für Mass": 10. Juni 1830, „Titus Andronicus": 2. März 1831;
„Othello": 19. Nov. 1831.) Dorothea scheint nur als Mitarbeiterin Anteil zu haben;
sicher war die Arbeit oft gemeinsam; ganz fallen ihr die drei letzten Akte von „Viel
Lärm \im Nichts" zu. Den Hss. fehlt der Reiz der Schlegelschen; sie zeigen statt
der Entstehung der Uebersetzungskunst nur geschulte Uebersetzer. Eine Caroline fehlt
(B. verweist auf Tiecks Schriften 23, S. 164 „Eine Sommerreise"). Tieck hätte sie er-
setzen können. B. charakterisiert in knappen, schlagenden Worten Tiecks märchenhafte,
anmutige Kunst; er zieht die damals geschriebenen Verherrlichungen Shakespeares und
Camoens', „Dichterleben" und den „Tod des Dichters" an, die allgemeine Bewunderung
fanden; nur Menzel (Litt.- Blatt 1830, 120; 1834, 18) hatte Bedenken. Tieck geht ofl
zu weit; er meistert, obwohl selbst bar philologischer Begabung, die englischen
Erklärer; im Gegensatz zu den älteren Kommentatoren drängt er dem Uebersetzer Bau-
dissin seine eigene Auffassung auf. Belege von irreführenden Tieckschen Weisungen
schliessen sich an ; desgleichen zeigt B. Korrekturen der am 26. Febr. 1839 begonnenen,
1839 und 1840 herausgegebenen Ueberarbeitung auf. Zum Schlüsse giebt B. Winke
über das Wesen der Uebersetzerkunst im allgemeinen zur richtigen Beurteilung der
Shakespeareühertragung. — An verschiedenen Orten gedruckte, auf hs. Quellen ruhende
Studien über Tieck macht L. H. Fischer^*) bequem zugänglich. „Ludwig Tieck am
Hofe Friedrich Wilhelms IV." (S. 107 — 41) zu schildern, druckt F. den Briefw'echsel des
Königs mit Tieck, dann Briefe Tiecks an den Wirkl. Geheimrat Dr. Müller und an
eine mibekainite, dem Könige nahestehende Persönlichkeit, alle aus den Jahren 1840 — 51.
Tieck eröffnete die Beziehungen durch die Widmung seiner „Vittoria Accorombona";
der König bewilligte alsbald eine jährliche Pension lancl suchte den Dichter wenigstens
für einige Monate des Jahres an Berlin zu fesseln. Auf einen Auftrag des Königs hin
gab Tieck im November 1840 ein Gutachten über Spontinis neue Oper „Le paradis
perdu" ab; es verlangt von der Oper eine wesentlich idealistische Technik. Im Sommer
1841 erscheint Tieck in Sanssouci; seine Vorlesungen ernteten, -tt-ie mit leichten Ab-
weichungen im Detail Louis Schneider und A. v. Reumont betonen, nicht einstimmigen
Beifall. Jetzt leitet Tieck die Einstudierung der „Antigone". Der König dacht«
nunmehr an eine dauernde Anstellung des Dichters; nach längeren Verhandlungen, deren
Einzelheiten in einigen von F. mitgeteilten Briefen vorliegen, wurde Tieck Geheimer
Hofrat mit einem Gehalt von 3200 Thalern, ohne verpflichtet zu sein, die Dresdener
Dramaturgenstelle aufzugeben; der Orden pour le m^rite gesellte sich bald hinzu.
Friedrich Wilhelm IV. bekannte selbst in einem Briefe an Tieck vom 22. Juni 1842,
seine Hauptabsicht sei, unter Tiecks artistischem Beirat griechische und Shakespearesche
Stücke aufzuführen. Der Generalintendant von Küstner kam dem neuen Dramaturgen
wenig freundlich entgegen. Tieck übersiedelte ganz nach Berlin; die Reise brachte einen
1. Vereinsschr. f. 1891) Köln, Bachern. 120 S. M. 2.00. — 26b) A. M. ▼. Steinle, Edw. t. SMnle a. Ang. Reiehensperger in
ihien geineinsninen Bestrebun);en f. bild. Konst aus ihren Briefen geschildert (= GOrres-Oe«. 3. Vereinsschr. 1890) «kda 1890.
104 S. M. 2,00, S. 121/3. — 27) X*'- Hummel. D. erstmalige Begegnung Schellings mit Schiller : BBSW.N. 11 2.-28) X F. Schl«i«r-
machor, Christi. Sittenlehre in Vorlesungen [Wintersem; 1822;.S]. Ans Nachschriften her. t. L. Jonas [1S43]. (= BibL theoL
Klassiker 37/8.) Gotha, F. A. Perthes. VI, 265 n. IV, 264 S. M. 4,80. - 29) S. o. N. 12. S. 222'5. — 30) S. o. N. 5. -
31) (I 5 : 308) - 32) S. o. N. 16. S. 107'8. - 38) F. Poppenberg, Normli«: YZgs. t. S2. Min. - 34) 0. 9. W»ls*l,
IV 11: 35-37. 0. r. Walzel, Romantik. 222
Schlaganfa]] mit sich. Dennoch konnte er schon im Oktober die Aufführung der „Medea"
leiten, deren Chöre Mendelssohn und Meyerbeer nicht in Musik setzen wollten („Michael"
Beer S. 119 Z. 10 ist wohl Druckfehler); Tieck empfahl brieflich den Komponisten
H. Taubert, Aufgeführt wurde die „Medea" am 7. Aug. und 15. Okt. 1843. Am
14. Okt. 1843 erschien der „Sommernachtstraum" auf der Bühne. Im Jahre 1844 folgte
der „Grestiefelte Kater"; dass Tieck selbst an der verunglückten Aufführung keine
Freude hatte, beweist sein Schreiben an Müller vom 28. April 1844. Tiecks Anteil an
der Inscenierung des zur Eröffnung des Kgl. Opernhauses am 7. Dez. 1844 bestimmten
„Feldlager in Schlesien" wird von F. eingehend erörtert, ohne dass er Meyerbeers und
Kellstabs Briefe (Briefe an Tieck 2, S. 348 If.) anzöge. Nachdem Tieck sich im selben
Jahre gegen eine Aufführung des Goetheschen ,, Faust" ausgesprochen, folgten
Anfang 1845 Verhandlungen über den „Blaubart", der am 5. Febr. aufge-
führt wurde. Schon jetzt kam es mit Küstner zu Reibungen. ,, Heinrich V.",
über dessen technische Ermöglichung Küstner selbst interessante Mitteilungen
macht, kam durch Tiecks Kränklichkeit nicht auf die Bühne. Tieck selbst
schreibt am 17. Mai 1845 dem König, dass die vielen Beurlaubungen der Künstler die
Aufführung unmöglich machten. In demselben Briefe bekennt er sich durch den
Tod W. Schlegels tief erschüttert und spricht von der Aufführung des „Oedipus auf Ko-
lonos". Das Sophokleische Stück kam erst am 1. Nov. 1845 auf die Bretter, die in
Musik gesetzten Partien nach der Donnerschen Uebersetzung, der Rest in Fritzsches
fünffüssigen Jamben. Kurz vorher, am 15. Okt. 1845, hatte Tieck dem Könige zum
50. Geburtstage seine schriftliche Huldigung gebracht. Aeschylus erwies sich auf
Mendelssohns Vorstellungen als unaufführbar. Dagegen gab man am 1. Dez. 1845
Racines „Athalie". Inscenierungsvorschläge Illaires mit Randbemerkungen Tiecks druckt
F. ab. Küstners Uebergriffe veranlassten endlich Tieck, am 11. Mai 1846 Herrn
V. Willisen seine Beschwerden zu unterbreiten. Obwohl aber Küstner zurechtgewiesen
wurde, konnte Tieck doch nicht mehr energischer eingreifen, seine Gebrechlichkeit nahm
zu. Dennoch überhäufte ihn gerade jetzt der König mit Beweisen seiner Gnade: ein
schmeichelhaftes Schreiben begleitete das Geschenk einiger spanischen Drucke, die Tieck
hatte verkaufen müssen. Des Dichters Antwort vom 15. Jan. 1850 schliesst den Brief-
wechsel ab. Am 8. Juni 1851 raffte sich Tieck noch einmal auf, um über den auf
seine Veranlassung von Hülsen einstudierten „Macbeth" an lUaire (?) zu berichten.
Ein zweiter Aufsatz F.s „Ludwig Tieck und die Berliner Hofbühne" (S. 141-62) bezeiigt den
warmen Anteil, den Tieck an einzelnen Künstlern genommen. Seine Verwendung für
ein Fräulein A (an Dr. Müller: 10. März 1846) musste er allerdings am
29. Mai „beschämt" zurücknehmen. Dagegen besiegte er Küstners Widerstand im Inter-
esse von Edwina Viereck (an A. v. Humboldt 13. Okt. 1849 mit der interessanten Be-
merkung: „So ein Heinrich V. von Shakespeare würde jetzt wohl grosse Aufregung und
Unruhe nicht bloss hier, sondern wohl mehr noch in Frankreich erregt haben", — und an
Illaire am 18. Okt. 1849). Weniger glücklich war Tieck mit Friedrich Haase ; A. v. Hum-
boldt schrieb Haases wegen an den König (Anfang Dez. 1849), Tieck an Illaire (5. Jan.
1850). Das ungünstige Urteil der dramatischen Prüfungskommission hatte einen so
wenig erfreulichen Engagementsantrag zur Folge, dass Haase lieber nach Prag ging.
Auch für Jerrmann verwendete sich Tieck (an Illaire 30. Okt. 1849). Die Begründung
einer Theaterschule befürwortete ^ Dr. Müller gegenüber (29. Mai 1846). Abfällig äusserte
er sich über Laubes „Bernsteinhexe" und über Gutzkows „Zopf und Schwert" in einem
Gutachten aus dem Jahre 1843. 1846 trat er indess für Gutzkows „Struensee" ein, wm-de
aber von der Mutter Michael Beers geschlagen, die das gleichnamige Stück ihres Sohnes
auf die Bühne brachte. . Im Gegensatz zu Küstner verwendete sich Tieck für Werders
„Columbus" und, im principiellen Gegensatz zu Richard Wagner, für Mangolds „Tannhäuser"
(an Illaire 28. Dez. 1842 und 4. Dez. 1846). Mangolds Oper kam trotz einer Um-
arbeitung nicht zur Aufführung. Der Aufsatz „Ludwig Tieck und Adam Oehlenschläger"
(S. 162/8) dient lediglich der Novelle Tiecks „Uebereilung" als Kommentar. Ein Brief
Tiecks aus dem J. 1853 an einen unbekannten Grafen, vielleicht an Graf York von Warten-
burg, erhärtet und erläutert die schon durch Köpke gebotene Deutung der in der Er-
zählung auftretenden Gestalten: Fichte, Frau v. Stael, W. Schlegel und Oehlenschläger.
Oehlenschläger, Steffens und W. Schlegel werden von Tieck ausdrücklich als „Kari-
katuren" von Eitelkeit bezeichnet. F. zieht aus Fürsts „Henriette Herz" (S. 237) eine
ähnliche Mystifikation Oehlenschlägers an. Das Zusammentreffen der Stael mit Fichte
setzt F. in das Jahr 1804 und erwähnt die abweichende Erzählung der Henriette Herz.
Die Oehlenschlägergeschichte spielte nach F. im Jahre 1817 in Berlin. „Träume und
Visionen in Ludwig Tiecks Leben und Schriften" werden gleichfalls von F. zusammenge-
tragen (S. 162-80). Die von Köpke schon erzählten, hier nur übersichtlich zusammengestellten
C. W. V. SoMtz: ADB. 83, 8. 184/6. — 35) (IV 9b : 99.) - 36) Th. Schön, Leo v. Seckendorflf: ADB. 33, S. 519. — 37) M.
/
223 0. F. Walzel, Romantik. IV ll:ns-4n.
Erlebnisso finden Bereicherung in ftl)en dem Briefe, der dem Aulkatze über Uelilen-
schläger zu [Grunde liegt; F. wird durch das in dem Briefe ErzäUte an den „William
Lovell" gemahnt. Interessanter noch ist ein Brief an die gleiche Adresse vom 1. März
1853; er erzählt von einer katholisch-mystischen Deutung, die F. Schlegel einem Traume
Tiecks gegeben, und von einer ins Jahr 171>3 und nach Göttingen fallenden Gespenster-
geschichte. „Ludwig Tieck und Justinus Kerner" werden (S. 180-91) von F. in ihren persön-
lichen Beziehungen nach den bei Holtei abgedruckten Briefen Kerners und nach den im
Besitze des Hofrats Theobald Kerner befindlichen Briefe Tiecks dargestellt. Auf der
Reise nach Baden-Baden besuchte Tieck 1828 die Seherin von Prevorst und ihren
Freund. Dorothea machte auf die Seherin einen mächtigen Eindruck. Kerner wollte
Tieck zu einer Abwehr der Angriffe Menzels bringen, fand aber kein Gehör. Erst am
22. Mai 1841 schrieb Tieck wieder an Kerner, er wollte Mörike kennen lernen. Nicht
der kranke Mörike, sondern nur die Familie Kerner fand sich in Heilbronn zum Be-
suche ein. Kerner suchte brieflich Tieck für Mörike zu interessieren. Tieck macht am
3. Juli 1841 wenig Hoffnung; gleichzeitigt legt er einige Bedenken gegen Kerners
„Magikon" vor. Erst vom l(i. März 1853 liegt ein weiterer Brief Tiecks vor, der neben
persönlichen Mitteilungen aiisführlich bei der Frage von der Fortdauer der Seele ver-
weilt. Ehe noch Kerners übrigens nicht auffindbare Antwort eintraf, war Tieck ge-
storben. Agnes Alberti berichtete sein Ableben in ehiem Briefe vom 12. Aug. 1853.
F. handelt auch (S. 94 — 107) ausführlich tiber die Geschichte des gegen die
Romantiker goricliteten dramatischen Pasquills von Heinrich Beck, das von Iffland
unter dem Titel „Das Kamäleon" am 3. Nov. 1800 zu Berlin gegeben wurde (vgl. Hayms
Romantische Schule S. 75(5 f.). Was Tieck gegen Iffland in der Angelegenheit vor-
bx-achte, wird geprüft, und als Ergebnis festgestellt, dass trotz Ifflands ausweichenden
Bemerkungen Tieck vollauf berechtigt war, die Satire auf sich und seine Freunde zu
beziehen. Weder der Druck des Lustspiels noch das Soufflierbuch der königlichen
Bühne scheinen alle Invektiven beibehalten zu haben. — Einen Brief Wackenroders an
Sophie Tieck (13. Febr. 1794) veröffentlicht Walz el 32). In starker Geftihlsüberspannung
will Wackenroder die Briefschreibefaulheit seines Freundes der Schwester gegenüber
entschuldigen; der Brief ist charakteristisch für Wackenroders Gemütsweichheit. —
Poppenberg 83^ veröffentlicht eine kleine Studie über Novalis, die über die
mystische Erotik der Romantiker beachtenswertes vorbringt. — Ueber den Viel-
schreiber Wilhelm von Schütz sammelt Walzel^*) einige Notizen. Seine
dramatischen Versuche, die mit dem von W. Schlegel geförderten „Lacrimas" einsetzen,
zeigen anfangs ein haltloses Schwanken zwischen Romantik und Schillernachahmung,
bis endlich die letztere obsiegt. Die ästhetischen Versuche von Schütz, die von Shake-
speare ausgehen, stellen sich nach seinem Uebertritt zur katholischen Kirche ganz in
den Dienst katholischer Ideen. Denselben Weg nahmen seine nationalökonomischen
und politischen Aufsätze. Die naturwissenschaftlichen Studien bahnten kurzlebige Be-
ziehungen zu Goethe an. — In ihren Mitteilungen über die Zeitschrift
„Chaos" druckt Lily von Kretschman ^5) drei dort erschienene Gedichte und ein
nur lis. erhaltenes, „An die Censorin" gerichtetes Gedicht von Gries ab; ferner einen
Brief Karl Victor Meyers an den Dichter. — Ganz unzulänglich ist eine kurze Notiz
Th. Schöns'^ö) über Leo von Seckendorff: sie stellt zwar Seckendorfls Geburtstag
richtig fest (2. Dez. 1775 zu Ansbach, nicht 1773 zu Wonfurt) und bemerkt, dass sein
Vater Ch. A. v. Seckendorff- Aberdar ansbachischer Kammerherr und geheimer Re-
gierungsrat war; allein S. kennt nicht einmal G. Scheideis Buch „F. K. L. von Seckendorff
und seine litterarischen Beziehungen" (Nürnberg 1885). — Interessant sind von Wald-
bergs37) Mitteilungen über F. W^ V. Schmidts Verhältnis zur Romantik. Seiner
katholisierenden Neigungen wird gedacht, dann auch eines Planes, Spinozas „Ethik"
herauszugeben; auch F. Schlegel verfolgte diesen Gedanken. Schmidt, der auch in seinem
späteren Wirken auf den Wegen der Sclüegel und Tieck wandelte und von Brentanos
Bücherschätzen reichen Gebrauch machte, kam, wie W. hervorhebt, mehr zu wissen-
schaftlicher Konzentrierung als seine Vorbilder. —
C. C. T. Litzmanns im Vorjahre veröffentlichtes Buch über Hölderlin 3») zog
eine lange Reihe feuilletonistischer Artikel nach sich, die dem grossen Publikum Hölder-
lins Gestalt ins Gedächtnis riefen. Das Bedeutendste und Beachtenswerteste wurde
von Servaes^ö) gesagt. S. sieht in Litzmanns Buch nur eine hochwichtige Material-
sammlung, erkennt aber weder ihm noch der Broschüre Wilbrandts *<>) die Bedeutung
einer erschöpfenden Charakteristik zu. Wilbrandts Methode erscheint ihm geradezu
unhaltbar. Er selbst findet in Schiller und in Diotima die entscheidenden Faktoren für
V. Waldberg, F. W. V. Schmidt: ib. 32, S. 14/6. — 38) A. Sauer, Litxmann. Hölderliu (JBL. 1890 IV 13 : 30): DLZ. 12,
S. 1858/9. (Ferner auch PrJbb. 67, S. 226; KZg. N. 10; Grenzboten I, S. 239-40; 0 [reiienaoh]: LCBL N. 12.) - 89) F.
SerrSAB. Hölderlin: Nations. 8, S. 248-50, 262/7. - 40) X A. SehrOter, WUbnndt, Hölderlin (JBL. 1890 lY S : 116)
IV 11: 41-47. 0. F. Walzel, Romantik. 224
Hölderlins Leben und Wirken, „Der zum Vorbild erwählte Dichter hat Hölderlin
seinem Selbst entführt; die Geliebte hat ihn sich selbst zurückgegeben." Hölderlin
habe den durch Alter und Lebensstellung gegebenen Abstand von Schiller peinlich
empfunden und doch dunkel gefühlt, dem erfolggekrönten Dichter in manchem über-
legen zu sein. Schiller erkannte das Missverhältnis und durchschaute die verborgen
nagende Unruhe Hölderlins; der begeisterte Anschluss an Schiller war inigesund und
erzwungen: sie waren grundverschiedene Naturen. Die schüchternen Ansätze indivi-
duellen Empfindens konnten sich durch die gleichmässige Pracht Schillerscher Tormen-
sprache nur mühsam durcharbeiten. Den Aufenthalt Hölderlins im Hause Gontard nennt
S. dagegen die glücklichste und segensreichste Zeit seines ganzen Lebens. Er dichtet
wenig, aber was er dichtet, gewinnt mehr Leben und Form. Das Verhältnis zu Susette
war durchaus unschuldig. Dennoch haben Unzartheit und Misstrauen der Welt den
Frieden zerstört. Durch Diotima kehrt Hölderlin zu seiner eigenen Natur zurück; so
zart er war, er war kein Schwächling. ,,Sein Wehruf hat etwas Himmel und Erde
durchdringendes." S. sieht Hölderlins Selbstbefreiung vor allem in dem Widerspruch, der
allmählich gegen Schiller in ihm laut wird, insbesondere in dem Briefe vom 1. Jan. 1788,
und interpretiert diesen Brief im Sinne eines Protests gegen Schillers Behauptung, dass
Poesie dem Spieltrieb diene. Hölderlin will seine Lebenserfahrungen zum Gehalt seiner
Dichtung machen. So sehr er Grieche sein möchte, ist er doch von dem ungriechischesten
Gefühle beseelt, von der Sehnsucht. S. charakterisiert ihn als sentimentalischen Dichter
nach Schillers Definition. Die Selbstbefreiung findet ihren Ausdruck im „Hyperion".
„Empedokles" bedeutet ein Abrechnen mit der Welt und den Abschied von ihr; er ist
eine lyrische Dichtung, kein Buchdrama. Der Schluss des Aufsatzes ist einer fein-
sinnigen Erörterung Hölderlinscher Naturlyrik gewidmet; S. betont, das Anschauungs-
element der Hölderlinschen Naturlyrik habe sich verstärkt, je mehr der Wahnsinn sich
geltend gemacht, und auch nach der Erki-ankung noch Stand gehalten. — Wenn Servaes
Hölderlins Erscheinung vor allem in ihrer Stellung zu Schiller in neues Licht rückt,
so begnügt sich Frenzel*i) in seiner anziehenden bi,ographischen Darlegung wesentlich
mit der Erklärung, dass wir heute an Hölderlins Dichtungen kein tieferes Genüge mehr
finden können. Bei aller Hochachtung vor dem Fleisse Litzmanns findet er in dem
Buche nichts einschneidend Neues. F. fasst Hölderlins Leben als ein Trauerspiel in
drei Abtheilungen; bis Frankfurt reicht die erste, nach Frankfurt beginnt die dritte.
Starken Accent legt F. auf seine Behauptung, Hölderlin sei ein Muttersöhnchen gewesen.
„Das Ueble für seine Zartheit und seine Energielosigkeit lag nur in der Gewissheit
eines Rückhalts, deren er sich nicht einmal stets bewusst zu werden brauchte, um sie
zu empfinden.'' Die politische Begeisterung seiner Jugendzeit findet F. dem innersten
Wesen Hölderlins nicht angemessen. Aus den Briefen glaubt er herauslesen zu dürfen,
dass Susette ihn nicht sogleich bezauberte; ein fortreissender Zug sei überhaupt nicht
in seiner Liebe. Litzmanns Nachweis, dass Hölderlin nicht durch die Nachricht von
Susettens Tod zur Heimkehr von Bordeaux veranlasst worden sei, findet auch F.s Beifall.
Den Artikel beschliesst eine kurze Charakteristik der Hölderlinschen Dichtungen, die
F. mit Marmorreliefs, nicht mit Gemälden vergleicht. — J. V. Widmann*-) sucht
die Quelle von Hölderlins Trübsinn in der für seine Natur ungeeigneten Klosterschul-
erziehung. Hölderlins grundsätzliche Abneigung gegen den Beruf eines Geistlichen er-
härtet eine Stelle des Empedokles. Hingegen dürfte man kaum mit W. auf eine früh-
zeitige Melancholie schon aus der Beobachtung schliessen, dass die Briefe aus den
Jünglingsjahren ,, etwas Pathologisches haben durch die vielen abgerissenen Ausrufe im
Stil der leidenschaftlichen Sprache der Dramatiker der Sturm- und Drangperiode". Eben-
sowenig kann die Selbstanalyse der späteren Briefe als Anzeichen früher Geistesver-
düsterung gelten. — Lemmermayer 43-45) schrieb zwei Dithyramben auf den ,,vom
Leben zerriebenen deutschen Idealisten". Er erblickt in ihm ein merkwürdiges Beispiel
eines individualistischen und zugleich symbolistischen Dichters. „Hyperion" sei das
Symbol einer tief idealistischen Natur, bei der der Zustand der Hilflosigkeit dem realen
Leben wie dem Unwissbaren gegenüber die Form des Leidens annimmt. Merkwürdiger-
weise schreibt L. der Darstellung Hölderlins einen kraftgenialen Realismus zu. Ferner
wagt er die Behauptung, Hölderlins Wahnsinn gehe auf eine im Sinne Leopardis
und Schopenhauers gedachte „Langweile" zurück; zur Begründung nimmt er den von
Servaes verworfenen weichen, widerstandslosen, zerfliessenden Hölderlin Wilbrandtscher
Anschauung vor und ergeht sich in mannigfachen Wendungen über Hölderlins Miss-
verhältnis zur realen Welt. — Herrn. Fechner*^) betont, ebenso wie Servaes, dass
BLU. 8. 110. (Ferner VZg. N. 321.) — 41) K. Frfenzel], F. Hölderlins Loben. NZg. v. 9., 15., 18. Aug. (Nach LiUmann.)
— 42) J.V. Widmann, F. Hölderlins Leben. Mitteilungen aus 0. T. Litzmanns neuem Buche: ML. fiO, S. 5—8. (Auch: Bund
N. 34/6.) — 43) F. Lemniermayer, E. Dichter d. Leides: BLU. S. 305/8. - 44) id., Hölderlins Jugond: FremdenBl. N. 151.
— 45) id., Aus Hölderlins Briefen: ib. N. 162. - 46) Fr. [Feohner] , F. Hölderlin: SchlesZg. N. 121, 124. — 47) E.
225 O. F. Walzel, Romantik. IV II: «-m.
Holtlcrliti in tScliilNa* riiflif den rechten lichrer g(!tun(l<'n hat, und vergleicht ihn mit
Wertlier, dem er an Reinheit de» Siiuie«, an beelenadel und ('harakter hoch über-
legen sei. — Brenning*'') bedauert, dass Litzmann« Buch kein vollständiges Bild
Hölderlins giebt und bemängelt die lückenlose Mitteilung aller Briefe, In dem jähen
Ab- und Aufsteigen der Hölderlinschen Stimmungen findet er schon ein bedenkliches
Symptom. Alle diese Konstruktionen fielen in Nichts zusammen, wenn Litzmanns nicht
unwahrscheinliche Vermutung begi'ündet ist, dass Hölderlins Wahnsinn auf einen während
der Heimwandorung von Bordeaux erlittenen Hitzschlag /Airückgehe.'**) — Im Gegensatz
zu allen Genannten begnügt sich Walzel *^) damit, kurz anzudeuten, welchen Gewinn
an neuem Ma'terial Litzmanns Buch einbringt, insbesondere für die Erkenntnis seiner
Beziehungen zu Schiller, die in ihren Grundzügen skizziert werden. Schon in der
Jugend wirkt Schiller durch seine schwächste Schöpfung, durch Amalia, auf ihn; Höl-
derlin stellt ihn in Gegensatz zu Wieland. Auch Jiouise Millerin wird genannt. Ein
neues Urteil über „Anmut und Würde" ist hinzugekommen. Sonst hat das Werk Litz-
manns für diese Hauptfrage nichts wesentlich Neues erbracht. Das ganze Buch ist
nach W. ein neuer Beweis für den Mangel jeder Beziehung Hölderlins zur Romantik.
Schelling, der Jugendfreund, kam bald auf Wege, die Hölderhn nicht mitgehen mochte.
Im Einzelnen bemerkt W., dass der S. 4<>7 erwähnte, kleine lustige Aufsatz über das
deutsche Dichferkorps in der Cottaschen ,, Allgemeinen Zeitung" vom 17. Nov. 1798 zu
finden ist. Die Quelle des Namens Diotima sieht er nicht mit Litzmann in dem Pseu-
donym der Fürstin Gallitzin, sondern in F. Schlegels Diotimaaufsatz von 1795. —
— Herrn. Fischer ö") teilt einen ungedruckten Jugendbrief Hölderlins, wohl aus dem
Jahre 17H5, mit; er richtet sich an M. Nathanael Köstlin, der 1775 — !»3 Diakonus in
Nürtingen war (vgl. Klaiber „Hölderlin, Hegel und Schelling" S. 23, Litzmann S. 7).
Hölderlin bekennt religiös-moralische Zweifel und gelobt Besserung. — ß. Seuffert *')
bespricht die auch in Schillers Nachlasse gefundenen sieben Gedichte Hölderlins : 1. „An
die klugen Rathgeber". 2. „Der Jüngling an die klugen Rathgeber". 3. „Dem Sonnen-
gott". 4. „Der Mensch". 5. „Socrates und Alcibiades". 6. „Vaniui". 7. „An unsere
grossen Dichter". Die von S. abgedruckten N. 1 und 2 sind zwei Fassungen einer
Dichtung. N. 2 erhielt Schiller am 22. Aug. 1797; N. 1 setzt S. zwischen Juli und
November 170G. N. 1 ist mit Rotstiftstrichen und mit KoiTekturen zweiter Hand ver-
sehen; N. 2, ohnedies stark überarbeitet, bessert alles Angestrichene. S. nimmt an,
dass Hölderlin aus eigener Einsicht, nur nach allgemeinen Ratschlägen Schülers, diesem
kongenial, dieselben Stellen geändert habe, die auch Schiller missfielen. N. 3 — 7 sind
nach S.s Ansicht nicht erst am 6. Aug. 1798 bei Schiller eingetroffen, wie Litamann
meint. Endlich werden die Lesarten der Gedichte 3 — 7 geboten, die ihrerseits
mannigfach an 1 und 2 anklingen. — Hummel &-) druckt eine Stelle aus Schellings
Brief an Hegel vom 11. Juli 1803 ab, die eines im Beginn des Juni zu Cannstatt er-
folgten Zusammentreffens mit dem kranken Hölderlin gedenkt. —
In den Kreis der Heidelberger Romantik führt uns eine Arbeit von Max
Koch 5*), der Arnim, Brentano und ihre Umgebung in der umfangreichen Einleitung
seiner Ausgabe behandelt. Er bietet zum ersten Male eine grössere zusammenfassende
Arbeit über Arnim, während, wenigstens von der biographischen Seite, seine Darstellung
Brentanos nicht weit über Diel-Kreiten hinaiiskommeii konnte. Eine allgemeine Ein-
leitung, die auch Eichendorff und Fou(iue in Betracht zieht, scheidet die Einzel-
bestrebungen der jüngeren Romantiker von dem Kreise der älteren romantischen Schule.
Arnims Jugendleben wird nach dem Vorgange anderer Forscher aus den Anspielungen
seiner Dichtungen herausgelesen, der Besprechung seiner physikalischen Jugendarbeiten
ein Verzeichnis der für Gilberts „Annalen der Physik" gelieferten Aufsätze angeft\gt;
Joh. Wilh. Ritters Gestalt bleibt unvergessen. K. findet in dem jungen Arnim bei
aller überschäumenden Phantastik einen unverlierbaren Kern ruhiger Besonnenheit, den
er dem Geiste des „Athenäums" gegenüberstellt. Die Angaben des „Frühlingskranzes"
über Arnims erste Beziehungen zu Brentano erweisen sich als irrig. Arnims Reisen
leiten zu den auf sie bezüglichen Dichtungen über: K. führt Arnims Bemerkung an,
dass er vor Walter Scott das schottische Hochland novellistisch geschildert habe. Die
für F. Schlegels „Europa" geschriebenen ,, Erzählungen von Schauspielen" werden mit
besonderer Hervorhebung ihrer naturphilosophischen Phantasien analysiert. Für
„Hollins Liebesleben" hatte Minor vorgearbeitet Gegen ihn bemerkt K., dass das
gleichzeitig mit Brentanos „Ponce" gedruckte Buch nicht „Hollin", sondern „Ariels
Offenbarungen" sei. In diese spielen nach K.s Ansicht Arnims Beziehungen zu
Brenning, F. Hölderlin: WesorZjf. N. 10141. — 48) X W. Paetow, Hölderlins Leben: VZg«. N. 16. — 49) 0. F. Waltel,
Litzmann, F.Hölderlins Leben: ADA. 17, S. 314—20. — 50) Herin, Fisrher. E. Jagendbrief Hölderlins: VLO. 4, S. 597/9. —
51) B. Seuffert, Gedichte Hölderlins: ib. S. .W»— 609. — 52) F. Hummel. E. tranriges Zasaramentreffen .Schellings mit
Hölderlin: KBSW. N. 16. — 53) C E- Kel ebner, F. Hölderlin in s. Iteziebnngm tu Homburg r. d. Höhe. Nach d. binterl.
rai)ieren d. Bibliothekars J. G. Hamel bearb.: MVGBombnrg ü. — 54) Arnim, Riemens u. Bettina Brentano, J. GOrrw.
.labresbnricbte fllr nenere deulscli« I,itt4»ratiirjros<'.lii«lit« II c-'i. 15
IV 11: r,r,. O. F. Walzel, Romantik. 22G
Bettina hinein; die im „Ariel" gegebene Beluuuilung des Lenoren-, Phatiton- und Griseldis-
motives wird näher erörtert; Brentanos und Halms wird gedacht. Die Benutzung des
Phaetonmotivs erinnert K. an Kleists „Amphitryon". In Brentanos Jugendgeschichte
fügt K. den „Gustav Wasa" ein, der knapp gedeutet und dessen Nachgeschichte erzählt
wird. Der „Godwi" wird mit Tiecks „William Lovell", nicht aber mit dem näher
liegenden Jean Paul verglichen. K. deckt polemische Spitzen gegen die älteren Roman-
tiker auf und stellt Brentanos lyrische Einlagen rühmend der Lyrik der älteren Roman-
tiker gegenüber. Ueber Sophie Mereaii bringt K. nichts Neues, er bemerkt nur
(S. LXXX*) gegen Brentanos Aeusserung, dass eine kirchliche Regelung der Ehe nicht
möglich war, da Prof. Mereau erst 1825 starb. Pur die „Blätter aus dem ' Tagebuch
der Ahnfrau" glaubt K. im Gegensatz zu Brentanos Mitteilung nicht an einen Zusammen-
hang mit der ,,Chronika des fahrenden Schülers". Die Uebersiedelung des neuver-
mählten Paares nach Heidelberg (Diels Annahme, 1, S. 201, eines Aufenthalts zu Jena im
Herbste 1803 wird als unhaltbar erwiesen), giebt zu breiteren Ausführungen über die
Universität Anlass. Görres wird jetzt mit Worten Eichendorflfs eingeführt. Das
„Wunderhorn" erhält eine ausführliche Wiirdigung, der ein kurzer Ueberblick über
frühere Bemühungen um das Volkslied vorangeht. An Görres' ,,Teutsche Volksbücher"
anknüpfend, feiert K. mit warmen Worten die Bedeutung und die Innigkeit der damaligen
germanistischen Bemühungen. Auch die ,, Einsiedlerzeitung", die er in ihrem Gegen-
satze zu den anderen Zeitschriften der Romantik charakterisiert, wird mit freudiger
Zustimmung analysiert; endlich kommen die „Heidelberger Jahrbücher" an die Reihe.
Ausführliche Mitteilungen freilich fehlen. Die Chiffre n — g, die K. als Arnims Zeichen
erklärt, ist wohl auf Görres: (Jose)<jr. — (Görre)? zu deuten. Brentanos Verhältnis
zu Auguste Busmann wird durch jüngst ans Licht geförderte Notizen erläutert, ins-
besondere durch den Brief der Prau Rat an Goethe vom 8. Sept. 1807. K. hält eine
„Ueberrumpelung des armen Klemens" im Gegensatz zu anderweitigen Annahmen für
möglich. Brentanos Landshuter und Münchener Avifenthalt von 1808 auf 1809 giebt zu
einer kurzen Charakteristik der damals in Bayern versammelten Romantiker und ihrer
wechselseitigen Beziehungen Anlass. K., der in Brentanos zweiter Ehe die Ursache
seiner späteren unglücklichen Lebensführung sieht, lässt ihn vor seiner Frau nach Halle
und dann nach Berlin zu Arnim fliehen. Arnims damalige gedrückte Lage wird nach
dem 7. „Winterabend" geschildert. Der Berliner Kreis der jungen Romantiker wird
beschrieben; die Rede ist auch von Arnims und Brentanos Plan, Selbstbiographien
aller Art zu sammeln und herauszugeben. Den Ersatz für eine eigene Selbstbiographie
Brentanos sieht K. in den „Romanzen vom Rosenkranz", denen er eine ausführliche
Besprechung widmet und die er als wichtigstes Zeugnis für Brentanos Wesen in be-
redten Worten feiert. Die Berliner Gelegenheitsdichtungen von 1810 folgen. Arnims
„verunglückte Lesedramen" werden nacheinander besprochen; das Zurückgehen auf
ältere deutsche Dichtungen scheint K. hier viel weniger erfolgreich gewesen zu sein
als in der Novelle. Im Stoff der „Appelmänner" (Hebbels begeistertes Urteil wird an-
gezogen) bemerkt er unbegründete Grausamkeit, dagegen in der Paul Friedeborns
,, Stettinischen Geschichten" (Stettin 1613) entnommenen, die Sage von Otto dem Schlitzen
behandelnden Schicksalstragödie ,,Der Auerhahn" Charaktere von Shakespearescher Ge-
staltungskraft; „Halle und Jerusalem" giebt Anlass, frühere und spätere Bearbeitungen
des „Ahasverusstoffes" heranzuziehen, mit denen Arnims Dichtung aber nichts gemein
habe. Die ,,Pä.pstin Johanna" wird mit Schernberks (bei K. „Schernbeck") ,, Spiel von
Frau Jutten", ihrer Quelle, verglichen. Die vollendete Formgebung im einzelnen steht
im Widerspruch zu der Formlosigkeit des Ganzen; an Gedankentiefe gehört das Stück
zu den bedeutendsten Schöpfungen der Romantik. K. glaubt, dass auch im ersten
Drucke gereimte Verse irrtümlich als Prosa gedruckt seien. Von den Dramen aus der
brandenburgischen Geschichte finden „Der Stralauer Fischzug" und ,,Glinde" K.s Bei-
fall, „Waldemar" ist ihm zu zerfahren. „Markgraf Karl Philipp" wird neben den
,, Prinzen von Homburg" gestellt und leidet natürlich in dieser Nachbarschaft. Bezüglich
der „Gleichen" findet K. für Arnims „reinen Sinn" verständlich, dass er an der Doppelehe
Anstoss nehme, nennt die Färbung des Stückes allzu mystisch nnd bemerkt hier wie
im „Waldemar" Zusammenhang mit der vom „Götz" ausgehenden Ritterdramatik.
Arnims und Brentanos gemeinsam verfasste „Briefe über das Theater" leiten zur Be-
sprechung der Brentanoschen Dramen über. Die starken dramatischen Interessen in der
Zeit von Brentanos Jenenser Aufenthalt (Schiller, Shakespeareübersetzung, Calderon)
werden notiert, Tieck erscheint als Hauptmuster Brentanos. Die Schicksale des zur
Weimarischen Preisbewerbung eingereichten „Ponce" erzählt K. unter beiläufiger Be-
richtigung Janssenscher Missdeulung. „Die lustigen Musil^anten", die an sie an-
knüpfenden Festspiele und weiteren kleineren dramatischen Versuche eilen rascli
Her. V. Max Ki.cli. (= DNL. N. NC, 1 u. 2.) Stuttgart, riiion, CL, XIII, 220, r)lH S. M. 5,00. '|AZ^'". N. 125.1 — 65) O.
227 <^. F. Walzel, Rt)mantik. IV 11: m
vorüber. Das von Varnhagen entwendete Lustspiel „Aloys und Imelde" will
K. in dem TrauerHpiel „Comingo" wiederfinden. Die „Gründung Prags"
wird durdi Brentanos Beziehungen zu Böhmen (Bukowan) erläutert, K. nennt die
Quellen des Stückes, preist die nicht in einseitiger Nachahmung des spanischen Dramas
aufgehende metrische Behandlung, hebt den reichen Untergrund der „aut teilweise
gesunder menschlicher Grundlage sich bewegenden Handlung" hervor, Treitschkes
Urteil, die „Grtindung Prags" sei eine verunglückte Nachahmung der „Penthesilea",
wird abgelelint: flüchtig erwähnt ist Brentanos Angriff auf Varnhagen, Die neuen Be-
ziehungen von Brentanos Berliner Aufenthalt im J. 1814 leiten zu Arnim zurück und zu
dessen Vermählung mit Bettina. An dem Befreiungskrieg nicht thätigen Anteil genommmen
zu haben, machten Arnim seine Freunde zum Vorwurf, K, gedenkt der vaterländischen
Gedichte Arnims und Brentanos und verfolgt Arnims, ihn und andere wenig befriedigende
Leitung des „Preussischen Korrespoiidenten'' nach den Zeugnissen seiner Mitredakteure
Niebuln- und Schleiermachei", beleuchtet seine spätere unzufriedene (resinnung in politischen
Dingen und legt kurz die letzten in landwirtschaftlicher Thätigkeit aufgehenden Lebens-
jahre dar. Li den Erzählungen sieht er Arnims abgerundetste Dichtungen; die einzelnen
Novellen des „Wintergai-iens" führt er mit ihren Quellen an. Brentanos ,,Braver
Kasper!'' wird mit den Tendenzen des Sturmes und Dntnges und der „Emilia Galotti"
in Zusanunenliang gebracht, seine ohne künstlerische Rücksichten auf ihren Stoff los-
gehende Erzählungsart mit Arnims an Goethe sich anlehnender, aber innner in Form-
losigkeit ausartender Erzählungskunst verglichen; die „Gräfin Dolores" erscheint als Bei-
spiel. In den kleinen Erzählungen hebt K. die Vermischung des Allgemeinsten mit dem
Individuellsten, die starke Einmengung persönlicher Beziehungen hervor. StofFgeschicht-
liche Notizen und Nachträge finden sich S. CXXXII* und CXXXIII*. Am längsten
verweilt K. bei den „Kronenwächtem", die er den besten deutschen historischen Roman
nennt. In Arnims gesamter Dichtungsentwicklung ist Goethes Programm dichterischer
Gestaltung der Wirklichkeit Schritt für Schritt mehr und mehr erfüllt. Zur Daretellung
von Brentanos Leben zurückkehrend, schildert K. seine ungestüme Liebe zu Louise
Hensel und bedauert, dass sie dem Unstäten nicht zu neuer beruhigender Häuslichkeit
verholfen habe. Für Brentanos Bekehrung tritt K. energisch ein; ohne mit Kreiten
in Brentanos Verhalten eine strenge, korrekte Kirchlichkeit zu feiern, wendet er sich
doch gegen intolerante Angriffe auf den bekehrten Brentano; die Aufrichtigkeit seines
Handelns wird überzeugend erhärtet, seine lange vorher schon fühlbare Neigung zu
einem gläubigen Katholizismus verfolgt. Selbst dem „Lebensumrisse" der Emmerich
rühmt K. grosse künstlerische Geschicklichkeit nach und stellt die Urteile Diepenbrocks
und Arnims zusammen. Rasch wird dann Brentanos kurzes Verweilen in Frankfurt,
Koblenz und Regensburg tiberblickt, endlich sein letzter Mtinchener Aufenthalt
und der dortige Kreis seiner Freunde breiter vorgeführt. Seine letzte Leidenschaft,
ihr Gegenstand, Emilie Linder (K. schreibt ,, Lindner") und die auf sie bezügliche
Dichtung wird herangezogen. Im ganzen sieht K. in der religiösen Lyrik Brentanos
einen tiefen Abfall, hebt aber rühmend die Ausnahmen hervor. Das „Moseleisgangs-
lied" und seine Veranlassung kommen zur Sprache, Ausser an die „Legenden" erinnert
K. an Brentanos unbefangenes Urteil über Freiligrath und über die neuere Dichtung,
Die „Märchen" erläutert K, durch Hinweise auf Tieck und auf Gozzi, nennt die in ihnen
angegriffenen Gegner und gedenkt der Hauptquelle, G, B, Basiles „Pentamerone".
Brentanos und Arnims Ableben \\ird kvirz berichtet. Bettina vuid ihr Goethebuch sind
auf wenigen Seiten flüchtig abgethan, ihre anderen Werke nur dem Titel nach angefahrt.
Kurze Litteraturangaben sclüiessen dje Einleitung, die in teilweise faksimilierter Wieder-
gabe einen Brief Brentanos an Buchhändler Mozler in Freisingen (8. Juni 18CÖ) und
einen undatierten Brief Bettinas an Rumohr mitteilt. K.s Ausgabe bringt Widmung,
Einleitung und Nachwort zu den „Deiitschen Volksbüchern" v(m Görres, die Abhand-
lung „Von Volksliedern", ausgewählte Gedichte, „Die Päpstin Johanna" und die
„Kronenwächter" von Arnim, ausgewählte Gedichte Brentanos, einen mit reichlichen
Proben versehenen Auszug aus den Rosenkranzromanzen, ,,Kasperl und Annerl" und die
ältere Form der Gockelmärchen, endlich die 1. luid 2. Erzählung aus Bettinas Werk „Dies
Buch gehört dem König". Ausführlichere Anmerkungen finden sich bei den Gedichten; zu
den Noten der ,, Kronenwächter" sind innfangi'eiche Stellen aus W. Grimms Recension
vei-wertet. Des Gockelmärchens zweite Fassung ist durch einige Lesarten chai-akterisiert —
Eine empfehlende Anzeige dieser Ausgabe, die von Ellinger^'') herrührt, findet die
jüngeren Romantiker, vor allen Bettina und Arnim, sympathischer als den Schlegelschen
Kreis, bekämpft indess Kochs Anschauung, dass Brentano an seinem .Lebensende nicht
tief gesunken gewesen sei, und wendet sich auch gegen die Behauptung, dass die
„Kronenwächter" von keinem deutschen historischen Rcmiun übertroffen werden. —
E[llinger], Z. Qesch. d. dtsch. Romantik: NZ^. N. 553. — 56) L. A. r. Arnim u. C, KrvuUiio. I). Knaben Wttnderhorn.her. r. J.
16*
IV 11: 57-67. 0. ¥. Walzel, Romantik. 228
Ettlingers 56) populären Zwecken gewidmete Ausgabe des „Wuuderhoru" giebt in der
Einleitung ausführliche Nachrichten über die Aufnahme des Buches, druckt iimfaug-
reiche Citate aus den Kritiken und Antikritiken ab, die durch das „Wunderhorn" ver-
anlasst wurden. Arnims Einleitung zum ersten Bande fehlt. — Wertvoll, vor alleni
durch bibliographisches Material, ist Grisebachs ^'') Aufsatz über Brentano. Auf des
Dichters Beziehungen zu Goethe kommt G. mit Vorliebe zu sprechen; er zieht Goethes
Urteil über den „Gustav Wasa" an (Hirzels „Goethebibliothek" S. 209), führt den
„Godwi" auf „Werther" und „Wilhelm Meister" zurück, und citiert zum „Wunderhorn"
Goethes erst neuerlich bekannt gewordenes Faustparalipomenon (Weim. Ausg. 14, S. ;-505) :
Goethes Urteil über Brentano vom 30. Okt. 1808 soll sich auf den „Uhrmacher Bogs"
beziehen. Die epische Darstellung des Mittelalters durch die Romantiker bringt G. in
Zusammenhang mit A. W. Schlegels Definition des Begriffes „Romantisch" (Charakte-
ristiken und Kritiken 2, S. 20: romance = die aus dem Lateinischen entstandene Volks-
sprache des Mittelalters). Als romantische Epen mittelalterlichen Stoffes stellt er zu-
sammen: „Kronenwächter", ,, Kohlhaas", Hoffmanns „Artushof" und „Meister Martin",
A. Hagens „Norika", Heines „Rabbi von Bacharaeh", Scheffels „Ekkehard", Kellers
„Sieben Legenden" und seine eigenen ,, Chinesischen Novellen". Ferner gruppiert er
die Gespenstergeschichten vom ,, Geisterseher" bis zu der Droste- Hülshoff ,, Spiritus -
familiaris des Rosstäusch ers" und zu Alfred Schönes „Blauem Schleier". Die Zu-
sammenstellung begnügt sich mit einer Aneinanderreihung der in der Gegenwart spie-
lenden romantischen Novellen. Ausführlich und mit hohem Lobe erörtert er die ,, Ro-
manzen von Rosenkranz", die auch er mit Erich Schmidt den „Brentanoschen Eaust"
nennt; Ph. Runges hinterlassene Schriften 2, S. 39G 8, werden angezogen. Ueber
deutsche Assonanzversuche folgen einige Daten. Die „Rosenkranzromanzen" leiten zu
einer Betrachtung über symbolische Poesie über, die zum Goetheschen „Faust" hinführt
und die romantischen Einflüsse auf diese Dichtung erörtert. Auch der ,,Divan" wird
mit Recht auf romantische Tendenzen zurückgeführt. Katliarina Emmerich wird mit
Frl. von Klettenberg verglichen, endlich einer Freundin Katharinas, Gretchens Verflassen,
gedacht. Drei Briefe Brentanos an diese, die bisher nin- in willkürlicher Veränderung
bekannt waren, werden im Anhange mitgeteilt, ein Brief an Böhmer geht voran. Neues
bringen die, mit Ausnahme des letzten (Regensburg, 2. April 1833), undatierten Briefe
nicht bei ; sie dienen nur katholisch - konfessionellen Interessen. G, giebt biblio-
graphische Notizen über ,, Gustav Wasa", „Godwi", ,, Briefe über das neue Theater",
eine Romanze im Göttinger Musenalmanach 1803, S. 79 (S. 112*), „Chronika des fahrenden
Schülers" und,,DreiNüsse"(S. 119*),,,Kasperl undAnnerl"und„ Wehmüller"(S. 125*),,, Trutz-
nachtigall" (S. 127*) und „Gockel" (S. 138*). — A. Köster spricht von Gozzis Einfluss auf
Brentano, der in seiner Jugend gern den italienischen Dichter gelesen hat. Im Märchen,, Lieb-
seelchen" findet er ein Motiv aus Basiles ,,Pentamerone"; die Masken Pantalon und
Tartaglio scheinen ihm in den ,, Lustigen Musikanten" nicht glücklich verwertet, Truf-
faldin insbesondere sei in einen Shakespeareschen Clown verwandelt. —
SteigS^) besorgte einen Neudruck des „Frühlingskranzes"; er giebt einige
Daten über Bettinas Verhältnis zu ilu-em Bruder und erhärtet an mehreren Beispielen,
dass Bettina „mit schonender Hand" dia Briefe umgestaltet habe. Vor allem die poeti-
schen Beigaben scheinen unverändert geblieben zu sein. S. wagt die Vermutung, dass
Bettina das Buch nicht fortgesetzt habe, weil sie spätere Missverständnisse nicht dem
Publikum preisgeben wollte. — Eine anonyme Anzeige des Neudrucks ^o) stellt die in
sich selbst gefestigte Persönlichkeit Bettinens und den „zerfahrenen Phantastiker und
Grillenfänger" Clemens in Gegensatz. — In ähnlichen Betrachtungen ergeht sich eine
zweite anonyme Anzeige ^i), die aber in den Briefen des „Frühlingskranzes" noch ein
gesundes Empfindungsleben auf Brentanos Seite anerkennt. Heine soll sich mit seinem
Urteil über Brentanos „innere Zerrissenheit" selbst ins Gesicht schlagen. ^2) — Lily
von Kretschman^^) vermutet, dass in Ottilie von Goethes „Chaos" die „Friderike"
nicht auf Bettina zu deuten sei. — Der Neudruck der „Günderode" erweckt in W.
Büchner^*) Jugenderinnerungen; er war Student, als das Buch erschien. — E. Jeep^^-ßt^)
wurde durch denselben Neudruck zu zwei Aufsätzen veranlasst. Der eine kann in seiner
novellistischen Form als eine im Stile Bettinas gedachte Arabeske bezeichnet werden;
er beschränkt sich darauf, das Leben der Günderode in meist wörtlicher Wiedergabe
Ettlinger. (= Bibl. d. Ges. -Litt. d. In- u. Auslandes N. 531/9.) Halle, Hendel. XXIV, 844 8. M. 2,25. — 57") E. 0 risebach, D.
Qoethesche Zeitalter d. dtsch. Dichtung. S. o. IV 1 : :5. S. 110—40, 108—84. — 58) A. Köster, s. o. IV 10 : 117. S. 225/7.
— 59) C. Brentano, FrUhlingskranz aus Jugendbriufen ihm geflochten, wie er selbst scliriftlich vorlangte. Berlin, Hertz.
X, 288 S. M. 3,60. |[A. Sehröter: BLU. S. 580/1. 1| — 60) Jugendbriefe v. Clemens Brentano u. Bettina v. Arnim: AZgii.
N. 160. — 61) — t, Clemens Brentanos Frtlhlingskranz, aus Jugendbriefen ihm geflochten : HambCorr". N. 22. — 62) X J- V.
Widmann, Clemens Brentanos FrUhlingskranz: Bund N. 204, 20G. — 63) L. v. Kretscliman, s. o. IV 9b : 99. S. 260. —
64) W. Büchner, D. GUndorode-Ausg. v. 1840 (Berlin, Hertz 1890): BLU. S. 37/8. — 65) E. Jeep, Karoline v. Qltnderode :
Nation». 8, S. 371/3. — 66) X i 3-, i^«oi romant. Mädolien: VZg». N. 23. — 67) X D.Familie v. QUuderode: FZg. N. 150.—
229 0. F. Walzel, Romantik. IV II: «.72.
BettiiiiiscliHr VVeii(luiijj;cn /.u snhildorn. Der zweite Aufsatz <li(Mit wiMHeiiRchaillichen
Zwecken. Er betont die starke Verschiedenheit Bettinons und der Günderode, stellt
der Günderode hohe Auffassung von der Poesie fest, tindet nur wenige ihrer Gedichte
nach Inhalt und Fonn gleich vollendet. Ihren Dramen fehlte eine ausgeprägte Charakter-
zeichnung und eine festgefügte, rasch fortschreitende Handlung. Alle ihre Schöpfungen
seien aber Ausdrücke ihres Herzens; J. vergleicht die Günderode mit Seume. IJettina«
Buch bietet nacii seinem Urteil wenig dem Litterarhistoriker, viel dem ästhetisch Ge-
niessenden. Zum Schlüsse teilt er mit, dass Herman Grimm wenig Bereicherungen
des biograi)lii8chen, von Schwartz bei Ersch und Gh'uber zusammengestellten Materiales
versprechen könne. o'-öS) —
Eine Sanunluug kleinerer Aufsätze Her m, Fischers •^"•""j kommt der Gescliichte
der sclxwäbischen Romantik im allgemeinen und im einzelnen zu gute. Ueher-
zeugend weist er den geringen inneren Zusammenhang der schwabischen Komantik und
der Romantik im engeren Sinne nach. Er beschreibt die Abgeschiedenheit des alten
Württemberg, dem ausser Schubart alle seine echten Dichter "untreu wurden: er
hebt den starken rationaliatisclien Zug der Schwaben hervor, der auch bei Schiller zur
Geltung kommt. K. Ph. Conz, ('h. Neuflfer, R. Magenau, F. Bernritter, V. M. Bolu-er,
L. Bührlen werden als Klassiker Württembergs lehrreich charakterisiert. Ihnen reihen
sich als energischste Bekämpfer der Romantik F. Ch. Weisser und der leise romantisch
angehauchte .1. Cli. V. Haug an. Das „Morgenblatt" wird als Bildungsblatt mittlerer
Kreise dargestellt, seine rasche Bekehrung aufgezeigt. Von der poetischen Jugend, dem
Kreise Uhlands, der im „Sonntagsblatt" seinen Au.sdruck findet, will F. weder Harp-
precht noch Schwab zur Romantik rechnen; auch in Karl Mayer sieht er nur einen
Naturdichter, keinen Romantiker. Eigentlicher Romantiker ist nur Kerner, der 1811 in
seinem „Reiseschatten" ein grosses Manifest giebt. F. deutet die Satire im einzelnen
und weist besonders auf Mayers „Uhland'- 1, S. 119 zur Deutung der Figur des „Felix".
Nach Kerners „Musenalmanach für 1812", den F. ein echt romantisches Gewächs nennt,
ist der , .Deutsche Dichtei'wald" von 1813 das letzte gemeinsanm romantische Unternehmen
in Schwaben. Kerner geht noch auf romantischer Bahn weiter mit seinen Kinder-
märchen „Goldener" (1810), mit dem leise geänderten (II, 83, XII, 4) Wiederabdruck
der „Reiseschatten" (1834) und mit seinem „Bärenhäuter im Salzbade" (1835); das 18<»3
herausgegebene Singspiel ,,Der Bär" gehört dem Jahre 1809 an. Natürlich wird auch
der Geisterseher Kerner für die Romantik in Anspruch genommen. Uhland wurde nach
F. nur durch die Stoffwahl seiner Dichtungen zum Romantiker. Fouqu^ und das
„Wunderhorn", dann Tiecks romantische Spielereien, insbesondere seine dramatischen
Versuche sind Uhlands Muster: so stellen sich auch die romanischen Masse, die altgerma-
nischen und altfranzösischen Elemente der Romantik ein; und in seinem „Fortunat" nimmt
er zu einer burlesken romantischen Epopöe Anlauf Die „vaterländischen Gedichte"
führen ihn dann 1817 auf andere Bahn. Nach 1825 ist Kerner der einzige Romantiker
in Schwaben; denn Hauff war in seinen Märchen Nachahmer Wielands und Wei.ssers,
der „Liechtenstein" ist vorromantisch; Waiblinger ist Gegner der Romantik und nur
Bauer und Mörike thaten „wenigstens tiefe Züge aus dem Taumelkelch der Romantik''.
Uhlands Beziehmigen zu den ausländischen T.itteraturen zu erforschen, zieht
Herrn. Fischer ''i) zmiächst den Aufsatz Ober das altfranzösische Epos (1812i und die
,, Sagenforschungen" mit dem „Mythus von Tina-" luid mit der Abhandlung über Odin
heran. Dann rubriziert er in umfangreicher Uebersicht die Dichtungen Uhlands, die zu
ausländischer Litteratur irgendwie in Beziehung stehen. Die Gegenwart spielt keine so
bedeutende Rolle wie das Mittelalter und selbst das Altertum, weniger das orientalische
als das klassische. Hierher gehören lateinische Verse, deutsche Distichen („Sinn-
gedichte"), einige erst aus dem Nachlasse veröfientlichte Versuche, dann aber eine Reihe
stofflich der Antike angehörige Gedichte wie „Ver sacrum". Von mittelalterlichen
Stotfen nehmen neben skandinavischen („Die .sterbenden Helden") vor allem die roma-
nischen einen umfangreichen Raum ein. Bei „Klein Roland" weist F. auf die „Reali
di fi-ancia". Das Metrum von „Bertran de Born" und ähnliche Formen der iiächst-
vei-wandten Gedichte wei'den feinsinnig verglichen; auch die spani.schen Versraasse der
spanischen Quellen entnommenen Dichtungen ertirtert. Italien und eigentlich auch
England treten bei Uhland in den Hintergrund. Zusammenfassend nennt F. die Melir-
zahl der besprochenen Dichtungen von eigener Empfindung durchtränkt. In einer An-
merkung wird das Fragment „Karl der Grosse in Jerusalem" den Jahren 1809 — 14 zu-
gewiesen. — Patzig''-) schreibt die Geschichte des Motivs vom „Castellan von Coucy",
ohne auf Uhland selbst einzugehen; seine umfassende und eindringliche Studie muss
68) X>T. V. Widmann, D. Herz hat Recht: Bund N. 2ii !•.— 69-701 H. Fischer, Klaüsizismu« n. Bomaotik in .-Schwab«!! zu
AnfanK unseres Jh. (= l'.eitrr. %. Litt.-Gesch. Sehwabons.'» Tübinifcn, Laupp. VI. 246 S. M. 4.00. (A. Holder: Alemaoai»
19, S. n>2 5.]| S. 40--TG. — 71) id., Uhlands Beziehungen zu ausländ. LiUeraturen: ib. S. W— 126. — 72) H. Patiig, Z.
IV 11: 73-85, 0. F. Walzel, Romantik. 230
also von Uhlandforschern erst ausgebeutet werden. — Bender "^S) interpretiert die
vielumstrittene Wendung der „Döffinger Schlacht" „Der Fink hat wieder Samen" mit
Holland als: „Der Fink hat wieder zu fressen". — Sprenger ^4) belegt das Wort
„Qualm" desselben Gedichtes aus dem „Herzog Ernst" und leitet es von „quellen" ab.
„Blut und Qualm" stehen für „Blutes Qualm". — Die Wendung „Huf und Hörn" der
„Schlacht von Reutlingen" (Strophe 3) belegt Sprenger''^'') aus G. Schwabs „Kammer-
boten in Schwaben" (Reclam S. 482) und erklärt sie für eine alte Stabreimfonnel , die
„reisige Heerschar" bedeute; „kommen" stehe für „zurückkommen". '^6) — Bieses'''^)
Aufsatz über Uhlands Naturlyrik soll in seinen Beispielzusammenstellungen wohl mehr
dem poetischen Problem als der Charakteristik Uhlands dienen. Da werden Belege für
„plastische Anschaulichkeit" vorgebracht, mit der Uhland Bilder vor unser geistiges
Auge zaubert, „schöne dem Naturleben entlehnte Vergleiche" zusammengestellt; die
„Naturbeseelung" wird verfolgt usw. Aus dem von B. rubrizierten Stoff müsste eine
charakterisierende Darstellung erst das Entscheidende herausheben, soll für Uhland ein
bezeichnendes Wort gesagt werden. — Uhlands Beziehungen zu Hebbel beleuchtet
Herrn. Fischer ''8); Hebbels „ungestüme Verehrung" für Uhland, wie sie in den Tage-
büchern sich ausspricht, lässt für Rückert und Freiligrath, aber auch für Lenau und Geibel
keinen Platz. Goethes Urteil über Uhland will Hebbel aus einer Verwechslung der
schwäbischen Dichter mit ihrem Haupte erklären. Mit Wienbarg sieht er in Uhland
einen grossen Dramatiker. Die persönlichen Beziehungen waren gering. Der Wunsch,
Uhland eine Sammlung seiner lyrischen Gedichte zu widmen, veranlassten Hebbels Brief
,Vom 4. Juli 1836, der ohne Antwort blieb. 1836 suchte Hebbel den schwäbischen
Dichter auf und ist, wie andere, über seine Erscheinung wenig erbaut. Im Jahre 1837
und 1840 folgen neue Sendungen Hebbels, die nur kärgliche Antworten finden. 1842
traf man sich unter erfreulicheren Umständen in Hamburg. Erst 1857 sandte dann
Hebbel die dritte Auflage seiner Gedichte; Uhland dankte freundlich. F. findet es be-
greiflich, dass Uhland nicht wärmer geworden ist; e^ hatte kein Organ für Hebbels
titanisches Streben. Sein Einfluss auf Hebbel war wohl nur negativer Art; er erlöste
ihn von der Rhetorik seiner Jugendarbeiten. ''9) — Herm. Fischer 80) giebt ferner ein
Charakterbild von Uhlands Freunde und Biographen Friedrich Notter; er legt einen starken
Accent auf die peinliche Kritik, die Notter bei aller Begeisterung immer übte. Notters
Besuch bei Goethe, sein Anteil an Pfizers epochemachendem „Briefwechsel zweier
Deutschen" (1831), sein unvollendeter Entwurf einer Anthologie „Stimmen der Völker
über Gott und Seele" werden nach hs. Quellen besprochen. Sein Aufsatz über „Die
schwäbische Dichterschule" wird analysiert und seine Vorliebe für die künstlerisch voll-
endeteren Gedichte Uhlands aufgedeckt. Politische Interessen Hessen Notter erst in
den fünfziger Jahren wieder zu belletristischer Tliätigkeit kommen; er übersetzte Theokrit,
Bion, Moschos, dann Dante, den er in Vorträgen und in Romanzen feierte. Ausführlich
würdigt F. endlich die Bücher über Uhland und Mörike und schildert zuletzt aus eigener
Anschauung den greisen Notter der letzten siebziger Jahre. — Für Schwabs Verhältnis
zu Uhland bringt Herm. Fischer '^i) nichts Neues bei. —
Eine imgedruckte Stanze Waiblingers wurde von Franzos^ä) mitgeteilt. —
Herrn. Fischers s^) Aufsatz „Mörike, Ludwig Bauer und Waiblinger" ist für die ersten
beiden ergiebiger als für den letzten. Er entnimmt dem im Besitze der Kgl. Bibliothek
zu Stuttgart befindlichen Nachlasse Esers sieben Briefe Mörikes an Waiblinger; sie
reichen vom 27. Okt. 1821 bis in den Sommer 1822 und geben vor allem über Mörikes
Lektüre guten Aufschluss. Den von Waiblinger erapfoldenen Jean Paul kennt er 1821
nur aus Sentenzensammlungen. Die beiden ersten Bände von „Dichtung und Wahrheit"
wirken „wunderbar anmutig" auf ihn. Einmal beschäftigt ihn das Problem, ob die Ge-
schichte von Abailard und Heloise dramatisch verwertet werden könne. Novalis wird
citiert, den „Vicar of Wakefield" will er lesen, Shakespeare entzückt und erschüttert
ihn, Calderon kennt er noch nicht. ,,W" alienstein" liest er unter Schillers Werken am
liebsten. Der Kotzebuemörder Sand wird ihm durch „lümmelhafte" Lobeserhebungen
seiner Freunde verleidet. F. erzählt, wie Waiblinger durch sein niassloses Streben die
Freundschaft Mörikes und Bauers verlor. Die acht im Besitze der Stuttgarter Biblio-
thek befindlichen Briefe Bauers kommen nicht zum Abdruck. —
Gesch. d. Herzraäre. Progr. d. Friediich-Gymn. Berlin, Gärtner. 4". 22 S. |[S. Singer: ADA. 17, S. 333/aj| — 73) F.
Bender, Zu Uhlands Döfflnger Schlacht: ZDU. 5, S. 52/3. — 74) E. Sprenger, Qualm bei Uhland: ib. S. 67. — 75) id.,
Zu Uhlands Graf Eberhard : ib. S. 132/3. - 76) (I 7:20.) — 77) A. Biese, D, Naturlyrik L. Uhlands u. Mörikes: ZDU. 5.
S. 822-39. - 78) Herm. Fischer, Uhland u. Hebbel. S. o. N. 09-70): S. 127-47. — 79) X L. Fr»nkel: BLU. S. 831.
(Sucht Uhlandautographe.') -80) Herm. Fischer, F. Notter: Beitrr. z. Litt.-Gesch. Schwabens (a. o. N. 69-70): S. 180—213.)
— 81) id., Q. Schwab: ADB. 33. S. 153/5. — 82) (F ranz os,) W. Waiblinger, Natur u. Kunst (1821). Ungedr. Nachlass: DDich-
t'ing 10, S. 221. — 83) Herrn. Fischer, Mörike, Ludwig Bauer u. Waiblinger: Beitrr. z. Litt.-Gesch. Schwabens (s. o.
N. 69-70): S. 148-79.-84) K. E. Franzos, Ernst Schulze u. Caecilie Tychsen. Nach d. ungedr. TagebOchern, Gedichten u.
Briefen .Schulzes: üpichtung 10, S. 119-28. - 85) id., Aus Briefen Ernst Schutzes u. Fritz v. BUlows 1—3: VZg«. N. 10
231 O. F. Walzel, Romantik. IV 11: M-«.
Franzos**) netzt seine Mitteilnngeii ans dein ihm anvertranlen Nachlasse von
Enisi Schulze rührig fort. Ein im Berichtsjahre noch nicht uhceschlossener AufHatz
soll die „Cäcilien-Legende" in lebenswahrerer Darstellung der Wirklichkeit näherbringen.
Aus den Berichten Zschokkes, Bouterweck«, Marggi'aft's und Tillmanns haben sich nach
V.H Ansicht zwei völlig entgegengesetzte Anschauungen ftber Schulzes Beziehungen zu
(Jäcilie Tvchsen entwickelt: eine idealisierende, an Zschokkes Darstellung festhaltende
und eine unvollständigen Quellei) entstammende, die über Schulzes Charakter völlig ab-
spricht. F. will aus den ihm vollständiger denn einem seiner Vorgänger vorliegenden
Dokumenten die Berechtigung herauslesen, einen Mittelweg einzusclilagen. Er giebt
knappe Nachrichten über das Haus des Hofrats Tychsen und über seine begabte Tochter
(yäcilie. . Er charakterisiert die wenig versprechende Jugend Schulzes und hebt drei
Umstände hervor, die für die Beurteilung des Dichters von Wichtigkeit seien: die
Liebebedürftigkeit, der im väterlichen Hause keine Befriedigung wurde, den trotzigen
Drang, gerade den nächsten Angehörigen sclilechter zu erscheinen, und eine früh ge-
weckte Neigung zinu weiblichen Geschlecht. Wielands starker Einfluss kommt zur
Sprache; kleiner „Amovirschaften" der Studentenzeit und der Beziehungen zu Sophie
von W[itzendorffJ wird gedacht. Mit unnötigem moralischem Pathos wird seine tein-
sinnliche Flattersucht aus der Unsittlichkeit der Zeit König Jeromes abgeleitet. Die
Dokumente selbst, in denen F. die Geschichte der Beziehungen zu Cäcilie erzählt, ein
Brief an Bergmann vom 20. Jan. 1811, dann die 1'agebuchnotizen vom 13. Dez. 1811
bis zum 20. Febr. 1812, lassen Schulzes Hang deutlich erkennen, die Rolle eines un-
widerstehlichen, geistreichen und frivolen Lovelace zu spielen. Das Ganze ist ein herz-
lich kindischer Bericht eines Unreifen, der sich seiner bescheidenen Flirterfolge innig
freut, diese Freude aber gerne überlegen ironisch in einer zersetzenden Selbstanalyse
abthäte. Die Entstehungsgeschichte des ,, Hymnus an die heilige Cäcilie" und der Epistel
,,An Cäcilie, als sie einen Johannes gemalt hatte" wird beiläufig berichtet; beide Dich-
tungen entpuppen sich als gesellschaftliche Scherze, die Cäcilien mürbe machen sollten.
Nebenbei wird auch ein ei-nsteres Verhältnis zu „einer in ihren Grundsätzen wenig ge-
festeten" Frau Louise von P. gestreift. — Franzos'ss) Mitteilungen aus Briefen Schulzes
und Fritz von Bülows sollen nicht der Litteraturgeschichte, sondern der Kulturgeschichte
dienen; er druckt nur ab, was beide „de rebus publicis" schrieben. Die Briefe reichen
vom 5. Juni 1805 bis 31. März 1811: von Schulze finden sich nur einige Stellen aus
Briefen vom 10. Juli, 6. Okt., 18. Dez. 1805; 2. .Jan., 26. Mai 1806; 17. Jan., 21. März
J808; 19. März 1810; die Korrespoiidenz behandelt: Mtinstersche kathohsche Zustände
in abfällig protestantischer Beleuchtung (Fürstin Gallitzin, Fr. Leonh. v. Stolberg), den
politischen Gegensatz Preussens, dessen Gegner Schulze war, und des übrigen Deutsch-
lands, litterarische Angelegenheiten Berlins (Nicolai, Kotzebue, A. Kuhn, F. A. Wolf,
Fichte, F. Kühnau), die schauerlichen sittlichen Zustände der Charite zu Berlin (um 1810,
also nach Sclüeiermachers Zeit); diese wird in einem binichstückweise mitgeteilten Ge-
dichte Bülows geschildert. Auch ein Festgedicht Bülows wird abgedruckt Ein Bericht
aus Frankfurt a. 0. vom 30. Juli 1810 erzählt, wie langsam und wie schwer Solger ein
Pviblikum dort fand. — Den konventionell überlieferten Schulze schildert Pröhle»«),
ohne unsere Kenntnis zu fördern. —
Dietzel'') stellt eine Auswahl Eiche ndor ff scher Schriften zu populären
Zwecken zusammen. Neben der vollständigen Sammlung seiner Gedichte, die nach der
zweiten Auflage der „Sämmtlichen Werke" (Leipzig 18<>4) mitgeteilt werden, druckt er
„Robert und Guiskard", „Ahnung und Gegenwart", „Aus dem Leben eines Taugenichts",
„Das Marmorbild" und „Das Schloss Durande" ab. Die bibliographischen Notizen, die
den Gedichten beigefügt sind, entbehren wissenschafthcher Zuverlässigkeit, wie Walze 1
nachgewiesen hat. Die knapp gehaltene Einleitung stellt die biographischen Daten
übersichtlich zusammen und zieht auch entlegene Notizen aus den Briefwechseln der
Romantiker heran. Eine Charakteristik der Dichtung Eichendorffs ist trotz einiger
(2, S. 505) nachträglich eingefügter Bemerkungen nicht geliefert worden. —
Endlich sei der Beziehung von Kunst und Künstlern zur Romantik gedacht.
Hundeshagens Leben schildert zum erstenmale und nach unbenutzten hs. Quellen der
C'asseler Landesbibliothek (Mss. Hass. 287) in breiter und wenig verarbeitender Dar-
stellung eine Studie Nolls «»), die betont, dass Hundeshagen unter den romantischen
Kunsthistorikern am meisten der Architektur sich gewidmet habe. Geboren am
18. Sept. 1784, wird er, durch das Jahr 1806 in seinen Habilitationsplänen gestört,
Hofgerichtsadvokat zu Hanau und kommt bald in ein glückliches Verhältnis zu dem
neuen Fürsten Karl von Dalberg. Im Herbste 1812 tritt er in Nassauische Dienste;
li. 14. — 86) H. PrOlile, F. Schulze: ADB. 32. S. 763 5. — 87) J. t. Eiohendorff, Werke. Her. t. R. Dietxe. Kritieeh
durchgcs. u. erl. Ausg. Leipzig, Bibl. Inst. VI, 34, 420, 50« S. [0. F. WaUel: AUA. 18, S. 297 8.1 1. — 88) C L- W«tten-
(lortf, J. T. Eichendorff: KZEU. 40, S. 186— 9Ö, 233—44. — 89) J. N oll, H. B. Hundestiagen u. t. .SUUnnf t. RoMuUk.
fV 11: 90-93. O. F. Walze], Romantik. -232
obwohl nur Bibliothekar, wird er 1813 zu Kriegszwecken verwertet. 1815 in Wiesbaden
kommt er mit Goethe und mit S. Boisseree zusammen; N. vei'niutet, dass er Goethe
für Boisserees Kunstideal gewonnen habe. 1817 wird er von einem Unterbeamten
denunziert und des Dienstes entlassen. Von da ab ist er in raschem Niedergang. 1820
bis 1824 hält er Vorlesungen in Bonn, verarmt aber gänzlich. Fortab lebte er zeit-
weilig in Neuwied, um dem Fürsten von Wied bei Ausgrabungen behilflich zu sein.
Ueber sein Alter konnte N. aus den hs. Quellen nichts Anderes feststellen, als dass er
nach längerer praktischer Thätigkeit schliesslich heiratete und zuletzt geisteskrank
wurde. N. zeigt, wie Hundeshagens mehr und mehr zersplitterte, die Existenzfrage ihn
über Ansätze nicht hat hinauskommen lassen; ungedruckte Anfänge nie vollendeter
Arbeiten weist er nach und teilt er mit (S. 13, Disposition und Anfang der Vorrede
einer Studie über die Reichsstadt Gelnhausen). Ausführliche Inhaltsangaben seiner
Monographie über die Kapelle zu Frankenberg bei Marburg (1808) und über sein
Hauptwerk ,, Kaiser Friedrichs I. Barbarossas Palast in der Burg Gelnhausen" (1819)
suchen insbesondere die romantischen Tendenzen Hundeshagens aufzudecken, dort in
der Vermischung von Dichtkunst und Architektur, hier in dem Versuche, antike und
gothische Kunst auf ein Grundgesetz zurückzuführen. N. gedenkt auch der Zeich-
nungen, die Hundeshagen zu den Büchern anderer beigesteuert hat. Die in diesem
Zusammenhange genannte Dichtung „Gunde" von Wolfhard ist K. Wolfarts „Guntha"
(vgl. Goedeke 3, S. 159 N. 243,1). N. giebt seiner Studie zwei Briefe Grimms an Hundes-
hagen und an Sulpiz Boisseree bei. Im ersten (5. Juli 1810) erkundigt sich Grimm
nach Hundeshagens Hs. des „Alphart" (über sie und über seine Nibelungenhandschrift
teilt N. S. 167 nichts wesentHch Neues mit); der andere (28. Okt. 1885) spricht von
Boisserees Abhandlung über den Graltempel und bringt einige Korrekturen bei. —
Pietätvoll gedachte Nachrichten von dem Leben der beiden romantischen Maler Julius
und Ludwig Schnorr von Carolsfeld giebt Franz Schnorr von Carolsfeld ^o-'.ti).
Mit Bewusstsein enthält sich der Sohn jeden Urteils über den Vater und betont
lediglich, dass das römische Kunstleben der jungen romantischen Malerwelt nicht einen
Abfall vom Deutschtum bedeute, sondern einen auf Eroberungen frisch ausgehenden
Geist nationalen Aufschwunges. Romantische Tendenzen hätte ihm der Wiener Auf-
enthalt eingetragen; das Interesse für altdeutsche und niederländische Kunst sei der
Ausgangspunkt dieser Bestrebungen. Ludwigs Uebertritt zum Katholizismus führt S.
auf die früh geäusserte Neigung zum Mystizismus zurück; er findet sie schon in seiner
heiligen Caecilia, deren Beurteilung durch F. Schlegel er anzieht. — H. Holland ''2)^
der bereits im Jahre 1873 eine umfängliche Darstellung von Schwinds Leben gab, bietet
nun unter Benutzung der neu erschlossenen Briefwechsel und ungedruckter Quellen in
der ADB. eine ausführliche Darlegung, die Schwinds Schöpfungen verzeichnet und sie
im Anschlüsse an Schack und F. Pecht enthusiastisch feiert. Die äusseren und
inneren Beziehungen zur Romantik treten indessen stark in den Hintergrund. H. bemerkt
ausdrücklich (S. 450), dass Schwind den Mystizismus und die Farbenetfekte Ludwig
Schnorrs ablehnte; Goethes „dithyrambisches" Urteil über Schwind wird dagegen her-
vorgehoben. Ein&iss romantischer Malerei lässt H. nur für die Münchener Zeit um
1835 zu, in der Schwinds Arbeiten an J. Schnorr, Cornelius, Neureuther, gemahnen.
Die auf romantische Dichtungen bezüglichen Werke werden einzeln und vereinzelt ver-
zeichnet. „Ritter Kurts Brautfahrt" findet eine ausführliche Analyse (S. 457). — Auch
H. Müller ö3) löst thatsächlich den jungen W. Kaulbach aus dem persönlichen Zu-
sammenhange mit den Romantikern. Er zeichnet Kaulbach inmitten des romantischen
Münchener Kreises der ersten dreissiger Jahre. Kaulbach teilte nicht die Passion für
untergeordnete Kneipen, der Cornelius, Görres, Brentano, Ringseis huldigten. Am- be-
haglichsten fühlte er sich im Kreise der Familie Görres, die er in dieser Zeit auf das
anschaulichste schilderte. Noch zur „Zerstöi'ung Jerusalems" holte Kaulbach den Rat
des alten Görres ein. Am engsten befreundet war er indess mit Guido Görres. Bren-
tano lockte ihn vollends in den Bann der Romantik. Müller meint aber, dass Kaulbach
nie ein Herz für die „willkürlichen Spielereien" vmd für die „schemenhaften Gespenster"
der Romantik haben konnte. Nur Brentanos Persönlichkeit fesselte ihn vorübergehend
an romantische Aufgaben. Brentano erzählte in Kaulbachs Hause seine Rheinmärchen
und Kaulbach lieferte zu ihnen Illustrationen. M. beschreibt die vier Blätter zum
„Müller Radlauf", auch ,,Gockel, Hinkel und Gackeleia" fand im Kaulbchschen Künstler-
kreise seine Illustratoren. Bekehrungsversuche Brentanos machten dem Freundschafts-
bunde ein jähes Ende. M. citiert zustimmend Speidels Worte: „Kaulbach besah
sich diese ultramontaue Welt mit künstlerischem Auge, nützte, was an ihr zu nützen
S. 0. IV Oa: 85a. — 90) V. Schnorr v. Carolsfeld, Julius Veit Hans Schnorr v. Carolsfeld: ADli. 32. S. 181/9. ~ 91) id.,
Ludwig Ferdinand Schnorr v. Carolsfeld: ib. S. 189—90. - 92j H. Holland, Moiit/, v. Schwind: ib. 33, S. 449—69. - 93) H.
Mnller, W. Kaulbachs junge Eh« u. s. Hezieh. ■/.. Katholizismus u. z. Romantik. 1—2: VZgS. N. 29—30 —
2:<3 (). F. Walzel, Romantik. IV 11. IV 12: \-4
war und fnizofr sich ihr schrittweise mit der ihm eigenen ironischen Höflichkeit." Zum
Schlüsse stellt M. die aus dorn Schosse der nachromaiitischen Mtinchener Kreise her*
vorgegangenen Publikationen zusammen, soweit Kaulbach an ihnen beteiligt war; es
^waren: „Der Festkalender" von F. Graf Pocci, G. Görres und iliren Freunden CMfinchen
\HM), „Kalender auf das Jahr 1842", herausgegeben von F. B.W. Hermann (Mtinchen
1H41), Guido Görren' ,, Hürnen Siegfried" (Mttnchen 1842) und desselben Autors
„Deutsches Hausbuch" (München lK4<;/7). Kaulbarhs Beiträge werden von M. be-
schrieben und erläutert. —
1V,12
Das junge Deutschland.
Ernst Elster.
Heine: Otisamtcharakteristik N. 2. — Leben N. 8. — Werke: Aatgaben N. 18; UeberMtxBngen N. 33. — Uaiir-
Kucbuiigen; Oeburtsjahr, Therese N.27; Memoiren N.28; Buch der Liedtr N. 31 ; Balladen S.H'2; Lorelei H.SA. — Qnttkow,
Dingelateilt N. 43. -
Heber das junge Deutschland sind 1891 weniger bemerkenswerte Schriften zu
Tage getreten als im vorangegangenen Jahre. Hatte der letzte Band über G. Brandes' inter-
essante Gesamtdarstellung dieser Periode i-^) zu berichten, so kommen diesmal fast aus-
schliesslich Arbeiten über Heine in Betracht. Von Gesamtcharakteristikeii dieses
Dicliters liegen zwei in streng katholischem Sinne gehaltene vor, deren eine, von
Sei). Brunner ^), gleichzeitig Börne mit seinem Genossen und Antipoden unter dem
geschmacklosen Titel „Zwei Buschmänner" beliandelt, der die wissenschaftliche Wert-
losigkeit dieser Parteischrift bereits hinreichend verrät; die andere, von H. Keiter*),
ist dagegen als die fleissige Arbeit eines in seiner Weise nach Objektivität strebenden
Forschers rühmend hervorzuheben. Der Einteilung in Elsters biographischer Skizze
folgend, zerlegt K. den Gegenstand in drei Hauptabschnitte, deren erster die Jugendzeit,
deren zweiter die Zeit der „Reisebilder" und deren dritter die Pariser Zeit behandelt.
Das Biographische des ersten Abschnitts ist nicht frei von Irrtümern; so wird z. B.
der Februar 1798 kritiklos für die Zeit von Heines Geburt angegeben (vgl. u. N. 8-9).
Die Schilderung der Berliner Jahre fällt K. oifenbar schwer, da er für die erfreulichste
Erscheinung dieser Zeit, das Vertrautwerden Heines mit der dortigen Goethegemeinde
kein warmes Verständnis mitbringt; doch bietet er eine wohlgelungene Charakteristik
der Jugendwerke des Dichters, die namentlich durch Hinweise auf die Entlehnungen
bestimmter Motive aus HofFmann, Brentano und Jean Paul von Wert ist. Aehnlich steht
es mit dem zweiten Abschnitt der Schrift, der im Biographischen, trotz Berück.sichtigung
der neueren Forschung, einige Versehen, in der Beurteilung der Werke aber viel Er-
freuliches imd Lehrreiches aufweist. So z. B. sind die „Harzreise", die „balladenartigen
Gedichte" am Schlüsse der „Heimkehr", die „Nordseebilder" das „Buch Legrand"
ästhetisch und litterargescliichtlich gut erläutert, während das Neue der Heimkelir-
Lieder nicht genug betont, die GedicTite „Ratcliff" und „Götterdämmerung" sowie der
„Neue Frühling" überschätzt und der vierte Band der „Reisebilder" von K.s kirchlichem
Standpunkte aus einseitig beurteilt worden sind. In dem dritten Abschnitt findet die
Schrift über die romantische Schule warmes Lob, desgleichen wird K. zahlreichen Ge-
dichten der letzten Periode, den Glanzpartien des „Atta Troll" und den besten Stücken
des „Romancero" durchatis gerecht, während er alle religiösen und politischen Ausfälle
Heines, „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland", „Disputation",
„Vitzliputzli", die „Französischen Zustände", „Deutschland, ein Wintermärchen", die
„Neuen Gedichte" usw. verabscheut, den „Schnabelewopski" als „schamlose Bordellpoesie"
brandmarkt und den Streit mit Börne etwas parteiisch zu Ungunsten Heines beurteilt.
Eine Gesamtcharakteristik des Dichters, mit der das W^erkchen schliesst, enthält neben
Einseitigkeiten höchst zutreiFende und feine Bemerkungen. Das Ganze verdient nament-
I) X G- Brande» (TgLJ890IV 14: 1): PrJbb.67, S. 712/4; BLU. S.H5:Kw- 4. S. 25S 4; L Geiger: Nation«. S.
S. 631'4; 9, 146/8; N»S. 56, S. 309; NAnt. 31. S. 767. — t) Q M. Barden. Tr*iUchke «. Brmades über d. jung. DeaUch-
land: FZg. N. 44. — 3) Seb. Brunner, Zwei Buschininner. Akt«nulssig K<>!)ebildert. Paderbor«. SchOniagh. XII, 407 ^.
M. 4,00. —'4) H. Keiter, H. Heine. Soin Lebon, sein Cbarakt«r u. leine W^rke. Köln, Bachern. 127 ^. M. 1,80. (E.EIater:
IV \2: &-24. E. Elster, Das junge Deutschland. 234
lieh auch wegen der litterargeschichtlicheu Nachweise die Beachtung weiterer Kreise.
— Dagegen bietet eine kleine Abhandlung von Odinga^) über Heines Verhältnis zur
Romantik nichts Wesentliches, das nicht in den landläufigen Handbüchern der Littera-
turgeschichte ebenso gut oder besser zu finden wäre, ß-') —
Zu Heines Leben brachte das Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins'
eine Notiz 8), die bald in zahlreiche Tagesblätter überging: nach Aussage der Archive
der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf sollte des Dichters Geburt nicht, wie man bisher
annahm, 1799 oder 1797, sondern im Eebruar 1798 erfolgt sein. Die Notiz erschien,
als sich ein Aufsatz Elsters ö) über Heines Geburtsdatum gerade im Druck befand:
er konnte in einem Nachwort darlegen, dass jene aus später Erinnerung des damaligen
Rabbiners geflossene Nachricht völlig wertlos und unhaltbar sei. ^o-n) — Ueber Heines
Verhältnis zu den Freunden Moser und Zunz berichteten in ansprechender Weise
L. Geiger ^^) und Ziegler '^), wobei ersterer gleichzeitig einen bis dahin unbekannten
Brief des Dichters an diesen seinen treuesten Jugendfreund veröffentlichte. — Einen
interessanten französischen Brief Heines an den Schauspieler Boccage förderte
Franz OS 1*) zu Tage: wir sehen den Dichter bemüht, durch Vermittelung von Alexander
Dumas ein Trauerspiel von Heinrich von Kleist auf die Pariser Bühne (Theater der
Porte St Maitin) zu bringen; dass die Uebersetzung des nicht genannten Werkes von
Heine selbst herrühre, ist aber keineswegs so wahrscheinlich, wie F. glaubt. — Von
zeitgenössischen Stimmen über Heine sei das im Berichtsjahr bekannt gewordene Urteil des
Grafen 'Moltke i^) über die Reisebilder aus einem Briefe an seinen Bruder Ludwig
(vom März 1829) hervorgehoben: er rühmt die Schrift als „ganz vortrefflich und voller
Geist und Witz", bedauert aber, dass die Persönlichkeit des Verfassers nicht hübscher
durchbreche. — Ueber Hasselriis' für Corfu bestimmtes Denkmal Heines gaben die Tages-
blätter ziemlich ausgiebige Kunde ^6), und auch die Düsseldorfer Denkmalsfrage fand
weitere Erörterung ^''). —
Von den Werken erschienen neue Gesamtausgaben nicht, neue Abdrücke
der Gedichte ^^-^O) waren ohne Wert, ebenso ein Neudruck der Einleitung zum Don
Quichotte 21), — Für das englisch-amerikanische Publikum besorgte H. S. White 22) eine
Auswahl der Gedichte, die dem, was wir von diesem Autor erwarten durften, nicht
entspricht. Man vermisst hier wiclitige Stücke, während andere entbehrliche anzutreffen
sind. So fehlen z. B. die „Traumbilder" ganz; unter den „Romanzen" der „Jungen
Leiden" der „Arme Peter"; im „Lyrischen Intermezzo" die Lieder: „Wenn ich in Deine
Augen seh'", „Dein Angesicht so lieb und schön", „A-uf Flügeln des Gesanges", „Im
Rhein, im schönen Strome", ,, Allnächtlich im Traume", „Die alten bösen Lieder".
Aehnlich ungeschickt ist die Auswahl aus der ,, Heimkehr" und der „Nordsee" getroffen,
und der Anhang älterer Gedichte wäre ganz und gar zu streichen gewesen. S. 168
ist in der biographischen Skizze die Ungeheuerlichkeit zu lesen, dass Harry Heine
zu Düsseldorf in „Westfalen" (!) am 23. (!) Dezember 1799 geboren sei. —
Von Uebersetzungen Heinescher Werke ist die englische von Leland 23)
vielfach gerühmt worden; nach dem Urteil Mc Lintocks, dessen eigene vortreffliche
Uebersetzungen der letzte Bericht erwähnte, ist sie aber durchaus keines hohen Lobes
wert, vielmehr oft verfehlt, unverständlich und durch thörichte Auslassungen entstellt.
— Auch Uebersetzungen einiger Lieder Heines von der verstorbenen Lady Duff Gordon,
über die J. Ross 24) berichtet, sind nur mittelmässig. Der Veröffentlichung wird in
einem Vorwort der Tochter abermals die ganz hinfällige Bemerkung vorausgeschickt, dass
das Gedicht „Wenn ich an deinem Hause Des Morgens vorübergeh'" 1833 für die da-
mals 12jährige Lucie Austin, die spätere Lady Duff Gordon, verfasst sei; in Wahrheit
ist es schon neun Jahre vor jener ersten Begegnung im Druck erschienen. Die Ueber-
BLU. 1892, S. 442'6.] - 5) Th. Odinpa. Leipzig, Fock. 20 S. M. 0,75. illiLU. 1892, IS. 446.]| — 6) X B- MUnz, Börne,
Goethe u. Heine: Didaskali» N. 196. - 7) O G. Karpele». Hebbel u. Heine: FZg. N. 106/7. - 8) BGNiederrh. 5. S. 144.
(Erwähnt in KZ. N. 198; HambCorr. N. 176 ) - 9) (Vgl. u. N. 27.) - 10) O E- Besuch bei Heines Lieblingsschwester: FZg. N. 86. —
II) O A. Berliner, Litt. Mitteilungen Über Hermann Heine: AZJudentum 55, S. 96. — 12) L. Geiger, Moser, d. Freund Heines
(Mit ungedr. Briefen): FZg. N. 196. — 13) Rabb. Dr. Ziegler, Zunz u. Heine. E. Vortr. AZJudentum 55. S. 44/6, 54/7. —
14) K. E. Franzos, Reliquien, üngedr. Briefe v. H. Heine. N. Lenau, F. Keutpr u. J. V. v. Scheffel: DDichtung 11, S. 28 9. -
15) H. V. Moltke, Ges. Schriften 4. S. 239. (S. o. IV 1 : 188.) — 16) NFPr. N. 97.57; HambCorr. N. 888; FZg. N. 289, 30J. 349-350.
— 17) FZg. N. 302. — 18) Heine, (Jediehte. Ausw. f. Haus u. Familie. Halle, Gesenius. X.XIII, 318 .<. M. 3,50. — 19) id.. Buch d. Lieder,
ill. T. F. Stahl, Berlin, Deutsches Verlagshaus. VIII, 437 S. geb. M. 4.00. IfLZg. N. 289.]: - 20) id.. Buch d. Lieder. Neue
rev. Textausg. mit 200 lllustr. (lUustr. Klass.-Bibl.) Berlin, Dtsch. Verlagshaus. VIII, 437 S. M. 4,00. — 21) M. Cervantes, D. sinn-
reiche Junker Don Quixote v. La Mancha. Aus d. Span. Übersetzt, m. d. Leben v. M. Cervantes, nach Viardot u. e. Einleitg. t.
H. Heine, 4. Aufl. Mit 102 lllustr. In 22 Lief. Stuttgart, Rieger. Je M. 0,40. - 22) H. S. White. .Selections from Heine«
poems. Boston, Heath & Co. XII, 220 S. (Zu d. Bericht Über Buchheiros Ausg. A. Harzreise (1890 IV 14 : .35) sei bemerkt,
dass die Behauptung d. Ref., Buchlieim liabe nicht alle benutzten Quellen genannt, nicht aufrecht erhalten werden kann;
d. Uebereinstimmungen mit Anmerkungen in Eistors Ausg. beruhen, wie B. brieflich llberieugend darlegte, auf Zufall.) —
23) O H. Heine, Work», froin tlie German, by C. G. Loland, Vol§. 1-3. New-York. Bock & Co. 8 u. 441, 30 u. 400,
3 u. 470 S. M. 7,00. (L. B. Walford: NYCritic 16, S. 105/6, 3.54; W. E. Simonds: ChieagoDial. 12, S. 213/5; Literary
World (Boston) 22, S. 401; K. M'Lintock: Ac. 40, S. 2,56/7.]: (Diese l'ebersetzung wird Heines simtl. Werke einschliessen.)
— 24) J. Kos«, Lady Duft' Gordmis Iran.slations of Heine: Murrays Magazine (Londoji) V, y. 7(59— 76, (Auch in Ecleclit
2.15 E. Elster, Dbk junge DeiitBcliluncl. IV 12: %SM.
traguug döH Gödichtes „AlmaiiHor" ist nu mehreren Stellen holperig (Auftakt beim vier-
itlssigen Troohaeus, WeglasHung der AnHoiianr.); auch die anderen Stü<-ke sind nur
zum Teil gelungen, und zuletzt marHchiert eir» Gedicht auf, das gar nicht von Heine
herrührt. 25-26) —
Untersuchungen über Heines Leben und Werke entliielt zunächst einAufssts
El8ters27) aber die Frage nach Heines Geburtsjahr und »eine Liebe zu Therese.
Eine Zusammenstellung aller Zeugnisse ergab mit groKser Wahrscheinlichkeit, das«
Heine am 13. Dez. 1797 das Licht der Welt erblickt habe und dass die häufig wieder-
holte Angabe des Jahres 17H9 absichtlich gefälscht und durch den Wunsch, 1814 und
1815 vom preussischen Militärdienst befreit zu werden, zu erklären sei. Die ausführ-
lichere Darlegung über Heines Liebe zu seiner Cousine Therese suchte eine Hypothese
zu erhärten, die E. zuerst 1887 geäussert hatte. Er zog hierzu zaldroiche Stellen au«
Briefen, Gedichten und Prosaschriften Heines zum Beweis heran, durch die Heines
Lebeusschicksale aus seiner bedeutendsten Entwicklungsepoche iu neuem Lichte er-
scheinen. Aber aucli die Werke, namentlich das dunkle „Buch Legrand", können nur
unter Berlicksit-htigung dieser Hypothese genauer verstanden werden. —
Ueber die Schicksale der Memoiren Heines handelte Franzos-*) in mehreren
Artikeln. Wenn auch die Breite der Darstellung etwas ermüdend wirkt, so ist von
ihm die auch von anderen geteilte Annahme zu grosser Wahrscheinlichkeit erhoben
worden, dass ausser dem von Ed. Engel verört'entlichten Bruchstück noch andere Memoiren
Heines vorhanden sein müssen, die tun das Jahr 185U in Gustav Heines Besitz Ober-
gegangen seien. Er glaubt, dass unser Dichter kein Stück dieses Werkes verbraiuit
habe, was jedoch nicht als mit Bestimmtheit erwiesen gelten kann. — AI fr. Bocks *•)
Artikel über Heines Verhältnis zur Musik ist ganz ansprechend, aber in keiner Hinsicht
erschöpfend, so) —
M. Seeligs ^'i) Dissei-tation über die dichterische Sprache des Buchs der
Lieder enthält eine ziemlich kritiklo.se und kleinkrämerische Statistik über die Stil-
eigontümlichkeiten dieser Sammlung. —
Besser i.st die Charakteristik der Balladen und Romanzen von Xetoliczka*^);
wenn er auch bereits Gesagtes nicht selten wiederholt, so ist doch die wohlgegliederte
Tebersicht über die wichtigsten Eigentündichkeiten dieser Dichtungen dankenswert und
belehrend. Besonders ist die Darstellung des Aufbaus der Gedichte (S. 27 f ) zu
rühmen. Der iuteressanteste Teil, die schwierige Quellenuntersuchung, steht noch aus,
und man ist in dieser Hinsicht noch vor allem auf Hessel angewiesen (Dichtungen von
H. Heine, Bonn 1887); Hessel und Schärf haben übi4gens auch über das Metrische aus-
führlicher als N. gehandelt. —
Anziehend waren die verschiedenen kleinen Aufsätze über die Loreleisage,
die das Berichtsjahr zu Tage förderte; während Karl Julius Schmidt^) die.se Sage
mit anderen ähnlichen Cliarakters in Beziehung brachte inid auf diese Weise scharf
beleuchtete, verfocht Reuleaux^-*) die etymologische Erklärung des Wortes als
„hallender, tönender Fels-', die auch F. Rehorn^'-') gewiss mit Recht als die zutreffende
bezeichnet. Letzterer bestreitet die bisherige Annahme, dass Brentanos Ballade im
„Godwi" der einzige Ausgangspunkt der Sage sei. Leider ist der Bericht über seinen
Vortrag recht knapp. — Üeber die Entlehnung von Motiven zweier Heinescher Gedichte
aus französischen Volksliedern berichtet A. Englert-'*): ft\r „Im wunderschönen Monat
Mai"' lässt sich ausser den bereits JBL. 18;k) IV 14 : 42 erwähnten Vorbildern noch
ein weiteres nennen, ohne dass die Entlehnung bewiesen erscheint, während das Lied
,,In welche soll ich mich verlieben'' ht)chst wahrscheinlich nach dem von E. genannten
Volksliede oder einem verwandten vertasst ist. — Recht interessant ist eine anonyme Mitteilung
der „Deutschen Dichtung" (Franzos?) ^^) über eine Stelle des „Wintermärcheus", die
auf Willes Vorschlag von Heine ursprünglich gestrichen wai". später aber nach des
Dichters Tode mit anderen von der Censur getilgten Strophen wieder autgenommen
wurde. Die Angabe des Anonymus, dass die Stelle in der fi'anzösischen Ausgabe ent-
halten sei, ist falsch; sie fehlt dort; so findet Willes Aeussermig eine wichtige Stütze,
und künftige Auflagen kritischer Ausgaben werden die Stelle aus dem Text in die Les-
arten verweisen müssen, ^s) — Als Kuriosa mögen scliüesslich erwähnt werden die Ver-
Magazine (New-York) 117, S. 107 ff.) — 25' C K. v. Kein hardst Ottnor , H. H«inr in Portugal: MBnchNK. (Im AnMhloM m
Joaquim de Araujo, Intermezzo. ImitafAes d« H. Heine. Porto 1891.) — M) XX H. Hein«, Q libro d«i cuiU ptr
C. Vareae. Firenze, Succ. Le Monnier. H. 4,50. - 27j E. EUter. Zu Heines Biographie: VLO. 4, 8. 446-.M1 — M) C.
E. Franzo«, Heines Naehlass. Nach ungedr. Quellen: DDirhtunf 10, 8. 21 4. 46—50. 9S— 101. 120;3. Ml!3, M7 8. —
29) Alfr. Bock, Heines Verhtltnis z. Musik: KZg. N. 571. — SO) O A. r. Binder, H. Heine u. Giacomo lleyarbe«r: FreadnBI.
N. 240. — 3n (I 8 : 27u.) [A. Schröter: BLl'. S. 580.] — 32) 0. Netolictka, Zn Heines Balladen n. Romanten. Leipti^.
Fock. Sl .^. M. l.Oü. — 33) Karl Julius Schmidt, Leilurinnen: SZg. N. 18.1, 185. — 34) F. Kenleanz. Z. Lurtei
oder Lorelei: ib. N. 10.">. (.Xl.gedr. Üidiskalia N. 79.) — 35) K. Keborn, l>. I.urleisag»- : HFDH. 7. .S. 386—93. — 3S) A.
Englert, Entlelinangen. 1. Zu zwei Ueineschen Liedern: ZVLK. NF. 4, S. 38.'* .V — 87) Za Heines Winterm&rchen: DDiebtung
<J, S. 2C0. - 38) C IJ- Ueiuesche Weberlied n. Fr. KOster: FZg. N. 8. — 98) K. Schulte, D pipetliche Index d. Terbotrnen
IV 12: 40-45. E. Elster, Das junge Deutschland.
236
Weisung einiger Heinescher Schriften auf den päpstliclien Jiidex^*^), ein wüster Opern-
text „Heines Memoiren" 40)^ und ein in seiner Art nicht ganz übles socialdemokratisches
Poem, dessen Vf. unseren Dichter offenbar als aufrichtigen Proletarierfreund betrachtet
und sich als Heine II *i) vorstellt. —
Ausser Heine kommt diesmal kaum ein Jungdeutscher in Betracht. Gutzkows
Denksprüche 42) wurden neu aufgelegt, Rodenbergs ^3) Veröffentlichung aus Dingel-
stedts Nachlass fand in der Presse noch vielfachen Nachhall; eine rhetorisch- wirksame
Gedächtnisrede dieses Dichters (vom 4. Eebr. 1841) auf den Fuldaer Gj^mnasialdirektor
Nikolaus Bach^^^ wurde zum ersten Male der Oeffentlichkeit übergeben und in einem
Erinnerungsblatt an Karl Schomburg ein poetischer Nachruf Dingelstedts an diesen
hessischen Patrioten ^^^ nach fünfzig Jahren wieder abgedruckt. —
liUcber: VZg. N. 583S. ■ — 40) E. v. Dubsky, Heines Memoiren. Phantast. Oper in 5 Bildern. Text mit Verwendung mclirerer
Gedichte v. Heine. Musik v. L. Burger. Pressburg, Drodtleff. 93 S. — 41) Heine IL, Daniel in d. Löwengrube. 3. Aufl.
Berlin, Eip. d. Vorwärts. 63 S. — 42) K. Gutzkow, V. Baum d. Erkenntnis. Denksprüche. 3. Aufl. Jena,
Costenoble. VII, 207 S M. 2,60. — 43) (IV 4 : 125.) |[NationB. 8, S. 795; DeutschZg. N. 7075; BLU. S. 492;'3; VZg.
N. 387; SchwäbKronik N. 91.]| — 44) Dingelstedt, Worte d. Erinnerung au Nik. Bach: Hessenland 5, S. 39-42; 51/5. —
45) F. Zwenger, Karl Schomburg: ib. S. 170/2; 184/7; 198/9. —
IV,13
Grillparzer.
August Sauex\
(Ueber den vorläufigen Ausfall dieses Berichtes s. S. III der Vorrede).
'^^SU'
Autorenregister.
<rAar(^ne. L. IV 4 : 190.
Abasi, L. 15: 70.
Aberlo, K. I 5 : 414.
Achelio. E. Ch. IV «■ I71
— , Tb. I 5:213.
Achleitner. A. T 5: 223. 367.
Ackorniann, Krnst. IV 3: 184.
— . 0 II 2: 54.
Adam, A. 16: 174.
Adler. 0. I 3:223; (V 6 . »8»
Afjas, A s. Porzo
Abrcndts, K. I 5 : 122.
AicbelburtJ, M. Freib. v. I ."i ; 73.
Alberti. Coorad. I 3 : 26Ö IV 5 : 7,
ö5.
-. Karl. I 5:8Ü1. IV 3 : 1',I8
Albrecbt, P. IV 7 : 27.
Aldenboven, C. IV 9a : 3.
Alford, E. G. IV 9a: 130.
Alsleben. A. II 3 : 22.
AnibroBi, F. I 4 : 31
Arabrosoli. F. IV 1) : 20.
Amersbach, K. 15: 22ü. III 3:3
Ainira, K. v. I 5 : 179.
Ainmann, J. J. II 2:34.
- P. 15: 144
Ainyntor, G. t. IV 3 : 216.
Andrae, A. IV 4 : 134.
-, E. 15: 344.
Andrea, Silvia. IV 10: 110.
Andrea.s-Salom6, L. IV 6 : m:7.
Andree, K. II 3 : 26,7.
Andresen, C. 15:7.
— , K. G. 18: 48.
Andrew.s, W. P. IV 9e : 79.
AneraUIler. E. 15: 339.
Auster, J. IV 9e : 103.
■Anthaller, F. I 6:218.
Apel, 0, 16:5.
de Aranjo, J. IV 12 : 25.
Arndt s. Scliuapper-Arndt.
Arnetb, A. v. IV 1 : 170,2.
Ainbeim, F. IV 9b :G.
Arnold, F. C. IV 9a : 55.
— , J. 6. D. IV 4 : 23.
Aron. I 6 : 12.
Asti6, J. F. II 6:82.
Auerbach; S. 13: 9.
Aveuarius, F. 13: 33/4; 6 : 448
Baclimanu. A. II 3 : 41.
-, F. I 3:44. lY 1 : 19; 10: 105.
l'.acliofen, Cli. II 7 : 84.
Back, A. L. 17: 44.
— , S. rV 4 : 123.
Backhaus, G. II 2 : 1.
Biichtold, J. II 4 : 13. III 5 : 18-
IV 3 : 29; 6 : 157b; 9a : 118.
Itatz, A. 15: .393.
Bäumker, W. 14: 102. II 2 : 2, 7,
in 2 : .38, 62. IV 3 : 89.
Babder, K. v. 18:1.
Bahlmann, P. 14: 73. III 4 : 1.5b.
Bahlow, F. II 6 : 77.
Bahr, H. 13: 112, 164, 179-80,
260. IV 1 : 24/5; 5 : 35.
Baier, A. 13: 7—8. IV 1 : 95.
Baiscb, 0. 15: 358.
Bamberg. F. IV 4 : 156
Bancalari, 0. 15: 108.
BannholMr. IV 5 : 70.
Bapst, 6. IV 10: «6.
Barine, AIS: 436 IV 1 : 186.
BarteU, F. I 5:204, 216
Bartbolomaei, F I 6 : 34.
Bauer. A. II 3 : 34.
-, Erw. 1 3 ; 272.
Hauniann. 0. 17:25/6 IV 10:92, 102.
Baumgarten, H. IV 6 ; 134.
-, 0. I 6:41
HauiDgtrtner, A. I 6 : 411 IV 6 : 106.
Baumelster. A. IV 6 : 139—40
Bayer. Edm. I 5: 141
-, J. IV 9a : 86.
Becbbtein, L. IV 3 : 67.
-, R. I 2:89; 8: 20. 69 II 4:1.
IV 9a: 85.
Beck (Zwickau). 14:3.
-, H. II 7 : 30.
-, II. 15: 303.
-, P. II 2:8. IV 6; 11/2
— , R. 16: 140.
Beckeadorff. Elisabeth v. IV 1 : 1«.
Becker, H. I 5 : 159 IV 3 : 126;
9a : 14.
-, B. 16: 158
Beckmann, E. I 8 : 57.
Behaghel, Ü. I 8 : 11, 31, 59
Behrens, F. W. 15: 99.
Behringer. I 7 : 18.
Beigel, R. I 5 : 356.
Bellardi, P. I 6 : 174.
Bellermann, L. 17: 68. IV 10 : 87,
93, 107, 109/9 a.
Bender, F. IV 9e: 19; 11 : 74.
Beneke. I 4 : 122 III 4 - 19a IV
4: 26.
-. H. F. m 6 : 32.
Benratk, K. IV 6 : 112.
Berendt, H. IV 9a : 111.
Berg, L I 3: «6, 181/2, 263.
Bergemann, P. H 6 : 41.
Bergen, t. IV 6 : 109.
Berger. A. I 8 : 22.
— , A. V. IV 9a : 30; 9e : 117.
Berghöfter, Ch. W. 14: 86.
Böringuier, R. I 5 : 315.
Berliner. A. IV 12 : 11.
Bemays. M. 12: 12. IV 11:6—7,
30.
Bernecker, E. I 0 : 198.
Bernhard, Erbprini r. Meiningen. IV
7 : 67.
Bernhardt. iL II 6 : 50.
Beruhelm, E. I 1 : SO.
Bernstein, E. IV 4 : 133; 6 : 204.
-, M. 4 : 131'2, 6 : 122.
Bertbeau, C. I .8 : 19. U 2 : 10, 12.
III 2 : 59; 6 : 14.
Berthold, J. 14:4«.
Bertling, 0. IV 7 : 66.
Bess. B. III 2 : 60.
BetUzsl, & I S : 73.
Bettelbeim. A. I 3 : 54, 5«. lY 1 : 192;
3: 124: 4 : 175,6; 9a : 7; 9b : 33.
Bettingen, F. I 3 : 151.
Beyer, C. I 1 . 5.H.
Bewer, M. 1 6 : 430». IV 1 ; U>V-11U.
Beyitchlas. W. II 7 : 11. IV « : 89«.
Bieder, H. I 6 : 219.
Biedermann, K. 16:9, 106.
-, W. T. IV « : 283: 9a : 34. 7«,
116; 9b : 8, 9. 12. 22, 95; 9e : 15,
23; 9* : 81, 89, 12J.
Biebler. D. II 7 : 27.
Bielschowiky. A. III 4: SO. IV9e:19.
Bienemano, F. IV 1 : 98, 174. 190. 209,
212, 219-20; 3: 178.
Bienenptber. M. I 5 : 298.
Bierbauro. 0. .1. 13: 22—25, 278: IV
I : 24|5; 3 : 237 ; 5 : 27.
Biese, A. I 1 : 22: 3 : 180a. 125/«.
II 2 : 38. IV 3 : 121: 9« : 86;
11 :78.
Biltz. K. 18: 130; 6:B6. U 2 : 19,
21. IV 5:32; 9b: 107.
Binder. A. t. IV 12: 30.
Bindewald. IV 9e:24.
Birlinger, A. 16:51. 162. 1H3. 22a
II Ü : 32a. IV 10 : ««.
Bischoff, 11. IV 4: 106.
Blackle. J. S. IV 9a: 103.
Blank meister. F. III 2 : 44.
Bleibtreu, K. 13: 80/2.
Bleisch. E. II 3 : 2.
Blömont. E. 13: 50.
BleoDerhasset, Charlotte Lady. IV
11 : 18.
Blesi, B. II 7 : 28/9.
BIBmner. H. IV 1:117. 242. IV 8:
200; 7 : 53.
Blnm, Uanä. IV 1 : 178.
Blume,. L. IV 9a : 12; 9c : 2a
Blume'nthal, H. I 4 : 147.
Blumer, J. I 8 : 23.
Bobö, L. IV 4 : 9; 9a : 63; 10 : 2«.
Bock, Alfr. IV 8: 77; 6: 45, 108,
12:29.
BOde, W. U 1 : 16. IV 6 : 15a
Bodemann. Ed. 16: 415/6.
Bodmer, H. I 4 : 49. IV 3 : 3a
Boeheim. W. I 6 : 121.
BObm, W. IV 1 : 106.
Böhme, L. IV 10 : 130.
-. W. I 7 : 68.
BOlscbe, W. I 1 :5, 14; 3 : 124, 213,
218, 250. 279.
BOlt«, Amely. IV 3 : 109.
B«sch. H. I 5 : 54, 142.
BOttger, U. 16: 216.
Botticher, G. I 7 : 42.
Böhm, H. 19:6.
Bohnenberger, K. 18:8.
Bojanowski. IV 9h : 82.
Boiunga, K. 18: 31.
Bolhoereaer, K. I 4 : 64.
Bolin, W. IV 6 : 87,iS.
Bolte, J. 16:94.124; 8:18. 112:
20, 31,2; 8: 14, 80; 4: 18. :«). 34,
36, 41; 6:4«. III 2: 17, 56; 4:3
bis 5, 13.
Bondi, G. III 6 : 22. IV «: la.
Bonnier, C. I 3 : 85.
Boreherdt, A. I 6 : 324.
Bormann, W. 13: 165; 6 . imi,
Boraemann, W. II 6 : 28.
Bomhak, 8. I 7 : 26.
Autoren register.
238
: 39.
3-4.
Bossert, A. I 1 : 3ß. IV 9b -.36.
_, 6. 15: 148. II 6:3, 48; 7 : 15,
97.
Bouohot, H. I 4 : 45/6, 154.
Boxberger, R. lY 7 : 9, 13 ; 10:32.
Boyle, George. IV 1 : 96.
Brachvogel, W. IV 3 : 162.
Brägelmann, D. 15: 146.
Bramer. K. 16:176.
Braggi, G. A. IV 4 : 214.
Brahm. 0. 13:176,215/6. IY3:158;
4: 131, 176; 10:6, 34.
Brambach, W. I 4 : 76.
Brand, J. IV 1 : 24/5.
Brandes, G. IV 1 : 38 ; 4 : 137 ; 96 : 14.
- H. n 3 : 8, 14; 6 : 23.
Brandi, K. I 5 : 111.
Urandl, A. IV 7 : 36.
Brandstetter, R. 18:5.
Brandt, K, I 7 69-70.
Branky, F. I 5 : 265; 8 : 35.
Brasch, M. IV 6 : 60, 74,8.
Braun, Clara. IV 9c : 8.
- P. n 7 : 88.
- Jos. IV 5 : 70.
- J. W. 15: 127a. UI 2 : 20. IV
10 : 27, 108.
- Otto. IV 1 : 22, 21.
_ I 6 : 135.
Braunfels, E. I 5 : 389.
Brauns. C. W. E. IV 7
Braunsberger, 0. II 7
Br6e, M. IV 3 : 163.
Brecher. I 5 : 400b. II 7 : 103.
Brenner, 0. 18:9. II 3 : 16.
Brenning, E. IV 11 : «.
Bresslau, H. I 5 : 174 a.
Breul, K. IV 10 : 114.
Brieger, Ad. IV 1 : 24/5.
- Th. II 6 : 18, 52.
ten BrinV, B. I 1 : 20.
Brooks, E. I 9 : 17.
Brookbaus, R. IV 4 : 103.
Broglie, Herzog v. IV 9 b
Bronner, F. IV 96 : 112.
Browning, 0. IV 9b : 37.
Brukner, B. I 5 : 452.
BrBmmer, F. I 3 : 16, 19; 6 : 113.
n 2 : 15. III 2 : 62/3. IV 1 : 9 ;
3 : 35, 103, 111, 114; 4 : 29-30, 148;'J,
154; 6: 53, 222; 9a : 45.
Brugmann, K. 12: 31.
Brunet, G. I 4 : 155.
Brunetiöre, F. 1:6, 8, 11. IV 11 : 2.
Brunk, A. I 6 : 189.
Brunner, A. 13: 48—51.
- H. IV 3 : 108.
— S. IV 7 : 70; 9b : 38; 12 : 3.
BUchner, L. IV 6 : 38b, 94.
BUdinger, M. IV 10 : 73.
V. Bülow. 1 6 : 101.
Bürkli, A. I 5 : 406.
Buchheim, CA. 13: 134. IV 1 : 68;
9e:45a, 59 a; 10 : 39a.
Buchner, W. IV 1 : 3; 9a : 2, 34;
9b : 43, 63, 105; 9e : 60; 11 : 64.
Buchholz, K. IV 7 : 48.
- W. 4 : 132.
Buchwald, G. I 4 : 89; 5 : 408, 410;
6 : 126. II 6 : 3, 6—7, 44. 91.
BufF. A. I 5 : 395. IV 4 : 198.
Buhlers. I 5 : 272.
Bulle, C. IV 1 : 1C9.
Bulthaupt, II. 13: 170. 172, 194. IV
4 : 219.
Bunsen, G. v. IV 0 : 188.
- T. V. IV 6 : 188 f.
Bunte. I 6 : 109.
Burchard, G. IV 4 : 43.
Burckhard, M. IV 4 : 163.
Burdach, K. I 1 : 20, 24; 2 : 26.
Burgdorf, A. II 7 : 27.
Burger, K. I 4 : 38, 107.
Burghard, W. U 7 : 24.
BurghKuser, G. 1 8 : 30, 34.
Burkhardt, C. A. H. IV 5 : 68; 9a :
73; 9o : 7.
Busch, R. I 4 : 41.
- W. IV 6 : 227.
Buschmann,!. I 6 : 150,184; 7 : 52|
72.
i: 10.
Calraberg, A. 13: 47.
Cantor, M. UI 4 : 14.
Carel, G. I 7 : 37. IV 3 :
Carneri, B. I 5 : 443.
Carriire, M. 11:5, 14; 3:38, 247/8,
269. IV 6 : 93, 207.
Carstens. I 2 : 19. IV 3 : 36, 88.
Cart. Th6oph. IV 9b : 29.
Cassel, P. IV 7 : 52, 71.
Ca»t«lnuoTO, E. IV 10 : 43.
Cauviere, J. 15: 41.
Cesari. A. TV 9« : 122.
Cetty, H. I 6 : 30.
de Uliambrun. 1 3 : 61.
Chorbuliez, V. I 3 : 72. IV 10 : 72.
Chevalier, L. I 3 : 132. IV 9c : 17.
Chiavacci, V. IV 4 : 164.
Chrysander, F. III 4 : 22. IV 4 : 13.
Chiiquet. A. IV 1 : 3, 59; 3:30; 4 :
103; 6: 157a.
Claeys, V. II 4 : 42.
Clasen, Chr. 15:1.
Clausius. A. IV 5 : 13.
Giemen, P. IV 6 : 166.
Conrad, Herrn. IV 3 : 79.
_ K. U 7 : 73.
_ M. G. 13: 221, 229. IV 1 : 24/5,
196; 6:167.
Conybeare, F. C. II : 46.
Cop-Marlet, Mara. I 3 : 193.
Cordt, B. IV 1 : 238.
Cornish. F. F. IV 9a : 128, 131; 9b:
112; 9e:29, 61, 116.
Corsenn, A. 17: 12.
Cosack, W. 17: 61. IV 7 : 51, 58.
Courtheoux, A. IV 9b : 30.
Creceliu.s, W. I 6 : 175.
Creizenach, W. 1114:31. IV 4:1;
11 : 38.
Creiuer, W. 18: 65.
Cuno, F. W. II 7 : 106. III 2 : 65.
Curtius, C. I 5 : IGO. III 5 : 29.
_ E. IV 1 : 135.
Dadelsen, H. v. 17: 72.
Däbritz. I 6 : 180.
Dahms, G. IV 1 : 17.
Dahn, F. 15:433. IV 1: 131, 198;
3 : 212.
Daiehendt, G. I 5:396 a.
Daisenberger, M. 16: 131.
Damköhler, E. II 2 : 13.
Damm, H. IT: 93-
Damraan, A. 17: 86.
Darpe, F. 1 5:171, 331.
David. J. .T. IV 3 : 222.
Davis, J. F. 18: 40.
Dechent, H. I 6:81. 1113:46/7;
5:2.
Decrue. F. IV 1 : 76.
Dehlen, A. I 3 : 145(6, 148, 197.
Dehnintr H. I 5 : 336 a.
Deicke, W. 13:13. IV 10 : 63.
Deipenbrock, C. A. IV 3 : 64, 68-72.
Delalain. P. 1 4 : 105.
Delbrück, H. IV 1 : 126.
Denecke, A. 15:43. IV 10:88.
üennert, E. IV 9a: 107.
Dessoff, A. III 4 : 16.
Dessoir, M. 13: 27.
Detlefsen, D. 16: 191. lU 2 : 22.
Deutschmann F. 15: 450.
Dibelius, D. III 2 : 42.
Dickel, K. IV 1 : 71.
Diederich«, V. IV 6: 15; 8 -.4.
Diobl, P. IV 6 : 18, 2».
Diesbach, de. 16: 1.15.
Dieterich. A. I 7 : 62. IV 96 : 32,
Dietlein, R. I 7:71.
_ W. I 7 : 71.
Dietrich, R. I 5 : 198.
Diez. 19:17.
Dilthey, W. I 5 : 22.
Dingelstedt, F. IV 1 : 196; 4 : 125,
Dippe, A. I 1 : 33.
Dirksen, C. 15: 263.
Disselhof, J. II 6 : 36.
Distel, Th. I 4 : 127. II 4 : 43.
III 2:7. IV 7 : 8.
Dittes, F. 16:3.
- R. I 6 : 42.
Dittrich, M. I 5 : 426.
Di.bbert. E. IV 9a : 88.
Döczi, Ludw. IV 4 : 181.
Doedes, .1. J. U 7 :41.
Döhler, H. IV 4 : 117.
Döllinger, J. v. IV 6 : 121.
Döring, A. I 3 : 91. IV 1 : 44.
_ 0. 15: 119.
Dörpfeld, W. I 6 : 43.
Dörries, B. II 6 : 28.
Dollmeyer, H. I 5 : 57 a.
Donop, y. IV 6 : 148.
Dov«. A. IV 1 : 102, 106, 115; 6:
132; 11:8.
Dowden. E. IV 9d: 19; 10: 20.
Drach, E. I 3 : 167.
Draheim. H. 19: 16. IV 9d : 10;
10 : 48.
Dräseke, J. I 1 : 33.
Drescher, C. II 4 : 25. IV 10 : 39, 117.
Dresdner, A. 13: 144. IV 6 : 137g.
Drück, Th. 14: 19.
Druffel, A. v. II 7 : 49.
Drumel, M. 15: 23.5.
Dubsky, E. V. IV 12 : 40.
DUning, A. I 6 : 207.
Düntzer. H. IV 5:68; 45; 9a : 118.
1''3, 123a; 9b: 86/8; 9c: 10, 20a,
21; 96: 3. 43, 69, 72, 87, 92, 109.
125; 10 : 46, 106, 126.
Duhr, B. I 5 : 76. II 7 : 54. IV 10 :
79.
Dumeke, J. HS: 32.
Durrer, B. 15:270.
Dziatzko, K. I4:7a, 65, 104. 106,
132.
Ebeling, A. IV 9b : 72.
— , F. W. 13: 138. IV 3: 3
Ebe'rle, F. 1 4 : 95.
Ebers, G. IV 3 : 211.
Ebner-Eschenbach, Marie v. IV 6 : -i
Eckardt, K. I 5 : 372.
Eckart, R. I 1 : 51, 56; 3 : 13o.
Eckhardt, E. 17: 87.
Eckstein, E. I 8 : 61. IV 3 : 215.
Edgar, J. IV 4:35a; 5:68.
Edler, 0. I 3 : 10. IV 7 : 40.
Egellnaf, G. IV 1 : 49.
Egestorff, G. lY 1 : 148.
Eggers, K. IV 1 : 252.
Egloffstein, t. II 7 : 105.
Ehwald, R. 12:9.
Eheberg, K.Tb. I 5': 402. IV 6 : lUl.
Ehmann, v. 15: 358.
Ehr, M. 1 6 : 179.
Ehrenfels. C. 13:208-10. IV 4 : 220
Ehrenbtrg, R. 15: 325.
Ehrhart. II 3 : 35/6.
Ehrlich, U. 15: 370.
Eichfeld, H. I 3 : 270.
Eicke, Th. II: 50.
Eid, L. 1 5 : 38. 132.
Einert, E. I 5 : 345.
Einsle, A. I 4 : 47.
Eisele. I 6 : 44.
Eisenhart. 112:17. IV 6 : 193.
Eitner, R. 1 4 : 123. II 2 : 40/5. 111
2:06/9; 4: 19.
28Ö
AiitoifMin'^ist*'!*.
Elrbmann. 8. IV 4 : IIA.
Blits, J. IV a : 105 ; 6 : 142; 8 : 6.
Ellinger, 0. I 1 : 27. III 4 : 27/g,
32. 86. IV 4:2, 128; 11 : 65.
Ellirsen, D. A. 15: 424. IV 6 i 236.
Elster, E. IV 12 : 4, 27.
-. 0. IV 3: IM.
El«, Th. II 7 : 22.
Endem, E. L. II <i: 9-10, Hl. 10.
Engelen, K. IV 9e:6I.
Engelhard, B. 15: 207.
Engellen, A. I 7 : 73. H Ö : 42.
Engl. .). E. IV 4 : 204.
Englert, A. II 2:6. IV 12:30.
Erdmanii. IV « : 120.
Erdniann, D. 117: 08. HI 2 : 51.
- K. 13: 52, 27 1 j 5 : 300.
— O. r 8:23, 47. 69. IV 8:38;
•J <• : 24.
Eidmannadörfter, B. 14: 74.
Krichson, A. II 7 : 70, 75.
Erkelen», II. 17: 74/5.
Krinisch, H. I 5 : 342.
Ernst, Ad. Wilh. IV 1 : 201 ; 4 : 45.
— , Ütto. I 3: 110 114, 2.i2.
-, P. IV 1 : 37.
Each, J. IG: 25.
Ksi'herisch. I 5 : 3V2.
Kttiuger, M. 15: 172.
Ettlinger. J. I 3 : 04 III 2 : 25/G.
IV 4: 1, 5 a— 6.
Ettmayr, C. IV 1 : 246.
Eucken, R. IV 1 : 43; 6:93.
Kuler, K. I 6 : 15.
Eiiling. K. II 3:43; »1:43.
Kuskirolieu, J. 111 4 : 38.
Ever», G. 0. II 6 : 3S.
- M. 17: 65.
Fahian, E. I 6 : 05. 232
rabriciu», W. I 5 : 384 ; 6 : I.M.
Firber, F. 16: 31.
Faltk, P. IV 4: 16; 9 b : 92.
Fak-keaberg, R. I 1:4. 14; 3:74.
IV 6 : 36.
Falk, F. 1 5 :140; 6 . U3, 14{>. II
6 : 49.
Falkenheim, H. I 1 : 26. IV 10 ; 3
Farkas. II 6 : 41.
Fassl, P. T. 16: 196.
Faiilinann. K. 1 1 : 6 ; 8 : 44
Fecbuer, F. IV 4 ; 158; II : 46
— H. 1 6: 11, 7 : 73 II 6 : 42
IV 1 : 69, 89.
Fechtrup, B. II 7 : 90.
Fein. E. I 5 : 157.
Feiist, S. I 7: 16.
Fellner, R. IV 4 : 46; 5 : 45
FeU. F. IS: 64.
Feuorbach. II. IV 4 : 139
Fey, C. II 6 • 48, 88
Ficker, J. 117: 37
Fisch, R. IV 1 : 86.
Fischer. Alb. IV 7 : 41
— Albin. IV 3: 112
— F. IV 3 : 172.
— H. I 2:20; 8:6. III 2 • 13 IV
3 : 30; 6 : 221; 11 : .SO. «9—72. !?0;l.
83.
— H. R. IV 5 : 23.
— Knno. IV 6 ; 35. 46; 10 ; 8, 64
— L. H. 12:4: 3:4; 5:30'^.
6: 137. 144. 173. IV 6 : .39; 7:34.
10 : 94.
— r 11 6 : 85/6.
Flaischlen. C. IV 3 : 93.
Flathe. Tb. IV 1 : 5.5.
Fleischer, H. 13: 35.
Florin. A. I 7 : 19.
Floa, J. 16: 289
Fock, G. I 4 : .V)
Fo«tUr. A. IV 6: 162; 9e:S.
Fukke, A. IV 4 : 136
Forbea. A. IV 1 ; 125.
Forrer, R. 14:3«.
Font. H. IT 10 : 00.
FOnUr, B. I 8 : 2M.
- E. I « : 4.
- R. IV 1:87; «:18a
Fraa«, 0. I 6 : 358.
Frlnkel, L. 13: 17: 5 : «.1. 241. II
3 : 34, :iS. III 2 : 2; 4 : 12. 27, 31.
IV 3:20(2, 3.3, 87; 4:1; 6:40;
6 : 176; «a : 4«; »• : 81, 88; 11 : «-7,
70.
France, A. I 1 : 10, 12.
Pranck, J. I 1 :27; 8:6.
Franck«, K. IV 10 : 2.
Frank, A. IV 10 : 53.
- O. I 5:401b. in 5:7. IV«: 111,
128.
- K. IV 10 : 129.
- ü. IV 6 : 20.
Fnmk«, C. I 8 : 10/1.
- K. I 1 : 63.
- P. IV 4 : 47.
Frankl, L. A. IV 1 : 62: 4 : 107;
6 : 165.
Fran/., P. 114:17.
- R. I 7:36. IV 8:7; Oc: 7.
Franziscl, F. 15: 230.
Frantos. K. E. 13: 256. IV 1 : 240;
9b: 10: 9e : 67; 11 : 84,'5: 12: 14,
28.
FrauenstXdt, J. IV 6 : 59, 66/7.
Frausem, A. I 1 : 43; 7 : 04. IV
Oe : 86.
Frensdorff, F. II 3 : 43. IV 7 : .3.3.
Freniel. K. IV 1 : 39, 40; 3 : 231;
4:211; 7 : 31; 10: 117; 11 : 41.
Fressl. J. 16:211.
Freund, J. 15: 269.
Frey, A. IV 3 : 142/3, 157.
- M. IV 5 : 59.
- SilT. I 3 : 123; 5 : 92.
FreyUg, ER. 16: 392.
- L. 1 1 :42; 9: 7.
Friedel. E. 14: 125.
Friedllnder, E. 16: 122.
- J. IV 9a: 111.
- M. IV 9a: 97; 9b: 23.
Friedrich, J. IV 9a: 100.
- W. IV 7 : 76.
IV 4 : 127.
Frischbier, H. 15: 24.3. 251.
Fritze. 0. 16: 46.
Fröbel, J. 15: 430. IV I : 170.
Froelioh. H. II 2 : 14.
Froitiheim. ,1 IV 4 : 15. 20; '.' i
Fromm. E I 2 : 10; 4 : 84
FrouiMKin. C 114: 2t.
Proning. R. II 4 : 3
Fuchs. 0. F. I 5:405 HI b. 15
Fulda, h. II: 64.
Pumagalli, G. 14:7a.
Kunk. II. IV 6: 101a; 8 ; 5.
- F. X 15: 364. II 7 : 0, 50.
Funke. A. I 6 : 8; 7 : 53/5. IV Od : 2;
10: Sl. ll.S
Gahelentz. 0. *. d IV 0 : lO«
Gaebel. G III S : 34.
tiaebisch, P. I 5 : 239.
(iaedecbeiif. V. F. IV 5:3.
Oaederti. K Th IV 3 : 115; Ob : 11/2;
9c : 5.
Gaidoz. H. I 6 : 185
Gall«e, J. H. I 6 . |:18
Oander, C. 1 5 : 239 b.
Ganghofer. L. IV 4 : 164.
Gänsen. J. I 6 : 20
Oan», H. IV 6 : 21.
Oaiiino. G. IV 9« . 104
(iebele. .). IV 6 : 184
Gebhardt, B. IV 1 : 4«. 60. 213.
Ochmlioh. E. III 3:4.
(i»ig»r, L. I 1 : 37; 5 : 174b. 912a
350. 303. III !, : 21. IV 1 : 180
188. 203, 209, ^51; 3:74; 4:26;
6 : 58, 72; « : 182b; 7: 17, 24, «1;
9a : S, 120. 124/5: 9b : 27, :t:<
43. 08'4. 86/6, 106; Oo : II; 9«:07i
10 : 70, 117; 12 : 1. 12.
Geiser. K. I 5 : 87.V
a*oj. J. I 5 : 367.
Qm««, Rud. IV 9« : 73.
Georg, C. 14: 52.
Oeorge. R. IV 4:48; 9b : 81.
Gerhard, C. IV 4 : 20.V
Gering. H. I 2 : 36.
(ierlaeh. IV I : 116; 6:201.
Gerlaeh, L r. IV 1 : 168.
Gerland. 0. II 7 : :w
Oermann, K. I 0 : is::.
Gerok, K. I 5:358.
Gerschel, I>. 14: 3«.
Gesche. P. III 6 : 31.
Geis, F. 14: 129. II 6 . 47.
Gessler, A. I 6 : 158.
Geyer, U. I 4 :00; 6: 100.
Oibbins, H. I 6: 107b.
Oildemeister. 0. 16: 77.
Ollow. H. IV Ob : 32.
Gitii, 0. I 3 : .'»><
Glasenapp. C. F. IV -i : JJl.
Glock, J. Th. 16: 287.
Glöckner. G. IV 3 : 06.
Glöde, 0. I 5:201 2. IT 3; 11 2:
IV 3: 110; 0e:49.
Olossy. C. IV 4 : 160.
Gnad. E. IV 4 : 113; 9r : 13; 9d : I«;
Oe : 40, 63.
Gnade, E. IV 1 : 3«.
Godin, A. IV 3 : 81.
Goebel, Th. 14:0.
- F. 16: 187.
Goedeke, K. IV 1 : I; 3:11; 4:37:
6: 1; 7:2, 15; 8: 1; 9b: 39.
Ooeler t. Rarenaberg, F. I 3 : 88.
GOpfert. E. I 5 : 109; 8 : 65.
GOhre, P. I 5 : 440.
Gössgen. C. 1 6 : 22.
Goette, R I 3 : 45; 6 : 0«. IV 1 : 60.
GOti, W. I 5 : 110.
Goetze, E. IV 1 : 1 : Ob : 16.
Goldbaum. W. IV 3 : 126».
Goldbeck - Lofwe, A. l ": 1>«. IV
9c: 16.
Goldmann. K. 13: S43/5.
Goldsehmidl. A. IV 4:128a: 5:64.
- J. 1 3 : 133.
Goldstein. M. IV 9b : 7S.
Qollher. W. III 3: 10; .-. : js ;
4 : 219c.
Gothein, E. I 5 ; 107.
Gottschall. R. T. IV t : 2: 4 : 126.
Oottschick. J. I 5 : 456. II 0 : 78.
IV 6 ; 38d.
Gradl. H. II 1 : SO.
Graf. A. 15: 212.
- J F. 16: 278a. 397.
Graftunder. P. IV 9e : 115.
Grand-Carteret, J. 1 6 : 44.
Grandaur. F. IV 4 : 203.
Granichstadten. 0. I 4 : 148.
Granier, H. I 6 : 403. IV 6 : 194
Oranz. E. I 5 : 268.
Grau, R. F. II 6 : 29.
Grauert, H. II 6 : 57.
Grefe, C. 1 6 : 173. 369.
GregoroTius, L«o. I 3: 140. iV 3 : 2.
Greif. Marl. IV I : 248.
Greyer», 0. ». IV 3 : 150.
Grimm, H. I 2 : 13; 5 : 227.
Grisebach, E. I 3 : 20. IV 1 : 3;
6 : 61; 9a : 122; 11 : 67.
Groeben. M. IV Oa : 105: 10 : 87,
117
Oröpler. W. ) 4 : 69.
GrO»«i«r. H 1 6 : 35 234, b ; U!7,»
A utoren remster.
240
Gross, F. I 1 : M.
Grosse, Ernst. I 3 : 70.
Groth, E. I 1 : 19. IV 1 : 141;
8 : 16.
— Klaus. I 5 : 431; IV 1 : 203.
Grottewitz, C. I 1 : 5, 14; 3 : 69, 188,
202, 206, 239, 246, 249, 251, 254.
IV 1 : 15; 4 : 14; 9b : 96.
Grotthuss, J. E., Frhr. t. IV 3 : 10.
Gruber, H. lU 2 : 27. IV 6 : 38,
206.
Gruchot, H. I 6 : 185.
Gruel, L. I 4 : 28.
Grundig. IV 10 : 77.
Grüner, v. IV 1 : 93, 173.
Gubernatis, A. de. II: 54. IV 1 : 33.
Gude, C. I 7 : 64.
GrUneberg, W. II 6 : 95.
GrUnenwald. I 5 : 193, 294.
Gtlckel, M. I 6 : 93.
Giidemann, M. I 6 : 8b.
Gilmbel. t. I 6 : 83.
Günther, F. J. 13: 46.
— 0. IV 3 : 80.
— S. IV 1 : 136; 9a : 42.
GUntzel, F. E. 13: 67.
Guglia, E. IV 1 : 217, 243; 6 : 132a,
132e.
Gulliver, Julia H. IV 9a : 101.
Gurlitt, C. 13: 185/6; 5 : 129.
IV 1 : 88; 6 : 225b: 7 : 25.
Gwinner, Vl^. IV 6 : 81.
Haage, R. II 4 : 8
Haas, A. I 5:231.
Haase, H. I 5:322.
Haasa, F. 15: 145.
Habs-Randau. R. I 5:248.
Hadern, A. 15: 376.
Hllckermann. I 6 : 157. III 2 : 16. IV
4:147.
Bäuselmann, L. II 2:37.
Hagenmeyer, K. IV 1:222.
Hahn, L. IV 1 : 105.
— A. T. I 5:360. IV 9b: 46.
Halberg, L. 15: 297.
Halben, J. 16: 46.
Hallberg. IV 9b: 40.
Halm, Margarethe. I 3:195.
llalpert, D. IV 9e:48.
Hamann, A. I 7:27/9. IV 8:15.
Hamerling, R. IV 3 : 175/6.
Hamm, B. 16: 47.
Hammer, C. I 1 : 28. IV 9e: 75.
Hammerau, A. 15: 200.
Handtmann, E. 15: 290.
Handwerck, H. IV 6 : 2.
Hanslick, E. I 8 : 62. IV 5 : 89.
Haussen, 0. 13: 197, 242, 278, 280.
Hardegger, A. 15: 379.
Hardeland. Th. II 6 : 27.
Harden, M. 1 3 : 283. IV 3 : 7; 4: 131;
»e:8; 10 : 84; 12:2.
Härder. I 8 : 42.
Harich, E. I 8:11.
Harless, W. 18:17.
Harnack, 0. lY 9a : 118, 139; 9e : 91 ;
10: 117.
Ilurpf, A. IV 3: 176.
Hart, J. I 3 : 217, 223; 5 : 457.
Hartenstein. I 6 : 36.
Jlartcrt, F. K. 17: 62.
Hartfelder, K. I 6 : 164/5. II 7 : 61.
Hartleben, 0. E. IV 4 : 157.
Hartmann, A. II 2 : 27/8.
— J. 15: 382.
— L. 13: 166, 168, 171.
— E. V. IV 6 : 95.
Hartwig, 0. 14: 40.
Harweck-Waldstedt. I 6 : 334.
Hase, K. v. I 5 : 98. IV 1 : 219, 221;
6:113/4, 224.
— K. A. IV 6:113.
Hasonkamp, t. IV 4 : 49.
Hasse. K. 16: 181.
Hauck. H. IV 9e : 82.
Hauffe, G. 16: 48/9. IV 7 : 77.
Häuften, A. I 6 : 93. IV 4 : 5, 34/5,
50.
Haug, E. IV 1 : 236; 6 : 102, 126; 9a:
62.
Haun, F. J. 15: 104.
Haupt, 0. 16: 223. II 4 : 15; 6 : 89.
— R. I 4:53e.
Hauser. I 5 : 228.
Hausmann, S. IV 3 : 98.
Hausrath, A. IV 3 : 187.
Hayra, R. 16: 420. IV 6 : 134.
Heckel, C. IV 5 : 88.
Hegel, Imm. IV 1 : 224.
Hegewald. I 8 : 29.
Heichen, P. 15:8.
Heidemann, J. II 6 : 30.
Heidricli. I 6 : 99.
Heigel, K. Th. I 5 : 361. IV 6 : 123
7 :23.
— K. V. IV 6 : 196.
Heilig, 0. I 5 : 190.
Hein, W. I 5 : 208.
Heine, C. IV 9a: 73.
— K. 15: 338. III 2 : 41.
Heine II. IV 12 : 41.
Heineck, H. I 5 : 56; 6 : 227, 231. II
6 :8.
Heinemann, K. IV 7 : 29; 9a : 1 ; 9b :
63, 67.
— 0. V. I 5 : 46. IV 7 : 20, 22.
Heinrici, G. IV 6 : 117.
Heinsius, W. 14: 54.
Heintz, A. IV 4 : 219b; 9a : 99; 9b :
25.
Heinze, P. 13: 45.
Heinzel, R. II 2 : 29.
Heinzelmann, W. IV9e:46.
HeitmUlIer, P. IV 4 : 11.
Heibig, F. IV 4: 124; 9e : 28.
Helferich, H. I 3 : 77. IV 9 a : 20, 98.
Hellen, E. v. d. IV9a:66/7; 9b:2:
9e : 37a, 59a.
Hellinghaus, 0. 15: 13. IV 1 : 233:
9a:61; 10:2.
Hellmann; G. 15: 279.
Hellwald, F. v. I 5 : 14.
Heman, C. F. I 6 : 8a.
Hempl, G. I 8 : 40/1.
Hench, G. A. IV 9e:64.
Hennequin, E. I 1 : 2.
Henner. IV 6 : 182/3.
Henschel, A. II 7 : 57.
Hensel, S. IV 6 : 163.
Henzen, W. IV 10: 17.
Herford, C. H. 11:1.
Hermann, A. I 3 : 140; 5 : 437/8. IV
1 : 110; 3 :30, 171.
— C. Th. 15: 432.
— E. 16: 70b. IV 10:25.
— H. 13: 179.
— K. IV 6 : 38.
Herold, L. I 4 : 58.
Herrmann, M. I 6 : 221. II 4 : 12a.
— W. II 6 : 79a.
Herrmanowski, P. 15: 283.
Hertel, B. I 4 : 91.
Hertling, G. Frhr. v. IV 3 : 9.
Hertz, M. I 5 : 401 d; 6 : 105. IV 6 :
209.
Hertzberg, G. I 5 : 337. IV 1 : 55.
Herzfelder, J. IV 3 : 191 ; 9b : 43/4.
Herzog, H. 15: 404. IV 9c : 28; 10 :
(15.
Hess, W. IV 16 : 50.
Hessen, R. IV 5 : 25.
Hessler, K. I 5 : 348.
Iletzol, H. I 5 : 90.
Heuer. 0. IV 9 a : 70, 92a, 114; 9b:
7, 50, 52, 89; 9e : 37.
Heuser, E. 14: 79.
UöSiler, A. I 8 : 6; 9 : 18. IV 9a ; 92
Heunos, J. I 7 : 56. TV 9e : 20; 10 ; i i5.
— 0. IV 9c : 25.
Hevesi, L. IV ö : 12.
Hewett, W. T. IV 9d : 8; U : 22.
Heyd, W. v. 14: 77.
Heyden, A. ▼. 15: 122, 391a.
Ueydenreich, E. 14:2; 6:209-10.
Heydtweiler, G. I 1 : 58.
Heyne, M. I 5 : 16; 8:47.
Hildebrand, R. I 5 : 245; 7 : 6; 8 : 32,
37, 54; 9 : 12/4. IV 9c: 118.
Hinrichsen, A. II: 53.
Hintze, A. 15: 266.
Hippe, M. III 5 : 9. IV 3 : 34 ; ß : 214.
Hirschfeld, R. IV 4 : 199.
Hirt, H. 12: 32.
Hirth, G. 13: 62.
Hirzel, L. III 5 : 18. IV 1 : 1 ; 3 : 30;
6 : 28 ; 7 : 18.
Hitchcock, T. IV 9b : 113.
Hoehe, R. 16: 69, 71/2, 74/5, 79,
86, 88, 90, 92, 95, 100, 104, 110;
IV 6: 159; 11 : 17.
Hochegger, R. 14: 35.
Hodermann, R. 15: 64.
Höft, F. II 3 : 28.
Höhler, W. I 6 : 188.
Höhne, E. II 6 : 30.
Hölscher, L. II 4 : 39. IV 10 : 80.
Hörth, 0. IV 6 : 166b.
Hoffmann, F. IV 8 : 13.
— G. IV 3 : 236.
— 0. IV 7:68; 9a: 118.
— P. I 9: 15. IV 9d: 13; 10:67.
Hoffs, F. yan. IV 7 : 16.
Hofmeister, A. II 3 : 14.
— G. 17: .30. IV 9d : 1 ; 9e : 54.
Hofner, L. IV 6 : 55.
Hogstraten, P. F. Th. van. IV 7 : 14.
Hohaus. I 5 : 132.
Hoheuthal, F. v. IV 6 : 188b.
Hohlfeld, P. IV 6 : 47.
Höllenstein, 0. 15: :i33; III 4 : 16.
Holder, A. 16: 91.
Holderraann, K. I 7 : 57, 76. IV 8 : U.
Holland, H. I 2 : 22; 4 : 124. IV 5 : 1;
0: 147, 151; 9a: 84. 90; 11 : 92,
— H. S. 5 : 89.
Hollaender. II 7 : 69.
Holstein, H. 16: 66, 89. II 4 : 2, 9,
.35; 7 : 93. III 4 : 7, 14a. IV 1 : 239:
5: 50,
Holthausen, F. IV 7 : 50.
Holtze, F. 15: 306a.
Holz, A. 13: 52.
Honegger, J. J. 13 : 131.
Hoogewe^. I 6 : 12;J.
Hoops, J. IV 7 : 78.
Hopf, A. I 6 : 119.
Horik, W. 18: 25.
Hörn, E. T. II 6: 83; 7 : 68.
— G. IV 5 : 84.
— W. IV 6 : 188a.
Horning, W. I 5:378; 6:156. II
7 :59.
Horst, J. V. I 5 : 393.
Hosmer, J. K. II: 39.
Hostinsky, 0. I 3 : 12. IV 6 : 80.
Hottiuger, Ch. G. 15:6.
Huber, A. I 5 : 387. IV 4 : 191.
— H. 14: 149.
Hübner, A. v. IV 1 : 173; 6 : 197.
Hübsch, O. I 6 : 120.
HOffer, H. IV 1 : 93; 3 : 113.
Humanus. IV9e:81.
Hummol, F. IV 10 : 12, 21; 11 : 26. 52.
Hunzikor. 0. I 6 : 28. IV 6 : 219, 21«a,
Hur h, H. III 2 : 2a.
Hurel, J. IV 11 : 3.
Hutteu-Czapski, M. Graf v. I 5 : 286a.
Hutzelmann, Ch. 1 5 : 77a. III 6 : 35.
Iber, H. 16: 203.
Ignotus. I 3 : 230
Ul
Autorenregister.
Ibme, r. k. I 4i 1.
Hg, A. IT 9a:«.
Tg. 12: 14.
Ilwof. IV 6 : 186.
Imolmann, J. I 7 ; 43. 8&
Inner. 0. IV 10 82,
Irmisoh. L. IV Of> : 130.
Jacobi, L. I 5:4('A
Jacobowskl. L. I 1 24: 8:94/5,
•-•67.
JacobA. E. 15:127. 143. 161, 332,
400e; ff : 67/8
Jiicoby, D I 2:16: 8 IR. IV I ;1:
6: 161; 9a : 44. 50: Oc : 27; 0e;41
Jsokel. R. I 6:212
Jäger. 0 IV 1 : 61
Jagow, Et 13 175
Jahn. H. I 7 : 15
— U. 16: 242 IV 1 : B3.
Jan s. H. r Ludwig
Janitsobek. H 1 4 36
Jauscha. J. IS 2.53
Janssen. J. II 1 10/2; 7 13
Jastrow. J. r 5: 102 IV I .60.
Jecklin, F. IT 2 : 18
Jedrzejewski. K IV I 8
Jeep. E. 13. 142; B . 252. U .1 . 25.
IV 11 :66/6.
Jelinek. B. I 5 : 192.
Jnllinek, M. III 2 : 28.
.Inllinghaas, II. IV 4:5a.
.lenny, G. 15: 136
.»ensen. W. IV 3 : 214.
Jent.scb, C. I 8 6; 5 : 363. kU 2 : 85.
IV 3 : 27.
Jessen, A. Ch. 16: 60.
Jodl. F. IV 6 : 37, 87.
ijhn. A. I 5 114. IV 3:239.
Jona», F. 16. 103; 7 : 68. lY « ■ 105;
6 : 214.
- L. IV 11 . 2a
- B. I 7 : 77.
Jordan, K. F. 19: 233; 4 24, 106,
127. 157, 159; 9:a
Josepbson, Axel 0. S. > 4 : 'MfS.
Jung, R. 12. 23. IV 1 : 85; tfa : 16,
48, 91 ; 9 b : 104 ; 9 0 : 4.
Jungfer, H I 6 : 177
Jasti. F. IV 1 ■ 55.
Joynes, £dw d. IV 10 : 88.
Kabatnik, F 16: 145
Eade, U. III 8 : 83, 43. 17 % : 8;
9d:9.
Katxler, G IV A 205 b.
Kaiser. 1 6 ■ 191
Kaickstein, t IV 1 : 46
Ealisoher, AC IV 4 206/7; 7:60.
Kalns, A. 14: 141.
Kambli, C. W IV S ; 149.
Kamprath, F. 17: 4S>
Kant, U. IV 9e:9
Karpeles, G. IV 1 : 132, 187; 4:159;
5:9; 12 : 7/8.
Kastner, WA 19:9
Katt. F. I 5 : 36
Katcenstein, L. IV 9a: 79.
Kaufmann. D. IV 6 88 f
- Q. 16: 153.
- M. IV 9a ; 182. 9e 80
Kauffmann, F. I 8 : 6- V
Kaweran, Q. II 2 : 3; 6 : 3-5, 20. 26.
33/4, 60, 69. 80/1; 7 : 8, 81/2 37 »4
- W. n 7:47. IV 9a: 84, »D.6S
Kayser, CO. I 4 . 64 a
- J. 16:8.
Kayserllng, M. lY 6 : 38 g.
Kehrbaoh, K. 1 6 : 33 IV 6 : öa
Kehrein, J. 17: 78
- V I 6:8; 7:78
KeU, R IV 9a : 62, 92b; 9o : 12.
Kelter, E IV 4 : 186a: 5 : 28
- H. 1 1 ; 66. iV 8 . 165, 171;
12:4.
ÜHliroa berichte für neuere deutsche
Kefti. A. ▼. I 4 ; 82.
Ketchaar, E. ( 4 37. IV 11 : M
Kellar. J. IV 8 : 51.
— 8. ■. 1. Schrill.
KnllMT, HC IV Va M.
- L. 1 6 : 26
RAllog. 0.0 II 6 93.
KAmpner. A. IS: 174
K>-i.uard, A IV » 205 a
Renoady. II A 13: 173
Keni. 11 ■ Birden
K-rkar. M 11 7 53
Kurier. D IV I 40
Kern, f rv u* . 65
KnHHeldorfer. F. I »
202
10
>28.
Kettnar 0 IV «• 88;
ReuiTer. M 14:1
KMusaao, D i • : I61.
-HI« 124. 162
Reyaser, A I 4 61
Khull. F. i 8 . 66
Kier. NO II 6 81
Kiesel. III 6 : 30
Kieser. H IV 8 . (»
Kieaewetter, C. I 5 M.
Kiewning, H. 11 7 26
Kiliau. R I 3 . I7U IV 4 •S'J: 4 4,
63; 9a: 78; 9e : 16/7
■{Intel. K IT 42.
Kippenberg, J I 7 96
- K IV 8e Hb
Kirohhoff. A 1 4 .S2. lOO-ll 115,
118/9, 126. 128. 131 U6f7
Kirsch, A. IV 1 :4ä.
Kist, L. 16: 385.
Kiy. Y 18: 103.
Klatt«. A. 1 4 : 78.
Klebe. E. I 1 : 27, 32.
Klee. O. 1 7 : 9. 98 lU 8 ; 8. lY
4: 114.
Rleemann, S. UI 3:8
KlelnpanI, R. 16. 66
Kleinscbmidt, A I 6 365
Klincksieuk F IV 3 . 1
Klinger, M IS. 29
Kloeppei, K. 16 6.
Rlopler, E 16: 464.
Kloppenbnrg II 6 80.
Klotz I 6 : 126
KInekboha, A IV I : 81
Kluge. V 18: 40. 43
Rluibenschedl, II 114: 37
Koaake K 11 6 66; 7 t>3
Knebel, K IV 4 . 62
Knecht. IV 6 : 22U
KL(<i8el, B I 1 :H4
Kneucker, J J II 6 : 54.
Kniescbek, J. 1 7 13
Knispel. H. IV 6 : 77
Knooheohauei 1 6 : 400
Kuod. U. 14: 13/4
Knöll. W. 11 6 «6
KnOpfiei, A II 7 : 12 14.
Knoke. K. II 6 31
Rnoop, U. 16: 255/7
Knortz. R lY I 16
Kobell. Lnixe t IV 1 226; 6 : ISS
Ki>Rh, A I 4: 116. i:V>
- M 1 1 61; 6 : 13 11 4-26 fV
1:1, 199-200; « : 156, 9a: 2 23.
39, 58. 6» 73. 97. 104. 10».». 115 117,
122 135; Ul>:102; 9e : 2, 6. 16/6.
3U 40/1 4«. 60. 62. 81. »4. 88,9.
115 123, I:t6, 10: 117 119-20 130,
II : :^l A4
- W I 4 : 66a.
Kocheudaiffai R i « . M
Roebai, h f. IV « ;6t»
ÜOhler. S 11 1 5
- 0 I 1 : 88
- HaiDb IV 9t> -9«
Koentg, R 1 I : 4V. 7;9t)
- W IV 10: 46
loMigk, U. i • . XM».
Litteraturgeschichta II (::<.
lOnaeek«, 0. 11 1 : 18.
Körting, B. III 3 . 11.
Kotier. 4. I i>. H. lY S;lt; 4:1
7; 6.68; 7 . 76; 9« : 33. 44. 71
10:8. 86, 66 117; II : 12. 29, 6«.
Koctliii, J. 16.46 116.8,88,88
KoeUehaa, P. I 6 : 96.
Kott. T. I 6 : 29
Kohl. Hont. IV I 103.
Kohlmaoo. P. I 4 138.
KohlraMOh, A II 6 : 79.
Kohltchmldt IV 0 : 188«.
Kohr«. a. IV 8 ; 120.
tfobot. A. IV I 118. n ; 129. 108;
4:53/6. 213; 5:55. 60; 6 . 103/5.
Kolb«. A. I 6 101a. II 6 : 24
Kolda, Th. I I : 32 II 6 : 1, 45, 64,
76« 7:8-4
Soldeway, P 16- 169- ia
HollnaBO, A. III 4 : 2&
Koppal. B. IV 3 196.
Korth. L. I 5 : 188
Roter. R. IV 1 : 70
Kottmann I 3 : 189; 5 : ZtsS.
Koaleo, J. I 6 : 224.
Kralik, R. r. I 3 63
KraUInger, H. I 6 : 60.
- J. B. 16: 197.
Kratf, H. IS: 67.
Kraus. Eberhard. I 8 : 277
- Emat III 4 : 31
- 0. 1 3 : 238.
KrauM. Emil. IV 4 190, 5 : 74.
- Emat IV 6 172/3
- O. IV 6 : 179-80
- K. E. n. I 6 : 7t, aoftb, 401. n
8 : 14. III 5 : 8.
Kraba, E. IV 4 : 200
- B. II 7 : 35
Eremer, K. 14: 150
Kreowaki, B IV 3 129; 4 : 57.
KreUchman. Lily t IV 9 b 49, 09,
70, 99; 9e:3, 6; 11 : 35
Kretaehmer. A 16 124
Kreyenberg, G lY 4 . 68. 6 «16
- T IV 4 : 69
Krimmal. I 6 : 61
Kroua m 6 . 6
Kronenberg, tl I 8 Sa IV « : 88,
80; 8: 10, 10:37
Krooaa. F t IV I : 160
Kroscbal. I 6 : 183
RrBger. K I 6 207
Krumbaeher, R IV 6 : 1375.
Krumm, J B IV 4 161
Krummacher. B. II 6 11.
Krnta, R G lY 4 SIS.
- 1 8 : 94
Kuhn, W IY9a:88
KUhne. M F II 7 : tS
Knhnemann E lY 6 . 44
Koenen. B I 7 : 65.
Rdraebner, J. lY I : 143 98 119
Kohl I 6:196
KuhlenbMk. L I 5 : 456
KuknU. B. I 4 : 86
Rommer. P IV 3 84/6; 4 : 28. 164;
5 : Sl; 6 : 62; 9b : 4U, »4 : IS;
«•:22 106; 10: 127
- W 18: 142,-3.
Rontxa. F 1 8 : IS.
Kort. Y lY I : 14»
Karth. O I 5 : 68
Rata«her, J 1 5 388
Kawart, M 1 1 ; 49
ta Yk-Bonellt. M. I 8:19.
l.than. P IV 6 : 156.
Laddey Emma 1 1 : 51
Ladewig, P 1 4 : I5S.
LlBgin, Tfc 1 8 : 26. IT 3 : 9.
Lagarde. P de I 5 : 61. IV 6 . 225».
Labmet. B 15; :{96^
Lamy. r. lO 5 i 1.
lü
Autorenregister.
242
Lamezan, K. Graf. IV 6 : 93.
Lammors, H. IV 6 : 16.
Lampadius, F. IV 10: 14.
Lamprecbt, K. 15: 101.
Landau, M. IV 4 : 60, 64; 9d : 17.
Landraan, D. IV 4 : 224.
Landmann, K. IV 4 : 220a.
taudslierg, E. 15: 402a. II 6 : 73.
Lange, F. I 3 : 199.
- K. II 7 : 39.
Langenberg, E. 16: 33.
Langer, 0. II 7 : 45.
Langguth, A. 14: 99.
Laiiglians, E. IV 7 : 69.
- W. IV 9b : 24.
Langsdorff, W. v. 15: 197.
Larue, E. IV 1 : 84.
Lassen, A. I 3 : 192. IV 6 : 93».
Lasswitz, K. IV 6 : 94.
Latendorf, F. IV 4 : 101
Lauen8lein(=Ti!le), A. I 1 : 21; 3 : 200,
225/7, 253. IV 5 : 22.
Lautner, M. IV 6 : 150.
Lavjsse, E. IV 1 : 73, 77.
Lawrence. IV 10: 101,
Lechner, G. IV 5 : 13a.
Ledereq, E. 13: 60.
Lediea, A. 14: 156
Lefmann, S. 12: 30.
Lehmann, E. IV 4 ; 61
- B. 1 1 : 44; 3 : 20. IV 6 : 57, 61.
Leicht, A. I 5 : 268.
- V. IV 1 : 130.
Leimbach, K. L. 17: 66. IV 1 : 18.
Leist, F. 15: 260.
Leitzmann, A. IV 4 : 2; 6 : 31.
Leixner, 0. v. 15: 25, 446. IV 9b : 84.
Leland, C. G. IV 12 : 23.
Lemcke, P. 15: 48.
Lemmermayer, F. IV 3 : 181 ; 4 : 62,
161; 11:43, 45.
Lenz, M. II 1 : 6; 7: 70, 76.
Lessing, J. 15: 16, 120,
Leutrum, Cf. Graf. I 5 : 380.
Lövy, B. IV 7:46; 9d: 6; 96:66.
— Brühl, L. IV 7 : 30.
Lewes, Q. H. IV 9b : 34.
Lewinsky, J. IV 10 : 16.
Lezins, F. II 6 : 90.
Lichtenheld, A. 1 7 : 47. IV 4: 11
Liebenau, A. v. 15: 373.
- Th. V. 15: 53.^ II 1 : 9. IV 9a:82.
Liebknecbt, W. 13: 214
Liebmann, H. IV 6 : 42.
Lieboldt, J. III 4 : 20.
Liepmann, H. IV 6 ; 61 ; 9a : 41.
Li<?r, fl. A. 15: 400, 400d; 6 : 8?. 11
4:29. ni 6:3, 33. IV 9a: 51. 8.3.
i- L. I 3: 160/1. 1113:4; 4:14.
rv 6 : 17/8, 68.
liesen, B. 16: 381.
Liliencron, B. v. III 2 : 4.
Linckelmann, W. IV 1 : 234; 9a : 60;
9b : 58.
Lindan, P. IV 1 : 184; 6 : 203; 9d: 20.
Linde, A. v. d. 14: 10.
Lindenberg, P. I 5 : 314.
Lindner, F. III 2 : 8.
Lingke, A. 15: 405a.
Linke, 0. IV 3 : 236.
Linnig, F. 17: 79.
Linsemann. I 5 : 76.
Lippmann, E. 16: 295a.
Lipps, Th. I 3 :31, 71, 100, 142.
Litzmann, B III 4 : 15a. 32. IV 4: 32;
ö :42; 7 : 74; 9e : 16.
Locella, G. v. IV 9a: 133; 9b : 45.
Lodeman, A. IV 7 : 32.
Lobe, E. I 6 : 168.
- J. 16: 168.
LObell, B. IV öd: 11.
Löbner, H. I 8 : 63, 131. IV öe : 83.
Loening. I 6 : 163.
LoevM, Q. T. rv 90 : 9.
Lösche, G. I 6 : 129. II 7 : 5, 19, 21,
30, 58.
Löschhorn, II. 17: 35. IV 8 : 7.
Loew, J. IV 9b: 65, 91.
Löwenborg, J. IV 1 : 65; 6 : 203.
Löwenfeld, R. IV 5 : 36.
Lohmeyer, J. IV 1 : 63.
- K. II 7 : 26.
- 15:4.
Lombroso, C. 13: 64/5.
Loose, W. I 5 : 311. II 7 : 18. IV
7 :54.
Lorenz, 0. I 1 : 27. IV 6 : 133, 197.
- B. II 6:84.
Lorinser, F. IV 1 :227.
Lorra, H, 13: 213. IV 6 : 25j6, 98.
Losch. F 15: 225.
Loserth, .1. 11 7 : 17.
Lossen, M. II 7 : 36.
Lothar, B. 13: 262.
Lucac. IV 3:4-5
Lucas, J. 16: 52.
Ludwig, D. A, III 4:36.
- Herrn. IV 3 : 97.
Ludwigs, G. IV 3 : 2:J8.
LUbke, W. 15: 15, 427. IV 1 : 209,
257; 9a; 21, 89
LUckP, 0 IV 3 • 42.
Lüdecke, F. 11: 35.
Lüders, C. W, I 5:55.
LUning. H. J. 17: 80.
Lattich, S. 15: 298,
LUtzelberger, E. K. .1. II 4:21,
LuginbUhl, B. IV 1 :235; 9a ; 64.
LulTös, J. 18:4.
Lundstedt, ß. 14: 142.
Luschin v. Ebengreutb, A. 15: 62.
Luthardt, C. E 15: 428. IV 1 : 225;
6 : 38c.
Luther, J 11 6 : 22.
Lyon, 0. I 2:37; 7:7, 100; 8:20.
IV 6: 223; 9a: 34; 9b :21/2; 9o:119,
Maag, A. 14: 30. IV 7 : 35,
Maas. H. 15: 417.
Maass, K. 13: 128.
— M. IV 6: 110.
Machule, P. II 3 : 37
Mackeprang, P. 16: 217,
Mahly, J. I 3 : 119.
Mannet. IV 6 : 70.
Maffei, A. IV 9d : 7: 9e : 58: 10 : 69,
60.
Magnussen, Job. IV 9e : 27,
Mahrenholtz, E. I 3 : 2; 5 : 5 IV
10 : 99.
Majunke, P. ü 6 : 54/5.
Malkowsky, G. IV 9 b : 103.
Mann, M, I 6 : 34, 159. IV 3 ; 13
Mantegazza, P. 13: 69.
Manz, G. 13: 87.
Maraun, W. IV 1 : 100
Marholm, Laura. I 3 : 281/2. IV 3 : 147.
Markgraf. I 6 : 96. III 2 : 53
Marsop, P. I 3 : 264. IV 4 : 201, 218,
Martensen, U. IV 6: 117,
Martin, B. 15: 304.
- E. I 5: 32, 402b. m 2:12, 16;
5:11. IV 4 : 24.
— F. II 6:23 a.
- Th. 15: 124a.
Martino, M. di. 15: 236.
Martiny, B. I 5 : 215.
Marziani, G. v. III 4 : 34
Maser, S. 16: 229.
Masson. F. 15: 313.
Matthias, E. I 5 : 246/7, 275.
Maurenbrecher, W. 16. 40ic. IV 6
: 178.
Maurer, K. 12: 36.
Mauthner, F. I 3:65. IV 3:229;
4:63, 166; 5:83; 7:26; 9a: 2;
9« :8g.
Mayer, G. II 1 : 7.
— Th. F. II 6 : 87.
Mayerhofer, J. 14: 88.
Mayr-Deisinger. II 6 : 4; 7 : 42.
Mc Lintock, B. IV 12 : 23.
Mehring, S. 19:2, 10.
— Th. III 4 :31a.
Meidel. IV 3 : 52.
Meinecke, F. I 1 :27; 5 :-97.
Mejberg. I 6:113.
Mejer, 0. II 7 : 5.
Meli, A. I 5 : 72.
Mendheim, M. IV 3 : 14, 94.
Menge, C. I 8 : 13. IV 9b : 80.
Mensi, A. t. IV 1 : 245.
Mentz, J. II 7 : 70.
Mentzel, Elisabeth. IV 5 : 71 ; 10 : 68,
Merian, H. I 3 : 232. IV 3 : 2.J6.
Meringe., B. 15: 108a.
Merkel, F. 16: 422. IV 1 : 202; 6 :
169.
Methner, J. I 3 : 39.
Metlig, K. I 6 : 391.
Meyer, Ch. 15: 21, 34, 115, 320,
368.
— F. IV 4 : 184.
— F. H. 14: 108, 112,4, 117, 133/4.
— H. I 1 : 41.
— K. II 2 : 4.
— 0. I 4 : 35.
— B. M. I 1 : 14, 47 ; 3 : 52, 101 ;
5:43. IV 1 : 117; 3: 8, 28.
— T. Knonau, G. IV 6 : 198.
— Schwalbe, M, V?. I 6 : 53.
— V. Waldeek, F. IV 3 : 40a; 4 : 22;
9d:23; 10 : 8.
Michael, E. IV 6 : 123a-b.
Michaelis, A. IV 9a: 118.
Michels, V. I 2 : 38.
Miehlke, A. I 8 : 8.
Mielke, H. I 3 : 220.
Miller, M. I 7 : 11.
Minor, J. I 3 : 37, 102. II 3 : 33 IV
4:2, 6a, 10, 33, 50, 101, 103, 106,
182; 5:44; 7 : 19, 39; 9a: 73; 96:
76; 10:29.
Mischner, J. IV 1 : 10.
Möller, Cajus. I 3 : 263|6.
— W. 14: 151,
II 7 : 1.
Mohl, B. V. 15: 383 ; 6 : 163.
Moldenhaner, 0. IV 6 : 116.
Moltke, Graf H. v. IV 1 : 145, 156;
12 : 15,
Moltzer, fi. E. II 3 : 14.
Mont. P De. II 3 : 6.
Moormeister, E. 1 5 : 103.
Morgenstern, Lina I 5 : 39.
Morpurgo, S. II 3:39.
Morsch, II IV 4:4; 9a: 78a, 115a;
9e:47.
Moschkau, A. I 5 : 341a.
Mosen, P. II 6 : 68.
MUgge, B. IV 9a: C5.
MUhling. C. IV 6 : 137c.
Mülinen, W. F. v. 15: 374.
Müller, Ant. II 4 : 39.
— C. II 3 : 24.
— Curt. I 5 : 453.
— E. I 2:6; 6:240. IV 10:7, 123
137/8.
— E. B. B. IV 6 : 56.
— Q. I 4 : 24; 5 : 65; 6 : 97, 141. 146.
11,6 : 25, 76; 7:92, 104.
— H«ns. IV 1 :236. 249; 11:93.
— N. II 6:13; 7:6.
— Otto F. IV 6 : 129.
— W. IV 1 : 69, 163, 18».
— Bohn, H. IV 1 : 129.
— Fraureuth, K. IV 1 : 1.
— Frauenstein, G. IV 1 ; 6.
— Guttenbrunn, A. IV 4 : 40, 167.
MUnz, B. 13: 22, 116/7; 6 : 443. I?
8:176(6:96, 188c; 12 :&
349
Autorenregister.
Mfln«, 8. IV «: I37Ii-.|.
Muggentbkl«r. L. I 0 : 121.
Mummenhofr, E. 14 : 100, 366; II 1 : 18.
Muncker, P. IV 1 : 1. 69: ^ : H>2,
218/0; 4:5a, 210a, 223 5; 7: 1, 2,
7; 0a:35; Ob: 35; 11 : 1».
Uuret. I 5 : 310.
Unis-Araolt, H. I 8 : 42.
Muscogiuri, F. IV 4 : (14.
Hushacke, W. 15: 284.
Müiioi, R. III 2 : 19.
Nadroorski. I 5 : 3ia
Nagel, J. II 7 : 27.
Napiorski, J. O. L. t. 16: 377.
Nstban, P. IV 1 : 140.
Nattmer, O. E. t. IV 1 : 97.
Naud«, A. IV 1 : 74.
Naumann, E. I 8: 11.
Nebe, A. 16:18. 116: 26.
Nebeltbau, J. 14: 50.
Nebert, R. 18:2.
Neeker, M. IV 3:201; 4:05, 1G4/5,
174; 6:123 c.
Needler, G. H. IV 3 : 49.
Needon, R. 16: 302.
Neide, S. IV 10 : 47.
Neitxel, 0. IV 4 : 192.
Nestler, M. J. IV 10 : 15.
Netolioika, 0. IV 12 : 32.
Neubaur, L. II 7 : CO.
Neubauer, R. 17: 42.
Neugraf, A. 13: 79.
Neuhoff, K. A. 15: 282.
Neumann (Hammerstadt). I 6 : 147.
Neumann-Hofer, 0. I 3 : 78. IV 8 :
166, 197; 4: 143; 5:31; 6:38.
Nentwig, H. I 4 : 40.
Ney. II 6:71.
Nichols. IV 10 : 101.
Nick, G. I 4 : 80.
Nicklas, J. 19:1.
Nieden, J. 17: 89.
Niemann, C. L. 15: 829.
Nieraeyer, E. IV 8 : U.
Nielsen, J. II 6 : 92.
Niessen, W. III 2 : 3.
Nietschmann, 11. IV 6 : 9
Nietzki, M. I 7 : 45.
Nizet, F. I 4 : 64.
Noble, C. IV 9e : 129.
Noll, J. IV 9a :85a; 11: 89.
Nover, J. 15: 352. II 3 : 7,
Nowak, W. 16: 206..
ObertiuipHcr, K. F. V. I 5 : 6.
Obser, K. IV 3:40; 4:21.
Odinga, Tb. II 2 : 30. III 4 : 12. IV
12:5.
Oechelbäuser, W. IV 11 : 8
Oechsli, W. II 7 : 83.
Oehlke, A. 11:48:5:469. IV 1:41.
Oekander, 0. II. III 2 : 82.
Oeri, J. U 4 : 14.
Oertel, O. IS: 107.
Oesterlein, N. IV 4 : 226.
Oftording, R. II 3 : 30.
Olbriih, C. 18:27. IV 9a: 115; 0o:4.
Olfers, Marie y. IV 3 : 210.
Olthoff, F. I 4 :26».
Omont, H. 14: 75.
OockeD, W. IV 1 : M.
Oppel, A. I 6 : 89.
Ortwein, F. 15: 205a.
Osswald, P. I 5 : 167.
Oswald, E. II 1 : 3. IV 9a : 27.
Ost, CG. 14: 56.
— L. I 4 : 66.
Otbmer, 0. 14: 56.
Ottino, G. 14: 34.
Otto, F. 16: 176; 6:87; 7:90/L
II 8:16: III 2: 10.
— Q. 16: 177.
Ozenfoid, John. iV 9b: 81.
Ptetew, W. IV 3 : 78, 204; 11 : 48.
Pagel. IV 6 : 34, 43
Pabncke. IV 4 : 144.
Paldamu«, F. C. 17: 81.
Palleake, E. IV 10 : 7.
Pallroann, H. 18: 21.
Paludan, J. III 4 : 2, 17.
Panizza, 0. I 3 : 83. IV 3 : 20 ; 5 : 26.
Pantea. 16:4.
Pariaer, L. III 6 : 10.
Paizkow-iki. IV 6 : 100.
Patzig. II. IV 11 :73.
Paudler, A. IV 5 : 78.
Paul, J. I ü : 42.
Paulus, E. I 6 : 358.
- N. II 6:45,64; II 7:16, 43/4,50,
52, 72.
Peobt, F. IV 1 : 182.
Peez, A. I 6 : 110.
Pelissler, L. O. IV 1 : 173.
PelleclK't, M. I 4 : 42, 101.
Perle, F. I 5 : 300.
Peschel, E. IV 4 : 100, 107.
Peters, H. 15: 139.
Petzet, E. IV 3 : 18; 9b : 43.
Pey, Alex. IV 10 : 122.
Pfaff, E. I 5 : 137
- F. 16: 278. IV 4 : 27.
Pfleideror. 0. IV 1 : 47.
Pflugk-Hartung, J. v. IV 1 : 65.
Prutze, K. 8. Grottewitz.
Phillppi, J. IV 5 : 70.
Philippson. M. IV 1 : 65.
Pbulstun, G. IV 9a: 2.
Pichler, A. III 6 : 23.
Pietsch, L. IV 1 : 206 8; 7:26.
- P. II 6 : 1.
Pilk, G. I 6 : 163.
Plaumann, A. 15: 52a.
Plenz. II 7 : 27.
Pniower,0. IV 4 : lö;9a: lU4;9b:07,
9e:89. 110, 113.
Poescbel, J. I 8 ; 36.
Pohlandt, M. 1 G : bf.
Poncelis, P. M 11: 40.
Pons, Hart. II 6 : 40.
Poppenberg, F. IV 3 : 148; 11 : 33,
Portig, G. I 3 : 62. IV 1 : Kw . 7 . 73.
Porio. I 1 : 66
Poschinger, Hr. IV 6 : 189.
Prel, C. du. 13: 250,9
Prem, S.M. 16: 21», 237. IV 9b 43.
Prien, F. II 3 : 14
Primer, 8. IV 7 . 47.
Procbazka. R Frhr ▼ IV 6 : 7».
Prodnigg, H. 13: 14. IV Od . 21 :
11 :4.
Pröhle, H. 13 18 : 6 • 70. IV 8 : 82;
6 : 160; 9a 37 47: H : 86.
PröU, K. IV 4 , 66
PrOlss. B. IV 9h- 110
ProBcb, F. T. 17- 4'4, 97. IV 1 : 5;
7:42.
Puls, A. n 2:36; 3 23. IV 3: 16,
118.
Pyl, Tb. I 5:400a. IV 3:83.
Räch«, P. B II 4 ; 11/2.
Rsckwiiz. I 6 . 199.
Rade. P. M. II 6 : 3
Radecke. E II 2 : 39.
Radlkofer. M. 114 31.
Kahn. J. U I 5 40».
Uambaud. A. IV 1 : 76. 165.
lUnke, L. V IV 1 : 212, 6: in
Ra-^p. L. I 5 • 74
Hathgeber, J. J 6 : 81, 262. IV 6 : 8.
Batzel. F. 15: 11.
R»u. A. I 3 : 65.
Bausch, A. I 7:21/2; 8:64a.
BaTmaini, L. IV 3 : \:M>.
Raydt I 5 : 238.
Rebhuhn. A. I ti : 40, 65,
Bederu, E. t. IV 1 : 981
lUdlleh, R. Ch. IV I : I ; 7 : la
- 0. 15: 14». n 6:51.
RegeDibarg, F. 15: 18:), 390.
Rabom, K. I 7 : 81. IV 12:35.
B«ib«r, F. 15: 135.
Reiche, B. IV 1 : »2.
Heiehel, E. IV 4 : 223; 6 : 30; «« : 00.
- H. 16: 220.
- B. IV 10:64.
B«leh«Dh*rt, E. I 6 : 184.
Baiehantperger, Aug. I 8 : 43.
B«iireraebeid, AL III 2 : 24 ; 4:0.
IV 4 : 128.
BAimann, H. IV 5 : 74, 82/3.
Heinbard. B. 16: 215.
Beinbardt. K. I 0 : 80.
BelnhardatOttnor, K. t. 13: I30d.
rV 4:223; 12:25.
Beinhold, L. I 8 : 63.
B«ia, B. I 8 : 14.
BaUmann, A. I 8 : 100/1.
Beizer, A. I 4 : 152.
Bella, W. I 1 : 13; 3:201.
Benner, J. F. Ch. IV Oa : 29.
Beqnin. I 4:8.
Benleauz, F. IV 12 : 34.
Banling, K. IV 4 : 24a.
B«aseh, F. II. I 0 : 108. II 0 : 4; 7 :i2:
B«aM, F. I 5 : 178.
- B. II 7 : 73.
Bhenin«. I 8 : 60.
Ribbeck, W. I 6:01.
Richard, P. IV 6 : 69.
Richter, Alb. 16:17,24.128. U 4:19k
- J W. I 5 : 20.
- P. 18: 140.
- W. 16: 205.
Richardson, C. F. 14: 57.
Riegl. A. 16: 281.
Riegel, II. I 8 : 20. IV 7:21.
Biehl. W. H. T. I 8:84; 5:4ia 17
6 : 137.
Biekhoff, Tb. t. U 1 : 2.
Bien, du. 14:6.
Bietschel, G. II 6 : 60.
Biffert, J. IV 3:73; 4: 115,
Ribter, Eligias. IV 3:2Jl.
Riquiez. E. IV Oe : 67.
Risch. P. I 6 : 66.
Rissmann, R. I 6 : 64.
Bitt«r, H. I 5:12. 41». IV 4 : 217.
Robert, F. I 13 : 13Cc.
- U. I 6 : 166.
Bobertaon. \V. b. n 6 : »4.
Bockatro IV 5 : 80.
Bodenber;;. J. I 6:86, 411. IV 1:123,
100 214; 8:207; 4: 125.
Boeber, F. IV 6 : 24.
BOckner. H IV 4 : 215.
Boediger. M IV Oa : 78.
Röhr. J. I 1 : ö. 14. 21 ; 3 : 244.
ROhrich. W. 15: 10.
Röhricht, R. I 6 : 156.
BOsaler. C. IV 7 : 25.
- K. J. 16: 1023.
Boetha, G. I 2 : 110; 3 : 00, »3; 5 : 13.
n 2 : 23,6; 8 : 1; 7 : 100. IV 1 : 117«
Oa: 118.
Boetteken, II. 18: 104.
Bog«r«, W. T. I 4 : 33.
Bogg*. IV 4 : 67.
Bohlen, M. I 6 : 195.
Böhmer. E. IV 6 : 18«.
Ronke, W. I 6 : 190.
Boquetto, 0. IV 1 : 210: 3 : 209.
Bosegger, P. K. IV :i : 123. 181 j
4 : 178.
Bösen. A. IV 4 : 122.
Bosenberg. A. IV 6 : 73.
Bosenberger, F. 16: 220.
Büsenfeld, E. IV 3 : 202; 4 : 142.
Bosenkrant, A. 16: 151.
Bosenstein, J. IV 1 : 147.
BoaenthAl, D. A. IV 6 : 1191
16»
Autorenregister.,
^44
AosÜrtt, k. 18: 150.
Bosner, L. IT « : 179.
Boss. J. IT 12 : 24.
Both, F W. E. T 4 26» 6 : 404a 'H
8:28
Boara, H. 1 4 : 43.
RoQssette. E. TV 10 : 111.
Rudio. F. n I : 20.
Rudiger, 0 I 5 : 322 ID 4 r 18.
RUegg, B I\ 1 : 58
BUhl, F. IT 6 : 137»
Flthl«. 0. T 5:4.
Rueppreoht, Ch T 4 • 15. ü 66/7
Rnff I « : 258.
Bnge. 8. I 5 : 88
Baland, 0. TV 1:28; Oa : 18/9 27,
71. 112: 9b: 6, 62; 9c :1.
Bnllmann. W TV 5 : 30.
Rnprecht. W. T 4 : 144/6,
RnsoonL Carlo IT 10:59.
Bastig«. H. V T 5 : 358
SmIi. A. I 5 : 10. n 4 : 10
ßacbsse, H. IT 7 : 5
Sänger. S IT 10 : 38.
Saintsbnry, G. I 1 : 16.
Salamon. L. 16: 166.
Sallmann, K. I 1 : 57; 6 : 13. 347. 372
IT 6 : 62. IT 6 : 112.
Sallwttrok. E. v. I 6 : 34.
Saiten. F. IT 9e : 93.
Salzer, P. Cl. 16: 196.
Samosch, 8. IT 1 : 4; 8 : 227
Samsoo. H. r 15: 421.
Sander, F. I 2:6—8; 6:57, 111.
IV 6:112.
Sanders, D. I 8:67; 9:4; 9c:4,
30; 9d : 25.
Sargant, E. B. 1 4:56b.
Sarrazin, J. IT 8 : 1 ; 10 : 98.
Sauer. A. IT 1 : 1; 4 : 128, 166; 11 :
38.
Sani, D. IT 6 : 165 a.
ScalTini, 6. IT 9 e : 104.
Schachinger, R. IV 4 : 165.
Scback. A. F. Graf v. IT 1 : 193; 3 :
208.
Schäfer, O. I 1:31; 6:2.
- F. I 6 : 68.
- K. 16: 349.
Schaffer, Th. I 8:38a.
Schaff, Ph. I 5 : 17. n 6 : 6».
Schanz, UlL IT 10 : 127.
Schurdt. I 1 : 67.
Scheer. I 6 : 69.
Scheerbart, P. I 3 : 28.
Scheiehl, F. n 7 : 21.
Schellwien. B. I 3 : 118.
Sohenk zu Sohweinsberg, G. 11 3 : 21.
ßcberer, Edm, IV 1 : 162.
- W. II: 45/6.
Scbermann, L. I 2 : 30, 33.
Sehetüer, P. IT 8 : 190.
Schiepek, J. I 3 : 129.
Schiff, B. I 8 : 63. IT 1 : 184,
Schild, n 6 : 63.
ßcWll, H. IV 96:106.
Schiller, H. 16:3a.
Cchillinger, J. I 5 : 70 a.
Bcliinimelbnsch, Yf. IT 4 : 68; 9» : 118
Ob : 19.
Bcliinner, A. I 6 : 344 a.
Schlaf, J. I 8 : 228.
Schlaz. I 6 : 221.
Schleche, J. 16: 364 a, 405 b.
Schlegel. IT 6 : 14.
Schleichl. II 7 : 68.
Schieiden, B. IT 1 : 166.
Schleimer, A. IT 6 : 38 a.
Schienther, P. I 5:412. IT 4 : 88,
173; 5:8, 29, 84, 39-41, 47, 65; 7:
2Ü, 59, 66; 9a : 2.
BoUeainger, 8. lY 4 : l«8.
Schietterer. H M. IV 4 : 193; 5 : 90/1;
9a: 43 94
Schlie, 0 I 6 . 112.
Schlieben. A 15 286.
Schlossar, A I 2 24; 5 : 219. TU 4 :
27/8. IV 3:90/1. 135: 4:151/3, 176,
179; 6: 17; 9e : 100.
Schlossberger, A. v IV 10 : 13.
Schmeisser B 16: 76.
Schmidt. A 1 6 : 57
— C I 6: 178
— Friedrich I 6 : 10.
— Erich Ul 8 : 7. IV 1 : 262; 4
128. 130, 176. 179; 7; 1, 11, 26, 57
9c:22. 27a: 9e : 76; 10: 117; 11
16.
— Ferd. IV 1 : 62.
— F. J. IV 6 : 225.
— K. A. I 7 : 46. IV 10 : 70,
— K. J. rV 12 : 33.
— -Mayer, R. IV 10 : 116.
— -Weissenfels, E. IV 1 : 0.
SchjMitt, L. IV 9b ; 28.
Schmitz, M. IV 1 : 169.
Schmoller. G. 15: 312.
Schnapper-Arndt, G. 16. 106.
Schneid, J. II 6 : 66.
Schneider. E I 2 ; 25.
— E. rr 6:3
— E IV 10:22
~ G. I 9:11.
— H. 16: 205.
— Hans. II 6 : 97
— J. n 7 : 87.
— Julius IV 9o : 29
— Lina. TV 9a ; 76.
— 0. I 6 : 16
Sebnippel. E 17:8.
Schnitzer, M. IT 3 : 225.
Schi orf K. I 7 : 80
Schnorr v. Carolsfeld. f IT 6 ; 152;
9a: 118; 11 : 90/1
Sehober, Thekla v. geb. v. Gumpert.
IT 1 : 190
Schoell. Hedwig J. IV 5 : 89.
— B. ni2:17. IV 6:141; 9a: 38.
Schön, Th IT 9a : 49; 11 : 36.
Schöne, A. D 7 : 27.
Schönthan, P. v T 3 : 105.
Scholz, W. IV 1 : 104.
Schoneoke. W. I 6 : 148. 230
Schott. Jos. TV 1 : 124
— S. TV 7 : 64
— Th. 1 6 : 18. 358, 402c.
Schrader, 0 TV 1 ; 264; 6 : 145/6.
— Th 15: 32:H
Schramm. Rod. IV 6: 190.
Schrammen, J. IV 9d : 4; 9e : 65.
Schranka, B. M. IV 3: 177-80; 10:
132
Schrauf, K. I 6 : 131.
Schreyer, H. I 3 : 196. IV 9d r 12.
Schrill, E. T 3 : 237.
Schröder, A. 15: 283,
— C. TT 4 : 4.
— Edw. T 1 ;45; 2:29; 5:45. II
2:33. 36; 3:5, 14. III 3:9; 4:8,
11; 5:24/5; 9e : 107.
— F TU 2 : 29.
— K. 16: 102.
— Otto. I 8 : 58.
— L. T. I 6 : 94. TT I : 42
Schrödl. n 7:86
Schröer, K. J. IV 9a : 4-6, 11, 26, 28.
63/4, 56, 69, 118. 122, 137: 9b;
18, 102.
— A. I 1 : 23, 68; 4 : 68; 6 : 445. TTI
4:9. TV 9e: 14, 25, 31.
Schröter, A. I 8s; 76. 138. IV 1:21,
193/5, 223; 3 : 3. 104; 4 : 63; 11 : 40,
69; 12:31.
— C I 8 : 46.
Schubert, H. v 16:11«.
SohatUlkopf. B. 1 6 : 264, 274. 277.
Schutz, F. rV 5 . II.
- -Wilson, H rV 9e : 123
Schullerus. A. I 5:226a. IV « i.
Schulte, E. IV 1 :215: 12 ; 39
Schultheiss, G, I 5 : 100.
Schultz. Alwin. 15:16. II 3 42
- F. I 1 : 44; 7 ; 98.
Schultze. W I 4 : 121. (Vir 59, 61.
80; 3 : 106/7. 6; 192.
Schulz, B. 17 82.
Schulze, Vict II 7 • 2
- W. IV 4 : 69.
Schumann. A. 16; 73, 78 IT 2 ; 9
13. III 2:57.
- G. 17: 71.
- J. Ch. 16: 1-2
Schnnk, E. IV 9 e : 50
Schwabe, S. 11 7 : 96.
Schwalbe, J. IV 9b : 71.
Sehwartz, F. IV ö ; 2.
Schwarz, G. 16: 60.
- R. 16: 214
Schwarze, B. I 4 : 94.
- J. V. IV 6 : 199a,
Schwarzkopf, G. 13: 163.
Schwebe!, 0. 15: 13b, 307; 6 : 166.
Schweizer, K II 7 : 33.
Schwenke, P. IV 1 : 241.
Sehwicker, J. H. II: 55. IV 1 : 161.
S6biIIot, P. 15: 82, 259.
Seeberg, E. II 7 48.
Seeck, 0. IVl : Ul; 6:145/6.
Seelig, F. 15: 346.
Seeliger, K. IV 4 : 3.
Seidel, F. II 7 : 27.
- P. I 5 : 310.
Seliger, P. IV 3 : 30; 9b : 63; 10:2,
85.
Sello, G. I 5 : 125, 217, 320.
Semler, Ch. IV 9e : 26.
Semmig, H. IV 10 ; 95, 100.
Sepp, J. I 6 : 209.
Seraphin, F. W. m 2 : 21.
Servaes, F. 13: 241, 284. IV 10 : 57,
117; 11:39.
Seuffert, B. IT 4 : 2. 10; 5:46;
9e:39, Ul; 11:51.
Sevin.L. 17:57/8. IV 9d : 3; 9e : 53.
Seyboth. A. 15: 355,
Seydlitz, R. v. 13: 207.
Shorter, CK. IV 9d : 19.
Siebeck, H. IV 9a; 33, 106.
Sieber, L. 14: 120.
Siegen. K. TV 4 : 43.
Siegfried, C. IV 9c: 34
Sieroka, 0. 15: 451.
Sievers, E. II 3 r 3.
Sillem, C. H. W. 16: 127,
Simonds. W. E. IV 12 : 23.
Simons, L. 13: 52.
Simonsfeld, H. 11: 28.
Singer, H. Vf. IV 7 : 37.
- L. in 4 : 33.
- S. II 3:41. IV 11 :73
Sittard, J IV 5:52. 75; 9b: 77».
Sitteuberger, H. IV 3 : 31.
Sixt, 0. HI 3 : 1.
Slobet, L. A. J. W. I 5 : 288.
Snell. 0. I 5 : 78.
Sodeo, H. r, II 7 : 10,
Sohns rV 10 : 117.
Sohnrey, H 15; 196.
Sokolowsky, R. 12:3. lU 2 : 1.
Soldan, F. IV 4. 18.
Sommer, R. IV 10 : 40
- W IV 3: 131.
SommerbroJt, E. I 5 ; 81
Specht, FA. 16: 226.
Speck, E. IT 10 : 103
Speidel, L. IT 4 : 42. 131 ; 6 : 154
Spengler, F. I 7 ; 60 IT 4:11, 19,
40. IV 10 . 69.
- 0. 1 7 ; 17, IV 6 : i(K»
Sp«r«. V. Ift»,
Autorenregister.
- 0. I? 4.10; 6 :15a
Spiegel. B 0 7 ; M
8piolh«geii, P. I I : lg, SiM. IM
115, 169. (V 3: 123, 288.
Spindler. IV 6 : 51
Spitt». Ph, III 2. 70. IV 5:81.
Spitteler. c' I 1 : 69j 8 : 75, 206.
Sponer, A. » IV 4 : 182.
Sprenger, B. 15:258. II 3 : 9. 10,
4:6. 7. IV 3: 15. 53, 186; 4: 110.
in, 118; 9o:26, 32'»; 9«: 18,
114. 121. IV II :75;n
Staedler, K 17: 31/2. II 4 . 22
6:6
SUUI. f IV 12: 19
- O, •. 16: 306
SUhr, Ad IV 9b 101
SUmford C 15: 69
Staminlor, J. 16: 120»
Staude, P I 6 :6I.
StefTonhagen, E I 4 : 38. 139-40
Stehle. B I 6 : 59, 189.
Stehlich. F 18:3.
Stehlin, K 14: 29.
Steifif, K 14: 11/2, 19-21 U)
2 :39
Steig, B 12:6 IV 9a: 68; 9b: 4
Stein. A. IV 10 : 124
— Armin. IV 6 : 6.
— F. F. 16: 153.
— Ph. IV 3 ; 45/6; 6 : 23a, 24,
9 b : 54, 66, 109.
Steinbaoh, J. 16: 354.
Steiner, C. J. 15 : 285.
— Bud. I 3 : 2Ü, 183. IV 9a . 108
bis 10; 9d:24.
Steinhauseu, Q. I 3 : 130b; 6:8, 13,
16, 28, 33, 84, 95, 299, 386; 8 :39.
— H. 16:117/8.
Steinhoff, B. I 6 : 335.
Steinmeyer, E. 12:9.
Steinthal, H. I 2 : 34. IV 6 ■ 84
124.
Stejskal, E. I 4 : 60.
Stephan, G. 16: 9, 142, 161.
Stern, Ad. IV 1 : 34; 4 : 71, 96,
128/9, 169.
— B. IV 4 : 170.
— E. n 7 : 76.
— Jl B. T. IV 3 : 144, 169.
Stern er, M. 16: 14.
Stern feld, B. IV 6 : 87.
Stetteuheim, L. IV 5 : 66.
Stichler. IV 9e : 61.
Stiohling. 0 Th IV 1 ; 164.
Stiefel, A. L 11 4 : 23/4.
Stiehl, C. IV 6 : 76.
— H. IV 9e : 36
Stiernet, J B I 1 : 9.
Süeve. F II: 29-30.
Stiller. 0. IV 9e : 88
Stöckle, J. I 6 : 239a. IV 8 : 186
Stöger, &I IV 6 : 130.
Stötzner, P. I 6 19. III 6 : 12, 13
Stöhn. H I 7 : 99.
Stolte, B. I 5 : 150.
Stommel, K. I 3 : 86, 163/6.
Strack, H. L. 16: 83.
Strater, Edra. IV 8 : 199. 200; 4 : 72,
104; 10 : 2—4, 117.
Strafforello, O. IV 3 : 139.
Strati, B. IV 1 : 61.
Strauch, Ph. I 6 : 13. IV 1 : 1.
Streber, H. II 7 : 55. IV « : 186a.
Strecker, O. I 6 : 67.
— W. IV 6 : 38b.
Strehly. Q. I 1 : 40.
Strehlke, F. IV 9e : 89-90.
Streitberg. W. I 2 : 31. IV 6 : 146/d.
— 0 Qrafln ?. I » : 41a.
Stricker, W. IV 9a : 81.
Strubel. H. I 8 : 219.
Ströhl. H ly »e : 131.
8tab«&T«>U I ft i 810,
Sophao, It 1 7:68. IT I : 1, s ij;
9a : 26, 104. 186; 9b : 3; 9e . I,i
10 126.
Suttner, B. t. IV I : 81
Swart«, V. de. I 6 r 390.
SwIda, P. I « : 201.
Hybel, F. L. K, T. IV fl : 136.
S>'amBl<51»kl, 8. I 6 : 221; 8 : 2».
11 3 ; 33; 4 : 12a. III 3 : 6. IV
9a : 108.
Tait. J. IV 9a: 129; 9«: 9«.
Tandem, Felix *. C. Spitteler.
Taysen. A. t. IV 1 : 79.
Terbille, A. IV 1 : 99.
Testorpf, 0. L. I ö : 264.
Teuber, 0. IV 6 : 80.
Tenffel. W S. IV 6 : 99.
Taascber, B. 16; 212.
Tentsch, F. 12: 21.
-OD. 16: 114.
Thamm. A. I 6 : 107a.
Theden, D. IV 3 : 102.
Theile, K. I 6 : 86a
Then, Fr. 16: 167.
Thoma, A. I 3 : 143.
Thommen, B. I 6 : 158. II 6 : 67;
7 : 67. IV 1 : 90.
Thorbecke, A. I 6 : 126; 7 ; 39
- H. I 4 : 92.
ThUmmol, 0. 16: 391.
TiefFeubach, B. IV 1 : 67.
Tille, A. II: 50; 5:206. II14;28;9.
Tissot, B. I 1 : 7.
Tivier, H. I 1 : 88.
Tobien, W. 1 6 : 211.
Tobler, A. HI 6 : 20.
- G. Ol 5 : 19.
- L. I 6 : 68.
Tollin, fi. I 5 : 8ia
Tema, B. y. IV 1 : 107.
Tomanek, E. 18:15.
Tomaacheck. I 7 : 40.
Tomlinson, Ch. IV 9o : 81 ; 9e : Oa
Tramdr. 0. I 6 : 271.
Trautmanu, K. 16: 221. IV 4 : 223.
- M. I 8 : 56.
Treiohel. A. 16: 52.
Treitschke, H. » IV 1 : tili.
Troeltsch. E. II 7 : 64.
Trojan, J. IV 1 : 63.
Troll. 0. IV 5 : 16.
Trost, L. IV 1 : 244.
Tsohackert, P 15: 40Sa. 11 6 : 70;
7: 25. IV 6; 101. 115
Tschiroh, 0. IV 3 : 24/5; 4 : 14/6.
TUrler, H. I t ; 374*.
Tomlirs, K. 19:3
Ubbelobde, B. 1 d : 204.
üeberhorst, K. 0 4. 27. IT 10 : 78.
üellner, P. 17: 67.
- V. I 7 : 57. 60, 69. IT «• : 2a
Uhl, J. I 6 : 81.
- F. IT 6 : 63.
ühle, U. I 5 : 112.
- P. n 4 : 16. m 4 : 26
ühlhorn, A. 15: 187.
ühljjf. IV 4 : 219b.
ühliri, K. I 5 : 369a -b.
Ulrich, A. I 5 : 336.
- W. in 4 : 1.
(Jnbesoheld, H. I 7 : 14. IV 1 : 9;
9e:6; 10: 131.
tJngern-Steraberg. E. Frhr. r. IT
9a : 107.
Unruh, TL 16: 317.
Urban. W. IV 4 : 76.
Utsiagar, H. 1 3 : 47.
Valbert. G. IV 1 : 177; 6 : 90t 10 : 7a
Talentiii, T. I 8 : 98/9, 108, 184.
iT 9ai7Si 91 { 9b: 14; 9« : 84.
Tallary-Badot, & I l:S9
TaUat, L. 16: 295b.
VarM«. 0. IT 12 : 26.
Varahaf ea. H. II: 60.
Vedel, Tald. I 8:28a
Vel4e, ran der. IT 4 : 77.
VeniDg-IUuptmann, Anna. IV 6 : U,
Vott«r, F. III 5 : 18. IV 8 : 29.
- P. II 6:11. 74} 7:91.
- B. I 6:21. IT 6:7. 157».
- Th. I 6:87. 117:86. 016:18,21
Veyaaier. IV 10:2.
Viereck, L. II 7 : 28/9.
Vigellua. IT 10 : 88.
Vockeradt, II. IT 9a: 61
voller, J. B. U « : 87.
Vogel, F. IT 4 : 16a
- H. IT 1 : 67.
- J. IT 9a : 80.
Togeier. I 6 : 880.
Togalraatar, 0. I « : 18.
Togt, W. I 4 : 16/8.
Toigt, A. 18: 172; «:6a IV 6:19.
- B. I 6 : 10a.
-J.W. 1 6:824a.
- L. I 7 : 64, 8a
Tolbehr, Th. 18: 131.
Toick, W. IT 6:118.
VolkmaoB. L. IT 7 : 6a
Tolkmer. f. I 6 : 821 ; « : 7.
Tolksmaaa, H. II 8 : 29.
Tos, Jao. da. IT 9a : 4&
TrckUeky, J. IT 9e: 105.
TnIpiu, W. IT 1 :29; 9b:68; 9e:2(
11:1.
Waohenhasaa, U IV 1 : 18a
Wthdel, H. I 6 : 213.
Waglar, P. I 6 : 291/a
Wagnar, H. F. 16: HS. III 3 : 6.
Wähle, J. IT 9a : 78. 118; 9b : I. 47.
100; 9a : 128.
- V. IT «: 187e.
Waiaar, B. I 6 : 229.
Waiiar, B. DI 4 : 27.
Walekar. K. I 1 : 6a
Wald, A. IT 10 : 127.
Waldbarg, M. t. 1 2 : 1, 18 ; 8 : 3; 8 : 16.
n 4 : Sa III 2 : 22, 34. 46, 64; 3 : 4.
IT 9a: 86; 11 : 37.
WaldmiUler, B. I 8 : 170.
Waldner, E. II 7 : 61.
Walford, L. B. IT 18 : 2a
Walther, C. II 3 : 14/6; 4 : §.
- 0. IV 10 : 3a
- W. n 6 : 80.
Walial, 0. F. 13 : 1, 9. 9a IT 8 : 83;
4:81. 118; 6: 187; 10:117; 11 : 15.
24, 82, 84. 49.
Waniek, O. I 3 : 6. IT « : 157.
Ward. A. W. IV 9 a : 126/7.
Warker. N. I 5 : 233.
Wartenberg, W. 19:6.
Wasielewski, W. J. r. IV 4 ; 22P
6: 169; 9a: 96.
Wasserxieher, B. I 8 : 49.
Wattandorf, L. IV 11 : 87(a
Wabar, F. I 5 : 49.
- H. n 7 : 12, 60.
- Heinr. IV 1 : 2ia
- L. I 7 : 10.
Wechsler, B. IT 3 : 168. 233/1
Wedde, Theodors. FT 6 : 206 a.
Weddigen, 0. II 2 : 2a
W«ech, F. T. I 6 : 80.
Wegele, F. I. I 8 : 11 ; IT «: 127. 181.
Wohl, F. I 8 : 170.
Wehrmano, M. 16: 171/2. 224
Waldung. I 4 : 189.
Waflen. A. t. I 2 : 9; 8 : 143. IV 3 : 28{
4:126, 189; 6:47; 7 : 6«{ 9a: 73;
9e: 16, 96/9; 10:111,
W«iMok,f. I8:10<
Autor enregist er.
246
WeinLold, K. I 5 : 180; 8 : 5, «. IH
4:27. IV 4:80; 9e:19a.
Weis, L. IV 6 : 87.
Weise, H. I 4 : 53 e.
Weiss, A. M. 15: 455.
- J. G. 16: 136, 138.
- N. n 7 : 82
- J. B. V. IV 6 : 217.
Weissenfeis, B. IV 3 : 23.
Weisstein, G. IV 4 : 103.
Weitbrecht, R. 11:17: 3:109. II
7 : 34. IV 1 : 219, 221.
Weizsäcker, P. IV 3:32; 10:2.
Welti, H. IV 4 : 192, 202, 328 ; 5 : 92,
93; 9a: 93.
Weltner, Ä. J. IV 4 : 36; 5 : 57.
Wendt, G. I 7 : 84.
- H. I 6 : 37.
Wenzel, B. II 4 : 33.
- G. IV 7 : 38.
VVerekshagen, C. II 7 : 79-80.
Werner, J. H 7 : 102.
- K. 13: 142. IV 1 : 204.
- 0. I 4 : 97.
- R. M. I 3:. 53, 89, 94, 140, 142;
5:47. III 2:6; 4:32. IV 4: 17,
161, 180, 189; 7:49; 9b : 26;
11 : 21.
Wetz, W. I 1 : 24.
Wetzel, A. I 4: 103; 5:313.
- E. 17: 33/4. IV 3 : 43/4.
- 0. 14: 54a.
White, H. S. IV 9a: 125a; 12 : 22.
Whitman, Sidney. IV 1 : 114.
Wiehert, R. I 3 : 87.
Wichmann, H. IV 9e : 34.
Wieklein, K. IV 4 : 69.
Widrnanu, J. V. 13: 231. IV 3 : 37,
151; 4:8, 191; 9b: 43; 11 : 42, 62,
68.
- M. IV 4 : 81.
- 0. V. IV 3 : 30.
- S. I 1 : 57.
Wieek, G. I 6 : 32.
Wiedemann, Th. IV 1 : 91; 6: 182d.
Wiedersheim, R. IV 6 : 109.
Wiegand, W. 12:2. IV 6 : 131.
Wieland, K. 16: 27.
Wiermann, H. IV 1 : 119.
Wiesenbach, F. 15: 347.
Wiget, Th. 16: 38.
Wigge, H. I 6 : 63.
Wilamowit« - Moellendorf, U. t. IV
6 : 143.
Wildenbmch, E. v. IV 4 : 131.
Wilhelm, Friedr. IV 1 : 232 ; 7 : 12.
Wilke, E. I 6 : 40.
Wille, B. I 3 : 36, 120/2, 203/4.
— L. IV 3 : 155.
Willomitzer, F. I 8 : 28. IV 3 : 50.
Winekelmano, 0. I 5 : 147. II 7 : 71.
Windel, H. I 7 : 41. IV 4 : 109.
Windhaus. I 6 : 132/3.
Winter, F. III 2:9. IV 9e : 16, 21.
— G. 15: 8-9, 146, 333. II 1:4.
IV 1 : 71/2, 94; 4 : 146.
— J. 16: 194.
Wippermann, C. IV 1 : 105.
— H. IV 4 : 160; 5 : 48; 6 : 161,
199.
Wishaw, B. I 4 : 56b.
Wistulanus. H. I 6 : 319.
Witkowski, G. IV 9a : 119.
Witt, de. 16: 40.
Witte, A. M. IV 6 : 37.
— F. 16: 200.
Wittenberg, G. II 6 : 14.
Wittmann, C. F. IV 4 : 208—10.
— P. I 4 : 70.
Wlislocki, H. V. 15: 371.
Wohlwill, A. 15: 101a. IV 6 : 175;
10 : 31.
Wolf. I 6 : 160.
— A. L. IV 6 : 23.
WolfF, Emil. I 3 : 158. IV 4 : 82;
6 : 16.
— Eng. I 1 : 24,5; 3 : 92, 187;
6 : 431. n 6 : 3a. IV 1 : 203:
4 : 138; 5 : 14.
— H. W. IV 9b : 42.
— J. J. 16: 35.
Wolfram. G. II 1 : 19.
Wolkan, R. II 1 : t ; 2 : 3; 4 : 38.
Wolsegger, P. I 5 : 37Ca.
Wolzogen, H. t. I 3 : 68 IV 4 : 222,
227.
Wossidlo, B. 15: 244.
Wrangel, Ewert. I 3 : 25.
Wresehner, A. IV 6 : 40.
Wneke, Ch. L. 15: 239c.
Wünsche, A. IV 6 : 47.
Wunderlich, 6. 15: 261.
— H. I. 8 : 12, 14, 38,
Wurster, P. IV 6 : 5.
Wurzbach, Ct. 1 1 : 55; 2 : 27/8
IV 5 : 56.
Wustmann, G. I 4 : 23; 5 : 343; 8 : 59.
II 3 : 17. IV 6 : 124 b, 226.
Wutke, C. I 5 : 402 d. II 3 : 44.
Wychgram, J. I 7 : 36. IV 1 : 20.
Wyking, A. I 5 : 175.
Wyi^lel, L. I 7 : 51.
Wyss, A. II 3 : 19.
— F. 14:6.
— G. V. I 6:116.
Wyzew», T. de IV 3 : 228.
Xanihippos. I 3 : 32.
Zabel, E. IV 3 : 160.
Zacher, J. I 5 : 275.
Zahn, J. III 2 : 36.
Zanelli, S. IV 1 : 151.
Zarncke, E. I 2 : 36. III 3 : 4.
— F. IV 1 : 223
Zechlin, A. 15: 309.
Zedier, G. 14: 85.
Zeidler, J. III 4 : 15a.
Zeissberg, H. t. IV 6 : 195.
Zenoker, E. V. IV 6 : 32.
Zenger, F. IIT 5 : 16.
— M. IV 4 : 194, 216.
Zergiebel, E. H. 17: 20. IV 11 : 77
Zernin, J. I 5 : 309a.
Zeyneek, R. T. 13: 40/2.
Ziegler, B. 1 6 : 214.
— Th. 13: 142. IV 6 : 87, 89.
— Rabbiner. IV 12 : 13.
Ziemssen, L. IV 3 : 205.
Zimmer, F. II 7 : 30.
Zimmermann, M. G. IV 6 : 153.
— P. I 4 : 25; 6 : 106/7.
Zingerle, J. V. 15: 236. III 5 : 6.
Zingg, E. I 6 : 39.
Zmidgrodzki, M. de. 16: 28.
Zobeltiti, F. v. IV 4 : 141.
— H. rV 1 : 84.
Zöller, B. I 6 : 152.
Zola, E. I 1 : 3; 3 : 139, 201, 263.
Zolling, Th. I a : 137. IV 1 : 30
205; 3 : 6; 4 : 83; 5:6.
Zschommler, M. IV 3 : 104.
Zürn, L. I 7 : 23/4.
Zwenger, F. I 4 : 81 ; 6 : 84. IV 12 : 45.
Zwerg, G. I 6 : 199.
Zwierzina, K. II 2 : 27/S.
Sachregister.
AbKlard et Heloise. IV 11 : 83.
Abbt, Th. IV <5 : 1.
ABC-BUcher I 6 : 11.
Abderiten. II 3 : 26-30.
Abel. IV 7:1.
Abele, M. II 4:17.
Aberglauben. I 6 : 10, 6(5—75, 80/3,
210-26, 278 a. III 1 : 15; 3:3. IV
Oe : 18.
Abraham a St. Clara. III 5 : 6, 23.
IV 4: IHO.
Acoluthus. IV 7 : 1.
Acoste, Uriel. IV 4 : 123.
Adamberger, Toni. IV 1:170/1; 4:
05, 103/4.
Addison, J, III 5:18.
Adelmann, A. Graf. IV 3 : 136.
Adelphus, J. II 3 : 14.
Aeneas Sylvias. I 1 : 27.
Aerzte. 1 5 : 136/9, 142/3, 387/8. III
5:23.
— in den Komödien. IIl 4 : 18.
Aeacbylus. I 3: 149. IV 11 :31.
Aestbetik. I 1 : 2, 6-8, 19, 24. 13.
II 1 : 16.
— der Hlteren Romantik. IV II : 4.
— Normative. I 3 : 31/5.
Aesthopsychologie. 11:2.
Agrioola, G. IG: 65.
— J. II 3 : 14, 34.
— J. F. IV 7 :34.
Agrippa v. Nettesheim, H. C. 15: 80.
II 3 : 14.
Abasverstoff. IV 11 : 54.
Abrthal. I 5 : 354.
Akademie, Berliner. IV 3 : 30; 11 : 13.
— der deutschen Sprache. IV 1 : 212.
— s. Schulen.
Akten s. Handschriften.
Aktientheater. IV 5 : 2.
Alamodewesen. I 5 : 10.
Alba, Herzogin von. IV 10 : 73.
Albert, H. III 2 : 20.
Alberti, Agnes. IV 11 :31.
— C. I 3 : 82. IV 1 : 2.
Alberus, Erasmus. II 2 : 3; 3 : 14.
Albinus, P. II 4 : 17.
Albreoht V. v. Bayern. II 7 : 12.
— Achilles von Brandenburg. I 1 : 27.
— V. Brandenburg-Kulrabach. II 2 : 19.
— von Maini. 11 I : 6-6.
— J. F. E. IV 1 : 92.
Alchimisten. I 5 : 10.
Aldenhoven, C. IV 9a : 3.
Alemannisch. IV 1 : 241.
d'Alembert. IV 1 : 84.
Alexanders GlUcks- und UnglOcksprobe
III 4 : 16.
Alexandriner. lU 4 : 27. IV 9e : 71 ;
10:117.
Alexis, W. IV 4 : 127.
Alfieri, V. IV 10 : 94.
Alford, R. G. IV 9a: 27.
Allegorie. I 3 : 127/8, 209.
Allgemeine Zeitung in Augsburg. IV
1 : 196.
AUmerd, H. IV 1 : 17.
Alroanaohe. IV 1 : 21/7.
Alpen. I ö : 307.
Alphart. IV 11 :89.
AlHted. I 6 : IH.
Altenburg bei MeifseD. I 6 : 100.
Altenburg n. SachMD.
Altersstufen des Menschen, tehn. I
5 : 275.
Altona. I 6 : 326/6; « : 67/8. IV
3 : 48.
Altwaster, W. 15: 410.
AIxinger, J. B. v. IT 1 : 233; 3:11.
Amadisroman, I 5 : 84.
Amsdorff. N. II 1 : 6.
'AyayfwQiaig, 13:1.
Analytische Kritik. 11:2, 6-7, 1»,
24.
AnciUon. IV 1 : 235.
Andersen, H. Ch. IV 3 : 64.
Andrö, J. IV 96:36.
Andreae, K. III 4:31.
— V. III 5 : 10.
— Wilhelmine. IV 10 : 8.
Anekdoten. III 5 : 6.
Angelu« Silesius. IV 1 : 212.
Anna Amalia von Saohsen-Weimar. IV
96: 109.
S. Annenpreis. II 2 : 37.
Annolied. IV 1 ; 241.
Ansbach. I 6 : 92. IV 11 : 36.
— Karl, Markgraf v. III 5 : 7.
Anstandsgefühl, gesellscbaftliohes. I
5:43.
Anthologie, Griechische. IV 7 : 27.
Anthologien. IV 1 :9-20.
— zum Schulgebrsuob. I 7 : 68—92.
Anthropogeograpbie. 16:11.
Anthropologie. 1 1 : 2, 6.
Anthropomorphismus. I 3 : 36, 108.
Anti-Romantiker. IV 11:69-70.
Antichrist, Li.^d vom. II 7 : 12.
Antike. Drama. I 3 : 150, 166.
— Sprache. I 8 : 27.
Antisemitismns. I 6 : 172, 463/4. lY
7:70.
Antithesis Christi et Papa«. II 7:38.
Antengniber, J. IV 4 : 177.
— L. IV 1 : 27; 3:132: 4:171-80.
Aphorismen. IV S : 75/6, 168, 176
Appenzell. III 5 : 19.
Arcbenholtz, J. W. r. IT I : «3, 236,
6:127 a.
Archive in : Berlin IV 6 : 81 ; DrMdcn
IV 7:8; EIsass-Lothringen III
5:10; Frankfurt «./M III 5:2:
Strassbnrg III 5:11; Stuttgart
IV 5 : 76; Trogen UI 6 : 19; Wer-
nigerode m 3:8; Weimar IV
5 : 68; 9b; Wien III 5 : 7 ; Wiecteden
m 6:28; Zwickau IV 5:61.
d'Argens, Marqnis. IV 1 : 86; 7 : 1, 27.
Ariosto, L. I 1 : SO.
Aristippus. IV 3 : 82.
AriBtophanes. I 3 : 161/2. lY 3 : 162;
9e:32.
Aristoteles. I 3 : 1, 2, 53, 66, 142, 146/8,
150. lY 7 : 62; 10 : 63.
— PMtaMktopM vom. II 4 : o.
„Armansitanr'. IV 11 : 19.
Arminias in der Litteratar. I I : 49 ;
II 1 :fl: 103: 179-80.
Amd, J. III 6 : 10. IV 1 : 23«.
Amdes. 8t II 8 : 8.
Arndt, E. M. IV 1 : 69, 160. 203; 8 : 48;
6: 188.
Ametb. A. ». IV 1 : 170, 172, I«.
Arnim. L.A.T. in 3 : 6; IV 1 : 3, 212;
3:K3; 11 : 54/9.
— Elisabeth, v. IV 1 : 168, 179. 212;
9c: 5; 11 : 64/6, 69-68.
Arnold, F. C. IV 9a : 66.
— Bans. IV 3 : 121.
— J. O. D. IV 4 : 23'4.
AmsUdt. I 6 : 346.
Artig nnd galant. I 5 : 24. in 1 : 41
Arsneiwesen. s. Aente.
Association. I 3 : 36.
Aston, Luise. IV 1 : 16«.
Astrologie. III 5 : 23.
Atheninm. IV 1 : 23« ; 1 1 : 4, 64.
d'Aubignac. 13:2.
Anerbach. B. 14:6. IV 1 : 190, 192.
198, 202, 203, 209, 252; 3:122/6,
202/3; 4: 128; 6: 1«9.
— J. IV 3 : 122.
— S. 13:9.
Anersperg. A. (A. GrOn). IT 1 : 31, 196.
Aafkltrung. lU 6 : 23. IV 1 : 65, 69.
235.
Anftekt 19:2.
Angsborg. I 6 : 365. II 1 : 6.
Aogust Wilhelm v. Uraunschweig. III
5: 1.
— II. T. Rrannschweig. IT "l : 21/8.
— III. T. Polen. IV 7 : 8.
Augnstenburg, s. Christian Friedrieb.
AngasUnas, St III 5 : 4.
Auhrxitt. 11 1:1.
Auktionen roh->r BBcher. I 4 : 106.
Ausbund etlicher schOner Gssanf (1588).
II 7:97.
Austriaoismen. I 8 : 15, 5«.
Ansllnderei. I 6 : 10, 13.
Ausstattung, scenische. IV 6 : 1.
Antographen. 1 4 : 4-5.
Ayrer. J. I 1 : 49. U 1 : 1; 4 : 11, 88.
Ayrenhoff, C. H. I 1 : 49.
Baader, F. t. IV 6 : 117.
Baarsortiment«. I 4 : 14«.
Babo. F. M. v. IV 4 : 36.
Bach, K. Ph. E. IV 1 : 632 ; 4 : IS.
— N. I « : 84. IV 14 : 44.
Bacharach. I 5 : 3.S3.
Baeheri. F. IV 1 : 196, 198.
Baden-Baden. IT 11 :81.
Radsna. IT 4 108.
Badewesen. I 6 : 140,2.
Bichtold. J. n 4 : 14. HI 5 : 26.
IT 7: 18; 9a: 118.
Raehr, P. IV 1 : 8.
Rimler. J. I 4 : 106.
Birmann. IT I : 203.
Blaerl^ A. IV 4 : 151/3, 164.
Sachregister.
248
Baggesen, J. IV 1 : 29, 235/6.
Bahr, H. 13: 246. IV 1 : 24.
Bahrdt, K. F. IV 1 : 1, 236 ; 7 : 69.
Bailey. IV 9e : 96.
Bälde, J. II 7 : 54.
Ballade. I 3 : 132/4.
Ballet III 1 : 21, 29.
Balticus, M. II 2 : 12.
Balzac, H. de. IV 3 : 1, 202/3.
Bamberg. IV 3 : 81.
— Fürstbischof v. III 5 : 7.
— F. IV 4 : 159.
Bandello, M. HI 4 : 11.
Banks, J. IV 7 : 27.
Barante, de. IV 11 : 18..
Barbara. III 4 : 27.
— Sophia V. Brandenburg. III 3 : 1.
Barbarossa. I 6 : 153.
Barbey d'Aurerilly. 11:7.
Bardeleben, General, v. IV 1 : 196.
Barlaeus. C. III 2 : 25.
Barmen. I 6 : 43.
Bascb, V. 12: 26.
Basedow, J. B. J^ß : 22. III 2 : 38;
5 : 19. IV 9e : 25.
Basel. I 6 : 27.
Basile. G. B. IV 11 : 54, 58.
Basilius Plinius. II 1:2.
Bassompierre, Marquis de. IV 9d : 23.
Batacchi, D. IV 9b : 98.
Batranek, F. Th. IV 9ft : 41.
Baudissin, W. Graf v. IV 1 : 203; 11
:30.
Bauer. I 5 : 16, 104/5.
— im Liede. II 2 : 27/9.
— Bruno. IV 1 : 206.
— E. IV 1 : 179.
— L. IV 11 : 69, 83.
Baiiernfeld, L. IV 1:27; 4:38,
169-70.
Bauernhaus. I 5 : Hl, 113/8.
Bauernkrieg. I 5 : 10, 105. II 1 : 4
III 1 : 11.
Hauerntheater. IV 5 : 26/9.
Paumann, N. II 3 : 14.
Baurabach. R. IV 1 : 17.
Banmgart. H. IV 7 : 42.
Baumgarten, A. G. 13:1.
Bayer, .T. IV 9a : 86.
Bayle, P. IV 3 : 32 ; 7 : 14.
Bayreuth. IV 5 : 16. 82/5.
Beatus Bhenanus. II 7 : 52.
Beaumont, F. IV 7 : 27.
Behel, Aug. IV 1 : 2.
— H. I 4 : 13. II 3 : 20. IV 7 :
27.
Becher, A. IV 1 : 62; 6 : 165.
Bechstein, L. IV 3 : 64, 67.
— B. IV 9a : 86.
Beck, H. IV 10 : 29.
Becker, A. IV 3 : 7, 191.
— K. Friedr. IV 1 : 68.
— H. IV 9a : 14.
— N. IV 1 : 50.
— R. Z. IV 1: 241; 10:137.
— Sophie. IV 6 : 15.
Beer, Michael. IV II :31.
Beethoven, L. van. IV 1 : 170; 4 : 192,
205/7; 9e:42.
Befreiungskriege. IV 1:5; \l : Üi.
Behrisch, E. W. IV lle : 116.
Bekker. IV 7:27.
Bellamy, E. II 1 : 4. IV 3 : 9-10.
Benedix, R. IV 4 : 119.
Bencke, G. F. 12:11. IV 1 : 233.
Benno v. Meissen. II 7 : 45.
„Beobachter", d. IV 11:19.
Beredsamkeit. IV 6 : 202a.
Berendt, M. IV 9a : 111.
Bergbau. I 0 : 152.
Bergen, Alexander v. Saphir. Marie.
Berger, A. v. IV 4:139; 9a::j0.
Bergfeuer, l 5 : 199—200.
Berlichingen,"Götz v. II 1:8.
Berlin. I 5: 20, 306a-15; 0 : 77, 103,
104. III 1 : 30. 3 : 226-35. IV
1:59,93, 166, 189: 7:125; 11:31, .54.
Berlioz, H. IV 9:23.
Bern. I 5 : 374/5. IV 3 : 30.
Bernard, Mlle. IV 7 : 27.
Bernays, M. IV 7 : 27.
Bernegger, M. III 1 : 14.
Bernheim, E. II: 31.
Bernritter. IV 11:69-70.
Berthold, M. II 1:1.
Bertuch, F. J. IV 4: 103.
Beschreibung (Poetik). I 3 : 103/4.
Bettina s. Elisabeth v. Arnim.
Bewusstes und Unbewusstes. I 3 : 45.
Bethmann-Unzelmann, Friederike. IV
lle: 67/8.
Betonung, sehwebende. I 9:16.
Bettelheim, A. IV 9a: 7.
Beulwitz, Karoline v. IV 1:241.
Bevölkerungsdiehtigkeit. I 5:11, 20.
Bezold. F. v. II: 45. II 1 : 14.
Bibel. 14:6. III 5 : 5, 7. IV 7:27;
9e : 75.
— u. Renaissance. II 1 : 15.
Bibelkritik. IV 1 : 236.
Bibellibersetzung, deutsche d. Mittel-
alters. II 6:20/1.
Biberach. IV 3 : 30/1, 141.
Bibliographie, I 4 : 33/4. IV 4 : 100.
Bibliophilen. I 4:98/9.
Bibliothekare. I 4 : 100/2.
Bibliotheken. 14:65/9: in Aachen I
4 : 84: Altenburg I 4 : 89; Altdorf I
4 : 99 ; Bromberg I 4 : 90 ; Butzbach
I 4:79; Detmold I 4:91; Dresden I
4:98; Erfurt 14:92; Erlangen I
4:99; Frankfuit a.M. 14: 85; Frank-
furt a. 0. 14: 93; Fulda I 4 : 81 ;
Glossen I 4:79-80: Halle I 4:98;
Hamburg II 6:9; Heidelberg I
4:74/5; Karlsruhe I 4:76: III 5:1
Kassel I 4:83: Klagenfurt I 4:86
Krems I 4:94; Lissa I 4:95
Lübeck III 5 : 29; Lttbben I 4 : 96
Millstatt I 4 : 86; Münster I 4 : 73
Beichenau I 4 : 76; Reval I 4 : 87
Schneeberg I 6 : 210: Speier I 4 : 88
Strassburg I 4 : 78: .Stuttgart I 4 : 77
Upsala I 4 : 70 ; Weingarten I 4 : 81
Weissenfeis I 4 : 97 ; WolfenbUttel
II 6 : 8. IV 7 : 20/2; WUrzburg I
4 : 70; Zürich III 5 : 19-20; Zwickau
I 4 : 88.
— von P. J. F. Danzenberg I 4:84;
Klinger IV 4 : 22 ; Beuchlin I 4:76;
G. Chr. Schwarz I 4 : 99. B. C. v.
Senckenberg I 4 : 79.
— Allgera, deutsche. IV 1 : 236.
— d. schönen Wissenschaften. IV
7: 1.
Bibliotheque germanique. IV 1 : 235.
Bichi, Fra Alessandro. III 1 : 31/2.
Bidormann, J. II 7 : 54
Biedermann, A. E. IV 3 : 149.
— W. V. IV 9a: 34, 76, 116.
Bielefeld. III 2 : 12.
— J. F. IV 1 : 86.
Biene, d. I 5 : 287.
Bierbaum, 0. J. IV 1 : 24/5.
Biese, A. I 3 : 35.
Bild (Poetik). IV 11 : 77.
Bildergedichte. 13:4.
Bilderpolemik d. Reformation. 117: 38.
Bildung. I 5 : 13, 434—42, 445.
Bildungsroraan. IV 11 ; 4.
Biller, Emma. IV 1 : 6. *
Binz, G. 18: 14.
Binzer, Frau v. IV 1 : 66.
Biographie. 11:2, 7, 20. 24. 27.
Biologie. 11:2.
Bion. IV 11 :80.
Birch- Pfeiffer, Charlotte. IV 1 ; 189,
198; 4:228.
Birck, Sixt. II 4 : 13.
Birlinger, A. 12: 41/2.
Bisehof.swe'rder, General v. IV 1 : 92.
Bismarck, Otto Fürst. IV 1 : 56,
93—117, 126, 158, 164, 179, 191, 200,
203, 212, 221, 224, 226; 6 : 189. 192,
201/2; 9e:26: 10: 109a.
Bitzius s. J. Gotthelf.
Björnson, B. 13: 278. IV 10 : 94.
BjBrnstahl, J. J. IV 9 : 6.
Blatter, fliegende. I 5 : 84.
Blanckenburg, M. v. IV 1 : 103.
Blanckenburg (i./H.) I 5 : 335; 6 : 106.
Blankvers. IV 11 : 12.
Blaurer, A. II 1 : 6; 7 : 88.
Blaurock, Jörg. II 2 : 18.
Bleibtreu, K. IV 1 : 2, 17.
Blennerhassett. Lady. IV 1 : 220.
Bleuler, S. IV 3 : 145.
Bleurer, A. II 2 : 3.
— Th. II 2 : 3.
Bloekbücher. I 4 : 35.
Blomberg, H. v. IV 1 : 206, 209.
Blutgen, V. IV 1 : 17, 32.
Blum. K. IV 5 : 60.
- R. IV 1: 170, 172/3, 178/9.
Blumaner, JA. IV 1 : 3; 3 : 11, 18.
Blume, L. IV 9a : 12.
Blumenbach. J. F. IV 1 : 29.
Bluraeuhagen, Ph. W. 6. A. IV 1 : 190.
Blumenthal. Osk. IV 1 : 17 ; 5 : 72.
Blumhardt, J, Ch. IV 1 : 125.
Bluntsehli. J, C. IV 1 : 198.
Bobö, L. IV 9a :63.
Boccaccio. 6. II 3 : 1 ; 4 : 25, 33.
Boccage (Schauspieler). IV 12 : U.
Boccalini. III 5 : 13.
Bochum. I 5 : 331.
Bode, J. J. Ch. lY 3: 11; 4: 103;
7 : 12.
Bodecker, J. 15: 377.
Bodenstedt, F. V. 14:5. 1V1:17, 3-J;
6: 137.
Bodmer. J. J. I 1 : 49; 2 : 3; 3 : 1. .5.
III 2:1; 5: 18-20. IV 1 : 1, 41 ;
3: 11, 30; 6: 125, 157a, b; 7 : 18.
Bock, J. M. IV 10 : 68.
Böcking, E. IV 1 : 203; 11 : 15.
Böhlau, Helene. IV 3 : 121.
Böhm, J. I 6 : 145.
— P. I 4: 81.
— Theaterdirektor. IV 10 : 68.
Böhme, J. I 5 : 80. IV 11 : 19.
- W. II 2 : C.
Böhmen. 16:129. 111:1. IV 11:. 54.
Böhmer, G. IV 1 : 58; 11 : 57,
Böhmische Brüder. II 7 : 31.
Bölte, Amely. IV 3: 110.
Börne, L. IV 1 : 184; 10 : 109a; 12: 3.
Börner. IV 7 : 1.
Böttiger, K. IV 1 : 236, 239, 252;
4 : 25 ; 10 : 106.
Boie, H. Ch. IV 1 : 232/3.
Boileau, N. IV 3 : 18.
Boisseröe, J. IV 1 : 59; 11 : 89.
- S. IV 1 : 59; 11 :89.
Bojardo. I 1 : 50.
Bolte, J. II 4 : 13. III 4 : 2.
Boltz. V. II 4 : 13.
Bomhover, A. II 1 : 2.
Boner. H. II 7 : 50.
Bondeli, Julie. IV 3 : 30.
Bonn. I 6 : 88.
Bonstetten. IV 1 : 235.
Bopp, F. I 2:29, 30/4. IV II : l;t i.
Borcke, v., Kabinetsrat. IV 1 : 92,
Borgeest, J. B. III 5 : 17.
Bornemann, J. W. J. IV 1 : 203.
Bessert, A. I 1 : 88.
Botanik. 11:7. III 5 : 5, 23.
Bote, II. 113 :8.
Bourget, P. I 1 : 7, 13; 3 : 1«2.
Boursault, E. IV 10 : 94.
Boaterwek, F. IV 1 : 235.
24fl
Sachregister.
HoiborKor. R. IV 7 : 13; 10 : 128.
lirailivogol, A. E. IV 1 : 180; 4 : 120.
Urauche. I 5:194-211, 301.
liralini, 0. IV 4 : 85.
liraiiinaior, J. 13:1.
Ilrak»!, T. II 1 : 2.
liranconi, Marie Aiitunio r IV 7:04;
Oe : ÖO.
Ilrand, J, IV 1 : 24/5.
Brande?, G. I 3 : 278. 281. IV 1 : 132,
Itrandis, M. U 3 : 8.
Itruiit, S. II 1:8; 3:14, 34,40; 4:33.
Itraun. E. 12:0.
- H. I f. : 93.
- J: IV 1 : 134.
üraunsberg. I 0 : 108.
Itniunschwoig. 15:333. II 1 : (i. IV
1 :262; 7 : 21.
Kraut der HOlle. III 4 : 35.
Hreclilstear. 1 5 : 264.
lirechter. Pfarrer. IV 3 : 141.
Itredenbaoh, M. IC: 187.
üreitenbach, G. A. v. IV 7 : 10.
üreitingor, J. J. 12:3. III 2: I;
5 : 18/0.
Hromen. 1 t! : 109.
lirentano, Cl. IV 1:3, 226/7; 10:117;
n :37, 54/8. 60/1, 98; 12:4, 36.
- Maxe. IVl :5.
Itrentol. G. II 1 : 1.
lirenz, J. II 1 :G; 3 : 14.
Itreslau. I 6 : 94. 06, 08.
Hretzner, C. F. IV 4 : 35.
Uroiining, G. v. IV 4 ; 206.
IlreTiiirium Moguntinum. I 4 : 10.
Brief. Geschiehte des. I 6 : 13— 13 f.
Itriefsteller. I 5 : 13.
Hricfwechsel. I 2:12. III 1:14. 21.
23, 25; 5:1. IV 1 : 232-64; 3:30.
104, 109, 115. 115a. 122, 125, 141.
168, 170—80; 4:15/6. 103/4, 128,
155, 150, 176, 178/0; 7 : 10/2; 8 : 4;
7:10/2; 8:3-6; Oa : 2-20, 66-72;
Ob: 2— 20, 23/7; 11 : 83-86.
Krieg. I 6 : 95.
Uriegel. W. C. IV 5 : 77.
Urin. IVl: 232.
Brink, U. ten. I 1 : 19, 24. IV 9c : 1.
Hrinkmann, .lohn. IV 3 : 121.
Hrinzig, J. III 5:' 6.
I'.rion, Friederike. IV 9e : 15, 78.
Hrockes, H. B. III 2 : 34; 5 : 17.
Brösfigkö. Frau v. IV Ob : 8—0.
lirooke-Joceline, Elizabeth. III 6 : 10.
Browning. IV 9e : 96.
Bruchsal. I 6 : 00.
BrUel. I 6 : 105.
Brühl, Christine Grllfln. IV 9b:'2;
Oe : 37a.
Brönn. I 6 : 160.
Brtlmmer, F. IV 9a : 45.
Bruno, J. de. II 3 : 20.
Bruneti^re, F. 11:7, 10, 11, 14/5, 10.
Brunn, Friederike. IV 1 : 236.
Bruno, Ch. II 4 : 25.
Brunswiok, Therese. IV 4 : 206.
Brutus, M. J. IV Oe : 49.
Bucer, M. II 1 ; 6 ; 7 : 33. 50, 69—82.
Buch, L. V. IV 1 : 135.
Buch der Natur. I 4 : 17.
Buch der Weisheit. 14:17.
Buchbinder. I 5 : 395.
Buchdruck. II 1 : 20. I 8 : 1, 5, 7: in
Antwerpen I 4:26a— 27; Augsburg
1 4 : 16/8; Arignon I 4 : 8-9; Biel
I 4:30; Hailand I 4:21: Maint
I 4 : 10, 26; München I 4 : 15; Rom
14:20; Strassburg I 4: 11 '4, 22.
II 4 : 33.
Bucher, L. IV 6 : 189.
Bncheinband. I 4 : 153/6.
BucheriShlung. I 3 : 97.
Buchgewerbe in Basel. I 4 : 29.
Buohh&ndlorbibliographie. I 4 : 52/6.
Buchhandel. I 4 : 103-61
Buohholx, Pampbletift. IV 1 : WA.
Kuobnar, A. 12:3. III J : 1
- W. IV 0» : 2, »4.
Buohwald, 0. II 6 : 1.
Buckle, Th. 11:2. II 1 : 6.
BOoherabiati. 11:2.
BQcheraniolgen. I 4 : 106/7.
Bttcherlotterien. I 4 : 108.
BUohermesae, I/elpxignr. I 4 : 112.
BUeherrarseichnUse. I 4:61.
Btlchlein rom Brotbreehen. II 7 : 41
BUchner. 0. IV 4 : 121.
- K. L. IV I : 32.
BUckebarg. 16:2«.
BOhne. IV 5 : 4-13».
BUhnenbearbeitnogen. IV 4 : :m, l.'il
132.
BUbnenfrsUpiele. IV 6 : 82/6, Hü.
BOhnenkantt I 3 : 163-72.
BUhrer, V. M. IV 11 : «9-70.
Bahrten. L. IV 11 : 09-70.
Blllow. Fritz T. IV 1 : 240; 11 : 86.
- HippolyU. IV 1 : 144.
Borger, G. A. 13: 133. IV 1 : 8, 66,
82. 282/3. 236; 3: 41/2; 10: 117.
BUsum. II 3 : :UI.
BUsiing, C. I 5 : i;i
Bugenhagen, Elisabeth. II 7 : 00.
- J. 116 : 23, 67 ; 7 : 06/8.
Bulissus, J. G. III 2 : 8.
Bullinger. H. II 1 : 0.
Bulthaupt. H. IV 1 : 32, 111.
Buno. J. I 0 : 12. III 6 : 12/3.
Bunsen. C. J. v. IV 1 : 16«, 168, 212,
221; 6 : 132, 188-188b.
Burg s. Enk t. d. Barg.
Burg, die. I 5: 16.
Burgund. Herzog von (FaDtuaeht«p!eI).
II 4:0.
Burke, E. IV 11 : 10.
liurkliardt, C. A. IV 9a : 73.
Burineister. II 4 : 41.
Bursian. K. 12:17.
Busch, W. IV 6 : 227.
Busche. H. T. d. 16: 187.
Burschenschaft. IV 1 : 179.
BuHinann, Augnste. IV 11 :64.
Buttler. S. IV 3 : 30.
Byron, Lord. IV 1:66, 138,184; 11:19.
Cabet, E. IV 3 : 9.
Caesar. IV 1 : 156, 169; »e : 40.
CagUostro, Graf. lY 1 : 162.
Calderon, P. III 4 : 16. IV 8 : 148;
4 : 24a; 11 : 19, 64.
Calvin, J. II 1:6.
('amorariuB, J. I 6 : 169.
Cammerlander, J. II 4 : 3S.
(Umoens, L. IV 11: 10.
Campanella, Th. IV 3 : 0.
Campe, J. H. IV l : 241 ; S : 64.
Canitx, F. R. Frhr. t. 18:4.
- u. Dallwiti, C. E. W. T. IV 1 : 182.
Capito, W. II 7 : 16, 69.
Cardanat, H. I 6 : 80.
Carlos, Don, Infant ron Spanien. IV
10 : 73.
Carlyle, Th. I 1 : 8; 8 : 82. IV 8 : 70.
Carmer, J. H. C. Gmf t. IV 1 : 71.
Carpser (Arzt). III 6 : 17.
Carriire, M. IV 1 : 32: 6 : 03-98«.
Carstens. A. G. IV 4 : 9.
Caasel. I 5 : 34«; 6 : 88.
CasUIdi, P. 14:7«.
Castelli. J. F. IV 1 : 31 ; 4 : 103.
Castelretro. 13:2.
Cecchi, 0. IV 7 : 27.
Celle. I 6 : 386a.
CelUn, C. I 1 : 46.
Cennir. I 4 : 132/4. m 6 : 1. IV
6 : 18«.
Cantlirre, Mrs. IV 7 : 27.
Cento. 13:4. HI 3 : I.
CefMM. dn. IV 7 : 11.
i-trt. K. r. IV 1 : ISO.
OrfanUa. M. II 1 : 1. IV 12 : 21.
t haland. I 6 : 17U.
Chamiaao, A. T. 14:6. IV 8 : 8S(
« : 1871.
Cbapalaina. I S : 1
„CbaoB", daa. IV Ob: 00; «c:«; II :M.
Chnraktar da« Ennntwarkn. I I : S, 8.
CbariM (Barlin). IV II : 85.
Chamia. I 1 : «. 7.
CUij rSantkritiat). IV II : 13.
I iKxloTJeokl, D. IV I : 66.
CbCre in dautaehan Draaa. IV 9a: II.
CbriaUntaa. I 6:456/«. IV 1:05.
Chriati Oabart. in 4 : 27.
(hriatiao IV. t. Dinaawrk. III I : SS.
- VII. T. »aaamark. IV Oa : IS.
- Friadricb roa ADsnatanbarg. IV
10 : 10.
Cbriatiana Sbarhardiaa fon Snakaa«.
in S : 44.
ChriaUieh Ma7ttaad^ d. III S : 5.
Chriatliehar BitUr. U l : I.
Chronagk. L. IV 5 : 6—10.
Chroniatan. I « : 108/0. III 6 : 10.
Chrraana, 8. III 4 : 86.
Char. II 1:7.
Ciartraa, F. L. D. s. Langlob, F.
Ciearo. I « : 166.
Cichin, K. r. IV 7 : 20.
CiUU. 11:2.
Ctaar, B. IV 1 : 32.
Claadina, M. 13: 130«. IV 1 : S.
191 ; 9a : 1«.
Claoaewiti, K. r. IV I : 03. 1S>. ISS.
Claaaby. 12:0.
Clamena (Hymnolog). III 2 : 38.
Cleobulus. III 6 : 13.
Clodins, Cb. III 2 : 3.
- Cb. A. IV I : 232; «a : III.
Clntenins. J. III 5 : 10.
Coburg. I 8 : 72, 8«.
Coewji, 8. Frbr. t. IV 1 : 70.
COUd, Kriagsrat r. IV I : 03.
CoiUr. V. I 6 : 142.
Col•ridg^ 8. T. IV II
ColUn, H. T. IV 1 :
103.
Colambaa, Ck. D 1
Comanina, A. I «
7 : 67. ni 6 : 13.
Comta, A. I 3 : 46.
Concordia. IV II : 10.
Congrava, W. IV 7 : 27.
Conrad. M. O. IV 1 : 24/6: 3 : S37.
- - Baalo, Maria. IV 1 : 24.
- r. Saltbarg a. Wirfl. M.
Conradi, H. 13: 24«.
Constant, H. B. IV I : 2:16.
CoaU. P. d«. 13:1.
Con«, K. Ph. Vr II : «9-70.
Cordna. B. U 7 : 46.
Corfta. IV 12 : 1«.
Comailla, P. I 8 : I. IV 7 : 27;
Oa : IS.
- Tb. m 4 : S.
ComaUna. M. n S : S.
- P. T. IV 1 : »4; II : n%
Corabh, F. IV »a : 27. 128.
Corpna Baforaatanw. II 7 : 6. «».
CoaUttobla. C. L. IV 6 : 7.^
Cotta. J. G. T. IV 4 : 103: Oa : 13,
130; II : 6.
Coapland, Mra. IV Oa : S1.
Cramer. JA. IV 1 : 2S^.
- D. U 4 : 17.
Cranach, L. U I : 8: 7 .-M. IV
1 : SSO.
Cr4bUIon, P. J. da. IV Oa : 47.
Craiianacb, W. I 1 : 40; 8 : 4.
Craataar. F. IV 11 :'S
Criaobittgan, Baichsgraf P. B. la III
6 : 10. «
: 6.
170;
SQ.
17/8,
4 : 85/«,
SS. n
Sachregister.
250
Crimmitschau. I 6 : 344.
Crisp. IV 7 : 27.
Croissant-Rust, Anna. IV 1 : 24/5.
Cropp, F. A. IV 3 : 11.
Croy, Herzogin Anna v. III ö : 10.
- Herzog E. B. v. in 5 : 10.
Croy- Teppich. I 5 : 120.
Cruciger, C. II 7 : 6.
Crusius (Theolog). IV 7:1.
Cueva, J. de la. III 4 : 33.
Cuvier, G. L Ch. F. 1). II: 8.
Cyrillus. n 3 : 14.
Dach, S. III 1 : 17; 2:3, 19, 20.
Dachröden, Karoline v. IV 1 : 241.
Dämonen. III 3 : 3.
Dahlmann, F. C. 12:6. IV 1 : 61,
168, 179, 203, 205, 221.
Dahu, F. 15: 433. IV 1:17, 32,
198—201, 209, 221; 3: 212—3.
Dalberg, Karl Fürst v. I 11 : 89
Danctelmann, N. B. III 1 : 22.
Dannenberg. I 6 : 106*
Dante. IV 7 : 27; 9e : 80; 11 : 80.
Danzcl, Th. IV 7 : 1, 13, 16, 27.
Danzig. I 5 : 319; 6 : 74, 100.
Darnmann. IV 7:1.
Darwin, Ch. I 1 : 8; 3: 91.
Dasypodius, P. II 3 : 34.
Daub. IV 6 : 117.
Daudet, A. IV 3 : 1.
Daumer, G. F. IV 1 : 228; 10: 139.
Davenant, W. IV 10: 117.
David, C. IV 4 : 18.
— J. J. IV 3 : 223/4.
- P. J. IV 1 : 252.
Dawison, B. IV 3 : 231.
Decamerone. II 3 : 1.
Defo6, D. III 3 : 6.
Deinet. IV 4 : 15.
Deismus. IV 1 : 236.
Dekorationsmalerei. IV 5 : 1.
Dekorationstechnik. IV 5 : 1.
Delacroix, E. IV 9a : 9.
De la Motte, s. Fou(iu6.
Denis, M. IV 1 : 3.
Donnert, E. IV 9a : 107.
Denso (Stargardt). 13:5.
Derschau, F. v. IV 4 : 4; 9e : 47.
Desjardins. I 1 : 11.
Des Periers, B. II 3 : 20.
Dessau. I 6 : 159.
Dessoir, L. IV 1 : 189.
Destouches, Ph. N. IV 7 : 27.
Determinismus. 11:6.
Detmold, J. H. IV 1 : 196.
„Deutsches Museum". IV 11 : 19.
Dement, E. IV 1 : 189, 196. IV 3 :
231; 4 : 125, 128.
- F. IV 1 : 189.
— 0. IV 9e : 22.
Dialektdichtung. IV 1 203; 3 : 50,
118-24, 127-31.
Dialekte. IV 4 : 23/4, 25a, 186.
Dialoge. II 7 : 12.
Diaz. II 1 : 20.
Dichterisches Schaffen. I 3. IV 9e : 60.
Dichterkrönung. HI 5 : 13.
DichtennUtter. IV 1 : 65.
Dichternamen. I 1 : 58/9.
Dichterpensionen. IV 5 : 14.
Dichtung und Wahrheit. I 3 : 112/9.
Dichtungsarten. 11:8, 20.
— Scheidung der. I 3 : 53, 100, 153/4.
Dickens, Ch. IV 3 : 78
Didaktik. III 5. IV 6.
Diderot, D. IV 7 : 27; 10 : 76.
Diepenbrock. IV 11 : 54.
Diericke. IV 1 : 232.
Diesterweg, A. 16: 38a— 40, 42/4,
46-55, 67, 62/3.
Diesterwegfeier. I 6 : 43, 59, 64.
Dieterich, C. II 6 : 32«.
Dietrich, V. II 1 : 6.
Dietz, H. IV 9a : 107.
— L. II 3 : 14.
Dilettantentheater. FV 5 : 26/9.
Dilettantismus der Kritik. 11:8.
Dilherr, J. M. III 5 : 10.
Dillenburg s. Nassau.
Diller. II 7 : 9.
Dillingen. I 6 : 121.
Dilthey, W. I 1 : 27.
Dingelstedt, F. I 6 : 85. IV 1 : 6,
196/7; 1 : 252; 4 : 125; 12:43/5.
DinkelsbUhl. I 5 : 15.
Diotima. IV 11 : 39, 49.
Diplomatie. III 5 : 26.
Dirichlet, L. IV 1 : 166.
Disconrse der Mahlern. III 5 : 18.
Dissel, K. III 5 : 24, 25.
Dittmar, H. III 5 : 10.
Dittrich, M. I 5 : 426.
Dobbert, E. IV 9a : 88.
Docen, B. J. II 2 : 28.
Döbbelin, Th. IV 5 : 2, 53.
ÜOcklitz. I 6 : 97.
Döllinger, I. v. IV 1 : 56, 179, 225/6;
6 : 120,3.
Döring, Th. IV 1 : 189.
— J. V. IV 7 : 24.
Döschnitz. I 6 : 74.
Dohm, Ch. W. I 5 : 178.
— E. IV 1 : 189.
— Hedwig. IV 4 : 122
Dohme, B. 11 1 : 15.
Domanovszski. II 1 : 21.
Dombrowski, S. II 7 : 57.
Dominicus, Musketier. IV 1 : 80.
Donaueschingen I 6 : 90.
Don Juan. HI 4:32/3; 5:23. IV
4 : 189 ; 9 e : 35.
Donner, J. J. Ch. IV 11 : 31.
Dorf. 1 5: 16, 114/5.
Dorfgeschichte. IV 1 : 198; 3:122-
124, 127—30.
Dorfschulen. I 6 : 136/7, 175.
Dorfschulmeister. I 5 : 10.
Dorfschulwesen. I 6 : 180.
Dorothea v. Kurland. IV 1 : 30.
Dorpat. I 6 : 117.
Doviat. IV 1 : 179.
Draeh, E. IV 5 : 5.
Drama. II 4. ID 4. IV 4; 9e. I
3 : 142—50. II 3 : 43. III 5 :
23; in Basel II 4 : 13; Bayern
II 4:31; Böhmen II 1:1; 4 : 38 ;
Elsass II 4:33; Franken 114:21
—30; Frankreich IV 10:117; Ham-
burg IV 4 : 1; Hessen II 4 : 20; Liv-
land II 1:2; Niederdeutsehland II
4 : 40/3; Oesterreich II 4 : 37;
Sachsen II 4 : 15/9 ; Schlesien II
4 : 39; Schweiz II 4 : 13/4; Spanien
III 4:16; Wien IV 4 : 35, 37, 164
—168; Württemberg II 4 : 32;
Zürich II 4 : 13.
— bürgerliches. IV 4 : 35— 5 a.
— geistliches des M.-A. H 4 : 1—8.
— geschichtliches. III 5 : 19.
— Hohenzollern. IV 4 : 127.
— lyrisches. IV 4 : 7.
— Technik. IV 7 : 29.
Dramaturg. IV 5:1, 62.
Dramaturgie. IV 4:5a, 24a.
Drama und Epos. I 3 : 12.
Drayton, M. III 2 : 25.
Drechsel, F. 16: 65.
Drey (Scliauspieler). III 4 : 16.
Drobisch, M. W. IV 1 : 2.
Droste-HUlshofF, Annette v. IV 1 : 111;
3 : 113, 237; 11 : 57.
Droysen, J. G. II: 27. IV 1 : 64.
DruflFel, A. v. 11 1 : 6.
Dubos. Abbö. IV 7 : 1.
DUbring, E. IV 1 : 2.
DUntzer, H. IV 5 : 68; 7 : 70; 9a :
118, 123-3 a.
Dürer, 'A. II 1 : 8, 19—20.
DUrler, J. t. 15: 373.
Dürr, A. IV 1 : 194.
Düsseldorf. 16:87/8. IV 12 : 17.
— Malerschule. IV 1 : 249.
Duhan, J. E. IV 1 : 74.
Duisburg. I 6 : 109.
Duncker, A. IV 1 : 206.
— M. 15: 420. IV 6 : 134.
— Lina. IV 1 : 206.
Durantius, Z. II 7 : 38.
Duranty, E. I 3 : 263.
Dusch, J. J. IV 3 : 18.
Dyk, J. G. IV 10:117.
Eberhard im Barte, Graf von Württem-
berg. III 3:1.
- A. IV 6 : 117.
- J. A. IV 1 : 233.
Eberlin, J. v. GUnzburg. 113:14;
7 : 49, 102.
Ebers, G. IV 1 : 17, 32; 3:211.
Eberstein, Graf J. J. v. III 5 : 10.
Ebert, Ad. III 5 : 10. IV 1 : 196.
- J. A. IV 1 : 232; 7 : 12, 27.
Ebner, A. IV 1 : 27.
- G. II 7 : 61.
- -Eschenbach, Marie v, IV 1 : 6,
16/7, 31/2; 4: 128; 6:27.
Ebrard, J. H. A. IV 1 : 225.
Echtheitsfragen. I 1 : 32.
Eck, J. II 1 :6; 6:66.
- S. II 7 : 12.
- L. V. II 1 : 6.
Eckenberg, d. starke Mann IV 5 : 52.
Eckermann, J. P. IV 1 : 203 ; 9 e : 87,
118, 124.
Eckstein, E. IV 1 : 17; 3 : 215/6.
- U. n 4 : 33.
- Baron v. IV 1 : 235.
Edelsheim, Geheimrat von. IV 9e : 60.
Eggers, F. IV 1 : 198, 206, 209.
Egloff, Elise. IV 3 : 124.
Egloifstein, Henriette v. IV 9 : 100.
Egranus, J. S. 16: 65.
Ehe. I 5 : 458.
Ehenheim, Ritter v. 15: 34.
Ehrenberg, H. IV 5 : 2.
Eiche, die. I 5 : 291/2.
Eichendorif, J. v. IV 1 : 111 ; 11 : 54, 87.
Eichhorn, J. G. IV 1 : 212, 235.
Eichstatt. I 5 : 364-4 a.
Eimann, Theatersehneider. IV 9b : 1-9.
Einfühlung. I 3 : 35, 108.
Einhart. II 3 : 41.
Einheiten, die drei. 13:2.
Einheitsbestrebungen in Deutschland
I 5 : 96, 102. II 1 : 4. IV 1 : 50.
Einsiedel, F. H. v. IV 4 : 15.
„Einsiedlerzeitung". IV 11 : 54.
Eisenaeh. IV 3 : 116.
Eisenberg. I 5 : 344 a.
Eisleben. I 6 : 69, 83.
Elbe, A. V. d. IV 1 : 6.
Elementarschulen. I 6 : 175.
Elfen. I 5 : 284.
Elias, J. III 5 : 29.
Elisabeth Charlotte von Orleans, in
I : 25/6.
Elischa ben Abuja Acher. IV 4 : 123.
EUinger, G. HI 3 : 4.
Ellora. IV 1 : 198, 209.
Elsass. 12:2. III 5 : 10.
Elssler, Fanny. IV 1 : 241.
Elster, E. III 5 : 24. IV 12 : 4.
Elucidarius. I 4 : 17; II 3 : 34.
Elze, K. I 1 : 19. IV 11 : 5.
Emigranten, Salzburger. III 2 : 42
Emil, C. IV 1 : 27.
Emmerich, Katharina. IV 1 : 226/7;
II : 54, 57.
Emotion. I 1 : 2, 7.
Empfindsamkeit. I 5 : 13, 94. IV 1 : 41/2.
251
Sachregister.
Emser, H. II 6 : 10, 68 ; 7 : 45.
Engel, E. IV 14 : 28.
- J. C. IV 1 : 180.
- J. J. IV 1 : 235.
- K. III 3 : fi.
Engels. F. IV 1 : 27.
- O. IV 6 : 36.
England. II I : 3. IV 7 : 37 : Oe : 9«.
Enjambement. 13:4.
Enk von der Uurg, H. IV 4 : 156.
Euquöte. IV 11:3.
Entdocknugen. I 5 : 18, 169. 11 1 : 20.
III 5:21.
Entladung. I 3 : 91, 93.
Entwickluugsgesohiclite. I 1 : 6, 8.
Epigonenpoesie. I 1 : 20, 09.
Epigrammatiatik. III 5 : 10.
Epik, mittelhochdeutsche. I 8 : 63.
Epikur. IV 3 : 32.
Epistolae obscurorum virorum. II 3 : 43.
EpopoBe. IV 11 : 69-70.
Epos. U 3. III 3 IV 3; 9d.
- d. altfninzOsisohe. IV 11 : 71.
- d. biblische. IV 1 : 232.
Eppendorf, U. v. II 7 : 51.
Erasmus, D. I 1 : 27; 4 : 13. II 1 : 8;
3: 14; 7 : 102.
Erbauungslitteratur. III 5 : 6, 9—10.
Erdeborn. 1 5 : 338.
Ernst Herzog t. Coburg-Gotha. IV
1 : 159, 167.
- Herzog v. Gotha. I 6 : 179.
Erstlingswerke. IV 3 : 207-15.
Krthal, F. L. v. 16: 120.
Erzählungen. II 3 : 1-3. IV 3: 11,
18,31.
Erziehung. I 1 : 7, 20; 6 : 10, 445; 6.
III 1 : 29.
Escheiimayer, A. K. A. IV 1 : 225.
Eschstruth, Nataly v. IV 1 : 32.
Eschenburg, J. J. IV 1 : 236; 4 : 34;
7 : 13; 10: 117.
Escholzmatt. II 1:7.
Eser. IV 11 : 83.
Esther. III 4 : 13.
Ethik. I 1 : 31.
Ethnographie. I 5 : 14.
Ethnologie. I 1 : 2, 7.
Ettenheim, Schulen in. 16: 188.
Etymologie. 18:1, 40/4.
Eugen, Prinz v. Savoyen. III 3 : 8.
Eulenspiegel. II 3 : 4-6. IV 3 : 8.
Euler, L. IV 1 : 84.
Euripides. IV 7 : 27 ; 9e : 50 ; 10 : 116.
«Europa.» IV 11 : 19.
Eyers, T. II 3 : 15.
Ewald, J. J. IV 1 : 232.
Experimentalasthetik. 11:2.
Extase. I 3 : 82, 85.
Eynard-Bynard. IV 1 : 235.
Fabel. III 5:6, 19. IV 3:11/7.
- Wesen der. I 3 : 10,
„Fabel" der Dichtung. I 1 : 20.
Fabeldichter. IV 6:1.
Fabeldichtung. IV 7 : 42.
Fabliaux. II 4:43.
Fabrikarbeiter. I 5:449.
Fagius, P. III 6 : 10.
Faguet. I 1 : 19.
Fahimer, Johanna. IV 9 e : 28.
Fahne, rothe. I 5:306.
Fahrende Schüler. I 6 : 10.
Falb, B. IV 1 : 32.
Falk, J. IV 9e:90.
Falke, G. IV 1 : 24.
Fallmerayer, J. Ph. IV 1 : 198.
Familie. I 5 : 13, 28—35.
Farina, S. IV 3 : 78.
Farquhar, G. IV 7 : 27.
Fastnachtsfreuden. I 5 : 64.
Fastnachtsspiel. 113:43; 4:9-10, 23.
- Bayern. II 4 : 9.
- Nürnberg. U 1 : 17; 4:9, 23/6,2».
FMn«. in 6:6.
Fauft, Faaitaag«, Fanatdiehtang. II
3:31/H. III 3:6; 4:28, 31, 36; •.
auch Goethe n. Leaiing.
Faastbilder. 111 3:5.
Fanitikonographie. III 3:6.
FausUna. III 4:36.
Paustphilologie. IV 1 1 e : 76. 77.
Feohner, Th. I 1 : 2, 6; 3 : 12, ««. IV
1:2; 0:171.
Fehde. I 5 : 163.
Feldmann, L. IV 1:31.
Fellenberg, Ph. E. » IV 1 : 236.
Felaenbnrg, Initel. III 3:7.
Fercher r. äUinward. IV 1 : 27.
Ferdinand II. v. Tirol. II 4 : 37.
Femow. K. L. IV 1 : 239.
Feite. I 5: 16. 57a-60, 197, 340.
Feuerbach, A. IV 6 : 164.
- L. IV 1:47. 22«. 262; 6:87-91.
Feuerwerk. III 3:1.
Feyerabend, S. I 4: 116.
Fichte, J. 0. 13: 12; 6: 31. IV 1 : 2»,
47, 59, 240; 6:46/0. 224; 11:3, 19,
31, 86.
Fiesole, O. da. IV 11 :2<ta.
Filidor. III 4 : 2.
- der Dorferer. III 2:24.
Finckenslein, Graf. IV 1:233.
Finkelthaus. L. 1 4:117.
Finstingen. III 5:10/1.
Fischart, J. II 8:21(1. 10 5:10. IV
4 : 232.
Fischer, Ch. II 7:6
- F. J. IV 4:34; 10:117.
- Kuno. I 1:26. IV 1:179; 9e:4«,
60, 6 J|5.
Fiskus. III 6:7.
Fitger, A. IV 1 : 17, 32.
Fla.h, M. I 4:13.
Flandern. I 6 : 109.
Flaubert. G. IV 3:1.
Fleiss des Künstlers. I 3 : 74/6.
Fleissner, W. II 1 : 1.
Fleming, P. III 2 : 18.
Fletiher. J. IV 7 : 27.
Fleyssner, O. II 4:38.
Flor«. III 5:5.
Flotow, F. T. IV 1:189; 4: la2.
Flugblftlter. II 3:43. IV 1 : 92/3. 166.
Fockbeck (bei Rendaborg). II 3:29.
Förster. Emma. IV 1 :220.
- F. IV 3:83: 4:101.
Foglar, A. IV 1 : 27.
- L. IV 1 :27.
Foix, St. IV 7 • 27.
FoÜen, A. A. L. IV 1 : 179.
- K. IV 1 : 235.
Folter, I 6 : 164.
Foli, H. II 4:29.
FonUne. Th. IS: 133. IV 1 : 17, 198,
209; 3:226/9, 237.
Fora. IV 1:232.
- innere. I 3 : 27.
Formeln, metrische. 19:4.
Formenlehre. 18:1, 26 '6, 31/3.
Formularien I 8 : 24.
Forf ter, G. IV 1 : 236/6, 241 ; 6 : 81.
137i, 185.
- Thereee. IV 1 : 241.
Forstwirtschaft. I 6:162.
Fortbildangsscbule I 6 : 202.
Foscolo, Ugo. IV 9d:17.
Fonquö, F. de la Motte-. I 1 : 50. IV !
3:83; 4:127: 11:64, 69-70.
Frlnkel, L. IV 9a : 46.
Frage, homerische. I 2 : 14.
- sociale. II 1 : 4. IV 5 : 23,5.
France, A. I 1 : 8.
Franck, 0. III 5 : 23.
- S. II 3:14, 34; 4:26: 6:32».
Francke, A. H. I 6 : 20. III 6 : 1.
Frank, Pater. IV 7 : 23.
Frankenbeig (bei Marburg). IV 11:89. j
FrankAirt «./M. I 6:350; «: M/1, m
6:2. IV 1:249; 11:19.
„Prmnkforter Gelahrt« Anxeigan". IV
7:68.
Frukrelch. daat«ehe BomMtik in. IV
11:18.
Franx. J IV 1:20».
Frantiikaner. III 6:6.
FranxOaiaeh« Sprache in DentachUad.
III 1 : 26.
Franxoa. K. E. IV 1 : 17.
Frapan. IIa«. IV 1:17; 3:121.
FrateraltM ichotarium. I 6 : 65, 232.
Fraa Untreuen Di«D«i II 3: 14.
Frauen. I 6 : 13. 24. 39-42. M.
- dichtende. IV 1 : 16. 20.
— in dar Diehtuog. I 1 : 52.
Fredro, A. Graf. IV 4 : 122.
Freiberg. I 5 : 342.
Freiburg i. li. I « : IW.
Freidank II 3:14.
Freie Bohne. Brrliner. IV 6 : 15. 18. 23/5.
Freie* DeuUt-hes Uochotifi. IV 9a : 22.
Freiheit und ReforiBatioa. II 1:6.
Kreiligrath, F. I 1:50; 4:6. IV 1 :
179; 0:HH: ll:.^. 7H.
Freimaurerei IV 7 : 14.
FremdrnbDeher. III I : 18.
Fremdwörter. I 8 : 24, 60/7.
Fri^ntzel. J. III 1 : 17.
Fr«ny, du. IV 7 : 27.
Frenxel. K. I 3 : 116. IV 1:6. 17;
3 : 230/3.
Frese. D. II 3: 15.
Fretenius. J. Ph. III 6 : 2.
Freundachafl. I 5:13.
FrevelTOgt. III 6:11.
Frey. A. IV 3:142/3.
- J. IV 7:27.
Freydorf. Frau t. IV 3 : 18«.
Frey tag. O. 13: 140/3. 162; 7 : 14.
IV 1:2, 17. 179. 200, 203; 3:2, 137;
10 : 87.
Friedberg. I 6 : 132.
Friedeborn, P. IV 11:54.
Friedejauchzende« Europa. III 4 : 2.
Friedemann. Direktor. IV 1 : 191.
Friedllnder, J. IV 9a: 111.
Friedmann, A. IV 1 : 27.
Friedrich. J. IV 9a: 100.
— III.. Kurfürst r. Brandenburg. III
1:25. 31,2.
- II. der Groaa«. 11:31. III 1 : 20l
IV 1:67-91, 159. 232, 252; 3:18,
24 5; 6:31.
- lU. Kaiaer. II 1 : 16.
— Kaiserin. II 1:16.
- V. Knrftrat t. d. Pfalx. III 1 : 24.
— Anguat, Korfftrat t. Saehaen. III
3:4.
— Bugen. Hereog v. WIrlUabMf.
IV 3 : 40.
— Wilhelm I„ KOnig r. Preoasen. Ol
1 : 26, 33. 36,6. IV 1 : 71, 73.
II. IV 1 :92.
IIL IV 1:93.
IV. IV 1 : 168, 175, 212; 11 :81.
der Grosse KurfVrst III 1 : 4—6.
Frisch, J. L. 12:4.
Frischlin, N. 11:4». Q 4 : 17/8. IV
7 : 27.
FriUch, J. F. T. IV »b : 2; »• : 60.
Fritx, a IV 8 : 223.
PriUaohe. IV 11:31.
Fr«bel, J. I 5 : 430. IV 1 : 170, 178
-183, 192, 218.
- F. IV 1 : 179; 6:220.
Frillieh, G. H 1 : 6.
Frömmigkeit I 5 : 30.
Froitxheim, J. IV 9b : »2, 07.
FrommasD, F. J. IV 9b : 47.
Frommel. E. IV 1 : 221.
Frosrhaner, H. 1 4 : 15.
FrtUiag. I 6 : 897.
Sachregister.
262
Fuchs, Grtfiu. IV 1 : 241.
— N. II 3 : 2.
FUetrer, U. II 2 : 28.
FUglistaller. 12:9.
Füret. IV 11 : 31.
Fürsten. I 5 : 10, 13; Pramleiiliurg III
3:1; Braunschweig III 5 : 1 ; Sachsen
III 3 : 4.
Fürstenberg, F. v. 16: 25.
FUrstenschule s. Schulen.
Fürth, A. V. 12: 10.
Fuessli, J. C. IV 3 : 32.
Fulda. I 6 : 84, 87.
— L. IV 1 : 17, 32.
Furcht und Mitleid. I 3 : 53, 55, 145,
150.
Furter, M. 14:2. II 3 : 40.
Fu»t, J. I 4 : 10.
Gadegast. I 6 : 70.
Gaedertz, K. Th. IV 3:117.
Gässler. 11 2: 1, 8.
Galant. I 5 : 24. III 1 : 42.
Gallen, St. III 5 : 20.
Gallitzin, Fürstin v. IV 1 : 240; 11 : 49,
85.
Gallizismen. I 8 : 25.
Gandini. IV 7:27.
Garborg, A. 13: 278. 283.
Gardelegen. I 6:110.
Garve, Ch. IV 1 : 232, 235; 11 : 5.
Gassmeyer, M. IV 3 : 331.
Gaudy, F. L. H. W. v. IV 3 : 8.
Gauner. I 5 : 162.
Gebhard, M. III 5 : 24,
Gednchtnis, künstlerisches. I 3 : 62/3.
1113:1.
Gefühlsleben. III 1 : 21/3.
Gegenbaur. J. IV 1 : 196.
Geheimbande. 1 5:10.
Geibel, E. I 4:5; 7:45. IV 1:64, 191,
203; 6:137, 143; 4:134, 163; 11:78.
Geiger, A. IV 1 : 186.
— Lazarus. IV 3 : 189.
— Ludwig. IV 3:37; 9a:2, 123/5;
9b:88
Geiler von Keisersberg, .1. II 3 : 34.
Geisterglaube. III 3 : 3.
Geistesleben. I 5 : 62—90, 456. III
1 : 14, 16/7, 20.
Geisteswissenschaft. I 1 : 27.
Geistliche Litteratur. II 1:1/2; 2:1
—21; 3:40; 4:1—8'; 6:1—34, 7.
III 2:36—65; 5:1-9. IV 1:18;
3:20/3; 6: 100-24 b.
Geizhals, der gefoppte. III 4 : 27.
Geldverkehr. I 5 : 106.
Gelegenheitsdichtungen. III 2:10(1;
3:1, 4; 5:26.
Gelehrtenleben. I 5:13, 61.
Geletzky, J. II 2 : 3.
Geliert, Ch. P. I 4:5; 5:84. IV 1:87;
3:12, 14; 5:52; 6:l-6a, 143;
7 : 27/8.
Gelnhausen. IV 11 : 89.
Gemmingen, 0. H. Frhr. v. IV 4 : 5, 35.
Gemütsleben. 15:13,91/4,251/3.
Genealogie. 11:2, 7—8, 27.
Gen^e, Rud. IV 1:102; 9a: 73.
Generationenlehre. I 1 : 27.
Gengenbach, P. II 4:33.
Genie. I 1:2, 27 ; 3 : 27, 67. 80/2.
— und Wahnsinn. 1 3 : 64/6.
Genlis, Madame de. IV 1 : 93.
Genovefa. III 4 : 27.
Gensichen, 0. F. IV 1 : 17.
Gentz, F. v. IV 1 : 93, 160, 212, 236,
241; 6:132-2e; 11:19.
Geographie. 15:11, 87,9 ; 6 : 53. II 1 : 20.
Georg d. Bärtige v. Sachsen. II 7 : 45.
— IL, Landgraf v. Hessen. I 5 : 405.
m 5 : 15.
Georgi, Medailleur. IV 1 : 79.
Gerechtigkeit, poetische. I 3 : 149.
Gerichtsbarkeit, akademische. 1 6 : 153.
Gering, H. 12: 35.
Gerlach, L. v. IV 1 : 168/9.
Gennanistisches Studium. I 1 : 63 ; 2.
111 5:13. IV 11 :71.
Gerok. IV 1:64, 190, 221.
Geroldseck, Burg. III 5 : 10.
Gersaint. III 3 : 5.
Gerstäcker, F. IV 3 : 102/3.
Gerstenberg, H. W. v. IV 1:1, 233;
3:28- 4:12/3; 6:158; 7:49, 55.
Gervinus, G. G. II: 19, 27, 61; 2 : 6.
IV 1 : 2, 170, 179, 203.
Gesamtdarstellungen der deutschen
Litteraturgeschichte. I 1 : 37—48.
Gesamtkunstwerk. I 3 : 27.
Gesangbücher. II 1:1. ßudissin III
2 : 47 ; Coburg v. 1621 II 2 : 6 ; Katho-
lische III 2:38; Lüneburg v. 1625
112 : 19; Strassburg v. 1537 II 2
: 16.
Geschäftssohriftsteller. 11:2.
Geschichte. I 1 : 2, 6, 24, 27—35. III
5:6.
— als Kunst. 11:6.
Geschichtsbetrachtung, katholische. II
I : 10/5.
— protestantische. II 1:5, 13.
— religiöse. I 1 : 33/4.
— subjektive. II 1 : 13.
Gosehichtsphilosophie. I 1 : 33/5. II
1:5.
Geschichtsschreibung. I 1 : 20; 2:2.
II 1:4. III 5 : 15, 19-20.
Geschichtsei. I 1 : 57.
Geschichtsstudium. I 1 : 33.
Geschichtstafel. II 1 : 8.
Geschichtsunterricht. I 5 : 1 — 5.
Geschmack, Orden d. guten. III 5 : 17.
Gesellschaft, die. IV 1 : 2.
Gesellschaften, deutsche. I 5 : 97.
— gelehrte. III 5 : 19. IV 1 : 235.
Gesellschaftliche Zustände. I 5 : 10,
26, 318. III 1 : 24/5, 29, 31, 33/4,
36-42.
Gesellschaftslieder. 13:4.
Gesichte des Philander von Sitte-
walt, d. III 5 : 10/1.
Gesner, J. M. IV 7 : 1.
Gespensterglaube. III 3 : 3.
Gespenstererzählungen. IV 1:3; 11:
57.
Gessler, Ä. U 4 : 13.
— F. IV 1 : 32.
— K. F. V. IV 1 : 30.
Gessner, S. IV 1 : 232, 235.
Gesta Romanorum. I 4 : 18. II 4 : 33.
Gesundheitslehre. I 5 : 136-44, 193.
II 3 : 2 (s. auch Aerzte).
Giancarlo. II 4 : 14.
Gibbon, E. IV 1 : 137.
Gilbert. IV 11 : 54.
Gildemeister, 0. IV 11 : 5.
Girck, J. II 2 : 3.
Girndt, 0. IV 1 : 32.
Giseke, R. IV 4 : 126.
Glarus. I 6 : 116.
Glaser, A. IV 3 : 234/5.
Glassbrenner, K. IV 1 : 189.
Gleich, J. A. IV 4 : 164.
Gleichauf, F. IV 3 : 189.
Gleichen, C. H. v. IV 1 r 162.
Gleichen-Stoff. IV 4 : 124; 11 : 54.
Gleim, J. W. L. IV 1 : 232/3; 3 : 12,
26, 45/6; 6: 15; 7 : 1, 11.
Gletting, B. II 2 : 30.
Glocken. I 5 : 240, 305, 305a-b.
Glomy. III 3 : 5.
Gloner, S. III 5 : 10.
Gluck, Ch. W. V. IV 1 : 252; 4 : 192;
9o : 47.
Qlume. IV 1 : 79.
GnidiuB, M. II 7 : 47.
GOohhausen, Luise v. IV 9e : 3, 76,
109, 115.
Göckingk, L. F. G. v, IV 1 : 232; 6 : 15;
7 :24.
Goedeke, K. I 1 : 27. III 3 : 1. IV
1 : 2; 10 : 128.
Görres, J. IV 1 : 59, 179, 227; 11 : 2,
13, 19, 54, 93.
Goertz-Schlitz, .1. E. Graf. IV 9e : 60.
Goethe, A. v. IV 1:29; 9a: 18;
9b: 68; 11:1.
- Catharina Elisabeth. IV 1 : 28—9,
65; 9b: 54-63; 11 : 54.
- Christiane. IV 9b : 65.
- Cornelie IV 9b : 32, 64.
- J. C. IV 9a : 13.
- J. W. V. IV 9.- II: 24, 27, 41,
48; 2:6, 12, 16; 3: 7, 12, 14/5,
19, 130a, 176, 209; 4 : 5; 8 : 27. III
5:3. IV 1 : 3, 5, 29, 41, 43/4, 50,
55, 57, 59, 111, 168, 200, 229, 113.
164, 184, 196, 203, 212, 220/1,
227, 233/6, 252; 3:11, 40a, 84,
95, 122, 147, 179—80, 218, 236, 237 ;
4 : 15, 22, 24/5, 103/4, 115; 5:
63/8, 72; 6 : 87, 132, 137i, 141,
145, 181, 189, 205c, 223/4; 10:26
68, 117; 11 : 21, 34, 54, 57, 78, 80,
89, 92.
- Lyrik. IV 9(i - I 7 : 56 ; 9 : 18.
IV 4 : 101; 9b : 62 Abendmahl-
spruch. IV 1 : 28. Amyntas. IV
9c : 18. Balladen. I 3 : 133. IV 9c
: 17. Cicade. IV 9c : 9—11. Divan.
IV 9e : 11, 34; 11 : 57. Epiphanias-
fest. IV 9c : 9—11, 14. Euphro-
syne. IV 9c : 18. Fischer. IV
9e:14. Friederikenlieder. IV 9c: 19
—21. Geheimnisse. IV 1 : 3. Ge-
wohnt, Gethan. IV 9c: 9-11. Glück-
liche Fahrt. I 3 : 136. Heidenrös-
lein. IV 9c : 22/3. Ilmenau. IV
9c :9-ll. Juni. IV 9c: 9-11.
Koramt Zeit , kommt Rat. IV
9c : 9—11. Künstlers Abendlied.
IV 9c : 9-11. Meeresstille. I 3 : 136.
Mignonlieder. IV 1 : 138; 9b : 43/4;
9c : 18. Müllerin Reue. IV 9c : 10.
Müllerin Verrat. IV 9c : 18. Rätsel.
IV9d:24. Sehweizerliod. IV 9c: 18,
31. Sonette. IV 9c : 5, 31. Stamm-
buchverse. 14:4. IV 1 : 29; 9b : 68.
Über allen Gipfeln. IV 6 : 143.
Xenien. IV 1 : 236.
- Epos. IV 9d. — Achilleis. IV
9d : 12. Ewige Jude. IV 9d : 13.
Hermann u. Dorothea. I 7 : 30, 55,
58. IV 6:24; 9d: 1-11. Novelle.
IV lld : 22. Wahlverwandtschaften.
IV 1 :212; 9d:25; 10: 17; 11 : 63.
Werther. I 3 : 224; 5 : 84. IV 1 : 5,
220,233; 9d:14/7; 9e:75; 11:46,
57. Wilhelm Meister. I 3 : 14. IV
1:3; 6 : 137i; 9d : 18-21 ; 9e : 79.
83/4 ; 11 : 4, 57. Unterhaltungen
deutscher Ausgewanderten. IV 1 : 33 ;
9d : 23.
- Drama. IV 9e. - IV 5 : 14. B«r-
gergeneral. IV 9e : 7. Claudine-
IV 9e : 7, 35. Clavigo. IV 9e : 7—9.
26/7, 30. Egmont. IV 9e : 1, 7—9,
33, 40/5a; 10:117. Elpenor. IV
4:4; 9e : 38/9, 47. Erwin und
Elmire IV 9e : 35. Faust. I 3 : 142.
III 3 : 5; 4 : 31, 36. IV 1 : 5, 59, 138,
221; 3:32, 141; 4:227; 6:14;
6 : 117, 137 i; 7 : 27; 9b : 97; 9e : 8-9,
75-131; 10: 8; 11:67. Geschwister.
rV 9e: 1, 7-9, 31. Götz. I 7 : 60.
IV 9e : 7-9, 16—24; 11 : 5 Gross-
fophtha. IV 9e:7. Jery und Bätely.
IV 9 6 : 7, 36. Iphigenie. IV 4 : 4, 7,
22; 9e:7— 9, 33, 89, 46— 59a, 71.
Laune des Verliebten. IV 9e:7, 11.
Mahomet. IV 9e : 1, 7, 70/1. Mit-
253
BachregiBter.
Rchnidigen. TV ' V»: 7—9. 12|5.
KitUrliche Tochter. IV 9« : 7, 72.
P»ter Brey. IV 9e : 110. PalBophron.
IV 9e : 7. Promethen«. IV Oe : 69.
Romeo. IV 96:1. 7, 73. SatyroH.
rv 9b : 97; 9e : 2S. 8eherc. Liat und
Rache. IV 96:87/7». Stell«. IV
9e : 7-9, :;8— 30. Tancrod. IV
9e: 1, 7, 70. Tasso. IV 1 .-5, KW;
3:2; 96:7-9, 69b-68. Triumph
der EmpfliidBamkeit. IV 6 : 152;
Ho: 32/3; 10:117. Wa« wir brinuen.
IV 9e :7. Wetto. IV 9e: 1, 74.
— Dichtung u. Wahrheit, IV 1 :188;
Ob: 28-32; 11:83. Farbenlehre. IV
9:5. Philostratos. IV 6 : 151. Radon.
IV 6 : 202a. Regeln fUr .Schauspieler.
IV 7 : 59. Sprüche IV 9e : 79, 92.
Tagebuch. lV9b:l. Üborsotzungen.
IV 9t : 136/7.
(ioethe, Ottilie t. IV 1 : 196; 9b : 69.
— Wolfgang T. IV 9b : 70.
— -Bilder. IV 9a : 1-3, 4 a, 18/9, 88.
— -Denkmäler. FV 1 : 252; 9a : 4-10,
iK)/1.
— -Feiern. IV 9a : 28-83.
— -Gesellschafton und -Vereine. IV
fla : 22/7; in Berlin IV 12 : 4. Eng-
land IV 9a : 27. Wien IV 9a : 26.
— -Httuser und Qedenkstdtten. IV
9a : 11-21 ; in Frankfurt lY 9a : 13
)>iM 4, 15; in Marienbad IV 9a : 17; iu
Rom IV 9a : 12; in Weimar (National-
museum) IV 9a : 5, 18, 20/1.
Jahrbuch u. a. IV 9a : 2, 22, 25
bis 27.
Medaille IV 9a: 88.
Philologie. 11:27; 2:4.3. IV
9a : 138/9.
Götterwelt, Deutsche. I 5 : 283.
(iöttingen. I 6 : 82. IV 1 : 160, 235.
Qöttiuger Dichterbund. IV 1 : 1.
Göttinger Gelehrte Anzeigen. IV 11:15.
Qoetz, F. IV 4 : 103.
Götzen, Graf F. 1 5: 161.
Qoeze, J. M. IV 7 : 11.
Goldammer, L. IV 3 : 55.
Goldast. M. 12:3.
Goldoni, C. IV 7 : 27; 9e : 35.
Ooldsmilh, 0. IV 11 : 83.
(ioutard, Susette. IV 11 : 39, 41.
Gossner, J. E. 16:423. IV 1 : KW.
Gotha. I 6 : 73, 79, 86.
Gothein, E. I 1 : 19, 27, 31.
Gothik. IV 1 1 : 89.
(iotter, F. W. IV 4:4, 34; 9e: 39, 47,
71; 10: 117.
— Louise. IV 11 : 26.
Gotthelf, J. IV 3 : 64, 202/3.
Oottachall, R. y. IV 1 : 6, 17, 37.
Gottsched, J. Ch. I 1 : 48; 3 : 1, 5,
35. III 2:34/5,' 44, 64; 4:6;
5:7. IV 1 :41, 111; 4:1; 6:. 52;
6:6, 157/7a: 9e : 107, 111.
— Luise Adelgunde. IV 6:6.
Gottschee. I 5 : 370a.
Gou6, S. V. IV 1 : 1.
Gozzi, C. IV 10: 117; 11 : 29, 54,
58.
Grabinschriften. I 6 : 264/6.
Grafentonna. I 6 : 78.
Gr«sse, J. G. Th. IV 1:3.
Graff, A. IV 7 : 44.
Gral. IV 4:219c; 11 : 89.
Graser, J. B. 16: 32.
Grass, K. IV 10 : 57.
QraubUnden. 111:7.
Graz. I fi : 160.
Grebel, Frau v. IV 3 : 30.
Greene, R. I 1 : 50.
Oreflinger, G. 13:4. III 5 : 12.
Gregorovius, F. IV 1 : 31 ; 6 : 137.
Greye. IV 1 : 235.
Grewel d. VerwBstung, d. IU 5 : 23.
GriMhaatan. n 1 : 16. IV II : 89;
(•. auch Antike).
Orieehlich. I 6: 13.
Oriepenkerl, R. IV 1 : IM.
Orle«, J. D. IV 11 : 35.
Grillparinr, P. [IV 13). I 8:17«;
7:14. IVl :2-3, a. 31, «i, 170; 8:
49, 222; 6: l«2; 0« : 6: 10: 180.
Orimm, BrDder. 12:6, 10/1. IV
1 : 241.
- H. IV I :82; 1! : 6«.
- J. I 2:10, 12, 16; 8: 1. IT 1:221;
3 : 64. 125; 11 : 89 (■. «aeh Brflder
OrImm).
- W. 12:12. IV 52/8, M: 11:54
(s. auch BrOder arinm).
GrimmelihauseD, H. Ch. y. I 6:226;
7 : :18. III 3 : 2^.
(irisebach. E. IV 1 : 3, 17, 179; »•:122;
11:57.
Groeben, M. IV 9m : 106.
Grob, J. I 1 : 48.
Grobianismus. I 6 : 169. III 1 : 25. IT
3:8.
Orosi, E. II 8 : 14.
- F. IV 1 : 27.
- Magister. Ill 5 : 2.
Grosse, J. IV 1 : 17, 32.
Orossmann, C. II 7 : .33.
- G. F. W. IV 10 : 68.
Grote, L. III 4: 11.
Groth, Klaus. I 5:431. IV 1 : 17,
188, 203/6.
Grudiu«, N. IV 7 : 27.
GrOn, Anastasiu« s. Anersperg.
Grunert, K. IV 5 : 55,
Gruppe, 0. F. IV 1 : 196.
Gruss. I 5 : 299-300.
Qryphius. A. IV 5 : 77.
- 0. III 3: 1.
Guben. I 6 : 96.
GUIcher, Th. IV 4 : 17.
GUndorode. Karoline y. IV 11 : 64/8.
Gönther. J. Ch. 111 2:. 32: 3:4.
- S. IV 9a : 42.
Guericke, L. y. III 1 : 22.
Gttssfeld, P. I 1 : 27.
Guiccardini.Grlflu Giulietla. IV 4:206.
Gull, F. IV 1 : 22.'5.
GuUiyer, .Julia. IV 9a : 101.
Gampprt. Thekla y. IV 1 : 190.
Gumpponberg, H. v. IV 1 : 24, .S.
Gnppenberger, L. IV 1 : 27.
Qurkthal. III 4 : 27.
Gustedt, Jenny y. IV 9b : 49, 70, 09,
111.
Gut and Schön. ^ 3 : 12.
Gutenberg, J. I 4 : 10. IV 3 : 179-80.
Gutzkow, K. IV 1 : 2. 87, 189-90,
196, 220, 252; 3 : 231; 4: 128/4. 128,
159; 11 :31; 12:42.
Gymnasien s. Schulen.
Haase, F. IV 11 : 31.
Habelschwerdt I 6:321.
Hachenburg. I 6:82.
HtckUender, F. W. IV 1 : 180. 196.
IV 3:133- 4: 120.
Hadtmar. I 6:87.
Hickel, E. I 1 : 8.
HlDsser, L. IV 1 : 179.
Hagedom, F. v. DI 2 : 23, 25 ; 5 : 17, 23.
IV 1: 2;V2; 3 : 12; 6 : 1 : 7 : 27.
Hagelgans. I 1 : 45.
Hagen, A. IV 11:57.
- F. H. y. d. IV 3:52/3.
Hagenmeyer, K. IV 1 : 222.
Hagn, Charlotte y. IV 5:68-60.
Hahn, Graf. IV 1 : 189.
- J. F. IV 1 : 233.
Haimonskinder. II 3:41. III 3 ; 10.
Hain. I 6:67/8.
Hainbund. IV 1: 2ä:t.
Hainhofer, Ph. I 5 : 110, 309. 111 1 : 24.
Hnlarod«. I 0:107.
H*lb«ratii4t I « : 70. Ill 3 : 8.
Halbna (kei Duuaeae). II 8 : M/7.
HAlea. 0. A. t. IV 1 : 283.
lUUry, L. IV 4 : 209.
Hnll«. I 6:887; 6:69. »5.
HnlUr. A. r. I 8:25. III 6:>l. IV
1:286; 6:l-la: 7:17, 27, 88.
- K. L. y. IV 1 : 168; 11 : 19.
Hallmann, J. Ch. III 4:1
Hain, F. t. MBncb-ltelliafkMeM
- Margarethe. IV 8:239.
Haaann, 3. (). IV 1:1. 21t, »6; 6:1;
7:42.
Uaabarf. I 6:8t2/4: 6:110/2. III
6 : 1. 12, 17.
Hambnrritcber Bhreatempel. III 6 : 29.
Hamerlinff. R. IV 1:27, 200; IV
173-81; 6:96.
Huamer. W. II 7 : 52.
- -PnrgeUII, J. y. 15: 72.
Haameretadt. I 6 : 147.
Haaif na, K. I 3 : 283.
HaaM. I 6 : 105.
- Onfln yoo. I 5 : 156.
Handel. I 5 : 107/8.
Handachriften ■. aneh Arehiye, Brief-
weebael. IV II : 6; in Auma
II 8:41; Baael n 6:67; BerUa III
2:8; BresUa 113:14. 1112:25:
4:18: Brfluel 112:20; CaaMl III
4:11. V 11:89: Danaig U 6: »;
Dresden Ul 2:25. IV 11:1.1,30:
Dorpat IV 1:288; 8:4; Fraakfcrt
a. M. ül 5:2; Haabnrf ül 6:14.
IV 10:117; Haaaoyer III 1:25;
Helnutedt II 4:7; KarlaralM
IU 6:1. IV 9e:17; Leipdf IU
6:24/5; Lina III 2 : 2a: LSbatk EU
6:29: If arbnrf U 3 : 5 ; Maalbraaa
IV 11:26: Mönchen IV 1:232;
Nordhansea U 6:8; Paria I 2:80:
Radegast III 3 : 8; Rom (Vatikan) II
6: 18; Sanderedorf III 3:8; Stock-
koUn II 4:7; Stolberg III 3:8;
Straaeburg UI5:11: Stattgart IV
11:83; Trier U 4:7; Weimar Ul
4:16. IV 10:117; Wien U 6:52.
Ul 6:7,23; Wiasbadea IU6:28;
Zörbig III 3:8; ZBrick US:4I.
III 6:10-20; weibrSckaa U i :
6; Zwickau II 4:2«; 6:6|7. IU
1:10.
Handschriftenhtndlar (Pari*). I 4 : 104.
Uaadachrifteokataloge. 1 4 : 1—3^
Handacbriftlicbe Zeitang. Ul 1 : 20.
Haadaehachsbeim. II 3 : 28.
Handwerker. I 6: 16. 121. 394/T.
Haoe, F. IV 1:27.
Haahaymer, N. I 4:20.
HanaoTer. I 5:336.
Uaaaaon. Ola^ I 3:284.
Baaswar>t. Ul 4:24,27. IV 1:111.
Hardeaberg. F. y. IV 1:6:>: 11:6.24,
33, 82.
Hardt. A. J. y. d. IU 6 : I.
- H y. d. III 6 : 1.
Hardy, A. I 3 : 2.
Harkort, Fr. W. IV 1 : 64.
Harieas, A. y. IV 1 : 226.
Harms, Claas. IV 1 : 47.
Hamaok, 0. IV Oa : 118.
Hanya IV I : 106.
HaradOrffer. Pb. 1112:1.26. 1116:10.
Hart, H. IV 1 : 17.
- J. IV 1 r 17.
HarUebea, 0. E. IV I : 24.
Ilartmaaa, B. U 1 : 18.
- E. y. 13: 25/6, 62/63; 8S.
- H. II 3 : 34.
- J. II 6 : 25.
- M. IV 1 : 180, 203.
llarx. I 6 : 334.
Ha•^C. y. IV 1 : 218-il. MS; 6 :
Sachregister.
254
113/4, 224.
Hauber. HI 3 : 5.
Hauff, W. IV 3 : 93/5; 11 : 69-70.
Hang, B. IV 10 : 18.
— F. IV 9a : 62.
— J. CI1.F. IV 7 : 27 ; 11 : 69—70.
Haupt, M. IV 6 : 143.
Hauptmann, G. 13: 216, 246. IV
Haus. I 5 : 108—18.
1 : 17, 37/8.
Hauscbronik. I 5 : 15, 31/5.
Hausen (Historiker) IV 7 : 56.
Hauser, Casp. IV 1 : 226.
Haushofer, Max (Dichter). IV 1 :
198.
(Maler). IV 1 : 198, 202.
Hausmeistertum. III 5 : 10.
Haussprüche. I 5 : 267—72.
Haym, R. IV 11 : 19.
Hayneccius, M. I 6 : 223. II 4 : 12,
15.
Hebbel, F. I 3 : 24; 4 : 5. IV 1 : 31,
179, 203; 4 : 156—63; 6 : 16,
162; 10 : 107; 11 : 54, 78.
Hebel, J. P. I 3 : 130a; 8 : 28. IV
1 : 3, 192, 203; 3:8, 50/3, 64;
4 : 24; 6 : 13/4.
Heberer, M. II 3 : 5
Hecker, J. J. 16: 219.
Heeyrus, Ch. II 1 : 1.
Heeren, A. H. L. IV 1 : 235.
Heermann, J. III 5 : 13.
Hegel, G. W. F. II: 8, 19. IV 1 :
29, 47, 57/9, 195, 252; 3 : 179-80;
6 : 146, 209; 9b : 5; 9e : 115; 11
: 52.
— Iram. IV 1 : 224.
Hegendorf, Ch. (Hegendorfinus). II
6 : 25; 7 : 32.
Hegendorfer, H. II 7 : 32.
Hegius, A. I 6 : 187.
Hehn, V. IV 1 : 179, 258—64;
6 : 145/6.
Heiberg, H. IV 1 : 17, 24; 3 : 362.
Heidelberg. I 6 : 30. IV 7 : 23.
Heidelberger Jahrbücher. IV 11 : 54.
— Koraaiitik. IV 11 : 54-68.
Heidentum. I 5 : 210/1.
Hei gel, K. v. IV 1 : 17.
Heilmann, J. Ch. 14: 30.
Heimburg, G. I 1 : 27.
Heimkehle (Uftrungen). III 3 : 8.
Heine, C. I 1 : 50. III 4 : 16. IV
9 a : 74.
— H. I 1 : 61; 3 : 136; 4 : 4, 5;
8 : 27a. IV 1 : 2—4, 6, 37. 65; 3 :
115 a, 138, 179-84, 189, 196, 198,
237; 4 : 159; 6 : 143; 9e : 14; 11 :
57; 12 : 1-41.
— Denkmal. IV 12 : 17.
— II. IV 12 : 41.
— Therese. IV 12 : 27.
Heinemann, K. IV9a:l.
— 0. V. IV 7 : 21, 64.
Heinrich von Braunschweig. II 1:6.
— Julius T. Braunschweig. III 4 : 10.
Heinse, W. IV 1 : 3.
Heinsius, D. 13:2.
Heinz, A. IV 9a: 99.
Heiraten, Lied Über das. II 1:1.
Heiratsannonce. I 5 : 42.
Hennequin, Ell: 6/7, 13/5, 24.
Henrici, G. II 4 : 17.
Hensel, Luise. IV 11 : 64.
HenseÜD. II 3:14.
Hensler, K. F. IV 4 : 86.
Henslow, Ph. IV 5:11,
Henzen, W. IV 5 : 23.
Herakles. IV lle:86.
Herbart, J. F. I 3:12; 6:33/8, 48.
IV 6 : 83/6.
Herberger. II 1:6.
— V. II 7 : 57.
Herbert, P. II 2 : 3.
Held, F. IV 1 : 24.
— F. W. A. IV 1 : 166.
- Hans V. IV 1 : 93.
Heldengeschichte, Komische. IV 3:11,
18.
Heldt, S. II 1 : 17.
Helferich, H. IV 9a: 20, 98.
Heliand. 12:9.
Hell, Th. IV 4:208/9.
Hellen, E. v. d. IV 9a: 66/7.
Hellenismus. I 2:6.
Heller, R. IV 1 : 203.
Hellinghaus. 0. IV 9a: 61.
Hellmund. IH 2 : 10.
Hellwig, Ch. V. I 4 : 48.
Helmholtz, H. v. IV 6 : 173/4.
Helmont, F. M. van. IVlle:115.
Helmstedt. 16:106/7. 1113:8.
Helwig. III 5 : 13.
Benckell, K. IV 1 : 24.
Hendel-Schütz, Henriette. IV 5 : 49—50.
Hengstenberg, E. W. v. IV 1 : 47.
Henle, J. 15:422. IV 1 : 202; 3 : 124;
6 : 169.
Herder, J. G. v. IV 8. - I 1 : 19, 24,
27; 3:160, 224. 226; 6:29; 7:29,
35, 57 ; 8 : 26. IV 1 : 65, 164, 234/6,
347; 3:64; 4: 103; 6 : 162; 8:
11; 9b: 86; 9e:12, 25, 37a, 60,
118; 7:42; 11 : 19
— Theodora Luise v. IV 1 : 164.
— C. H. I 6:70. II 1:3. IV 9a:
27.
Heraiann, C. Th. 15: 432.
- D. U 1 : 2.
- F. B. W. IV 11:93.
- Gottfr. lY 1 : 220.
— Nik. I 6 : 65. II 1 : 1 ; 2 : 21.
— Zach. III 6 : 12.
Hermann.stadt. I 6 : 114.
Hermes, J. T. IV 3 : 11.
Hermilly. IV 7:1.
Heroenverehrung. 11:2.
Herolden. III 2 : 25, 28.
Herrenhuter. III 5 : 2/3.
Herrig, H. IV 1:3; 4:135/6.
Herrmann, Joh. II 7 : 57.
Hertz, M. 12:6. IV 9e : 120.
- VV. II: 50. ly 1 : 17.
'lertzberg, Minister v. IV 1 : 92.
Hertzka, Th. II 1 : 4
Hertz-Opifer. I 4 : 135.
Herwegh, G. IV 1 : 168, 179, 189, 196;
6:87.
Herz, Henriette IV 1:2, 41.
Herzlieb, Wilhelmine. IV 9c: 6.
Hessel, K. IV 14 : 32.
Hesselloher, A. II 2 : 27/8.
Hessen, 1 5:347/8; 6:80. III 5:2,15.
Hettner, H. 13: 144. III 3 : 2.
Heuer, 0. IV 9a : 70, 92a, 114.
Heufeld, F. v. IV 7:61.
Heusler, A. IV 9a: 92.
Heusser, J. IV 4: 6.
Heuwes, J. IV 9e:24.
Heveling, T. 16: 64.
Hexameter. 19:7/8.
Hexen. III 3 : 3.
Hezenglauben. III 6 : 23.
Hexenwesen. I 5 : 10, 67—76, 78/9,
317, 330.
Hey, W. IV 1 : 8.
Heyndricsen, H. II 3:20.
Heyse, P. I 3 : 238. IV 1 : 17, 32, 221 ;
3:121, 218; 6:137, 143; 7:64; 10:
117, 129.
Hiecke, R. H. 16: 102,
Hiesel, der bayrische. III 4 : 27.
Hildburghausen. I 6 : 77.
Hildesheim. I 6 : 86. II 3 : 43.
HilfskUnste, dramatische. IV 5:1.
Hill, A. I? 7:27, 37.
Hillebrand, K. 11:2.
Billem, Wilhelmine t. IV 1 : 17, 198.
Hiltebrand, A. UI 4 : 7.
Himmel. I 5 : 245/6.
Himmelskunde, populäre. I 6 : 63.
Hinneberg, P. II: 27.
Hiob. IV 9e:80, 86.
Hippel, Th. 6. y. IV 3 : 76; 6 : 1, 32.
Hirlanda. III 4 : 27.
Hirzel, S. I 2:12; 5:406.
Hirtzwigius, H. I 6 :80.
Historiker. 113:42/4. IV 1:236; 6:
125-37.
Historisch-politische Blätter. 11 1 : 13/4.
Historiographie. I 1 : 27, 31.
Hochzeit. I 5 : 48, 48a, 158, 206, 209.
Hochzeitsdichtungen. III 2:2, 9.
Hochzeitsordnungen. I 5 : 48.
Hölderlin, F. I 4: 6. IV 1 : 3, 57; 11 :
38-53.
Hölle. I 5 : 247.
Hölzlhuber, F. IV 1 : 27.
Hörnlein, M. IH 4 : 2.
Hofbühnen. IV 5 : 2.
Hofer, Andreas. IV 3 : 51.
Hoffahrts-Spiegel. III 6 : 8.
Hoffmann, E. T. A. IV 1 : 111; 3 : 81/3;
4:223; 10:17; 11:57; 12:4.
— Friedr. IV 3 : 64.
— Hans. IV 1 : 17; 3: 121.
— Joh. I 6 : 158.
— 0. IV 9a : 118.
Hoffmann v. Fallersleben. IV 1 : 179,
196, 198.
Hoffmannscher Bund. I 5 : 97.
Hoffmeister, J. II 7 : 50.
Hofleben. I 5:10, 158, 310/2, 317;
Berlin III 1 : 25, 30/3, 35/6; Kopen-
hagen III 1 : 28; Stuttgart III 1 : 24/5 ;
Wien III 1 : 21, 29.
Hofmann, J. Ch. K. v. IV 1:225. IV
6 : 118.
— K. III 5 : 10.
Hofmann-Wellenhof, P. v. II: 49.
Hofmannswaldau, Ch. Hofmann t. I
1 : 49. III 2 : 25/8.
I Hofmeister, der. I 5 : 386.
Hofnarren. I 5 : 317.
Bttisprache. I 8 : 24.
Hogea. III 2 : 38.
Bohelie«L III 2 : 4.
Hohenzollemdrama. IV 4 : 127.
Hoier v. Lauhtgen. I 6 : 332.
Holbein, F. I. IT 1 : 196.
— H. II 1 : 8.
Holberg, L. v. IV 1: »2; 7 : 27.
Holland, H. IV 9a : 84, Mk
— L. III 1 : 25.
Holländer, F. IV 3 : 7.
Hollmann, Prof. (Göttingen). IH «:7.
Hollonius, L. II 4 : 40.
Holtei, K. v. IV 1 : 29; 4 : 122.
Holz, Arno. I 3 : 69. IV 1 : 17, 24.
Homer. I 3 : 12; 7 : 33/4. IV 1 : 233;
3: 18, 42/4; 9d : 12.
Homerkritik. I 2 : 14, 16. IV 1 : 236.
Homeyer, C. G. II 3 : 43.
Hompesch, Baron t. IV 7 : 23.
Horaphaeus. I 6 : 187.
Honorar. 11:2.
Honorius Augustodensis. IV 7 : 50.
Hopf und Paulsiek, Lesebuch. I 7 : 12.
Hopfen, H. IV 1: 17; 3: 220.
Hoppe. II 6 : 2.
Horaz. II 4 : 33. IH 5 : 17.
Hören (Zeitschrift). IV 11 : 12.
Hormayr, J v. IV 1 : 160; 4 : 106.
Hörn, F. IV 10 : 117.
— J. U 2 : 3.
— U. IV 1 : 179. ,
Homer, J. J. IV 1 : 242.
Homstein. IV 1 : 198.
Hoven, F. v. IV 10 : 7.
Huber, J. W. I 4 : 119.
— L. F. IV 4 : 103.
Hubmeyer (Hubmör), B. II 7 : 17, 32.
255
Sachrogister.
Hübuer, A. Graf v. IV 1 : 173/8; « : 192.
Hülsen, B. v. IV 11 : 31.
HUlsliolf s. Droste-H., Annette r.
HUttenbau. I 0 : 152.
Hufeland, Cli. W. IV 1 : 238.
HuKO, V. 11:2.
HulHon, E. V. III 1 : 24.
Humanismus. I 1:27; 3:2. II 1 : 2.
IV 1 : 6«, 191, 209, 225.
Humanitltt. I 5 : 12.
Humboldt, Brüder. IV 1 : 235.
— A. V. IV 1 : 135, 179, 100, 203,
212, 235; 3: 125; 11:31.
— W. V. I 1 : 27. IV 1 : 59. 241 ;
6:144, 181,207/8; 9e: 71, 78; 10 : 47.
Humor. I 3 : 130a-d; 5 : 18, 95, 251
bis 260. III 5 : «.
Humoristen. IV 6:1.
Hundeshagon, B. IV 11 : 89.
Huorich und Heinrich. IV 4 : 189.
Hutt, J. IV 4 : 106.
Hutton. ü. V. I 1 :27, 49; 8 : 24. II
1 : 4-5, 8; 3: 14; 7:89. IV 4 : 133.
Hygiene. 11:6.
Hygia. IV 9e : 69.
b 86D, H. I 3 : 115, 159, 176, 197,
233, 278 IV 1:2, 36; 4 : 136,
138; 5 : 72.
Idealtypns. I 1 : 6—7.
Idee. I 1 : 20.
,Ideeu'', historische. I 1 : 27, 33.
Iftland, A. W. 13:1. IV 4 : 25,
32, 35; 10 : 18, 29, 68, 117.
Ihering, R. t. IV 1 : 32.
Iken, C. J. L. IV 9 : 3.
Ikonographie. III 3 : 6,
Ilg, A. IV 9a : 9.
lUaire. IV 11 : 31.
lUuminaten. IV 1 : 56.
Immermann, K. I 4 : 6; 7 : 37. IV
1 : (5; 3 : 8, 99; 4 : 123: 6 : 135,
148.
Immessen, A. II 4 : 6.
Impressionismus der Kritik. 11:11,
20, 29.
Index, päpstlicher. IV 12 : 39.
Individualitat. 11:2, 6-7, 16, 20,
24, 27, 34; 3 : 197, 200; 5 : 13; 8:
1, 7, 16-28. IV 1 : 4.3.
Individualismus der Kritik. I 1 :
8, 10.
Induktive Aesthetik und Poetik. I 3 :
62-111.
Ingold, Meister. II 3 : 14.
Inkunabeln. I 4 : 38—47; in Braup-
si-hweig. I 4 : 40 ; Darmstadt. I 4 ,
41; Fulda. I 4 : 82.
Inneie Form. IV 6 : 143.
' Insomnis cura pirentum. III 5 : 10.
Inspirierten, d. III 5 : 2,
Instruktion für die Österreichischen
Gymnasien. I 7 : 13.
Iphigenienstoff. IV 4 : 4.
Ironie in der Geschichte. I 1 : 35.
— philosophische. IV 11 : 3.
Igaakdrama. II 1 : 1.
Iselin, I. I 6 : 27.
Isokrates. II 1 : 6.
Israel, G. 11 7 : 67.
Jacob, Theiese. IV 9 : 4.
Jacobi, F. H. IV 1 : 212, 235; 6 : 1 ;
7 : 10, 13, 78; 9e : 28.
Jacobowski. L. I 1 : 24.
Jacobs, F. IV 1 : 236.
Jacobsen, J. P. 13: 278. IV 10 :
117.
Jacobson, E. IV 5 : 72.
Jacoby, D. IV 9a : 44, 50.
Jttger, der. I 5 : 398.
Jagemann, Caroline, IV 10 : 108.
Jahn, J. Ch. 16: 86.
— I^ IV 1 : 50, l«8, 212; 3: 48, 82.
— 0. IV 1 : 203.
Jamben, fOnmiMige. IV 10 : 117.
Jtnsxen, J. II I : 13, 16. III 6 : 23.
IV II : 64.
Jaquet, Anna. IV 1 : 170.
Jareke. K. E. IV I : 227.
Jean Paul ■. Richter, J. F. F.
Jeep, E. IV 7 : 06.
Jen». I 0 : 77, 98.
— Sehlacht bei. IV 1 : 239.
JeoaiMche Allgemeine Zeitan;. IV
II : 15.
JeniBch, O. III 1 : 20.
Jenny, 0. IV 3 : 19.
Jensen, W. IV 1 : 17; 3 : 214, 217.
Jericho, Rose r. I 2 : 216.
Jerome, KOnig ron Westfalen. IV
II : 84.
Jerrmann. IV 11 : 31.
Jerusalem. J. J. W. IV 1 : 233.
Jesuiten. I 1 : 27; 5 : 76/7«. lU 6
: 34/5
— Drama. III 4 : 15«-b.
— Poesie. III 2 : 12.
Joachim I. Ton Brandenbarg. 11
6 : 12.
Joachimsthal. I 6 : 129. II I : 1.
Jodelle. E. 13:2.
Jodl, F. I 1 : 31.
JOcher, Ch. O. III 6 : 7.
JOrdens, K. H. III 5 : 29.
Johann IV. t. Ueissen. I 6 : 158.
— Erzherzog ?. Oesterreieh. IV 1 :
160/1.
— Kurftlrsten t. Sachsen. II 1 : 6;
7 : 66
— Friedrich t. Pommern. I 6 : 172.
— — Herzog v. Schwaben. III 3:1.
— — Herzog v. Sachsen - Weimar.
III 1 : 16.
Johnson, Ch. IV 7 : 27.
Jommelli, N. IV 6 : 75.
Jonas, F. IV 11 : 26.
— J. II 2 : 3; 7 : 18.
Jordan, W. I 3 : 212. IV 1 : 17; 4 :
163.
Josel V. Witzenhausen. III 3 : 9.
Joseph II. Kaiser. IV 1 : 56; 9e : 83.
Jonrnalistik, III 3:8. IV 6 : 175-
82; 7 : 1.
— und Geschichtsschreibung. I 1 :
27.
Jude, ewiger. II 3 : 39.
Juden. I 5 : 166, 172/8, 463/4. IT
1 : 184; 7 : 70.
Judith. III 4 : 27/8.
Judisch-Deutsch. III 3 : 9.
JUhlke. F. IV 3 : 115.
Junckmann, W. IV 1 : 209.
Jung, R. IV 9a : 16, 48, 91.
Jungfrauen, zehn (Drama). II 4 : 8.
Jnnghans, Sophie. IV 1 : 17.
Junghegelianer. IV 1 : 47.
Jun^'-Stilling, J. H. IV 1 : 236; 6 : 1.
Jngondlitteratur. III 3 : 6.
Junges Deutschland. IV IX.
Jnnot, Karoline. IV 10 : 17.
Jostinianns, Kaiser. III 5 : 13.
Justue. Th. rV 3 : 121
Kaakspiel, I 6 : 66.
Kaberlln. I 3 : 246.
Ktstner, A. IV 6 : I; 7 : II.
KlafrUn. ni 6 : 17.
Kahle. Marie. IV 5 : 37.
Kaiser, J. M. IV 1 : 27.
— (Musiker). IV 1 : 233.
KalandsbrUder. I 6 : 171.
Kalb. Charlotte t. IT 10 : 8. 29.
Kalenderwesen. I 5 : 33, 278it, 280fl.
Kai f. P. II 4 : 4.
Kaiisch, D. IV 1 : 189; 4 : 121.
Kainein, A. v. UI 1 : 17.
iMibli, C. W. IT 8 : IIO/I.
KaaaMrfwiebt I 5 : S06c
K mmio. I • : U7.
Kandidaten. I « : tML
Kint. I. 13:7-8, laOe-^ • : 20. IT
1 : 47, 69. 113, 235/6; n - mr— 44;
10 : M.
Kantate. IT 4 : 7.
KaazelberedeamkeiL UI 5 : 5-6.
Kanzlei. I 6 : 13.
Kanzleiiiprkehe. I 8 : 1—5, 24.
Kapff-Esaenlher. Pransiaks t- IT 1:8.
Kapp. Prof. IV I : 179.
Kapaziner. III 5 : 6.
Karl IV.. Kaiser. I H : 4.
- VI.. Kaiser. III :. : 7.
- IV. T. Lothringen. III 6 10.
- Prinz T. Lothringen. III I : 29.
- Aagtwt r. Sachsen -Weiwtf. IT
9b : 2; 9« : 35, 38, 00, 83, 11«;
10 : 108.
- Bsgei, Borxog t. Wlrtttakaff.
IT 10 : 8.
Kartenspiel. I 6 : 24. 67. III 5 : 18.
KaMmenstuben zn Nen-BappfB. HI
1 : 12.
Katechetenschulea. I 0 : 180.
Katechismen. II 7 : 31/3.
Katbarina II.. KaiMria T. ■■■daBJ
IV 3 : 11.
Katharsis. I 3 : 148.
Kathederberedsamkeii III 6 : II
Katholische Polemik, n I : 13 ». IT
7 : 14.
Katholizirans. IT 11 :34, 87. M. 90il.
Katzenstein. L. IV 9a : 79.
Kaufmann, der. I 5 : 13. 14.
- T. Venedig (StofT). III 5 : 2S.
- Angelie«. IV 9b : 103; 9e : 8S.
- Ch. IV 1 : 233; « : 124*.
- M. IV 9a : 132.
Kanlbach. W. t. IT I : 249; II : 93.
Kaweran. Q. II 6 : 1.
- W. IV 9a : 34.
Kayser, Dorothea. IT 9«: 37.
- J. III 2:29.
- Th. Ch. IT 9b:2, 7, 89; 9e:3ft,
37-7a.
Keil. E. IT 1 : 228.
- R. IV 9a: 62.
Keim. F. IV 1 : 27.
Keller, O. IT 1 : 6. 19. 20«. 209 : 3 : 78.
121, 194. 139-58. lOOl. 173. 237;
6:87. 169. 225; 7:04; 11:57.
- J. II 7 : 54.
- BefBla. IV 3:142fS.
Kellner. R. C. IT 9a: 34.
Keraer.J. IV 1:0. 225; II: 31. «9-70.
- Theobald. IT 11:31.
Kereon Matt«r. J. IT I :M.
Ketaler. ▲. in 5 : la
Keatner. O. IV 9«: 35.
- J. Ch. IT 9b: 16.
Kiehne. H. IT 1 : 8.
Kielland, A. L. 13: 281.
Kinderglrten. IV 6 : 220.
Kinderlehrerachnleii. I 0 : 180.
Kindermann. B. III 5: 12.
Kinderreime. I 5 : 274.
Kindtanfe. I 6 : 40.
Kingaley. Ch. IT 3 : 10.
Kinkel. O. IT I : 168. 179. 209.
Kirchbach. W. IT 1 : 17. 38 ; 3 : 7.
Kirchenlied. H 2 : 1 -21 ; 7 : 89-90, »7 ;
katholische«. II 2:2; ia B«kM^
11 2:3: in MoissM. II 2:5; ta dar
Schweiz II 2:4.
Kirehenordnnagen. 10:129. 117:40.
Kirchenpaaer, G. H. I 6:421.
KirchenvlUr. III 6:0.
Kirchhoff. H. W. II 3 : 18.'9. IT 7 : 27.
Kirchliche Verhtltaitsa. I 5 : 341. 372,
378-81. 417.
Kirehaer, H. in 4 : 12.
Sachregister.
256
Kinns, F. IV 9 : 8—9.
Kladderadatsch. IV 1 : 63, 104, 189.
Klagenfurt. I 5:370.
Klantendorfer, P. II 2:3.
Klapp, M. IV 1 : 189.
Klassifizierang. I 1:8, 11.
Klein, J. L. IV 1 : 195.
Kleinert, K. E. IV 3: 177/8.
Kleinwächter, F. II 1 : 4.
Kleist, E. V. IV 4 : 127; 7 : 13, 25, 27.
- H. T. 1 1 : 49 ; 3 : 176; 5 : 451 ; 7 : 14,
41, 49. IV 1 : 2—3, 6, 30, 205 ; 4 : 108
bis 188, 127, 223; 9e:16; 10:107;
11:64, 57; 12:14.
Klemens Wenzeslaus v. Bamberg. I
6:121.
Kletke, H. IV 1 : 189.
Klettenberg, H. v. 15: 405 a.
- Susanne, v III 5 : 2. IV 1 : 28;
9b: 104; 11:57.
Klingenberg, G. IV 1 : 8.
Klinger, F. M. V. IV 1:3, 194, 233;
3:38— 40a; 4:21/2; 7:19;9b:88;
9c:27a; 10:117.
- Max. I 3 : 28/9.
Klopstock, F. G. I 1 : 49; 4:4;
5 : 84; 7 : 3-4; 9:4, 18. lY 1:3,
4157/8, 212—20,232/3, 235/6; 3 : 11,
19—28, 30; 6 : 15, 31; 9e : 4, 118;
10 : 67.
Klosterleben I 5 : 135, 381.
Klosterschulen. IV 11 : 42.
Klotz, Ch. A. IV 7 : 28, 65.
- B. I 6 : 86.
Knak, G. IV 1 : 18, 168.
Knapp, G. IV 1 : 18.
- J. IV 1 : 18.
Knaner, M. I 4 : 48.
Knebel, K. L. v. IV 1 : 29, 164, 232;
9b : 2, 105; 9e :59a— 60.
Knigge, A. Frhr. v. IV 3 : 11.
Knittelverse. 19:2. IV 1 : 220.
KnobelsdorlF, H. G. W. v. IV 1 : 79.
Knöpgen, A. II 1 : 2.
Knorr, Joseflne v. IV 1 : 18.
Knortz, K. IV 1 : 18.
Kobell, F. y. Pf l : 18.
Koberstein, A. IV 11 : 19.
- K. IV 1 : 18.
Koblenz. I 6 : 105.
Koch, Ernst. IV 1 : 196; 3 : 108.
- Johann. IV 1 : 18.
- Katharina. IV 1 : 18.
- Margarethe. IV 1 : 18.
- Max. IV 1 : 188; 9a : 2, 23, 39,
58, 68, 73, 104, 109, 115, 117, 122, 135;
11 : 56.
KOberle, G. IV 1 : 18.
Köhler, Hartw. IV 1 : 18.
- Heinr. IV 1 : 18.
- Reinh. I 1 : 19.
Köln. I 2 : 10.
König, J. U. m 2 : 7-8.
- Sam. III 6 : 21.
- Seh. III 5 : 10.
Königsberg. I 6 : 29, 100,
- A. IV 1 : 18.
Könnecke, G. IV 4 : 2.
Köpke, R. A. IV 11 : 31.
Koppen, F. V. IV 1 : 18, 156.
Körner, Ch. G. IV 6 : 216 ; 10 : 15,
128; 11 : 25.
- Emma. IV 4 : 103.
- Friedr. IV 1 : 18.
- Minna. IV 4 : 103.
- Th. I 4 : 124. IV 1 : 30/1, 170;
3 : 49; 4 : 38-107; 6 : 162, 216;
11 : 26.
KOater, A. IV 6 : 68.
- Hans. IV 1 : 18.
- Hugo. IV 1 : 18.
Kösting, K. IV 1 : 18.
KöBtün, M. N. IV 11 : 60.
KOthe, F. A. lY 1 : 18.
Koglgruber. IV 1 : 18.
Kohl, J. P. in 5 : 7.
Kohlrausch, F. IV 1 : 64.
Kohlschmidt, 0. 11 1 : 14.
Kolb, G. IV 1 : 196.
Kolbe, Maler. IV 9b: 11/2.
Kolde, Th. II 6 : 1.
Koloczmenostor. I 5 : 379a.
Kolonie, französische. IV 1 : 93.
Komander, J. II 1 : 7.
Komisches Drama. I 3 ; 151.
Komotau. II 1:1.
Komödianten, englische. III 4 : 9, 13.
Komödienverbot. I 5 : 65.
Kompert, L. IV 3 : 126a.
Komplimentierart. I 5 : 13.
Komposition. 11:2, 20.
Konrad v. Würzburg. IV 3 : 49.
Konventionelles. I 1 : 48.
Konvertiten. IV 11 : 90/1.
Konzeption. I 1 : 20.
Konzil V. Trident. I 6 : 66.
Kopenhagen. IV 10 : 62.
Kopernikus, N. II 1 : 20.
Kopp, M. IV 1 : 18.
Koppel-Ellfeld, F. IV 1 : 18.
Korn, J. J. in 1 : 20.
Kornemann, H. lll 3 : 3.
Kortum, K. A. IV 3 : 8, 11.
Korytanski, J. II 2 : 3.
Kosegarten, L. Th. IV 11 : 13,
Kossak, E. IV 1 : 189, 289.
Kotzebue, A. v. 13:1, 151. III 4 : 32.
IV 1 : 170, 235; 4 : 25, 35, 35b— d;
5 : 55, 72; 6 : 162; 11 : 85.
KrSuterbttcher. IIl 5 : 5.
Kraft. IV 9e : 60.
Krais, J. IV 1 : 18.
Kralik, R. v. III 4:27. IV 1 : 18.
Krantz, A. II 7 : 51.
Kraus, F. H. II 1 : 15.
— J. M. IV 1 : 55; 9a : 2, 18.
Krause, K. Ch. F. IV 6 : 47.
Krebs, H. IV 1 : 18.
— R. III 5 : 34.
Kreiten, W. IV 11 : 54,
Kremer, H. IV 1 : 18.
Kremsmtiuster. I 6 : 119.
Kretzer, M. IV 1 : 17, 32, 37/8.
Kreuser, J. IV 1 : 18.
Kreutzer, C. IV 1 : 252 ; 4 : 192.
Kreuzhage, E. IV 1 : 18.
Kreuzzeitung. IV 1 : 168.
Kreyssig. F. IV lle : 119.
Krieg, 30j. III 1:7—11; 3:2-3; 5
: 10, 28.
Kriegspoesie des 7 j. Krieges. IV 1:80.
— von 1870. IV 1 : 63.
Kriegswesen. 15:10, 16, 90, 369b,
391/3.
Krippelspiel. III 4 : 27.
Kritik. I 1 : 2, 6, 7-8, 10—11, 15;
3 : 76, 77/9, 205, 207. II 1 : 16.
IV 1 : 236; 6 : 157—67.
— als Kunst. 11:6, 27, 31/2.
— Geschichte der. I 1 : 7—8, 24.
— Historische. I 1 : 27—31, 57.
— Kulturgeschichtliche. I 1 : 19, 24.
Kritiker, Dichter als. 11:8, 11.
Kritischer Skeptizismus. I 1 : 27.
Kromayer. I 6 : 178.
KrUdener, Juliane v. IV 1 : 229;
6 : 185a.
Krummacher, F. A. IV 3 : 64.
Kruse, H. IV 1 : 17/8.
— J. IV 1 : 24.
Kuchlin. I 1 : 49.
KQohe, I 6 : 49, 132, 136, 330b.
Kttohle, G, IV 1 : 18.
Kühn, J. E. IV 1 : 18.
KUhnau, F. IV 1 : 240; 11 : 85.
KUhne, G. IV 1 : 6, 18; 5 : 60.
KUnBtler. 15:16, 389—90,411. IV
11 : 8»-93.
Kttnzli, M, IV 3 : 30 ; 7 : 18.
Küstner, v., Generalintendant. IV 11 : 31.
Kugler, F. IV 1 : 18, 198, 206, 209.
Kuhn, A. IV 11 : 85.
- K, IV 1 : 18.
Kulemann, R. IV 1 : 18.
Kulmann, Elisabeth. IV 1 : 18.
Kulturgegchichte. I 5; 8:1, 54/5.
II 1:20. III 3:3; 5: 19, 23.
- und Geschichte. I 1 : 19, 31.
Kulturkampf. II 1:4.
Kulturverhältnisse. I 1 : 2, 8.
Kummer, F, IV 9a: 39.
Kunjacob, H. 14:118.
Kunst. I 3:35, 45, 53; 5:10. II
1 : 16-20. IV 1 : 249-57 ; 1 1 : 26a,
89—93.
- und ihr Einfluss auf die Wirklich-
keit. 11:2.
- und Moral. I 1 : 2, 7, 19. II 1 : 15.
- und Mystik. IV 11:91/2.
Kunstlehre. 13. IV 6:147-50.
Kunstphysiologie. I 3 : 62/3.
Kunstverleger. III 3 : 5.
Kunze, Julie. IV 1 : 30.
- W. F. IV 1 : 18, 30.
Kuranda, J. IV 1 : 173, 179.
Kurland, Herzogin v. IV 9b : 8—9.
Kurs, Auguste, IV 1 : 18.
Kurz, Heinr. IV 1:2, 179.
- Herm, I 5 : 402e. IV 1 : 18; 10 : 24.
- Isolde. IV 1:17; 3: 121.
Kupferstich. III 3 : 5.
Kyffhanser. I 5:339.
Kym, Hedwig. IV 1 : 18,
Labes, E. IV 1 : 18.
Laboratorium, ästhetisches. IV 5:25.
La Chatolais. I 6 : 22.
Lachmann. K. I 1 : 27; 2 : 6, 9, 14,
36. IV 7 : 1; 9e : 75.
Lachner, F. IV 1 : 198.
Läppische, D. 13: 130c- d.
Laetus, G. II 1 : 6,
Lafontaine, A, IV 4 : 25.
- J. de. IV 3 : 12/3: 7 : 42.
Lagarde, A. P. de. IV 1:2, 18;
6 : 225a- b.
Lagrange. IV 9e : 47.
Laharpe, P, C. IV 1 : 235.
Laienbühnen. IV 5 : 26/9.
Laistner, L. IV I : 17/8.
Lamartine, A. de. IV 1 : 65; 11 : 19.
Lambeck, P, III 5 : 12.
La Motte. IV 7 : 27.
Lamprecht. IV 4 : 223.
Landey, P. 13:2.
Landsknechte. I 5 : 10, 391.
Landsteiner, K. IV 1 : 18,
Landwirtschaft. I 5 : 10; «5 : 1.V2.
Lang, Andreas. I 1 : 14.
- G. IV 1 : 18.
Langbehn, J. 13: 197, 200. IV 1 ; 44,
110/1.
Langbein, A. F. E. IV 3 : 11, 17,
52/3.
Lange, A. F. 15: 424. IV 6 : 22.5.
- H. IV 1 : 18.
- Joh. II 7 : 102.
- Joh. Pet. IV 1 : 18,
- Jul. IV 1 : 93.
- Sara. Gotth. IV 1 : 232.
- Wichard. 1 6 : 111.
- Dr. IV 9a : 27.
- (Schauspieler). IV 1 : 170.
Langenbcrg, P. 14: 135.
Langewiesche, W. IV 1 : 18.
Langlois, F, 111 3 : 5.
Lansius, Th. III 5 : 10.
Laroche. K, v. IV 1 : 241.
- Sophie V. IV 1 : 241; 3 : 11.
L'Arronge, A. IV 1 : 17.
Lasaulx. IV 1 : 198, 226.
Laaki (Lasius), J. II 7 : 67.
267
Sa&hregiBtor.
LumJI«, f. IV 1 : 184/7, 189, 206;
4: 183: 0 : 203/5b; Od : 20.
Laasberg, J. r. 12:0. IV 1 : 241.
Lasten. IV 11 : 18.
Luson, A. IV 1 : 18.
Lktein, makaronlsclies. III 5 : 28.
Lateinische LittoraturdoakiuKler. I
ö : 221.
Latinismus. III 5 : 13.
Latouche. IV 9e : 47.
Laube, H. IV 1:0, 18. 184, 1^0, IM;
6 : 56; 11 : 31.
Landes, J. IV 4 : 87.
Lauffen. l 5 : »50.
Lauingen. II 1 : 6.
Laureni)>cr(;, J. III 5 : 13.
Lautonmusik. II 2 : TO.
Lautlohro. I 8 : 1, 0, 2ö/<l, 30.
Lautsymbiilik. I 1 : 20.
Lavater, J. C. IV 1:1, 162. 236/6, 241;
4:15; 6:101a/6; 7:28; 8: 5; Od: 13.
Lazarus, M. IV 1 : 32.
Leander, R. IV 1 : 18.
Loberreirae. 13:4.
Lobrun, P. IV 10:94.
Lecky, W. U 1 : 15
Legende. 11 3 : 40.
Legerloti, G. IV 1 : 18
Lo Gravo, Agnes. IV 1 : 18.
Lehmann, K. 17: 20.
Lehrplane 1882. 17:8.
Leibniz, G. W. v. 14: 5. III 5 : 21,
29, 81. IV 1 : 47; 3 : 30; 7:14,
30, 78.
Leiden Christi. III 4:27.
Loiningen - Dachsbnrg, Graf Johann
Philipp II. V. III 5 : 10.
Leipzig. I 5:343; 6:66, 69, 73, 97.
Leisentritt, J. v. Juliusberg, II 7 : 63.
Leisewitz, J. A I 7:47. IV 1:233:
4 : 10/1;
Leister. IV 7:11, 57.
Leitrstdon für Litteraturgoschichte und
Poetik. I 7:93-100.
Leiiner, 0. v. IV 1 : 17, 32; 5: 18.
Lektüre. I 6 : 84.
— dramatische. I 7 : 19.
Lemaitre, .T. I 1:7, 10/1.
Lerasal. I 6: 117.
Louan, N. I 7:48. IV 1:6.62, 65;
3:n5a; 6:117, 162; 11:78.
Lentuer, F. IV 1 : 27.
Lenz, J. M. B. I 3 : 150. IV 1:1, 5,
194, 232; 4 : 14/8; 9b : 88, 90/6; 9e:60.
Leo, H. IV 1 : 212.
Leonhard. III 6 : 21.
Leonore Christine t. Schleswig-Hol-
stein, m 1:28.
Loopardi, G. Graf IV 11:43.
Leopold I. Kaiser. III 1 : 4, 21, 23, 29.
Lesage, B. lY 7 : 27.
Leseberg, J. II 4: 11.
Lesebücher. I 7:68—92.
Lessing, C. B. IV 7 : 10, 44.
— O. E. IV 7. — I 1:11, 19; 3:226;
4:6; 6 : 26; 7 : 35. III 6 : 19. IV
1 : 3, 41, 87, 111, 116, 118/9, 131/2,
225, 232/3, 235/6, 252; 6 : 138; 1 1 : 19.
— Lyrik : Jngendgedichte IV 7:8.
Prosaoden IV 7:7.
— Drama I 3 : 174. IV 4 : 25 ; 5 : 72
Comische Einfälle u. Zöge IV 7 : 27.
Emilia Galotti I 7:39. IV 1 :3;
4 : 25; 7 : 27/8, 62/7 ; 11 : 64. Faust
IV 7 : 60. Freigeist IV 7 : 27. Henzi
IV 7 : 35. Juden IV 7 : 27. Junge
Gelehrte IV 7 : 27. Matrone y.
Ephesus IV 7:1. Minna v. Barn-
helm I 3:162; 7 : 27, 40 IV 1 : 3;
6:143; 7:27/8, 44. Misogyne IV
7 : 27. Nathan I 7 : 28, 59. IV 1 : 11 ;
3: 49; 6: 143; 7: 1, 14, 24. 27/9,
70/4; 10 : 117; 9e : 46. Philotas
IV 4 : 127; 7 : 18. 28. Sara Swnp- I
Jahresberichte tHi neuere deutsche
■on IT 7 : 27/0, M. Sehaii IV
7 : 27. Virginia IV 7 : l.
- Beytrtge aus der WolfenbUttUr
Bibliothek IV 7 : 68. Uramaturgi«
I 3 : 1; 7 : 23. IV 7 : 14, 27/9, 68-6S.
Epigramm IV 7:1, 27, 33. Er-
zählungen IV 7 : 27. ErxIehunB d.
MenschnnKoschlecbta lY 1 : 286;
6 : 1H9; 7 : 76/7. Fabel I 8 : 10;
IV 7:1, 9, 40/3. ColleitanMn
IV 7 : 9. Ltokoon I 3 : 106; , 7 t
b2. n 1 : Ib. IV 3 : 142; 7 : 61
—63. Leben nnd leben lassen IV
7 : 9. Lehrgedichte. IV 7 : 27.
Litteraturbriefe IT 7 : 18. Logaa
IT 7:1. Pope ein Metaphysiker
IV 3 : 30. Selbstbetrachtungen iV
7:0. Theatralische Bibliothek IV
7 : 62. Uebersetxungen IV 7 : 1.
WolfenbOttler Fragmente III 6 : 8.
- Job. Oottfr. IV 7 : 16.
- K. F. IV 11:26b.
- K. 0. IV 7:27.
- Otto IV 7:25.
Lessingbilder. IV 7 : 13, 24.
Lessingdenkmal. IV 1 : 252 ; 7 : 26.
Leuchsonring. IV 1 : 93.
Lewald, Fanny. IV 1 : 179; 3: 109.
Lowes, G. H. IV 0e:28.
Lewinsky, J. IV 4 : 128.
L'hombre. I 5:24. III 1:41.
Libanns, L. II 2 : 3.
Liber regum. I 4 : 35.
Liberalismus. IV 6:206.
Librarii. I 4:104.
Lichtenberg, O. Cb. IV 1 : 233, 235;
3:11. IV 6:1, 29-30.
Liebenau, Th. t. II 1:7. IV 0a:82.
Liebesbriefe. I 5 : 13, 91/2. IV 1 : 241
Liebh>^dt, Z. II 4 : 39.
Liebig, J. v. IV 1 : 31, 64.
Liebknecht, W. IV 1:2.
LinblingsbUcher. I 5:84, 86.
Lied auf den Tod Herzogs Ludwig t.
Württemberg. II 2:6.
Lieder des 7j. Krieges. IV 1 : 80.
- geistliche, s. Lyrik, geistliche.
- czechische. II 2:3.
- evangelisohe. III 2 : 37.
- katholische. III 2:38.
Liederbuch d. Hatzlerin. II 3:1.
Liederdichter, sektirerische II 2 : 16/8.
Liedorhandschrift, Manessesohe. 12:3.
Sudennannsehe. II 2 : 16.
Liederkomponisten d. 16. Jb. 112:40/5.
Liodertheorie. I 2 : 14.
Liepmanu, H. IV 9a: 41.
Lier, H. A. IV 0a:83.
Liliencron, D. t. IV 1 : 17, 24, 32; 3 : 237.
- BHhle, von. IV 9e:73.
Lille, G. IV 7:27, 36/7.
Linck, Katharina Salome. III 2 : 12.
Linckelmann, K. IV 9a: 60.
Lind. Jenny. IV 5:89.
Lindau (Stadt). 1 6 : 156.
- P. I 3:236. IV 1:17.
- B. IV 1:17.
Lindeberg, P. II 3 : 14.
Lindau, W. 16: 144.
Lindenborn, H. 111 2:38.
Lingelsheim, G. W. III 1:14.
Linder, Emilie. IV 1 : 131; 11:54.
Lingg, H. IV 1:0, 17 ; 3:219.
Lingk, H. H 4 : 39
Link, J. T. IV 1 : 27.
Lionardo da Vinci. II 1 : 20.
Lippert. Ph. D. IV 7 : 54.
Lipps. Th. I 3:35, 130a.
Lippstadt. I 6 : 107.
Liscow, Ch L. III 5:17. IV 6:1.
- J. F. ni 6:17.
List, P. m 5 : 12.
Lisxt, F. IV 1 : 19«.
Lithodius, J. II 3 : 6.
Litt«ratargescbioht« II to.
Littaralor. kirehliebs. 12:«.
- modara«. IT I : 84—44.
- rornuiseh«. IV 11 : 71.
- ■ksttdinftTiaeb«. IV 11 : TL
LitUntarbctnwbtanr, relifiOs«. I 1:
84.
Litteraturforseban«. I 2 i 86—40.
LitteraturgaMsUeht«. I 1 : 1-S7,
31/2. IV 1 : 1-8.
- deutsch«: in Nord-Aaierik«. I 1 :
89; ArgauUnien. 1 I : 40 ; Kaglaad.
1 1 : 46; Frankraieh. I 1 : 8«/7.
- basebreibenda. I 1 t 19.
- rargleiehenda. I 1 : 1, 8. 11, 16,
19, 24 ; 2 : 18.
- liethoda dar. II: 1-26; in
Deotnehland. 11:1, 19—26; Kag-
Uod. 1 1 : 16/8; Fnnkraich. 1
1 : 2-14, 19, 2t.
- and Ästbelik 13:1.
Litlaratarintaraaaen, daaUeb - fraaxO-
sisebe. IV 1 : i-86.
Littrow. 11. IT 1 : 27.
Litzel. III 2 : 12.
Litzmanu. 0. CT. IV 11 : 88—49.
Lirland. U 1 : 2.
Locella, G. IV Os : 133.
Locke, J. I 6 : 22. UI 6 : 18.
Loen, J. M. t. IV I : 28.
Loban. I 6 : 341a.
Loeper, Q. r. I 2 : 43. IV 1 : 32;
9a : 118, 126, 138/0.
LOrr, J. I 4 : 118.
Loesel, J. UI 1 : 17.
Lösche, O. U 1 : 14.
Uscher, E. V. III 2 : 63.
Lowe (Schauspieler). IV I : 184.
Löwen, J. F. IV 3 : 18; 17 : 27.
LOwenhalt, Bompler r. III 6 : 10.
LOwenheri, Richard. IV 3 : 40.
LOwenstain-Werthheim, Karl, FOrst r.
III 6 : 7.
Lohengrin. IT 4 : 210-Oa, 226.
Lohanstain, Ct. II: 49.
Lokaler Einfluss. 11:2, 6-7, 20.
Lokalwitz. I 5 : 265,6, 317.
Lombard, Cabinetsrat IV 1 : 03.
Lombroso, C. 13: 64/6, 82.
Lonicerus, A. III 6 : 6.
Lope de Vega. IV 4 : 166.
Loredano, F. III 2 : 26.
Loreleysage. IV 12 : 33 5.
Loront, 0. II: 28, 31. Hl: 13.
Lorichius, J. n 1 : 2.
Lorinser, F. IV 1 : 227.
Lonn, H. IV 1 : 6 : 6 : 18-2«.
Lorsbach. IV 9b : 11/2.
Lortzing, A. IV 4 : 192, 210/2; 6 : 78.
Lothringen. III 6 : 10.
LotUrie. ni 6 : 27.
Lotus. I 6 : 296.
Lncret.us IV 3 : 33.
Laden, U. IV Oe : 00.
Ludwig I., König ron Bayern. IV I :
31, 180, 244, 262; 6 : 68.
- n. Ton Bayern. IV 1 : 179, 189
- 0. IT 1 : 194, 203; 4 : 128-32.
176.
Lndwigslied. IT 11 : 19.
Lnbke, W. 16: 427. II 1 : 15. IT
1 : 188, 108, 206, 200-11; 9a: 21,89.
LBrk^ F. 12: 6-8. IT 6: 112.
LBgendiebtang. III 8 : 3. FV 3 : 8.
Lüneburg. I 6 : 110, 141.
Lnttiehaa, Augnstas r. III 3 : 4.
- Ehren fried t. III 3 : 4.
LugiubOh!. R. IV 9a : 64.
Luise Henriette, Kurflrstin. II 2 : 19.
Lakian. IV 3 : 30/2.
LusUpiel. I 3 : 162. in 3 : 4.
Lustspieloper. IV 5 : 78.
Luthardt, Ch £. I 5 : 428. IV 1 : 22S.
Lnlher, M. II 6. - I 1 : 27: 2 : <;
8 : ISOa; 6 : 403; 7 : 81, 42; 8:
17
Sachregister.
258
1 22/3. II 1 : 4-f', 8; 2:3;
3 : 43; 7 : 39. III 6 : 4, 10. IV
1 : 114, 236; 8 : 179-80; 7 : 27
Bibelttbersetzung. II 6 : 20—4
IV 6 : 3a. An d. christlichen Adel,
IT 6 : 3a, 5. An d. Herren Deutsch
Ordens. II 6 : 1. An d. Eatsherren.
II 6 j 3a, 6. De captivitate baby-
lonica. II 6 : 17. Fabeln. I 7 : 42. II 6
3i, 5. Katechifin.U8. II 6 : 24—31
Leichenrede. II 1 : 6. Lieder. II
2 : 3—5; 6 : 3a, 5. Frau Musika
II 6:6. Pahstesel. U 7 : 39,
Predigten. 11 6 : 1, 3— 3a. Send
schreiben v. Dollmetschen. IL 6
3a. Sprüche. IV 6 : 4. Tischreden.
II 6 : 3a— 4. Von d. Fischen. II
6 : 3a. Von d. Freiheit e. Christen-
jnenschen. II 6 : 3a. Von d, guten
Werken. 11 6 : 13.
Lutherspiele. II 6 : 95/7. IV 5 : 16.
Lutz, H. II 1 : 1.
Lutzer, Jenny. IV 1 : 196.
Luzern. I 5 : 373. II 1 : 7.
Lyon, 0. IV 9a : 34.
Lyrik. 112; JU 2; [IV 2]. 13: 12,
29, 45, 131.
- geistliche. III 2 : 36—65.
- modernste. IV 1 : 2, 21/7.
- weltliche. HI 2 : 1-35.
Maasslieben, die. I 5 : 294.
Macaulay, Th. I 8 : 118. IV 1 : 132,
214.
Macbethdramen in Frankreich. IV
10 : 117.
Macchiavell, N. I 1 : 27.:
Macchiavellismus. III 6 : 23.
Mackay, J. H. IV 1 : 24; 3 : 10.
Waciopedius, G. II 4 : 18, 36.
Madäch, E. IV 4 : 181/2.
Madrigal. III 2 : 70.
Mädler, Staatsiätin v. IV 1 : 234.
Mähly, J. IV 3 : 152.
Männerbund gegen Unsittlichkeit. II
1 : 15.
Männergesang. IV 6 : 78.
Märchen. I 2 : 13; 6 : 226, 231, 242.
III 3 : 3.
Mäichendichtungen. IV 10 : 117.
Magdeburg. I 6 : 66. IV 1 : 232.
Magenau, K. IV 11 ': 69—70.
Magie. III 3:5.
Maien. IV 1 : 184.
Maimon, Salomon. I 6 : 808. IV 6 :
89.
Mainz. II 3 : 21.
Mairet, J. de. 13: 2.
Maistre, J. IV 11 : 19.
Major, 6. II 7 : 6.
Maler. IV 6 : 151/5.
Malerei. II 1 : 20. IV 11 : 19. 26a.
— und Poesie. 13:4.
Malss, C. IV 4 : 24a.
Maltzahn, W. v. IV 7 : 10.
Manger, H. L. IV 1 : 88.
Mangold. IV 11 : 81.
Mannheim. IV 7 : 23.
Mansfeld. I 6 : 66, 228.
Manuel. N. II 4 : 33.
Marburg. III 4 : 11/2; 6 : 12. IV
11 : 8».
Marhelneke, Ph. K. IV 6: 117.
Maria Theresia von Spanien. III 1 :
28, 29.
— von Ungarn. 11 2 : 19—20.
Mariaberg. I 6 : 879.
Marienburg. I 5 : 818.
Mairno, 0. III 2 : 26,
Marivaux, J. IV 7 : 27.
Markus, Dr. lY 8 i 81.
MarUtt, R JY 8 : 184, 28«.
Marlow, F. IV 1 : 228.
Marlowe, Ch. II 8 : 35/7. III 3 :
5; 4 : 80/1. IV 7 : 27; 9« : 14.
Marschner, H. IV 3 : 49; 4 : 228.
Marpurg, F. W. IV 7 : 84.
Martensen. IV 6 : 117.
Masken. IV 10 : 117.
Massenbacb, Ch. v. IV 1 : 93.
Massmann, H F. IV 1 : 228.
Mataja, Emilie (Emil Mariot). IV 3 :
• 222.
Mathematik. II 1 : 20.
Mathesius, Jo. 16: 129. II 1 : 1 ;
7: 19.
Matosch, A. IV 1 : 27.
Matthison, F. v. IV 1 : 236; 9o : 90.
Maturin, CK. IV 9b : 2.
Matz V. Dresden. II 3 : 2.
Mau gras. IV 1 : 84.
Maupertuis, P. L. M. de. III 5 : 21.
Maurer, K. IV 1 : 198.
Mauricius, G. II 4 : 11.
Mauthner, F. BT 1 : 17; 9a : 2.
Maximilian L, Kaiser. I 5 : 237. II
3 : 42.
- IL von Bayern. IV 1 : 196, 212.
May, A. IV 1 : 198.
- (.Maler). IV 9a : 4a.
Mayer, Karl. IV 11 : 69-70,
Majr ßetzen, v. II 3 : 2.
Mazzonius, J. III 6 : 13.
Mecklenburg. I 6.
Mecour, Susanna. IV 4 : 32.
Medeastoff. IV 7 : 27.
Mederus, P. III 2 : 21.
Meer. 1 5 : 296.
Megalissus s. Litzel.
Megisander, C. II 7 : 33.
Meierhof, pommersoher. I 5 :^19.
Meigener, M. III 6 : 10.
Meiningeu. I 6 : 77.
Meiningertum. IV 5 : 5.
Meinrad, hl. II 3 : 40.
Meissen. I 6 : 341 ; 6 : 158.
Meissner, A. IV 1 : 27; 4 : 159.
- A. G. IV 3 : 11.
- J. III 4 : 16; 6 : 23.
- M. II 1 : 1.
- (Matth.) II 4 : 38.
Meister, L. IV 1 : 8, 235.
Meistergesang. II 2 : 22/6.
Meisterlieder. II 4 : 21; 7 : 12.
Meistersinger. II 7 : 101.
Melanchthon, Ph. II: 27; 6 : 66, 165.
II 1 : 6, 8, 20; 4 : 24; 7:6, 39,
eo/1.
Melle, J. V. 15: 160. III 5 : 29.
Mellisantes. IV 9e : 28.
Melodrama. IV 4:7.
Memmingen. I 6 : 229.
Memoiren. 15:429. 1111:22,31/2.
Mendelssohn, M. 13:1. IV 1:232,235;
3 : 30; 6 : 38b, 38g; 7 : 13, 25, 28.
- Familie. IV 6 : 163.
--Bartholdy, F. IV 1:252; 4:227;
5 : 89; 9b : 23; 11 : 31.
M6uage, G. IV 7: 27.
Menagius s. M6nage.
Menauder. IV 7 : 27.
Meneke, B. IV 7 : 27.
Wencken, A. L. IV 1 : 93.
Menken, J. H. IV 9 : 2.
Mensch, Moderner. I 5 : 26, 443.
Menschheit. I 5 : 12.
Mentschikoif. III 4 : 16.
Menzel. W. IV 1 : 179; 11 : 30/1.
Merck, J. H. IV 1 : 84; 9b : 109-10;
9d : 11; 9e : 60.
Merckel, W. y. IV 1 : 209.
Mereau, Sophie. IV 11 : 54.
Merkel, G. IV 1 : 93.
Merian, M. III 1 : 24.
Meseritz- I 6 : 96.
Mesmer. IV 1 : 236.
Metapher. I 3 : 128.
Methode. 13:1, 12, 27, 31/8.
Methodik. I 6 : 140.
— d. Geschichtsunterrichts. I 6 : 12.
Methodologische Schriften zum
deutschen Unterricht. I 7 : fi— 19.
Metonymie. I 3 : 128.
Metrik. I 9. — I 1 : 20; 3 : 45. III
4 : 27. IV 3 : 31, 173; 9e : 71 ;
10 : 117; 11 : 12, 54, 57.
Metternich, K. L. W. Fürst v. IV
6 : 131.
Motzen Hochzeit. II 3:2.
Metzer. I 6 : 80.
Meyer, F. L. W. IV Ce : 16.
— J. Lorenz. IV 1 : Sa
— Karl Victor. IV 11 : 35.
— Konr. Ferd. IV 1:17; 3:154-60,
237 ; C : 143.
— Nikolaus. IV 9b : 65.
— K. M. IV 7 : 27.
Meyerboer, J. IV 1 : 179; 4 : 213/6;
5 : S9; 11 : 81.
Michaelis, A. IV 9a: 118.
— J. B. IV 3 : 18.
Mielke, H. IV 3 : 6-7.
Mikraelius. I 6 : 225.
Milensius, F. II 6 : 45.
Milieu. I 1:2—8, 20, 69; 3:224,
24S-54. IV Pc : 1.
Miltiz, K. B. V. IV 1 : 30.
Milton, J. III 2 : 13. IV 1 : 220;
3 : 19.
Miniaturen. I 5 : 15.
Minnegesang. 12:3. III 2 : 1.
Minnesänger. IV 1 : 241.
Minor, J. II 4 : 37, 40. IV 9a: 7:5;
9b : 86.
Mirabeau, H. G. V. Graf v. IV 1 : 92.
Mitau. I 6 : 177.
Mittelalter. I 1 : ^7 ; 2 : 9. IV 11 : 71.
Moden. I 5 :. 129. III 1 : 25, 38-41.
Moderne, d. IV 3 : 217, 236/9.
Möbius, Th. 12: 35.
Möller, Gertrud. III 2 : 68.
- {Hauptpastor). III 5 : 12, 14.
Mönchskalb. II 7 : 39.
Mörike, Ed. IV 1 : 6 ; 3 : 105 ; 6 : 143,
151; 11:31, 69, 80, 82/3.
Moser, A. IV 1 : 3, 32; 3 : 177/8.
- J. II: 31, 49. IV 1 : 11; 0:1.
Mösner, Marie. IV 3 : 179—80.
Molanus, J. (Joh. van der Molen).
I 6 : 109.
Moliöre, J. P. de. IV 7 : 27.
Moltke, H. V. IV 1 : 56, 64, 79,
118-58, 252.
Monarchia optima reipublicae forma.
m 4 : 2.
Monita secreta. II 7 : 34/5.
Monodrama. IV 4 : 7.
Montaigne, M. E. de. III 5 : 10.
Montchrestien, A. de. IV 10 : 94.
Montesquieu. I 3 : 224.
- Ch. de. III 5 : 19. IV 1 : 70.
Montiano. IV 7 : 1.
Monumenta Germaniae Paedagogica.
I 6 : 80, 143, 179.
Moore, Th. IV 1 : 138; 7 : 37.
Moreto, A, IV 1 : 3; 10: 117.
Morgant d. Riese. II 3 : 41.
Morgeublatt, d. IV 11 : 69-70.
Morgenstern, Prof. in Dorpat. IV
1 : 238.
Morgenthal, P. III 3 : 8.
Morhof, D. G. III 5:24.
Moritz V. Hesseu-Gassol. III 4 : 11.
- V. Sachsen. I 0 : 66.
- K. Ph. 13:8. IV 3 : 37.
Morsch, H. IV 9a : 78a, 115a.-
Morsheim, J. v. II 3 : 14.
Morsicr E. IV 3: 6—7.
Moras, Th. U 1 : 4. IV 3 : 9.
259
Sachregister.
Hoicherosch, Anna Mari» geb. Kil-
burger. III r> : 10.
— Barbara geb. Paniel. III 6 : 10.
— ErneKtine Ameley. III 5 : 10.
— Ernst Ilogeslar. HI 5 : lü.
— H. M. III i?: 1; 5: 10/1, 13.
— Maria g«b. Ackermann. III 5:10.
Hoaen, E. A. IV 3 : 104.
— J. I 1 : 27. IV 3 : 104. 1 (1.
Moser, 0. v. IV 1 : 17.
— MoscB. IV 12 : 12.
Moaessplel. IV 6 : 28.
HoBbeim, J. h. r. III 5 : 7.
MoskAU. I 0: 117.
Motive. I 1 : 20.
Motu. III 5 : 27.
Mozart, W. A. IV 1:2.12; 4:192,
1114-202.
Mozler. IV 1 1 : 54.
MnfAing, General t. IV 1 : 129, 132.
MUgge, Tli. IV 1 : 189.
MUhlhach, Louise. IV 1 : 189.
MUhlhauNen 1. Tb. II 4:8.
MUlbe (Verleger). III 6 : 10.
MHllenhoif, K. IV 1 : 203.
MUller, Adam. IV 1 : 16H; 11 : 19.
— Arnold. IV 1 : 71/2.
— Jobannes. IV 1 : 179.
— Job. Geo. IV 1 :230i Ü:126
— Job. Gottwerth. I 2:19.
— J, S. III 6 : 17.
— Otfried. I 2:0.
— Friedr. v (Kanzler). IV 1 : 29.
— Job. IV 1 : 55, 57. 212, 225, 236;»!,
2."}8: 6: 12t5.
— Gebeimrat Dr. IV II : 31
— der. I 5 : 397.
MUlIner, A. IV 11 : 30.
Mllncb Bellingbausen, F. v. IV 1 : 3,
81, 198; 3 : 55; 4 : 155; 6 : 102;
11 : 54.
MUncben. I 5 : 362/3. IV 1 : 228,
262; 3 : 191, 217-20; 11 : .'-.4.
Müncbhausen, H. K. V. Frbr. ▼. IV
3 : 41.
MUncbow, V. IV 9b : 11;2.
Münster. I 6 : 108. IV 1 : 240; 11
: 85.
— S. II 3 : 34.
MUnzer, A. II 7 : 60.
Mutzelburg. IV 1 : 209.
Mummelüee. III S : 8.
Mnncker, F. lY 8 : 20/3; 7:1; 9a
: 35.
Mundarten. I 2 : 24; 8 : 1—2, 6—6,
17, 48.
Muudartenforacbung. 18: 1, 7,' 9
—14.
Mundt, Th. IV 1 : 189.
Murer, J. II 4 : 11.
Mumer, Tb. II 4 : 33; 6 : «9; 7 t
47/8.
Musans, J. U. A. IV 3 : 11.
Muscbe. III 1 : 40.
Muscbi, J. «. IV 3 : 221.
Musculus, A. II 3 : 43.
Musenalmanache.' IV 1 : 1, 21; OSt-
tinger. IV 1 : 233; 11 : 57.
Musik. III 2 : 36, 66—70. IV 1 : 191;
4 : 13; 5: 74—87; 7 : 60; 11 : 31.
— Lob der. II 1 : 6.
Muttersprache. 12:1. III 5 : 13
Mjlius, Ch. lU 6 : 21. IV 7 i 1, 17,
27.
— IV 1 : 92.
MysterienbUcher. IV 5 : 27.
Mystik. III 6:1. IV 96 : 118; II :
90/1.
Mytliologie. I 5 : 210/1, 282/4.
Nacbabmung. I 3 : 12.
Nachdruck. I 4: 135/7. III 5: 12.
Nachspiel. III 4 : 27.
NachtwKchter, der. I 5 : 399.
Naegele. I 6:91.
Nakel I 6:*9.
Namenmoden. I 5:302.
Napoleon I. IV 1:170,238; 8:61;
9b : 72-86.
Naaaau I 6:86.
- -Dillenbürg, I 6 : 66
Nalionalchar«kt«r. 16:11.
NatlonalgcfUhl. I 1:61; 6:96—102,
460/1. II 1:6. IV 1 : 48-60.
Nationalität. 1 5:11/2.
Natlonollitteratur. I 1:61.
Nationalnkonoroie. III 6 : 19.
NaiUrlicbkoit. I 5 : 13.
Nataralismna. I 8 : 176-286.
- and .Sociallsmus. I 3 : 214-24.
Naturalisten. IV 1 :2, 84, 39-40.
Naturbeseelang. IV 11:77.
Naturdiebtang. IV 11:77.
NatargefUhl. I 3:123.
Naturlcben. IV 11:77.
Naturlyrik. IV 11:77.
Naturumgebung. I 6: 11.
Naturwissonsthaft. I 1 : 6—8, 27.
NatarwisHenschaftlicbe Kritik. 11:7—
8, 30.
Natzmer, 0. t. IV 1 : 96.
Naubert. B. IV 1 : 229.
Naumann, Ch. IV 1 : 2:)2.
- G. IV 7:1.
Naumburg. I 5 : 340. II I : 6.
Necker, M. IV 4 : 164/5.
Nehr (Verleger). III 5 : 7.
Neithart Fuchs. II 2 : 2V; 3 : 2-3.
Neocorus, J. A. II 3:4.
Nepomuk, Johann ▼. IV 4 : 189.
Nerrlicb, P. IV 3:78.
Nessler. J. V. IV 4:230/1.
Nestroy. J. IV 1 : 189: 4 : 164/5; 5 : 47.
Neuber, Friederike Caroline. Iil 2 : 9.
IV ^-.rü.
Neabildungen, sprachliche. I 8:13, 69.
Neudrucke. III 3:4; 5:4.
Neuenkirchen. I 6 : 78.
Neuffer. Ch. IV 11 : 69-70.
Nenhausen. I 6 : 149.
NeujahrswUnsche. I 6 : 45, 203.
Nealatinismus III 3:1; 5:12, 28.
Neumann (Historiker). IV 7 : 27.
Neumark, G. UI 2:1, 40.
Neumeister, E. lU 2:08
Nearouther, O. v. IV 11:92.
Neuwied. I 6 : 82.
Nibelungen. IV 1:241.
Nibelnngentheorie. I 1:27; 2:36-40-
Nicolai, F. IV 1 :88, 220, 232, 236;
4:17; 6:7d; 7:1, 25, 49, 56;
11 : 86.
- 0. IV 4:192; 6:31
- (8ohn). IV 4 : 25
Nicolaische Buchhandlung. I 4 : 124.
Nicolay. L. H. t. IV 1 : 232; 3: 11.
Nideczki, J. IV 4 : 104.
Niebuhr, B. 0. IV 1 : 138, 212; II :57.
Niederdeutsch. 1 8 : 57.
Niederländisches. 113:6,20.
Niemann. A. IV 1 : 17, 82; 3 : 7.
Nieritr., 0. IV 1 : 190.
Niesen. I 5 : 196.
Niethammer, F. IV 10:66.
Nietzsche, F. I 3 : 197, 200. 202. 246.
IV 1 :2; 6:36. 96/8.
Nlgidius, U. 1 6 : 148, 230.
Nikolaus v. Cues. I 1 : 27.
Nikolaus, hl.. I 5 : 202.
NikoUusspiel. III 4 : 27.
Ningnarda, F. I 5 : 405b.
Nissel, F. IV 4 : 162.
Nitssoh, F. U 6 : 77.
NoU, J. IT 9a : 8da.
Nordau, H. IV 1 : 32.
Nordhausen. I 6 : 59.
Nordische Studien. I 2 : 35.
Noatic, V. m 1 : 36.
Hoktnulamn«. IV 9e:n6.
NotUr, V. IV 11:80.
Noralla ■. P. t. Hardenberg.
NOrnberg. I 6:365/6; 6 : 11, M. «3,
n& II 1:17/9.
Noaaigk. J. III 6 : 2«.
Nymphen. III 3 : 3.
Nymphfoburg. I 6:361.
Oberammargau. III 4:36,7. IV
6 : 13. 26.
Oberpfali. I 2 : 22.
Obriat, J. IV 1:27.
Obsopoen«. V. II 3 : 14.
Oceoltismus I 6 : 80.
Odenwald. I 6 : 138.
Odin. IV 11 : 71.
Oeeolampadias, J. II 7 : 67.
Oehlenaohltger, A. IV 4 : 104; 11 : 81.
Oelhafen. 8. II 6 : 10.
Gel«. I 6 : 98.
Oenon«. HT 4 : 189.
OMer ■. SchrOer.
OMrterreieh. I 6 : 367-72.
Oeaterreiuhiache Dichter. IV 1 : 5—6,
27, 31.
.OMterreiehisehe Zeitnng." IV II : 19.
Oetker, F. IV 1 : 196.
OgJer, F. 13:2.
Ohian. I 6 : 94.
Oldeeop, J. n 3 : 43.
Oldekop, Th. IV 4 : 16.
Oldenburg. I 6 : 329.
Olearius, J. C. IV lle:28.
Olenachlager, J. D. r. IV 9e : 126.
Olfera, Marie t. FV 3 : 210.
Oncken, W. IV 1 : 32.
Oper. IV 4:190-231; 5:74-93;
10:117; 11:31; Berlin FV 6:81;
Darmstadt IV 6 : 77 ; Hambnrg III
4:19— 9a; Italien IV 5:76; Leipzig
IV 6:89; LObeek IV 6:76; Prag
IV 6 : 79-80; Stuttgart IV 6 : 75.
Opits, M. I 1 : 48; 9 : 2, 4. III 2 : 1, 2a,
70; 4:2.
Opitzianismns. I 1 : 47.
Opzoomer. IV 7 : 14.
.Ordinari Conrrier". III 1 : 20.
Ordnungen. I 5 : 48. 330a.
Orlando fiirioao. I 1 : 50.
Ortelius. IV 4 : 106.
Orthodoxie. III 2:69—66; 6:1. 12.
IV 1 : 236.
Orthographie. I 8 : 1, 3, 7—8, 48
Ortlob, K. 12:3.
Ossian. IV 4 : 103.
Osterbrluche. I 6: 197-201.
Osterspiel (Bedentin). II 4 : 4-5.
Osterwald, P. r. IV 6 : 184.
Oswald, B. IV 9a: 27.
OtfHed. 1 2:9.
Ott, Joh Kasp. IV 3 : 2V.
— Konr. IV 3 : 29.
Ottheinrieh, Pfaligraf r. Lauingen. 11
1 :6.
Otto, R. 13:2.
Otway. Th. IV 7:27.
Orerberg. I 6 : 26.
Orid. II 4:26. IV 3:18.
Pachel, L. 1 4 : 21.
Padoa. III 4:7.
Ptdagogik. I 6:1-9. 111 3:2.6;
6 : 6, 10, 12/3, 19. lY 1 : 136;
6:211—21.
Pipstin Johanna. 114:8. IV 1 : 54.
ParaceUns, Th. I 5 : 64, 80, 414. UI
3:3.
ParadiesspieL HI 4 : 27.
P«iller. W. lY 1 : 27.
Palleske. E. IV 1 : 8.
Pallmann, U. IV 9a : 13.
Palmcnordon. III 5 : 26.
I'aniasa, 0. IV 1 : 24/8.
17»
Sachregister.
260
Pantomimik. IV 5 : 50.
Papiersprache. I 8 : 58.
Pappenheim, Jenny v. IV 9c : 3.
Pappus, J. 16: 156.
PapsteseL II 7 : 39.
Papyrus. I 5 : 295.
Parchim. I 6 : 102.
Paris. IV 11 : 13.
Pariser. L. III 5 : 11.
Parodien. IV 3 : 11, 18.
ParsiTal. IV 4 : 219c.
Parthey, G. I 4 : 12J.
— Familie. IV 4 : 105.
Paschasius, St. IV 7 : 27.
Pasquier s. Paschasius.
Pasquillanten. I 5 : 330a.
Passio Johannis. II 3 : 43; s. Mein-
radi. II 3 : 40.
Passional. II 7 : 38.
Passionslied. III 2 : 30.
Passionsspiel. 13:2.
— Oberammergauer. IV 1 : 217.
Pastoraldiohtung. 13:2.
Patriotismus. IV 1 : 198, 2-39.
Pauker von Niklashausen. II 1:4.
Paul, H. I 8 : 7, 34.
Pauli, J. II 3:20; 4: 23.
Pavialied. II 1:6.
Pawel, J. IV 3 : 20/2.
Peccenstein, L. IV 9e : 28.
Pegnitzschäfer. 13:4. IV 3 : lU.
Pennalismus. I 6 : 224.
Perfall, A. Frhr. v. IV 1 : 17.
— K. V. IV 5 : 4, 23.
Perinet, J. IV 4:25.
PerrUcke. I 5 : 127a.
Personifikationen in der Poesie. IV
9c : 14.
Perspektive. II 1 : 20.
Pesne, A. IV 1 : 79.
Pessimismus. III 6 : 26.
Pestalozzi, J. H. 16: 38, 115. IV
1 : 235/6; 3 : 11 : 6 : 217/9a.
Petersen, M. IV 1 : 203, 21.
— J. W. IV 10 : II.
Petri, A. I 4 : ll8.
Petrus. I 5 : 247.
Peynfelder. I 1 : 49.
Pfau, L. II 1 : 15. IV 1 : 17; 6 :
165a— c.
Pfeffel, G. K. IV 1 : 232/3; 3 : 15/6;
6 : 8-10.
Pfeiffer, G. J. IV 3 : 38/9.
Pferd. I 6 : 286a, 295b.
Pfeuffer. IV 1 : 179.
Pfltzer, J. N. III 3 : 5.
Pfizer, G. IV 11 : 80.
Pflanzen. I 5 : 288—95.
Pflichtexemplare. I 4 : 138—43.
PflUger, C. I 6 : 159.
Pflug, J. IV 1 : 6.
Pfore, A. V. II 3 : 14.
Pfuel, E. V. IV 1 : 30.
Pliädrus. IV 7 : 42.
Phantasie. I 1 : 24; 3 : 6, 27, 53, 62/3,
67/8, 82, 86, 251. IV 11 : 26a.
Philadelphia. IV 9a : 10.
Philanthropinismus. I 6 : 23. III 3 :
6. IV 6 : 211/3.
Philhellenismus. IV 1 : 235.
Philipp, Landgraf V. Hessen. 111:6;
6 : 38, 53.
— IL, Herzog v. Pommern. III
1 : 24.
— II , König V. Spanien. IV 10 : 73.
Philips. IV 1 : 220.
Philologie. I 1 : 19, 24. III 5 : 12;
klassische I 2 : 17; nordische I 2
: 35.
— Geschichte d. deutschen. I 2. IV
6 : 138-143.
Philosophie. IV 1 : 228 6 : 35—99 ;
der Renaissance II 1 : 21.
Phonetik. I 8 : 7, 80, 48.
Phulstan, G. IV 9a : 2.
Physik. 11:6. II 1 : 20.
Physiologie. 11:2.
Physiologus. in 5 : 5.
Pibrac. III 5 : 10.
Picard, L. B. IV 10 : 117,
Pichler, A. IV 1 : 27.
- Caroline. IV 1 : 170; 4 : 103.
- Helene. IV 1 : 6.
Pietismus. III 2 : 51/4, 59—61; 5:
1—3.
Pietsch, L. IV 1 : 206/9.
- P. n 6 : 1.
Pilgerreisen. I 5 : 155/6.
Pindar. IV 9e : 4.
Pirckheimer, W. II 7 : 102.
Pistorius, R. II 1 : 2.
Pius II. s. Aeneas Sylvins.
Placentius, P. II 4 : 24.
Planche, J. R. IV 4 : 208.
Planctus ruine ecclesie. II 7 : 39.
Plantin, Ch. I 4 : 27/8.
Plateanus, P. I 6 : 65.
Platen, A., Graf v. 19:7. IV 1 : 6,
179, 203, 212.
Platner, E. IV 6 : 40/1.
Piaton. IV 3 : 32.
Plautus. IV 7 : 27.
Plessing, F. V. L. IV 9e : 60.
Plitt. IV 11 : 26.
Plutarch. IV 7 : 27.
Plutarchi Bock van dem Gemeinen
besten. II 3 : 14.
Pocci, F . Graf. IV 11 : 93.
Podagra. II 1 : 1.
Poetik. I 3.-I 1 : 1—26, 34, 41; 2 : 1.
- und Aesthetik, Ziel der. I 3 : 31.
Pötting, E , Graf v. III 1 : 23.
Poggio, F. II 4 : 43. IV 7 : 27.
Polemik. II 7 : 34—39; katholische.
II 1 : 13/5.
Politik. III 6 : 19, 23. IV 1 : 235/6,
244.
Politische Berichte. III 1 : 24, 29,
33.
- Geschichte. I 1 : 27, 31.
Polko, Elise. IV 1 : 8.
Pollhammer, J. IV 1 : 27.
Polyhistorie. III 5 : 23.
Polzer, A. IV 3 : 177/8.
Pommern. I 5 : 252/7, 317; 6: 103,
171/2.
Pondo, G. II 4 : 11.
Ponikau, J. A. v. 14: 98.
Pope, A. IV 3 : 18, 30; 7 : 1.
Popularität. I 3 : 111.
Popularphilosophen. IV 6 : 1.
Portig, G. IV 1 : 2.
Porträtstudien. I 1 : 27. III 3 : 5.
Posen. I 5 : 320.
Positionsarithmetik. II 1 : 20.
Positivismus. IV 6 : 38— 8a.
Post. I 5 : 13, 148-51, 154.
Postel, Ch. H. I 5 : 160. III 5 : 29.
Postl, K. (Ch. Sealsfield). FV 8 : 103.
Postreuter, Fuldaischer. I 4 : 50.
Pott, A. I 2 : 29.
Prätor. III 5 : 17.
Prätorius, A. II 2 : 5.
- Jak. III 2 : 69.
- Job. IV 96 : 120.
Prag. 16: 158.
Praktiken. I 5 : 84, 278a.
PrantI, K. v. IV 1 : 198.
Prechtlor, 0. IV 1 : 27.
Predigtlitteralur. III 5 : 6, 6.
Pregell, J. II 4 : 26.
Prehauser, 6. IV 4 : 87.
Preisaufgabe, Berliner über Pope. IV
7 : 18,
Premißrenpublikum. IV 5 : 18,
Pressburg. I 6 : 113.
Preussen. I 6 : 165a. IV 1 : 239-40.
Preussens Erhebung. IV 1 : 54.
„Preussischer Korrespondent." IV 11 :
54.
Probst, P. II 4 : 20, 38.
Pröhle, H. IV 3 : 64; 9a : 37, 47.
Professur fttr Litteratnrgeschichte. I
2 : 5.
Prohl, Hedwig. LV 1 : 8.
Prometheus. IV 9e : 80.
Propyläen die IV 11 : 19.
Prosafaust. III 3 : 5.
Prosaroman. II 3 : 41.
Prosoh, F. IV 7 : 1.
Protestantismus. III 5 : 7.
— u. Katholizismus. II 1 : 5.
Prowe. IV 1 : 8.
Prudentius, A. P. C. II 2 : 13.
Prüderie. II 1 : 15.
Prutz, R. IV 1 : 6.
Psalter, deutsch, II 1 : 6,'
Pseudonyme. I 1 : 59.
Pseudoturpin. II 3 : 41. IV 11 : 19.
Psychologie. I 1 : 1—2, 6, 7, 20, 24,
27, 32/3.
— u. Ästhetik. I 3 : 12.
Ptolomäische Astronomie. II 1 : 20.
Publikum. I 1 : 2, 6; 5 : 85. IV 6 :
205c.
Publizistik. III 5 : 34; politische vor
ä. 30j. Kriege. II 7 : 34/5.
Puehpinnder, B. 14: 15.
Pückler-Muskau, H. Fürst v. IV 1 :
179, 184, 196, 212.
Puh-Hille. I 5 : 216.
Pulci, L. II 3 : 41,
Puppentheater. III 4 : 28/9.
Purismus. IV 1 : 36; 7 : 16.
Pygmaeen. III 3 : 3.
Pyra, J. J. IV 3 : 18.
Pyrker, J. L. IV 4 : 106.
Quellenforschung. 11:6, 24, 29. III
5 : 19. IV 11 : 71/2.
Quentell, H, I 4 : 41.
Querfurt. I 6 : 97.
Quesuay. III 5 : 19.
Quinault, Ph. III 4 : 16.
Quistorp, J. Th. IV 7 : 2Z
Quodlibet. II 3 : 4.
Raabe, W. IV 1 : 17; 3 : 78, 121,
19i'-201.
Kabelais, F. II 6 : 89. IV 3 : 92.
Rabener, 6. W. 16: 21. IV 1 : 235 ;
6 : 1. 6-7.
Rachel, Elisa (Felix). IV 3: 231.
Racine, L. 13:2. IV 7 : 27 ; 11 : 31.
Rader, Pater. II 7 : 54.
Radowitz, J. M. v. IV 1 : 168 ,170.
Radziwill, Anton v. IV 1 : 95/6.
— Elise V. IV 1 : 95/6, 190.
Ratsei. I 3 : 4 ; 5 : 24:J, 259, 273.
Kafael. II 1 : 20.
Ragaz. II 1:7.
Ragot, N. de Grandeal. IV 7 : 27.
Rahbeck, K. L. IV 7: 19; 10: 8.
Raimund, F, IV 4 : 166/8; 6: 162.
Rambach, F. E. IV "4 : 127; 10 : 117.
Ramler, K. W. I 4:124; 9:18. IV
1 : 232/3, 23Ö; 4: 7; 7 : 12.
Rank, J. IV 1 : 32.
Ranke, L. v. II: 27, 33. IV 1 : 64,
132, 135, 198, 212/6, 218, 225/6,
252; 6: 132/3; 10: 78,
Kapin de Thoyras. P. IV 10 : 106.
Rasch, J. IV 1 : 189.
Raspe, R. E. IV 3 : II.
Rasse. 11:2, 6,-8: 5 : 11.
Ratdolt, E. I 4 : 107.
Ratichius, W. I 6 : 178. III 5 : 13.
Ratinijen, Jakob v. II 2 : 36.
Rationalismus. IV ! : 47.
Kauch, Ch. IV 1 : 252.
Kaue, J. I 6 : 221.
Raumer, F. v. IV 1 : 93.
261
Sachregister.
— K. T. IV 1 : 1(W.
Banpach, E. lY 4: 168; 6 : 56, 68;
10 : 9i.
Raasch, N. I 4 : 136.
RealismuB. IV 6 : 32/6.
KecenHenten. 11:7.
RecUberg. J. B. v. IV 1 : 179.
Recke, Elise t. d. IV 4 : 103.
Rector scolaruin. I 6 : 160.
Redeform, innere. IV Oc : 1.
KedeDBsrten. II U : 23, 4a.
Bedentin. II 4 : 4-5.
Redlich, Ch. IV 7 : 1.
Kedwjtz, J. IV 1 : 17; 3 : 161/9, 173.
R6e, A. I 6 : 112.
Reformation. II 1:2. Bayern. II
7 : 12/4. Böhmen. II 7 : 17.
JoRchimsthal. II 7 : 17. Pfalz-
ZweibrUcken. II 7 : 16. Schwaben
11 7 : U>. Waldshut II 7 : 10.
Reformation u. Freiheit. II 1:5.
Reformationslitteratur. II 7.
R<Sfngi«8. I 5 : 315,6.
Regensburg. 11 1:0.
Regensbnrger Buch, deutsch. II 1:6.
Regimen sanitatis. I 4 : 17.
Regiomontan. II I : 20.
Regia, J. O. IV 3:92; 6 : 142.
Regisseur. IV 5:1.
Regius, U. s. Rhegius.
RegTiard, J. F. IV 7 : 27.
Kehorn, A. IV 3 : 6—7.
Reirheosperger, A. II 1 : 15.
Reicher, E. IV 5 : 35.
ReichsbUhnenfonds. IV 5 : 16.
Reitbsliskus. III 5 : 7.
Reichshofrat (Wien). III 5 : 7.
Reichstag zu Regensburg. II 1:6.
Koichswaisenhaus Lahr. IV 1 : 32.
Reift'erscheid, AI. III 5 : 11.
Reim. I 9 : 10/2,
Reiraarua, J. A. H. IV 7 : 11.
ReimbUchlein, niederdtsches. II 3 : 14.
Beimreinheit. IV 1 : 198.
Kolnbach, Rektor. IV 4 : 17.
Reineclie, Theaterdirektor. IV 10:117.
Reinhard, K. IV 4 : 127.
- IV 7 : 18.
Reinke de Vos. II 3 : 8—16.
Reinwald, Christophme IV 10 : 80.
Reisejournale. III 5 : 29.
Reisen. I 5 : 155— 61a.
Reiske, J. J. lY 1 : 87 ; 6 : 138.
Rellstab, L. IV 3 : 101; 11 : 31.
Rembrandt, H. van Ryn. III 3 : 5.
- als Erzieher. I 5 : 434-^2. II
1:3.
Reumont, A. t IV 11 : 31
Renaissance. I 6 : 17. II 1 : 5.
Renaissancemuseum (Berlin). II 1 : 16.
Renan, E. I 1 : 7, 11.
Rengger. IV 1 : 235.
Renner, J. F. Ch. IV Oa : 29.
Rettich, Julie. lY 6 : 57.
Reuchlin, J. I 1 : 27. II 1 : 8; 7:
102.
Beusner, A II 2 : 3.
Beater, Ch. UI 8 : 4; 4 : 27.
- F. 13: 130a; 4:4. IV 1 : 6,
189; 3 : 114-82.
Reutlingen. I 6 : 382.
Bevolution, französische. IV 1 : 57,
138, 164, 166, 168, 170, 173,179,
184, 235, 252.
Revolutionsalter. IV 1 : 60/2
ReTue Germanique. IV 1 : 235.
Beyher, A. I 6 : 179.
Beysoh, G. I 4 : 12.
Reysebtlchlein, knrtzweilig. II 8 : 14.
Rhegius, U. II 7 : 47.
Rhein. I 5 : 351(2.
Rhetorik. I 1 I 2, 20. IV 1 : 116/7.
Rhode. IV 11 : 13, 19.
Rhythmus. 19:5, 13. IV »c : 1.
Rhytbroni der Spracbr. I I : ~^i.
Ribaadecn. A. da. 13: 2.
Ribot, Tb. II: 8, 27.
Blocoboni, L. IV 7 : 1.
Rlehardson, 8. IV 1:5; 8 : 88;
4 : 0; 7 : 27.
Ricbel, B. I 4 : 107.
Riohey, M. II 2 : 84. IV 3 : liO.
Richter, Jean Paul Friedrieb. 1 3 t 180a.
IV 1 : 3, 42, .V.', 2J0; 8 : 1«, 78-
81, 121/2, U'5, 192; 8 U:i 171;
8:6; 11 : 54, 83; 1::
- Joh. I 6 : 99.
- Ludw. IV 1 : l»l.
Riegel, II. II 1 : 16.
Riehl, H. W. t. IV 1 : 17. 168, 191.
Biemer, F. W. IV 9« : 78.
- J. IV 10 : 94.
Rletberg (Stadt). I 6 : 87.
Rietsehel, E. IV 1 : 64, 252.
Riffert, J. I 1 : 49.
Riga. I 5 : 377; 6:20, 117. II 1:2.
Biggenbach. B. E. II I : 7.
Bing. I 5 : 304.
Bingseis. IV 11 : 93.
Bingwald, B. II 4 : 17. III 6: 10;
2 : 41.
Binkart, M. III 2 : 41.
Bist, J. I 1 : 49. III 2 : 22, 61, 66/7,
69; 4 : 2, 13; 5 : 10.
Bitter, E. I 3 : 224.
- H. IV 1 : 212.
- K. IV 1 : 135. 179.
- W. IV 11 : 54.
- aus Steiermark, Weise. II 7 : 12.
Bitterdrama. IV 4 : 35; 11 : 54.
Uittergedichte. IV 3 : II.
Bitterschule. I 6 : 138.
Bittershaus, E. IV 1 : 6, 17, 32.
Ritterspraehe. I 8 : 24.
Bob^rt, K. IV 9e : 69.
Roberts, A. Baron t. IV 1 : 17, 102.
Robertson. I 1 : 14.
Robinson, Crabb. IV 1 : 29.
- I 5 : 84. III 3 : 6-8.
Robinsonaden. III 3 : 6—7,
Rocholl, R. I 1 : 33.
Rochow, F. E. T. 16: 24.
Rodde, Frau. IV 1 : 235.
Rodenborg, J. IV 1 : 17; 3 : 204/7.
Rodericus Zamorensis. II 3 : 14.
Rodowö, W. L. I 4 : 5. IV 7 : 26.
Roederer, J. G. IV 4 : 15.
Röling, J. UI 2 : 68.
Rösller, C. IV 1 : 179.
Rehmer, F. IV 1 : 178. 198, 225.
Rokoko. I 5 : 24. III 1 : 39—41.
Roland. I 1 : 50. IV 11 : 19.
Bollenhagen, G. II 3 : 14.
Bora. I 5 : 63 IV 11 : 19.
Borna capnt mundi. II 7 : 39.
Boman. I 3 : 53. 67, 137-41; 6:84.
III 3 : 2—3, 7 ; französischer III 3 :
11; historischer IV 3:2; niederlln-
discher IV 3 : 4—6; Wiener IV 8:
222/5.
— und Geschichtsschreibung. 1 1 : 87.
Romantik. IV 11.- I 1 : 27, 50; 2 : 18. IV
1 : 6, 47, 179, 191, 2-26; S : 237; 4 :
31, 223; 12 : 5; schwibisohe lY 11 :
69-83.
Bonge. IV 1 : 179.
Bonneburg. III 6 : 2.
Bonsard, P. de. 13: 2.
Boon, A. Th. E. Graf t. IV 1 : 166
-68.
Boquette, 0. IV I : 17, 32. 198, 203,
209; 3 : 209.
Böse, die. 15: 293.
Rosegger, P. K. IV 1 : 17, 27; 8 :
135.
RosenplOt, H. U 3 : 1; 4 : 29.
Rosenthal, Dorothea r. lil 6 : 24.
- J. UI 5 : 6.
Roet, J. Ch IV :> : IH.
Bottoek. III 2 : 8.
Botb, A. U 2 : «.
- N. 11 4 : 17.
- SU I 6 : 66.
RotheDborg. 1 5 : 888^ 800.
Botteabammer, J. 15: 408.
Botnll. I 6 : 124.
Bo«cet de Liale, J. lY I : 58.
BonaaeM. J. B. IV 7 : 27.
- J. J. I 3 : 123; 6 : 81 1118:e{
6 : 19. IV 1 : 5, 168, 170; 8 : 147;
4 : 7; 10 : 8.
Badoir II.. Kaiaer. 1 « : 181.
Rudolph i, III 4:2.
Bttekert, P. 14:6. IV I : 6. 31.
163, 196, 212; II : 78.
BUmelin, G. I I : 27.
Bditnngnn. I 6 : 15.
BOtli. Daa. IV I : 206/9.
Bnge, A. IV 1 : 179.
Bumohr. IV II : 64.
Bunge, Pb. IV II : 67.
Busf, Anna. I 6 : 373.
- K. IV 1 : 88.
RynMh, H. r. 15: 878.
Smt, f. t. IY 1: 17: 8:224.
Saoher-Masoeb. L. r. IV 1 : 27.
Sachs, Hans. I 1 : 47; 7 : 32. II 1:8;
2:8; 4:21/6, Sa IV 7 : 27.
Sachse. M. U 7 : 8&
Sachen. I 6 : 65-70. HI 8 : 4.
--Altonbnrg. I 6 : 168.
Sachsenspiegel. I 4 : 17.
Singer u. SKngerinnen. IV 6 : 88— Ml
Sagen. I 2 : IS; 6 : 226-40, 885-8t.
m 3:3.
Sagenforschung. I 2 : 22. IY 11 : 71
Sagengeschichte. III 5 : 23. *
SageuKammlnngen. III 8 : 8.
Sagittarius, P. M. IV9e:2a
Sailer, G. II 1 : 6.
- J. H. I 6 : 26. IY 1 : 888.
- 8. IV 6 : 1 >.
Sainte-BeuTe, Cb. A. 11:2, 13.
St Germain. IV 1 : 162.
Saint-Hilaire. 11:8.
Salamander. III 3 : 8.
Salchow. O. A. F. IY 3 : 47/8.
Sallet F. T. IV 1 : 111.
Salm. H. F. in. IV 9b : 18.
SaWerte. IV 1 : 236.
Saliwedel. I 6 : 86.
SanoU Clara, Abraham a. IV 10:64.
Sand, K. L. IV 11 : 83.
Sanderadorf. III 3 : 8.
Sanskrit I 2 : 30. IV II : 18w
Saphir. Marie. IV 4 : 122.
- M. G. IV 1 : 189; 4: 184; 8: 177.
Sapidus, J. I 4 : 14.
Sareerins. E. I 6 : 68.
Sardon, V. IV 4 : ISa
Satire. III 5 : 6, 10-23. IY 6 : 1.
Saitler. M. II 7 : 97.
SatsfUgung, Tolkatamliehe. I 8 : 87«,
88.
SMer. ▲. IV 8:80; 7: 1.
Saaerkrant I 6 : 138.
Sauerilnder (Bacbblndler). IV 3 : 61.
Soaligar, J. 13:2.
SeaaaecJo, H. I 1 : 50.
Searron, P. IY 7 : 27.
Seback. A, F. Oimf t. III 4 : 38. IY
1 : 17, 193, 200; 3:206,
Schaden, t. IY 1 : 225.
Sehadow. J. O. IY 9a : 1^ 88.
Schtfer, D. I 1 : 19.
S«htferapieL UI 4 : 27.
Scbirf, H. IV 12 : 32.
S«htrUin, & II 1 : 6.
Schaffen, ktlnstlerische«. I 3 : 45,
62/8. 62/3, 74.6. 109-10.
Sehaffer, F. J. IV 1 : 27.
Sachregister.
262
Schaible. 11 1: 3.
Schallenberg, Ch. V. III 2:2a.
Schanz, ü. IV 10 : 127.
Scharf, L. IV 1 : 24/5a.
Schatzger, K. II 7 : 49/9a.
Schauer, H. 14: 15.
Sehauraberg, G. IV 1 : 24/5.
Sehaumberger, J. IV 1 : 24/5.
Schauspiel. I 3 : 159; s. auch Theater.
Schauspieler. IV 1 : 228-31 ; 5 : 36—61.
— -Akademien. IV 5 : 16.
Schauspielkunst. IV 5 : 1, 26, 29—36;
7 : 59.
Schefer, L. 14:5.
Scheffel, J. V. v. IV 1 : 191 ; 3 : 2,
115 a, 182/8; 6:137, 143; 11 : 57.
Scheffler, J. III 4 : 13.
— N. I 5 : 38.
Scheihle. III 3 : 5.
Scheidel, G. IV 11 : 36.
Schein, ästhetischer. I 3 : 25/6.
Schelhammer, D. 14: 102.
Schelling, Caroline s. Schlegel.
— F. W. J. V. IV 1 : 43, 47, 221, 225,
235; 6: 1, 48/9, 117, 146; 10:21;
II : 19, 49, 52.
Schellmufsky. III 3:5. IV 3 : 8.
Schenck, J. II 6 : 74.
— J. G. III 5 : 12.
Schenk, Baron. III 5 : 11.
Scherenberg, Ch. F. IV 1 : 206 ; 6 : 143.
Scherer, Edm. 11:7.
— W. I 1 : 14, 27; 2:26; 3:35/6,
64/6,94/8. in 3 : 2. IV 1 : 2; 9b: 86;
9 e : 1 ; 9 e : 75.
Schernberk, D. II 4 : 8. IV 11 : 54.
Scheuchzer, IV 1 : 241 ; 3 : 145, 153/6.
Scheurlin, G. IV 1 : 228.
Scheveklot. II 3 : 43.
ScMck, Schuhmacher. III 6 : 2.
Schicksal. I 3 : 150, 155.
Schicksalstragödie. IV 10 : 109, 127.
Schiebeier, D. IV 3 : 11.
Schildbürger. I 6 : 252. II 3 : 24-30.
Schill, H. III 5 : 10.
Schiller, Charlotte v. IV 10 : 17, 29,
125.
— Elisabeth Dorothea. IV 1 : 66.
— Emilie v. IV 1 : 31.
— Ernst V. IV 10:29.
— F. T. IV 10. - I 1 :24, 27; 3:7,
12—3,94, 226/7, 246; 4:4—5. III
4 : 35. IV 1 : 3, 5, 29, 43, 65, 67,
111, 170, 179, 212, 221, 227, 229,
236,241, 252; 3:122; 4:24, 103;
6 : 2050, 225; 9e : 83/4, 115; 11 : 12,
21, 34, 39, 46, 49, 51, 54.
— Lyrik u. a.: 17: 62; 3 : 133; 9 :
2. IV 6 : 143. Bittschrift IV. 10 : 64.
Deutsche Muse. I 1 : 31. Epigramme.
IV : 64. Freigeisterei. IV 10 : 8. An
die Feunde. IV 10 : 8. Freundschafts-
ode. IV 10 : 8. Glocke. I 7 : 67.
IV 1 : 196; 10 : 49-50. Götter
Griechenlands. IV 10 : 8. Handschuh.
III 5 : 23. IV 10 : 51. Hero und
Leander. IV 10 ; 62. Ideal und
Leben. IV 10 : 47, 63. Ideale. IV
10 : 47. Kampf mit dem Drachen.
IV 10 : 54. Kindesmörderin. IV 10 : 8.
Kraniche des Ibykus. IV 10 : 55.
Künstler. IV 10 : 8, 67. Lauralieder.
IV 10 : 8. Kesignation. IV 10 : 8.
Bitter des Spitals. IV 10 : 56. San-
hcrib. IV 10 : 64. Schlimme Mo-
narohen. IV 10 : 8. Stammbuchverse.
IV 1:29; 10:67. Totenfeier. IV
10:8. Xenien. IV 1 : 235; 10:2«.
— Epos: Geisterseher. IV 1 : 184;
10 :83; 11 : 67. Verbrecher ans ver-
lorener Ehre. I 6 : 402c. IV 10 : 24,
— Drama: I 3 : 176; 9: 15. IV
4 :26, 81, 106; 6: 71/2; 7 : 29, 64.
Braut V. MesFina. I 7 : 14. lY 10 :
109. Don Carlos. I 7 : 14. IV 1 :
240; 10:8,72/7; 11:12. Egmont-
bearbeitung. IV 9e : 40, 44/5; 10:
117/8. Fiesco. IV 1: 184; 7 : 67 ;
10 : 8, Huldigung der Künste. IV
1 :221: 10: 8. Iphigenie. IV 10
116. Jungfrau. I 1 : 31; 7 : 26. IV
4:7; 10 : 29, 95—108, 139. Kabale
und Liebe. 17:46. IV 10 : 8, 64, 70/ 1 ;
11:49. Körners Vormittag. IV 10 : 64.
Macbeth. IV 10 : 117; 11 : 12. Maria
Stuart. I 7 : 25. IV 4 : 7 ; 10 : 29,
90/4. Nachlass. IV 10:117,123/9.
Nathanbearbeitung. IV 7 : 75 ; !0
: 117. Phädra. IV 1 : 170; 10 : 117.
Rauber. I 7 : 50. IV 10:8. 11,
64/9; 11 : 49. Teil. I 7 : 19, 54. IV
1:170, 241; 6: 189; 10 : 77, 89,
lo9a— 16, Wallenstein. I 7 : 63.
IV 1 : 138, 170; 9e : 41 ; 10 : Sii, 78
bis 89, 117; 11 : 5, 83.
- Anmut u. Würde. IV 11 : 49.
Briefe über ästhetische Erziehung.
I 3:27; 7 : 14. IV 9d : 24;
10 : 37, 40. Historische Schriften. I
1 : 31. IV 10 : 35, 39/9a. Naive und
sentimentale Dichtung. IV 11 : 19.
Schillerdenkmal. IV 1 : 252.
Sohimmelbusch, W. rV9a:113.
Schimmelmann, Charlotte, Gräfin. IV
10:26.
- Ernst, Graf. IV 10:26.
Schirmer, D. III 2 : 43.
Schlaf, J. IV 1 : 24.
Schlegel, A. W. v. II: 60. IV 1 : 29,
138, 212, 235, 241 ; 11:1, 3—19, 21,
26a, 30/1, 34, 57.
- Caroline. IV 6:185; 11:26.
- F. 11:27. IV 1:69, 212,235;
4 : 25, 31 ; 9d : 21; 11 : 4, 19-25, 49.
- J. A. IV 11 : 16.
- J. E. I 1:49. IV 4:2—4; 7:
27; 9e:47.
- Th. II 1:7.
Schieiden, R. IV 1 : 166/7.
Schleiermacher, F. IV 1 : 29, 43, 47,
59,212.225, 235; 4:101; 6:107/8,
117, 202a; 11:1, 54, 85.
Schlesien. I 6 : 94.
Schlesische Zeitung. III 1 : 20.
Schleswig. I 6 : 327.
Schlettstadt. I 6 : 357.
Schleusingen, I 6 : 71.
Schliemann, H. IV 1 : 64.
Schlözer, A. IV 1:57.
- Dorothea. IV 1:235.
Schlosser, J. 6. IV 1 : 236 ; 3 : 40.
SchlUsell, der güldene. I 4 : 135.
Schlüter, Prof. 12:5.
Schmalenbecker Hof. I 5 : 324a.
Schmalkaldischer Krieg, Schrift vom.
11 1 : 6.
Schmaräkel-Kegelspiel. I 6 : 227/8.
Schmeckebier, 0. 19:1.
Schmoller, A. 12:9,15. IV 3:185.
9a: 3, 18.
Schmelzer, Magister 8. Wiedomann.
Schmeriing, Minister. IV 1 : 179, 183.
Schmid, Beruh. III 6 : 12.
- Herm. IV 3 : 127.
- Joh. III 6 : 10.
- K. IV 4 : 104.
- Ch. V. IV 1: 190; 3:56-66.
Schmidt, Alex. IV 11:6.
- C. 14:7.
- Erich. III 3 : 2; 5 : 23. IV 7 : 23,
70, 76; 9e:12; 11:67.
- F. W. V. I 2:18. IV 11 : 37.
- Joh. Friedr. IV 10:117.
- Julian. IV 1:2, 179; 4:128.
- K. F. 16: 76.
- Maximilian. IV 1:17; 3:128-30.
- M. I. IV 6 : 127.
- M. W. C. I 6:98.
- N. S. 15: 400.
- Sekretär Gleims. IV 1:3.
Cabanis, R. IV 1 : 17.
KUnzel, N. III 5 : 33.
Schmiede. I 5 : 121, 394.
Sehmieder, B. F. 16: 69,
- F. G. 16: 95.
- H. G: IV 4:26.
- K. Ch. 16: 83.
Schmiterlow, N. 15: 400a.
Schmitthenner, J. 12: 29.
Schraolck, B. III 2 : 51.
Schmuck, V. II 2 : 14.
Schmtilling, J. H. 16: 108.
Schmutziger. IV 6 : 38.
Schnaase, K. IV 6 : 148.
Schnabel, Hedwig Sophie. III 3 : 8.
- J. G. III 3 : 7—8.
- J. H. III 3 : 8.
Schnauss, C. II 7 : 100.
Schneeberg. II 3 : 1.
Schneegass, C. II 2 : 13. III 2 : 50.
Schneekoppe. III 1 : 18.
Schneeperger, H. II 3 : 1.
Schneesing, J. II 2 : 3, 9.
Schneider, Eulogius. I 3 : 11. IV
6 : 185.
- F. 14: 123.
- F. K. L. 16: 104.
- G. K. W. 16: 75.
- Lina. IV 9a : 75.
- Louis. IV 4 : 150; 5 : 48; 6 : 196:
11 :31.
- M. III 2 : 17.
- 0. E. H. 16: 79.
Schneidewin, F. W. IV 6 : 139.
Schneller, F. J. B. IV 4 : 27.
Schnellinger, V. II 2 : 41.
SchnepfF, E. I 6 : 400 b.
Schnepperer, H. II 3 : 1.
Schneuber, J. M. III 2 : 15; 5 : 10.
Schnitter, G. J. W. IV 4 : 147.
Schnorr, S. 14: 25,
Schnorr v. Carolsfold, F. IV 9a: 118.
- J. IV 11 : 90.
- L. IV 6 : 152; 11 : 91.
Schnllffls, L. ■». III 2 : 52.
Schnurr, B. n 4 : 32. III 2 : 46.
Schober, F. v. IV 1 : 190.
Schobser, H. I 4 : 15, 18.
Schöber, G. III 2 : 68. -
SchoeflFer, J. I 4 : 26; 5 : 404».
- P. I 4 : 7, 10.
Schöler, G. I 6 : 74.
Scholl, F. I 2 : 17.
- G. A. I 2 : 17. IV 6 : 141.
- R. IV 9 a : 38.
Schoemann, G. F. IV 6 : 140.
Schön, Ch. 11 4 : 18.
- H. Th. V. I 6 : 401c. IV 1 : 69:
6 : 178; 9a : 49.
Schön und gut. I 3 : 71.
Schönaich, Ch. 0. t. II: 49. HI
2 : 35 IV 3 : 18, 27.
--Carolath, Prinz V. y. IV 1 : 17,
24, 32.
Schönberg, Luise v; I 5 : 400c.
Schönborn, A. IV 1 : 190, 233.
- K. 6. 16: 96.
Schönbrunn, J. 11.2 : 11.
Schöne, A. IV 1 : 3; 11 : 57.
- F. G. II 6 : 70.
Schöne, das. 11:8.
Schönemann, D. III 2 : 30/1.
- Elisabeth. IV 4 : 20.
- J. F. IV 5 : 39.
Schönfelder, J. JI 2 ; 40.
Schönheit, Wesen der. I 3 ; 7, 35, 69.
- und Sittlichkeit. I 3 : 227-45.
Schönheitspflästerchen. III 1 : 40.
Schönhuth, 0. I 2 : 25.
SchöDsperger, H. I 4 1 17.
Schönthan, F. v. IV 1 : 17 32 6
72.
263
Sachregister.
HchOnworth. I 2 : 22.
Schöpflin, J. D. 12:2. IV 6 : 181.
Scholvin, J. III 4 : 4.
Scholz, ii. lY 4 : 148.
- W. IV 6 : 47.
Scholzo, J. S. III 2:33.
SchomliurK, K. IV 12:46.
.SchonaeuB, C. II 4 : 32.
Schop, J. III 2 : 67.
.Scliopon, L. I 6:88.
Schopenhauor, A. I 3 : 20/4, 27. 55,
82, 197, 212. IV 1:3, IW, 241;
6:51-82; 11:43.
- Johanna. IV 3 : 84.
.Schoppo, Anna. IV 3 : 88.
.Schorii, L. IV 6 : 147.
Schorr, J. II G:71.
Schott, A. IV 1 : 179.
- G. III 4 : 19a— 20.
- J. I 4 : 12.
- M. I 4:11.
Schottelius, J. 0. I 2 : 1 ; 3 : 3 ; 8 : 16.
III 2:54; 5: 10, 13.
SchoUky. I 2 : 24.
Schrader, Ch. 16: 106.
- J. II 4 : 19.
Schramm, J. H. III 2 : 66.
- K. IV 3: 114.
- M. II 2 : 45.
- R. IV 6 : 190.
Schrautenbach, L. K. Frhr. v. I 5 : 400d.
III 5 : 2-3.
Öchreber, D. O. M. IV 6 : 222.
Scbrock, V. 16: 100.
Schreckenberger, J. II 4 : 36.
.Schredin. I 1 : 49.
Schreffer, Q. IV 6 : 124b.
.Schreiber, G. Ch. III 2 : 34.
- 6. H. III 2 : 23.
- J. II 2 : 25.
- W. A. IV 10 : 68.
- Prof. IV 1 : 92.
Schroibkalcnder. I 5 : 33.
Schreibwerkzenge. I 5 : 303.
Schrenck, K. Frhr. t. IV 6 : 196.
Schrettinger, M. W. 14: 101.
Schreyer, B. II 2 : 24.
- H. IV 9d : 8.
- S. II 1 : 18.
Schreyvogel, J. IV 9e : 16.
Schriftsprache, mittelhochdeutsche. I
8:2.
- neuhochdeutsche. 18. —16: 10.
II 1 : 2.
Schriftätelleilexikon. I 1 : 63/Ö.
Schriftstellerstand. I 1 : 64/7.
Schröckh, J. M. IV 6 : 128.
Schröckinger, C. J. IV 4 : 151.
Schröder, Ä. L. Ph. I 6 : 82.
- F. L. IV 4:26, 32/5; 6 : 42/6;
7 : 39; 96 : 16; 10 : 117.
- F. W. F. 16: 103.
- Haus. I 2 : 19. UI 5 : 29.
- Joach. III 5 : 8.
- Sophie. IV 5 : 40.
- Wilhelm. I 5 : 401.
- J. T. 16: 117.
Devrient, Wilhelmine. IV 1 : 179,
252; 5 : 91.
Schrödter, A. IV 6 : 163.
fJohröer, T. G. I 6 : 113. FV 4 : 164.
Schröter, Corona. IV 5 : 90.
- L. U 2 : 44.
- P. E. III 4 : 11.
- 8. auch Schröder.
Schrot, M. II 2 : 26; 7 : 101.
Schubart, Ch. F. D. I 5 : 401a; 6 :
91. IV 1 : 1, 236; 6 : 175.
- Ludw. IV 10 : 31.
- T. H. III 2 : 64.
Schubarth, K. E. I 2 : 16; 3 : 15. IV
6 : 161.
Schubert, Fran». IV 1 i 190, 252; 4
228; 9b : 23.
Sohnbert, J. G. III 2 : 47.
- H. T. IV 1 : 190, 225, 227; 6
: 50.
Schubiu, Ouip. IV 1 : 17.
Schach. Ch. Th. 16: OO.
SchnohUehe Schaubnhn». Rillet« nb«r
die. IV 7 : 66.
Schuckmann, K. V. r. IV 0 : 181.
Schudt, J. J. I fl : 81.
Schllcking, L. IV 1 : 31t 3 : l!:i.
ScIiUddokopf. C. IV 7 : 1.
.Schttlor, M. I 6 : 110.
SchUrer, E. ■. Sareeriui.
- L. I 4 : 14.
- M. I 4 : 13.
SchUrmann. G. K. III 4 : lU.
SchUssIer, J. I 4 : 16.
Schatz, Ch. MI 2 : 59.
- Ch. O. IV 6 : 169; 11 : 15,
- F. K. J. IV 6 : 49; 6 : 176, -
- Heinr. HI 2 : 70.
- Hier. I 6 : 89. II 4 : 36,
- Hieron. I 4 t 24.
- J. J. III. 2 : 46.
- (Liederdichter). U 2 : 10.
- C. W. T. IV 4 : 81; 6 : 187; 11
: 34.
- -Wilson, H. IV 9» : 27,
SchUtie, E. F. 16: 67.
- F. W. 16: 97.
- H. K. I 6 : 68.
- J. F. IV 3 : 36; 9« : 1«,
- St. IV 6 t 160.
Schntzenwesen. I 6 : 67a.
Sohulbruderschaft. I 6 : 232.
Schuldheis, J. G. IV 1 : 232.
Schulen (Akademien, Gymnasien, Hoch-
schulen, Lateinschulen, Mitdclien-
schulen. Seminarion, Universitlten
usw.): I 6. — Alzey I 6: 182; Arnstadt
16: 183; Auma I 6 : 76; Bamberg I
6:120; Basel IV 1 : 90; Berlin I
6 : 144. 155, 173/4. IV 1 : 59, 221;
6 : 181; Bielefeld III 5:1; Bonn
I 6 : 184; Braunsberg I 6 : 185;
Braunschweig I 6 : 170; Cassel I
6 : 186; Dorpat IV 1 : 229; Emme-
rich I 6 : 187 ; Falkenburg I 6 : 189;
Frankfurt a. 0. I « : 122, 166. IV
1 : 240 ; Gleiwitz I 6 : 190 ; OlOok-
Stadt I 6 : 191 ; Gnadenfrei I 6 : 220;
fiöttingen 12:6. IV 1 : 160, 223.
240/1; Gohlis I 6 : 181; Gotha I
6 : 179; Greifswald I 0 : 167;
Grimma I 6 : 180, 192. II 4 : 16;
Hamburg I 6 : 110, 127: Hannover
IV 11 : 16; Heidelberg I 6 : 126,
164; Jena IV 6 : 210; Jttlich I
6 : 196; Kiel III 6 : 24; Köln I 6 : 124,
161/2; Komotaa I 6 : 196; Lands-
berg a. L. 16: 197; Leipzig I
6 : 126, 142. 158. ÜI 5 : 23/4; Lyck
I 6 : 108; Magdeburg I 6 : 217;
Hansfeld I 6 : 132; Marienwerder I
6 : 199; Heissen I 6 : 169. IV 7:8;
Merseburg I 6 : 200; Mitterharf
I 6 : 201; Manchen I 6 : 130.
Manster 12:5; NOrnberg II 1 : 20i
Oberhollabrann I 6: 202; OsnabrOck
I 6 : 203: Pforzheim I 6 : 205;
Pilsen I 6 : 206; Quedlinburg I
6:207; Regensburg III 3:1; Rehna
I 6 : 208; Rödlitz I 6: 151; Rostock
IV 1 : 233: Sachseo 1 6 : 180;
Salzbarg I 6 : 218: Sehleasingen I
6 : 141; Schneeberg I 6 : US. 209;
Schwelm I 6 : 211; Sprottaa I
6 : 212; Stettin I 6 : 171, 189;
Stnlsnnd I 6 : 213; Strasabarg I
6 : 166. III 6 : 10; TObingon I
6 : 163. III 3:1; 5 : 10; l'eber-
lingen I 6 : 214; Wachbaeh I 6 : 136 ;
- Weilbuiir IV 1 191: Weimar I
6:178; Wien l 6 : KS6/7; Willisao
1 «:215; Wrieiea I t.ilt; Zwickaa
I 6:14a
- ■. such K«bntkon5dies, Rchatord-
■angeo, Volkxaehalen, UBif«r<ittt«ii
asw.
- in d«r WtoeMsrhaft. I i : XI,
HchulfeaU«. I « : 22», Ul.
Schulgeaprteb. I S : S27.
HekulordnuBgoB. I 6:128—38; res
BMiberg I 6:121; Bnaas^kweig
I • : 106. 130. 170: Freiaiaf I 6 : 130;
JeuUmstbiü I 6 : 129; MaacfeM
I 6 : 132; Memmlngeo 1 6 : I34'6:
Waehbacb I 6 : 137 ; Wlea I 6 : 131
(vgl aaeh Sebalen).
SebalkomOdlen. I 6 : 221-1*, 22«.
II 4:li;2: ia Freletef I 6:226;
Joaehlmtthal I 6 : 129; MiMhMi
I 6:321a.
Sebaler, J. IV 3:8«,
Scbnller, A. 10: 121.
- J. K. I 2:21; 6:114.
Schalt. Jaliane PaUenti* r. 1112: 4».
Sebnito, J. F. t. IV 1 : 60.
Sohaltbeae, Blb«. IV 9e:9-ll. SQ.
20«.
- H. IV 0 : 136. 210.
- J. I 0 : 28.
Scballf. Job. UI 2 : 69.
IV 6: 42.
- Petnu. U 6:25; 7:82.
- ValeoUn. 112:3, 17.
Schnitze, Cbryaoat 10 8 : 66 ; 4 : 13.
- O. 14: 121.
- JohMines. I 6 : 401 d; 6 : 110.
Sehalz. Friedr. IV 3 : 35.
IV 6 : 72.
- J. C. F. IV 4 : 25.
- Job. H. I 5:401b. IV 0: 111.
- 0. I 6 : 103.
Bodmor, W. IV 6 : 1-3.
Schulze. Aenes. IV 6 : 40. 44.
- EmeU IV 1 : 240; 11 : 84 6.
- Ferd. I 6 : 73.
- F. Aug.(F.Laun.) IV 3: 86; 4:28.
- Job. I 6 : 105. IV 6 : 203.
- Josephine. IV 6 : 03.
Delitzsch, H. I 6 : 402. IV 6 : 118,
19L
Schumacher. A. IV 3 : 91 ; 4 : 162.
- W. IV 4 : 149.
Sebamann. Ch. UI 2 : 50.
- J. M. UI 2 : 63.
- Petrus. U 2 : 12.
- Rob. IV 4:220; 6:184.
- V. I 4 : 23. II 3 : 17.
Schammel. J. O. I 6 : 24. IV :< 11.
34; 6 : 213 4.
üchupart, J. O. III 2 : 60.
Schupp. Anton Meno. III 6 : 12.
- Job. Balth. I 6:64; 8 : 10. UI
4: 18; 6: 12 6.
- Jost Bnrckbard. lU 6 : 12.
Scharen, G. I 8 : 17.
Soharener. J. I 4 : 20.
Sebarff, H. I 6 : 402a. U 6 : 18.
Seharmann, Anne Marie t. I ft:40ib.
Scbast«r. M. III 4 : 14a.
- Sibylla. UI 4:14a.
Schwab. G. 12:20. IV 0 221: II:
69—70. 76. 81.
Schwabe, A. U 4:41.
- J. J. 13:6. IV 6 : 167.
Sebwtmlein. O. Cb. II 2 : 16.
Seb wimer. III 5:1—4.
Scbwalbeck, J. G. lU 4 : 6.
Schwan. Cb. F. IV 4 : 103: 10: 25.
- Margaretke. IV 10 : 26.
- J. F. 15:4020. IV 10:24.
Schwanberger, G. III 4 : 8.
Sehwankbneber. II 3 : 17—20 ; ftam-
zOsiscbe U 3 : -20.
Sebwantbaler. L. M. IV 1 : 2S2; 9a:
19, 00 1.
Sacliregister.
264
Schwartz, A. It 2: 42/3.
- Anton. IV 5 : 41.
- Karl. I 6 : 87.
Schwartzenbaeh, L. I 8 : 18. II 4 : 30.
Schwarz, Ch. 13: 5.
- F. H. Ch. 16: 80.
- J. K. 16: 72.
- Karl. IV 6 : 115.
- Sibylla. m 2 : 16. IV 6 : 15.
- Theod. IV 3 : 86.
Schwarzhurg, Katharina die Helden-
mütige V. IV 10 : 39.
Schwarzenbach, 0. ü 2 : 23.
Schwarzenberg, Felix Fürst. IV 1 :
173; 6:195.
- Frd. Fürst. IV 3: 90; 6: 17.
- J. T. II 3 : 14.
Sehwarzenhäupter. II 1 : 2.
Schwarzenhorn, J. E. Sohmid v. III
5:26.
Schwebel, N. 16: 92.
Sobweblin (Schwebel). II 7 : 87.
SchwederJch, J. 11 6 : 72.
Sehwedler, J. Ch. ni 2 : 62.
Seh wegler, A. IV 6 : 99.
Schweher, Ch. II 2 : 7.
Schweichel, B. IV 1:17, 32; 3:202/3.
Schweidnitz. I 6 : 96.
Schweigger, J. S. Ch. IV 9b: 5.
Scbweighauser, J. 14:119.;
Sehwein. I 6 : 286.
Schweinichen, Hans v. I 5:402d. II
3:44
Schweinitz, D. v. III 5 : 9.
Schweintzer, H. 14: 22. II 2 : 16
Schweizer, Alex. IV 3 : 149.
- Ant. IV 4 : 193.
- D. 13:1. m 5:18-21.
Schwenk, K. 12: 23.
Schwenter, 1). III 4 : 14.
Schwerdt, G. H. 16: 78.
Schwerin. I 6 : 102.
- Graf. I 5:403.
- -Putzar, Graf. IV 6 : 194.
Schwetschke, K. G. I 4 : 121. IV 3 :
106/7; 6 : 192.
Schwieger, J. III 2 : 24.
Sehwind, M. v. IV 1 : 191, 198, 225;
6 : 151; 11 : 92.
Schwulst. I 5 : 13.
Scinzenzeler, H. 14: 21.
- J. A. 14: 21.
- U. I 4 : 21.
Scott, W. I 3 : 12. IV II : 5, 54.
Scribe, E. IV 4 : 209, 211.
Scud6ry, G. de. 13: 2.
Scultetus, Abr. II 7 : 106.
- A. III 2 : 53; 4 : 13.
Sebastian!, J. III 2 : 68.
Seber, W. 16: 71.
Sebregondi, Maria de. IV 3 : 111.
Seckendorif, Ch, A. v. IV 11 : 36.
- G. A. V. IV 4 : 29.
- K. S. V. IV 4 : 30; 7 : 64.
- Leo V. IV 11 : 1, 36.
- V. L. V. II 6 : 75.
Secreta Secretorum. II 3 : 2.
Sedlnitzky. IV 6 : 120.
Seebach, J. G. III 2 : 57.
- Marie. IV 1 : 31, 198.
Seebeck, Ch. IV 9 : 5.
- M. I 6 : 77. IV « : 210.
Seebode, J. D. G. 16: 86.
Seeger, D. t. IV 10 : 22.
Seekatz. IV 9a : 1.
SeelenbUcher. I 6 : 143,
Seelen-SpeisB. I 4 : 135.
Seelen-Trost. 1 4 : 135.
Seemann, S. III 4 : 15.
Seeschiffahrt. I 5 : 146, 169,
Segeberg, A. I 6 : 167.
- B. 16: 167.
Segen. I 6 : 167, 245.
Sever, J. III 4 : 6.
A. Ph. V. IV 6 : 195.
Seherin v. Prerorst. IV 11 : 31.
Seidel, G. I 6 : 94.
— H. 13: 130a. IV 1 : 17; 3:
122.
— J. F. IV 3 : 14.
— K. L. IV 3 : 87.
— Ph. IV 9e : 37.
Seidemann, J. K. II 6 : 76.
SeidenstUcker, J. H. Ph. 16; 107.
Seidl, J. G. IV 4 : 153.
Seidler, Caroline. IV 5 : 92.
Seidorf, I 6 : 145.
Seinsheim, A. F. v. 16: 120.
Seitz, A. II 4 : 34.
Sektirer. III 5 : 1/3.
Selbstbiographien. IV 1 : 159-2.S1.
Seil, J. J. 16: 101.
Seile, Ch. G. IV 6 : 43.
— Th. III 2 : 66.
Selneccer, N. II 7 : 105.
Semhaber, E. IV 1 : 27.
Semler, Ch. PV 6 : 101, 215.
— E. L. III 2 : 55.
— G. L. III 2 : 48.
— J. S. 15: 403a.
Semper, G. IV 6 : 155.
Seneea. III 5 : 13, 18. IV 7 : 27.
Separatisten, d. III 5 : 2.
Sepp, J. R. IV 1 : 227.
Seripando. II 7 : 50.
Serre, de la. IV 1 : 90.
Servaes, F. IV 11 : 43.
Seuchen. I 5 : 144.
Seuifert, B. IV 3 : 29, 32.
Seume, J. G. IV 11 : 66.
Sexuelles. I 5 : 168.
Seybold, J. G. II 3 : 34.
Seydel, G. III 1 : 20.
Seydiitz, R. Frhr. v. PV 1 : 24/5.
Seyifart. III 1 : 17.
Seyfried, H. W. IV 6 : 71 ; 10 : 68.
Shadwell, Th. IV 7 : 27.
Shaftesbnry, A. Ashley-Cooper, Graf v.
HI 5 : 18. IV 1 : 47.
Shakespeare, W. 13: 12, 92, 142,
144, 159, 156/8; 7 : 51. H 1 : 8.
IV 1 : 235, 249, 252; 3 : 236; 4
5a, 13, 22, 25. 33/4, 125, 170, 208
5 : 32; 7 : 27, ,39, 64; 9b : 87; 9e
14, 20, 41. 71, 73, 75, 80, 81; 10
8, 113, 117; 11 : 5, 12, 30, 34, 54,
68, 83.
Shakespearebühne. IV 5 : 4—10.
Short stories. IV 1 : 34.
Sickingen. F. v. Hl: 8—9.
Siebeck. H. IV 9a : 33, 106.
Sieben, D. Göttinger. 12:6.
Siebenbürgen. I 2 : 21 ; 5 : 371 ; 6 :
114. II 1 : 1.
Sieber, A. 16: 192/3.
Siegfriedsage. IV 4 : 163.
Siegen. I 6 : 66.
Silbergsen, Ch. 15: 404.
Silberstein, A. IV 1 : 27.
Silvanus, L. U 7 : 54.
Simeon (Minister). I» 1:240.
Simler. I 1 : 48.
Simon, J. HI 4 : 15a.
Simplicios Simplicissimus. HI 3 : 2/3.
Simrock, K. II: 50. IV 1 : 203.
Singspiel. IV 5 : 75. HI 4 : 2. IV
10:117; Hamburg I 1 : 50.
Sinner, F. v. IV 3 : 30.
Sinnsprüche II 3 : 43.
Sinsheim. I 6 : 90.
Sirutschko, C. U 2 : 3.
Sittard, V. HI 4 : 14a.
Sittengeschichte. I 5 : 162—79, 330
bis 330c. III 1 : 25/9.
Sittenromane. HI 3 : 2/4.
Sittlichkeit. I 5 : 457.
Socialdemokratie. I 5 : 26, 306. IV 1 :
37, 44, 138.
Sociales Leben. I 5 : 19, 26, 449.
Socialismus. II 1:4.
Sociologie. 11:2, 6—7.
Soest. I 5 : 330/30 o; 6: 107.
Sokrates. IV 3 : 32; 7 : 13.
Sommer, J. H 4: 17.
- W. IV 3 : 131,
Sonett, d. IV 11c : 31.
Sonnenberg, F. v. IV 1 : 238.
Sonnenthal, A. v. IV 5 : 33/4.
„Sonntagsblatt", D. (Schwaben). IV
II : 69-70.
Sophie, Karfürstin v. Hannover. III
1 :25.
Sophokles. I 3 : 12, 92, 142, 159. IV
1: 252; 3: 171; 10: 109; 11 : 31.
Sophonisbe. IV 4 : 134.
Spach, L. IV 3 : 97/8.
Spalatin, G. I 1 : 49, II 7 : 18.
Spalding, G. IV 1 : 232.
ispangenberg, C. 11 3 : 43. IV 10 : 39.
Spazier, C. IV 7 : 34.
Speotator, d. III 5 : 18.
Spee, F. V. III 2 : 27.
Speidel, L. IV 11 : 93.
Speisen. I 5 : 49, 131/5.
Speisesegen. III 5 : 28.
Spencer, H. I 1 : 2, 8.
Spener, Ph. J. III 3 : 1.
Spengler, L. 16: 118. H 2 : 3.
Speratus, P. 11 2 : 3; 6 : 70; 7:89—90.
Sperontes s. J. S. Scholze.
Speyer, F. IV 3 : 81.
Spiegelberg, v. 16: 187.
Spiel von Frau Jutten. IV lle : 107.
Spiele. I 5 : 55—7, 274; 6 : 227.
Spielhagen, F. IV 1 : 6, 17, 223.
Spieltrieb. I 3 : 94.
Spieus, Ch. H. IV 10 : 94.
Spindler, G. H 1 : 1.
- K. IV 3 : 100.
Spinoza, B. IV 1 : 47, 113; 7 : 78; 9d
: 13; 11 :37.
Spinozisraus. IV 1 : 233.
Spir, A. IV 9e : 81.
Spiritismus I 5 : 80/1.
Spittler, L. T. v. IV 10: 11.
Spondeus. 19:2, 7—8.
Spontini, G. IV 1 : 138 ; 5 : 81 ; 11 : 31.
Spottgedichte. HI 5 : 28.
Sprachakademie. IV 1 : 212.
Sprachdummheiten. I 8 : 59.
Sprache. I 8. — I 2 : 1, 12. II 8:27;
III 5 : 13 ; d. Elisabeth Charlotte v. Or-
leans. III 1 : 25. Goethes. I 8 : 27.
IV 9a: 115. Hallers. I 8:25. Hebels.
I 8 : 28. Heines. I 8:27a. IV 12:31.
Huttens. I 8 : 24. Herders. I 8 : 26.
IV 8 : 9; Kleists. IV 4:118; Lessings.
IV 7 : 32 ; Luthers. 18:1, 22/3. U
6 : 2, 4, 32/4. IV 1 : 212.
- poetische. I 8 : 25, 27a.
Sprachforschung. I 2 : 1, 5. III 5 : 33,
Sprachgeschichte und Litteratarge-
schichte. I 1 : 20.
Sprachgesellschaften. I 8 : 21/2, 64a.
III 5 : 13.
Sprachmeugerei. 13:4.
Sprachreinigung. 18:1.
Sprachriehtigkeit. 18:1.
Sprachverein, deutscher. I 8 : 66, 60/6.
Sprachwissenschaft. I 2 : 29—34.
Sprichwörtersammlungen. II 3 : 14,
84; Egenolffsche. II 3 : 34.
Sprichwort. I 3 : 10, 128/9; 5 : 261/3.
II 3 : 2. III 5 : 6.
Springer, A. IV 6 : 149.
Spruchweisheit. I 5 : 258—62.
Sprüche. III 5 : 6, 27/8.
Squenz, Peter. III 4 : 14.
Staatsmnnner. HI 5 : 19. IV 1 : 235;
6 : 178—83, 194—201.
Staatsromane. II 1:4. III 3:7. IV
3 ; 9/10.
265
Sachregister.
Stabreim. I 0 : 12.
Stadion, E. r. IV 1 : 8.
— F. Graf. IV 8 : Ul.
SUdt. I 5 : 16.
Stael, Anne Louiie OenraiM de. IV
I :235, 241; 10:98; 11 : 18, 24, 81.
St&delsche« loRtitut. IV 11 : 28b.
Stftnde. I fi : 382.
SUhr, Ad. IV I : 132, 180, 20« ; 3 : 109.
SUmnibachor. 14:5. III 1 : 17; 9:6.
IV 1 : 28-32; 6 : 60.
Stapfer, Alb. juu. IV 1 : 235.
— Phil. Alb. IV 1 : 235.
8tarhembt>rg, Ernst KUdiKor Oraf r.
Il( 1 : 20.
— liundacker Graf v. III 1 : 21.
Ktationarii. I 4 : 104.
SUtiütik. I 1 : 2, 29; 3 : 64/6.
SUufer, d. 18:2.
Staupitz, J. T. II 6 : 64; 7 : 48/4.
Steele. R. III 5 : 18. IV 7 : 27.
Steffens, H. IV 1 : 29; 11 : 1, 31.
Steiger, E. IV 1 : 2.
Stein, Charlotte v. IV 1 : 29, 179;
4: 15; 9b : 16/8, 88, 112/3; 9e : 28.
— Fritz y. IV 10 : 26.
— H. F. K. Frbr. t. IV 1 : 69.
Steiner, K. IV 7 : 24.
iSteinbnwel, H. II 8 : 14 ; 4:23.
Steinle, E. v. IV 11 : 26b.
Steinthal, H. IV 6 : 124.
Stendal. I 6:70.
Stengel (Kabin6tsRekretXr)T. IV 7 :23.
Stephani, C. II 1: 1; 4 : 38.
Stephanie, Ch. Gottlob. IV 4 : 37.
— Gottlieb. IV 4:37; 10:117.
Stern, M. v. IV 1 : 24.
Sterzinger, F. I .5 : 74.
Stettenhoim, J. IV 1
Stettin. I 6 • «*:.
Stic»>, Klara. IV 6 : 68/9.
Stichling (Minister). IV 1 : 184/5.
Stiefel, M. s. Styfel.
Stioglilz, Charlotte. IV 1 :212, 252.
Stieler, K. III 4 : 2.
Stier, W. IV 1 : 209.
Stieve, F. I 1 : 30.
Stifte. I 5 : 378.
Stil. I 3:7, 180; 8 : 27, 38/9l IV
I I : 26a.
Stillfried. F. IV 3 J 121.
Stimmer, F. II 4 : 14.
Stimmung. I 8 : 75/8.
Stinde, J. IV 1 : 17, 32; 8:8.
Stirner, M. IV 1 : 47, 806, 209.
St. Martin. IV 11:19.
Stobaeus, J. II 1 : 8.
StookmBr, Frhr. v. IV l : 163.
Stöber, A. IV 8 : 63.
StoiTgeschichte. IV 7 : 27.
Stolburg, Fr. Leonh. IV II ; 85.
— Auguste. GrMfln t. IV 9e : 112,
116.
— Ch. Gr»f T. IV 9b: 89; 10:26.
— Fr. Leop., Graf t. IV 1 : 283, 236,
240; 8:42; 9b :89.
— Luise, QrSfln. IV 10 : 26.
StoU. IV 11 :L
Storm, Tb. IT 1:84, 206. 209; 8: 121,
138, 237,
Strafen. I 5 : 167.
Stralsund. I 6 : 79, 157.
Stranitaky, J. A. IV 4 : 37.
Strassburg. I 6 : 355/6, 378; 6 : 89.
Strauss, D. F. IV 1 : 47, 179, 203,
225; 6:87, 117; 7 : 70.
St K6al, C. V. de. IV 10:72.
Streckfuss, A. P. K. IV 1 : 170;
10 :117.
Streicher, A. IV 10 : 23.
— J. B. IV 10 : 23,
— Nanette. IV 10:23.
Streit d. Leipziger o. d. Sehweiser. I
3:5.
StreiUchriften. III 6 : 12.
Stricker, d. I I : 50.
Strindborg, A. I 8 : 278.
StrOne, deatache, in der Diebtong. I
1 :61.
StrOnangen, gelatif ». IT 1 : 42-6.
Strophe, lapphisohe. 19:17.
Strueniee, J. F. Oref. IV 4:9.
StmTe, O. III 2 : 22.
Studenten. I 6 : 10, 882/5.
SiudienkOpfe. III 8:8.
Studlenreieen. in 5:29.
Stubner, F. W. UI 5:7.
Slurm, Jak. I 6 : 156. II I : 8.
— Jul. IV I : 17.
Sturm nnd Drang. IV 1 : 44, 66; 8:
87/9; 4:8-20, 37; 11 : 42.
Stnrx, H. P. IV 4 : 9; 10:8.
Styfel, M. II 7 : 47.
SabjektiriMt d. OesehiehUehreibang.
I 1 : 27.
— in d. Wertung d. Kanatwerke. I
1 :2.
Sndermann, H. IV 1 : 17, 34, 88.
Sueton. II 3 : 41.
SnndenbOcke d. Litteratur. I 1 : 47.
Suggestion u. Dichtung. I 8 : 256/9.
Suhl. I 6:71.
Suida«. IV 7 : 27.
Sulkowska, FUratin Thaida r. IV 1 : 97.
Sulzer, 3.0. 13:1. IV 1 : 28«, 285;
3 :30.
Suphan, B. IV 9b : 88.
Surinam. III 6 : 21.
Susanna. III 4 : 27.
Swedenborg, E. t. I 6 : 80. IV »e : 75.
Swift, J. IV 3:30; 9e:28.
Sybel, H. v. IV 1: 102; 6:135.
Sylphen. III 3:3.
Symbol. 1 3 : 209.
Symbolismus. IV 11 : 2-3.
Synekdoche. I 3 : 128.
Syntax I 1 : 2, 20; 8 : 12/4, 25, 27/8,
33/7.
— Rhetorische. IV 9o : 1.
Szamatölski, S. II 3 : 84.
Tabak. I 5 : 24. HI 1 : 39.
Tabakgedichte. IV 7 : 27.
Tabaksdosen. 1 5 : 24. III 1 : 39.
Tafelfreuden. I 5 : 49.
Tag, 1001. IV 10 : 117.
Tagebuchaofzeiehnungen. III 1 : 28,
36.
Tagespresse in Schlesien. III 1 : 29.
Taille, Jean de la. 13:2.
Taine, H. 11-2, 6-8, 13. 19, 24;
3 : 45, 62.
Tait, J. IV 9a : 129.
Taktnamen, griechische. I 9 : 2, 5.
Talleyrand, Ch. M. IV 9b : 72-85.
Tannengesollschaft. III 5 : 10.
Tanner, P. I 5 : 74.
Tannhauser. IV 4 : 218.
Tannhauserlied. II 2 : 36.
Tartarotti. I 5 : 74.
Taaso, T. III 4 : 7. IV9e : 60; II : 15.
Tassoni, A. IV 8 : 18.
Tauber, C. I 5 : 407. II 7 : «&
Tauberbischofsheim. I 8 : 90.
Taabert, H. IV 11 : 31.
Taulor, J. III 5 : 4.
Technik d. modernen Dramas. I 3 : 174.
Teck, die v. III 3 : 1.
Tellenlied. III 1 : 11.
Telmann, K. IV 3 : 7.
Temme, J. H. D. IV 1 : 189.
Tempeltey, Ed. IV 1 : 17.
Tendenz. I 3 : 120/2.
Tengier, V. II 3 : 14.
Tennhardt, J. lU 5 : 4.
Tepl (SÜft). I 6 : 206.
Teppiche. I 5 : 120/20».
Terenz. 13:2. ni:l. IT7:24.
Terkelsen. S. III « : |0.
Tertnllian. IV 7 : 27.
'letUm«DU, litUrartocbe. III 5 : 10.
Tetzel. J II 1 : 2: 6 : 47/9. 66.
TenenUak. I 4 : 17.
Teufel. I 5 : 2I2'8, 244. Ul » : *.
Teafeliaeenea. II 4 : 8.
Testor, J. W. IV «b : M>/8l
Thalea. III 5 : 18.
Tham. M. II 2 : 8.
TheaUr. I 6 : 444. II 7 : 12. IV •» : 78/8,
llSa;»e:06. la AMbea HI 4:16b;
Alafald II 4 : 8; AlUorf U 4 : 17 ;
Bajrrenth IV 6:4; Beriia III 4 : M.
IV 1 :2. I»6; 4:26; 5:16, 79(
9e: 8-9, 6«: 10: 18; 11 : 81 ; BriMel
II 4 : 43; CbeBaita II 4 : 16; Dree4ea
I 5: 66; Ertart II 4 : 9; Eri (bei
KafiUiu) IV 6 : 28; Fraabfart a. M.
IV 6: 71; 10:68; Geat 11 4 : 42;
Hambarg III 4 : 18-23. IV 7 : II;
9e:ie; 10:117; Karlerabe IV9e:l7;
Kopenhagen III 4 : 2, 17. IV 10 ! «2;
KnnielBaaII4:8; Uipsif IT I : St8;
Laafen III 4:32; Loa4oB IT 6:11 1
Mannheim IV 10 : 29, 6«; lUiBiBgM
IV 5: 6, 69; Maaebea IT 1:198!
6 : 4-12; dea Ifiederian^M IT
9e:46; NBnberg II 1:17; Ober-
dorf (Allgla) IV 6:26/7; Paria IT
12: 14; Poeea IV 6:2; Prag IV
II :31; Beral II 1 -i; Riga II 1 : S;
Hchwabea IV 6:52; SteiM«ark III
4 : 27; Stockholm UI 4 : 17 ; Stnat-
borg III 4:5; Htattgart IV 10 : 18;
Toll i. B. IV 6 : 29; VeiM^if IT
10: 117; Weimar IV 4: 102; 6:68/8
9e:7; 10: 117; Wien III I : 21. 29.
IV 5 : 11/2, 15. 61/2; 9e : 1«; Wiimar
II 4 :4; Worms IV 6: 16, 23.
TheaterbilleU. IT 6 : 4.
Tbeatercensnr. IV 6 : 28.
Theaterehroniken. IV 6:88-70.
Theatergeblude. IV 5 : 1, 4— ISa.
Theatergesehlft IV 6 : 2.
Theatergeschichte. IV 6. —
Theaterkritik. IV 6 : 61, 72/3.
Theaterpraiis. IV 6 : 23.
Theatorpubliknm. IV 6 : 18, 20.
Theaterreformen. FV 6 : 4— 18.
Theaterrepertoire. IV 6 : 14.,
Theaterrorrichtuogen. IV 6 : I.
ThMtre Italien. IV 7 : 21.
Theodorus. J. III 5 : 6.
Theokratle. IV 1 : 235.
Theokrit. IV 11 :80.
Theologie. III 6 : 13/4. IV 1 : 47, t96;
6: 100—24; 7 :78; II : 19.
Theologiaoher Jahreeberieht II 1 : 14
Theophilas (Drama). II 4 : 7/&
Tbeopbraataa. II 3 : 14.
Theorie d. Dramas. 13:1/2.
— und Geschieht« des Boaaw. IT
3 : 1-11, 33-40. 83-103, IM— S06,
222-239.
Theoriea d. Sebweiier. in 6 : 1&
Theoeophie. UI 6 : 4.
Theaerdank a. Teaerdaak.
Tkeariet I 1 : 19.
Tbibaut IT 1 : 164.
Thierry, A. 11:2.
TUM*. L. A. r. IV 1 : 214.
Thomae, J. O. III 4 : 2.
Thoauw a Keapis. lU 6 : 4.
Thomaaflw, Ch. I 6 : »4.
ThomsoB, J. IT 7 : 38.
Thor. IV 11 : 71.
Tbndieham. IV 1 : 102.
Thanmel. M. A. r. IV 1:3. SM;
3: 11, 18.
ThOringea. I 6 : 71.
Thnra, Bitter ron. II 4 : 28, SS.
Tieek, Aaialie. IT 11 : 1.
— DoroUaa. IV 11:30.
Sachregister.
266
Tieck, L. 1 5 : 308. III 4 : 35. IV 1 : 29,
166, 241,252; 3 : 83; 4 : 25, 125, 223;
6:117; 10: 117; 11: 1, 5, 29-32,
54, 69-70.
- Sophie. IV 11 : 31.
Tiedge, Ch. A. IV 3 : 45/6; 6 : 117.
Tiefenbacher, Elwine. IV 1 : 31.
Tiemann, Th. IV 9d : 17.
Tierarzneilehre. I 6 : 152.
Tiere. I 5 : 285/7.
Tierepos. II 3 : 7—16.
Tiernainen. II 3 : 11/2.
Tiersage. II 3 : 7.
Tierstrafen. I 5 : 179.
Tilesius, H. II 4 : 8.
Timann, J. 11 7 : 40.
Tingeltangel. IV 5 : 18.
Tirol, H. I 5 : 15.
Tirschenreuth. I 2 : 15.
Tirso de Molina. III 4 : 33.
Tischbein, J. H. W. IV 1 : 55; 9a : 4a;
9e : 83.
Tissot, E. I 1 : 14, 19.
Tittmann, J. III 3 : 3.
Titns Andronikus. III 4 : 2.
Tobiasdramen. III 4 : 3.
Tod. I 5:207/9, 248-50.
Töpifer, E. IV 3 : 96.
Törring-Seefeld, A. v. IV 4 : 35, 128.
Tolstoi, L. 13: 197. IV 1 : 36, 179,
192: 5 : 72.
Tomlinson, IV 9a : 27.
Tracht. 1 5:16, 122—31, 317. II
I : 17. III 1 : 25.
Tradition. I 1 : 20, 24.
Träger, A. IV 1 : 111.
Tragisch. I 3 : 71.
- und Komisch. I 3 : 53.
Tragödie. I 3 : 142, 145—50.
Traun, Julius v. d. IV 1 : 27.
Trebellius, rex Bulgarorum. III 4 : 15b.
Treitschke, F. IV 10 : 117.
- H. V. II 1 : 5. IV 1 : 59, 156, 194;
II : 54.
Treitzsauerwein v. Ehrenlreitz, M. II
3: 42.
Trenk. IV 1 : 236.
Trinken. I 5 : 49-52, 131, 134, 317.
Trömer, J. Cb. IV 7 : 27.
Troja. in 3 : 1.
Trojan, J. IV 1 : 17.
Tschabuschnigg, A. t. IV 1 : 27.
Türckheim, B. F. v. IV 4 : 20.
- J. T. IV 4 : 20.
Türkei, d. III 5 : 26.
Türkengedicht. U 1 : 1.
Türkengefahr. UI 6 : ?6.
Tunnel unter d. Spree. IV 1 : 198, 206,
209.
Turnen. I 6 : 15.
Turnier. I 6 : 390.
Turpin. I 1 : 60.
Tychsen, CScilie. IV 11 :84.
- Hofrath. IV 11 : 84.
Uechtritz, F. v. IV 6 : 145.
üebersetzungen, deutsche. II 1:6.
m 6:6, 10. IV 1:235; Bibel, in
6:7; Boccalini. 1115:12; Cicero
IV 1 : 235; Dramen. IV 4 : 122; Hai-
monskinder. II 3 : 41 Nala. IV
11 : 13; Puloi. II 3 : 41 ; Shakespeare
IV 11 : 6, 12, 30.
TJebersetznngsbibliothok. IV 1 : 232,
Uebersetzungskunst. IV 6 : 143.
Uebersetzungalitteratur. IV 10:117.
üeltzen, H. W. F. IV 1 : 233.
Uhde, H. IV 9e: 16.
TJhland, L. I 1:50; 3:133; 7:20.
IV 1 : 179; 11 :69— 81.
Ulfeldt, C. III 1 : 28,
Ulrich, T. IV 1 : 209; 3: 190.
Ulyhsos' Wiederkunft. IIL 4:2.
Umgangssprache. I 8.: 16. 26.
Unehrliche Leute. I 5 : 10, 166.
Ungem-Sternberg, E. Freiherr v. IV
9a: 107.
Universal gesangbuch. III 2 : 59.
Uniyersalismus. IV 1 : 44.
Universitäten. I 5 : 3, 64, 98 ; 6 : 122.
IV 6: 207—10; s, auch Schulen.
Unterhaltung. I 5 : 16, 84, 317.
Unter-Kiexingen. I 6 : 380.
Unzelmanu, Friderike. IV 9b : 10.
— K. F. F. IV 5:54; 9b : 8— 9.
Urform der Poesie. I 3 : 89—91, 94.
Usteri, P. IV 1 : 235.
Utopie. III 3 : 7.
Uz, J. P. IV 3 : 18, 30.
Vademecum ftlr lustige Leute. IV
3:51.
Väterliche Ermahnungen. I 5 : 36/7.
Vairasse. IV 3 : 9.
Valentin, V. 13: 142.
Valla, L. I 1 : 27.
Varnhagen, K. A. v. IV 1:85, 166,
179, 212; 3:125; 11:54.
Vasco de Gama. II 1 : 20.
Veit, Ph. IV 11:25, 26 a— 28.
Veitheim, Graf. IV 1:3.
Velthen, J. III 4 : 17.
Venator, B. III 5 : 10.
Venus. III 3 : 3.
- geharnischte. III 2:24/5.
Vennsberg. III 3 : 3.
Verbauern deutscher Edelleute. III
1 : 25, 29.
Verbindungswesen. I 6 : 154.
Verdy du Vemois (Kriegsminister).
IV 1:198.
Verfassung, d. hannoversche. 12:6.
Verfassen, Gretchen. IV 11:57.
Vergier, J. IV 7 : 27.
Vergilius, Polydorus. II 4 : 25.
- m 3:1. IV 3:18.
Verkehr, geselliger. I 5 : 13, 43—60.
Verkehrswesen. I 5:13, 146 - 161 a.
Vernet, H. IV 4 : 159.
- J. III 3 : 6.
Vernijoul, Frau v. IV 9:1.
Veröffentlichungen, amtliche. I 7 : 1—5.
Verse. IV 11 : 29; freie I 9 : 18
Versfüsse. I 9:5—6.
Versuchstheater. IV 5 : 16.
Verwelschung. I 5 : 10, 13.
Vetter, G. II 2 : 3.
Vibration. 11:2.
Vicari, Herm. v. 15: 417.
Vielfeld, J. II 4 : 33.
Viereck, Edwina. IV 11 : 31.
Vierordt, H. IV 1 : 32.
Vigfusson, G. 12:9.
Vigiers, Urs. III 1 : 11.
Vigilius, S. II 4 : 23.
Villers, Ch. de. IV 1 : 236,
Villiuger, Hermine. IV 1:6.
Vilmar, A. F. C. II : 19. IV 1 : 47,
226.
Vischer, F. Th. 13: 35. IV 1 : 209';
3 : 121, 141, 149, 229; 6:146.
- Luise Dorothea. IV 10 : 8.
Visionen, Die des Quevedo III 5 : 10.
Visitenkarte. I 5 : 44.
Vives, L. I 6 : 18.
Vliet, J. Tan. III 3 : 5.
Völkerpsychologie. 11:2, 20.
Vogel, 6. A. IV 1 : 196.
- J. IV 9a : 80.
- L. IV 1 : 241. .
Voigt, C. G. IV 9b: 11/2.
- G. II 1 : 6.
Voigtländer. Q. UI 2 : 3.
Voiture, Vinc. III 2 : 25.
Volkmann, R. v. IV 1 : 64.
Volksbücher. I 5 : 84. II 3:4—6, 24—39.
m 3 : 5, 10. IV 9d : 13.
Volksbühnen. IV 1:34; 5:17, 21/2;
Laufen IV 4 : 189; Wien IV 4 : 36,
164/8, 189.
Volkscharakter. I 5:13.
Volksdichtung. Frankfurt IV 4:24a;
Elsass IV 4 : 23/4.
Volk.serziehung. III 5 : 13.
Volksfeste. 1 5:448.
Volkskunde. I 2 : 41 ; 5 : 180—281.
Volkslied. I 1 : 38; 2 : 24; 3 : 4; 5: 93.
II 2:26—38; historisches II 1:6;
3 : 43 ; schweizer III 2 : 5.
— von Doktor Faust. III 4 : 31.
Volkslitteratur. I 5:446/7; religiöse
II 7 : 30.
Volksmärchen. IV 1 : 82; s. auch
Märchen.
Volksredner. III 5 : 6.
Volkspädagogik. I 5 : 434-48.
Volksschauspiele. III 3:5; 4 : 27;
Jena IV 4: 183; Worms IV 4 : 187/8.
Volksschriftsteller. UI 5 : 12/6.
Volkssehulwesen. I 6 : 41, 62, 120
, 180/1. III 1 : 11.
Volkstum, ni 3 : 3; 5 : 6. IV 5 : 26/9.
Volkswahl. IE 5 : 19.
Vollmer, W. IV 10 : 138.
Voltaire, F. M. A. de. IV 1 : 84/5, 91,
236; 3 : 233; 7 : 13/4, 27, 60; 9e: 70/1;
10:117.
Von der Welt Untreue. II 3 : 14.
Voss, J. H. 13: 130a; 9:4. IV 1 :203,
232/3, 235; 3:42/4; 4:24; 6:143;
9e : 39.
— R. IV 1:17.
— Jul. v. I 6 : 459.
Vossische Zeitung. IV 7:1.
Vulpins, Ch. A. II 4 : 28. . IV 9e : 7.
— Christian^. IV9e:28; 10:26; s.
auch Goethe, Chrisiiane v.
Wachenhusen, H. IV 1 : 189.
Wackenroder, H. IV 11 :32.
Wackernagel, W. I. 1 : 27.
— Ph. IV 1 : 179.
Waffenschmiede. I 5 : 121.
Wagemann, J. II 7 : 6.
Wagenmann. II 1 : 7.
Wagner, B. A. IV 7 : 1.
— H. L. IV 4: 19-20; 9b.: 97;
10 : 117. ;
— Rieh. I 1 :,61 ^ 3 : 27, 130, 208/9,
211 ; 5 : 419. IV 1 : 64, 179, 182, 189,
191; ,4;: 163, 217—27; 6 : 82/8;
10:117; 11 :31.
— Famulus. III 3 : 5.
Wagnergemeinde. IV 5 : 19.
Wahl, Philologe. IV 11 : 15.
Wahrheit. III 5 : 19.
Wahrscheinlichkeit. III 5 : 19.
Waiblinger, W. IV 1 : 212,218; 11 : 82/3.
Waldeck, Graf Wolrad II v. IV 10 : 39.
Waidenburg. I 6 : 97.
Waldis, B. ni:2; 2:3; 4:14, 29,
38. ;
Waldstätten, Hayeck V. in:5:7.
Waldvogel, P. 14: 8—9.
Walesrode. IV 1 : 20^
Wallner, F. IV 1 : 189.
Walloth, W. IV 3 : 238.
Walter, Ferd. I 5 : 425.
— Gerh. IV 3 : 121..
— Garteninspektor. IV 10 : 13.
— Oekonom. IV 7 : 8.
Waltershausen. I 6 : 78.
Walther, W. U 6 : 21.
Wandertruppen. III 4 : 16.
Wandsbecker Bote. IV 7 : 12.
Wanger. II 7 : 34/5.
Warburg. I 6 : 87.
Warendorf. I 6 : 108.
Warow (Pommern). I 6 : 103.
Waser, J. H. 15: 376. IV 3 : 30.
Wasungen. I 6 : 71.
267
Sachregifiter.
Weber, C. J. IV 1 : 184.
— C. M. V. IV 4 : 208, 223; 9« ; 34.
— F. W. IV 1 : 17.
— IV 3: 170/2.
— G. IV 1 : 190.
— W. E. 16: 413. IV ß : 172.
— Schauspielerin. IV «b: 8/9
Weckherlin. Elisabeth. III 2 : 13.
— a. H. III 2 : 13.
Weddo, J. IV 6 ; 105 e.
Wodekiiid, F. IV 1 ; 24/5.
Weichmann, Ch. F. III 6 : 29.
Weidmann, M. G. 14: 184.
— F, C. IV 4 : 35.
— V. IV 4 : 35.
Weidner, A. III 4 : 24.
— J. ». 16: 176.
Weihnachtsfost. 16:61,203.205.
Weilen, J. t. IV 1 : 196.
Weimar. I 6 : 29, 76, 106. IV 1 : 164,
239.
Weinmann, Rektor. IV 1 : 69.
Weinsberg, H. 16: 23.
Weise, Ch. III 2 : 3.
Weisen, d. sieben. III 6 : 13.
Weishaupt, A. IV 1 : 56.
Weiskern, F. W. IV 4 : 37.
Weiss, C. IV 4 : 189.
Weisse, Ch. F. IV I : 232; 7 : 27;
8:4.
— M. II 2 : 3.
Weisser, F. Ch. IV 11 : 69-70.
Weissflog, Ch. IV 3 : 64,
Weisskunig. II 3 : 42.
WeistUmer. I 2 : 10.
Weitling, W. IV 6 : 92.
Welcker, F. G. IV 1 : 203.
Weltanschauung d. Dichters. I 1 : 24.
Welten, 0. IV 1 : 37.
Weltgeschichte, Sammlung Neuer nnd
MerckwUrdiger. III 3 : 8.
Weltkarte, Ebstorfer. I 6 : 87.
Weltlitteraturgeschichte. I 1 : 27.
Weltverbesserung. III 5 : 13.
Wendung, Dr. (Opemtextdichter). IV
I : 198.
Wenzel v. Olmtttz (Meister W.). II
7 : 39.
— Regierungsrat (Dresden). IV 9e:12.
Wenzelburger. II 1 : 5.
Werder, K. IV 1 : 198; 7 : 75; 10 : 87
II : 31.
WerldtsprOke, SchOne künstliche. II
3 : 14.
Werlhof, P. G. IV 7 : 33.
Werner, E. IV 1 : 17,
-KM. I 3 : 31, 37/8, 94.
— Each. IV 1 : 29, 05, 236.
Wernick, F. I 5 : 412.
Wemicke, Ch. III 5 : 24.
Wernigerode. I 6 : 67/8.
Werthortum. IV 1 : 59.
Werthes, F. A. C. IV 4 : 106; 10: 117.
Westarp, A. Graf t. IV 1 : 102.
Westenrieder, L. t. IV 9 e : 30.
Westfalen. I 0 : 107, 123.
Wette, de. IV 1 : 47.
Wetterau. III 5:2.
Wetterkunde. I 5 : 276/9.
Wetz, W. II: 1. 19-20.
Wewerka, Helene. IV 6 : 38.
Wichort, E. IV 1 : 17; 4: 140/3.
Wichmann, H. IV 1 : 258—63.
Wickram. G. H 4: 11, 25
Widman, G. R. II 3 : 32.
Widmann, J. V. IV 4 : 139.
Wiedemann, Superintendent. III 3 : 8.
Wiedererrungene Freiheit, d. III 4 : 2.
Wiederholung, Figur d. IV 9c: 15.
Wiednwilt s. Wigalois.
Wielaud, Ch. M. I 1 : 27, 49; 4 : 6.
IV 1 : 184, 232/6; 3:11, 18, 29—
32, 141 ; 4 : 6, 34, 193, 208 ; 6:28; 7:
18; 10: 11, 29, 117; 11:49, 84.
Wien. I 5 : 260, ae9/«b: 6 : 110. IV
I :62, 179, 241; S : S22/A.
Wienbarg, L. IV II: 78,
WiMbadeo. I 6 : 86/7.
Wigslois. III 8 : e.
WiUmowitx - MOllendorr. I > IV
Ue : 86.
Witbrandt, A. IV 1 : 17, S09; 4 : 168;
II :89, 48.
Wilekens, M. A. III 6 : 17.
- N. III 6 : 29.
Wild, 8. II 4 : 31.
Wildenbruch, E. r. I I:«l: 8:180.
IV 1 : 17, 32, 111: 4: 131, 144/6;
10 : 107.
WildenfeU, Anark Herr cn. III 2 : 3«.
Wildermuth, Ottilie. IV 3: 112.
Wilhelm I., deutscher Kalter. IV 1:56,
96/6; 3: 126.
- II., deutscher Kaiser. II 1 : 16.
IV 1 : 98-100.
Wilhelmsburg a. Kilderpolemlk.
Wilkins. IV 11 : 13.
Willamow, J. G. 19: 18.
Wille, F. IV 12 : 37.
Willisen, t. IV 11:81.
Wilmanns, W. IV 9e : 35.
Wimpheling, J. 14:11. III 6 : 10.
Winckelmann, J. J. 13:7. IV 1 :
220, 238, 252; 3: 32; 6 : 1 ; 7 : 62.
Windischmann. IV 11 : 13.
Winter. J. HI 4 : 27.
Winterthur. IV 3 : 30.
Wirfl, M. III 6 : 6.
Wirschung, tJ. U 4 : 28.
Wirtembergias. DI 3 : 1.
Wirth, L. U 4 : 1—2.
Wirtschaftsgeschichte. I 5 : 103/7b.
ü 1 : 4.
WiiUhans. I 6 : 16, 62«, 63, 326.
Wismar. I 6 : 102.
Wissenschaft, D. d. 15/6. Jb. U 1 :
21|2.
Wissenschaftlichkeit der Geschichte.
I 1:2, 6; der Kritik 11:2, 6-8,
11, 16/6.
Witte, C. rv 1 : 196.
Witteisbacher, d. I 6 : 10.
Wittenberg. 1 6 : 70.
Wittenweiler, H. n 8 : 2, 3.
Witz. III 6 : 6.
Witzendorir, Sophie t. IV 11 :84.
Witzleben, H. O. t. IV 9b : 11/2.
Wobersnow, General t. IV 1 : 78.
Wochenblatt, Leipziger fUr Kinder.
UI 3:6.
WoohenkomOdi<it. III 4 : 2.
Wochenschriften I 6 : 308; moraliscbe
IV 1 : 1.
WOehenUiche Post III 1 20.
Wöllner, J. Ch. t. IY 1 : »2.
WOrterbacher. I 2 : 4, 9, 12, 29. 36;
8 : 1, 40/7, 66/7. III 5 : 10.
WohlbrOck, W. A. IV 3 : 49.
Wohlmeinender Discnrs, warum die
Römisch - Katholischen eich too
Spaniern und Jesuiten absondern
sollen. 117: 34/5.
Wohnung. I 6 : 11/6, 30, 108-18, 131.
Wolf. F. A. 12: 14/6. IV 1 : 240-. »e
: 61; 11 :86.
Wolfart. K. IV 11 : 89.
WolfenbUttel. I 6 : 106.
Wolff, Ch. 1116:7. IV 1 : 8».
- Eng. I 1 :24; 3: 89-91, 95.
- J. IV 1 : 17.
- P. A. IV 9e : 73.
- Tb. IV 3 : 7.
Wolfradt, Ant 16: 119.
Wolfram s. F. Merlow.
Wolfsohn, W. rv 1 : 184; 3 : 125; 4 :
128.
Wolter. Cherlotte. IT 1 : 189, 19«.
Woliogen, A. T. IY 10 : 29.
- Carolina r. IV 1 : 821.
- E. ». IV 3 : 229.
- H. r. IV 3 : 196.
Werbie. I 6 : 107.
Worau. I 0 : 149.
Wort, D. Isaere. III 5 : 4.
Wortbetennng, Naa4««t««be. 19:4.
Woribildang. I 8 : 1, tt, 47.
Wortniis«. 19:5-6.
Woriecbets. 1 1 : 2. 20| 8 : 25/6. 40-
55, «0/7.
worden. I 5 : 828.
Waneebelrvt«. I 5 : 220.
WBrttemberg. I 5 : 170, 868. III 3 : I.
IV II: «9-70.
Wallenwerer, J. n 7 s ««.
Wnnder, B. I « : 194.
WnndergaeebiebUB. 11 11
Wunderhoni, Des Kuben. IV 3 : 15;
11 :54, 5«.
Wondt, W. 11:2; 8: «2/8. fYl:2t
0:3«.
Waetmann, O. IT « : 296.
Wnttke. H. IV I : 179.
Wycheriey. W. IV 7 : 27.
Xenopbon. IY 8 : S2; 7 : 27
York- Wartenbarg, H. D l i »r IT
11 :81.
Tsengrimas. II 8 : 12.
Trer, P. III 3 : 8.
Znehtfil, F. W. IY 3 : 18.
Zahlen. I 5 : 298.
Zniner, G. I 4 : 106.
Zang. IV 1 : 179, 189.
Zameke. E. III 3:4.
-F. I 2:36/40. IV 1:223: 9e :8a.
Zauberer. III 8 : 8.
Zanbermittel. III 8 : 8.
Zedier, J. H. I 4 : 108.
Zedliti, J. Cb. Frhr. t. IV 1 : «.
Zeglin, J. O. IV 3 : 126.
Zehden, C. IV 7 : 27.
Zeichnung. III 3 : 6.
Zeitlieher Einflnss. I I : «—8, 20.
ZeiUehriften. III 5 : 19.
Zeiteebriftenregiiter. 14:604.
Zeitungen. I 4 : 49-50; 5 : 84. II 1:1.
IV 1 : 65, 58, 61/2, 92/3. 16«, 173.
179, 19«, 22«: Angabnrg IV II : 49:
Hambarg IY 1 : 56/7 : Baaaovw IT
11:6: Scbletien III l;20; Zliiek
I 4 : 49.
Zeitangeceuor. III 1 : 20.
Zeitangsprivileg. III I : 20.
Zeiüerse. Ol 6 : 27 8.
Zellweger. III 6 : 18/9.
Zelter. K. F. IY 9e : 113.
- H. IY 1 : 29.
Zeltaer, A. III I : II.
Zerbet I « : 169.
Zemin, O. IY 3: 18«.
Zeeea, Pb. lU 2 : 3, 67; 5 : 24 5.
Zettel, K. IY 1 : 32.
ZengnisM, QleiebtelUg«. I 1 : 27
Ziegler, C. III 2 : 70.
- E. IY 3 : 225w
Ziegra. Cb. in 5 : 29.
ZieasMn. L. IY I : 17.
Zieeenis. J. O. IY 1 : 79,
ZiamenuBn, J. G. 14:5. IY 1 :
234 f«.
ZiBgerie. J. T. I 2 : 27.
Zingg. E. m 1 : 11.
Ziakgref; W. J. II 3 : M. UI 2 : 14.
Zintendorf. N. L. Graf t. UI 2:30:
6:2-3,
Zöllner. Pb. IV 5 : 5«.
Zola, E. I 3 : 52. 86, 115, 187. 197.
224. 248, 250. IY l:86f7; 8:1.
226; 5; 72.
Sachregister.
268
Zolling, Th. IV 1 : 17; 3:224.
Zollkrieg. III 5 : 20.
Zschokke, H. H 7 : 30. III 1:11. IV
1 :226, 235; 3:51/5, 64; 6: 38.
Zncker. I 5 : 295 a.
ZUrich. I 5 : 376; 6 : 28. IV 3 : 29-30.
Znnz, L. IV 12 : 13.
Zupitza, J. 12: 28.
Zuschauer, Pariser. IV 1 : 58.
Zwerge. III 3 : 3,
Zwick, J. II 1 : 6.
Zwickau. I 6 : 65. II 2 : 3.
Zwingli, U. III : 7— 8 ; 2 : 18; 7 : 83/4
Zwischenvorhang. IV 5 : 4—10,
Zjrl, Ch. II 4 : 36.
Verlegerregister*)
Ackermann, Th.-MOnchen. I 3 : 276.
Ahn, A.-Köln. IV 9a : 69; 9b : 72;
9e : 56.
Albert, Dr. E. & Co.-MUncheu. IV 5 :
13.
Albrechts Selbstyerlag-Hamburg. IV
7 : 27.
Almquist & Wiksell-Upsala. I 4 : 63.
Amelangs Verlag. C F. -Leipzig. IV 11 : 10.
Andreae & Cie. Ruhroirt. 5 : 263.
Anstalt, Litter. -Frankfurt a. M. IV 9a :
2, 125; 9c : 11.
Appelhans & Pfenningstorff- Braun-
schweig. I 5 : 333; 6 : 58. HI
4 : 10.
AschendorifscheBuchhdl.-MOnster i. W.
IV 1 : 233; 9a : 61.
Asher & Cie.-Berlin. I 5 : 180.
Attinger, Fröres-Neuchätel. IV 3 :
63, 65.
Augustin-Glttckstadt. I 6 : 191.
Bachern, J. P. -Köln. IV 11 : 26a;
12 : 4.
Bachs Verlag, J. G.-Leipzig. I 5 :
124.
Bacmeisters Verl.- Erfurt. IV 4 : 191.
Baedeker, T. D.-Essen. II 4 : 17.
— Verl., Jul.-Leipzig. I 5 : 424. IV
6 : 225.
Baer, J. & Cie. -Frankfurt a. M. 14:
86.
Bagel, F.-Düsseldorf. I 3 : 86, 153/4.
Baldamus, E. - Leipzig. II 4 : 11 IV
I : 12.
Ballhom, C.-Nürnberg. II 4 : 21.
Bamberg, L.-Greifswald, I 5 : 231.
Barth, B.-Aaohen. I 4 : 84.
— J. A. - Leipzig. II 7 : 37.
Bartholomäus, F. - Erfurt. I 4 : 93.
Bassermann, F. - München. IV 6 :
227.
Bath, A. - Berlin. I 5 : 286a.
Battezzati, Sncc. - Mailand. IV 10:35;
II : 20.
Bauch, K. - Gera. I 1 : 61.
Banmanns VerlagsbnchhdI., P. -Dessau.
I 1 : 44; 7 : 98.
Baumert & Ronge - Grossenhain. I
6 : 158.
Beohtold & Cie., R. - Wiesbaden. I
6 : 286.
Beok8cheVerlag8buchh.,C.H.-M0nchen.
I 6 : 83. IV 1 : 80, 226; 6 : 121/2.
Bohrend, E. - Gotha. I 6 : 40, 63.
Behres Verl., E. - Mitau. I 3 : 277.
Behrs Verl., B. - Berlin. IV 6 : 163.
Belin frerea - Paris. IV 7 : 43 ; 9b :
29.
Belserscher Verl. u. Druckerei, Ch. -
Stuttgart. IV 9a : 107.
Bensinger, S. - Wien. IV 4 : 97.
Benziger & Co. - Einsiedeln. 18:5.
Bergmann, J. F. - Wiesbaden. 16:9;
6 : 9. III 1:9. IV 1 : 166.
Wien. IV 4 : 162.
Bertelsmann, C. - Gütersloh. I 3 : 57.
n 6 : 29. III 2 : 36. IV 9d : 12.
Bertling, R. - Dresden. IV 4 : 206.
Beyer & Söhne, H. - Langensalza. I
6 : 33/4. IV 6 : 83.
Bideri - Neapel. IV 10 : 59.
Biedermann, F. W. v. - Leipzig. I 5 :
19; 8 : 27. IV 6 : 223; 9a : 34;
9h : 22.
Blenk & Cie. - Kaiserslautem. I 5 :
178.
Blumenthals Selbstverl., H. - Iglau. I
4 : 147.
Boas, M. - Leipzig. IV 6 : 68.
Bock & Co. - New-York. IV 12 : 23.
Bodo - Grimma. I 6 : 180.
Böhlan, H. - Weimar, n 6 : 1. IV 1:
164; 9a : 67, 110, 118; 9b : 1-2;
9c : 9; 9e : 2, 11/2, 81, 37a, 59a,
73/4.
Böhm - Zittau. I 5 : 341a.
Bondes Verl., C. - Altenburg. I 4 :
90; 5 : 383; 6 : 168.
Bong, R. & Co. - Berlin. IV 9d : 5.
Bonifacius - Druckerei - Paderborn. I
5 : 2.39d.
Bonz, A. & Comp. - Stuttgart. IV 3 :
182; 4 : 164.
Borchers - Lübeck. I 5 : 160. III 5 : 29.
Borgmeyor, F. - Hildesheim. II 3 : 43.
Boumann, A. - Leipzig. I 5 : 453.
Boysen, C. - Hamburg. I 5 : 322.
Brachvogel & Ranft. - Beriin. IV 9h :
101.
Brandstetter, F. - Leipzig. I 7 : 64.
BraumUller, W. - Wien. IV 10 : 73.
Braun, C. - Leipzig. (Bh. d. Ev.
Bundes.) H 7 : 11.
Braun & Schneider - Mttnchen. I 5 :
123.
Bredt, H., Verl. - Leipzig. I 7 : 65.
Breitkopf & Htlrtel - Leipzig. I 4:150;
6 : 98, 433. H 2 39. UI 2 : 3.
rV 1 : 198, 219—21, 223; 4 : 226
6 : 113/4, 224.
Brockhaus, F. A. - Leipzig. I 3 : 21/3;
4 : 54. IV 1 : 173; 4 : 103; 5:
87; 6 : 59, 62/7, 69—73, 93, 197.
Bruekmannsehe Buchdr. - München.
HI 5 : 10.
Brügel & Sohn - Ansbach. 17:3.
Brunneraann, M. & Co. - Cassel. II
6 : 62.
Buchdr., Kunst- u. Verlagsanstalt,
Schles., vorm. S, Schottlaender -
Breslau. I 5 : 15-
— d. Stephansstiftes - Hannover. I
1 : 41.
Buchh. d. deutschen Lehrerzeitung,
F. Zillessen - Berlin. III 1 : 6.
— d. Diakonissenaustalt - Kaisers-
werth. II 6 : 36.
— d. Evang. Bundes - Leipzig. II 6:
48, 87/&
— d. Gossnerschen Mission - Berlin.
I 5 : 423.
— d. Waisenhauses - Halle a. S. I
3 : 39; 6: 10, 337; 7 : 42. II 6 : 4.
IV 6 : 6.
Buchholz & Werner - München. I 3
140. IV 3 : 2.
Büchners Verl., C. C. - Bamberg. I 5:
361; 6 : 120. IV 1 : 244; 4 :
223/4,
Bureau, Bibliogr. - Berlin. IV 7 I 52.
Busch Naehf., J. - Bietigheim. III
5 : 4.
Butter -Komotau. I 6 : 196.
Calvary & Cie., S. - Berlin. I 5 : 292.
IV 1 : 264; 6 : 145/6.
Cercle de la librairie - Paris. 14:8.
Chamerot - Paris. I 8 : 61.
Champion - Paris. I 5 : 166.
Charpentier - Paris. IV 11 : 3.
Christophorus - Verl. - FUrstenwalde.
II 7 : 27.
Clarendon Press - Oxford. I 1 : 46. IV
1 : 68; 9e : 45a; 10 : 39a.
Clary & Co. - Chicago. IV 9d : 18.
Cohn, Alb. - Berlin. 14:5.
Conrad, F. - Leipzig. IV 5 : 69.
Costenoble, H. - Jena. I 8 : 69 ; 5 :
212. IV 8 : 102; 4 : 120; 12 : 42.
Cottasche Bnohh. Nachf., J. G. - Stutt-
gart. I 3 : 259; 5 : 97, 418, 430;
7 : 46. III 1: 1-2. IV 1 : 21/3,
70, 179, 193; 4 : 98, 171/2. 181; 6 :
87, 137; 7 : 6; 9a : 121; 10 : 9.
*) Von der 0. J. GSschen'soben Verlagahandlang in Stuttgart hergestellt
269
Verlegerregister.
Cramer Verl., O. - Hamburg. I 6 :
182.
Crone A Martinot- Hamburg. IV 3 : 47.
Cruel 8UCC. - Paria. I 4 : 166.
Gruses Buchh., B. F. - Hannover. 1
4 : 62, SC.
Daberkow, C.-MTien. IV 4 : 197.
Dabis, H. - RndoliUdt. IV 10 : 03.
Damm, 0. - Dresden. I 5 : 445. IV 4 :
206.
Decker, W. & Co. - Posen. II 7 : 57.
Deichertscbo Buebh. Nauhf. A. (0,
Bobine) - Leipzig. I 1 : 32.
Delagrave, Ch. - PtriK. I 1 : 38. IV
9b : 28; 10 : 122.
Delaluiii - Paris. I 4 : 105.
Dontiike, F. - Wien. IV 6 : l'O.
Diesterweg, M. - Frankfurt a. M. I
6 : 38a, 60; 7 : 81.
Dieter, U. - SaUburg. 1 5 : 414; C :
115. IV 4 : 20t.
Diotericliscbe Univ.- Buchh. - GOltingen.
I 6 : Ol. IV G : 226r.
Dittmann - Biomberg. I 4 : 91.
Doeberoiner Nachf., C. - Jena. I 6 :
l.'>4.
Dörft'Iiiig & Franke - Leipzig. I 5 :
428 ; C : 38c. IV 1 : 225.
Dörling, F. Verl. - Hamburg. I 6 : 324.
DomiHicu«, H. - Prag. 19:3. IV 1 :
27; 4 : 93.
Drechsler - Troppau. 1 8 : 16.
ürowit» Nachf., 0. - Berlin. I 5 : 446.
Druckeroi Glö.s8-Dresden. I 5 : 436a.
IV 1 : 109-10, 113.
Dlims, W. Verl. - Wesel. IV 3 : 66/9.
Dürr.-« ho Buchh. - Leipzig. I 6 : 194 ;
7 : 15.
Du Mont-Sehauberg, M. - Köln. 14:
51a; 7 : 74|.5.
Duncker, A. - Berlin. IV 1 : 78.
Duncker & Humblot - Leipzig. I 5 :
343, 425; G : 125, 181. IV 1 : 98,
212; 6 : 132.
Eberloin-Pirna. IV 7:8.
Eckardt, K. Selbstv.-Prag. I 5 : 372.
Eckslein Nachf., R.-Berlin. IV 1 : 163.
Ehlerinann, L.-Dresden. IV 1 : 1 ; 4 : 58,
176; 6:1; 7:15; 8:1-2; 9b : 39.
Ehrhardts Univ. - Buchh., O.-Marburg.
I 5: 2G9. IV 1:71.
Ellscher Nachf., B. -Leipzig. III 2 : 32.
Elwertsehe Vorlagsbucbh., N. G.-Mar-
burg. II 4:25. III 4 : 9. IV 3 : 1 ;
9o : 14, 25.
Eogelhardtsche Buchh., J. G. -Frei-
berg i;S. IV 10 : 130.
Engelhorn, J.-Stuttgart. I 5 : 11.
Engolmann, W.-Leipiig. IV 1:3.
Ensslin & Laiblins Verlagsbuchh.-Eeut-
lingcn. IV 3:60|1.
Enz & Rudolph- Frankfurt a. M. 16: 80.
IV 9a :85a.
Ernst & Sohn, W.-Berlin. I 6 : 152.
IV 9e:82.
Feyol, A.-Ueberlingen. I 6:214.
Findel, J. G.-Leipzig. IV 9e:81.
Fink, V.-Linz. II 7:58.
Firmin-Didot- Paria. I 5:295b.
Fischer. G.-Jena. I 1 : 31 ; 4 : 65. 104;
5:2.
- J..jnlieh. I 6 : 195.
Fisber-Union-London. I 1 : 14.
Flomming, C.-Glogau. IV 1 : 190
Floitgraf, J.-Wegberg. I 3 : 43.
Fock, G.-Leipzig. I 1 : 60; 3 : 128:
4-55; 5:43, 99. II 2:23; 6:24. IV
3:49; 4:106; 6:2. 38a, 41. 60,
67-78,210; 9a :78a; 12:5, 32.
Foesser Nachf., A.-Frankfuxt a M. H
1 : 15.
Font«)* * Gl«. F.-B«rlin. I 6:427.
IV 1:200, 962; 8:67, 226; 4:43.
Frank»ut«in * Wagner • L«ipti(. I
5: 181.
Frankes Bnehb., J. - Hnbeliekwerdt.
16:7.
Franklingeaellichafl - Bmdapeat. IV
9e : 69.
Freund, L.-BresUa. 16:49. IV 7:89.
Frejtag, O.-Leiptl«. I 6 : 16; 7 : 76.
Fried t Gie., A. H.-Berlin. I 6 : 414.
IV 6 : 79.
Friedberg A Mode-Berlin. IT 4 : 99.
Friedrich. W.-Leipxig. I 3 : 80, 131,
234, 2G9; 6 : 80. III 4 : 1. IV 8:280,
283, 286/8; 6: 167; 7:31.
Fritach, C.-Mtlnchen. I 8 : 29.
- Th.-Leiptlg. I 5 : 177.
Fritzsch, E. W.-Leipiig. IV 4 : 221 ;
5 :88.
Froromannsrhe Buchd.-Jena. I 2:3.
III 2 : 1.
Frotscher. E.-Arnstadt. I 5:845; 6: 183.
Fnes. F.-Tobingen. IV 10 : 104.
Gaertners Verl., B.- Berlin. I 6:18.
101, 420; 7:8. 77; 8:39; 9:6.
IV 1 :67; 3:42; 6:134; Oe : 88;
11 : 72.
Schneeberg. 14:2; 6:209.
Garnier fr^res-Pari*. IV 9e : 67.
Geering. A.-BaseL IV 1:236: 9a: 64.
Geissler. F.-Leipzig. I 6 : 426.
Gensei, G.-Grirama. I 8 : 36.
Georgi-Bonn. I 6 : 184.
Gerolds Sohn. C.-Wien. I 4 : 60.
Oersrhel-Strassburg. I 4 : 36.
Gerstraanns Verl.. S.-Berlin. IV 1 : 118.
GeseniuB. H. -Halle IV :2 : la
Gilhofer & Kanschburg-WIen. 16:178.
3«!t.
Girond-Nakel. I 6 : 99.
GOschensche Verlagih. 0. J.-Stuttgart.
I 7 : 40, 44. lU 3 : 6. IV 6 : 162 ;
7 :l-5; 9e : 5.
Goldscbmidt, E.- Berlin. 16:53.
Goldstein. G.-Drosden. IV 10 : 15.
Oottlieb» Verl.. M.-Wien. 15:172.
Gräfe & Sillem-Hamburg. I 6 : 323;
6:127.
Oraeser, G„ Verlagsbuehh.- Wien. I
7:46/8, 97. LV 1:6; 7:42; 10:70.
Greiner & Pfeiffer-Stuttgart. II 6 : 26;
7:43. IV 1:9; 9c : 8.
— a Cngehener-Ludwigsburg. II 6 : 37.
Grerel 6 Gie. H. London. I 4 : 33.
Gronau, W -Berlin. IV 4 : 134. .
Groos. Ch. Th.- Karlsruhe. I 4 : 76.
in 5 : 1.
Grotesche Verlagsbuchb., O.-Berlin. III
1:3. IV 1 :66/6; 9a : 120; 10:32.
Gtuenaueracbe Buobd.-Bromberg. IT
9a : 65.
Orüning. H.-Hamburg. IV 6 : 205c.
Grunow, F. W.-Leipzig. I 5 : 449;
6 : 41 : 8 : .-59. II 7 : 10. III 4 : 28.
IV 4:128; 6:226; 9e : 100.
Outhe-Bremen. I 5 : 89. IV 9e : 85.
Outsmann- Breslao. I 6:220
Haaek, A.-Berlin. IV 7 : 41, 71.
Haase, A.-Prag. II 1:1: 2:3.
Hacbette * Cle- Paris. I 1:8, 36:
5:40. IV 1 : 78; 7:46; 9b : 8«:
9d:6; 9e:56.
Baerpfers Buchh., F. -Prag. IV 4 : 50.
Haessel, H.-Leipzig. IV 3 : 143; 6 : 62.
Hagensche Hofbuebdr. t. B*den-Baden.
I 5 : 226. III 3 : 3.
Hahnsehe Buchh.-Hanncver. 1 5 : 87,
415. III 1 : 25.
Handelsdr., MOnchener, und VerUgs-
anslalt M. Poecal-M Bncben. I 3 : 83.
Handeiu Verl., P.-Bobb- I 6 : 183.
Härder. J.-All«na. I 6 : tt5-
Bariek. A.-Allenateia. I 6:4»1.
HarrMeowiix. ü.-Leiptlff. I 4 : t5, 88.
7»,
BarUekM. A.-Wiea. 14:6. IV 8: 186.
181.
Uart«BffeA*Terhg^r*K6ni«aberg L P.
I 6 : 196. nr « : 137a.
Uaasetbrink. E -Kt. Gallen. IV 8: 14«.
Haude k Spener-Beriin. I 7:61. IV
7:61.
Haynel. W.-Imdea. IV 4 : 166.
lleWthBostoo. IV 7:47: 10:86.
Hnckenasis Nachf.. O. (B. Dn4tl«f)>
Pressbur.'. IV 10 : 127; 12 ; 40.
Heidemann Herford. 1 3:10. iV 7:40
Heinrirh. W.-Straaebmrg LB. I 4:78
Heinriebshufene VerL-Mafdeborg. I
5:316. II 7:7.
Heinsiua Nachf.. lf.>Br«mea. I 6 : 216.
UoinxM. P. VarL-Draadea. 13:46.
Heitx. J. H. E. - Straatbarg L E. I
1:20; 6:186.366/6: 6:16«. IV 4:
23. II 7 : 69, 70. 73/6.
Halmirb«, A. Baehh -Bielefeld. IV I :
8, 14.
Hendel. 0. - Hall*. II 6: 14/8a:
IV 6:68b: 11:6«.
Hennig, P. * Co.-B^riio. IV • : 186.
Herbig. F. A.-Beriin. I 7 : 90/1.
Herdersche Verlagah.-Preibarg i. B. I
6 :30, 76, 103. 164. 417. 486; « : 2S.
U 1 : 10/2; 7 : 60. Dl 2 : 881 IV
«:88.
Ueroldache Bnrhh.-Hsaibarg. I 6 : 886.
Hertz, W. (Beaserache Baehh )-B«riia.
I 1 :27; 7 : 1-2. IV I : 106, 168
3 : 140; 6 : 133; 9c : 19a; 9* : 44. 71.
10: 117; 11 :69.
Beaaea. M. VerL-Uipiig. I 6 : 296*.
Hefsling * Spiebaeyer-BarUa. IV 6 :
13*.
Heaaera, J. H. Veri.-Nenwied. I 6 :
364. IV 1 : 159.
Uinrichsacbe Bnckk., i. a-L«ip>ig. I
4:53*-*.
- Ho fbuehh.- Detmold. I 6 : 339.
Hinstorffi Verl., C. Danzig. IV 1:231.
Hirachfeld. C. L.-Leipsig. I 6:434:
6: 153.
Hirt, F.-BreaUu. I 6 : 101*.
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HotUagen SehriflenTerL, D. B.-Stnaa-
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Habet« V*rL, J. - FfaaaafaU. H 4:
18/4. m 6: 18, 86. IV 3:29; •:
28. 12«, 167a, 219: 9a : 62: 10 : 110.
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Karras Veri., E. - Halle a. S. I 8 : 44.
Kaufmann, J. - Frankfurt a. M. IV
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Kay, Th. - Kassel. I 7 : 66.
Keils, E. Naehf. - Leipzig. IV 3 : 127 ,
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Kell - Weissenfeis. 14:98.
Keller, H.- Frankfurt a M. 14:37.
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Kerber, H. - Salzburg. IV 4 : 199.
Keins Verl., J. U. - Breslau. IV 6:
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Kesselriugsche Hofbuchh., Verl. -Leip-
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Kiesler, C. - Würzen. 1 7:87.
Kirchheim, F. - Mainz. II 6 : 38.
Kittel, P. - Berlin. IV 1 : 120.
Klaunig, G. - Cassel. I 5 : 348.
Klincksieck, C. - Paris. IV 3:1.
Klinkhardt, J. - Leipzig. 16:3. IV
4:179.
Kloss, C. - Hamburg. I 6 : 112.
Kluges Verl., F. - Reval. I 5 : 421.
Knauer, Gebr. - Frankfurt a. M. IV 9 a :
22, 58.
Knoll & Wölbling - Berlin. II 4 : 33.
Koch, W. - Königsberg i. P. I 4:56 a.
Koebner, W. - Breslau. I 3 : 35. III
4:31.
Köhler - Wien. I 4 : 47.
Kohlhammer, W. - Stuttgart. I 4 : 77 ;
5 : 380. IV 5 : 52, 75.
Konegen, K. - Wien. 13:63; 4:148.
IV 4:113, 166; 9.c:13; 9d:16; 9e:
40, 63, 78. '
Krabbe, C. - Stuttgart. IV 3:133; 9b:
34: 10: 7.
Kreuschraer, G. - Bunzlau. II 6 : 23 a.
Kupferberg, F. - Mainz. II 6 : 54.
Kümmels Verl., N.-Riga. I 5:377.
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Leibold - Ettenheim. I 6 : 188.
Leiner, 0. - Leipzig. I 6 : 193.
Le Monniers Nachf.-Florenz. IV 9d : 7;
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Leuschner &Lnbensky - Graz. I 3 : 40/2.
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Lindners Buchh. Antiq. - Strassburg.
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Lintzsche Buchh., F. - Trier. 14:1.
Lipperheide, F. - Berlin. I 5 : 122.
Lipsius & Tischer - Kiel. I 3 : 130a,
184, 187; 5:431. IV 1 : 203; 3: 121;
4 : 138.
Löseher & Cie. - Rom. I 3 : 58.
Loescher & Seeber - Florenz. IV 9e : 34.
Loewe, F. - Stuttgart. IV 1 : 13; 3 : 62.
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9b : 42.
Lucas, F. - Elberfeld. I 6 : 18.
Luckhardt, F. - Beriin. IV 4 : 135.
Lüdin, Gebr. - Liestal. I 6 : 39.
Lüstenöder, H. - BorUn. 15:8, 290,
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LUtcke & Wulff - Hamburg. I 6 : 118-
Maaschs Verl., C. - Pilsen. I 6 : 206.
Macklotsche Buchh. - Karlsruhe. I
1 : 62 ; 5 : 70b.
Macmillan and Cie. - London. I 3 : 134;
4:56b; 5: 107b. II 6 : 94.
New-York. I 8 : 40. IV 9e : 102;
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Maisonneure J.- Paris. I 3 : 59; 5 : 184.
Manzsche Hofbuchh. - Wien. I 6 : 129.
. II 7 : 19.
Manz & Lange - Hannover-Linden. I
2: 6/7; 5:336; 8:65. IV 6 : 112.
Marietti - Trento. I 4 : 31.
Marowsky, C. - Minden. 16:5.
Mayer & Müller - Berlin. 18:4. IV
6 : 100; 9a: 111; 9e : 83.
Meck, W. - Konstanz. IV 3 : 184.
Meissners Veri , 0. - Hamburg. I 7 : 69
-70.
Metzlersehe Verlagsbuchh., J. B. - Stutt-
gart. I 5 : 145. IV 1 : 230.
Meyer, C. - Hannover. I 5 : 450 ; 6 : 1-2,
13. II 7 : 5.
- sehe Hofbuchh. - Detmold. 14:92.
Michels, H. - Düsseldorf. I 7 : 67.
Minden, H. - Dresden. IV 3 : 132.
Mirau, L6on - Buenos- Ayres. I 1 : 40.
Mittler & Sohn, E. S. - Beriin. I 5 : 316.
IV 1 : 79, 138, 144.
Mohr, J. C. B. - Freiburg i. B. 16: 163.
II 7 : 1. IV 1 : 47; 6: 101a.
- W. - Wiesbaden. I 6 : 26.
Moquet, Vve. - Bordeaux. I 4 : 165.
Mühlmanns Veri., R. - Halle a. S. 1 3 :44:
7:88.
Müller, A. - Danzig. 15:4.
- C. E. - Bremen. II 7 : 40.
- G. W. F. - Beriin. I 1 : 43; 7 : 98/4.
- H. W. -Berlin. IV IJ: 16.
Münchow, C. V. - Giessen. I 5 : 466.
IV 6 : 38d.
Mutze, 0. - Leipzig. IV 7 : 76.
Naumann, H. J. - Dresden. II 6 : 2.
Neumann, A. - Leipzig. I 5 : 214. IV
1 : 10.
— H. - Erfurt. IV 9e : 46.
Niccolai - Florenz. 11:54. IV 1 : 33;
4:64.
Nicolaische Verlagsb. (R. Stricker)-
Berlin. I 2:13; 4:125; 5:227, 283;
7:43.
Niemeyer, G. W.- Hamburg. I 6:46.
- M. Halle a. S. II 3 : 14, 22; 4 : 40;
6:13, 16, 26, 60, 69-70; 7:32, 35,
47. III 2 : 25 ; 4 : 27.
Nissensohn - Hamburg. I 3 : 133.
Nörten - Hannover. I 3 : 135.
Noirdel, J. - Strassburg i. E. 15: 378.
Nutt, D. - London. I 5 : 186. IV 9c : 31.
Nydegger & Baumgart - Bern. I 5 : 376.
Oehlmann, F. - Dresden. IV 7 : 60.
Oehmigkes Verl., L. - Berlin. I 5 : 308;
«: 173; 7 : 86. IV 4 : 69; 6 : 39;
7 : 34 ; 10 : 94.
Oertel, L. - Hannover. IV 4 : 222.
Oldenbourg, R.-Münehen. I 6 : 14. IV
6 : 135.
Opetz, W. -Leipzig. IV 3 : 12; 10:132.
Ost, L. - Hannover. IV 1:6.
Paetel, Gebr. - Beriin. IV 1:17, 97,
196; 4:125; 6:27.
— H. - Beriin. I 5 : 279.
Pammer - Krems. I 4 : 95.
Percival & Cie. - London. I 1:15.
Perthes, F. A. - Gotha. 12:9; 5 : 96,
320, 353, 429. 116:96; 7:21, 30,
41. IV 6:107; 8:13; 11:28.
Pfau, K. F. - Leipzig. IV 6 : 205.
PfeilstUcker, F. - Beriin. I 5 : 25.
Picard - Paris. I 4 : 42, 101.
Piersons Verl., E -Dresden. I 3:94,
179, 260; 5 : 435. II 6 : 95. IV 4 : 1.
Plön, Nourrit & Co. - Paris. 15: 390.
Pohls Verl., E. - München. I 7:11.
Pont-Saint-Laurent - Paris-Verviers. I
3:60.
Prell Naehf., C. F. - Luzem. I 5 : 373.
Preuss, J. A. - Zürich. I 5 : 53.
Prochaskas Verl., C. - Teschen. IV
3 : 100/1.
Putmans Sons - New-York. I 6 : 17.
IV 9b : 31.
Radetz ki. Gebr. - Berlin. I 5 : 293.
Ramm & Seemann -Leipzig. IV4:100.
Bauert & Rocco - Leipsig. I 5 : 458.
Rauneokers Buchh., A. - Klagenfurt. I
5 : 370.
Reclam, Ph. jan. - Leipzig. I 3 : 20,
65; 5: 314; 6:37; 9 : 2. IV 4:121,
208—10, 213, 227; 6:61; 7:75;
10 : 17, 38.
Begierungsbuchdr. - Stralsund. 16: 213.
Rehtwisch & Seeler - Beriin. I 3 : 233.
Reich, R. - Basel. I 6 : 8a. IV 9a : 92.
ReifF, J. J. - Karisrnhe. IV 1 : 222.
Reimer, G. - Beriin. I 2 : 30. IV,
4 : 108; 6: 124; 11 : 6/7.
Reinecke, A. - Berlin. I 6 : 452.
Reisewitz, A. - Leipzig (jetzt R.
Eiseuschmidt - Berlin.) I 3 : 46.
Reisland, 0. R. - Leipzig. I 6 : 3a.
11 6 : 36. III 1 : 14.
Reiss, P. - Worms I 1 : 24.
Reissner, C. - Leipcig. I 5 : 14,
Rengersche Buchh. - Leipzig. 18:3.
IV 1 : 103, 119.
Renthers Verlagsbuchh., H. - Berlin. I
7:57—60. IV 6 : 117; 8 : 15; »d:3;
9e 23, 63.
271
Verlegerregißter.
Richter, H. - OaToo. I 6 : 889; 7 : 19.
III 4 : 36.
— R. - Leipiig. I 6 : 17, 1«, 24, 128.
II 4: 15. III 3 :4; 6:12/1; IV «:
211/3.
Riokemehc Buchh., J. Verl. - Oieuen.
I 8: 14.
BiegeracbeUDiT.-Buehh., M. - MBncben.
IV 7 : 23.
— Vorlagsbuclib. - Stattgkrt. IV
12: i'l.
KiTsra & DuboiM, Iinpr. - Oonf. II
7:84.
Roetbes Bnchdr. n. Vorl., O.'Grtudeni.
I 8:8.
Romen^cbe Bucbh. - Emmerich. I .'> :
:t81.
Rogenbaum & Hart - Kerlin. I
9 : 10.
Rotland - Paris. I 6 : 185.
Kouveyre - Paris. I 4 : 46^6, 1.54.
Rudolpliiscbe Buchh. - Hamburg. IV
3 : 18;».
Ruef - Antwerpon. I 4 : 2ßa.
SallmayoiBcbe Buchh. - Wien. I 4 : 59.
Sauerlaeiidor, TL K. Ss Cie. - Aarau lU
1 : 11. IV 3: 54.
Suhachoiiraayer, T. A. - Bad Eissingon.
IV 6 : 130.
Scbauenburg. M. - Lahr. I 7 : 84. IV
6:4, 10; öd : 22.
Sobeoks Verl. (jetzt F. Haoke}-Jena.
I 6: 7Ö.
Scherz, M. - Schwelm. I 6: 211.
Scbeurleus Verl., A. - lleilbronn^ IV
6:6,
Scbloessmann, 0. - < iotha. I I : US.
Schmid, Francke & Cie. - Bern. 15:374.
IV 7 : 72.
Schmidt, C. F. - Sirassburg i. E. I
4:7; 6:4; 7:72.
— 0.,- Leipzig. IV 7 : 37.
— i: Klaunig - Kiel. I 4: 139.
Sohmitzdorff, H. - St. Petersburg. IV
»e : 106.
Schöllberg, M. - Slawik. IV 10: 129.
Schöningh, F. -MUnster i. W. I
4 : 58.
— F. - Paderborn. I 1 : 67; 6 : 150 ;
6:8, 20, 36; 7 :52,'6, 79, 82: 8:57.
IV 1 : 99; 3: 170/1; 7:68, 70;9J:2; '
9e:62; 10: 81, 115; 12:3.
Schonberg- Kopenhagen. 116:92.
Schon - Kopenhagen IV 9e : 27.
Schräg, J. L. - Nürnberg. I 5 : 366.
Schriftenvertriebsanstalt - Weimar. IV
.3:56.
Schulbuclihandl.- Langensalza. I 6:261;
6 : 30/2.
Schultbecs, F. - ZUrich. I 7 : 80.
Schnitzes Verl, Wilh.- Berlin. I 7:73.
II 6 :-*2.
Schulze, Otto - Leipzig. lY 6 : 47.
— sehe Buchhandl. - Celle. I
5 : 336a.
— Hofbuchhandl. - Oldenburg. 1 3 : 170,
172; 5:32».
Schumann, A. - Leipzig. IV 8 : 17.
Schwabes Verl., B. - Basel. I 6 : 27.
Schwan, 0., Selbstrerl. - Binan a. N.
I 6 : 60.
Schwetscbke, C. A. A Sohn • Braun-
schweig. II 6:3.
Scribner - New-York. 11:39.'
Seemann, A. - Leipzig. IV 9b: 63.
Senf, M. - Wittenberg II 6 : 50.
Settekom - Wriezen. 16:216.
Siebert, A. - Heidelberg. I 5: 210.
Sieling - Naumburg. I 5 : 298.
Simacek - Prag. lY 9e : 105.
Sittlichkeitsvereine - Berlin. I 3:237.
Sluttko, A. - Berlin. W. IV 4 : 68.
BoldanMhe Uofbachh. • NOmberg. IV
1:100.
SplUns Yerin D. -Nordtn. I 6:242:
IV 1 : 8S.
BonaMteheln t Co. • London. I \
9b: 87.
Sooiogoo - Mailand. IT 9b : 80
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Hpamer. 0. - Leipzig. IV 1:62.
Spemann, W. - Berlin. IV 6 : 15«.
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Staholiiche k. Hof- u. Uiil*er«.-Buch-
handl. - Warzburg. I 6:41«. IV
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Stahl aen., E. - Manchen. I 5:867.
II 7 : 12.
Stalling, 0. - Oldenbnrg. I 6 : 328.
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Steinitz, Verl., H. Berlin. IV 1:98
Stepbanus, H. • Trier. IV 9e : 61.
Stokes, F. A. - New-York. IV 9e : 103
Stollberg, F. - Mersobnrg. I 6 : 200.
Stott-Londnn. IV 9d : 19.
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Strmssburg. II 7:76. IV 1 : 189.
Slrauss Verl., E. - Bonn. I 5 : 443.
Strien, E. -Halle. IV 6 : 38e.
Stampf, A. - Dochnm. I 5 : 331.
„Styria», Verl. -Graz. IV 6:217.
Tempsky, F. - Wien. II 3:42.
Teubner, B. G. - Leipzig. I 6:192;
7:9, 25-34, 85, 99-100; 8:11/2.
II 4:22; 6:5. IV 1:11; 8:48/4;
9d:l: 9e:54; 10:92, 102.
— F. -Köln a. Rh. IV 6:92.
Theissingsche Bucbb. - UBniter i. W.
III 1 : 6.
Thienemann, E. F. - Goth*. I 3:143;
5:286; 6: 16. III 1:16.
Tipogr. Ciaudiana - Florenz. II 6 : 40.
Titze. A. - Leipzig. IV 3 : 174.
Tranmtlller, W. - Oppenheim. I 66 : I.
Trautretter. H. L. r. - Berlin. I 8 : 138.
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Trenkle, C. H. - Rothenbnrg. IV 4:186.
Treuttel « Wnrtz-Strasiburg. 11 7:78.
Trewpndt, E. - Breslau. IV 1:2, 87;
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4:94: 5:90. IV 10:47.
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~ NorddonlselMr - BMlin. I 1:63.
VarlagaanaUlt, DoatMho - Stattfwt.
I6:43«b. IV 8:78. n. IM; 4:16;
9a:5i, 9tk. 12a/8n: »b:8«/7. 90;
Oe: 12; 9«: 8. «•.7a,M-W.»4, 10».
124 IM: 10:41: 11:8.
— NorddaotMh«,0.0o«4«l - Hnanovor
17:96.
— ?ora. 0. J. Mau - Bogmabwf
IV 1:227: « : 11».
— n Drack., SchlM. - RrMiM. IV
«:20a: »a:21.
A -O. - Hambarg I 3:«4, 190;
6:5, 7. 21. 100, 110. »47. 871. IV
3:173. 176/0. 179-Hü: 6:74; «:»6.
VerUgtbaus, Denlsehea, Bong k C«.-
Berlin. IV 12:20.
Verl»gBinslitat.8BddeuUebeB-St«Ucirt.
I 6:368.
Viewef . Ch. f. - BUnkenbnrf. I
5:885.
— * Sohn. F.-Bmaas«h«oig. 1 6 : Ail.
IV 1 : 202 ; 6 : 16V.
Visentini-Venediff. IV 10:4.1.
Voigtlaenders VerL. E. - Leipzig. I
5:20.
Voss. L. - Uanbnrg. I 3 : 12, 14> ; « : M,
226. III 4:16a, 82: IV 6:«8; «rW;
Ua:73; 9e:7, I«.
Wagner.ebe UniT.-Bnehhandl., F.-Inna-
brack. I 6 : -236. IV 1 : 100.
Waltber. H.-B«rlin. I 1 :61. IV 9a: 117.
— * Apolant - Beriin. I 3 : S2S;
0 : 186 ; 8 : 68.
Wartiga Verl.. B.-L«jpzig. IV 7:46;
9e:43; 10:46, 106.
Waltonbacb. G. - Striegaa. I 6 : 107 «.
Weber, J. J. - Leipzig. 1 6:49. IV
4:119; 10:14.
Wegera Buobbandl., A. - Brisen. I
6:74, 144.
Weidmanni>che Bncbhaadl. - Bortte. I
1 : 34, 45 ; 3 : 151 ; 7 : 4-6. 14. «3, 08.
IV 0:143; 8:12; 9e:0; 10:87, 10».
Waigel Nachr., T. 0. • Lnipzig. 1 4 : 64«.
IV 0 : 144.
Weindel - PfontiaiB. I « : 205.
Weisert, 0. - Stnttgari IV 1 : 101.
Weias' VfrU O. • Heidelberg. ,1 6 : 887.
Weissbacb, H. - Weimar. 14:3».
Werthws VarL. W. - HMtook. I «:«.
Wontermann , 0. - Brauaekwaig . IT
»a : 78.
Wiegandt * GriobMi - Borlin. I 1 : 83;
3:7-8. IV 1:»6.
WieprMht-Alzey. I 0:182.
Wigand, G.- Leipzig. I 7:78; 8: «7.
IV 4 : 182.
-<>. H.-Kaaa«L I 7:82. IT 10:44.
Wildaer-Sprottan. 10:212.
WUlemt-PottSsin • Arlon. I 5:233.
Winters UniTeraiUU - Bnehh.. C-
Hoidolborg. IV 1:61; «:36; 10:8.
Wiskott, C. T. - BrMUn. IV 1 : «8.
Wittjcbscbe Hofbiiobdrack.. L.&-I>arM-
sUdt I 4 : 80.
Woerl. L. - Wien. lY9b:88.
Wollemiaan,H.-Braanachw»ig. II «:W.
Wys«, K. J.-B«m. I 4: 14». 112:30.
Zangonborg A HiBly-Loiptig. 16:436«.
Ziekfeldt. A. W. - Oat«rwi«ck. 11:6*
5:884.
Zimmer, V. - Brealan. IV So : 48.
Zwissler, J. - WolfenbBtt«!. I 4 :' 40
0 : 170.
Siglenregfister.
a) Siglen für einzelne Zeitschriften.
AAALA. Atti della r. Accademia di Archeologia,
Lettere e belle Arti
Ac. The Academy
ADA. Ajizeiger d. Zeitschrift für Deutsches
Alterthum
ADB. Allgemeine Deutsche Biographie.
AELKZ. Allgemeine Evangelisch-Luth. Kir-
chen-Zeitung
ADLZg. Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung
AltprMschr. Altpreussische Monatsschrift
AnnELScPol. Annales de l'^cole libre des
Sciences politiques
AnzSchwG. Anzeiger für Schweiz. Geschichte
AÖG, Archiv für Österreichische Geschichte
ASNS. Archiv für d. Studium der neueren
Sprachen
ASTP. Archivio per lo Studio delle Tradi-
tioni Popolari
Ath. The Athenaeum
AZgB. Beilage d. Allgemeinen Zeitung
BBG. Blätter für d. Bayrische Gymnasial-
schulwesen
BBSW. Besondere Beilage d. Staatsanzeigers
für Württemberg
BFDH. Berichte d. Freien Deutschen Hoch-
stifts
BGDS. Beiträge z. Geschichte d. Deutschen
Sprache
BHLPFr. Bulletins Historiques et Litteraires
de la Soci6t6 du Protestantisme Fran9ais
BKELK. Beiträge z. Kunde Esth-, Liv- und
Kurlands
BLU. Blätter für Litterarische Unterhaltung
BPh WS. Berliner Philologische Wochenschrift
BUE.S, Bibliothfeque Universelle et Revue
Suisse
BWKG. Blätter für Württembergische Kirchen-
geschichte
CBlBibl. Centralblatt für Bibliothekswesen
ChrJGImpr. Chronique du Journal g6n6ral de
rimprimerie et de la Librairie
ChWGV. Chronik d. Wiener Goethe-Vereins
COIE.W. Centralorgan für d. Interessen d
B.ealschulwesens
DBllEU. Deutsche Blätter für Erziehung u.
Unterricht
DEBU, Deutsch-Evangelische Blätter
Didask. Didaskalia (Beiblatt z. Frankfurter
Journal)
DEKZ. Deutsche Evang. -Kirchen zeitung
DLD. Deiitsche Litteraturdenkmale
DLZ. Deutsche Litteraturzeitung
DNL Deutsche Nationallitteratur
DR. Deutsche Revue
DRs Deutsche Rundschau
DWBl. Deutsches Wochenblatt
DZG. Deutsche Zeitschrift für d. Geschichts-
wissenschaft
EKZ. Evangelische Kirchen-Zeitung
FBPG. Forschungen z. Brandenburgischen
u. Preussischen Geschichte
FrB. Freie Bühne für modernes Leben
FZg. Frankfurter Zeitung
GJb. Goethe-Jahrbuch
GGA. Göttingische Gelehrte Anzeigen
GFr. Geschichtsfreund (Mitteilungen d. Histo-
rischen Vereins d. 5 Orte)
HJb. Historisches Jahrbuch (Grauert)
HPBll. Historisch-Politische Blätter
HTB. Historisches Taschenbuch
HTD. Historisk Tidsskrift (Dansk)
HZ. Historische Zeitschrift (v. Sybel)
HlZg. Illustrierte Zeitung
JSav Journal des Savants
JBG. Jahresberichte d. Geschichtswissen-
schaft
JBGPh. Jahresbericht über Germanische
Philologie
JBHSW. Jahresbericht für d. höhere Schul-
wesen
JBL. Jahresberichte für neuere deutsche Lit-
terat Urgeschichte
JbSAK. Jahrbuch d. kunsthistorischen Samm-
lungen d. Allerhöchsten Kaiserhauses
JGGPÖ. Jahrbuch d. Gesellschalt für Ge-
schichte d. Protestantismus in Oesterreich
JNS. Jahrbücher für Nationalökonomie und
Statistik
KBIGRW. Korrespondenzblatt für d. Ge-
lehrten- u. Realschulen Württembergs
KBIWZ. Korrespondenzblatt d. Westdeutschen
Zeitschrift für Geschichte und Kunst
KM. Kirchliche Monatsschrift
KunstUZ. D. Kunst unserer Zeit
Kw. Kunstwart
KZg. Kölnische Zeitung
KZEU. Katholische Zeitschrift für Erziehung
und Unterricht
LBlGRPh. Litter aturblatt für Germanische
u. Romanische Philologie
LCBl. Litterarisches Centralblatt
L&K. Literatur og Kritik
LZgB. Wissenschaftliche Beilage d. Leipziger
Zeitung
MD. Moderne Dichtung
MGESchG. Mitteilungen d. Gesellschaft für
deutsche Erziehungs- n. Schul goschichte
MGNM. Mitteilungen aus d. Germanischen
Nationalmuseum
MHL. Mitteilungen aus d. Historischen Lit-
teratur
MIÖG. Mitteilungen d. Instituts für öster-
reichische Geschichtsforschung
ML. Magazin für Litteratur d. In- und
Auslandes
MLN. Modern Language Notes
MNLGAU. Mitteilungen d. Niederlausitzer
Gesellschaft für Anthropologie u. Urge-
schichte
278
SiglenregiRter.
MNEKE. Mitteilungen u. Nachrichten för d.
Evangolischo Kirche in Rnssland
MVGDB. Mittoilunffen d. Vereins t!ir Ge-
schichte d. Deutschen in Böhmen
NAnt. Nuova Antolo^ia
NationU. Nation (Berlin)
NütionNY. Nation (New- York)
NFPr Neue Freie Presse
NHJbb. Neue Heidelberger Jahrbücher
NKZ. Neue Kirchliche Zeitschrift
N&S; Nord u. Süd
NYCritic. Now-York-Critic
NZg. Nationalzeitung
ÖLBl. Österreichisches Litteraturblatt
ÖIJR. Öesterreichisch-Ungarische Revuo
PKZ. Protestantische Kirchenzeitung
PrJbb. Preussische Jahrbücher
QF. Quellen u. Forschungen z. Sprach- u.
Culturgeschichte d. germanischen Völker
QR. Quarterley Review
RB. Revue Bleue
RCr. Revue Critique d'histoiro et de litt6-
rature
RDM. Revue des deux Mondes
RepKunstw. Repertoriam der Kunstwissen-
schaft
RESS. Revue de l'Enseignement Secondaire
et Sup^rieure
RH. Revue Historique
RbBUEU. Rheinische Blätter für Erziehung
u. Unterricht
RiCrLI. Rivista Critica della Letteratura
Italiana
RIE. Revue Internationale de l'Enseignement
RPL. Revue Politique et Litt^raire
RQChrA Römische Quartalschrift für Christ-
liches Altertum und Kunst
RTP. Revue des Traditions Populaires
RThPh. Revue de Theologie et de Philo-
sophio
SchlZg. Schlesische Zeitung
SchwäbKron. Schwäbische Kronik (Beiblatt
z. Schwab. Merkur)
SammlorB. D. Sammler (Berlin)
Sammler^ D. Sammler (Tägliche Beilage d.
Augsburgor Abendzeitung)
StMBCO. Studien u. Mitteilungen aus d.
Benediktiner- u. d. Cistercienser-Orden
StMJi. Stimmen aus Maria Laach
TglBsB. Unterhaltungsbeilage d. Täglichen
Rundschau (Hnrlm)
ThJB. Theologischer Jahresbericht
ThLBl. Theologisches Litteraturblatt
ThLZ. Theologische Littoraturznitong
ThQ. Theologische Qaartalschrift.
ThStK. Theologische Stadien n. Kritiken
ThZSchw. Theologische Zeitschrift aas der
Schweiz
TNTLK. Tijdschrift voor Nederlandtehe
' Taal-en Letterkunde.
ÜB. Universal-Bibliothek.
ÜB&T Über Berg u. Thal.
ÜLAM. Über Land a. Meer
UZ. Unsere Zeit
VVPK. Viorteljahrschrift für Volkswirtschaft,
Politik u. Kulturgeschichte
VLG. Vierteljahrschrift f. Litteratargeschichte
WIDM. Westermanns Illastrirte Deutsche
Monatshefte
WSKPh. Wochenschrift filr Klassische Phi-
lologie
WZ. Westdeutsche Zeitschrift ftir Geschichte
u. Kunst
ZADSprV. Zeitschrift des Allgemeinen
Deutschen Sprachvereins
ZBK. Zeitschrift ftlr Bildende Kunst
ZDA. Zeitschrift für Deatsches Ahertham
ZDKG. Zeitschrift für Deutsche Kultur-
geschichte
ZDMG. Zeitschrift d. Deutschen Morgen-
ländischen Gesellschafl
ZDPh. Zeil Schrift für Deutsche Philologie
ZDS. Zeitschrift tür Deutsche Sprache
ZDU. Zeitschrift für d. Deutschen Unterricht
Zeitgeist. D. Zeitgeist (Montagsbeilage z.
Berliner Tageblatt)
ZFSL. Zeitschrift für neufranzösische Sprache
u. Litteratur
ZGORh. Zeitschrift für d. Geschichte d. Ober-
rheins
ZKG. Zeitschrift für Kirchengeschichte
ZKWL. Zeitschrift tür kirchliche Wissen-
schaft u kirchliches Leben
ZOG. Zeitschrift für d. Osterreichischen Gym-
nasien
ZPTh. Zeitschrift ftir Praktische Theologie
ZVK. Zeitschrift für Volkskunde
ZVLR. Zeitschrift für Vergleichende Littera-
turgeschichto u. Renaissance-Litteratur
ZWTh. Zeitschrift für wissenschaftliche
Theologie.
h) Abkttrzung sur Bezeichnang der übrigen Zeitschriften.
A. Archiv, Archives, Arkiv. — AbhAk. Ab-
handlungen d. Akademie (d. Wissenschaften).
— Alm. Almanach. — Ann. Annalen, An-
nales. — Ant. Antiquarisch. — Ans. An-
zeiger. — AV. Altertumsverein.
B. Beiträge. — BBl. Börsenblatt. — Bblgr.
Bibliographie. — BG. Beiträge z. Geschichte.
BHV. Bericht d. Historischen Vereins. —
Bibl. Bibliothek. — BK- Beiträge z. Kunde.—
Bl., Bll. Blatt, Blätter. — BLVA. Berichte
d. Landesvereins für Altertumskunde. —
BVGW. Berichte über d. Verhandlungen d.
Gesellschaft d. Wissenschaften. — BVL.
Blätter d. Vereins für Landeskunde.
CBl. Centralblatt. — Chr. Chronik. — Cr.
Critique. — COL Centralorgan für J. In-
teressen.
D. Deutsch.
Jahreabericlite für Dauere deutaehe LitUr»targM«hie1ilo II i
18
Siglenregister.
274
E. Erdkunde.
F. Forschungen.
G. Geschichte. — GBl., GBll. Geschichtsblatt,
Geschichtsblätter. — Ges. Gesellschaft. —
GV. Geschichtsverein.
H. Historisch, Histoire, Historique etc. —
HG. Historische Gese Ischaft. — HT. Hi-
storiskTidsskrift. — HV. HistorischerVerein.
I Institut. — It. Italia, Italiano.
J. .Journal. — JB. Jahresbericht, Jahresbe-
richte. —Jb. Jahrbuch.— Jbb. Jahrbücher. —
JbHV. Jahrbuch d. Historischen Vereins. —
JbA'G. Jahrbuch d. Vereins für Geschichte,
KBl. Korrespondenzblatt. — KBIVL. Korres-
pondenzblatt d. Vereins f. Landeskunde. —
KG. Kirchengeschichte. — KL. Konver-
sationslexikon.
L. Litteratur, Littorarisch usw. - LB. Litlera-
turbericht. — LBl. Littoraturblatt. — LK.
Landeskunde.
M. Mitteihmgen. — MA. (MAlich.) Mittelalter
(-lieh.). — Mag. Magazin. - MBl., MBU.
Monatsblatt, Monatsblätter. - MGG. Mit-
teilungen d. Gesellschaft für Geschichte. —
Mh. Monatshefte. — Mscbr. Monatsschrift.—
Mus. Museum. - MusV. Musealverein. -
MVG. Mitteilungen d. A^ereins türGeschichte.
N. Neu, Nouveau, Nuovo usw. — NF. Neue
Folge. — Njbl, Nihil Neujahrsblatt, Neu-
jahr sbiätt er.' — NN. Neueste Nachrichten.
ö. Österreich, Österreichisch.
P. Preussisch. — Ph. Philologie. — Philos.
Philosophin. — Pr. Presse.
Q. Quartalschrift.
R. Revue. — Rep. Repertorium. — Rh. Rhein,
Rheinisch. — Ri. Rivista. — Rs. Rundschau.
SB. Sitzungsbericht, Sitzungsberichte. —
SBAk. Sitzungsberichte d. Akademie (d.
Wissenschaften». — Sbnbg. Siebenbürgen. —
SchlH. Schleswig- Holstein -Lauenburg. —
Schw. Schweiz, Schweizerisch. — Spr.
Sprache, Sprachforschung. — ^SVG. Schriften,
d. Vereins f. Geschichte.
Tb. Taschenbuch. — TBL Tageblatt (Tag-
blatt).
Vjs, Vierteljahrsschrift.
WBl. Wochenblatt.
Z. Zeitschrift. — Zg. Zeitung. - ZGG. Zeit-
schrift d. Gesel' Schaft für Geschichte. —
ZHV. Zeitschrift d. Historischen Vereins.
Beispiele für Verbindungen:
JhMünchG. Jahrbuch für Münchener Ge-
schichte.
BVGWLeipzig. Berichte über d. Verhand-
lungen d. Gesellschaft d. Wissen-
schaften in Leipzig.
UngR Ungarische Revue.
MVAnhaltG Mitteilungen d. Vei-eins für An-
haltische Geschichte u. Altertums-
kunde.
MhMusikG Monatshefte für Musikgeschichte.
SVGBerlin. Schriften d. Vereins für d. Ge-
schichte Berlins.
NASächsG. Neues Archiv für Sächsische Ge-
schichte.
ZVHaml>G. Zeitschrift d. Vereins für Ham-
burgische Geschichte — usw.
Bemerkungen für den Gebrauch.
An dieser Stelle sei zunächst das „Handbuch zu Litteraturberichten" von J. Jastrow
(Berlin, Gärtner 1891) rühmend genannt, dem die technische Einrichtung sich im wesent-
lichen anschliesst.
1) Die Disposition ist jedem einzelnen Abschnitte vorangedruokt und im Text,
auf den allein sie sich bezieht, durch Absätze und Sperrung der Stichwörter kenntlich.
2) Die Stellung der Anmerkungsziffer vor oder hinter dem Punkt am Ende
eines Satzes charakterisiert die nähere oder fernere Zugehörigkeit des unten angeführten
Buches zum Text.
3) Neben den Werken dos Berichtsjahres sind nur in .'Ausnahmefällen Schriften
des unmittelbar vorhergegangenen .Talires besprochen. Die Litteratur der auf das Berichts-
jahr folgenden Zeit blieb durchweg ausgeschlossen, ausser wo es sich um Recensionen der
1891 erschienenen Arbeiten handelt Als Jahreszahl ist zu jeder in den Anmerkungen
citierten Schrift die dos Berichtjahres (für Bd. 2 also 1891) hinzuzudenken, insofern eine
andere nicht ausdrücklich genannt ist Wo bei Lieferungswerken, Zeitschriften usw.
]-iiet'erungstitel und Bandtitel verschiedene Jahreszahlen tragen, ist der letztere als mass-
gebend betrachtet worden.
275 Bfiiiifirkuiurftu.
4) Die Bedeutung der Zoichou in *l«n Anmerkungen ist folgend«:
X Hier sei dem Titel nach ungeführt
XX Hier sei angeführt unter Vurbebalt genauerer Besprechung im
näohston Jahrgang
O Unzn^äoglich blieb
<II 4 18) Hier ist ein Titel einer Arbeit bezw. ein Bericht ansgefallon zu
Gunsten von II, 4 N 13.
if Ji sohlieüst das Vorzeichnifl der Keconsionen ein.
r>) lOin V'ur/eichnis der zur Abktirzung von Zeitschriften- und ZoitiuigH-
titelu verwendeten Siglen [findet sich Ö. 272- 274. Ausserdem sind folgende Abkürzungen
angevv'endet: Hb., Mss. - Handschrift, Handschriften; hs. handschriftlich: Ms., Mhh. -
Manuskript, Manuskripte; Vf. = Verfasser; Jh., Jhh. = Jahrhundert, Jahrhundert«.
6) Das A utorenregistor verzeichnet nur die Verfasser der besprochenen Arbeit/«n,
zu denon aucli die Recensioneu geroclinet werden. Die Art der angefahrten Werke wird
durch die Kapitelzahl einigormassen gekennzeichnet.
7) Im Sachregister beacht« man überall Zusammenstellungen wie Bibliotheken,
Drama, Scliulen, Sprache.
8) Die Zahlen in den Registern usw. sind aus folgenden Beispielen zu verstehen:
II 3 : 4 = II, 3 N. 4. - II 3 : 4-5 = II, 3 N. 4- .^ - II 3 : 4; 6 : 7 = H, 3 N. 4; II, 6 N. 7.
9) Die Verfasser von selbständigen Werken wie auch namentlich von Dissertationen,
Programmen, Festroden usw. sowie von ZHitschriffenaufsälzon worden dringend ersucht,
ein Exemp'ar an die JBL. einzusenden oder die Einsendung seitens ihres Verlegers so ver-
anlassen. Bei Al'handlungen, die an entlegenen Stellen verörfenl licht sind, wäre die Redaktion
schon für den blossen Hinweis (vielleicht mit kurzer Angabe dos Inhalts) dem Autor zu
Dank verpflichtet.
Ii)) Die Adresse der* Redaktion findet sich am Schlüsse der Vorrede, die der Ver-
higshandlung auf dem Titelblatt, die der einzelnen Mitarbeiter im Inhaltsverzeichnis.
Für die bibliographischen Auszüge aas verschiedenen Tageszeiiungen haben wir
zu danken den Herren: cand. phil. Ernst .Vltenkrüger-Berlin, Dr. phil. Hans Bodmer-
Zürich, cand. phil. Friedrich Düsel-Berlin, Dr. phil. Arthur Eloesser- München, Prof.
Dr. Ernst Elster-Leipzig, Paul Fulda-Frankfurt a. M., cand. phil. Friedrich Gotthelf,
Dr. Waldomar Kawerau-Magdeburg, Prof Dr. Albert Köster-Marburg, Wilhelm Lenz-
Frankfurt ii. M., den Herren aus dem Seminar des Herrn Prof Dr. Jakob Mi lor-Wien,
Prof. Dr Eduard Norden-Greifswald, Dr. Max Osborn-Berlin, Dr. Ludwig Pariser-
München, Dr. Felix Poppenborg-Berlin, Prof. Dr. S. M. Prem-Bielitz, Freiherr Alfred
von Rontz-Brosliui, Dr Richard Rosenbaum - Berlin, cand. phil. Siegfried Rosen-
feld-Berlin, Dr. Ludwig Stottenheim-Berlin, cand. phil. H. Stümcke, Georg Westen-
ber ger-Castel und den Rodaktionen des „Frankfurter Journals", der „Kieler Zeitung",
der „Rostockor Zeitung" und der „Weser-Zeitung".
Für die nmerikanischo, englische, italienische und polnische Bibliographie haben
uns gütigst unterstützt die Herren: Prof. Dr. Horatio S. White-Ithaka U.S., Dr Carlo
Fasola-Florenz und Prof Dr. Richard Maria Werner-Lemberg.
Ganz besonderen Dank endlich schulden wir Herrn Verlagsbachhändler Gustav
Fock in Leipzig, der niclit nur seinen höchst nützlichen „Bibliographischen Monatsbericht
über neu erschienene Scliul- und Universität SKchriften" für unsere Expedition durch private
Mitteilungen besonders brauchbar gemacht, sondern uns aach uneigennützig einen beträcht-
lichen Teil der Schriften selbst zugewendet hat,
Drnckfehlerbcrlchtignng. I 1 : 49 Zeile 8 lies Riftert statt Riffart; HI 1 : 7, 13.
15, 25, 26, .30, 31, 32, .33, 34, 37, 38, 39 lies in den Noten I » statt 13; IV 1 : '• Zeile 8 lies
umkleiden statt einkleiden; IV 1 : 37 Zeile 9 lies Idealismas statt Realismns; IV
1 : 90 lies Serres statt Serrös; IV 1 : 184 Zeile 2<>fl'. von nnten lies abermals beweisen
statt beweisen, hat statt hätte.
la'
Willielm Issleib (Inhaber Gustav Schuhr) Berlin SW. 48.
z
2231
J25
Bd.
Jahresberichte für neuere
deutsche Literatur-
geschichte
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
I Rljiillililiilliijlll
lii^^lP'
"Ijuutlii,, ,,,,,,
'lllilililliiijiiiiiiiiiiiiiiiiiili
)iniiiiiiniii)iiiii)irmiiii(iiil)i!iiiijiiiMiiltiriii'li
ii:iiiiriii)i)n
'iüJliiltiiÜIll! iülü! ! i«fi
11! i iiiiiii ! !!jf
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iiliiii iij iii!i|ij2ä|iiir''
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